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German Pages 1221 [1224] Year 1973
Müller Straßenverkehrsrecht Band III
MÜLLER
Straßenverkehrsrecht Band III
Zweiundzwanzigste, völlig neubearbeitele Aullage
DR. WOLFGANG WERNER
FULL
Senatspräsident
MÖHL
Oberstaatsanwalt i. R.
KARL R Ü T H
MünAen
Oberstaatsanwalt
am Oberlandesgericht
München
München
w DE
G 1973 WALTER DE GRUYTER
BERLIN
NEW
YORK
Dieser Band erscheint gleichzeitig als besondere Ausgabe unter der Bezeichnung „Möhl-Rüth, Straßenverkehrsordnung und verkehrsrechtliche
Bestimmungen
des Strafgesetzbuches".
I S B N 311 0 0 3 6 1 0 x © Copyright 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Duck: Druckerei Chmielorz GmbH, Berlin-Neukölln.
Vorwort zum Band III der 22. Auflage Mit den in diesem III. Band enthaltenen Erläuterungen zur StVO und den einschlägigen Bestimmungen des StGB wird die 22. Auflage von Müllers Straßenverkehrsrecht abgeschlossen. Die neue StVO brachte es mit sich, daß der Kommentar insoweit völlig neu geschrieben werden mußte. Lediglich die Entwicklungsgeschichte der StVO und einzelner ihrer Bestimmungen konnte aus dem früheren Werk bruchstückweise übernommen werden. Versucht wurde allerdings, den Geist des alten „Müller" zu wahren und fortzuentwickeln. Der Verlag hat sich entschlossen, künftige Auflagen nicht mehr unter dem Namen „Müller — Straßenverkehrsrecht", sondern in zwei voneinander unabhängigen Bänden unter dem Namen der Bearbeiter herauszugeben. Dadurch soll einmal zum Ausdruck kommen, daß der Inhalt des Kommentars im wesentlichen das Werk der Neubearbeiter ist, es soll aber auch erreicht werden, daß sich Interessenten einzelner Teilgebiete des Straßenverkehrsrechts auf den Erwerb des entsprechenden Einzelbandes beschränken können. Der hier vorliegende Band III der 22. Auflage des Müllerschen Kommentars wird für solche Interessenten, die Band I und II nicht erworben haben, bereits unter dem neuen Titel geliefert. Der neue Band „Möhl-Rüth, StVO und die verkehrsrechtlichen Bestimmungen des StGB, Großkommentar der Praxis" entspricht also inhaltlich dem hier vorliegenden Band III des „Müller". Neben der StVO und den einschlägigen Bestimmungen des StGB werden in diesem Bande auch die für das Verkehrsrecht wichtigen Bestimmungen der StPO erläutert. Ungekürzt werden bei den Paragraphen der StVO die zugehörige Verwaltungsvorschrift und amtliche Begründung abgedruckt. Der Anhang enthält den bundeseinheitlichen und den bayerischen Bußgeldkatalog. Die in diesem Bande erläuterte, am 1. 3. 1971 in Kraft getretene neue StVO vom 16. 11. 1970 entspricht in vielem dem Programm, das bereits acht Jahre vorher in der amtlichen Begründung zum ersten Entwurf aufgestellt worden war: Sie enthält zwar wenige wirkliche Rechtsänderungen, will aber ein „Volkslesebuch" werden, das manche Rechtsgrundsätze zu ausdrücklichen Vorschriften konkretisiert, die bisher von der Rechtsprechung aus § 1 und einzelnen Vorschriften der §§ 2 f. hergeleitet worden waren. Obwohl solche Rechtsgrundsätze für das Verhalten des Einzelnen im Straßenverkehr von erheblicher Bedeutung sein konnten, waren sie dem „Laien" häufig nur nebelhaft bekannt. Es war gewiß verdienstvoll, sie diesem im Text der StVO in volkstümlicher Sprache näherzubringen, wenn auch der Skeptiker schwer zu überzeugen sein wird, daß das „Volk" sein „Lesebuch" sorgfältig lesen wird. Das Ziel einer volkstümlichen Sprache wurde im übrigen nur teilweise erreicht. Manche Einzelbestimmungen sind nicht ohne weiteres verständlich, bedürfen also der Auslegung. Manche Fra-
V
Vorwort gen wurden auch inhaltlich nicht befriedigend gelöst, vor allem die wichtige Frage des mehrspurigen Verkehrs. Trotz dieser Schönheitsfehler ist die neue StVO im ganzen recht wohlgelungen. Besonders am Herzen lag, wie die Begründung erkennen läßt, dem Gesetzgeber das sog. „defensive" Fahren. Wenn dieses Schlagwort auch rein sprachlich nicht recht glücklich ist, weil defensives Verhalten ichbezogen ist, während gerade die gegenseitige Rücksicht propagiert werden soll, ist es doch bei entsprechend weiter Auslegung ein brauchbares Hilfsmittel, um den Verkehrsteilnehmern einzuhämmern, worauf es ankommt. Die Erkenntnis, daß alle Vorrechte dort ihre Grenze haben müssen, wo ihre Ausübung in unerträglicher Weise die Interessen anderer verletzt, hat für den Straßenverkehr deshalb besondere Bedeutung, weil dort die Ausübung von Vorrechten häufig automatisch mit der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verbunden ist. Der Hinweis auf die notwendige Beschränkung von Vorrechten durch die Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme kehrt deshalb „leitmotivisch" an vielen Stellen des Erläuterungswerkes wieder. Im übrigen wurde, wie schon im Vorwort zum Band I der 22. Auflage zum Ausdruck kam, der Frage besondere Aufmerksamkeit gewidmet, wie die Erläuterungen möglichst übersichtlich gestaltet werden können. Ein Großkommentar muß gewiß bestrebt sein, Schrifttum und Rechtsprechung möglichst vollständig zu verarbeiten, wozu im vorliegenden Fall die Klärung gehört, welche Teile der früheren Rechtsprechung bei der Auslegung der neuen Vorschriften herangezogen werden können. Wichtig ist aber auch, daß der Benutzer des Kommentars schnell findet, was er sucht. Deshalb wurde bei den einzelnen Paragraphen auf differenzierte Sachübersichten und sinnvolle Aufteilung des Stoffes durch die mit Randnummern versehenen Unterabschnitte besonderer Wert gelegt. Wo der Gesetzgeber sein Ziel, ein übersichtliches und leicht verständliches Lesebuch zu schaffen nicht voll erreicht hat, wie etwa bei den Halt- und Parkvorschriften oder im Teil 2 bei den Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, mußte versucht werden, den unübersichtlichen Gesetzesstoff aufzugliedern und überschaubar zu machen. Zu danken haben wir den Herrn Ministerialräten Dr. Booß vom Bundesverkehrsministerium und Schmidtkonz vom bayerischen Ministerium des Inneren, sowie Herrn Rechtsanwalt Dr. Seehon von der juristischen Zentrale des ADAC für die freundliche Unterstützung durch Material und Auskunft. Dr. Wolfgang Möhl Oberstaatsanwalt i. R. Werner Full Senatspräsident am Oberlandesgericht München
VI
Karl Rüth Oberstaatsanwalt in München
Inhaltsverzeichnis des dritten Bandes Seite Vorwort Abkürzungsverzeidinis
V IX
Straßenverkehrs-Ordnung Vorbemerkung I. Allgemeine Verkehrsregeln § 1: Grundregeln § 2: Straßenbenutzung durch Fahrzeuge § 3: Geschwindigkeit § 4: Abstand § 5: Überholen § 6: Vorbeifahren § 7: Nebeneinanderfahren § 8: Vorfahrt § 9: Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren § 10: Einfahren und Anfahren § 11: Besondere Verkehrslagen § 12: Halten und Parken § 13: Parkuhr und Parkscheibe § 14: Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen § 15: Liegenbleiben von Fahrzeugen § 16: Warnzeichen § 17: Beleuchtung § 18: Autobahnen and Kraftfahrstraßen § 19: Bahnübergänge § 20: Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel § 21: Personenbeförderung § 22: Ladung § 23: Sonstige Pfliditen des Fahrzeugführers § 24: Besondere Fortbewegungsmittel § 25: Fußgänger § 26: Fußgängerüberwege § 27: Verbände § 28: Tiere § 29: Ubermäßige Straßenbenutzung § 30: Lärmschutz und Sonntagsfahrverbot § 31: Sport und Spiel § 32: Verkehrshindernisse § 33: Verkehrsbeeinträchtigungen
1 21 170 203 265 270 319 324 334 375 422 434 438 471 476 486 492 504 519 533 545 550 556 566 583 586 605 615 625 634 646 651 653 660
VII
Inhaltsverzeichnis Seite § 34: Unfall § 35: Sonderrechte
667 670
II. Zeichen und Verkehrseinriditungen § 36: Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten § 37: Wechsellichtzeichen und Dauerliditzeichen § 38: Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht § 39: Verkehrszeichen § 40: Gefahrzeichen § 41: Vorschriftzeichen § 42: Richtzeichen § 43: Verkehrseinrichtungen
681 691 712 718 731 745 783 814
III. Durchführung«-, Bußgeld- und Sdilußvorschriften § 44: Sachliche Zuständigkeit § 45: Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen § 46: Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis | 47: örtliche Zuständigkeit § 48: Verkehrsunterricht § 49: Ordnungswidrigkeiten § 50: Sonderregelung für die Insel Helgoland § 51: Sonderregelung für Berlin § 52: Geltung im Land Berlin § 53: Inkrafttreten
819 822 833 838 839 841 843 844 844 844
StVO-Anhang Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Erteilung einer Verwarnung Bußgeldkatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten (Bund) Bayerischer Verwarnungs- und Bußgeldkatalog
847 852 858
Auszug aus dem Strafgesetzbuch
Vorbemerkung § 37 Fahrverbot § 42m Entziehung der Fahrerlaubnis § 42n Sperrfrist für Fahrerlaubnisentziehung § 42o Internationaler Kraftfahrzeugverkehr § 142 Verkehrsunfallflucht § 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr § 315c Straßenverkehrsgefährdung § 315d Schienenbahnen im Straßenverkehr § 316 Trunkenheit im Verkehr
'71 97* 987 1009 1022 1025
1062 1077 1109 Hl3
Auszug aus der Strafprozeßordnung § 81a § lila
Körperliche Untersuchungen des Beschuldigten Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
Stichwortverzeichnis
VIII
1157 1163 1171
Abkürzungen a. A. AA aaO. aaS. AAZ ABl. ABIKR Abs. AcP ADAC ADSp. a. E. ÄndG a. F. AG AG a. Grd. AGGVG AGNB AHB AHK AHKG AKB AktG AKV Ailg. ALR a. M. AMF AMZ Amtl. Begr. Amtl. Bek. Amtsbl. AngV Anh. Anl. AnVG AnVNG AO AbgO AOK
anderer Ansicht Ausführungsanweisung zur R S t V O 1934 am angegebenen O r t amtlidi anerkannter Sachverständiger Allgemeine Automobilzeitung, Verlag Klasing & Co, Berlin Amtsblatt Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (1945—1948) Absatz Archiv für civilistische Praxis (seit 1818) Allgemeiner Deutscher Automobilclub Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende Änderungsgesetz alte Fassung Ausführungsgesetz Amtsgericht aufgrund Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes Allgemeine Beförderungsbedingungen für den gewerblichen Güternahverkehr mit Kraftfahrzeugen Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen Alliierte Hohe Kommission Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung Aktiengesetz Allgemeine Krankenversicherungs-Bedingungen Allgemein Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten anderer Meinung Zeitschrift für Automobil-, Motorrad- und Flugwesen Zeitschrift Auto, Motor und Zubehör, Carl Ihl Sc Co., Coburg Amtliche Begründung Amtliche Bekanntmachung Amtsblatt Angestelltenversicherung Anhang Anlage Angestelltenversidierungsgcsetz Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz Anordnung Reichsabgabenordnung Allgemeine Ortskrankenkasse
IX
Abkürzungen AP AR AR-Blattei
Nachschlagwerk des Bundesarbeitsgerichts (Arbeitsrechtliche Praxis) Automobil-Rundschau, Verlag Dr. E. Valentin, Berlin Arbeitsrechts-Blattei (Gruppe II der Rechts- und Wirtschaftspraxis), Verlegt von Forkel ArbA Zeitschrift „Das Arbeitsamt" (seit 1950) ArbG Arbeitsgericht ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz ArbKrankhG Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall Arndt Dr. Arndt, Straßenverkehrsordnung, Asdiendorfsdie Verlagsbuchhandlung, Münster (W) Arndt-Guelde Dr. Arndt und Dr. Guelde, Straßenverkehrszulassungsordnung, Asdiendorffsche Verlagsbuchhandlung Münster (W) Arndt-Guelde, SichG Dr. Arndt und Dr. Guelde, Verkehrssicherungsgesetz, Werner Menzel Verlag Düsseldorf Arndt-Guelde, StVO Dr. Arndt und Dr. Guelde, Straßenverkehrsordnung, 4. Aufl., Aschendorffsdie Verlagsbuchhandlung, Münster (W) ARR Autorechtliche Rundschau, Automobilia-Verlag, Berlin ArchBürgR Archiv für Bürgerliches Recht (1888—1919) ArchJugR Archiv für Jugendrecht, Beilage zum Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (seit 1952) ArchöffR Archiv des öffentlichen Rechts (seit 1886) ArchZivPr. siehe AcP Art. Artikel ArVNG Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetz AS Amtliche Sammlung aStrVO alte Straßenverkehrsordnung, landesrechtliches Muster für die Erlassung örtlicher Straßenpolizeiverordnungen ATZ Automobiltechnische Zeitschrift, Frank'sche Verlagshandlung Stuttgart AUB Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen AufbauG Aufbaugesetz AufhG Aufhebungsgesetz Aufl. Auflage AuR Arbeit und Recht, Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis (seit 1953) AusfBek. Ausführungsbekanntmachung AusfBest. Ausführungsbestimmungen AusfG Ausführungsgesetz AusfV Ausführungsverordnung Auto Das Auto, Zeitschrift im Verlag Christian Barth, Berlin AutWelt Automobilwelt, Flugwelt, Deutsche Verlagswerke Strauß, Vetter 8c Co., Berlin AV (mit folgendem Kursivdruck) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO AVGüKG Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum GüKG AVVFStr. Allgemeine Verwaltungsvorschrift f ü r die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen Az. Aktenzeichen AZO Arbeitszeitordnung BAG Bundesarbeitsgericht BAGü Bundesanstalt für den Güterfernverkehr BAnz. Bundesanzeiger Baumann Baumann, Strafrecht, Allgemeiner Teil 5. Aufl. 1968 BayBgm. Zeitschrift „Der Bayerische Bürgermeister" (seit 1947) BayBS Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts (München 1957)
X
Abkürzungen BayGemZ BayObLG BayObLGSt. BayObLGZ BayStrWG BayVGH BayVGHE BayZ BB BBahn BBauG BBahnG BBG Bd. BefBed. BefStG 1955 Begr. Beil. Berufsgen. Beschl. Best. betr. Betrieb BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHWarn. BGHZ BlfRpfl. Blutalkohol BMF BMJ BMV BMWi Böhmer Böhmer (SHG) BOKraft Booß BOS BRAO BRDrucks.
Bayerische Gemeindezeitung (seit 1891) Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen (Neue Folge seit 1951, die älteren Jahrgänge werden mit der Bandzahl zitiert) Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Neue Folge seit 1951, die älteren Jahrgänge werden mit der Bandzahl zitiert) Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (seit 1880) Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, zweiter Teil von B a y V G H Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905—1934) Zeitschrift „Der Betriebsberater" (seit 1946) Zeitschrift „Die Bundesbahn" (seit 1949) Bundesbaugesetz Bundesbahngesetz Bundesbeamtengesetz Band Beförderungsbedingungen Beförderungssteuergesetz Begründung Beilage Zeitschrift „Die Berufsgenossenschaft" (seit 1886) Beschluß Bestimmungen betreffend Zeitschrift „Der Betrieb" (seit 1948) Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs (seit 1952) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, soweit nicht in BGHZ enthalten, Fortsetzung von W a r n R (seit 1961) Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blätter f ü r Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Zeitschrift „Blutalkohol" (seit 1961) Bundesminister der Finanzen Bundesminister der Justiz Bundesminister für Verkehr Bundesminister f ü r Wirtschaft Böhmer, Reichshaftpflichtgesetz, Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin Böhmer, Sachschadenhaftpflichtgesetz, Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr Booß, Kommentar zur Straßenverkehrsordnung, 1971 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksache des Deutschen Bundesrats (seit 1949)
XI
Abkürzungen Breith.
BOStrab. Brösicke BRRG BrZ BSG BSGE BSHG BStBl. BStrVermG BT BTDrucks. Buchholz, Buchst. Büro BVerfG BVerfGE BVerfGG BVersG BVerwG BVerwGE BW BZRG
Capelle Cramer DA Dalcke
DAR DBest. DB DBP DG DGewArch d. h. DIN DJ DJZ DKraftf. DMotorsportZ DÖV DR DRAnz. DReditsZtg Dreher DRG
XII
Sammlung von Entscheidungen aus dem Gebiete der Sozialversicherung, Versorgung und Arbeitslosenversicherung, herausgegeben von Breithaupt (seit 1912) Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung Brösicke, Verkehrssidierungsgesetz, Elsa Brösicke-Verlag, Stuttgart Beamtenrechtsrahmengesetz Britische Besatzungszone Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (seit 1955) Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt, Teil I, II oder III (seit 1951) Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautostraßen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs v. 2. 3. 1951 (BGBl. I, 157) Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestags, geordnet nach Wahlperioden (seit 1949) Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von K . Buchholz (seit 1957) Buchstabe Zeitschrift „Das B ü r o " (seit 1950) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (seit 1952) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesversorgungsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (seit 1954) Baden-Württemberg Bundeszentralregistergesetz Capelle, Verkehrssicherungsgesetz, Adolf Neidhardt-Verlag, H a m b u r g Cramer, Straßenverkehrsrecht, 1971 Dienstanweisung zur Durchführung der S t V Z O und der S t V O Dalcke, Strafrecht und Strafverfahren. J . Schweitzer Verlag, Berlin und München. Deutsches Autorecht, Rechtszeitschrift des A D A C , München (seit 1933) Durchführungsbestimmungen Deutsche Bundesbahn Deutsche Bundespost Durchführungsgesetz Zeitschrift „Deutsches Gewerbearchiv", siehe GewArch. das heißt Deutsche Industrienorm Deutsche Justiz, Zeitschrift, herausgegeben v o m R J M (1933—1945) Deutsche Juristenzeitung, Verlag C . H . Beck, München (1896—1936) Zeitschrift „Der Deutsche Kraftfahrer (ehemaliger Berufsverband deutscher Kraftfahrer, Berlin) Deutsche Motorsport-Zeitung, Frankfurt a. M. Zeitschrift „Die öffentliche Verwaltung" (seit 1948) Zeitschrift „Deutsches Recht" (1931—1942, zuletzt neben D R W als Angabe B, Monatsausgabe) Deutscher Reichs- und preußischer Staatsanzeiger Deutsche Rechtszeitung (bis 1943) Dreher, K o m m e n t a r zum StGB, 33. Aufl. Deutsche Reichsbahngesellschaft
Abkürzungen DRiZ DRiZRspr. DRK DRpflegeRspr. DRspr. Drucks. DRW DRZ DStR DStR DStrZ dtDV DVerkGT DVO DVerw. DVB1. DVersZ DVerkZ DZGerMed. EBO Eb. Schmidt EE
EFG EG EGBGB EGOWiG EGZPO EheG EinlALR EisenbG EKrG ElsLothZ EnteigG Entsch. Entw. Erg. ErgBd. Erl. ErwZulG ES ESO
Deutsche Richterzeitung (seit 1909) Beilage „Rechtsprechung" zu DRiZ (1925—1935 und 1951—1965) Deutsches Rotes Kreuz Zeitschrift „Deutsche Rechtspflege", Rechtsprechungsbeilage (1936—1939) Loseblattausgabe „Deutsche Rechtsprechung", herausgegeben von Feuerhake (seit 1948) Drucksache Deutsches Recht, Wochenausgabe (Deutsches Recht vereinigt mit Juristischer Wochenschrift) (1939—1945) Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946—1950) Zeitschrift „Deutsches Strafrecht" n. F. (1934—1944) Zeitschrift „Deutsche Steuerrundschau" (1951—1961), seit 1962 „Deutsches Steuerrecht" Zeitschrift „Deutsche Strafrechtszeitung" (1914—1922) deutsch Durchführungsverordnung Veröffentlichung des Verkehrswissenschaftl. Seminars, Hamburg Durchführungsverordnung Zeitschrift „Deutsche Verwaltung" (1934—1945 und 1948—1950) Zeitschrift „Deutsches Verwaltungsblatt" (seit 1950) Deutsche Versicherungszeitschrift für Sozialversicherung und Privatversicherung (seit 1951) Deutsche Verkehrszeitung (seit 1947), Deutscher Verkehrsverlag GmbH Hamburg Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin (seit 1922) Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung v. 8. 5. 1967 (BGBl. I, 1563) Eberhard Schmidt, Lehrkomm, zur Strafprozeßordnung Eisenbahn- und verkehrsrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen, Verlag für Staatswissenschaften und Geschichte, Berlin und Leipzig (1885— 1935) Entscheidungen der Finanzgerichte (seit 1953) Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum BGB Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz v. 24. 5. 1968 Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung Ehegesetz v. 20. 2. 1946 (AblKR 77) Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten Allgemeines Eisenbahngesetz Eisenbahnkreuzungsgesetz Juristische Zeitschrift für Elsaß-Lothringen, begründet von Puchelt (1876— 1919) Enteignungsgesetz (verschiedene Ländergesetze) Entscheidung Entwurf Ergänzung Ergänzungsband Erlaß Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen Entscheidungssammlung Eisenbahnsignalordnung
XIII
Abkürzungen ESVGH
EvBl. EVO EWG F. f. FahrlG FahrlV Fahrschule FahrzTVO FamRZ FernmG FerS. ff. Festgabe FG FGO FinArch. FinRdsdi. FinVertr. FlErl. FISchein F1V FSchErl. FStrG Fz G GA Galli GBl. GebO GebOStrVk Geigel GemTag GemUnfVers. GenG GesuR GewArch. GewO GfVk GG ggfGInsp. GKG GMB1. GnT Goltd.
XIV
Entscheidungen des hessischen Verwaltungsgerichcshofs und des württemberg-badischen Verwaltungsgerichtshofs, Verlag C. F. Müller, Karlsruhe (seit 1952) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Wien, seit 1934) Eisenbahnverkehrsordnung v. 8. 9. 1938 (RGBl. II, 663) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Folge und folgende Seite Fahrlehrergesetz Fahrlehrerverordnung v. 23. 7. 1957 (ersetzt durch FahrlG) Zeitschrift „Die Fahrschule", Verlag Heinrich Vogel, München Fahrzeugteileverordnung Zeitschrift „Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht" (seit 1954) Gesetz über Fernmeldeanlagen Feriensenat und folgende Seiten Festgabe für Fritz Müller, 1953, Erich Schmidt Verlag Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Zeitschrift „Finanzarchiv" (seit 1884) Zeitschrift „Finanz-Rundschau, deutsches Steuerblatt" (seit 1946) Finanzvertrag Fahrlehrerlaubnis Fahrlehrerschein Verordnung über Fahrlehrer im Kraftfahrzeugverkehr, siehe FahrlV Fahrschulerlaubnis Bundesfernstraßengesetz Fahrzeug Gesetz Archiv f ü r Strafrecht und Strafprozeß, begründet von Goltdammer (1880— 1933 und seit 1953) Galli in Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen Gesetzblatt Gebührenordnung Gebührenordnung f ü r Maßnahmen im Straßenverkehr Geigel, Der Haftpflichtprozeß, C. H . Beck, München Zeitschrift „Der Gemeindetag" (1933—1943 und seit 1948) Zeitschrift „Die Gemeinde-Unfallversicherung" (seit 1949) Genossenschaftsgesetz Zeitschrift „Gesetz und Recht" (1900—1932) Zeitschrift „Gewerbearchiv f ü r Verwaltungs- und Gewerberecht (1902— 1935 und seit 1955) Reichsgewerbeordnung Güterfernverkehr Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Generalinspektor f ü r das deutsche Straßenwesen Gerichtskostengesetz Gemeinsames Ministerialblatt (seit 1950) Verordnung TS N r . 11/58 über einen Tarif f ü r den Güternahverkehr mit Kraftfahrzeugen Goltdammers Archiv, siehe GA
Abkürzungen Gruch. Grundzüge GS GSSt. GSZ
Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (1857—1933) Grundzüge des Bundesrats, betreffend den Kraftfahrzeug verkehr Gesetzessammlung Großer Strafsenat des BGH Großer Senat für Zivilsachen
GütVk GuVBIVWG
Zeitschrift „Der Güterverkehr" (seit 1952) Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Gesetz- und Verordnungsblatt (Landesrecht) Gerichtsverfassungsgesetz Reichshaftpflichtgesetz Halbsatz Hannoversche Rechtspflege Hanseatische Gerichtszeitung (1880—1927) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (Fortsetzung von HansGZ und HansRZ) (1928—1943) Hanseatische Rechtszeitschrift, Verlag Otto Meißner, Hamburg, (1918— 1927) Handbuch Höchstrichterliche Entscheidungen in Strafsachen (1948—1949) Höchstrichterliche Entscheidungen in Zivilsachen (1948—1950) Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Strafrechts, Verlag Walter de Gruyter Sc Co, Berlin (1925—1927) Höchstrichterliche Rechtsprechung, Vereinigte Entscheidungssammlung der bisherigen Rspr. der Oberlandesgerichte, HöchstRR und J R Rspr., Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin (1928—1942) in der Fassung im engeren Sinn in der Regel im Gegensatz zu insbesondere Internationales Abkommen für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr Im Sinn des (der) in Verbindung mit im Zusammenhang mit Jahrbuch Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl. (Floegel-Hartung) 1971 Jahrgang Jahrbuch der Akademie für deutsches Recht (1933—1940) Jahrbuch des deutschen Rechts, begründet von H. Neumann (1904—1942) Jahrbuch höchstrichterlicher Entscheidungen, bearbeitet v. Bartsch u. a. (Beihefte der Juristischen Blätter) (1928—1938) Justizblatt Rheinland-Pfalz (seit 1947) Justizblatt des Saarlandes (seit 1957) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (1907—1938 und seit 1951) Jahrbuch für Sozialwissenschaft (seit 1950) Jugendgerichtsgesetz v. 4. 8. 1953 (BGBl. I, 751)
GÜKG
GVB1. GVG HaftpflG Halbs. HannRPfl. HansGZ HansRGZ HansRZ Hdb. HESt. HEZ HGB HintO h. L. h. M. HöchstRR HRR i. d. F. i. e. S. i. d. R . iGgsz. insb. IntAbk IntVO i. d. S. iVm. iZshgm. Jahrb. Jagusch Jahrg. JbAkDR JbDR JbHöchstRE JBIRhPf. JB1. Saar JböffR JbSozWiss. JGG
Güterkraftverkehrsgesetz
XV
Abkürzungen JherJb. JJB JMBl. JME
JP JR
JRPrV JRRspr. JurZentr. JuS_ Justiz JW JZ Kap. KFG Kfz Kfze KG KGJ Kleinknecht KMR Kom KommRGR Krad KraftStDV KraftStG KrkVers. K&V KVO KVR LAG LK LG Lkw LM LS LSE LSG LSt. LStrG LuftVG LuK Lütkes
XVI
[herings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts (1857—1942) Juristen-Jahrbuch (seit 1960) Preußisches Justizministerialblatt Justizministerialentschließung Zeitschrift „Juristische Praxis" (seit 1954) Juristische Rundschau, Verlag Walter de Gruyter & Co, Berlin (1925—1935 und seit 1947) Juristische Rundschau für die Privatversicherung (bis 1930 Beilage zur Zeitschrift für Versicherungswesen) (1924 bis 1943) siehe H R R Mitteilungen der juristischen Zentrale des ADAC, München Zeitschrift „Juristische Schulung" (seit 1961) Zeitschrift „Die Justiz", Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg (seit 1952) Juristische Wochenschrift, Verlag W. Moeser, Leipzig (1872—1939) Juristenzeitung, Verlag J . C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen (seit 1951) Kapitel Kraftfahrzeuggesetz v. 3. 5. 1909 Kraftfahrzeug Kraftfahrzeuge Kammergericht Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts (Johow-Ring) (1881— 1922) Kleinknecht, Strafprozeßordnung mit G V G und Nebengesetzen, 30. Aufl. Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum G V G und OWiG, 6. Aufl. von Müller-Sax 1966 Kraftomnibus Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, siehe R G R K o m m . Kraftrad Durchführungsverordnung zum KraftstG Kraftfahrzeugsteuergesetz Zeitschrift „Die Krankenversicherung" (seit 1949) Zeitschrift „Kraftfahrt und Verkehrsrecht" (seit 1962) Kraftverkehrsordnung (zum GüKG) v. 30. 3. 1936 (RVkBl. B 151) Kraftverkehrsrecht von A bis Z, herausgegeben von Dr. Weigelt, Loseblattausgabe Landesarbeitsgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, begründet v. Ludwig Ebermayer, 9. Auflage 1970/71 mit Namen des Autors Landgericht Lastkraftwagen Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Loseblattsammlung, herausgegeben von Lindenmaier, Möhring u. a. (seit 1951) Leitsatz Lexikon straßenverkehrsrechtlicher Entscheidungen, herausgegeben v. Günther Xanke (seit 1955) Landessozialgericht Lohnsteuer Landesstraßengesetz Luftverkehrsgesetz Zeitschrift „Luft- und Kraftfahrt", Berlin Dr. Lütkes, Straßenverkehr, Verlag Kommentator, Frankfurt
Abkürzungen LVG LVG LVW LZ Marschall m. a. W. MdE Mdl MDR MMV MTZ MW Mrozek MRVO Mschr. MuA Mühlhaus NATO NDBZ NdsRpfl. n. F. NfK NJ NJW NotV NRW NStrG NTS NTS-AG ObArbG ObLG öff. öffD ÖJZ ÖRZ ÖV OFinH O G H Köln O G H Wien OGHSt. OGHZ OHG OldZ OLG OLG OLGSt.
Preußisches Landesverwaltungsgesetz v. 30. 7. 1883 (GS 195) Landesverwaltungsgericht Landes Verkehrs wacht Leipziger Zeitschrift für Deutsches Redit, Verlag J . Schweitzer, München und Berlin (1907—1933) Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 2. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln und Berlin mit anderen Worten Minderung der Erwerbsfähigkeit Preußisches Ministerium des Innern Monatsschrift für Deutsches Recht, O t t o Meißners Verlag (seit 1947) Zeitschrift des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins, Berlin Motortechnische Zeitschrift, Franck'sche Verlagshandlung Stuttgart Zeitschrift „ADAC-Motorwelt", München Mrozek, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Loseblattausgabe (a. F. 1 9 2 2 — 1944; n . F . seit 1951) Militärregierungsverordnung Monatsschrift Zeitschrift „Mensch und Arbeit" (seit 1949) Mühlhaus, Straßenverkehrsordnung 2. Aufl. 1971 North Atlantic Treaty Organization Neue Deutsche Beamtenzeitung (seit 1951) Zeitschrift „Niedersächsische Rechtspflege" (seit 1947) neue Fassung oder neue Folge Nachrichten für Kraftfahrer, Verlag Carl Richard Schmidt & Co, Berlin Zeitschrift „Neue Justiz" (seit 1947) Neue Juristische Wochenschrift, C . H . Beck'sdie Verlagsbuchhandlung, München und Berlin (seit 1947) Notverordnung Nordrhein-Westfalen Niedersächsisches Straßengesetz NATO-Truppenstatut v. 19. 6. 1951 (BGBl. 1961 II 1190) Ausführungsgesetz zum NATO-Truppenstatut v. 18. 8. 1961 (BGBl. II, 1183) Oberstes Arbeitsgericht für Rheinland-Pfalz Bayerisches Oberstes Landesgericht öffentlich Zeitschrift „Der öffentliche Dienst" (seit 1948) österreichische Juristenzeitung (seit 1946) österreichische Richterzeitung (1904—1938 und seit 1954) siehe D Ö V Oberster Finanzgerichtshof Oberster Gerichtshof für die britische Zone Oberster Gerichtshof Wien Entscheidungen des O G H Köln in Strafsachen (1949—1950) Entscheidungen des O H G Köln in Zivilsachen (1949—1950) Offene Handelsgesellschaft Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege in Oldenburg (1874—1939) Oberlandesgericht Rechtsprechung der Oberlandesgerichte von Mugdan-Falkmann ( 1 9 0 0 — 1928) (nach Band und Seite) Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht, Loseblattausgabe (seit 1964)
XVII
Abkürzungen OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (seit 1965) Omnibus-Revue Zeitschrift für Omnibusverkehr usw., Verlag Heinrich Vogel, München OR Schweizerisches Obligationenrecht v. 18. 12. 1936 OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz v. 24. 5. 1968 (BGBl. I, 481) Paetsch und Langenscheid Paetsdi und Langenscheid, Vorschriften über Verkehrseinrichtungen, Verlag Kameradschaft, Berlin PBefG Personenbeförderungsgesetz PersVk Zeitschrift „Der Personenverkehr", Kirschbaum-Verlag Bad Godesberg Peters Peters, Kraftfahrzeugrecht, in Brauchitsch, die preußischen Verwaltungsgesetze, 23. Aufl. PflVG Pflichtversidierungsgesetz Pkw Personenkraftwagen PO Postordnung v. 16. 5. 1963 (BGBl. I, 341) Pol. Zeitschrift „Die Polizei", Fachzeitschrift für das Sicherheits- und Ordnungswesen, Detmold (seit 1948) PolVO Polizeiverordnung PolVG preußisches Polizeiverwaltungsgesetz v. 1. 6. 1931 PostReiseO Postreiseordnung v. 6. 7. 1964 (BGBl. I, 445) PrOVG Preußisches Oberverwaltungsgericht (1877—1941), zitiert nach Band und Seite RAbgO Reichsabgabenordnung, siehe A b g O RArbG Reichsarbeitsgericht RbG Reichsbahngesetz v. 30. 8. 1924 (RGBl. II, 272) RdA Zeitschrift „Recht der Arbeit" (seit 1948) RdErl. Runderlaß RdK Das Recht des Kraftfahrer, Werner Menzel Verlag, Düsseldorf (1926—1943 und 1949—1955) RdL Zeitschrift „Recht der Landwirtschaft" (seit 1949) Recht Zeitschrift „Das Recht", Carl Heymanns Verlag, Berlin, begründet von Soergel (1897—1944) RFinH Reichsfinanzhof RG Reichsgericht RGaO Reichsgaragenordnung v. 17. 2. 1939 (RGBl. I, 219) (Teil IV dieses K o m mentars) RGBl. Reichsgesetzblatt RGRKomm. Reichsgerichtsrätekommentar zum B G B RGRspr. Rechtsprechung des R G in Strafsachen (1879—1888) RGWarn. Rechtsprechung des Reichsgerichts, herausgegeben von Warneyer (1908— 1943) RGSt. Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (nach Band und Seite) RGZ Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (nach Band und Seite) RKB Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband (bis 1945) RKT Reichskraftwagentarif v. 30. 3. 1936 (RVkBl. B 71) RMinBl. Reichsministerialblatt ROHG Reichsoberhandelsgericht (Entscheidungen 1871—1880) Rpfleger Zeitschrift „Der deutsche Rechtspfleger" (1931—1944 und seit 1948) RPolKostG Reichspolizeikostengesetz v. 29. 4. 1940 (RGBl. I, 688) Rspr. Rechtsprechung (siehe auch O L G ) RStVO Reichs-Straßenverkehrsordnung 1934 RTA Reichstagsausschuß
XVIII
Abkürzungen RTK RV RVerwBl. RVkBl. B RVkM RVO RWP S. s. sa. SAE Sb. SchlH SchlHA
Reichstagskommission Reichsverfassung Reichsverwaltungsblatt (1934—1943) Reichsverkehrsblatt, Ausgabe B Reichsverkehrsministerium Reichsversicherungsordnung Rechts- und Wirtschaftspraxis, Loseblattausgabe, Verlag Forkel (seit 1947) Seite siehe siehe audi Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (1928—1933 und seit 1948) Sonderband Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Justizministerialblatt für SchlH (n. F. seit 1837) Schneider Hans Schneider, Rechtsgutachten zur Verordnung v. 21. 3. 1956, Kirschbaum-Verlag, Bielefeld Schönke-Schröder Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch-Kommentar, 16. Aufl. Schumann Schumann, Beuss und Bosselmann, S t V Z O und B O K r a f t , KirschbaumVerlag, Bielefeld SeuffA J. A. Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (1847—1944) SG Sozialgericht SGbkt. Zeitschrift „Die Sozialgerichtsbarkeit" (seit 1954) SHG Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden v. 29. 4. 1940 (RGBl. I, 691) SJZ Süddeutsche Juristenzeitung, Verlag Lambert Schneider, Heidelberg (1946— 1950) Soergjb. Soergel, Jahrbuch des Strafrechts usw. (1906—1920) (zitiert nadi Band und Seite) SoergRspr. Soergel, Jahrbuch des Zivil-, Handels- und Prozeßrechts, bis 1918 als „Rechtsprechung zum B G B usw." bezeichnet (1906—1941) SozR Sozialrecht, Rechtsprechung und Schrifttum, bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts, Loseblattsammlung (seit 1955) SozSich. Soziale Sicherheit, Zeitschrift für Sozialpolitik (seit 1952, mit Kartei) SozVers. Die Sozialversicherung, Zeitschrift für alle Angelegenheiten der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung (seit 1946) Sp. Spalte Spediteur Zeitschrift „Der Spediteur" (seit 1953) Stenglein Stenglein, Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen StGB Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich Stiefel-Wussow Stiefel-Wussow, Kraftfahr-Versicherung, C. H . Beck'sche Verlagsbuchhandlung StPO Strafprozeßordnung Straße Zeitschrift „Die Straße" (1934—1943) StrG Straßengesetz (Ländergesetze) StrRG Straßenrechtsreformgesetz (1., 2. oder 3.) StrRegG Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung StuZBl. Steuer- und Zollblatt, herausgegeben von der Finanzverwaltung britische Zone (1946—1949) StVG Straßenverkehrsgesetz
XIX
Abkürzungen StVO StVR StVZO SZ TelWG TÜV Tz. u. a. Üb. UnbefG UP Urt. uU UVNG V VAE VbF VB1. VBlBZ VereinsZ Verf. VerkMitt. VersR VersWi VersWiss.
Verw. VerwArch. VerwG VerwRspr. VerwV VfV VGH VGS VInt. Vk VkBl. VkMitt VkRdsch. VN VO VOR
XX
Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrsredit Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivil- und Justizverwaltungssachen (seit 1919) Telegraphenwegegesetz Technischer Überwachungsverein Textziffer und andere Übereinkommen Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten usw. im Nahverkehr Unterzeichnungsprotokoll v. 3. 8. 1959 zum Zusatzabkommen zum N A T O Truppenstatut Urteil unter Umständen Unfallversicherungsneuregelungsgesetz Verordnung Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen, Verlag Albert Limbach, Berlin (1936—1944) Verordnung über den Betrieb von Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande v. 18. 2. 1960 (BGBl. I, 83) Reichsverwaltungsblatt und preußisches Verwaltungsblatt Verwaltungsblatt f ü r die britische Zone Zeitung des Vereins Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen, Berlin Verfassung Zeitschrift „Verkehrsrechtliche Mitteilungen", herausgegeben v. Kirschbaum, Sdiriftleitung Dr. Booß, Kirschbaum-Verlag, Bielefeld (seit 1954) Zeitschrift „Versicherungsrecht", Juristische Rundschau für die Individualversicherung, Verlag Versicherungswirtschaft Karlsruhe (seit 1950) siehe V W Zeitschrift „Versicherungswissenschaft, Versidierungspraxis und Versicherungsmedizin" (1947—1950, seitdem heißt sie Deutsche Versicherungszeitschrift für Sozialversicherung und Privatversicherung) Verwaltung Zeitschrift „Verwaltungsarchiv" (1893—1942 und seit 1957) Verwaltungsgericht Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland, Sammlung oberstriditerlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht (seit 1948) Verwaltungsvorschriften Verwaltung für Verkehr des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Verfassungsgerichtshof Vereinigte Große Senate Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr, siehe IntVO Verkehr Verkehrsblatt, zunächst Amtsblatt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, seit 1949 Amtsblatt des BMV (seit 1947) siehe VerkMitt. Zeitschrift „Verkehrsrundschau" Verlag Heinrich Vogel, München (seit 1946) Der Versicherungsnehmer, Zeitschrift für die versicherungsnehmende W i r t schaft und den Straßenverkehr (seit 1949) Verordnung Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht (seit 1972)
Abkürzungen Vorb. vorl. VorlAutBuBO Vorschr. VP VR Vrd. VRS VT VTr. VüKVk VVG VW Vw. VwGO VWt. WarnJ WarnRspr. WdA WeimV Weigelt A—Z WesteurKfzR WHG WiGBl. WJ WM Wussow Wussow I WoMietr. WWZ Z. (Z) ZA ZAkDR ZBl. ZBlSozVers. ZBIVkMed. ZBR ZentrJBl. ZfV ZfS ZHR Ziff. ZMR
Vorbemerkung vorläufig Vorläufige Autobahn-Betriebs- und Verkehrs-Ordnung Vorschrift Zeitschrift „Die Versicherungspraxis" (1903—1943 und seit 1950) Verkehrsrechtliche Rundschau, Verlag Wirtschafts-Wadit KG, Berlin (1921—1944) siehe VkRdsch. Verkehrsrechtssammlung, herausgegeben von Dr. Weigelt, Erich Schmidt Verlag, Berlin (zitiert nach Band und Seite) (seit 1949) Zeitsdirift „Verkehrstechnik", Deutscher Verlag, Berlin Versicherungsträger Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr Gesetz über den Versicherungsvertrag Versicherungswirtschaft, Halbmonatsschrift der deutschen Individualversicherung (seit 1946) Verwaltung Verwaltungsgerichtsordnung Verkehrswacht Jahrbuch der Entscheidungen zum BGB und den Nebengesetzen, begründet v. Warneyer (1900—1938) Rechtsprechung des R G (siehe UGWarn.) Zeitschrift „Welt der Arbeit" (seit 1950) Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Verfassung) v. 11. 8. 1919 (RGBl. 1381) Kraftverkehrsrecht von A bis Z, siehe K V R Zeitsdirift „Westeuropäisches Kraftfahrzeugrecht" herausgegeben von Werner Wussow (seit 1955) Wasserhaushaltsgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes siehe Wussow I Teil IV der Zeitschrift „Wertpapiermitteilungen" (seit 1947) Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht, Carl Heymanns Verlag KG, 1967 Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht, herausgegeben von Wussow (seit 1953) Zeitschrift „Wohnungswirtschaft und Mietrecht" (seit 1948) Wasser- und Wegebauzeitschrift, Hannover und Berlin Zeichen (Verkehrszeichen) Zivilsenat Zusatzabkommen v. 3. 8. 1959 zum NATO-Truppenstatut Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht, Fortsetzung von DJZ Zentralblatt Zentralblatt für Sozialversicherung und Versorgung (seit 1947) Zentralblatt für Verkehrsmedizin, Verkehrs-Psychologie, Luft und R a u m fahrtmedizin (seit 1955) Zeitschrift für Beamtenrecht (1929—1943 und seit 1953) Zentral-Justizblatt für die britische Zone Zeitschrift für Versicherungswesen, Allgemeiner Fachverlag, Hamburg Zeitschrift für Sozialhilfe (seit 1962) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begr. v. Goldschmidt (1858—1944 und seit 1948) Ziffer Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (seit 1952)
XXI
Abkürzungen ZöffR ZPO Zschr. ZStrW ZulSt. zust. zutr. ZVsidi. ZvkWiss. ZVersWes. ZVersWiss. ZVR ZZP
XXII
Zeitschrift für öffentliches Recht (1919—1944) Zivilprozeßordnung v. 30. 1. 1877 (RGBl. 83) Zeitschrift Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (1881—1944 und seit 1950) Zulassungsstelle zustimmend zutreffend Zeitschrift für Verkehrssicherheit, J. C. B. Mohr, Tübingen (seit 1952) Zeitschrift für Verkehrswissenschaft (1923—1944 und seit 1948) Zeitschrift für Versicherungswesen (seit 1950), siehe ZfV Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (1901—1943 und seit 1960) Zeitschrift für Verkehrsrecht (seit 1956) Zeitschrift für Zivilprozeß, begründet von Busch (1879—1943 und seit 1950)
Erläuterung Fundstellen in Zeitschriften oder Entsdieidungssammlungen werden grundsätzlich nach der Jahreszahl des Bandes und nach der Seite angegeben, wobei hinter die Jahreszahl (unter Weglassung der ersten beiden Ziffern) ein Komma gesetzt wird. Ausnahmsweise werden nadi der Nummer des Bandes zitiert: VRS, Soergjb., O L G und die amtlichen Sammlungen der obersten Grrichte einschließlich der des BayObLG vor 1935. Nicht mit der Seitenzahl, sondern mit der in der Sammlung angegebenen Nummer der Entscheidung werden zitiert: H R R (bis 1935 JRRspr.), DRiZRspr., Recht, OLG, OLGZ, Soergjb. und WarnR. Ist eine Entscheidung in dem Jahr veröffentlicht, in dem sie ergangen ist, so kann hinter der Angabe der Zeitschrift eine Wiederholung der Jahreszahl unterbleiben. Bei den Entscheidungen von Oberlandesgerichten ist die Bezeichnung O L G vor der Angabe des Sitzes der Gerichte weggelassen worden. Gesetze und Verordnungen werden nach ihrer Fundstelle in den amtlichen Veröffentlichungsblättern zitiert. Die Abkürzung „S." für Seite wird durch ein Komma ersetzt. Die Bezeichnung des Gesetzes hinter der Nummer des Paragraphen bleibt weg, wenn es sich um einen Paragraphen des soeben kommentierten Gesetzes handelt.
XXIII
Straßenverkehrs- Ordnung -StVOV o m 16. November 1970 (BGBl. 1970 I S. 1565, berichtigt B G B l . 1971 I S. 38) Vorbemerkung I. Die RStVO 1934 II. Die StVO 1937 (und 1953/1956) a) Gleiche Grundgedanken b) Abweichung: Gefährdungsgedanke
Über siebt RNr. 1-2 3-5 3 4
c) Grundregel und Sonderregeln III. Die StVO 1970 a) Allgemeines b) Amtliche Begründung
RNr. 5 6-7 6 7
Die Entwicklung des modernen Massenverkehrs seit der letzten, von Geheimrat Dr. Fritz Müller besorgten Auflage seines Großkommentars (1959) brachte es mit sich, daß viele der damals im Vordergrund stehenden Probleme an Bedeutung verloren, während gewichtige neue Probleme auftraten. Im Hinblick auf die seit Jahren erwartete Neufassung der S t V O verzögerte sich die abschließende Bearbeitung dieses wichtigen Teils des Straßenverkehrsredits so sehr, daß nunmehr 12 Jahre seit der letzten Auflage des Werkes vergangen sind. Es ist klar, daß von dem ursprünglichen T e x t des Kommentars nicht mehr vieles unverändert übernommen werden konnte. Das ist bedauerlich, weil die lebendige und temperamentvolle Diktion des Begründers dieses Kommentars in der Neuauflage kaum mehr in Erscheinung tritt. Es erschien schon aus Pietät angebracht, hier wenigstens einen Teil des früheren Textes unverändert an den Anfang der Erläuterungen zur neuen S t V O zu stellen. Die Vorbemerkung zur Kommentierung der StVO 1937 in ihrer letzten Fassung schien dafür besonders geeignet, weil Müller als Schöpfer der richtungweisenden S t V O 1934 wie kein anderer an der dynamischen Entwicklung des Verkehrsrechts teilgenommen hatte.
1
I. Die R S t V O 1934 Ausgangspunkt für die Neugestaltung der Verkehrsregelung in der Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung 1934 waren die Leitsätze, die die Rechtsprechung seit Jahren für den Straßenverkehr entwickelt hatte: 1. Auch genaueste Befolgung der Verkehrsregeln befreie nidit unter allen Umständen vom Vorwurf schuldhaften Verhaltens; 2. Abweichen von Verkehrsregeln könne berechtigt, ja sogar unter Umständen notwendig sein (dazu Müller, R d K 49, 2 ; zust. B G H 14. 10. 53, D A R 238; die Sondervorschriften der StVO sind auf die Fälle des regelmäßigen VerkAblaufs abgestellt; BayObLGSt. 53, 4 (14. 1. 53); 3. auch ohne Rücksicht auf das Vorhandensein einer konkreten Einzelanordnung fordere schon die jedem Verkehrsteilnehmer anzusinnende allgemeine Sorgfaltspflicht ein bestimmtes Verhalten.
1 1
StVO + S t G B
Vor § 1
StVO
Möhl
Diese Rechtssätze und die Unmöglichkeit, auch Unzweckmäßigkeit, für jeden erdenklichen VerkVorgang eine besondere VerkRegel aufzustellen, führten im Jahre 1934 zu einem Verzicht auf die bisherige weitgehende Einzelregelung, also zur Grundregel des § 25, die nur ergänzt wurde durch einige besonders wichtige und deshalb hervorgehobene Regeln (§§ 26—30). Eine solche Neugestaltung entsprach den Zielen des neuen Strafrechts, das dem Strafrichter eine freiere Stellung als bisher dadurch geben wollte, daß es „bei der Gestaltung der Strafnormen in erheblichem Umfang Generalklauseln und weite Fassungen verwendet und an Stelle beschreibender Tatbestandsmerkmale wertbestimmte Tatbestände, die auf die gesunde Volksanschauung und ähnliche Wertmesser verweisen, in das Gesetz einführt" (Schäfer in „Das kommende deutsche Strafrecht" S. 132). Demgemäß setzte die Regelung 1934 „an Stelle einer Regelung aller erdenklichen Verkehrsvorgänge, die noch nicht vollständig und wegen ihres Umfanges nicht volkstümlich sein kann", im § 25 die Forderung nach einem „Verhalten, das von einem sorgfältigen, verständigen, die jeweilige Verkehrslage beachtenden Menschen gefordert werden muß". Damit gab dieser Rechtssatz in allgemeiner Fassung den Inhalt der meisten bisherigen Einzelvorschriften wieder. § 25 R S t V O stellte als oberstes Gesetz für alle Verkehrsteilnehmer die gegenseitige Rücksichtnahme aller hin und ging dabei von dem Gedanken aus, daß sie in ihrer Gesamtheit eine Verkehrsgemeinschaft bilden. In einer solchen Gemeinschaft darf der einzelne nicht auf ein subjektives Recht, wie z. B. auf das Vorfahrtsrecht, pochen und es durch rücksichtsloses Fahren ausnutzen, sondern als Glied der Verkehrsgemeinschaft soll er sich so verhalten, daß er keinen anderen schädigt oder (mehr als notwendig) belästigt. O V G 19. 11. 36, VAE 1937 S. 102. Wie war nun die Grundregel zu gestalten? Der Motorisierung des Verkehrs war die Rechtsprechung hinderlich, die dem Kraftfahrer eine ungünstige Sonderstellung zuwies. Sie hatte verlangt, er müsse stets mit jedem unvernünftigen Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer rechnen, das nicht außer aller Lebenserfahrung liege; anderseits aber dürften sich die übrigen Verkehrsteilnehmer auf vorschriftsmäßiges Verhalten des Kraftfahrers verlassen. Es hätte der neuen Auffassung nicht entsprochen, an solchen Gedankengängen festzuhalten. Unterordnung unter das Ganze, sich einpassen in die Verkehrsgemeinschaft, Bewußtsein der Verantwortung gegenüber dieser Gemeinschaft, waren — nicht unabweisbare Forderungen, sondern Selbstverständlichkeit. Auf unverständiges, unbedachtes (außerhalb jeder Lebenserfahrung liegendes) Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer braucht sich der Kraftfahrer nicht mehr regelmäßig einzustellen; ObLG 22. 8. 51, I I I 110.51; zust. Dsd. 15. 11. 35, VAE 36, 288; K G 25. 2. 37, VAE 254; R G 9. 4. 37, VAE 350; Mchn. 21. 4. 37, VAE 421; Tüb. 19. 10. 48, M D R 1949, 638; ObLG 20. 6. 51, D A R 146; erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt des Fußgängers; keine Überspannung der Sorgfalt des Kraftfahrers; R G 15. 9. 36, VAE 588. R G 5. 4. 37, VAE 352: Der Grundsatz, der Kraftfahrer müsse auch mit törichtem Verhalten anderer rechnen, gilt, mindestens gegenüber Erwachsenen (ObLG 22. 8. 51, III 372. 51), grundsätzlich nicht mehr; ferner nur gegenüber gewissen nach allg. Lebenserfahrung typischen Verk Widrigkeiten (BGH 14. 6. 51, 3 StR 2 5 2 . 5 1 ; BGHSt. 2, 188 (11. 3. 52, RdK 53, 17) und nur in den Grenzen, die sich aus den Bedürfnissen des täglichen Lebens und aus der Rücksicht auf Wesen, Eigenheiten und Erfordernisse des Kraftverkehrs ergeben; er gilt gegenüber unbeholfenen und unsicheren Verkehrsteilnehmern: R G 8. 2. 38, VAE 152. Der Kraftfahrer genügt seiner Sorgfaltspflicht, wenn er sich auf solche Unbedachtsamkeiten einstellt, die bei verständiger Überlegung aller Umstände als naheliegend zu erkennen sind; ObLG 27. 6. 51, III 89.51. S. a. Dsd. 19. 3. 37, VAE 267; R G 27. 4. u. 3. und 5. 5. 37, VAE 351 und 352; zust. Hamm 6. 6. 50, D A R 1951, 29. Grobe Verkehrswidrigkeiten von Fußgängern sind nicht in Rechnung zu stellen; Mchn. 16. 4. 37, VAE 350; Dsd. 9. 9. 37, VAE 526. Auch nicht, daß ein Radfahrer plötzlich und ohne Zeichen nach links abbiegt; Mchn. 23. 11. 37, VAE 38, 72; ObLG 27. 6. u. 11. 7. 51, III 89 u. 30. 51. Die VerkPflichten bestehen allen, nicht nur einzelnen VerkTeilnehmern gegenüber („echte Gemeinschaft aller VerkTeilnehmer", Vorspruch); R G 10. 1. 44, VAE S. 33. 2
Geschichtliche Entwicklung
Vor StVO
§ 1
R S t V O 1934 rechnete mit einer Gemeinschaft verantwortungsbewußter Verkehrsteilnehmer; jeder muß sich darauf verlassen können, daß sich der andere seiner Pflichten bewußt ist und entsprechend handelt. Diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, waren namentlich die Gerichte nach der Vorschrift in der Einleitung zur R S t V O verpflichtet. Die Rechtsprechung konnte sich nicht der Einsicht entziehen, daß sie sich mit Inkrafttreten der R S t V O , 1. 10. 34, abwenden muß von den bisherigen Bahnen, die in weiten Kreisen die Auffassung hatten aufkommen lassen, es würden die verschiedenen Verkehrsarten unbegründet ungleichmäßig behandelt. Nunmehr galt der Satz, jeder Verkehrsteilnehmer muß sein Verhalten von vornherein so einrichten, daß er niemanden gefährdet, schädigt oder vermeidbar behindert oder belästigt. Insb. muß jeder sein persönliches Bestreben nach raschem und bequemem Vorwärtskommen zurückstellen hinter die Beachtung der allg. Verkehrssicherheit; Zweibr. 10. 5. 38, VAE 310. Fremde Rücksichtslosigkeit rechtfertigt nicht Erwiderung mit eigener, wenn sie schädigen, gefährden, belästigen oder behindern kann; Old. 1. 9. 53, D A R 54, 24. — Auch auf den verkehrswidrig Handelnden ist Rücksicht zu nehmen. Der Pflicht verantwortungsbewußten Verhaltens eines jeden steht entsprechende Entlastung der VerkTeilnehmer im Hinblick auf verkehrswidriges Verhalten des anderen, des Geschädigten, gegenüber. Der Kraftfahrer kann nicht jede überhaupt denkbare Unvorsichtigkeit anderer berücksichtigen; Köln 31. 5. 56, D A R 218. Jeder kann sich (außer bei besonderer, aus den Umständen ersichtlicher anderer Möglichkeit, B G H 10. 3. 54, D A R 109; Ddf. 17. 12. 51, Ss. 477. 51, bei erkannter oder erkennbar naheliegender Unsicherheit oder Verkehrswidrigkeit, B G H 10. 11. 55, VerkMitt. 56, 8) darauf verlassen, daß sich die anderen verkehrsmäßig verhalten; eine andere Einstellung würde den Kfzverkehr, der nur möglich, wenn er sich zügig entwickeln kann, lahmlegen; Ddf. 12. 2. 48, N J W 704; B G H 20. 11. 52, V R S 5, 87; 17. 9. 58, N J W 1982. Dieser „Vertrauensgrundsatz", Martin, D A R 53, 164; B G H 5. 11. 53, (VRS 6, 158) gilt im Verhältnis aller VerkTeilnehmer untereinander, also auch zwischen Radfahrer und Fußgänger (BGH 26. 4. 57, VRS 13, 20) und bedeutet (BGH 26. 1. 56, 4 StR 510. 55) — aber nur für den sich in den seinem Verhalten gezogenen gesetzlichen Grenzen haltenden — so auch BayObLGSt. 55, 142 (14. 9. 55, VRS 10, 308) — VerkTeilnehmer —, er dürfe vertrauen, daß auch andere sich verkehrsgemäß verhalten werden. Der Vertrauensgrundsatz entlastet nach ObLG 22. 4. 53, 1 St. 681. 52 den FzFührer nicht, wenn für ihn wegen besonderer, den Umständen zu entnehmender möglicher Gefahren für andere eine gesteigerte Sorgfalt erforderlich ist; B G H 26. 3. 56, VI Z R 3 0 1 . 5 4 ; er reicht nicht so weit, daß der Kraftfahrer nie mit fremdem Verschulden und dadurch bereiteten Hindernissen zu rechnen hätte; B G H 3. 1. 57, N J W 682; s.a. BayObLGSt. 52, 141 (16. 7. 52); der Grundsatz gilt auch nicht gegenüber typischen VerkWidrigkeiten und nicht gegenüber einem vom Führer selbst verursachten Verhalten des andern. Der Grundsatz versagt gegenüber VerkWidrigkeiten erkennbar alter, gebrechlicher oder körperbehinderter Personen; ObLG 21. 12. 55, 1 St. 342. 55. Wer durch regelwidriges Verhalten selbst einen Unfall verursacht hat, darf sich gegenüber dem gleichen Verhalten des anderen nicht auf den VertrGrundsatz berufen; B G H 4. 7. 57, VRS 13, 225. Das Vertrauen auf verkehrsgemäßiges Verhalten entfällt in einer Lage, die solches Vertrauen aus irgendeinem Grunde nicht mehr voll rechtfertigt; B G H 15. 11. 56, N J W 57, 110; es rechtfertigt nicht Überschreiten einer GeschwGrenze; BayObLGSt. 54, 18 (16. 3. 54), überhaupt nicht eigenes Nichtachten der VerkRegeln; der verkehrswidrig Handelnde darf nicht vertrauen, die anderen würden schon die von ihm heraufbeschworene Gefahr meistern; B G H 16. 12. 53, D A R 54, 58, durch ihr Verhalten das Eintreten eines Unfalls verhindern; B G H 10. 11. 55, 4 StR 368. 55; Hbg. 3. 3. 55, VerkMitt. 23. — Wem verkehrswidriges Verhalten erkennbar entgegentritt, der kann wohl u. U. damit rechnen, daß dieses Verhalten noch geändert werden wird, muß sich aber stets auf die Möglichkeit einer Beibehaltung einrichten, darf sich also nicht schlechthin auf den Vertrauensgrundsatz berufen; ähnlich ObLG 22. 7. 53, 1 St. 156. 53. — Auf alsbaldiges und rechtzeitiges Gefahrloswerden einer als gefährlich erkannten Lage darf nur vertrauen, wer solcher Entwicklung sicher sein kann; B G H 13. 5. 53, D A R 157. Das gilt in erhöhtem Maß, wenn die Gefahr von einem unvorsichtigen Kind hervor-
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gerufen wurde; B G H 3. 6. 53, V R S 5, 538. Abzulehnen deshalb B G H 23. 8. 51, 3 StR 5 8 5 . 5 1 : auf großstädtischer Verkehrsstraße müsse um 18 Uhr bei Dunkelheit mit vorschriftswidrig unbeleuchteten Verkehrshindernissen gerechnet werden. Wer das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Verkehrsgemeinschaft vermissen läßt, darf sidi nicht mehr darauf berufen, der andere hätte mit solchem verkehrswidrigen Verhalten rechnen müssen. Irrige Wertung des Verhaltens eines Verkehrsteilnehmers als verständiges Eingehen auf die Signalwarnung ist nicht Verschulden; K G 14. 1. 37, VAE S. 175. — Eine Entscheidung, wonach der Kraftfahrer dem Gespannführer nicht zum Vorwurf machen dürfe, daß dieser sich statt in Höhe der Pferde neben den Hinterrädern gehalten habe, war nicht mehr möglich, ebensowenig die Auffassung, der Vorfahrtsberechtigte müsse regelmäßig damit rechnen, daß sein Vorrecht vom anderen nicht geachtet werden würde. — Unhaltbar war auch nach den neuen Grundanschauungen R G 22. 10. 36, VAE 1937 S. 54; Pflicht des Kraftfahrers, mit grob fahrlässigem Verhalten des Radfahrers zu rechnen. Nur auf (rechtzeitig) erkennbares vorschriftswidriges Verhalten eines Verkehrsteilnehmers muß sich der andere einstellen, RGSt. 71, 25; BGHSt. 4, 47; ObLG 7. 10. 53, 1 St. 321.53, wenn es beibehalten wird; zust. Bremen 3. 10. 52, VRS 5, 21. II. Die StVO 1937 (und 1953/1956) 3
a) Gleiche Grundgedanken An den unter I dargelegten Grundgedanken hielt die Neuregelung 1937 fest. Ihre sachliche Gestaltung wich kaum in irgendeiner wichtigen Beziehung von der Regelung 1934 ab. Sie gab vielmehr im wesentlichen zusammenfassend wieder, was in den Verkehsregeln der R S t V O 1934 und ihrer Ergänzung, der Ausführungsanweisung, enthalten gewesen war. Insb. wurde die Grundregel des § 25 R S t V O 1934 als § 1 StVO übernommen; und zwar in folgender Fassung: Jeder Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr hat sich so zu verhalten, daß der Verkehr nicht gefährdet werden kann; er muß ferner sein Verhalten so einrichten, daß kein Anderer geschädigt oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Die Grundregel von der Verantwortung des einzelnen gegenüber der Verkehrsgemeinschaft hatte die StVO aus dem Vorspruch der R S t V O 1934 in ihren Vorspruch übernommen; diese Grundregel steht über allen die einzelnen Verkehrsvorgänge gesondert ordnenden Vorschriften; zust. BayObLGSt. 53, 221 (11. 11. 53). Der Vorspruch zur StVO in seiner Fassung v. 24. 8. 53, Art. 2 Nr. 1, BGBl. I 1142, lautet: Mit der weiteren Zunahme der Fahrzeuge im Straßenverkehr, vor allem der Kraftfahrzeuge, muß die echte Gemeinschaft aller Verkehrsteilnehmer einschließlich der Fußgänger im Interesse einer nachhaltigen Besserung der Verkehrsdisziplin vordringlich hergestellt werden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist der Zweck dieser Verordnung. Sie stellt ohne Rücksicht auf den jeweils eingetretenen Erfolg die Verletzung einer Reihe von Tatbeständen unter Strafe, die erfahrungsgemäß zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen können. Außerdem enthält die Verordnung im § 1 eine Grundregel für das Verhalten im Straßenverkehr. Diese Vorschrift bildet gleichzeitig die Rechtsgrundlage zu einem Einschreiten in allen nicht im einzelnen geregelten Fällen, indem sie jedes Verhalten unter Strafe stellt, durch das der Verkehr gefährdet oder ein Anderer geschädigt oder mehr, als unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Nicht die kleinliche Anwendung der Vorschriften in jedem Falle, sondern eine ihrem Ziel entsprechende Handhabung wird die echte Gemeinschaft aller Verkehrsteilnehmer unter sich sowie mit den für die Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs verantwortlichen Behörden und ihren Beamten fördern.
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b) Abweichung; Gefährdungsgedanke In einer grundsätzlichen Beziehung wich die Rechtsgestaltung 1937 von der früheren ab. Die RStVO 1934 war beherrscht vom Erfolgsgedanken; sie wollte schädliche Wirkungen des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer vermeiden, wollte verhindern, daß andere durch das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers geschädigt, behindert oder belästigt würden. Diesem Zweck diente in erster Linie die oben bei I erwähnte Grundregel des § 25. Die Verkehrsvorschriften der RStVO 1934 waren so aufgebaut, daß die wichtigsten und häufigsten Verkehrsvorgänge — z. B. Überholen, Begegnen, Zusammentreffen an Kreuzungen — in besondere Regeln (§§ 26—28) gefaßt waren. Die anderen Verkehrsvorgänge, also die weniger wichtigen und die zahllosen im vorauf nicht erfaßbaren, waren durch die Grundregel des § 25 getroffen, die von jedem Verkehrsteilnehmer ein Verhalten forderte, das keinen anderen schädigte, behinderte oder belästigte. Schuldhafter Verstoß gegen eine der wegen ihrer Wichtigkeit besonders geformten Regeln (§§ 26—28) war nach RStVO 1934 strafbar, ohne daß es auf den Erfolg des schuldhaften Verhaltens angekommen wäre; polizeiliches Unrecht, Ungehorsam gegen Ge- und Verbote. Anders bei der Grundregel des § 25; zwar war auch sie nach übereinstimmender Auffassung der Rechtsprechung (selbständige) Strafnorm; die Rechtsgrundlage f ü r eine strafrechtliche Verurteilung aber gab sie nur dann ab, wenn durch das (keine bestimmte Verkehrsregel verletzende aber) ordnungswidrige Verhalten einer der drei Erfolge eingetreten war. Nichtbeachten der Verkehrslichtzeichen z. B. war schlechthin strafbar als Verstoß gegen die besondere Verkehrsregel des § 28; eine (nicht gegen eine zahlenmäßige Begrenzung verstoßende, jedoch) nach Lage der Sache übermäßige Geschwindigkeit aber war strafbar nur wegen eines dadurch etwa verursachten schädlichen Erfolges, z. B. Behinderung, Belästigung anderer. Dies ist grundsätzlich geändert worden; der jenem § 25 RStVO 1934 jetzt entsprechende § 1 StVO 1937 verpönt noch ferner die Gefährdung; sie ist (gleichwertig) neben die Schädigung gestellt, obwohl sie in der (fahrlässigen) Schädigung enthalten ist. Die Schädigung hätte also nunmehr entfallen können. — Schon eine Gefährdung ist Zuwiderhandlung gegen § 1; im obigen Beispiel also würde der zu schnell Fahrende u. U. dem § 1 zuwiderhandeln. Es fragt sich, ob die so umgestellte nunmehrige Grundregel des § 1 StVO 1937 noch als selbständige Strafnorm anzusehen ist, wie es § 25 RStVO 1934 gewesen war. Dazu ist eine weitere grundsätzliche Änderung zu beachten. Wie ausgeführt, begnügte sich die RStVO 1934 mit einigen wenigen stets zu befolgenden Verkehrsregeln (§§ 26—28); sie fanden ihre Ergänzung in der Grundregel des § 25. Mit der StVO 1937 war man zu der früheren Gestaltung der VüKVerk. zurückgekehrt, hatte in erheblicher Zahl Verkehrsregeln aufgestellt, aber daneben die Grundregel (§ 25 RStVO 1934) verändert beibehalten: § 1 StVO 1937, auch § 1 von 1953/1956. Daraus folgt zunächst unzweifelhaft, daß das Anwendungsgebiet des jetzigen § 1 gegenüber dem früheren § 25 stark eingeengt ist. Vorgänge wie die erwähnte zu hohe Geschwindigkeit, die vordem von der Grundregel des § 25 erfaßt wurden, sind jetzt in besondere Regeln geformt worden; es bedarf also in Z u k u n f t in vielen Fällen nicht mehr des Zurückgreifens auf die Grundregel des nunmehrigen § 1. Dieser gewann damit — und namentlich in seiner ursprünglichen (1937) Neufassung: „gefährdet werden kann" (die allerdings jetzt, 24. 8. 53, geändert worden ist) — sehr stark den Charakter einer allgemeinen Sorgfaltsregel, die, mangels festumrissenen Tatbestands, nicht selbständige Strafnorm sein könnte; die Frage nach der strafrechtlichen Kennzeichnung des § 1 ist bereits von Gülde, JW 1937, 3129 aufgeworfen, auch Innerlohner, DAR 1937 Sp. 354 zweifelte mit guten Gründen, ob die Grundregel in ihrer ursprünglichen Fassung des § 1 als (selbständige) Strafnorm angesehen werden konnte. Jetzt wird § 1 allseitig als solche gewertet. Die Verkehrsregeln der StVO sind im allgemeinen Polizeivorschriften. Wer ihnen zuwiderhandelt, begeht, wenn weiter nichts als diese Zuwiderhandlung vorliegt, kein kriminelles, sondern ein polizeiliches Unrecht; das besteht in bloßem Ungehorsam gegen Ge- oder Verbote. Strafbar ist also, wer (schuldhaft) gegen eine Verkehrsregel verstößt. Dieser Grundsatz gilt da nicht, wo die Regel selbst etwas weiteres in ihren Tatbestand aufnimmt, wo
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also zur Erfüllung des Tatbestandes noch dieses Weitere, eine Behinderung, Gefährdung usw., gehört. Ist das der Fall, so besteht das Unrecht nicht in dem bloßen Ungehorsam, sondern in einem Ungehorsam, der die weiteren Tatbestandsmerkmale erfüllt, hier also eine Behinderung, Gefährdung usw. herbeiführt. 5
c) Grundregel und Sonderregeln Allgemeines: Müller VerkMitt. 56, 22. Die Vorsicht, mit der sich jeder im Verkehr zu benehmen hat, wird gerade dann geübt, wenn er sich nadi den besonderen VerkRegeln richtet; RGSt. 73, 370, R G 21. 5. 40, VAE 140; Köln 11. 1. 57, V R S 12, 284. Das Nebeneinanderbestehen der Grundregel neben Sonderregeln bringt Auslegungszweifel. § 1 — übrigens auch nach dem Willen des Gesetzgebers; vgl. den Vorspruch Satz 6 — ist selbständige Strafnorm. Tatbestandsmerkmal ist eine Gefährdung, Schädigung, Behinderung oder Belästigung. Es konnte also nadi § 1 i. d. F. 1937 (oben a) gestraft werden: a) wenn ein bestimmter „Anderer" geschädigt, behindert oder belästigt worden war; ß) bei Gefährdung sprach die Fassung 1937 nicht von dem Andern, sondern von dem Verkehr; eine rechtssystematische Abweichung gegenüber den Tatbeständen der Schädigung usw. war aber damit nicht beabsichtigt gewesen; rein sprachliche Schwierigkeiten bei der Formulierung der Einfügung des Gefährdungstatbestandes waren der Grund der Abweichung gewesen; das zeigt auch die Rückkehr der Fassung 1953 zur ursprünglichen von 1934. Dabei genügte schon nach der Fassung 1937 nicht die bloße theoretische Möglichkeit einer Gefährdung; vielmehr war die Feststellung erforderlich, daß der Täter eine naheliegende, auf Tatsachen beruhende Wahrscheinlichkeit schädlicher Beeinflussung des Anderen herbeigeführt hat. Bremen 11. 4. 51, D A R 52, 11; Hbg. 20. 8. 52, D A R 187. Aus der Ablehnung der nur abstrakten Gefährdung folgt schon, daß Gefährdung „des Verkehrs" nicht ausreicht; vorwerfbar war und ist Gefährdung eines „Anderen". Erledigt ist durch die neue Fassung der Zweifel zur früheren, ob Gefährdung „des Verkehrs" auch vorliege, wenn ein Insasse durch das Verhalten des Führers des Fzs. gefährdet worden sei. „Anderer" der neuen Fassung ist der Insasse zweifellos. § 1 ist die subsidiäre Vorschrift, die eingreift, wenn keine der Sonderregeln der StVO verletzt ist; ebenso B G H 21. 6. 51, D A R 190; zust. Hbg. 4. 1. 52, Ss. 174, 51; aber sie steht ferner neben den Sonderregeln dann, wenn eine Sonderregel verletzt ist und dadurch ferner einer der vier Erfolge — Gefährdung, Schädigung, Behinderung, Belästigung — eingetreten ist; zust. ObLG 5. 12. 51, III 4 2 9 . 5 1 ; B G H 30. 4. 53, VRS 5, 388. Irrig ist also die Auffassung, § 1 sei grundsätzlich nur bei Fehlen von Sonderbestimmungen anzuwenden; zust. Schlwg. 17. 12. 52, Ss. 450. 52. — Soweit das Verhalten des VerkTeilnehmers einzeln geregelt ist, kann § 1 als subsidiäre Vorschrift für sich allein nicht weitergehende Pflichten fordern; B G H 21. 6. 51, VRS 3, 405. § 1 als eine gegenüber den einzelnen Sondervorschriften subsidiäre Bestimmung greift (abgesehen von den Fällen der Herbeiführung eines seiner Erfolge) nur bei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Verkehrsverhältnissen ein; es kann ihm nicht eine einer Sondervorschrift widersprechende Regelung entnommen werden; B G H 3. 2. 54, D A R 110. Regelt eine gesetzl. Vorschrift einen VerkVorgang, so kann § 1 nur herangezogen werden zu ihrer Aus 1 e g u n g , zur Bemessung der zur Erfüllung ihrer Forderungen nach § 1 nötigen Sorgfalt, nidit zur Aus d e h n u n g der Vorschrift auf in ihr nicht behandelte Verk Vorgänge. Die VerkRegeln schreiben i. d. R . nur ein bestimmtes Verhalten vor, ein Verstoß gegen sie ist also (schon) als solcher strafbar; Bremen 5. 6. 57, D A R 58, 26; außerdem ist § 1 verletzt, wenn der Verstoß einen dort verbotenen Erfolg herbeigeführt hat. Wie aber ist die Rechtslage, wenn eine Sonderregelung die Erfolgstatbestände — Gefährdung, Schädigung usw. — des § 1 ihrerseits schon selbst enthält? ZB § 17 verpflichtet den Fahrzeugführer so ein- und auszufahren, daß der Verkehr nicht gefährdet wird. Der Vorspruch zur StVO bringt in diese Frage keine Klarheit; er stellt zwar einander gegenüber: Tatbestände, die ohne Rücksicht auf den Erfolg unter Strafe gestellt werden auf der
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einen und („außerdem", also erschöpfende Gegenüberstellung!) die Grundregel des § 1 auf der andern Seite; die Tatbestände aber, die einen schädlichen Erfolg in ihrem Tatbestandsmerkmal haben, werden nicht erwähnt. Die Grundregel soll „in allen nicht im einzelnen geregelten Fällen" ein strafrechtliches Einschreiten ermöglichen; sie ist also, wie erwähnt, nur subsidiär; ihre Anwendung scheidet doch wohl aus, wenn ein Sondertatbestand vorhanden ist; so auch B G H 21. 6. 51, D A R 190, zust. Ddf. 16. 6. 53, Ss. 203, 52. § 17 fordert vom Kraftf. alle zumutbaren und der VerkLage angemessenen Vorkehrungen, um das Eintreten eines Zustandes zu vermeiden, bei dem die begründete nahe Besorgnis einer Verletzung besteht. Den gleichen Inhalt hat § 1, soweit er Gefährdung anderer verbietet. Herbeiführung des in § 1 verbotenen Erfolges der Gefährdung ist identisch mit Nichtausschließung des Eintretens der Gefährdung nach § 17. Hat der Kraftf. jene Vorkehrungen getroffen, so hat er dem § 17 nicht zuwidergehandelt, kann aus § 17 nicht bestraft werden, wenn trotzdem eine Gefährdung eingetreten ist; ebensowenig hat er sich dann gegen § 1 vergangen; eine Schuld, eine Fahrlässigkeit kann ihm nicht vorgeworfen werden. Wie nun, wenn zwar keine Gefährdung eingetreten ist, wohl aber einer der anderen drei in § 1 verpönten Erfolge? — Man wird ja wohl nicht allg. annehmen können, daß jeder dieser drei Erfolge stets auch eine Gefährdung darstelle, also eine Verletzung des Gefährdungsverbots. — In § 17 ist eine Schädigung nicht enthalten und verboten; aber auch § 1 kann nicht herangezogen werden, wenn trotz aller jener Vorkehrungen eine Schädigung eingetreten ist; der Vorwurf der Fahrlässigkeit wäre unbegründet. Hat aber der Kraftf. fehlsam gehandelt, nicht alle jene Vorkehrungen getroffen, so hat er bei einer dadurch verursachten Gefährdung den § 17 verletzt und ist aus dieser lex spec. zu strafen, nicht aus § 1; ebenso Tüb. 10. 5. 50. VRS 2, 209; Bremen 22. 10. 52, Ss. 57. 52. War sein fehlsames Handeln die Ursache eines der anderen Erfolge des § 1, hat er also einen Erfolg verursacht, der gerade nicht Tatbestandsmerkmal der Sondervorschrift des § 17 ist —, wäre dann § 1 verletzt? M. a. W.: sind die zum Tatbestandsmerkmal erhobenen Erfolge der Sonderregel andere als die des § 1, enthält z. B. die Sonderregel das Verbot einer Gefährdung, wie z. B. § 17, nicht dagegen das Verbot einer Schädigung, einer Behinderung und einer Belästigung, so entsteht die Frage: Kann hier die allgemeine Grundregel des § 1 herangezogen werden, obwohl die Sonderregel selbst ausdrücklich andere Erfolge unter Strafe stellt? Es läge nahe, diese Frage zu verneinen. § 1 soll nach dem Vorspruch gerade nur dann herangezogen werden, wenn das Verhalten nicht im einzelnen besonders geregelt ist. Aber anderseits soll ja § 1 die Regeln in der Weise ergänzen, daß er heranzuziehen ist beim Eintritt von Erfolgen, die sonst nicht in den Sonderregeln erfaßt sind. Wer durch die Art des Ein- oder Ausfahrens andere belästigt, hat sich damit gegen den alle Verkehrsvorgänge beherrschenden (oben II a) § 1 vergangen, obwohl die Sonderregel über das Einund Ausfahren nur Gefährdungen ausdrücklich verbietet. § 17 ist nicht so zu verstehen, daß fehlsames Handeln bei Ein- oder Ausfahren nur strafbar sei, wenn es eine Gefährdung herbeigeführt habe; zust. K G 27. 9. 56, V R S 11, 462. Das Ergebnis ist: Die Sonderregel ist bei ihrer Verletzung anzuwenden, wo kein Erfolg i. S. des § 1 eingetreten ist: allein, wo ein Erfolg i. S. des § 1 eingetreten ist, gilt sie und daneben auch § 1, wo die Sonderregel auch schon selbst einen der Erfolge des § 1 enthält und eben dieser Erfolg eingetreten ist, geht die Sonderregel als lex specialis der Anwendung des § 1 vor, nur sie ist anzuwenden, zust. K G 1. 7. 54, 1 Ss. 298, 54; Hamm 20. 3. 53, V R S 5, 392; Ddf. 31. 1. 57, Ss. 913. 56; Bremen 5. 6. 57, D A R 58, 26, wo die Sonderregel auch schon selbst einen der Erfolge des § 1 enthält und außer diesem Erfolg noch ein anderer der Erfolge des § 1 eingetreten ist, wird die alle Sonderregeln allgemein ergänzende Grundregel des § 1 gleichfalls anzuwenden sein eben wegen des
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anderen Erfolges. Ebenso Guelde, D A R 51, 192; zust. Bsdi. 29. 7. 55, D A R Schlwg. 22. 2. 56, Ss. 435. 5 5 ; Hbg. 27. 2. 57, VerkMitt. 62.
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III. Die S t V O 1970 6
a) Allgemeines
sArijttum
Baumann: Zum Entwurf einer StVO, DAR 66, 29; Die Versäumnisse der neuen StVO, DAR 71, 152; Jagusch: Flexibilität und Starrheit in der neuen StVO, N J W 71,1. Möhl: Gedanken zum Entwurf einer Straßenverkehrsordnung, DAR 64, 1; Riditungszeichen nach geltendem und künftigem Recht, DAR 65, 197; Rechtsfahren nach geltendem und künftigem Recht, DAR 65, 261; Vorfahrt nach geltendem und künftigem Recht, DAR 66, 1; Das Abbiegen nach geltendem und künftigem Recht, DAR 66, 197, 225; Gedanken zum „letzten" Entwurf einer neuen Straßenverkehrsordnung, DAR 70, 225; Die neue StVO. DAR 71, 29; Die neue StVO, J R 71, 45; Sanders: Einige Gedanken zur neuen StVO, DRiZ 71, 42; Wimmer: Zweiter Entwurf einer StVO, DAR 65, 29; Einzelheiten über die Entstehungsgeschichte der neuen StVO bei Booß „Straßenverkehrsordnung" Carl Heymann Verlag, Einleitung S. 1-3.
Fast 14 Jahre lang wurde an unserer neuen Straßenverkehrsordnung gearbeitet. Am 23. Mai 1957 hatte die Gemeinsame Straßenverkehrssicherheitskonferenz des Bundes und der Länder den Straßenverkehrssicherheitsausschuß beauftragt, Vorschläge zur Vereinfachung des Straßenverkehrsrechts auszuarbeiten. Die Konferenz betonte die Notwendigkeit, Straßenverkehrsvorschriften volkstümlicher und ihre Anwendung einfacher und wirkungsvoller zu gestalten. U m dies zu erreichen, empfahl sie, diese Vorschriften soweit wie möglich von Einzelbestimmungen zu entlasten und im wesentlichen auf allgemeingültige Grundregeln zu beschränken. Am 4. Mai 1961 modifizierte die 6. Gemeinsame Straßenverkehrssicherheitskonferenz den früheren Auftrag in einem sehr bedeutsamen P u n k t : Da sie es für notwendig hielt, daß Verstöße gegen Verkehrsregeln, die erfahrungsgemäß zu Verkehrsunfällen führen, besonders nachdrücklich bekämpft werden, empfahl sie bei der Neufassung „und Vereinfachung" der S t V O darauf zu achten, daß die Verkehrsregeln, deren Verletzung gefährlich ist, klar und genügend bestimmt gefaßt werden. Diese Empfehlungen widersprechen sich selbst. Wenn die sog. unfallträchtigen Verkehrsverstöße durch möglichst bestimmt gefaßte Einzelbestimmungen bekämpft werden sollen, dann kann die S t V O nicht gleichzeitig von Einzelbestimmungen entlastet und im wesentlichen auf allgemeingültige Grundregeln beschränkt, sie kann nicht „vereinfacht" werden. Diese widersprechenden Empfehlungen wirkten sich im weiteren Verlauf auf die Arbeiten an der neuen StVO bis zur endgültigen Fassung nicht unwesentlich aus. Während manche Einzelbestimmungen, wie die Vorschriften über das Ausweichen aus dem T e x t der S t V O entfernt wurden, wurde eine nicht unerhebliche Anzahl neuer Einzelbestimmungen in sie aufgenommen. Auch wurden die Tatbestände von Einzelbestimmungen der S t V O 1937 unter Verwertung der hierzu vorliegenden Rechtsprechungsergebnisse erheblich erweitert und Rechtsgrundsätze in den T e x t aufgenommen, die früher der Grundregel des § 1 entnommen worden waren. Von dem ursprünglichen Bestreben nach Vereinfachung ist in der neuen S t V O wenig zu merken. Zieht man die Summe, dann ist sie gegenüber der alten sogar komplizierter geworden. Das ließ sich nicht vermeiden, wollte man dem Verkehrsteilnehmer konkreter als bisher sagen, wie er sich im Einzelfall zu verhalten habe. Dabei spielte die Vorstellung eine Rolle, man müsse den Verkehrsteilnehmer, besonders den Kraftfahrer von dem sog. „Problemfahren" befreien. So einleuchtend dieser Gedanke scheint, muß doch gesagt werden, daß das „Problemfahren" in Wahrheit nie eine große Rolle gespielt hat. Fälle, in denen ein Kraftfahrer sich mit der Behauptung verteidigte, er habe nicht wissen können, wie er sich hätte verhalten sollen, weil er dies der S t V O nicht hätte entnehmen können, waren sehr selten. I m allgemeinen bestand darüber kein Zweifel, wie er sich hätte verhalten sollen, schwierig war nur häufig die Feststellung, wie er sich tatsächlich verhalten hat und ob er sich bei gutem Willen anders hätte verhalten können. Es erscheint fraglich, ob die Hoffnung begründet ist, die 8
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Sicherheit des Verkehrs werde zunehmen, weil sich der Verkehrsteilnehmer durch die Lektüre des Volkslesebuches „Straßenverkehrsordnung" nun über seine Pflichten genauer informieren könne. Daran wird sich durch die Neufassung der StVO kaum etwas ändern, daß es anständige Verkehrsteilnehmer gibt, die nicht nur an sich und ihr rasches Fortkommen, sondern auch an die anderen Verkehrsteilnehmer denken, und rücksichtslose, aggressive Verkehrsteilnehmer, deren einzige Fessel die Furcht ist, selber Schaden zu leiden, wenn sie sich allzu rücksichtslos vordrängen. N u r indirekt, auf dem Umweg über die Verkehrserziehung, über die Fahrlehrer, kann vielleicht eine klarere und eingehendere Formulierung der Pflichten in der StVO zu einer Verbesserung des allgemeinen „Betriebsklimas" im Straßenverkehr führen. Entgegen der Meinung mancher Verkehrssoziologen geht die neue StVO, wie in dem Leitgedanken ihrer amtlichen Begründung ausdrücklich betont wird, von der Erkenntnis aus, daß Verkehrsunfälle überwiegend durch menschliches Versagen verursacht werden und daß deshalb die allgemeine „Verkehrsgesittung" gehoben werden muß. Auch darin kann diesen Leitgedanken voll beigepflichtet werden, daß das menschliche Versagen des Kraftfahrers wesentlich in vermeidbaren Verstößen gegen wenige Hauptregeln des Verkehrsrechts besteht. Die neue StVO hat mehrere, bisher aus der Grundregel des § 1 hergeleitete Rechtsgrundsätze zu selbständigen, teilweise erfolgsunabhängigen Ordnungsvorschriften ausgestaltet. Die amtliche Begründung weist mit Recht darauf hin, daß damit die Verteidigungslinie gegenüber gefährlichen Verhaltensweisen vorverlegt w u r d e : „Mit Hilfe des § 1 konnte nur eingeschritten werden, wenn einer der dort erwähnten Erfolge (Schädigung, Gefährdung, Behinderung, Belästigung) bereits eingetreten w a r . Das aber genügt gerade nicht. Es muß schon dann eingeschritten werden können, wenn ein Verhalten nur abstrakt gefährlich ist." So wünschenswert es wäre, wenn abstrakt gefährliches Verhalten vor allem dann, wenn es die Grenze des „Kriminellen" überschreitet, wenigstens als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnte, so wird der Skeptiker doch Zweifel anmelden, ob es praktisch möglich sein wird, die abstrakt gefährlichen Verhaltensweisen nennenswert unter Kontrolle zu halten. Die verkehrsüberwachende Polizei kann nur an wenigen Stellen gegenwärtig sein. Auch lehrt die Erfahrung, daß die Verkehrsgesittung sogleich erstaunlich zunimmt, wenn irgendwo ein Polizist auftaucht. Die aus anderen Gründen unerfreuliche Überwachung durch als Zivilfahrzeuge getarnte Polizeifahrzeuge ist in größerem Umfang aus persönlichen und finanziellen Gründen nicht möglich. Es bleibt die Überwachung durch die anständigen Kraftfahrer. Die Sprache und Darstellung der neuen StVO entspricht im allgemeinen den Erwartungen, die man an das „Volkslesebuch" gestellt hat. Man hat nach Möglichkeit vermieden, abstrakte Begriffe zu verwenden. Aber darüber kann man geteilter Meinung sein, ob es grundsätzlich richtig ist, die sog. Legaldefinitionen aus dem Gesetzestext herauszunehmen und in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (Vwv-StVO) vom 24. November 1970 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 228 vom 8. Dezember 1970) unterzubringen. Verstößt es nicht gegen den Grundsatz, dem Verkehrsteilnehmer klar zu sagen, was er tun soll, wenn Begriffe, die sich in der StVO-Ordnung finden, nicht dort, sondern in einer f ü r die Behörden bestimmten AV näher dargelegt werden? Gerade die in der amtlichen Begründung aufgeführten Beispiele geben doch Anlaß zu denken: Was versteht man unter „Vorbeifahren"? Die StVO sagt es nicht; in der V w v . wird dazu ausgeführt: „An Teilnehmern des Fahrbahnverkehrs, die sich in der gleichen Richtung weiterbewegen wollen, aber warten müssen, wird nicht vorbeigefahren; sie werden überholt. Wer durch die Verkehrslage oder eine Anordnung aufgehalten ist, der wartet". Daß der Richter schon auf Grund der Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung den Begriff des „Vorbeifahrens" so und nicht anders auslegen wird, ist selbstverständlich. Wird aber der schlichte Kraftfahrer das auch wissen, was „Vorbeifahren" und was „Überholen" bedeutet? Das gleiche gilt f ü r den Begriff des „Haltens". Die neue StVO sagt dem Verkehrsteilnehmer zwar in § 12 Abs. 2, daß parkt, wer ein Fahrzeug verläßt oder länger als drei Minuten hält. 9
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Sie sagt ihm aber nicht, wann er „hält". Er muß schon in der Vwv. § 12 nachsuchen, um zu erfahren, daß Halten eine gewollte Fahrtunterbrechung ist, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßt ist. Ein wirklicher Fortschritt der neuen StVO gegenüber der alten liegt in der Abgrenzung ihres Gegenstandes. Die alte StVO enthielt neben Bestimmungen, die sich an die Verkehrsteilnehmer wandten, audi solche, die nur die Behörden angingen. Diese wurden mit Recht aus der StVO herausgenommen und in die Vwv. übernommen. Die Frage, ob die Beschreibung und Erläuterung der Verkehrszeichen in die StVO gehört oder wie bisher in einem Anhang zur StVO Platz finden sollte, ist mehr eine redaktionelle als eine grundsätzliche Frage. Daß auch dieser Teil systematisch zur StVO gehört, kann keinem Zweifel unterliegen. Die Systematik wäre aber nicht gestört worden, wenn die Verkehrszeichen in einem zum Bestandteil der StVO erklärten Anhang behandelt worden wären. Ihre Einbeziehung in den Text der StVO bringt zunächst einmal einen sozusagen optischen Nachteil gegenüber der früheren Lösung. Teil I „Allgemeine Verkehrsregeln" enthält im BGBl, auf 10 Seiten 35 Paragraphen, Teil II „Zeichen und Verkehrseinrichtung" auf 27 Seiten 8 Paragraphen und Teil III „Durchführung, Bußgeld und Schluß Vorschriften" auf 11 Seiten 10 Paragraphen. Teil II beansprucht also beinahe 2/s des Textes. Darüber könnte man leichter hinwegsehen, wenn nicht die allgemeinen Verhaltensvorschriften gegenüber Weisungen und Zeichen der Polizeibeamten, gegenüber Lichtzeichen, gegenüber „Vorschriftszeichen" und gegenüber Anordnungen in „Richtzeichen" in dem unübersichtlichen Teil II an verschiedenen Stellen zu finden sind. Bisher wurden die wichtigsten allgemeinen Vorschriften in §§ 2, 2 a und 3 vorweggenommen. Das mag systematisch anfechtbar gewesen sein, es war aber sicher praktischer als die jetzige Lösung. Ob selbst ein gewissenhafter Kraftfahrer die neue StVO von Anfang bis Ende durchstudieren wird, ist fraglich. Auch ist es leider wieder nicht gelungen, die Verkehrszeichen klar in solche einzuteilen, die Gebote und Verbote und solche, die nur Hinweise enthalten. Dazu kommt, daß sich die bei den einzelnen Zeichen näher dargelegten Gebote und Verbote naturgemäß mit allgemeinen Verhaltensvorschriften des Teils I teilweise überkreuzen. Bei den als „Vorschriftszeichen" in § 41 zusammengefaßten Zeichen handelt es sich zwar um solche, die eindeutig Gebote und Verbote enthalten. Aber auch die wenig glücklich als „Richtzeichen" bezeichneten des § 42 enthalten teilweise Anordnungen, sind also insoweit genaugenommen auch „Vorschriftszeichen". Der Aufbau des Teils I läßt noch erkennen, daß man im Gegensatz zur alten StVO den Stoff nach Themen und nicht nach Verkehrsarten aufbauen wollte und daß man dabei vom Wichtigen zum weniger Wichtigen fortschreitet. Dieses System wurde im Lauf der Vorarbeiten von Entwurf zu Entwurf mehr aufgelockert. Nunmehr gibt es Spezialvorschriften für Autobahnen und Kraftfahrstraßen, für Fußgänger, Verbände und Tiere. Daß praktische Erwägungen gegenüber dogmatischen den Vorrang gewannen, ist deshalb zu begrüßen, weil der Verkehrsteilnehmer, für den die StVO in erster Linie geschaffen wurde, meist wenig Verständnis für systematische Logik hat. Er möchte nur möglichst schnell finden, war er braucht. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die neue StVO nach Inhalt, Aufbau und Sprache ein brauchbares Instrument zur rechtlichen Bewältigung des Straßenverkehrs darstellt und daß sie ihr Ziel, dem Verkehrsteilnehmer klarer und ausführlicher als bisher zu sagen, wie er sich in wichtigen Einzelfällen verhalten soll, weitgehend erreicht hat. Immerhin können aber auch durch die neue StVO nicht alle Probleme des Straßenverkehrs gelöst werden. Es bleibt nach wie vor die Aufgabe der Gerichte, Vorschriften auszulegen, die der Auslegung bedürfen und sie durch allgemeine Rechtsgrundsätze zu ergänzen. Dabei kann die amtliche Begründung (VkBl. 70, 797) von Nutzen sein, deren allgemeiner Teil im folgenden abgedruckt wird, während die Begründung der einzelnen Vorschriften jeweils bei diesen gebracht wird. Auch die Vwv. ist jeweils hinter dem Gesetzestext eingefügt. Die Vwv. wendet sich nicht an den Richter, sondern an die Verkehrsbehörden. Die amtliche Begründung hat keine Gesetzeskraft, Abweichungen der Rechtsprechung von der 10
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amtlichen Begründung sind deshalb möglich. Soweit bei der Auslegung von den Vorschriften der Wille des Gesetzgebers von Bedeutung ist, bietet die amtliche Begründung wichtige Hinweise.
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b) Begründung zur Straßenverkehrsordnung aa) Entstehungsgeschichte Am 23. Mai 1957 hatte die 4. Gemeinsame Straßenverkehrssicherheitskonferenz des Bundes und der Länder beschlossen: » •
4. Die Konferenz betont erneut die Notwendigkeit, die Straßenverkehrsvorschriften volkstümlicher und ihre Anwendung einfacher und wirkungsvoller zu gestalten. Sie hält es für erforderlich, diese Vorschriften soweit wie möglich von Einzelbestimmungen zu entlasten und im wesentlichen auf allgemein gültige Grundregeln zu beschränken. Der Straßenverkehrssicherheitsausschuß wird beauftragt, Vorschläge zur Vereinfachung des Straßenverkehrsrechts auszuarbeiten." Der Straßenverkehrssicherheitsausschuß bildete darauf eine Siebenerkommission. In ihr waren das Bundesverkehrsministerium und sechs Länder vertreten, je zwei durch ihre Verkehrsressorts, Innenverwaltungen (eine davon durch einen Polizeifachmann) und Justizverwaltungen. Nachdem die Kommission ihre Arbeiten bereits aufgenommen hatte, wurden amtliche und private Untersuchungen veröffentlicht, deren Ergebnisse sich dahin zusammenfassen lassen: Verkehrsunfälle werden überwiegend durch menschliches Versagen verursacht. Dieses Versagen besteht wesentlich in vermeidbaren Verstößen gegen wenige Grundregeln des Verkehrsrechts. Unter dem Eindruck dieser Ergebnisse, auf die ausdrücklich Bezug genommen wurde, faßte die 6. Gemeinsame Straßenverkehrssicherheitskonferenz am 4. Mai 1961 folgende, die des Jahres 1957 modifizierende Entschließung: „Die Konferenz hält es für notwendig, daß Verstöße gegen die Verkehrsregeln, die erfahrungsgemäß häufig zu Verkehrsunfällen führen, besonders nachdrücklich bekämpft werden. Zu diesem Zwecke sollte bei der Neufassung und Vereinfachung der StVO, an der zur Zeit gearbeitet wird, darauf geachtet werden, daß die Verkehrsregeln, deren Verletzung gefährlich ist, klar und genügend bestimmt gefaßt werden." Damit war der Kommission der Auftrag erteilt, eine StVO zu erarbeiten, die dem Verkehrsteilnehmer mit Gewinn in die Hand gegeben werden kann und aus der er ohne weiteres ablesen kann, wie er sich im öffentlichen Straßenverkehr, insbesondere bei gefährlichen Verkehrsvorgängen zu verhalten hat. Die Kommission, die auch die drei großen Automobilverbände zu Rate gezogen hatte, legte 1962 das Ergebnis ihrer Arbeit samt Begründung vor (veröffentlicht in D A R 1963 S. 29 ff.). Die Reaktion der Öffentlichkeit war lebhaft; zahlreiche interessierte Verbände und Organisationen, Ressorts des Bundes und der Länder äußerten sidi. Maßgebende Vertreter der Rechtswissenschaft und der modernen Wissenschaften der Verkehrspsychologie, der Verkehrssoziologie und vor allem der besonders fruchtbaren Verkehrstechnik, die Presse und Einzelpersonen gaben Anregungen. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache bezeichnete den Vorentwurf als gut lesbar und leicht verständlich. Seit Anfang 1963 wurden der Vorentwurf und alle Anregungen, die auch später eingingen, mit den für Verkehr und Inneres zuständigen Länderreferenten laufend beraten. Diesen Sitzungen wohnten seit Jahren regelmäßig auch bewährte Verkehrsingenieure bei. Die Beratungen verdichteten sich zu mehreren Referentenentwürfen, von denen der sog. Bad Gandersheimer (1. Juni 1966) und der sog. Würzburger (1. Mai 1968) besondere Erwähnung verdienen. Die jahrelange Dauer dieser Beratungen hatte folgende Gründe: Zunächst mußte der Bericht der Sachverständigenkommission vom 24. August 1964 nach dem Gesetz über eine
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Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden berücksichtigt werden. Im Dezember 1964 wurde vom Ministerrat der Europäischen Verkehrsministerkonferenz (CEMT) der letzte Teil der sogenannten CEMT-Regeln (vgl. VkBl. 1965 S. 142 ff.) verabschiedet. Sie wurden in der Folge in den Entwurf eingearbeitet. Darauf wurde der auf diese Weise fortentwickelte Vorentwurf mit Begründung erneut den beteiligten Verbänden zur Stellungnahme und zugleich dem Bundesminister der Justiz zur Einleitung der rechtsförmlichen Prüfung übersandt. Mit den Verbänden, die zu dem Entwurf Stellung genommen hatten, wurde 1965 tagelang beraten, wobei im wesentlichen Übereinstimmung erzielt wurde. Inzwischen waren Bestrebungen in Gang gekommen, das reformbedürftige weltweite Abkommen über den Straßenverkehr vom 19. September 1949 und das Protokoll über Straßenverkehrszeichen vom gleichen Tag durch neue Vereinbarungen zu ersetzen. Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (ECE) legte im Jahre 1965 die Entwürfe eines Weltabkommens über den Straßenverkehr und eines solchen über Straßenverkehrszeichen vor. Die Beratungen dieser Entwürfe wurden auf internationaler Ebene im Jahre 1967 abgeschlossen. Am 8. November 1968 endete die Wiener Weltkonferenz mit der Unterzeichnung je eines Weltabkommens über Straßenverkehr und über Verkehrszeichen. Noch immer war es aber verfrüht, den Entwurf dem Bundesrat vorzulegen. Denn es standen noch aus die Europäischen Zusatzvereinbarungen zu den beiden Wiener Weltabkommen. Sie nun lagen, in Genf in erster Lesung verabschiedet, im November 1969 vor. Ihr sachlicher Inhalt wurde, soweit noch nötig, in den Entwurf eingearbeitet. Die endgültige Verabschiedung der Europäischen Zusatzvereinbarungen fand im Mai 1970 statt. Im März 1970 stellte der Bundesminister für Verkehr den Entwurf einer neuen StVO der Öffentlichkeit vor, zugleich dem mit Fragen des Verkehrs besonders befaßten Ausschuß des Deutschen Bundestages sowie den überaus zahlreichen interessierten Verbänden. Der Entwurf fand ein ungewöhnlich großes Interesse; im Laufe der darauf folgenden Wochen wurden, überwiegend aus der Bevölkerung, mehr als 5500 Stücke des Entwurfs angefordert. Diese Erörterung des Entwurfs auf breitester Grundlage erwies sich als nützlich; zahlreichen Anregungen wurde im Verlaufe der weiteren Beratungen stattgegeben. Zugleich mit dem Entwurf der StVO wurde der Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift ausgearbeitet. Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift wird den Verkehrsbehörden vor allem die wertvollen Erkenntnisse der modernen Verkehrswissenschaft darüber vermitteln, wie Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen und Markierungen zweckmäßig zur Unterstützung des Verkehrsteilnehmers zu verwenden und mit baulichen Maßnahmen abzustimmen sind. bb) Leitgedanken a) Der Gegenstand Die Dringlichkeit der Vorlage liegt auf der Hand. Jahr um Jahr fordert der Straßenverkehr, abgesehen von Milliardenverlusten an wirtschaftlichen Gütern, Hunderttausende von Verletzten und eine unerträglich hohe Zahl von Toten. Diesem alarmierenden Geschehen muß Einhalt getan werden. Wo der Hebel anzusetzen ist, zeigt die tägliche Erfahrung; Verkehrsunfälle werden überwiegend durch menschliches Versagen verursacht. Die allgemeine Verkehrsgesittung muß also gehoben werden. Daß die Gefahren des modernen Verkehrs zu steter Vorsicht zwingen, muß Allgemeingut werden. Das gilt in gleicher Weise für die schwächsten Verkehrsglieder, die Fußgänger und die Radfahrer, wie für den motorisierten Verkehr. Gründliche Untersuchungen haben ergeben, daß das menschliche Versagen des Kraftfahrers wesentlich in vermeidbaren Verstößen gegen wenige Hauptregeln des Verkehrsrechts besteht. Es wird im Durchschnitt etwas zu schnell gefahren; daß ausreichender Abstand vom Vordermann zu halten ist, scheint sogar weithin unbekannt; es wird in bedenklichem Umfang unvorsichtig, häufig dazu unnütz überholt; Abbiegemanöver werden oft ohne Empfinden für deren Gefährlichkeit ausgeführt; sogar fast selbstverständlich scheinende Regeln, wie möglichst weit rechts zu fahren oder die Vorfahrt anderer zu achten,
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werden nicht genügend ernst genommen. Die Aufzählung der sogenannten unfallträchtigen Verstöße wäre unvollständig, wenn nicht darauf hingewiesen würde, daß sich auch beim Nebeneinanderfahren im dichten Verkehr schon bedenkliche, recht gefährliche Auswüchse zeigen. Die Bekämpfung dieser Gefahren muß also den Schwerpunkt der zu ergreifenden Maßnahmen bilden. Es bedarf umfassender Verkehrserziehung und Verkehrsüberwachung; die Allgemeine Verwaltungsvorschrift wird dazu die gebotenen Anweisungen geben. Grundlage und V o r aussetzung des Erfolgs dieser Maßnahmen aber ist eine brauchbare S t V O . Solange man dem Verkehrserzieher nicht klarmacht, vor welchen Gefahren und vor welchen Fehlleistungen er vordringlich warnen muß, solange man dem Verkehrspolizisten nicht sagt, worauf er vor allem sein Augenmerk zu richten hat, und solange der Verkehrsteilnehmer selbst seine Pflichten buchstäblich nur vom Hörensagen kennt, ist an einen grundlegenden Wandel nicht zu denken. Bei der sehr stark gewordenen internationalen Verflechtung des Straßenverkehrs (im Jahre 1969 fanden mehr als 80 Millionen Grenzübertritte mit Kraftfahrzeugen über unsere Grenzen statt) ist Voraussetzung für eine Gewöhnung an Verkehrsregeln deren internationale Vereinheitlichung, mindestens innerhalb Europas. Deshalb ist eins der Ziele dieser neuen S t V O , zur internationalen Vereinheitlichung der Verhaltensvorschriften und der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen beizutragen. ß) Der Inhalt
Unfallträchtige
Verstöße
Dem Verkehrstod gilt es zu begegnen. Die wenigen Hauptregeln, deren Verletzung die Überzahl der Unfälle herbeiführt, sind bereits oben erwähnt. Sie müssen klar herausgestellt werden. Erst wenn man dem Verkehrsteilnehmer im einzelnen sagt, wie er sich in solchen Verkehrslagen und bei solchen Fahrmanövern zu verhalten hat und worauf er dabei zu achten hat, entbindet man ihn von gefährlichem „Problemfahren"; erst solche Konkretisierung schafft auch die notwendige Grundlage für die dringend notwendige, nachdrückliche Bekämpfung dieser unfallträchtigen Verkehrsverstöße, schon ehe etwas „passiert" ist. So muß, um ein Beispiel zu geben, dem Kraftfahrzeugführer in der S t V O gesagt werden, daß es in jedem Fall in hohem Maße verantwortungslos ist, das Überholen in der Hoffnung zu „probieren", es werde schon niemand entgegenkommen, daß an ein Überholen vielmehr nur zu denken ist, wenn er übersehen kann, daß auch nur eine Behinderung möglichen Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Man muß auch ausdrücklich erwähnen, daß das Überholen verboten ist, wenn die Verkehrssituation irgendwie nicht völlig geklärt ist; der Fahrzeugführer wird so darauf hingewiesen, daß er zuvor den Vordermann beobachten muß, ob nicht dieser seinerseits überholen will oder einem Hindernis ausweichen muß, und daß er zu prüfen hat, ob nicht dritte Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Querverkehr, durch das Vorhaben gefährdet würden. Man muß ihn natürlich darüber belehren, daß er nunmehr seine Überholabsicht unter gewissen Voraussetzungen anzukündigen hat. Man muß ihm auch sagen, daß er sich alsbald wieder einzuordnen hat und den Überholstreifen nicht über Gebühr benutzen darf, daß er aber zum anderen den Überholten beim Wiedereinordnen nicht „schneiden" darf. All das steht in § 5 der Verordnung. Erst so wird dem Verkehrsteilnehmer die besondere Gefährlichkeit jeden Überholens klargemacht und ihm eingeschärft, was der Schweizer Spruch sagt: „Überholen? Im Zweifel nie!". Erst so ist auch der Fahrerlehrer, der bislang ( § 1 0 S t V O ) nur auf das viel zu enge Verbot des Überholens an unübersichtlichen Stellen hinweisen und im übrigen das skizzierte Verhalten nur empfehlen konnte, instand gesetzt, es seinen Schülern unter Berufung auf die Autorität des Gesetzes Punkt für Punkt einzuprägen. Erst so kann auch die Verkehrsüberwachung mahnend oder warnend eingreifen, ohne dem häufig sogar durchschlagenden Einwand zu begegnen, daß man durch das noch so kühne, aber sachgerecht durchgeführte Überholmanöver doch niemanden auch nur behindert habe. Uneinsichtige müssen dafür auch zur Verantwortung gezogen werden können. 13
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Solche Ausführlichkeit ist für unfallträchtige F a h r m a n ö v e r und Verkehrslagen aus reditsstaatlidien G r ü n d e n erwünscht und findet sich audi i m w e l t w e i t e n A b k o m m e n . D a z u k o m m t , daß der bisherige § 1 sich f ü r eine nachdrückliche B e k ä m p f u n g unfallträchtigen V e r h a l t e n s nicht eignet. Zunächst k a n n m i t seiner H i l f e n u r dann eingeschritten werden, w e n n einer der d o r t v e r p ö n t e n E r f o l g e bereits eingetreten w a r . Das aber genügt gerade nicht. E s m u ß sdion d a n n eingeschritten w e r d e n k ö n n e n , w e n n ein V e r h a l t e n n u r a b s t r a k t gefährlich ist. D u r c h A u s w e i t u n g des § 1 auf a b s t r a k t gefährliches V e r h a l t e n abzuhelfen, v e r b i e t e n schon rechtsstaatliche G r ü n d e . Dies w ü r d e aber auch faktisch wenig n ü t z e n . D e n n der § 1 taugte nicht einmal in seinem b e s c h r ä n k t e n R a h m e n z u r B e k ä m p f u n g v o n V e r stößen o h n e Schadensfolgen. W i l l m a n E r n s t m i t dem dringenden Anliegen machen, die B e k ä m p f u n g der U n f a l l g e f a h r e n sogar v o r z u v e r l e g e n und schon a b s t r a k t gefährliches Fehlv e r h a l t e n in b r e i t e r F r o n t zu v e r h i n d e r n , so m u ß die S t V O nicht b l o ß aus rechtlichen G r ü n d e n durch die Schaffung w e i t e r e r G e b o t s - u n d V e r b o t s t a t b e s t ä n d e ergänzt w e r d e n ; diese müssen besonders unfallträchtiges F e h l v e r h a l t e n fest u m r e i ß e n und d ü r f e n eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g o d e r B e h i n d e r u n g nicht voraussetzen. Allerdings m u ß die N o r m i e r u n g ins einzelne gehender V e r k e h r s v o r s c h r i f t e n aus alsbald zu e r ö r t e r n d e n G r ü n d e n auf solche Fälle beschränkt bleiben.
Sonstige
Verkehrsregeln
D a s Wesen des V e r k e h r s selbst ist es, das dem Verkehrsgesetzgeber im übrigen Z u r ü c k h a l t u n g beim E r l a ß v o n V e r k e h r s r e g e l n auferlegt. M a n m u ß sich v o r Augen halten, daß N o r m e n auf k e i n e m anderen G e b i e t in das L e b e n selbst so u n m i t t e l b a r eingreifen wie V e r k e h r s v o r s c h r i f t e n . E s ist ein I r r t u m , zu glauben, daß es dem Gesetzgeber auf diesem G e b i e t frei stünde, zu reglementieren, was i h n am grünen Tisch zweckmäßig d ü n k t . S d i o n u n g e w o h n t e Verhaltensweisen ließe sich der V e r k e h r allenfalls widerwillig aufzwingen, V e r haltensvorschriften, die i h m zuviel z u m u t e n , w ü r d e er nicht respektieren. D e r V e r k e h r h i l f t sich am besten selbst. E r schafft sidi seine eigenen „ G e s e t z e " . D a b e i sind auch diese „ G e s e t z e " nicht selten ständigem W a n d e l u n t e r w o r f e n . D e r Gesetzgeber d a r f daher V e r kehrsregeln grundsätzlich n u r dann und erst dann festlegen, w e n n sie bereits allgemein p r a k t i z i e r t werden u n d im V e r k e h r solche A n e r k e n n u n g gefunden haben, daß jeder, der sich nicht an sie hält, allgemein als Störenfried empfunden wird. Eine Ausnahme gilt nur f ü r i n t e r n a t i o n a l v e r e i n b a r t e R e g e l n . Sie zu lernen u n d zu beachten k a n n u n d m u ß den V e r k e h r s t e i l n e h m e r n auch in u n s e r e m L a n d e z u g e m u t e t werden, es sei denn, sie seien wegen der besonderen V e r k e h r s v e r h ä l t n i s s e bei uns u n p r a k t i k a b e l , wie einige i n t e r n a t i o n a l v e r einbarte P a r k - oder H a l t v e r b o t e (vgl. zu § 12 und zu Zeichen 2 9 5 ) . W i e der V e r k e h r s t e i l n e h m e r sidi zu v e r h a l t e n hat, k ö n n t e i h m zudem der Gesetzgeber gar nicht für jeden einzelnen Fall sagen. D a z u ist das Verkehrsgeschehen viel zu vielfältig. A b e r selbst w e n n der Gesetzgeber all das r e g l e m e n t i e r e n w o l l t e , was sich allenfalls n o d i r e g l e m e n t i e r e n ließe, entstünde ein unübersehbares G e s t r ü p p v o n V e r k e h r s r e g e l n , das kein V e r k e h r s t e i l n e h m e r im Gedächtnis b e h a l t e n k ö n n t e , so d a ß i h m im entscheidenden A u g e n blick die ausdrückliche N o r m i e r u n g doch nicht hülfe. Das H a u p t a n l i e g e n der V e r o r d n u n g ist es, wie schon gesagt, strenge R e g e l n f ü r besonders Unfall trächtige F a h r m a n ö v e r und V e r kehrslagen aufzustellen. Sie gilt es daher k l a r herauszustellen. D a z u k o m m t , d a ß der Gesetzgeber, der den S t r a ß e n v e r k e h r regeln will, mannigfachen M o t i v e n R e c h n u n g tragen m u ß . I m S t r a ß e n v e r k e h r genügt es eben nicht, darauf bedacht zu sein, d a ß k e i n anderer an L e i b , L e b e n oder E i g e n t u m Schaden n i m m t . D e m V e r k e h r s t e i l n e h m e r m u ß auch die v e r m e i d b a r e B e h i n d e r u n g anderer untersagt werden. O h n e dieses V e r b o t wäre der m o d e r n e V e r k e h r nicht m e h r d e n k b a r , jeder, der sich nicht nach der V e r kehrslage richtet o d e r sonst den V e r k e h r beeinträchtigt, ist sdion längst in den Augen aller ein S t ö r e n f r i e d . Auch v e r m e i d b a r e Belästigungen müssen v e r b o t e n werden. S t r a ß e n l ä r m und L u f t v e r u n r e i n i g u n g d u r d i den V e r k e h r sind sehr ernste P r o b l e m e ; aber auch das f a h r lässige Bespritzen anderer mit Wasser oder Straßenschmutz gilt allgemein als übles V e r h a l ten. V e r f e h l t ist es deshalb, w e n n i m m e r wieder unbedacht b e h a u p t e t wird, „ A n s t a n d " 14
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ließe sich nicht befehlen. Im Straßenverkehr ist anständiges Verhalten schon seit Jahrzehnten von der Öffentlichkeit anerkannte rechtliche Pflicht. Und das muß so bleiben. Eine besonders lästige Verkehrsbehinderung ist deshalb in § 11 „Besondere Verkehrslagen" nur kurz normiert. Im übrigen beschränkt sich die Verordnung auf das Verbot konkreten Schädigens und Gefährdens sowie konkreten und unnötigen Behinderns und Belästigens in § 1 Abs. 2. Das ist eine alte deutsche Verkehrsrechtstechnik. Eine entsprechende Formel findet sich auch im Weltabkommen über den Straßenverkehr. Dieselben Gründe, die den Verkehrsgesetzgeber zur Zurückhaltung beim Erlaß von Vorschriften zwingen, nötigen ihn mehr als andere Gesetzgeber dazu, sich immer wieder unbestimmter Rechtsbegriffe zu bedienen. Man muß des öfteren dehnbare Begriffe verwenden, die deutlich genug machen, worauf es ankommt, die aber zum anderen der Vielfalt des Lebens gerecht werden. Begriffe wie „wenn die Verkehrsdichte das rechtfertigt" (§ 2 Abs. 2), „wenn die Verkehrslage es erfordert", ( § 1 1 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und 3), „wenn nötig" (§ 9 Abs. 3, § 17 Abs. 2, § 20 Abs. 2, § 26 Abs. 1), um nur einige Beispiele zu nennen, sind unentbehrlich, wie bei den einzelnen Paragraphen zu zeigen sein wird. Dabei wurde der Begriff „wenn nötig" überall da, wo es möglich war, durch Hinweis auf eine Gesetzesbestimmung konkretisiert (§ 22 Abs. 4 und 5, § 27 Abs. 4, § 32 Abs. 1). Die
Darstellung
Ein volkstümliches Gesetz, wie es die StVO sein soll, muß sich dem Verständnis des Volkes möglichst anpassen, soweit es die erforderliche Klarheit der Gesetzesbefehle zuläßt. Dem Verständnis dient es, wenn möglichst wenig Begriffe verwendet werden. Bei verwandten Verkehrsvorgängen findet sich daher die gleiche Formulierung. So wird bei verschiedenen Vorgängen den anderen Verkehrsteilnehmern gesagt, daß sie die Bevorrechtigten „durchfahren lassen" müssen. Die verwendeten Begriffe müssen der Allgemeinheit geläufig sein. Es geht in einem volkstümlichen Gesetz auch nicht an, unbekannte Begriffe mit Hilfe der in der sonstigen Gesetzessprache beliebten Legaldefinition einführen zu wollen; denn das würde eine nicht zumutbare ungewohnte Denkoperation erfordern. Legaldefinitionen werden daher mit wenigen Ausnahmen (§ 2 Abs. 2 Satz 3, § 12 Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 27 Abs. 3, § 29 Abs. 2, § 34 Abs. 2) in die Allgemeine Verwaltungs Vorschrift (Wwv.) verwiesen. Daß dies bedenklich sei, wie eingewandt wurde, weil Verwaltungsvorschriften den Richter nicht bänden, ist falsch. Wenn in der Vwv. gesagt wird: „An Teilnehmern des Fahrbahnverkehrs, die sich in der gleichen Richtung weiterbewegen wollen, aber warten müssen, wird nicht vorbeigefahren; sie werden überholt. Wer durdi die Verkehrslage oder eine Anordnung aufgehalten ist, der wartet", und wenn zum anderen zu § 12 gesagt ist: „Halten ist eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßt ist", so wird der den Willen des Gesetzgebers erforschende Richter auf diese Weise unterstützt. Denn sonst wäre er gezwungen, die ganze Verordnung darauf durchzusehen, in welchem Sinn der ihm unklare Begriff sonst verwendet wird, und er würde herausfinden, daß die Begriffe Warten und Halten, Überholen und Vorbeifahren in der ganzen Verordnung konsequent für die nämlichen Vorgänge benutzt werden. So hat denn auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes noch kürzlich (27. August 1969 BGHSt. 23, 108 = VerkMitt. 1969 Nr. 131) ausgesprochen, daß Verlautbarungen des Bundesverkehrsministers eine wertvolle Auslegungshilfe sind, da sie in gewissem Sinne als authentische Auslegung gelten können. Und im Hinblick auf die AV zur StVO (alt) hatte derselbe Senat bereits am 14. Juni 1961 (BGHSt. 16, 160 = VerkMitt. 1961 Nr. 109) ausgesprochen: „Es müßten schon triftige Umstände gegen die Auffassung des Bundesministers für Verkehr als des für Verkehrsfragen auch im Bereich der Gesetzgebung besonders sachkundigen Fachministers sprechen, wenn die Gerichte ihr die Gefolgschaft versagen wollten." Im Interesse der Lesbarkeit werden auch abstrakte Begriffe tunlichst nicht verwendet, weil das Volk nicht abstrakt, sondern konkret denkt. Wo dies nicht zu umgehen ist, bedient sich die Verordnung, um einen abstrakten Begriff verständlich zu machen, u. a. des
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Hilfsmittels, zunächst Beispiele zu bringen, bevor der Begriff eingeführt wird, so in § 6 „an einem haltenden Fahrzeug, einer Absperrung oder einem sonstigen Hindernis . . .". Die Rechtsprechung versteht sachgerecht unter einem „Gegenstand" i. S. des § 41 StVO (alt) auch auf der Straße hinterlassene Straßenverschmutzung, ja sogar die Benetzung z. B. mit Seifenlauge, ö l , Wasser. Der Verkehrsteilnehmer kann dies solcher Fassung nicht entnehmen; die Verordnung führt die Verschmutzung und die Benetzung daher in § 32 zusätzlich an. Gänzlich zu vermeiden sind freilich unerläuterte, abstrakte Begriffe nicht. Warum die Verordnung z. B. da und dort auf die „Verkehrslage" oder die „Verkehrsdichte" abstellt, wird noch gesagt werden. Ganz unerwünscht sind gesetzliche Fiktionen, wie sie die alte StVO z. B. in § 8 Abs. 4 verwendet („gelten . . . als Einbahnstraßen"). Die Verordnung ersetzt diese Fiktion durch den verständlichen Begriff der „Fahrbahnen für eine Richtung" (Gegensatz: „Fahrbahnen für beide Richtungen"). Der
Aufbau
Der Aufbau muß nicht bloß das systematische Lesen erleichtern, sondern auch so übersichtlich sein, daß der Leser ohne weiteres das findet, was er gerade sucht. Beiden Erfordernissen kann weitgehend schon dadurch genügt werden, daß das Thema jedes einzelnen Paragraphen in einer knappen und klaren Überschrift mitgeteilt wird. Die der alten StVO bereits beigegebene Inhaltsübersicht ist zudem beibehalten. Verfehlt wäre es dagegen, Lesbarkeit und Übersichtlichkeit durch Einteilung des an sich geringen Umfangs des Verordnungswerkes in Abteilungen und Unterabteilungen erhöhen zu wollen. Dem normalen Leser wird in jedem Fall, ob er sich systematisch orientieren will oder ob er eine einzelne Norm sucht, durch solche Unterteilungen, wenn er sie nicht überhaupt übersieht, das Verstehen erschwert. Obwohl der Inhalt der Anlage in die Verordnung selbst eingearbeitet ist, kommt die Verordnung, wenn man von den hier nicht interessierenden Durchführungs-, Bußgeld- und Schlußvorschriften absieht, mit der Aufteilung in zwei Abschnitte aus, nämlich, sachlich gesehen, mit einem allgemeinen und einem besonderen Teil. Auch diese abstrakten Formulierungen sind vermieden; es wird konkret gesagt, daß der erste Abschnitt die allgemeinen Verkehrsregeln wiedergibt, der zweite Abschnitt die Zeichen und Verkehrseinrichtungen. Der Aufbau des Abschnitts „Allgemeine
Verkehrsregeln1"
Gewinnt der Leser schon anhand ausreichend orientierter Überschriften der einzelnen Paragraphen leicht den gewünschten Uberblick, so tritt angesichts des geringen Umfangs der Verordnung das Erfordernis einer streng formalen Systematik des Aufbaus an sich schon zurück. Wichtig scheint es nur, vom Wesentlichen zu Unwesentlicherem vorzuschreiten, die Hauptverkehrsregeln voranzustellen und dann erst die übrigen zur Sicherung des Verkehrs erforderlichen Vorschriften folgen zu lassen. Für den systematischen Aufbau bieten sich drei Systeme an, von denen sich freilich keines konsequent durchführen läßt: Man kann einmal die Verhaltensvorschriften für die einzelnen Verkehrsarten trennen; die Verordnung hätte dann mit den Regeln der wichtigsten Verkehrsart, nämlich mit denen des Kraftfahrzeugverkehrs zu beginnen, mit denen für Radfahrer, Fuhrwerke und Fußgänger fortzufahren und mit denen für seltenere Verkehrsarten, wie den Verkehr im Verband und den Viehtrieb, zu schließen. Der zweite Weg bestünde darin, Verkehrsregeln, die für alle Verkehrsteilnehmer gelten, voranzustellen, dann Vorschriften, die für möglichst viele Verkehrsarten einheitlich gelten, folgen zu lassen und schließlich mit den Sondernormen für einzelne Verkehrsarten zu enden. Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nach Verkehrsarten einzuteilen, sondern nach Themen, so vor allem das Verhalten der Verkehrsteilnehmer aller Art bei typischen Verkehrsvorgängen jeweils in einem Paragraphen zu behandeln. Die Verordnung geht den dritten Weg (über die Gründe vgl. D A R 1963 S. 53). Sie baut also im Prinzip nicht nach Verkehrsarten auf, son16
Vor StVO
Begründung zur StVO 1970
§ 1
d e m nach Themen. Sie beginnt nach den Grundregeln des § 1 damit, den Verkehrsteilnehmern zu sagen, wo sie sich auf der Straße zu bewegen haben und wie schnell sie sich bewegen dürfen. Es folgen die Regeln über das Zusammenspiel von Verkehrsteilnehmern aller A r t bei Begegnungsvorgängen, jene so bedeutsamen Vorschriften, deren Verletzung besonders unfallträchtig ist, und den Beschluß bilden sonstige Sicherungsvorschriften. Es wäre freilich verfehlt, an diesem System starr festzuhalten. Im Interesse der Lesbarkeit bedarf es des Mutes zur „Inkonsequenz". Bei den erörterten typischen Verkehrsvorgängen ist nur das Verhalten des Fahrverkehrs normiert und jeweils, wenn für die immerhin zur Zeit mehr als 20 Millionen in der Bundesrepublik sich bewegenden Radfahrer Besonderes anzuordnen ist, auch dies angeführt. Zwei bedeutsame Themen, die häufig vorkommende Sonderfälle des fließenden Verkehrs behandeln, deren Eigenart gesonderte Behandlung rechtfertigt, werden in § 18 (Autobahnen und Kraftfahrtstraßen) und in § 19 (Bahnübergänge) geregelt. Da die Fußgänger immer noch die größte Zahl der Verkehrsteilnehmer bilden, wurden die ihr Verhalten angehenden Vorschriften zusammen mit denen, die sie beim Überschreiten der Fahrbahn vor dem Fahrverkehr sdiützen sollen, in den beiden unmittelbar aufeinander folgenden §§ 25 und 26 gebracht. Die Bedeutung der Massenverkehrsmittel rechtfertigt, die Vorschriften, die das Verhalten sowohl des fließenden Verkehrs als auch der Fahrgäste an den Haltestellen regeln, in einem Paragraphen (§ 20) zusammenzufassen. In ihrer Bedeutung weit abfallende Verkehrsarten wie Bewegungen im Verband oder gar der Viehtrieb, werden erst später erwähnt; bei ihnen mit Verweisungen zu arbeiten, läßt sich in Kauf nehmen. So ist es gelungen, alle wesentlichen Verkehrsvorgänge, einschließlich des ruhenden Verkehrs, in wenigen überschaubaren Paragraphen einzufangen. Nachdem das Verkehrsverhalten aller Verkehrsarten erörtert ist, folgen fünf Paragraphen mit teilweise verschiedenartiger Thematik; zwei davon betreffen den „Schutz des Verkehrs", wie die bisherige S t V O sich ausdrückt. Der Allgemeine Teil endet dann mit den für alle Verkehrsteilnehmer bedeutsamen Vorschriften über das Verhalten nach einem Unfall und über die Sonderrechte. Der Aufbau des Abschnitts „Zeichen und
Verkehrseinrichtungen"
Der Aufbau dieses Besonderen Teils ist weithin vorgegeben. Daß hierher nicht bloß die Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen der bisherigen Anlage gehören, sondern auch die in § 2 S t V O (alt) behandelten Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten und die dort erwähnten Farbzeichen, bedarf keiner Begründung. Diese gehen ja sogar den durch Verkehrszeichen gegebenen Anordnungen vor. Zum Verständnis müssen folgende Bemerkungen über terminologische Änderungen vorausgeschickt werden: Die bisherigen Warnzeichen der Anlage zur S t V O (alt) sollen künftig Gefahrzeichen, die Gebots- und Verbotszeichen Vorschriftzeichen, die Hinweiszeichen Richtzeichen heißen. Das entspricht internationaler Terminologie und hat auch sonst Vorzüge. D e r Begriff Warnzeichen ist, wie schon bisher, für Schall- und Leuchtzeichen vergeben, die Zusammenfassung von Gebots- und Verbotszeichen in Vorschriftzeichen vereinfacht. D e r Begriff Hinweiszeichen ist jedenfalls für diejenigen Zeichen solcher Art, die rechtsregelnden Charakter haben (z. B. positive Vorfahrtzeichen), verfehlt. Die Überschrift kann zwar nicht mehr von Verkehrszeichen sprechen, da auch die Zeichen der Polizeibeamten und die Lichtzeichen hier behandelt werden; der eingeführte Oberbegriff „Verkehrszeichen" für Gefahr-, Vorschrift- und Richtzeichen soll dennoch bestehen bleiben (vgl. z. B. § 8 Abs. 1 N r . 1). Die in der Anlage der bisherigen S t V O verwendeten Begriffe „Bild" und „Skizze" hat die Verordnung nicht übernommen. Die bisherige Formulierung „Zeichen nach Bild . . ." ist zu umständlich. Der besseren Zitierfähigkeit wegen spricht die Verordnung von Zeichen und numeriert diese. Zum selben Zweck hat jedes Zeichen einen „Namen" erhalten. Eine Ausnahme ist nur bei der Parkscheibe geboten. Sie ist kein Zeichen, soll aber doch auch numeriert werden und heißt deshalb „Bild 2 9 1 " . Die Zeichen sind nicht fortlaufend numeriert. U m genügend Platz für Varianten und später vielleicht notwendig werdende neue Zeichen zu haben, sind in Anlehnung an die 17 2
StVO + S t G B
Vor § 1
StVO
Möhl
Regelung der Schweizerischen Verordnung über die Straßensignalisation vom 31. Mai 1963 für Gefahrzeichen die Nummernreihe 101—199, für Vorschriftzeichen
die Nummernreihe
201—299,
für Richtzeichen
die Nummernreihe
301—499
vorgesehen, wobei die Reihe von 401—499 den Wegweisern in der Gruppe der Richtzeichen vorbehalten bleibt. Nach diesen Vorbemerkungen bedarf es zur Begründung des Aufbaus des Besonderen Teils nur noch folgender Hinweise: Der Vorentwurf wollte sachgerecht zunächst die Gefahrzeichen zeigen, um dann in der Reihenfolge der Gültigkeit ihrer Gebote und Verbote die Weisungen und Zeichen der Polizeibeamten, die Lichtzeichen, dann die Verkehrseinriditungen und die Vorschriftszeichen, also alles, was Anordnungscharakter hat, folgen zu lassen und zum Schluß die Richtzeichen bekanntzugeben. Die Verordnung folgt dem von verschiedenen Seiten geäußerten Wunsch, daß die Bilder möglichst nach hinten gebracht werden. Das ist unbedenklich, weil angesichts des Verordnungstextes nidit zweifelhaft sein kann, in welcher Reihenfolge Weisungen und Zeichen von Polizeibeamten, Lichtzeichen, Verkehrseinrichtungen und Vorschriftzeichen gelten.
18
I N H A L T S Ü B E R S I C H T I. Allgemeine Verkehrsregeln Grundregeln
§ 1
Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
2
Geschwindigkeit
3
Abstand
4
Uberholen
5
Vorbeifahren
6
Nebeneinanderfahren
7
Vorfahrt
8
Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren
9
Einfahren und Anfahren
10
Besondere Verkehrslagen
11
Halten und Parken
12
Parkuhr und Parkscheibe
13
Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen
14
Liegenbleiben von Fahrzeugen
15
Warnzeichen
16
Beleuchtung
17
Autobahnen und Kraftfahrstraßen
18
Bahnübergänge
19
Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel
20
Personenbeförderung
21
Ladung
22
Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers
23
Besondere Fortbewegungsmittel
24
Fußgänger
25
Fußgängerüberwege
26
Verbände
27
Tiere
28
Übermäßige Straßenbenutzung
29
Lärmschutz und Sonntagsfahrverbot
30
Sport und Spiel
31
Verkehrshindernisse
32
Verkehrsbeeinträchtigungen
33
Unfall
34
Sonderrechte
35
19 2•
II. Zeichen und Verkehrseinriditungen Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten
36
Wechsellichtzeichen und Dauerlichtzeichen
37
Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht
38
Verkehrszeichen
39
Gefahrzeichen
40
Vorschriftzeichen
41
Richtzeichen
42
Verkehrseinriditungen
43
III. DurdifShrungs-, Bußgeld- und Sdilußvorsdiriften Sachliche Zuständigkeit
44
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen
45
Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis
46
örtliche Zuständigkeit
47
Verkehrsunterricht
48
Ordnungswidrigkeiten
49
Sonderregelung für die Insel Helgoland
50
Sonderregelung für Berlin
51
Geltung im Land Berlin
52
Inkrafttreten
53
20
stvo § 1
A u f Grund des § 6 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung v o m 19. Dezember 1 9 5 2 (Bundesgesetzbl. I S. 837), zuletzt geändert durdi A r tikel 23 des Kostenermäditigungs-Änderungsgesetzes v o m 2 3 . Juni 1 9 7 0 (Bundesgesetzbl. I S. 805), wird mit Zustimmung des Bundesrats verordnet:
I. Allgemeine Verkehrsregeln § i
Grundregeln (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Vwv zu § 1: I. Die Straßenverkehrs-Ordnung regelt und lenkt den öffentlichen Verkehr. II. öffentlicher Verkehr findet auch auf nicht gewidmeten Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden. Dagegen ist der Verkehr auf öffentlichen Straßen nicht öffentlich, solange diese, zum Beispiel wegen Bauarbeiten, durch Absperrschranken oder ähnlich wirksame Mittel für alle Verkehrsarten gesperrt sind. I I I . Landesrecht über den öffentlichen Verkehr ist unzulässig (vgl. Artikel 72 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 74 Nr. 22 des Grundgesetzes). Für örtliche Verkehrsregeln bleibt nur im Rahmen der StVO Raum. Schrifttum Böhm: „Rechtlich öffentliche und tatsächlich öffentliche Wege", DAR 66, 169. Böhmer: „Die Sicherheit geht dem Bedürfnis des Kraftfahrers nach Schnelligkeit vor", J R 61, 173; „Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr in der neueren Rechtsprechung", M D R 64, 100; „Der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr in der Rechtsprechung", J R 67, 291. Bullert: „Gehören Parkhäuser zum öffentlichen Verkehrsraum?", DAR 63, 325. Clauss: „Vertrauen zum Vertrauensgrundsatz", J R 64, 207. Gansdiezian-Finck: „Öffentlicher Verkehr auf Privatwegen", N J W 63, 1808. Kleinwerfer: „Verkehrssicherheit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung", VersR 63, 201. Krumme: „Wandlung des Vertrauensgrundsatzes in der Rechtsprechung des B G H " , ZVsich 61, 1. Kulig: „Verhalten bei Eis- und Schneeglätte", DAR 61, 80. Lange-Fuchs: „Der Verfassungsgrundsatz der gesetzlichen Tatbestandsbestimmtheit und die Unbestimmtheit des § 1 StVO, N J W 67, 1843. Lehmann: „Die Abstände im Kolonnenverkehr auf der Bundesautobahn", DAR 70, 203. Lienen, „Der Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren", N J W 59, 1574. Lossagk: „Sinnestäuschung und Verkehrsunfall", Verk. u. Wirtsch. Verlag, Dortmund 2. Aufl. 1953. Maase: „Blendung von rückwärts", DAR 61, 9.
21
§ 1
Möhl
s t v o
Martin: „Der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehrsrecht", DAR 53, 164; „Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes", VersR 58, 139; „Das defensive Fahren und der Vertrauensgrundsatz", DAR 64, 299; „Vertrauensgrundsatz und Kinder im Straßenverkehr", DAR 63, 117. Minte: „Mindestabstand aufeinanderfolgender Kraftfahrzeuge", DAR 57, 69. Mittelbach: „Kinder auf der Straße und am Straßenrand", DAR 58, 315; „Kraftfahrer und Fußgänger", DAR 61, 244. Mühlhaus: „Zur Frage der Ursächlichkeit eines Fahrfehlers für den Verkehrsunfall", DAR 65, 35; „Der Begegnungsverkehr in der oberstrichterlichen Rechtsprechung", DAR 65, 321; „Abstand und Auffahren", DAR 67, 260; „Verkehr an Kreuzungen mit Lichtampeln", DAR 67, 313; „Unübersichtliche" und „Unklare Verkehrslage", DAR 69, 312; „Uberholen und Einholen", DAR 70, 89; „Verhalten an Fußgängerüberwegen", DAR 70, 197. Müller-Forwerk: „Liegt .öffentlicher Verkehr' auf Warenhausdächern vor, die als Abstellplatz für Kraftfahrzeuge eingerichtet sind?", MDR 63, 721. v. Nitsch: „Abstand im Großstadtverkehr", DAR 62, 177; „Bemessung des Sicherheitsabstandes im Straßenverkehr aus Anlaß eines neuen BGH-Urteils", N J W 64, 1263. Reiff: „Die Strafbarkeit nach § 1 StVO bei Gefährdung oder Beschädigung des vom Täter geführten, jedoch einem anderen gehörigen Fahrzeugs", N J W 59, 1524. Sattler: „Schrecksekunde und zivilrechtliche Fahrlässigkeit", N J W 67, 422. Schäcker: „Parkplätze und Kraftfahrverkehr auf Warenhausgelände", BB 63, 602. Schmalzl: „Zur Frage der Anwendbarkeit der StVO-Bestimmungen auf den nichtöffentlichen Straßenverkehr", VersR 65, 843. H. W. Schmidt: „öffentlicher Straßenverkehr", DAR 63, 345; „Fragen des Fahrens auf der Bundesautobahn", DAR 65, 145; „Fahren im Nebel", DAR 65, 287; „Kraftfahrzeugverkehr und Radfahrer", DAR 66, 281; „Langsames Fahren", SchlHA 67, 33; „Verkehrshinderndes Parken", DAR 68, 259. Spiegel: „Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen", DAR 68, 283. Wimmer: „Ausdehnung oder Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes", DAR 63, 369; „Die Rechtspflicht zum defensiven Fahren", DAR 64, 37; „Der verpflichtende Unterbau des defensiven K r a f t f a h rens", DAR 65, 170. Übersicht A. Entstehungsgeschichte B. Amtliche Begründung C. Erläuterungen I. § 1 Abs. 1 als Auslegungshinweis II. § 1 Abs. 2 als Grundregel im System der StVO § 1 Abs. 2 als Fahrvorschrift und Schadenverhütungsgebot (4), als erfolgsbedingte Ordnungswidrigkeit (5), Oberordnung der Grundregel (6), Verfassungsmäßigkeit (7)
RNr. 1 2 3 4-7
III. Inhalt der Grundregel 8-195 1. „Straßenverkehr" 8-23 a) Allgemeines 8 ' b) Einzelfälle (alphabetisch geordnet) 9-23 Bankette (9), Bundesbahn (10), Bundeswehr (11), Fliegerhorst (12), Flughafen (13), Forstweg (14), Großmarkt (15), H o f r a u m (16), Ladestraße (17), Parkhaus (18), Parkplatz — allgem. (19), Parkplatz vor Gasthof (20), Parkplatz auf Warenhausdach (21), Privatwege (22), Tankstellen (23) 2. Teilnahme am Verkehr 24-34 a) Allgemeines 24
22
b) Einzelfälle (alphabetisch geordnet) 25-34 Abgeschlepptes Fahrzeug (25), Baggerführer (26), Bahnbedienstete (27), Bauarbeiter (28), Beifahrer (Insassen) (29), Halter (30), Omnibusschaffner (31), Polizeibeamter (32), Soziusfahrer (33), Tierhalter (34) 3. Sorgfaltspflicht 35-166 a) Allgemeines 35-41 aa) Rechte und Pflichten 35 bb) Vertrauensgrundsatz 36-41 Sinn und Zweck (36), Inhalt und rechtliche Bedeutung (37), Eigenes Fehlverhalten (38), Erkennbarkeit fremden Fehlverhaltens (39), Vertrauen auf Abhilfemaßnahmen (40), „Defensives Fahren" (41) b) Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers 42-162 aa) Allgemeine Grundsätze 42-53 a) Vor Antritt der Fahrt 42-48 Zustand des Fahrzeugs (42), Besondere Fahreigenschaften, Gebrauch der Sicherheitsvorrichtungen (43),
stvo § 1 Verantwortlichkeit Dritter (44), Fahrtüditigkeit des Kraftfahrers: Allgemeines (45), Übermüdung (46), Alkohol (47), Kenntnis der Vorschriften und der allgemeinen Rechtsgrundsätze (48) ß) Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers während der Fahrt 49-54 Allgemeines (49), Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes? (50), Aufmerksamkeit (51), Erhöhte Sorgfaltspflicht (52), Während der Fahrt auftretende Mängel (53), Kegeln der Fahrkunst (54) bb) Einzelfälle (alphabetisch geordnet) 55-162 Abbiegen s. § 9 Abstand nach vorne 55-64 Bemessung des Mindestabstands im Normalfall (55), Ausnahmen bei übersichtlicher Fahrbahn? (56), Abstand vor und nach dem Überholen (57), Abstand in der Kolonne (58), Fahrbahnbesdiaffenheit und Abstand (59), Abstand und Geschwindigkeit (60), Abstand auf der Autobahn (61), Abstand im Großstadtverkehr (62), Abstand bei Verkehrsregelung durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen (63), Abstand und Vertrauensgrundsatz (64) Abstand nadi der Seite 65-69 Allgemeines (65), Abstand zum Fahrbahnrand (66), Abstand bei Begegnung (67), Abstand beim Überholen (68), Abstand bei Vorbeifahrt (69) Änderung der Fahrtrichtung innerhalb der Fahrbahn 70-72 Allgemeines (70), Pflichten nach § 1: Riditungszeichen (71), Rückschau (72) Anfahren s. § 10 R N r . 9-14 Anhalten 73-77 Besondere Haltevorschriften (73), Wie ist anzuhalten? (74), Rückschaupflicht (75), Verbot des Anhaltens (76), Anhalten in bes. Verkehrslagen (77) Autobahnen s. § 18 R N r . 6 f f . Bahnübergänge s. §19 R N r . 3, 4 Bankette
78
Baustellen 79-80 Arbeiter an Baustellen (79), Enge Baustellen (80) Begegnung 81-85 Allgemeines (81), Rechtsfahren und Ausweichen (82), Vertrauensgrundsatz — Allgemeines (83), Vertrauen gegenüber verkehrswidrig Fahrenden (84), Vertrauen gegenüber nicht Sichtbaren (85) Beleuchtung 86-89 Beleuchtungsvorschriften und allgemeine Sorgfaltspflicht (86), Abblenden beim Überholen? (87), Wechselnde Beleuchtung und Sehfähigkeit (88), Vertrauen auf richtige Beleuchtung (89) Betrunkene 90-91 Wann ist mit Betrunkenen zu rechnen? (90), Sorgfaltspflicht gegenüber Betrunkenen (91) Blendung 92-96 Wann ist mit Blendung zu rechnen? (92), Worauf darf vertraut werden? (93), Was ist bei Blendung zu tun? (94), Nicht voraussehbare Blendung (95), Sonstige Einwirkungen auf die Sehkraft (96) Bremsen 97-100 Bremsvorsdiriften und allgemeine Sorgfaltspflicht (97), Starkes Bremsen ohne zwingenden Grund (98), Rechtsstellung des Nachfolgenden (99), Bremstechnik (100) Einfahren aus Grundstücken s. § 10 R N r . 3-8 Enge Straßenstellen 101-111 Vorbemerkung (101), Begriff (102), Begegnung in Dauerengstelle: Allgemeines (103), Begegnung in kurzer, überschaubarer Engstelle (104), Unübersichtliche Dauerengstelle (105), Engstelle die Begegnung ausschließt (106), Vorübergehende Engstelle: Einseitige Einengung (107), Beiderseitige Einengung (108), Unübersichtliche vorübergehende Engstelle (109), Engstelle mit Vorfahrtregelung (110), Überholen an Engstellen (111) Sorgfaltspflicht gegenüber Fuhrwerken 112 Sorgfaltspflicht gegenüber Fußgängern 113-125
23
§ 1
Möhl
s t v o Allgemeines (113), Fußgänger außerhalb der Fahrbahn (114), Fußgänger am Fahrbahnrand (115), Fußgänger inmitten der Fahrbahn (116), Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn: Allgemeines (117), Beobachtungspflidit (118), Erkennbar unaufmerksamer Fußgänger (119), Vertrauen auf Stehenbleiben (120), Wo ist vorbeizufahren? (121), Fußgänger an unübersichtlichen Stellen (122), Fußgänger bei besonderer Verkehrslage (123), Fußgänger auf Überwegen (124), Gebrechliche und körperbehinderte Fußgänger (125) Glatte Fahrbahn 126 Grüne Welle 127 Hindernisse auf der Fahrbahn 128 Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern 129-136 Überblick (129), Kleinkinder auf der Fahrbahn (130), Kleinkinder außerhalb der Fahrbahn (131), Größere Kinder auf der Fahrbahn (132), Radfahrende Kinder (133), Größere Kinder außerhalb der Fahrbahn (134), Kinder in Obhut Erwachsener (135), Überraschendes Auftaudien von Kindern (136) Kolonnen verkehr 137 Langsamfahren s. § 3 R N r . 65 Mehrspuriger Verkehr s. § 7 Motorräder 138 Nebel s. § 3 R N r . 39 ö f f n e n der Wagentüre s. § 14 R N r . 2-7 Omnibusse 139-140 Pflichten der Omnibusfahrer (139), Pflichten der übrigen Verkehrsteilnehmer gegenüber Omnibussen (140) Pannen 141 Parken s. § 12 R N r . 37 Personenbeförderung auf Lastwagen s. § 21 Polizeibeamte s. oben R N r . 32 (Polizeibeamte als „Verkehrsteilnehmer") u. § 36 R N r . 5 (Gehorsamspflicht gegenüber Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten und allgemeine Sorgfaltspflicht) Probefahrten 142 Radfahrer 143-147 Vorbemerkung (143), Wie-
24
weit darf auf verkehrsgerechtes Verhalten von Radfahrern vertraut werden? (144), Pflichten des Kraftfahrers bei Überholung von Radfahrern und bei Begegnung (145), Verhalten gegenüber unaufmerksamen und sonst zu beanstandenden Radfahrern (146), Pflichten des Abbiegers gegenüber Radfahrern (147) Reaktionszeit und Schreckzeit 148-153 Begriff und Bedeutung der Reaktionszeit (148), Rechtsprechung zur Reaktionszeit (149), Die Schreckzeit (150), Rechtsprechung zur Schreckzeit: a) keine Schreckzeit wegen der Art des Ereignisses (151), b) keine Schreckzeit wegen eigenen Verschuldens
c) Schreckzeit zugebilligt (153) Rückwärtsfahren s. § 9 Abs. 5 Schleppen
154
Schreckreaktion
155
Straßenkreuzung 156-159 Vorbemerkung (156), Kreuzungen mit Lichtzeichenanlagen a) Geradeausverkehr (157), b) Linksabbieger (158), Sonstige Kreuzungen (159) Tiere 160 Unklare Verkehrslage 161 Verkehrsampel s. R N r . 156-158 u. § 37 Vorfahrt s. § 8 Warnposten (Einweiser) 162 Warnzeichen s. § 16 Wenden s. § 9 Abs. 5 Witterungsverhältnisse s. § 3 R N r . 38-47 c) Sorgfaltspflicht der übrigen Verkehrsteinehmer 163-166 Fußgänger s. §§ 25, 26 aa) Fuhrwerkslenker 163 bb) Radfahrer 164 cc) Führer von Schienenfahrzeugen 165 dd) Sonstige Verkehrsteilnehmer 166 4. Wer wird geschützt? 167 5. Was muß der Verkehrsteilnehmer vermeiden? 168-174 a) Schädigung Anderer 168
Begründung zu § 1
StVO
b) Gefährdung Anderer 169-170 Allgemeines (169), Einzelfälle (170) c) Behinderung Anderer 171-172 Allgemeines (171), Einzelfälle (172) d) Belästigung Anderer 173-174 Allgemeines (173), Einzelfälle (174) IV. Rechtsgrundsätze für das Bußgeldverfahren 175-181 1. Feststellung Allgemeines fälle (176) 2. Feststellung Allgemeines fälle (178)
des Sachverhalts (175), Einzel-
175-176
der Ursächlichkeit 177-178 (177), Einzel-
§ 1
3. Feststellung der Schuld, insb. der Voraussehbarkeit 179-181 Allgemeines (179), Einzelfälle: Voraussehbarkeit (180), Sonstige Schuldfeststellungen (181) V. Die Ahndung der Ordnungswidrigkeit nach § 1 182-188 1. Allgemeines 182 2. Der Geltungsbereich der StVO 183 3. Notwehr 184 4. Festnahmerecht 185 5. Einwilligung des Verletzten 186 6. Konkurrenzen 187-188 187 a) Allgemeines b) Einzelfälle von Gesetzes188 konkurrenz
A . Entstehungsgeschichte D i e S t V O enthält im § 1 die Grundregel für das Verhalten im Straßenverkehr. § 1 Abs. 2 bildet gleichzeitig die Rechtsgrundlage zu einem Einschreiten in allen nicht im einzelnen geregelten Fällen, indem er jedes Verhalten mit Geldbuße bedroht, durch das der Verkehr gefährdet oder ein Anderer geschädigt oder mehr als unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. D i e enge Verflechtung der Grundregel des § 1 mit den übrigen Vorschriften der S t V O bringt es mit sich, daß eine gesonderte Betrachtung ihrer Entstehungsgeschichte nicht möglich ist. Es wird deshalb auf die Vorbemerkung zur S t V O verwiesen, in der die Entstehungsgeschichte der S t V O näher dargelegt wurde. § 1 S t V O 1937 lautete: „Jeder Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer gefährdet, geschädigt oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." B. A m t l i c h e B e g r ü n d u n g Zw Absatz 1: Was vor allem not tut, ist bereits bei den Leitgedanken zusammengefaßt worden: Es bedarf der Hebung der Verkehrsgesittung. Einem volkstümlichen Gesetz, das jeden Einzelnen orientieren will, muß die Mahnung vorangestellt werden, daß der moderne Verkehr voller Gefahren ist und sich auf die Dauer nur dann aufrechterhalten läßt, wenn jeder sich einfügt. Die bisherige Präambel nannte das, in der Sache durchaus zutreffend, Herstellung einer echten Gemeinschaft aller Verkehrsteilnehmer. Jene Formulierung der Präambel war zeitbedingt. Die Verordnung stellt deshalb den einprägsamen Absatz 1 voraus. In seiner Eindringlichkeit kann er sehr wohl dazu beitragen, egozentrischen Verkehrsteilnehmern das Verfehlte ihrer Einstellung vor Augen zu führen. Nicht übernommen werden kann aus der Präambel die Warnung vor „kleinlicher Anwendung der Vorschriften in jedem Fall". Einer modernen StVO kann nicht unterstellt werden, daß sie Geßlerhüte aufrichtet, „Macfitsymbole" (Jagusch, S. 11 des Nachtrags zur 18. Aufl. von Floegel-Hartung) darstellen will. Die Verordnung reglementiert nur noch dort, wo im Interesse der Verkehrssicherheit Verhaltensautomatismen geschaffen werden müssen oder einer Lockerung der Verkehrssitten entgegengetreten werden muß. Bei solcher Beschränkung der Verkehrsregeln wäre es unverantwortlich, weil gefährlich, diese durch Warnung vor kleinlicher Anwendung zu bagatellisieren. Wäre in Ausnahmefällen die Anwendung bußgeldbewehrter Vorschriften dieser Verordnung nicht zu rechtfertigen, so hülfe § 47 OWiG (Opportunitätsgrundsatz). Zu Absatz 2: Der bereits gültige § 1 ist fast wortgleich übernommen worden. Die Rechtsprechung hat ihn fruchtbar zu machen verstanden und aus ihm brauchbare Einzelregeln abgeleitet. Diese sind, soweit sie besonders unfallträchtige Verkehrsvorgänge betreffen, in die Verordnung eingearbeitet. Wenn die alte Grundregel dadurch auch an Bedeutung eingebüßt hat, ist sie noch immer nicht zu entbehren. Die durch die gebotene Zurückhaltung des Gesetzgebers entstehende Lücke muß durch eine Grundregel geschlossen werden, die fehlsames Verhalten wenigstens dann ahndbar macht, wenn es zu einer Schädigung, Gefährdung, zu einer vermeidbaren Behinderung oder Belästigung führt. Daß der wortgleiche § 1 der geltenden StVO den Anforderungen genügt, die Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes an die Bestimmtheit strafrechtlicher Tatbestände stellt, hat das Bundesverfassungsgericht
25
§ 1
stvo
Möhl
durch Beschluß vom 25. Juli 1968 ( D A R 1968 S. 3 2 9 ) allerdings unter der Herrschaft des alten § 21 des Straßenverkehrsgesetzes festgestellt. Das gilt um so mehr seit Bestehen des neuen Ordnungswidrigkeitengesetzes samt Einführungsgesetz, das den Tatbestand nicht mehr mit Strafe, sondern nur noch mit Bußgeld bewehrt. Eine ähnliche Generalklausel hat auch in das Weltabkommen über den Straßenverkehr Aufnahme gefunden (Artikel 7). Wenn dort ein generelles Belästigungsverbot fehlt, so steht das der Aufnahme dieses Verbots in die S t V O nicht im Wege (Artikel 3 a a O ) .
C. Erläuterungen 3
I. § 1 Abs. 1 als Auslegungshinweis Während die S t V O 1937 dem T e x t der V O eine ausdrückliche „Präambel" vorausgeschickt hatte, beschränkt sich die neue StVO in § 1 Abs. 1 auf den kurzen Hinweis, daß die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordere. So seiner darer durfte
wichtig dieser Leitgedanke für das Verständnis der S t V O ist, so ist er doch wegen Unbestimmtheit nicht bußgeldbewehrt. E r will dem Leser gleich eingangs in lapiForm einhämmern, worauf es im Straßenverkehr ankommt. Ein solches „Motto" in einem „Volksbuch", wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, nicht fehlen.
Aus der amtlichen Begründung ist zu entnehmen, daß man eine Warnung vor „kleinlicher Anwendung" der Vorschriften, wie sie in der Präambel zur StVO 1937 enthalten war, bewußt nicht übernommen habe, weil es „unverantwortlich" sei, die Vorschriften der S t V O zu bagatellisieren. Es mag aus pädagogischen Gründen richtig sein, die Wirksamkeit der Verhaltensvorschriften nicht dadurch zu beeinträchtigen, daß man ausdrücklich empfiehlt, sie großzügig anzuwenden. In der Sache hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Durch die Uberleitung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten und die damit verbundene Ersetzung des Legalitäts- durch das Opportunitätsprinzip (§ 47 OWiG) wurde weit wirksamer als durch die frühere Präambel dafür gesorgt, daß die Vorschriften nicht kleinlich angewandt werden müssen. Es wäre im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der unfallträchtigen Verstöße bedauerlich, wenn die amtliche Begründung als Empfehlung an die Polizeibehörden verstanden würde, künftig die Vorschriften kleinlich anzuwenden und ihre Kräfte bei der Verfolgung unwesentlicher Bagatellverstöße zu verzetteln. 4
II. Die Grundregel des § 1 Abs. 2 im System der S t V O § 1 Abs. 2 als Fahrvorschrift
und als
Schadensverhütungsgebot
Die S t V O enthält zwei ihrer A r t nach verschiedene Gruppen von Vorschriften. Die eine Gruppe setzt sich aus Fahrregeln zusammen, die polizeilichen Charakter tragen. Dem Verkehrsteilnehmer wird z. B. gesagt, wo er zu fahren, zu halten, auf welcher Seite er zu überholen habe. Die speziellen Fahrvorschriften finden sich in den §§ 2 f. Da es aber nicht möglich ist, alle überhaupt in Betracht kommenden Verkehrsvorgänge zum Gegenstand von Spezialvorschriften zu machen, muß sich der Gesetzgeber damit begnügen, die wichtigsten Vorgänge im Gesetz aufzuführen und die übrigen in einer allgemeinen Vorschrift zusammenzufassen, deren Tatbestand sich darauf beschränkt, die schuldhafte Herbeiführung bestimmter unerwünschter Folgen zu ahnden. Diese allgemeine Vorschrift ist § 1 Abs. 2. E r ist insofern subsidiäre Vorschrift, „Auffangtatbestand". Ist eine spezielle Fahrregel vorhanden, so kann § 1 zwar zu ihrer Auslegung herangezogen werden, nicht aber zu ihrer Ausdehnung auf andere Verkehrsvorgänge. So wird z. B. in § 26 dem Kraftfahrer gesagt, wie er sich gegenüber Fußgängern auf Fußgängerüberwegen zu verhalten hat. Dagegen gibt es keine allgemeine Vorschrift über das Verhalten von Kraftfahrern gegenüber Fußgängern, weil hier die möglichen Sachverhalte unüberschaubar sind. Die Spezialvorschrift des § 26 kann auf das Verhalten von Kraftfahrern gegenüber Fußgängern außerhalb eines Überweges nicht angewandt werden. Es wäre auch fehlerhaft, sie etwa mit Hilfe des § 1 ausdehnend anzuwenden. Zur Frage der Überordnung der Grundregel gegenüber den speziellen Fahrvorschriften s. unten R N r . 6. Neben den Fahrvorschriften enthält die S t V O aber auch das dem Naturrecht angehörende Verbot, andere Verkehrsteilnehmer zu schädigen (oder auch nur zu gefährden, 26
Systematik
StVO
§1
behindern, belästigen). Das allgemeine Schadensverhütungsgebot (im weiteren Sinn) ist in § 1 enthalten; dieser bildet die Grundregel für das Verhalten im Straßenverkehr. Auch in den §§ 2 f. finden sich übrigens Hinweise auf die allgemeine Rücksichtspflicht. So hat der Fahrzeugführer nadi § 3 Abs. 1 die Fahrgeschwindigkeit so einzurichten, daß er jederzeit in der Lage ist, seine Verpflichtung im Verkehr Genüge zu leisten. D a ß mit einigen Fahrvorschriften das Verbot der Gefährdung verbunden ist, hat zur Folge, daß zwischen diesen Vorschriften (z. B. § 9 Abs. 5) und § 1 Gesetzeskonkurrenz besteht, soweit niemand geschädigt wurde; vgl. unten R N r . 188. § 1 Abs. 2 als erfolgsbedingte
Ordnungswidrigkeit
Die Verletzung von vielen Vorschriften nach §§ 2 f. ist ordnungswidrig, unabhängig davon, ob sie Folgen hat. Zwar dient die Ordnung des Straßenverkehrs allgemein auch seiner Sicherheit. Im einzelnen ist aber die Verletzung einer Ordnungsvorschrift nicht selten für den übrigen Verkehr ohne Bedeutung. Das gilt vor allem für die Verletzung der V o r schriften über den ruhenden Verkehr. Aber auch dadurch wird in der Regel niemand auch nur belästigt, daß ein Fußgänger die Fahrbahn einer verkehrsfreien Straße bei R o t l i d i t überschreitet oder daß ein mit höchster Geschwindigkeit auf der Überholfahrbahn der Autobahn fahrender Kraftfahrer nicht vorübergehend nadi rechts in Lücken auf der N o r malbahn lenkt. Trotzdem ist die Übertretung der Verkehrsregeln auch in diesen Fällen ordnungswidrig, (mag auch im Einzelfall kein Bedürfnis zu ihrer Verfolgung bestehen). Das hat seinen Grund darin, daß man dem Verkehrsteilnehmer nicht die Entscheidung überlassen kann, ob die Einhaltung der Vorschrift im Einzelfall sinnvoll ist. Von diesen leichtesten Verletzungen der Ordnung unterscheiden sich dem Gewicht der Schuld nadi die gefährlichen, die sog. „unfallträchtigen". T r i t t eine der im Tatbestand des § 1 aufgeführten unerwünschten Folgen ein, dann ist neben der Fahrvorschrift auch noch § 1 verletzt, es sei denn, daß der „Erfolg" mit zum Tatbestand der Fahrvorschrift gehört. Wird allerdings keine spezielle Vorschrift verletzt, muß die verletzte Fahrvorsdirift dem § 1 entnommen werden, dann hat dieser eine Doppelfunktion. Ihm muß entnommen werden, ob sich der Fahrer verkehrsgerecht verhalten hat und wenn dies zu verneinen ist, ob er durch sein fehlerhaftes Verhalten schuldhaft einen der im § 1 bezeichneten Erfolge herbeigeführt hat. Überordnung
der Grundregel
des § 1?
Die dem Verkehrsteilnehmer in den §§ 2 f. eingeräumten Vorrechte stehen in einer eigenartigen Wechselbeziehung zur Grundregel des § 1. Zwar darf derjenige, der ein V o r recht ausübt, Verkehrsteilnehmern, die das Vorrecht beachten müssen, behindern. Das liegt in der Natur eines Vorrechts. E r darf sie aber nicht schädigen und auch nicht gefährden. Die Vorrechte der S t V O sind insoweit allgemein durch die übergeordneten Gebote des § 1 eingeschränkt. Die Pflicht, Rücksicht zu üben und Schaden zu verhüten, geht den übrigen Verkehrsregeln auf alle Fälle insofern vor, als aus den Vorschriften der § 2 f. keine Rechte hergeleitet werden dürfen, wenn ihre Durchsetzung zu einem Schaden führen kann. So darf der Vorfahrtberechtigte sein Vorrecht nicht erzwingen, sobald er erkennen kann, daß es ein Wartepflichtiger mißachtet. Dagegen wird demjenigen, der die aus den Fahrregeln abzuleitenden Pflichten getreulich erfüllt, im allgemeinen nicht zum Vorwurf gereichen, daß er sich nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen über diese Regeln hinwegsetzt. So begeht ein Fahrzeugführer, der entsprechend der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 nadi rechts in engem Bogen abbiegt, keinen Fahrfehler, auch wenn er bei einem weiten Bogen früher Einblick in die Seitenstraße gewinnen könnte. Eine Ausnahme kann höchstens dann in Betracht kommen, wenn ganz offensichtlich die Beachtung einer Verkehrsregel die Gefahr eines U n falles mit sidi brächte, während durch die Außerachtlassung der Regel diese Gefahr vermieden würde, ohne daß hierdurch zugleich andere Gefahren heraufbeschworen werden'). ») BayObLGSt. 59, 13 (14. 1. 59) = VkBl. 59, 143 = VerkMitt. 59, 30 = VRS 17, 234 = DRspr. II (291) 54 b.
§1
stvo
Möhl
Die Grundregel des § 1 kann also zwar im Einzelfall gebieten, daß auf Rechte verzichtet wird, die sich aus den §§ 2 f. ergeben, nicht aber kann sie, von seltenen Ausnahmen abgesehen, diese Regeln ändern. Wer von rechts in eine durchgehende Straße einbiegt, hat gegenüber den von links kommenden Verkehrsteilnehmern (falls die Vorfahrt nicht durch Verkehrszeichen geregelt ist) auch dann die Vorfahrt, wenn er aus einem unbedeutenden Nebenweg kommt (es sei denn, es wäre ein Feld- oder Waldweg). Seine Rechte werden allerdings durch die Grundregel so stark eingeschränkt, daß seine Stellung der eines Wartepflichtigen nahekommt. Dagegen kann der wartepflichtige Benutzer der Durchgangsstraße in diesem Fall nicht aus § 1 ein Vorfahrtsrecht herleiten. Aus der Überordnung der Schadensverhütungspflicht gegenüber den aus Verkehrsregeln herzuleitenden Rechten ergibt sich auch, daß gegen die Verletzung solcher Rechte Notwehr nur insoweit zulässig ist, als sie zu keiner Gefährdung führt (s. RNr. 184). 7
Verfassungsmäßigkeit des § 1 Nach einhelliger Rechtsauffassung war § 1 StVO 1937 i. V. mit § 21 StVG a. F. eine selbständige Strafvorschrift. Gegen ihre Verfassungsmäßigkeit bestanden keine Bedenken. Die Rechtsprechung hatte sie nicht in Zweifel gezogen. Auch im Schrifttum wurde nur vereinzelt gegen sie Stellung genommen 2 ). Dort wurde die Meinung vertreten, der Tatbestand des § 1 entspreche nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit, das aus Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitet wird. Die Frage, wie weit sog. Generalklauseln, die als Grundlage für »Richterrecht" dienen, mit dem Erfordernis der Bestimmtheit des Strafbestandes in Übereinstimmung gebracht werden können, beschränkt sich nicht auf das Straßenverkehrsrecht. Bei diesem wurde aber der Gegensatz zwischen den beiden möglichen Richtungen besonders deutlich. In dem Auftrag der 4. Gemeinsamen Straßenverkehrssicherheitskonferenz an die Kommission zur Vorbereitung einer neuen deutschen StVO wurde noch ausdrücklich als Ziel der Arbeit der Vereinfachung des Straßenverkehrsrechts und seine Entlastung von Einzelbestimmungen bezeichnet. In einer Entschließung der 6. Gemeinsamen Straßenverkehrssicherheitskonferenz vom 4. 5. 1961 wurde dagegen als Ziel bezeichnet, die Verkehrsregeln, deren Verletzung gefährlich ist, klar und genügend bestimmt zu fassen. Das heißt sinngemäß, es solle den in der ersten Entschließung verpönten Einzelbestimmungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die richtige Lösung wird wohl in der Mitte liegen. Dem entspricht die geltende StVO. Die wichtigeren Verkehrsvorgänge werden kasuistisch geregelt, wobei bedeutsame Ergebnisse der Verkehrsrechtsprediung in den Gesetzestext eingearbeitet wurden. Daneben aber bleibt § 1 als Auffangstatbestand erhalten. Seine Verfassungsmäßigkeit kann allerdings nicht damit begründet werden, daß ein unabweisbares praktisches Bedürfnis nach der Generalklausel gerade bei den vielgestaltigen Straßenverkehrsvorgängen besteht. Würde § 1 in der geltenden Fassung dem Bedürfnis der Bestimmtheit nicht entsprechen, dann müßten andere Wege gesucht werden, um das Ziel einer Ordnung des Straßenverkehrs mit zulässigen Mitteln zu erreichen. Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit greifen aber nicht durch: Sie könnten sich gegen die Fixierung des fehlerhaften Handelns wie gegen die Abgrenzung der vier unter Strafe gestellten Erfolge richten. Es trifft zwar zu, daß der Tatbestand des § 1 darüber nichts enthält, wie sich der Verkehrsteilnehmer zu verhalten hat, während sidi die §§ 2 f. mit den vorgeschriebenen Verhaltensweisen ausdrücklich befassen. Tatbestände, die lediglich die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges unter Strafe stellen, ohne sich mit der Art der Herbeiführung zu befassen, sind aber auch sonst im Strafrecht häufig anzutreffen, ohne daß bisher von irgend einer Seite verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden wären. So wird nach § 230 bestraft, wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines anderen verursacht, nach § 309, wer fahrlässig einen Brand herbeiführt usw. Auch bei diesen Erfolgsdelikten enthält der Tatbestand nichts über die Art der Begehung. 2
) Zuletzt Lange-Fuchs, N J W 67, 1843 Nadiweisungen; Oswald, DAR 68, 211.
28
mit
Verfassungsmäßigkeit
stvo § 1
Welche Vorsichtsmaßregeln gegen den Ausbruch eines Brandes im einzelnen geboten waren, wird von Fall zu Fall festgestellt. Schwerer wiegt der Einwand, die in § 1 näher bezeichneten „Erfolge" seien nicht genügend bestimmt. Der moderne Straßenverkehr ist nidit denkbar, ohne eine gewisse gegenseitige Gefährdung, Behinderung und Belästigung. Die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem Risiko richtig zu ziehen, mag im Einzelfall schwierig sein. Trotzdem wird man die vier Begriffe: Schädigung, Gefährdung, nach den Umständen vermeidbare Behinderung und Belästigung als ausreichend bestimmt ansehen können. Sie werden dadurch näher gekennzeichnet, daß sich § 1 nur an die Verkehrsteilnehmer wendet und daß seine Verletzung gleichzeitig immer auch eine Verletzung der zwischen Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr gebotenen gegenseitigen Rücksicht enthält. Audi die Erfahrung der Praxis rechtfertigt die hier vertretene Ansicht. Fälle, in denen Zweifel über die nach Sachlage gebotene Fahrweise bestehen, sind selten. Auch wo § 1 die Fahrregel ersetzt, ist meist klar, wie sich die Beteiligten hätten verhalten sollen. Streitig ist nicht, wie sich der Verkehrsteilnehmer hätte verhalten sollen, sondern wie er sich verhalten hat. Das BVerfG hat noch unter der Herrschaft des alten § 21 StVG die Verfassungsmäßigkeit des § 1 bejaht 3 ). Bestanden schon gegen die frühere Strafvorschrift keine verfassungsmäßigen Bedenken, dann gilt dies um so mehr für die Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG n. F. III. Inhalt der Grundregel 1. „Straßenverkehr" (vgl. auch § 1 StVG R N r . 40—57, § 1 StVZO R N r . 6, 7) a) Allgemeines Die StVO wendet sich an die Teilnehmer am „Straßenverkehr". Gemeint ist, wie in der StVO 1937 noch ausdrücklich vermerkt war, am „öffentlichen" Straßenverkehr. Als „Straßen" gelten nach § 1 Satz 2 StVZO alle f ü r den Straßenverkehr oder f ü r einzelne Arten des Straßenverkehrs bestimmten Flächen. Es kommt also allein darauf an, ob eine Fläche f ü r den öffentlichen Verkehr bestimmt ist, nicht dagegen darauf, in wessen Eigentum sie steht und wie sie nach dem normalen Sprachgebrauch bezeichnet wird. Auch darauf kommt es nicht an, ob auf der Fläche Verkehr jeder Art oder nur Verkehr einer bestimmten Art zugelassen ist. Auf Wegen und Plätzen, auf Geh- und Radwegen, auf Brücken und in Durchgängen kann öffentlicher Verkehr stattfinden. Auf welche Weise eine Fläche f ü r den öffentlichen Verkehr „bestimmt" wird, sagt die StVO so wenig wie das StVG oder die StVZO. Handelt es sich um eine Fläche, die durch öffentlich-rechtliche Widmung nach dem Wegerecht der Länder f ü r den Verkehr bestimmt wurde, so ergeben sich keine Schwierigkeiten. Es gibt aber auch Flächen, die ohne ausdrückliche Widmung f ü r den öffentlichen Verkehr freigegeben sind. Bei ihnen ist die Grenze zwischen öffentlichem und nichtöffentlichem Weg manchmal nicht leicht zu ziehen. Ob es sich um einen „Privatweg" handelt, ist dabei nicht entscheidend, denn es gibt Privatwege, die f ü r den öffentlichen Verkehr freigegeben und solche, die ihm verschlossen sind. Handelt es sich nicht um eine nach öffentlichem Recht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, muß festgestellt werden, ob eine Wegfläche tatsächlich dem öffentlichen Verkehr dient, ob auf ihr ein öffentlicher Verkehr „eröffnet" ist. Das kann durch ausdrückliche, aber auch durch stillschweigende Widmung des Berechtigten geschehen. Aber nicht einmal dies ist unbedingt erforderlich. Es genügt, wenn der Eigentümer duldet, daß sein Weg rein tatsächlich wie ein öffentlicher Weg benutzt wird, um dem Verkehr auf diesem Weg den Charakter des öffentlichen Straßenverkehrs im Sinne des § 1 StVO zu geben 4 ). 3 4
) BVerfG 25. 7. 68, N J W 69, 1164 = DAR 68, 329. ) Hamm 12. 12. 58, VRS 16, 306; Karlsruhe 16. 2. 56, DAR 57, 20 = N J W 56, 1648;
Köln 22. 2. 52, VRS 4, 295; BGH(Z) 10. 6. 69, VersR 69, 832; vgl. auch II der Vwv. zu § 1.
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Dagegen begründet die Tatsache allein, daß eine Fläche der Allgemeinheit zugänglich ist, noch nicht ihre „Öffentlichkeit" 5 ). Nicht wie ein öffentlicher Weg benutzt wird eine Fläche, wenn sie nur einem durch persönliche Beziehungen untereinander verbundenen Personenkreis dient. Eine solche Beschränkung kann sich schon aus dem Zweck, dem der Verkehr auf der Grundfläche dienen soll, in erkennbarer Weise ergeben. Während die Beschränkung der Freigabe auf den Verkehr einer geschlossenen Gruppe von Verkehrsteilnehmern die Öffentlichkeit einer Straße ausschließt, läßt sich eine sachliche und zeitliche Beschränkung des Verkehrs mit dem Begriff des öffentlichen Verkehrs durchaus vereinbaren 6 ). Darauf, ob der Verkehr stark oder schwach ist, k o m m t es nicht an 7 ). Der durch öffentlich-rechtlichen Akt dem Verkehr gewidmeten Straße kann diese Eigenschaft wiederum durch öffentlich-rechtlichen Akt entzogen werden. Aber auch der Privateigentümer, der ohne rechtlichen Grund auf seinem Grund öffentlichen Verkehr zugelassen hat, kann seine stillschweigende Genehmigung zurücknehmen oder einschränken. Allerdings muß er seinen Willen dann deutlich zu erkennen geben 8 ). Auch dadurch soll ein öffentlicher Weg die Eigenschaft der Öffentlichkeit verlieren, daß er in rechtmäßiger Weise für den gesamten Verkehr gesperrt wird 9 ). Von der Frage, ob ein Weg öffentlich ist, zu unterscheiden ist die Frage, ob er dem sog. Gemeingebrauch offensteht. Gemeingebrauch gibt es nur an rechtlich-öffentlichen Wegen, also an Flächen, die durch öffentlich-rechtlichen Akt dem Verkehr gewidmet sind, nicht aber an den nur tatsächlichen öffentlichen Wegen. Zwar ist auch die Benutzung solcher Flächen zu Verkehrszwecken eine Art Gemeingebrauch. Dieser ist aber auf die Gebrauchsart beschränkt, die der Eigentümer auf seinem Grundstück zuläßt (vgl. hierzu auch unten R N r . 22. „Privatweg"). Außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes gilt die StVO nicht 10 ). Das bedeutet aber nicht, daß f ü r den Verkehr außerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche überhaupt keine Regeln gelten. Der Eigentümer kann dort den Verkehr nach seinem Belieben regeln. Er ist auch nicht durch § 33 Abs. 2 gehindert, an dem nichtöffentlichen Weg Verkehrszeichen nach dem Muster der Anlage zur StVO anzubringen. Denn das Verbot des § 33 Abs. 2 gilt nur f ü r öffentliche Straßen. Durch solche Zeichen bringt er verbindlich das gleiche zum Ausdruck, was im Bereich des öffentlichen Verkehrs durch die amtlichen Verkehrszeichen zum Ausdruck gebracht wird 11 ). b) Einzelfälle (alphabetisch geordnet) 9
Bankette Befestigte Bankette öffentlicher Straßen sind öffentlicher Verkehrsgrund. Die Frage, ob sie zur Fahrbahn gehören, beantwortet sich nach dem äußeren Bild (vgl. § 2 R N r . 4). Ob unbefestigte Randstreifen zwischen der Fahrbahn und dem Straßengraben noch dem Verkehrsraum zuzurechnen sind, ist im wesentlichen Tatfrage. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob der Randstreifen auf Grund seiner Beschaffenheit (Baumbestand, Randsteine, Leitplanken usw.) für die Benutzung mit Fahrzeugen — evtl. Aufnahme des ruhenden Verkehrs — erkennbar bestimmt ist12). Der Straßengraben gehört nicht zum öffentlichen Verkehrsraum 13 ). 5
) BGH(Z) 5. 1. 62, VersR 62, 283 = VRS 22, 185. «) BGH(Z) 26. 2. 63, VersR 63, 627. ' ) Bremen 20. 5. 64, VRS 28, 24 = DRspr. II (291) 121 b; Oldenburg 30. 5. 67, VRS 34, 244. 8 ) BayObLGSt. 60, 258 (2. 11. 60) = VRS 20, 441 = Hamm 19. 1. 67, VRS 33, 122; vgl. Vwv. zu § 1 II. ») Braunschweig 3. 1. 64, VRS 27, 392 = DRspr. II (291) 121 c.
30
10
)
») 12 ) ")
DRspr. II (291) 121 c; vgl. II S. 2 der Vwv. zu § 1. BayObLGSt. 62, 266 (13. 11. 62) = N J W 63, 501 (L) = VRS 24, 304; vgl. Sdimalzl VersR 65, 843. Braunsdiweig 26. 6. 64, VRS 28, 122. BGH 3. 10. 57, VRS 14, 58; Oldenburg 7. 5. 57, VRS 13, 368; Celle 23. 4. 58, DAR 58, 278. Hamm 16. 1. 70, VRS 39, 270.
öffentlicher Verkehrsgrund Bundesbahn
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(Bahnhofszufahrt, Gleisübergang)
10
Ob der über bahneigenes Gelände führende Zufahrtsweg zu einem Bahnhof ein öffentlicher Weg im Sinne des Straßenverkehrsrechts ist, hängt davon ab, ob dieser Weg der Benutzung durch jedermann offensteht. Ist vor einer Gleisüberfahrt Z. 250 angebracht mit dem Zusatzschild „für die Weiterfahrt Zustimmung der Bahnpolizei erforderlich", so spricht dies gegen die Duldung öffentlichen Verkehrs durch die Bahnbehörde. Ladestraßen s. unten. Bundeswehr
(Zufahrt zu Übungsgelände)
11
Die Zufahrtstraße zu einem Ubungsgelände der Bundeswehr wird nicht schon deshalb zu einem öffentlichen Weg, weil sie nach ihrer Beschaffenheit von jedermann benutzt werden könnte. Es k o m m t darauf an, ob auf ihr tatsächlich ein öffentlicher Verkehr stattfindet. Ein entgegenstehender Wille der Bundeswehr ist unbeachtlich, wenn sie tatsächlich auf diesem Straßenstück einen öffentlichen Verkehr stillschweigend duldet 14 ). Fliegerhorst
12
Der Straßenverkehr auf dem Gelände eines Fliegerhorstes ist nicht öffentlich, wenn die militärische Dienststelle anderen Personen als den Soldaten und Zivilangestellten des Fliegerhorstes den Zutritt nur nach Prüfung der Person und des Vorhabens durch Aushändigung eines Tagespassierscheines gegen Hinterlegung des Führerscheines gestattet 15 ). Flughafen
13
Befindet sich an der offenen Einfahrt zu einem eingezäunten, im Eigentum einer Flughafen G m b H stehenden Platz ein Schild mit der Aufschrift, „Unbefugten Zutritt nicht gestattet" sowie Z. 267 mit dem Zusatzschild „Anlieger frei", und ist damit die Benutzung jedem Beliebigen freigestellt, der Waren zum Transport mit Flugzeugen verladen will, so ist die Zufahrtsstraße öffentlicher Verkehrsgrund®). 14
Forstweg Daß ein forsteigener Weg von der Fortsverwaltung nur für die Holzabfuhr zu bestimmten Zeiten freigegeben ist, schließt seine öffentliche Benutzung nicht aus. Die wechselnden Käufer des Holzes bilden selbst dann keinen festumrissenen Kreis von Interessenten, wenn sie zur Abholung des Holzes einer Bescheinigung der Forstverwaltung bedürfen. Es liegt hier ähnlich wie auf Ladestraßen von Güterbahnhöfen oder Werkgeländen 1 ®). Auch eine Hinweistafel „Privatweg" ändert die Rechtslage nicht 17 ).
15
Großmarkt Der Verkehr auf dem Gelände eines städtischen Großmarktes ist nicht öffentlich, wenn tatsächlich nur die mit einem Ausweis der Verwaltung versehenen Benutzer Zutritt haben. Die Vorfahrtregel des § 8 hat dort keine Geltung, wenn Schrittgeschwindigkeit und allgemeine Rücksichtnahme ausdrücklich vorgeschrieben sind 18 ). Hof räum
16
Hofraum, der nur von Fahrzeugen der Anwohner und eines benachbarten Geschäfts befahren wird, stellt keinen öffentlichen Verkehrsgrund dar 19 ). Ladestraße
17
Mindestens die Hauptladestraße des Güterbahnhofs ist nach ihrer Bestimmung und auch tatsächlich eine öffentliche Straße. Sie steht für jedermann zum Zwecke des Verkehrs mit 14 )
Oldenburg 11. 10. 66, VRS 33, 90. Celle 19. 7. 58, DAR 59, 22 = NJW 58, 1739 = NdsRpfl. 59, 41; BayObLGSt. 62, 266 (13. 11. 62) = VRS 24, 304 = Verk. Mitt. 63, 27 = DRspr. II (291) 104 b; LG München I 3. 12. 64, VersR 66, 1172.
>«) BGH(Z) 26. 2. 63, VerkMitt. 63, 44 = DRspr. II (291) 105 a. " ) BayObLG 11. 10. 66, 1 b 259/1966. BGH(Z) 9. 10. 62, NJW 63, 152 = VRS 24, 18 = MDR 63, 41. >») BayObLG 29. 4. 61, 1 St 226/1964. 31
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dem B a h n h o f o f f e n . J e d e r , der irgendwie auf dem G ü t e r b a h n h o f etwas zu erledigen hat, ist befugt, die Ladestraße zu b e t r e t e n oder zu b e f a h r e n 2 0 ) .
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Parkhaus D i e F a h r b a h n e n u n d die P a r k p l ä t z e eines Parkhochhauses sind als S t r a ß e oder Plätze i m Sinne des S t r a ß e n v e r k e h r s r e c h t s anzusehen, denn sie dienen dem r u h e n d e n u n d teilweise dem fließenden V e r k e h r 2 1 ) .
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Parkplatz — allgemein Es gibt ö f f e n t l i d i e u n d nichtöffentliche P a r k p l ä t z e . D i e B e a n t w o r t u n g der Frage, ob ein P a r k p l a t z z u m öffentlichen V e r k e h r s g r u n d g e h ö r t , h ä n g t zunächst v o n der Z w e c k b e s t i m m u n g desjenigen ab, der ü b e r den P l a t z verfügen k a n n . H a t dieser den Platz n u r f ü r einen von der Allgemeinheit der Verkehrsteilnehmer bestimmt genug abgegrenzten Kreis von P e r s o n e n b e s t i m m t , dann handelt es sidi u m k e i n e n ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r s g r u n d (Beispiel: A n g e h ö r i g e einer B e h ö r d e , Belegschaft eines U n t e r n e h m e n s , M i t g l i e d e r eines F u ß b a l l - oder T u r n v e r e i n s ) . D e r U m s t a n d allein, daß die M i e t e r v o n angrenzenden Garagen einer T a n k stelle den P a r k p l a t z befugterweise b e i m E i n - und A u s f a h r e n m i t b e n u t z e n , macht einen privaten P a r k p l a t z noch nicht zu einem öffentlichen 2 2 ). W i r d dagegen auf einem G r u n d stück mit Zustimmung des Eigentümers ein Parkerlaubnisschild, wenn auch mit dem Zusatzschild „ W ä h r e n d der M a r k t z e i t n u r f ü r L i e f e r f a h r z e u g e des G r o ß m a r k t e s " angebracht, dann steht der P a r k p l a t z mindestens außerhalb der M a r k t z e i t j e d e m V e r k e h r s t e i l n e h m e r zur Benutzung o f f e n . E r ist öffentlicher Verkehrsgrund 2 3 ).
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Parkplatz vor Gasthof E i n P a r k p l a t z , den der Besitzer einer G a s t s t ä t t t e seinen G ä s t e n o h n e E i n s c h r ä n k u n g auf einzelne b e s t i m m t e u n t e r i h n e n zu P a r k z w e c k e n bereitstellt, ist ein ö f f e n t l i c h e r P a r k platz im Sinne des V e r k e h r s r e c h t s , selbst w e n n ausdrücklich durch ein Schild darauf h i n gewiesen wird, d a ß nur Gäste ihn benutzen dürfen. W e r als Gast in einer aus gewerblichen G r ü n d e n b e t r i e b e n e n G a s t s t ä t t e e i n k e h r t , steht zu dem G a s t w i r t nicht in so n a h e n p e r s ö n lichen Beziehungen, daß durch die Beschränkung der P a r k e r l a u b n i s auf Gäste ein genügend b e s t i m m t e r , v o n der A l l g e m e i n h e i t abgegrenzter B e n u t z e r k r e i s gebildet w ü r d e . Anders der P a r k p l a t z , den der G a s t w i r t n u r solchen Gästen z u r V e r f ü g u n g stellt, die m i t i h m einen Obernachtungsvertrag schließen 2 4 ).
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Parkplatz auf Warenhausdach Was f ü r den P a r k p l a t z gilt, der v o m G a s t w i r t den Übernachtungsgästen z u r V e r f ü g u n g gestellt wird, soll auch f ü r P a r k p l ä t z e auf dem Dache v o n W a r e n h ä u s e r n gelten, weil auch hier die Parkerlaubnis auf einen begrenzten Kreis von Personen, nähmlich a u f die K u n d e n des Warenhauses beschränkt ist 2 5 ). D o c h erscheint dies fraglich, weil die Z a h l der K u n d e n eines Warenhauses unüberschaubar ist.
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Privative ge Privatwege, die n u r einem beschränkt ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r g e w i d m e t sind, unterliegen den B e s t i m m u n g e n des S t r a ß e n v e r k e h r s r e c h t s , insbesondere auch der V o r f a h r t r e g e l u n g 2 6 ) . Auch der V e r k e h r auf einer 1 k m langen p r i v a t e n Z u f a h r t s t r a ß e zu einem Steinbruch m u ß 20)
Köln 16. 9. 58, VRS 16, 55 = MDR 59, 327 = DRspr. IX (291) 54 a; Hamm 12. 12. 58, VRS 16, 306; ähnlich Saarbrücken 6. 7. 61, DAR 62, 188 = JMB1. Saar 62, 28; Celle 23. 4. 64, DAR 65, 100; vgl. aber Hamm 12. 10. 53, VRS 6, 218; 23. 3. 54, VRS 7, 215. 2 1 ) Bremen 1. 2. 67, N J W 67, 990; unklar Stuttgart 22. 12. 65, VRS 30, 210, das zwar Parkhochhäuser als öffentlichen Verkehrsraum anerkennt, aber in Zweifel zieht, ob dort
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25)
2 °)
ein „Verkehr" stattfindet; vgl. auch Bullert in DAR 63, 325. Braunschweig 8. 5. 64, VRS 27, 458 = NdsRpfl. 64, 208. Hamm 19. 1. 67, VkBl. 67, 432. BGHSt. 16, 7 (9. 3. 61) = N J W 61, 1124 = VkBl. 62, 129 = VRS 20, 45 = DRspr. II (291) 79 a; s. Vorlagebeschl. von Hamm 25. 11. 60, VRS 20, 69 = DRspr. I I (291) 73 b gegen Düsseldorf 29. 5. 52, VRS 5, 154. So Müller-Forwerk, MDR 63, 721. BGH(Z) 29. 3. 66, VersR 66, 690.
Teilnahme am Verkehr
StVO
§ 1
als öffentlicher Verkehr angesehen werden, weil die Fahrer der abholenden Lkw weder durch ein besonders persönliches Verhältnis untereinander noch mit dem Steinbruchbesitzer verbunden sind27). Die Eintragung eines Eigentümerweges in das Bestandsverzeichnis des Landratsamtes hat vor ihrer Unanfechtbarkeit keine rechtsgründende Wirkung und macht daher eigene Feststellungen der Bußgeldbehörde über die Rechtsnatur des Weges nicht entbehrlich 28 ). Tankstellen Das Tankstellengelände ist, soweit es sich um den Raum vor den Zapfsäulen und die zugehörigen Ein- und Ausfahrten handelt, vom Verfügungsberechtigten der Benutzung durch die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Auf ihm findet öffentlicher Verkehr statt 29 ). Ist allerdings erkennbar, daß Betriebsruhe herrscht und der Tankstelleninhaber f ü r diese Zeit keinen öffentlichen Verkehr auf seiner Tankstelle dulden will, dann soll das Gelände den Charakter eines öffentlichen Verkehrsgrundes vorübergehend wieder verlieren 30 ). Bei nächtlicher Beschränkung auf einen Münztank soll nur der Teil des Tankstellengeländes öffentlicher Verkehrsgrund bleiben, der für die Benutzung der Münztanksäule erforderlich ist31). 2. Teilnahme am Verkehr a) Allgemeines § 1 wendet sich an alle Teilnehmer am Straßenverkehr. Wodurch man Teilnehmer am Verkehr wird, sagt das Gesetz nicht. Man könnte daran denken, jeden als Verkehrsteilnehmer zu behandeln, der sich im öffentlichen Verkehrsraum aufhält, ohne Rücksicht darauf, ob er selbst das Verkehrsgeschehen beeinflußt. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff aber enger zu fassen. Darnach ist Teilnehmer am Verkehr im Sinne des § 1 nur, wer sich verkehrserheblich verhält, also wer auf den Ablauf eines Verkehrsvorganges einwirkt 32 ). Die Einwirkung muß in der Regel körperlich und unmittelbar sein. Aber auch wer es einer bestehenden Rechtspflicht zuwider unterläßt, tätig zu werden — z. B. als Halter eines Fahrzeuges einen Fahruntüchtigen an der Führung des Fahrzeugs zu hindern — kann in diesem Sinne auf den Verkehr einwirken 33 ). Zum Begriff der Teilnahme am Verkehr gehört nicht notwendig die Straßenbenutzung in eigener Person. Überläßt der verfügungsberechtigte Fahrzeugführer das Steuer einem Fahruntauglichen, so haftet er als Verkehrsteilnehmer f ü r einen durch diesen verschuldeten Unfall mit 34 ). Dagegen soll ein Erziehungsberechtigter, der einem Kind die Lenkung eines Pferdefuhrwerks auf einer öffentlichen Straße überträgt, dann nicht als Verkehrsteilnehmer gelten, wenn er sich selbst an der Fahrt nicht beteiligt und sich nicht in der Nähe des Pferdefuhrwerks aufhält 35 ). Es kommt entscheidend darauf an, ob der außerhalb des Verkehrsraumes Handelnde zu einem unmittelbaren Einwirken auf einen Verkehrsvorgang in der Lage ist. Die Grenze richtig zu ziehen, kann hier im Einzelfall schwierig sein36). Aus § 151 GewO allein kann die Verantwortlichkeit f ü r Verkehrsverstöße von Angehörigen des Betriebes nicht hergeleitet werden, da sich die verletzten Vorschriften nur an die Verkehrsteilnehmer " ) Braunschweig 21. 6. 63, VRS 26, 220. 28 ) BayObLG 11. 6. 69, 1 a St 522/1968. 2B ) BayObLGSt. 62, 249 (24. 10. 62) = VRS 24, 69 = VerkMitt. 63, 13 = VkBl. 63, 52 = JR 63, 192 mit Anm. von Martin = DRspr. II (291) 104 a; Hamm 25. 11. 65, VRS 30, 452. 3 °) Hamm 13. 10. 66, N J W 67, 119 = DRspr. II (291) 148 a. 31 ) Hamburg 11. 3. 69, VerkMitt. 70, 22 = VRS 37, 278. 82 ) Ständige Rechtsprechung vgl. BGH 2. 5. 52, VRS 4, 527; 8. 10. 53, VRS 6, 33; 20. 5. 54, VRS 7, 68.
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») BGHSt. 14, 24 (25. 11. 59) = DAR 60, 79 = N J W 60, 924 mit zustimmender Anmerkung von Härtung = VRS 18, 213 = DRspr. II (291) 64 a. 34 ) Oldenburg 3. 9. 63, NdsRpfl. 63, 285 = MDR 63, 1033 = VerkMitt. 64, 5; ähnlich Hamm 1. 12. 61, VRS 23, 107. 35 ) Oldenburg 23. 5. 65, VRS 29, 283. 36 ) Vgl. Düsseldorf 19. 1. 66, VRS 31, 125 = VerkMitt. 66, 46 = JMB1. NRW 66, 200 = DRspr. II (291) 143 a.
33 3 StVO + StGB
§ 1 stvo
Möhl
richten 37 ). Für den Begriff der Teilnahme am Verkehr ist unerheblich, ob die Straße befugterweise benutzt wird. A u d i wer eine Straße in einer den zulässigen Gemeingebraudi überschreitenden Weise benutzt, verliert dadurch nicht seine Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer. Allerdings setzt jede Teilnahme am Verkehr die Benutzung der Straße zu Verkehrszwecken voraus. Vom Verkehrsrecht werden n u r solche Einwirkungen erfaßt, die z u m Verkehr in Beziehung stehen. Wieweit eine über den Gemeingebraudi hinausgehende Sondernutzung der Straße (z. B. zu Reklamezwecken) gegen sonstige Vorschriften verstoßen kann, braucht hier nicht erörtert zu werden 3 8 ). Wer sich außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes fortbewegt, ist im allgemeinen nicht Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1. U n t e r diesen Begriff fällt n u r ein auf den öffentlichen Verkehr bezogenes Verhalten. Fraglich ist, ob sich das Verhalten desjenigen, der sich aus dem öffentlichen Verkehrsraum hinausbegibt, noch auf den öffentlichen Verkehr bezieht. Der B G H bejahte Teilnahme am Verkehr in einem Falle, in dem sich das Fahrzeug noch teilweise auf öffentlichem Verkehrsgrund befand 3 9 ). Selbst, wenn der Fahrzeugführer mit seinem Fahrzeug den öffentlichen Verkehrsgrund schon vollständig verlassen hatte, soll seine Beteiligung an einem Unfall auf Privatgrund u n t e r § 1 fallen, sofern der Unfall darauf beruht, daß der Fahrer noch während des Befahrens des öffentlichen Verkehrsgrundes die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hatte und deshalb den Unfall auf dem Privatgrundstück nicht vermeiden konnte 4 0 ). Wer auf einem der Straßenbahn vorbehaltenen Bahnkörper vergeblich versucht ein festgefahrenes Fahrzeug in Gang zu setzen, ist nicht Verkehrsteilnehmer 41 ). Wer in den Verkehr gerät, h a t den Anforderungen des § 1 auch dann zu entsprechen, wenn dies gegen seinen Willen geschah 42 ). Der „Verkehrsteilnehmer" m u ß sich auf der Straße nicht fortbewegen. A m Verkehr n i m m t auch noch teil, wer auf öffentlicher Straße einen Kraftwagen z u m Stillstand bringt, das Abblendlicht einschaltet, den M o t o r laufen läßt u n d im Wagen schläft 43 ). A u d i wer auf der Straße parkt, bleibt Verkehrsteilnehmer 4 4 ). D e n n auch das im öffentlichen Verkehrsraum stehende Fahrzeug w i r k t auf den Verkehr ein. Umgekehrt wird der Kraftfahrzeugführer zum Verkehrsteilnehmer, sobald er sich an das Steuer setzt u n d den M o t o r anläßt 4 5 ). Aber auch wer sein Fahrzeug ohne M o t o r k r a f t bewegt, kann Verkehrsteilnehmer sein 48 ). b) Einzelfälle (alphabetisch geordnet) Abgeschlepptes Fahrzeug Der Lenker eines abgeschleppten Kraftfahrzeugs ist zwar nicht als „Führer" eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Verkehrsvorschriften anzusehen, wohl aber als Verkehrsteilnehmer. Ihm obliegt daher die f ü r Verkehrsteilnehmer geltende Sorgfaltspflicht. Wenn auch der Führer des ziehenden Fahrzeugs in erster Linie die Verantwortung f ü r die Abschleppfahrt trägt, so ist der Lenker des abgeschleppten Fahrzeuges doch im R a h m e n der ihm gegebenen Möglichkeiten d a f ü r mitverantwortlich, daß die Verkehrsvorschriften beachtet werden. So m u ß er gegebenenfalls bei der Ausfahrt aus einem Grundstück mit f ü r die Aufstellung eines Warnpostens Sorge tragen 4 7 ). Auch ist er d a f ü r verantwortlich, daß 37
) Hamm 7. 9. 62, DAR 63, 281. ) BayObLSt. 66, 7 (18. 1. 66) = VkBl. 66, 207. 39 ) BGHSt. 18, 393 (26. 6. 63) = N J W 63, 1838 mit ablehnender Anmerkung von Rutkowsky = VRS 25, 135 = DAR 63, 309 = JZ 64, 136 mit Anm. von Härtung = VerkMitt. 63, 82 = MDR 63, 949 = VkBl. 63, 475 = DRspr. II (291) 108 a gegen BayObLG 60, 170 (6. 7. 60) = VRS 19, 380 = VkBl. 60, 647 = DRspr. II (291) 74 a auf Vorlage von Hamm 22. 2. 63, VRS 24, 396. 4 °) Hamburg 17. 11. 69, VRS 38, 218 = DRspr. II (291) 185 a; so schon Härtung JZ 64, 137.
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) Köln 24. 4. 64, VRS 27, 302 = VerkMitt. 64, 71 = JMB1. N R W 64, 202 = DRspr. II (291) 122 b. 42 ) Stuttgart 19. 7. 63, DAR 63, 358 = DRspr. II (291) 111 b. 43 ) BayObLGSt. 64, 78 (12. 5. 64) = VRS 27, 220 = DAR 64, 350 = VerkMitt. 64, 70 = DRspr. II (291) 122 a. 44 ) Bremen 24. 8. 55, VRS 9, 474; Hamm 1. 12. 61, VRS 23, 107; Hamburg 13. 2. 62, VRS 23, 139. 4ä ) Hamm 7. 10. 54, VRS 7, 364; BGH 28. 4. 55, JR 55, 429 mit Anm. v. Härtung. 46 ) Düsseldorf 19. 1. 53, VRS 5, 298.
Teilnahme am Verkehr
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das geschleppte Fahrzeug in der Spur bleibt und nicht auf das schleppende auffährt. (Zur Sorgfaltspflicht beim Schleppen vergl. auch unten RNr. 154). Baggerfahrer Ähnlich wie der Lenker eines abgeschleppten Fahrzeugs ist der Führer eines auf öffentlicher Straße abgestellten Baggers zwar nicht Führer eines Fahrzeugs im Straßenverkehr, wenn er nur das Trieb- und Schwenkwerk des Baggers in Betrieb setzt, wohl aber Verkehrsteilnehmer 48 ). Bahnbedienstete Bahnbedienstete, die beim Rangieren zur Sicherheit des unbeschrankten Bahnüberganges auf der Fahrbahn der Straße stehen und für den allgemeinen Verkehr Zeichen mit der Warnlampe geben, sind Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr 49 ). Der eine Schranke bedienende Schrankenwärter ist dagegen kein Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1. Gefährdet er durch unsachgemäße Bedienung der Schranken einen Straßenbahnzug, so kommen § 315 b StGB, § 32 StVO in Betracht 50 ). Bauarbeiter Der von seinem Arbeitgeber mit der Beschilderung einer Baustelle beauftragte Bauarbeiter soll nicht Verkehrsteilnehmer sein. Wieweit er hinsichtlich der Verantwortlichkeit aus § 45 Abs. 6 neben den Bauunternehmer treten kann, wird dort erörtert werden (S 45 RNr. 7 ) " ) . Beifahrer-Insasse Beifahrer sind Insassen besonderer Art. Da für Beifahrer die gleichen Grundsätze gelten wie für gewöhnliche Insassen, können sie hier gemeinsam behandelt werden. Würde es allein darauf ankommen, ob eine öffentliche Straße zum Zwedce der Fortbewegung benutzt wird, dann müßten alle Fahrzeuginsassen zu den Verkehrsteilnehmern im Sinne des § 1 gehören. Da es aber wie oben RNr. 24 näher erläutert wurde, darauf ankommt, ob der im Verkehrsraum Befindliche auf das Verkehrsgeschehen einwirkt, muß von Fall zu Fall festgestellt werden, ob ein Fahrzeuginsasse Verkehrsteilnehmer ist oder nicht 52 ). Wer sich als unbeteiligter Fahrgast rein passiv verhält, ist in der Regel nicht Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1. Dagegen ist Verkehrsteilnehmer der Beifahrer, der gemeinsam mit seinem Dienstherrn einen unbeleuchteten Anhänger auf der Straße abstellt. Er ist nach § 1 verpflichtet, für die Beleuchtung Sorge zu tragen 53 ). Verkehrsteilnehmer ist auch ein Fahrgast, der aus einem rein passiven Zustand des Gefahrenwerdens heraustritt und die Fahrweise des Führers durch Zuruf, durch Ablenkung seiner Aufmerksamkeit oder in sonstiger Weise aktiv beeinflußt 54 ). Die Tatsache allein, daß der Beförderte wegen der Beschaffenheit des Fahrzeugs und seines Standplatzes gezwungen ist, sich zur Bewahrung seines Gleichgewichtes ständig anzuhalten, macht ihn noch nicht zum Verkehrsteilnehmer. Ein Müllwerker, der während der Fahrt des Mülltransportfahrzeuges von Haus zu Haus hinten auf einem am Wagen angebrachten Trittbrett steht, ist deshalb noch nicht „Verkehrsteilnehmer"55). Bedient sich der Führer des Fahrzeugs seines Beifahrers als Hilfsperson, etwa weil er nach den besonderen Verhältnissen des Falles keine ausreichende eigene Beobachtungsmöglichkeit hat, dann wirkt der Beifahrer dadurch, daß er den Fahrzeugführer einweist, unmittelbar auf den Verkehr ein und wird dadurch zum Ver) Hamm 2. 6. 61, JMB1. N R W 61, 258 = DRspr. I I (291) 87 a. « ) BayObLGSt. 66, 142 (9. 11. 66) = V R S 32, 127; ähnlich Hamm 12. 7. 63, D A R 64, 115. 4 ») Hamm 24. 6. 66, V R S 31, 379 = VkBl. 67, 37 = DRspr. I I (291) 148 b. 5 °) Hamm 20. 10. 65, VkBl. 66, 68. 5 I ) Vgl. für die frühere Rechtslage Koblenz 5. 12. 63, D A R 64, 198. 47
) Celle 20. 8. 52, D A R 52, 156; Hamm 21. 8. 59, VerkMitt. 60, 59. 53) B G H 8. 10. 53, V R S 6, 33. 54) B G H 2. 5. 52, V R S 4, 527; Saarbrücken 18. 3. 66, VerkMitt. 67, 5 = DRspr. II (291) 148 c. 5 5 ) BayObLGSt. 63, 210 (23. 10. 63) = VerkMitt. 64, 5 = V R S 26, 221 = VkBl. 64, 242 = J Z 64, 31. 52
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kehrsteilnehmer 56 ). Die Teilnahme am Verkehr beginnt erst, wenn der Täter Maßnahmen ergreift, um die bestimmungsmäßigen Triebkräfte des Fahrzeugs in Bewegung zu setzen. Deshalb genügt es für den Begriff der Teilnahme nicht, wenn der Beifahrer nur am Führersitz Platz nimmt, mag audi der Motor bereits vom Fahrzeugführer angelassen worden sein 57 ). Zwischen zwei Fernfahrern, die sich in der Führung des Fahrzeuges abwechseln, besteht eine Fahrgemeinsdiaft, die sie während des Transportes verbindet. Ungeachtet eines etwa bestehenden Verhältnisses der Über- und Unterordnung zwischen dem ersten Fahrer und seinem Beifahrer, trägt jeder von ihnen im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren seinen Teil an Verantwortung dafür, daß sein Fahrtgenosse den ihm als Lenker des Fahrzeugs obliegenden Pflichten gerecht werden kann. Er darf dem anderen deshalb das Steuer nicht übergeben, wenn er erkennen kann, daß dieser übermüdet ist 58 ). Während der Beifahrer nicht selbst fährt, hat er aber Ruhezeit. Er verliert dann seine Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1 StVO, sofern nicht besondere Umstände seine aktive Beteiligung bei der Führung des Fahrzeugs erfordern 59 ). Beifahrer auf Motorrad s. unter R N r . 33 (Sozius), Omnibusschaffner s. R N r . 31.
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Halter Der Halter eines Kraftfahrzeugs, der als Mitfahrer einem erkennbar Fahruntüchtigen die Führung des Fahrzeugs überläßt, madit sich als Verkehrsteilnehmer einer Übertretung nach § 1 schuldig, wenn der Fahrer andere gefährdet 33 ). Ubernimmt der Halter vom Fahrer die Schlüssel seines vom Fahrer (verkehrswidrig) abgestellten Fahrzeugs, so wird er damit Verkehrsteilnehmer 60 ). Überläßt der Halter einem Anderen eine Verrichtung, die für den Bewegungsvorgang von mitentscheidender Bedeutung ist, so nehmen beide am Verkehr teil und sind Führer des Fahrzeugs 61 ).
31
Omnibttsscbaffner Ein Omnibusschaffner, der den Fahrer durch Halte- und Abfahrtssignale unterstützt, ist Verkehrsteilnehmer im Sinne des § l 6 2 ).
32
Polizeibeamter Soweit ein Polizeibeamter im Rahmen des gemeinen, d. h. jedermann zustehenden Gebrauches die Straße benutzt, ist er unbestrittenermaßen Verkehrsteilnehmer. Von einem Polizeibeamten in Uniform darf sogar, auch wenn er als Privatmann am Verkehr teilnimmt, ein besonders verkehrsgemäßes Verhalten erwartet werden 63 ). Er bleibt aber auch Verkehrsteilnehmer, wenn er im Dienst am Verkehr teilnimmt und dabei hoheitliche Aufgaben erfüllt. Deshalb konnte er nach früherem Recht von einer „Gemeingefahr" betroffen werden 64 ). Ein Polizeibeamter, der sich zum Zwecke der Regelung des Verkehrs auf der Fahrbahn aufstellt, ist also mindestens insoweit Verkehrsteilnehmer, als er durch seine Aufstellung auf den Verkehr einwirkt, er hat sich besonders bei Dunkelheit so zu verhalten, daß weder er noch andere Verkehrsteilnehmer geschädigt werden. Diese Pflicht ergibt sich zwar auch aus seiner allgemeinen Dienstpflicht als Polizeibeamter. Das schließt aber nicht aus, daß er insoweit Verkehrsteilnehmer ist 65 ). 5 «) 57) 58)
59) 6 ») 61)
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Düsseldorf 9. 9. 57, DAR 58, 142. Köln 24. 4. 64, VerkMitt. 64, 70 = VRS 27, 235 = JMB1. N R W 64, 188. B G H 10. 7. 59, VRS 17, 290 = DAR 59, 305 = MDR 59, 942 = N J W 59, 1979 = DRspr. II (291) 61 a. Stuttgart 13. 12. 51, DAR 52, 57. BayObLGSt. 62, 278 (14. 11. 62) = VRS 24, 460 = VkBl. 63, 452. BGHSt. 13, 226 (9. 7. 59) = VRS 17, 289;
Hamm 19. 12. 68, VRS 37, 281. KG 26. 10. 67, VRS 34, 136 = J R 68, 71 = DRspr. II (291) 159 a. 6 3 ) BGH 30. 11. 62, VRS 24, 202. 6 4 ) Celle 18. 5. 55, VerkMitt. 55, 30; Köln 29. 5. 56, VkBl. 56, 655. 6 5 ) Vgl. Frankfurt 22. 10. 59, N J W 60, 344; der von Geißler in der Anmerkung zu dieser Entscheidung vertretenen gegenteiligen Meinung kann nicht gefolgt werden. 8ä)
Teilnahme am Verkehr
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Fraglich könnte höchstens sein, ob ein Polizeibeamter, der den Verkehr mit Handzeichen regelt, auch insoweit als Verkehrsteilnehmer handelt, als er durdi seine Zeichen auf die Entschlüsse der Kraftfahrer und damit mittelbar auf Verkehrsvorgänge einwirkt. V o n der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob der Verkehrsbeamte im Sinne des § 1 ordnungswidrig handelt, wenn er durch unsachgemäße Weisungen eine Verkehrslage herbeiführt, in der andere Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet, behindert oder belästigt werden. Nach Ansicht des K G ist dies nicht der Fall 6 8 ). Das K G stützt seine Meinung vor allem auf die Überlegungen, daß die Zeichen der Polizeibeamten obrigkeitlicher Art sind 67 ). Das ist zwar richtig, schließt aber doch wohl nach der allgemeinen Auslegung des Begriffes nicht aus, von einer Teilnahme am Verkehr zu sprechen. Auch der Funkstreifenwagen wirkt auf Grund einer obrigkeitlichen Aufgabenerfüllung auf den Verkehr ein, wenn er mit Martinshorn und Blaulicht für sich Sonderrechte in Anspruch nimmt. Trotzdem wird niemand bezweifeln, daß der Führer eines Funkstreifenwagens Verkehrsteilnehmer ist. Wesentlich für die Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer ist die unmittelbare Einwirkung auf den Verkehr. Gewiß werden den Verkehrsteilnehmern von den Polizeibeamten Weisungen erteilt, wie sie sich zu verhalten haben. Aber diese Weisungen haben keinen anderen Zweck, als dem Verkehr zu dienen und ihn zu lenken. In dem ähnlich gelagerten Fall des zur Sicherung eines unbeschrankten Bahnüberganges auf der Fahrbahn befindlichen, dem allgemeinen Verkehr Zeichen gebenden Bahnbediensteten hat das O L G H a m m denn auch die Verkehrsteilnehmereigenschaft bejaht (oben R N r . 27, Fußn. 49). Soziusfahrer Während Fahrgäste eines Pkw im allgemeinen keinen Anlaß und keine Möglichkeit haben, auf den Fahrablauf einzuwirken, muß der Beifahrer auf dem Soziussattel eines Kraftrades sich dem Fahrverhalten des Krades mit seinem Körper anpassen. Er muß den Fahrer darin unterstützen, das Gleichgewicht zu halten. Sein Verhalten ist daher nicht weniger wichtig als das des Fahrers. E r ist Verkehrsteilnehmer 68 ). Läßt ein Soziusfahrer auf einem für zwei Personen zugelassenen Motorroller zu, daß dort vier Personen Platz nehmen, dann haftet er für einen durch die unzulässige Benutzung verursachten Schaden schon deshalb als Verkehrsteilnehmer, weil das Fahrzeug überbelastet und der Fahrer in der Haltung des Gleichgewichtes erheblich behindert wurde 6 9 ). Tierhalter Wer ein in seiner Obhut befindliches Tier auf öffentlichen Verkehrsgrund gelangen läßt, ist Verkehrsteilnehmer 7 0 ). Ein Tier kann dagegen nie „Verkehrsteilnehmer" im Sinne des § 1 sein. 3. Sorgfaltspflicht a) Allgemeines aa) Rechte und Pflichten Der Verkehr auf den Straßen kann nur dann reibungslos ablaufen, wenn seine Teilnehmer die Verkehrsregeln genau beachten und aufeinander Rücksicht nehmen. Es genügt nicht, die in § 2 f. enthaltenen Verkehrsregeln zu kennen und anzuwenden. Denn diese Regeln geben nur einen groben Hinweis, wie sich die Verkehrsteilnehmer zu verhalten haben. Allerdings wird dem, der den Verkehrsvorschriften genügt, in der Regel nicht der Vorwurf gemacht werden können, gerade durch Einhaltung der Regel einen Unfall mitverursacht zu haben. Auch wenn im Einzelfall das Abweichen von einer Verkehrsregel der Verkehrssicherheit dienlicher wäre als die starre Befolgung, macht sich in der Regel nicht ) KG X. 7. 65, NJW 65, 2310 = VRS 29, 208 = DRspr. II (291) 135 a. ) Vgl. hierzu Becker in RdK 35, 124. 08) BGH 20. 5. 54, DAR 54, 305 = VRS 6, 68; Hamm 5. 2. 53, VkBl. 54, 19.
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0") BGH 1. 4. 60, VRS 18, 415. 70 ) BayObLGSt. 53, 2 (14. 1. 53) = VkBl. 53, 576 = VRS 5, 306; 57, 172 (21. 8. 57) = VkBl. 58, 487 = VRS 14, 372.
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strafbar, wer dies nidit erkennt oder sich zur Zuwiderhandlung nicht entschließen kann 7 1 ). Das gilt aber nur für die Einhaltung der aus § 2 f. herzuleitenden Pflichten. Nicht dagegen darf sich auf ein Vorrecht berufen, wer erkennen kann, daß ein anderer es mißachtet. So darf niemand sein Vorfahrtsrecht erzwingen, der erkennt, oder auch nur erkennen könnte, daß ein Wartepflichtiger es verletzt, vgl. oben R N r . 6. Da normalerweise jeder Verkehrsteilnehmer darnach trachtet, sich bei seiner Teilnahme am Verkehr nicht selbst Schaden zuzufügen, bedurfte es keiner allgemeinen Vorschrift, die ihn vor den Folgen seiner eigenen Unachtsamkeit schützt. Nach § 1 verhält sich nur der ordnungswidrig, der einen Anderen schädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt. Wer die in § 2 f. aufgestellten Regeln befolgt, wird freilich dadurch auch seinem eigenen Interesse gerecht. Welche Sorgfalt der Verkehrsteilnehmer über die ihm durch die § 2 f. auferlegten Pflichten hinaus anwenden muß, sagt das Gesetz nicht, weil die Fälle unüberschaubar sind, in denen der Verkehrsteilnehmer auf Grund der allgemeinen Sorgfaltspflicht zu einem bestimmten Verkehrsverhalten veranlaßt werden kann. Die Rechtsprechung hat aber gewisse Grundsätze erarbeitet, die bei der Prüfung der Frage, wie weit im Einzelfall die Sorgfaltspflicht reicht, von Bedeutung sind. 36
bb) Vertrauensgrundsatz
Sinn und Zweck
Die zunehmende Schwierigkeit, im Straßenverkehr Schaden zu vermeiden, liegt in der Zunahme der Fahrzeuge und ihrer Geschwindigkeit. Der Verkehrsteilnehmer muß den öffentlichen Verkehrsgrund mit anderen teilen, er muß sich auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer einstellen. Wird für ihn erkennbar, daß die Gefahr eines Zusammenstoßes mit anderen Verkehrsteilnehmern besteht, dann muß er für Abhilfe besorgt sein. Die Schwierigkeit liegt darin, festzustellen, wie weit das Vertrauen in verkehrsgerechtes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt ist. Sobald die Grenze berechtigten Vertrauens überschritten ist, wird ein bis dahin richtiges Verkehrsverhalten vorwerfbar. Diese Grenze aufzuzeigen, ist Aufgabe des sog. Vertrauensgrundsatzes. Das Wort „Vertrauen" wird zwar in diesem Zusammenhang sprachlich nicht ganz korrekt angewendet 72 ). Das Wort „Vertrauensgrundsatz" hat sich aber eingebürgert und beschreibt deutlich genug, was gemeint ist. Daran muß freilich festgehalten werden, daß nach dem „Vertrauensgrundsatz" nur auf das verkehrsgerechte Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer „vertraut" werden darf, nicht etwa darauf, daß sich auf der Straße keine Glatteisstellen befinden, oder daß man selbst eine schwierige Verkehrslage gerade noch meistern wird. Geschützt wird das Vertrauen in den Partner am Verkehr, in dessen verkehrsgerechtes Verhalten. Treten andere Verkehrsteilnehmer mit dem Fahrzeugführer sonst irgendwie in Verbindung, z. B. als Einweiser, dann kann er sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Ob und inwieweit solchen Personen gegenüber Vertrauen gerechtfertigt ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen 7 3 ). Der Vertrauensgrundsatz ist historisch mit der Verteidigungsstellung zu erklären, in der sich das Auto bei seinem Eintritt in den Straßenverkehr gegenüber dem nicht motorisierten Teil der Menschheit befand. Der lästige Eindringling wurde ursprünglich von allen Seiten behindert und drangsaliert. Aufgabe der Gerichte war es, einen billigen Ausgleich zwischen der neuen Klasse von Straßenbenutzern und der Welt der Fußgänger, Kutschfahrer und Reiter herbeizuführen. Der Vertrauensgrundsatz war seinem Wesen nach keine Neuerfindung, sondern gestaltet nur den alten Grundsatz des „nemo ultra posse tenetur" für den Straßenverkehr näher aus. Fahrlässig handelt nur, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen imstande ist, außer acht läßt. Der Kraftfahrer wäre überfordert, müßte er sich auf die Möglichkeit verkehrswidrigen Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer uneingeschränkt einstellen. Der Vertrauensgrundsatz war eine der Voraussetzungen für die Ent71 72
38
) BayObLGSt. 59, 13 (14. 1. 59) — VRS 17, 232 = VerkMitt. 59, 30. ) Clauß in JR 64, 207.
73
) Köln 13. 11. 62, VerkMitt. 63, 39 = JMB1. NRW 63, 85 = VRS 24, 398.
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Vertrauensgrundsatz
wicklung des modernen Straßenverkehrs. Diese Entwicklung etwa durch ein Verbot des motorisierten Verkehrs abzuschneiden, war ausgeschlossen, weil zu viele G r ü n d e f ü r seine Ausbreitung sprachen. Inzwischen hat das A u t o die alten Verkehrsarten v o n der F a h r b a h n verdrängt, in der Verteidigung befindet sich jetzt v o r allem der Fußgänger. N u n gilt es, den Ü b e r m u t der K r a f t f a h r e r einzudämmen, sie zu „ d e f e n s i v e m " Fahren anzuhalten. D a s kann geschehen, indem m a n den Vertrauensgrundsatz vorsichtig abgrenzt. D e r im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnte Vertrauensgrundsatz ist also kein starrer Rechtssatz. Es m u ß v o n Fall zu Fall untersucht werden, ob die Grenze berechtigten Vertrauens überschritten wurde. Auch werden sich i m L a u f e der Zeit die Meinungen, w o die G r e n z e erlaubten Vertrauens zu ziehen ist, i m m e r wieder ändern 7 4 ). D a die Frage, welche S o r g f a l t aufzuwenden ist, mit der Frage, wieweit auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer v e r t r a u t werden darf, eng v e r k n ü p f t ist, w i r d der Vertrauensgrundsatz im R a h m e n der Erläuterungen zu den einzelnen Verkehrsregeln jeweils einen breiten R a u m einnehmen. V o n besonderer B e d e u t u n g ist die Frage f ü r die richtige Bemessung der Geschwindigkeit (vgl. § 3 R N r . 7—9). H i e r sollen nur wichtige allgemein gültige Grundsätze aufgeführt werden: Inhalt und rechtliche
Bedeutung
Jeder, der a m Verkehr teilnimmt, darf grundsätzlich auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer vertrauen. D e r Vertrauensgrundsatz ist kein Privileg f ü r K r a f t f a h r e r , m a g seine Entwicklung auch eine Folge der Ausbreitung des K r a f t v e r k e h r s gewesen sein. Nicht n u r der K r a f t f a h r e r darf also auf verkehrsgerechtes Verhalten v o n Fußgängern, sondern u m g e kehrt auch der Fußgänger auf verkehrsgerechtes Verhalten v o n K r a f t f a h r e r n vertrauen. Nach d e m Vertrauensgrundsatz braucht ein Verkehrsteilnehmer nicht mit unsachgemäßem, verkehrswidrigem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen. D e r S a t z gilt aber nicht uneingeschränkt: Mit solchem Verhalten, das nach den U m s t ä n d e n bei verständiger Ü b e r l e g u n g naheliegt, m u ß er rechnen. D e r zweite Satz, der den ersten nicht unerheblich einschränkt, r ä u m t d e m Richter die Entscheidung ein, unter welchen U m s t ä n d e n m i t verkehrswidrigem Verhalten bei verständiger Ü b e r l e g u n g zu rechnen ist. Beim Abstecken der Grenzen berechtigten Vertrauens wird es entscheidend auf Billigkeitserwägungen hinauslaufen. D a s Maß der v o m Verkehrsteilnehmer zu f o r d e r n d e n S o r g f a l t wird danach zu bemessen sein, welche S o r g f a l t er billigerweise bei den übrigen Verkehrsteilnehmern v o r aussetzen darf. Wer die Grenze berechtigten Vertrauens nicht überschreitet und die Verkehrsregeln einhält, handelt richtig. D e r Vertrauensgrundsatz schließt also nicht nur die Schuld, sondern die Rechtswidrigkeit aus. E r beherrscht das gesamte Straßenverkehrsrecht und ist zur Bewältigung des m o d e r n e n Verkehrs unentbehrlich. M a n m u ß sich aber darüber im klaren sein, daß er nicht etwa auf der F i k t i o n beruht, alle Verkehrsteilnehmer hielten sich genau an die Verkehrsregeln. D a g e g e n spräche leider die E r f a h r u n g . Durch den Vertrauensgrundsatz wird der Grundpfeiler des Straßen Verkehrsrechts, daß Sicherheit vor Flüssigkeit geht, berührt. D i e Sicherheit des Verkehrs wird zu Gunsten seiner Flüssigkeit beeinträchtigt. A u f g a b e der Rechtsprechung ist es, darüber zu wachen, daß sich diese Beeinträchtigung in erträglichen Grenzen hält. D a s Verhalten eines Verkehrsteilnehmers, der die Verkehrsregeln einhält und die Grenze des erlaubten Vertrauens nicht überschreitet, ist auch d a n n nicht rechtswidrig, wenn durch dieses Verhalten t r o t z der aufgewandten S o r g f a l t ein Schaden verursacht wird. D e r E i n t r i t t eines der vier „ E r f o l g e " des § 1 ist also noch kein Beweis f ü r fahrlässiges H a n d e l n des Verursachers. D a s gilt selbst dann, wenn ein solcher E r f o l g i m Sinne der Fahrlässigkeitslehre „ v o r a u s s e h b a r " war. D e r V e r t r a u e n s g r u n d s a t z besagt gerade, daß sich der Verkehrsteilneh~ 4 ) Uberblick über die Rechtsprechung zum Vertrauensgrundsatz bei Böhmer, J R 67, 291.
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§ 1 stvo
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mer nicht auf jedes voraussehbare Fahrverhalten anderer einrichten muß, sondern nur auf solches, das bei verständiger Würdigung nach den Umständen nicht fernliegt. War der eingetretene „Erfolg" nicht voraussehbar, dann bedürfte es keiner Untersuchung, ob der Verursacher darauf vertrauen durfte, daß sich der andere verkehrsgerecht verhielte. Ob der eingetretene Erfolg voraussehbar war, braucht aber logischerweise erst geprüft zu werden, wenn feststeht, daß sich der Verkehrsteilnehmer objektiv rechtswidrig verhalten und daß er durch dieses Verhalten einen Schaden verursacht hat. Solange er auf verkehrsgerechtes Verhalten des Geschädigten vertrauen darf, handelt er rechtmäßig, selbst wenn das Fehlverhalten des Geschädigten voraussehbar war. Zusammenfassend kann gesagt werden: „Der Vertrauensgrundsatz zeigt die Grenze zwischen dem erlaubten und dem verbotenen Wagnis im Straßenverkehr 75 ). Soweit der Vertrauensgrundsatz reicht, berechtigt er zwar dazu, sich auf vorschriftsmäßiges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu verlassen; er verpflichtet aber nicht dazu. Niemand kann daraus ein Vorwurf gemacht werden, daß er Vorkehrungen trifft, zu denen er nach dem Vertrauensgrundsatz nicht verpflichtet wäre. Allerdings ist ihm häufig nicht völlig freigestellt, wie er reagieren will. Ist zweifelhaft ob sich ein anderer richtig oder falsch verhalten werde, dann gelten die für unklare Verkehrslagen geltenden Grundsätze (RNr. 161)78). Audi f ü r die zivilrechtliche H a f t u n g aus § 7 StVG ist der Vertrauensgrundsatz nicht ohne Bedeutung. Doch ergeben sich wegen der andersartigen Beweislast Abweichungen 77 ). Eigenes Fehlverhalten Auf den Vertrauensgrundsatz darf sich in der Regel nur berufen, wer sich selbst verkehrsgerecht verhält. Das gilt selbst bei grobem Verschulden des anderen Unfallbeteiligten 78 ). Allerdings schließt eigenes Fehlverhalten die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz nur aus, wenn es f ü r den Unfall mitursächlich war 79 ). Wer darauf vertraut, daß der Wartepflichtige ihm die Vorfahrt läßt, darf sich auch dann auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn er sein Vorrecht zwar zutreffend, aber ohne zuverlässige Prüfung annimmt. Mag er bei Prüfung der Vorfahrtsfrage auch seine Sorgfaltspflicht verletzt haben, diese Pflichtverletzung war f ü r den Unfall nicht ursächlich, wenn ihm die Vorfahrt tatsächlich zustand 80 ). Ein mitursächliches Fehlverhalten, das die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes ausschließt, kann aber dann in ungenügender Aufmerksamkeit liegen, wenn die Unaufmerksamkeit f ü r den Unfall ursächlich war. Hätte ein Kraftfahrer bei genügender Aufmerksamkeit das verkehrswidrige Verhalten des anderen rechtzeitig erkennen können, so darf er sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn er es nicht erkannt hat 81 ). Dagegen schließt die Tatsache allein, daß ein Verkehrsteilnehmer unter Alkoholeinfluß steht, nicht aus, daß er auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer vertrauen darf 82 ). Wer auf Grund einer Bestimmung der § 2 f. StVO gegenüber einem anderen bevorrechtigt ist, darf im allgemeinen auf die Beachtung seines Vorrechts auch dann vertrauen, wenn er sich selbst nicht verkehrsgerecht verhält. So erlischt das Vorfahrtsrecht dadurch nicht, daß der Bevorrechtigte zu schnell oder nicht weit genug rechts fährt. Umgekehrt darf der Wartepflichtige nicht schlechthin darauf vertrauen, daß der Bevorrechtigte die Verkehrsregeln beachtet. Allerdings gibt es Grenzen, über die hinaus das Vertrauen dem Bevorrechtigten genommen und dem Wartepflichtigen gewährt wird. So darf der Wartepflichtige darauf vertrauen, daß der Vorfahrtberechtigte ein Verkehrszeichen beachtet, das dem nach § 8 zur Vorfahrt Berechtigten gebietet, vor der Kreuzung anzuhalten 83 ). Ähnlich liegt der 7ä
) Sdiönke-ScJiröder StGB § 59 R N r . 165, 197; Mühlhaus, Die Fahrlässigkeit in Rechtsprechung und Reditslehre S. 30. 76 ) BayObLG 13. 8. 69, 1 b St 131/1969. 77 ) Bremen 3. 12. 68, VersR 69, 739. 7S ) KG 22. 2. 62, VRS 23, 33. 7 ») B G H 4. 7. 57, VRS 13, 225; KG 22. 2. 62,
SO) 81
) ) S3) 82
VRS 23, 33 = DRspr. II (291) 98 a; BGH(Z) 2. 5. 61, VRS 21, 5. Köln 27. 3. 62, VRS 23, 168 = JMB1. N R W 62, 237 = DRspr. II (291) 100 c. Braunschweig 22. 1. 60, N d s R p f l . 60, 256. BGH(Z) 2. 5. 61, VRS 21, 5. B G H ( Z ) 26. 3. 63, VerkMitt. 63, 65.
Vertrauensgrundsatz
StVO
§1
Fall, w e n n u n m i t t e l b a r v o r der E i n m ü n d u n g der untergeordneten Straße ein beampelter Fußgängerüberweg liegt. Der Wartepflichtige darf darauf vertrauen, d a ß ein V o r f a h r t b e rechtigter n i d i t bei Rotlicht über den Fußgängerüberweg f ä h r t . (Allerdings w i r d der W a r tepflichtige häufig nicht m i t genügender Sicherheit feststellen können, ob die Fußgängerampel f ü r den Vorfahrtberechtigten tatsächlich Rotlicht zeigt). Zwischen dem eigenen Verhalten des V e r t r a u e n d e n u n d der rechtfertigenden W i r k u n g des Vertrauensgrundsatzes besteht also eine Wechselwirkung, die von der rechtlichen Stellung des V e r t r a u e n d e n gegenüber dem anderen beeinflußt w i r d . Erkennbarkeit
fremden
Fehlverhaltens
und unklare
Verkehrslage
Das berechtigte V e r t r a u e n erlischt n a t u r g e m ä ß , sobald e r k e n n b a r w i r d , d a ß der andere V e r k e h r s t e i l n e h m e r das V e r t r a u e n nicht rechtfertigt. Sobald der bis dahin berechtigterweise V e r t r a u e n d e w a h r n e h m e n kann, daß sich der andere v e r k e h r s w i d r i g verhält, m u ß er sidi auf dieses v e r k e h r s w i d r i g e Verhalten einstellen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß i m allgemeinen darauf v e r t r a u t w e r d e n darf, daß sich auch solche V e r k e h r s t e i l n e h m e r richtig verhalten, die zunächst noch nicht gesehen w e r d e n k ö n n e n . Solange ein anderer V e r kehrsteilnehmer nicht gesehen w e r d e n kann, k a n n nicht festgestellt werden, ob er sich richtig oder falsch verhält. So einleuchtend dieser Grundsatz scheint, gilt doch auch er nicht uneingeschränkt. Auch hier spielt die Verteilung der Rechte u n d Pflichten m i t herein. Der Vorfahrtsberechtigte z w a r darf uneingeschränkt darauf vertrauen, d a ß sich die für ihn nicht sichtbaren Wartepflichtigen richtig verhalten, der Wartepflichtige dagegen m u ß mit gewissen, häufig vorkommenden Verkehrswidrigkeiten des Vorfahrtberechtigten rechnen (vgl. § 8 R N r . 13). Die bei § 3 (dort R N r . 56—62) näher erläuterte Pflicht, „auf Sicht" zu fahren, geht von der E r w ä g u n g aus, ein K r a f t f a h r e r dürfe sich nicht darauf verlassen, daß der von i h m nicht eingesehene Teil der F a h r b a h n frei von Hindernissen sei. Er darf auch nicht d a r auf v e r t r a u e n , daß sich nicht andere V e r k e h r s t e i l n e h m e r in diesem Teil der Fahrbahn a u f halten. Daß i h m allerdings auf seiner Fahrbahnseite in dem nicht einsehbaren Teil der Fahrbahn ein anderer V e r k e h r s t e i l n e h m e r u n t e r V e r l e t z u n g des Rechtsfahrgebotes entg e g e n k o m m t , braucht er wieder nicht in Betracht zu ziehen. Insoweit darf er sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Die E r k e n n b a r k e i t f r e m d e n Fehlverhaltens entzieht dem auf verkehrsgeredites V e r halten V e r t r a u e n d e n den Schutz des Vertrauensgrundsatzes nicht schlechthin, sondern n u r insoweit, als entweder aus dem Verhalten des anderen eine generelle Verkehrsuntüchigkeit e r k e n n b a r w i r d oder gerade i m Hinblick auf den begangenen Fehler eine d a m i t z u s a m m e n hängende w e i t e r e V e r k e h r s w i d r i g k e i t e r w a r t e t w e r d e n muß 8 4 ). So darf auch ein besonders sorgfältiger Fahrer darauf v e r t r a u e n , daß ein v o r i h m Fahrender seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig u n d vorschriftsmäßig anzeigen werde, selbst w e n n der Abbieger soeben erst unter Verletzung des Vorfahrtrechts des Geradeausfahrenden von rechts in dessen Fahrbahn eingebogen war 8 5 ). W e r sich in irgendeiner Beziehung nicht verkehrsgerecht verhält, verliert dadurch also nicht jede V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t f ü r die übrigen V e r k e h r s teilnehmer, sondern n u r den Teil seiner V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t , der mit d e m Fahrfehler in n a h e m Zusammenhang steht. Die Frage, v o n w a n n ab verkehrswidriges V e r h a l t e n des anderen e r k e n n b a r w u r d e , ist häufig von ausschlaggebender Bedeutung. Reicht die dann noch z u r V e r f ü g u n g stehende Zeit nicht m e h r aus, u m einen U n f a l l zu vermeiden, dann t r i f f t den, der sich auf das v e r kehrsgerechte V e r h a l t e n des anderen verlassen hatte, selbst dann kein Schuldvorwurf, w e n n er das v e r k e h r s w i d r i g e Verhalten nicht sogleich w a h r g e n o m m e n hatte, als es f ü r ihn erk e n n b a r w u r d e . Denn in diesem Fall fehlt es an der Ursächlichkeit der ungenügenden A u f m e r k s a m k e i t f ü r den U n f a l l . 84 )
BGH(Z) 12. 5. 59, VersR 59, 789; 20. 12. 63, VRS 26, 331 = VersR 64, 486; BGH 24. 11.
a ) Hamm 25. 4. 61, VRS 22, 66 = DRspr. II (291) 95 c; Köln 15. 10. 63, VRS 26, 223; 24. 9. 65; VRS 29, 365 = DRspr. II (291) 138 a; a. M. Saarbrücken 3. 8. 61, JB1. Saarl. 62, 30 = DRspr. II (291) 95 a. 143
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§ 1 stvo
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ist. Bei dieser m u ß aber wiederum beachtet werden, daß das Aussdieren auf die Ü b e r h o l f a h r b a h n möglicherweise durch ein rasch auf der Ü b e r h o l f a h r b a h n nachfolgendes Fahrzeug in Frage gestellt wird. 59
Fahrbahnbeschaffenheit
und
Abstand
Zwischen der Fahrbahnbeschaffenheit und der Größe des notwendigen Abstandes bestehen theoretisch keine Beziehungen, weil das vorausfahrende Fahrzeug die gleichen Verhältnisse a n t r i f f t wie das nachfolgende. Praktisch kann es aber auf die Fahrbahnbeschaffenheit aus verschiedenen G r ü n d e n sehr wohl a n k o m m e n . Die Straßenlage der Fahrzeuge, die Reifenbeschaffenheit und das Fahrkönnen ihrer Fahrer ist sehr verschieden. Schwierige Fahrbahnverhältnisse, z. B. Glatteis, überwinden Fahrzeuge mit guter Straßenlage unter der F ü h r u n g eines erfahrenen und gewandten F a h r z e u g f ü h r e r s leichter als Fahrzeuge mit schlechter Straßenlage, g e f ü h r t v o n einem N e u l i n g . R a d f a h r e r sind auf schneeglatter F a h r b a h n besonders gefährdet. Ein hinter einem R a d f a h r e r herfahrender K r a f t f a h r e r m u ß in einem solchen Falle damit rechnen, daß der R a d f a h r e r stürzt. E r muß deshalb einen entsprechend großen A b s t a n d einhalten 1 4 5 ). Alle U m s t ä n d e , die zur Verlängerung des normalen Anhaltewegs beitragen können, müssen zur A u s d e h n u n g des Sicherheitsabstandes f ü h r e n . D a s gilt selbstverständlich auch f ü r die G ü t e der Bremsen und der R e i f e n . Sind die Reifen abgefahren, dann kann der Bremsweg je nach der Straßenbeschaffenheit sehr verschieden sein. Auf trockener Straße und auch bei Glatteis wirken sich zwar abgefahrene R e i f e n nicht schädlich aus, w o h l aber bei nasser und bei Schneematsch. Auch Reifen, die der Beschaffenheitsvorschrift des § 36 Abs. 2 S t V Z O noch entsprechen (Rillentiefe mindestens 1 m m ) können zu einer gefährlichen Verlängerung des Bremsweges führen, wenn sie gegenüber neuwertigen Reifen erheblich abgenutzt sind. 60
Abstand und Geschwindigkeit Zwischen Geschwindigkeit und G r ö ß e des notwendigen Abstandes besteht insofern eine Beziehung, als der A b s t a n d bei zunehmender Geschwindigkeit zunehmen muß. Ist der A b stand zu gering und prallt der Nachfolgende deshalb auf den Vorausfahrenden auf, dann ist § 1 S t V O verletzt. Fraglich k ö n n t e sein, ob nicht auch § 3 Abs. 1 verletzt ist. N a c h h. M. ist das nicht der Fall. Nach ihr soll zu geringer Abstand zwar eine Zuwiderhandlung gegen § 1 S t V O , nicht aber zugleich gegen § 3 S t V O sein 1 4 6 ). O b sich diese Rechtsprechung m i t der L o g i k vereinbaren läßt, erscheint fraglich. N a c h § 3 Abs. 1 hat der F a h r z e u g f ü h r e r seine Fahrgeschwindigkeit der jeweiligen Verkehrslage anzupassen. Fährt er hinter einem anderen Fahrzeug mit zu geringem Abstand her, dann muß er seine Geschwindigkeit herabsetzen, u m den nötigen Abstand zu gewinnen. D e r A b s t a n d ist nur im Hinblick auf die Geschwindigkeit zu gering. Es wäre deshalb wohl logischer, den m i t zu geringem A b s t a n d Nachfolgenden auch wegen Überschreitung der im H i n blick auf den gewählten Abstand zu hohen Geschwindigkeit zur Verantwortung zu ziehen. D a s O L G Celle meint, die Geschwindigkeitsvorschrift sei noch nicht verletzt, wenn durch die gewählte Geschwindigkeit ein anderer nur „ k o n k r e t " gefährdet würde, es müsse vielmehr unabhängig von einer solchen k o n k r e t e n G e f ä h r d u n g der Straßenverkehr bereits v o r h e r abstrakt gefährdet w o r d e n sein. Eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g , die nicht auch eine abstrakte G e f ä h r d u n g enthält, ist schwer vorstellbar. D a s richtige Maß der Geschwindigkeit k a n n immer nur in der Weise gefunden werden, daß die eigene Geschwindigkeit zu d e m übrigen Verkehrsgeschehen in Beziehung gesetzt wird. Eine Abstand 56—62). meinen 145 146
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andere Frage ist die, ob der hinter einem anderen Fahrzeug im angemessenen Nachfolgende von der Verpflichtung befreit ist, auf Sicht zu fahren (vgl. § 3 R N r . Folgt der Hintermann genau der Spur des Vordermannes, so kann er im allgesicher sein, daß sich auf seiner F a h r b a h n keine Hindernisse befinden. E r darf
) Nürnberg 23. 6. 67, VersR 69, 288. ) Celle 12. 2. 62, D A R 62, 271 = VerkMitt. 63, 7; H a m m 8. 5. 64, V R S 28, 385; ähnlich
Schleswig 14. 1. 65, VerkMitt. 65, 4 5 ; S a a r brücken 30. 5. 68, V R S 36, 309.
Abstand nach vorne
StVO
§ 1
deshalb auch schneller als auf Sicht fahren. Allerdings muß er in der Lage bleiben, Ausweichbewegungen des vorausfahrenden Fahrzeugs folgen zu können 147 ). Von besonderer Bedeutung ist dies für das Fahren bei Nacht, wo sich häufig mit Abblendlicht fahrende Fahrzeuge solchen anhängen, die ihrerseits mit aufgeblendeten Scheinwerfern fahren. Vor allem bei Nacht auf der Autobahn, von deren Benutzung nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sind und bei der nicht mit Querverkehr zu rechnen ist, genügt der Kraftfahrer seiner Pflicht aus § 3 Abs. 1, wenn er aufmerksam dem vorausfahrenden Fahrzeug in einem Abstand folgt, der es ihm erlaubt, seine eigenen Fahrbewegungen denen des Vordermannes anzupassen 148 ); (s. § 18 Abs. 6). Abstand auf der
Autobahn
Für den Abstand auf Autobahnen gibt es außer dem § 18 Abs. 6 keine besonderen Vorschriften, auch nicht für das Fahren auf der Überholfahrbahn 1 4 9 ). Wegen der üblichen hohen Geschwindigkeiten bei großer Verkehrsdichte ist aber die Einhaltung ausreichender Sicherheitsabstände dort besonders lebenswichtig 150 ). Wer auf der Autobahn hinter einem ihm die Sicht nach vorn versperrenden Fahrzeug herfährt, muß einen so großen Abstand halten und so aufmerksam fahren, daß er beim plötzlichen Ausscheren des vorderen Fahrzeugs auf die Überholspur entweder dessen Fahrspur folgen und wie dieses ein in der Fahrbahn befindliches Hindernis umfahren oder vor dem Hindernis noch anhalten kann 1 5 1 ). In einem solchen Fall kann der normale Abstand unzureichend sein 130 ). Dagegen genügt ein solcher beim normalen Fahren in der Kolonne. Der Fahrzeugführer darf, solange er nichts Gegenteiliges wahrnimmt, darauf vertrauen, daß seine Vordermänner mit dem gebotenen Abstand und der erforderlichen Aufmerksamkeit fahren und braucht deshalb nicht damit zu rechnen, daß der vor ihm Fahrende durch Auffahren auf seinen Vordermann rudiartig zum Stehen kommt 1 5 2 ). Abstand im
Großstadtverkehr
Für das Fahren innerhalb einer Großstadt gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie im übrigen Verkehr. Wer hinter einem anderen Fahrzeug herfährt, muß sogar, falls er die vor diesem Fahrzeug liegende Fahrbahn nicht überblicken kann, in erhöhtem Maß mit plötzlichem Anhalten des Vordermannes rechnen und darnach seinen Abstand bemessen 153 ). A u d i im Großstadtverkehr darf in der Regel nicht darauf vertraut werden, daß der Vordermann keine verbotene Bremsung vornehmen werde 1 5 4 ). Nur in Ausnahmefällen, an die ein strenger Maßstab anzulegen ist, kann der Kraftfahrer dort der Pflicht enthoben sein, den sonst gebotenen Abstand einzuhalten. Sofern er imstande ist, die vor dem vorausfahrenden Fahrzeug liegende Fahrbahn genau zu überblicken und als hindernisfrei zu erkennen, mag ausnahmsweise eine Verkürzung des Abstandes zwischen den beiden Fahrzeugen anhängig sein, sofern sie nach der gerade gegebenen Verkehrslage zweckmäßig erscheint. Auch wenn der Kraftverkehr so dicht ist, daß seine glatte und zügige Abwicklung nicht mehr möglich wäre, falls die Kraftfahrzeuge den für den Regelfall zu fordernden Abstand einhalten müßten, kann eine Ausnahme anerkannt werden, z. B. beim Anfahren von Halt-Stellen weg oder sonst an Brennpunkten des Verkehrs 1 3 5 ). Auf keinen Fall darf der Abstand aber geringer sein, als daß der Nachfolgende das Auffahren vermeiden kann, wenn der Vordermann normal und verkehrsgerecht bremst. Damit freilich braucht der Nachfolgende nicht ohne weiteres zu redinen, daß sich der zum Anhalten 147)
Köln 15. 10. 63, V R S 26, 223. B G H ( V G S ) St. 16, 145 (1. 7. 61) = D A R 61, 260 = M D R 61, 807 = N J W 61, 1588 = V e r k M i t t . 61, 33. " » ) B G H ( Z ) 1. 7. 69, VersR 69, 900. 1 5 °) B G H S t . 17, 223 (wie Fußn. 127); BGH(Z) 23. 4. 68, VersR 68, 670, 894 m. A n m . v . Förstl; v g l . auch Lehmann, D A R 70, 203. 1 5 1 ) Köln 24. 9. 65, V R S 29, 365; a. M . H a m m 10. 10. 58, V R S 17, 66. 14«)
152)
H a m b u r g 15. 2. 67, V e r k M i t t . 67, 46 = V R S 33, 59. «) B a y O b L G S t . 55, 169 (4. 10. 55) = DAR 56, 111 = V k B l . 56, 39. 186 ) B G H ( Z ) 18. 12. 62, V e r s R 63, 358. 187 ) H a m m 5. 5. 61, V R S 22, 60 = D R s p r . II (291) 93 e; C e l l e 19. 10. 61, N d s R p f l . 62, 9. >88) B G H 3. 7. 56, V R S 11, 2 4 9 .
§ 1 stvo
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Lücke für den Querverkehr freigehalten haben. Hält er zur Kolonne einen Abstand, der es einem von der Seite her in seinen Fahrstreifen Einfahrenden ermöglicht, sich einen Überblick über die Verkehrslage zu verschaffen, so braucht er seine Geschwindigkeit nicht auf eine Verletzung seiner Vorfahrt einzurichten. Hält er dagegen einen geringeren Abstand ein, dann muß er so langsam fahren, daß er vor einem aus der Lücke kommenden Verkehrsteilnehmer noch anhalten kann 1 8 '). Das gilt entsprechend auch bei der Vorbeifahrt an einer in der Gegenrichtung haltenden Kolonne und an Lücken, die sich in Höhe einer Tankstellenausfahrt befinden 188 "). Steht ein Linienomnibus an einer Haltestelle, dann muß damit gerechnet werden, daß hinter ihm hervor Fußgänger die Fahrbahn betreten. Deshalb ist ein vorbeifahrender Kraftfahrer zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet. Er muß reaktionsbereit sein 190 ). Der Kraftfahrer darf nicht darauf vertrauen, daß Fußgänger nur knapp hinter dem Omnibus hervortreten. Vielmehr muß er damit rechnen, daß sie unachtsam einige Schritte in die Fahrbahn treten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Darauf, daß sie die ganze Fahrbahn unachtsam überqueren braucht er sich dagegen von vorneherein nur dann einzurichten, wenn er zuvor alte Leute oder Kinder in der Nähe des Omnibusses wahrgenommen hat. Nach h. M. ist beim Vorbeifahren an einem Omnibus, gleichviel, ob er in der Fahrtrichtung des Vorbeifahrenden rechts oder in der Gegenrichtung links am Fahrbahnrand hält, ein Abstand von 1,80 — 2 m einzuhalten 1 * 1 ). Dieser Seitenabstand darf nicht erst beim Vorbeifahren, sondern muß schon in angemessener Annäherungsentfernung erreicht werden. Denn nur so hat der Kraftfahrer die Gewähr, daß er auf solches Verhalten der ausgestiegenen Fahrgäste sachgemäß reagieren kann, mit dem er rechnen muß. Hält der Kraftfahrer diesen Seitenabstand ein, so braucht er seine Geschwindigkeit nur dann auf die sog. „Anhaltegeschwindigkeit" herabzusetzen, wenn zusätzliche Anhaltspunkte erkennbar sind, daß mit einem unachtsamen Überqueren der ganzen Fahrbahn durdi Fußgänger zu rechnen ist 192 ). Kann dieser Abstand aus irgendwelchen Gründen nicht eingehalten werden, dann muß entsprechend langsam vorbeigefahren werden. D e r Meinung des O L G Saarbrücken 1 9 3 ), in einem solchen Falle dürfe bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h auch mit einem Abstand von nur 1, 50 m vorbeigefahren werden, kann nicht gefolgt werden. Linienomnibusse halten normalerweise am Fahrbahnrand. Steigen die Fahrgäste ausnahmsweise auf der Fahrbahn ein- und aus, dann darf nach § 20 Abs. 1 an dem Omnibus rechts nur mit mäßiger Geschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, daß eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist (s. § 20 R N r . 3). Bei der Vorbeifahrt an einem im Arbeitseinsatz befindlichen Müllfuhrwerk muß ein ähnlicher Abstand eingehalten werden falls damit zu rechnen ist, daß zunächst noch nicht sichtbare Müllwerker die Straße unvorsichtig überqueren könnten 1 8 4 ). Für den, der langsam an einem haltenden Müllwagen vorbeifährt, dessen Personal rechts stehende Mülltonnen entlädt, soll (selbst bei Schneeglätte) ein Abstand von 1 m ausreichen 195 ). Für das Vorbeifahren an einem VW-Combi, der der Personenbeförderung dient, sind die für das Vorbeifahren an Linienomnibussen geltenden Regeln nicht anzuwenden. Dafür gelten die allgemeinen Grundsätze (Abstand mindestens 50 cm) 1 9 6 ). Ist auf der Verzögerungsspur der Autobahn eine Fahrzeugkolonne abgestellt, so genügt zur Vorbeifahrt ein Abstand von 1,50 m 1 9 7 ). ) BayObLGSt. 65, 28 (3. 3. 65) = VerkMitt. 65, 51 = VRS 29, 384; Köln 19. 1. 65, VRS 28, 452 = VerkMitt. 66, 14. 189 *) BayObLG 15. 1. 71, 5 Ws (B) 96/1970. "») BGH(Z) 9. 4. 68, VersR 68, 702. 1 9 1 ) BGHSt. 13, 169 (27. 5. 59) = NJW 59, 1547; BGH 10. 4. 68, NJW 68, 1532, 2152 (Anm. v. Reinelt) = VRS 35, 114 = VerkMitt. 68, 69 = DRspr. II (291) 163 e; Celle 17. 7. 61, DAR 62, 80; Hamm 29. 9. 67, VRS 34, 281. 189
58
) Köln 10. 6. 69, VRS 38, 305 = VerkMitt. 69, 87 = DRspr. II (291) 180 c. ) Saarbrücken 26. 6. 64, NJW 64, 2421 = DRspr. II (291) 125 c. 1 M ) Hamm 21. 12. 67, VRS 35, 58 = VerkMitt. 68, 78 = DRspr. II (291) 163 c, d. 1 9 ä ) Hamm 19. 9. 69, VRS 39, 198. 1 M ) BayObLG 5. 8. 68, 2 a St 215/1968. 1 9 7 ) Köln 16. 7. 68, VRS 36, 197. 192 193
stvo § 1
Änderung der Fahrtrichtung
Besondere Vorsicht ist bei der Vorbeifahrt an Fußgängern geboten. Bei Fußgängern, die auf der Fahrbahn stehen und erkennbar auf den Verkehr achten, soll zwar bei mäßiger Geschwindigkeit ein Abstand von 50 cm genügen, in allen anderen Fällen muß er aber mindestens 1 m betragen 198 ). An einem in der Straßenmitte wartenden Fußgänger darf nicht mit einem so geringen Abstand vorbeigefahren werden, daß dieser schon bei einer geringen Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung gefährdet wird19*). Änderung der Fahrtrichtung innerhalb der Fahrbahn Allgemeines Jede nicht ganz unwesentliche Änderung der Fahrtrichtung kann andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen: Begegnende, Uberholende, auf dem Nachbarstreifen Fahrende. Wer durch eine Änderung seiner Fahrtrichtung Andere in Gefahr bringen könnte, hat auf Grund der allgemeinen Sorgfalts- und Rücksichtspflicht dafür zu sorgen, daß sie nicht gefährdet werden. Die StVO 1937 enthielt zwar, im Gegensatz zur neuen, einen besonderen Paragraphen über Anzeigen der Fahrtrichtungsänderung ( § 1 1 StVO 1937). Darnach hatte, wer seine Richtung ändern wollte, dies anderen Verkehrsteilnehmern rechtzeitig und deutlich anzuzeigen. Nach h.M. bezog sich dieses Gebot aber nur auf Richtungsänderungen, die aus der Fahrbahn hinausführen: Abbiegen in andere Straßen, in Grundstücke, Wenden auf die Gegenfahrbahn; nicht dagegen auf Riditungsänderungen innerhalb der Fahrbahn. Wieweit die Anzeigepflidit in einzelnen Fällen aus § 1 hergeleitet werden konnte, war fraglich200). Die neue StVO bedeutet in diesem Punkt gegenüber der alten einen Fortschritt. Nunmehr ist auch für die meisten Fälle der Richtungsänderung innerhalb der Fahrbahn die Anzeigepflicht ausdrücklich vorgeschrieben: § 5 Abs. 4 S. 2 (Ausscheren zum Überholen), § 6 S. 2 (Ausscheren zum Vorbeifahren), § 7 S. 3 (Fahrstreifenwechsel), § 10 S. 2 (Einfahren und Anfahren), § 42 Z. 306 mit Zusatzschild (Benutzung der abknickenden Vorfahrtstraße). Wie bisher besteht auch beim Abbiegen aus der Fahrbahn heraus in eine andere Straße oder in ein Grundstück sowie beim Wenden die Ankündigungspflicht (§ 9 Abs. 1 S. 1). Der Wortlaut des Gebotes ist in allen Fällen der gleiche: Die Richtungsänderung ist „rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen." Der in § 1 1 Abs. l S. 2 StVO 1937 enthaltene Hinweis, daß das Anzeigen nicht von der gebotenen Sorgfalt befreie, fehlt, weil die neue StVO in allen Fällen, in denen die Ankündigung der Richtungsänderung durch den Fahrtrichtungsanzeiger verlangt wird, gleichzeitig eine erhöhte Sorgfaltspflicht auferlegt. Wer überholt oder an einem Hindernis vorbeifährt, hat auf den nachfolgenden Verkehr zu „achten"; wer den Fahrstreifen wechselt, in die Fahrbahn einfährt oder vom Fahrbahnrand anfährt, muß sich so verhalten, daß die Gefährdung anderer „ausgeschlossen" ist; wer dem Lauf einer abknickenden Vorfahrtstraße folgen will, muß auf Fußgänger „besondere Rücksicht nehmen". Soweit die StVO für das Verhalten bei Richtungsänderungen ausdrückliche Vorschriften enthält, werden diese an ihrem Ort erläutert: Ausscheren zum Überholen § 5 RNr. 28; Ausscheren zum Vorbeifahren an Hindernissen § 6 RNr. 6; Fahrstreifen Wechsel § 7 RNr. 8; Abbiegen in eine andere Straße § 9 RNr. 4 f.; Abbiegen in ein Grundstück § 9 RNr. 50; Wenden § 9 RNr. 51; Einfahren § 10 RNr. 3 f.; Anfahren vom Fahrbahnrand § 10 RNr. 9 f.; Benutzung der abknickenden Vorfahrtstraße § 8 RNr. 26. Im folgenden soll geprüft werden, wieweit in anderen Fällen aus § 1 besondere Pflichten hergeleitet werden können, insbesondere die Pflicht der Ankündigung durdi den Fahrtrichtungsanzeiger. Allgemein ist zum Problem der Richtungsänderung innerhalb der Fahrbahn zu sagen: 19 «)
199)
BGH 6. 11. 52, VRS 5, 46. BGH 10. 11. 61, VRS 22, 128 = DAR 62, 83 = MDR 62, 244 = N J W 62, 259 = VerkMitt. 62, 15 = VkBl. 62, 259.
2 »°)
Vgl. zur früheren Rechtslage Möhl, DAR 65, 197, 203.
§ 1
stvo
Möhl
Der zunehmende Verkehr kann nur bewältigt werden, wenn die Verkehrsteilnehmer mehr als bisher aufeinander Rücksicht nehmen und sich nach Möglichkeit gegenseitig helfen. Dazu gehört auch die Pflicht, alle Richtungsänderungen zu vermeiden, die nicht notwendig sind, also vor allem das hektische Überholen. Das amerikanische „stay in lane" sollte auch bei uns oberster Grundsatz werden. Bei allen unvermeidbaren Richtungsänderungen, gleichviel ob sie aus der Fahrbahn herausführen oder nicht, sind die Pflichten dessen, der den gleichmäßigen Verkehrsfluß stört, mit Recht verschärft worden. Die Verwendung des Richtungszeichens zur Ankündigung aller erheblichen Fahrtrichtungsänderungen muß zur selbstverständlichen Gewohnheit aller K r a f t f a h r e r werden. Pflichten nach § 1? 71
Richtungszeichen? Die neue S t V O hat zwar wichtige Richtungsänderungen ausdrücklich geregelt, die bisher nur nach § 1 erfaßt werden konnten. Es gibt aber noch Fälle von Richtungsänderungen, die auch nach der neuen S t V O nicht ausdrücklich geregelt sind. So wird der Fahrstreifenwechsel nur dann an die Bedingung geknüpft, daß die Gefährdung anderer ausgeschlossen sein muß, wenn sich auf den Fahrstreifen „Fahrzeugschlangen" gebildet haben. (§ 7 S. 2 mit S. 1). Auch die Pflicht, „jeden" Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen (§ 7 S. 3) soll sich wahrscheinlich nur auf den Fall des S. 1 beziehen (s. § 7 R N r . 8). Darnach fehlen Vorschriften für den Fahrstreifenwechsel bei aufgelockertem Verkehr, und zwar selbst dann, wenn nach § 2 Abs. 2 S. 2 in Fahrstreifen gefahren werden darf. Hier zeigt sich, daß die neue S t V O gerade beim Versuch, den mehrspurigen Verkehr zu bewältigen, von einem Wunschbild ausgeht, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Tatsächlich werden sich durch die neue S t V O nur wenige daran hindern lassen, mindestens auf Straßen mit mehreren durch Leitlinien (Z. 340) markierten Fahrstreifen immer den Fahrstreifen zu benutzen, der ihnen für ihre Zwecke am passendsten erscheint. Auch bilden und lockern sich Fahrzeugschlangen in dauerndem Wechsel, ohne daß genau gesagt werden könnte, wann eine Schlange schon oder noch Schlange im Sinne des § 7 ist. In allen Fällen ist der Fahrstreifenwechsel besonders gefährlich, gefährlicher als in Fällen, in denen sich tatsächlich eindeutig „Schlangen" gebildet haben. Soll in solchen Fällen derjenige, der den Fahrstreifen wechselt, nicht verpflichtet sein, zu prüfen, ob nicht ein Benutzer des Nebenstreifens durch den Streifenwechsel gefährdet wird? Soll er etwa auf den V e r k e h r auf dem Nebenstreifen gar nicht „achten" müssen? Soll er, darf er ein Richtungszeichen geben? Die allgmeine Sorgfaltspflicht wird man ohne Schwierigkeit nach der jeweiligen Verkehrslage richtig bemessen können. Sie wird sich von der Sorgfaltspflicht beim Fahren in Schlangen kaum unterscheiden. Dagegen bleibt fraglich, ob dem § 1 das Gebot entnommen werden könnte, auch hier beim Fahrstreifenwechsel ein Richtungszeichen zu geben. Die Frage wird, von besonders gelagerten Fällen abgesehen, zu verneinen sein. Die Verwendung des § 1 als „Auffangtatbestand" ist zwar unbedenklich, solange die allgemeine Pflicht, keinen anderen in Gefahr zu bringen, näher ausgedeutet wird. Dagegen sollen technische Ordnungsvorschriften des Straßenverkehrsrechts nicht mit H i l f e des § 1 ausgeweitet oder gar umgewandelt werden. Die Vorschriften der S t V O zur Frage, wann und in welcher Weise eine beabsichtigte Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen ist, gehören überwiegend zu den Ordnungsvorschriften. Die Frage muß durch den Gesetzgeber geregelt werden, wie dies auch in der neuen S t V O in weitem U m f a n g geschehen ist. Man würde den einzelnen überfordern, wenn man ihm die Entscheidung darüber zuschöbe, ob im Einzelfall ein Richtungszeichen gegeben werden soll, obwohl die S t V O für diesen Fall die Ankündigung der Richtungsänderung nicht ausdrücklich vorschreibt. Immerhin sind Ausnahmelagen denkbar, in denen sich die Notwendigkeit eines Richtungszeichens so sehr aufdrängt, daß eine Pflicht nach § 1 unbedenklich angenommen werden kann. So muß ein Richtungszeichen sicher dann gegeben werden, wenn auf andere Weise eine Gefahr nicht vermieden werden kann 2 0 1 ). 201
) BGH 17. 12. 53; DAR 54, 67; 21. 12. 56, VRS 12, 174; Hamm 26. 3. 53, VRS 5, 383.
60
Richtungszeichen;
stvo § 1
Rückschau
Eine andere Frage ist die, ob ein Richtungszeichen nicht wenigstens gegeben w e r d e n darf, wenn es nicht vorgeschrieben ist. Allgemein k a n n gesagt werden, d a ß ein R i c h t u n g s zeichen i m m e r gegeben werden darf, w e n n es dazu beitragen k a n n , V e r k e h r s g e f a h r e n v o r zubeugen. Gegen die „ f a k u l t a t i v e " V e r w e n d u n g des Richtungszeichens w u r d e eingewandt, durch sie k ö n n e V e r w i r r u n g gestiftet werden. So k ö n n t e n d a r ü b e r Zweifel entstehen, ob das linke Blinkzeichen i m Einzelfall die Ü b e r h o l - o d e r die Abbiegeabsicht anzeige. E i n solcher I r r t u m wäre aber in der R e g e l unschädlich. O b ein H i n t e r m a n n das Zeichen des V o r d e r m a n n s als Anzeige der Ü b e r h o l a b s i c h t oder der Abbiegeabsicht a u f f a ß t , ist gleichgültig. In beiden Fällen m u ß er seine eigene Ü b e r h o l a b s i c h t zurückstellen. Rückschau Aus der allgemeinen Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß andere nicht gefährdet werden, ergibt sich ohne weiteres, d a ß jeder, der seine Fahrtrichtung erheblich ändert, sei es, d a ß er aus der F a h r b a h n abbiegt oder d a ß er i n n e r h a l b der F a h r b a h n seine F a h r s p u r verlegt, z u rüdcschauen muß, ob dadurch Nachkommende gefährdet werden. In den oben bezeichneten Fällen (§ 5 Abs. 4 S. 2, § 6 S. 2, § 7 S. 3, § 10 S. 2) h a t der Gesetzgeber dies auch noch ausdrücklich angeordnet. Das W o r t „Rückschau" wird zwar vermieden, dem B e t r o f f e n e n w i r d auferlegt, auf den nachfolgenden V e r k e h r „zu achten" oder sich so zu v e r h a l t e n , daß eine G e f ä h r d u n g anderer „ausgeschlossen i s t " . Diesen G e b o t e n kann aber praktisch n u r dadurch entsprochen werden, d a ß man zurückschaut. D i e Rückschaupflicht bei allen Verkehrsvorgängen, durch die ein nachfolgender V e r k e h r s t e i l n e h m e r gefährdet w e r d e n k a n n , hat sich ähnlich wie die Pflicht, R i c h t u n g s ä n d e r u n g e n anzukündigen, nur langsam durchgesetzt. Selbst f ü r das A b biegen nach links in eine andere S t r a ß e h a t der B G H erst v o r wenigen J a h r e n seine f r ü h e r e Rechtsprechung aufgegeben, wonach eine Rückschau u n m i t t e l b a r v o r dem Abbiegen grundsätzlidi nicht als erforderlich angesehen w o r d e n w a r 2 0 2 ) . § 9 Abs. 1 S. 4 h a t die Ergebnisse dieser Rechtsprechung im wesentlichen ü b e r n o m m e n . A b e r auch für das Ausscheren z u m Ü b e r h o l e n , für das A n f a h r e n v o m F a h r b a h n r a n d und f ü r den Spurwechsel b e i m R e i h e n v e r kehr hatte die Rechtsprechung eine Rückschaupflicht nur zögernd bejaht. Diese Rückschaupflicht k a n n d e m § 1 u n m i t t e l b a r e n t n o m m e n werden, da bei der Z u n a h m e der V e r k e h r s dichte jede Ä n d e r u n g der F a h r t r i c h t u n g f ü r andere V e r k e h r s t e i l n e h m e r gefährlich werden k a n n . I m Gegensatz z u r Ankündigungspflicht durch Richtungszeichen, die in der S t V O erschöpfend geregelt ist, w i r d m a n die Rückschaupflicht o h n e B e d e n k e n auch in Fällen bejahen k ö n n e n , in denen sie den V o r s c h r i f t e n der §§ 2 f. nicht zu e n t n e h m e n ist. W e r seinen F a h r s t r e i f e n wechselt, m u ß deshalb auch dann zurückschauen und k l ä r e n , ob ein B e n u t z e r des N e b e n s t r e i f e n s durch den Streifenwechsel gefährdet wird, wenn sich noch keine F a h r zeugschlangen gebildet haben oder wenn diese in der Auflösung b e g r i f f e n sind und wenn der Fahrstreifenwechsel auch nicht im Z u s a m m e n h a n g m i t dem Ü b e r h o l e n oder Abbiegen steht. D i e natürliche G r e n z e der Rückschaupflicht ergibt sich aus i h r e r Z u m u t b a r k e i t . W e r seine R i c h t u n g ändert, darf durch die Pflicht nicht ü b e r f o r d e r t w e r d e n , m ö g e n auch nach dem W o r t l a u t des Gesetzes hier A u s n a h m e n nicht zulässig sein (s. § 9 R N r . 38). I m G r o ß s t a d t v e r k e h r wird es genügen müssen, w e n n sich der A b b i e g e r rechtzeitig u n t e r B e t ä t i g u n g des Richtungszeichens nach entsprechender Rückschau eingeordnet h a t . E i n e nochmalige Rückschau u n m i t t e l b a r v o r d e m Abbiegen w i r d nicht v e r l a n g t w e r d e n k ö n n e n , wenn die A u f m e r k s a m k e i t des Abbiegers durch G e g e n v e r k e h r und Q u e r v e r k e h r v o l l in Anspruch g e n o m m e n w i r d . U n t e r den gleichen Voraussetzungen sind auch V e r k e h r s l a g e n d e n k b a r , in denen der K r a f t f a h r e r bei Verlegung seiner F a h r s p u r i n n e r h a l b der F a h r b a h n z u r Rückschau außerstande ist. Auch braucht bei einer so geringfügigen Verlegung der Fahrlinie, daß ein m i t ausreichendem Sicherheitsabstand ü b e r h o l e n d e r H i n t e r m a n n nicht gefährdet w e r d e n k a n n , nicht zurückgeschaut zu w e r d e n 2 0 3 ) . N i c h t dagegen darf ein K r a f t 202
) BGHSt. 21, 91 (20. 7. 66) = N J W 66, 18 2 5 = VRS 31, 219 = VerkMitt. 66, 74.
203
) BayObLG 27. 6. 62, 1 St 162/1962.
§ 1
stvo
Möhl
fahrer, der zum linken Fahrbahnrand einen für eine Überholung ausreichenden Zwischenraum läßt, ohne erkennbaren Grund seine Fahrlinie erheblich nach links verlegen, ohne sich über den nachfolgenden Verkehr zu vergewissern. Wer, nachdem er sidi zum Zwecke des Linksabbiegens (unzulässigerweise) über die Fahrbahnmitte hinaus nach links eingeordnet hatte, wegen Gegenverkehrs wieder nach rechts ausbiegen muß, hat dabei auf den nachfolgenden Verkehr Rücksicht zu nehmen und seine Absicht anzuzeigen. Denn der nachfolgende Verkehr kann durch sein Fahrverhalten dazu verleitet werden, rechts zu überholen 204 ). Anders, wenn die Breite der Fahrbahn ein Uberholen nicht zuläßt, solange der Vordermann zum Fahrbahnrand einen angemessenen Abstand einhält. In diesem Fall braucht der Vordermann nicht dauernd nach rückwärts zu beobachten, ob vielleicht ein Hintermann überholen will. Das gilt auch für den Fall, daß der Vordermann — für nachfolgende Verkehrsteilnehmer erkennbar — seine Fahrspur einer naturgegebenen seitlichen Begrenzung der Fahrbahn in ständigen leichten seitlichen Veränderungen anpassen muß 205 ). Anhalten 73
Besondere
Haltevorschriften
Die Halteverbote finden sich in § 12 Abs. 1. Nach § 12 Abs. 4 ist zum Parken der rechte Seitenstreifen zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Das gilt in der Regel audi für den, der halten will; jedenfalls muß auch er auf der rechten Seite rechts bleiben. Soweit auf der rechten Seite Schienen liegen sowie in Eisenbahnstraßen (Z. 220) darf links gehalten und geparkt werden. Nach Abs. 5 gilt das Gebot platzsparend zu parken in der Regel auch für das Halten. In § 4 Abs. 1 S. 2 wird dem Vorausfahrenden verboten, ohne zwingenden Grund stark zu bremsen. Das früher in § 11 StVO 1937 enthaltene Gebot wurde gestrichen, nach dem das Halten anzuzeigen war. Es wurde wohl deshalb als entbehrlich angesehen, weil nach § 53 Abs. 2 StVZO Kraftfahrzeuge mit Bremsleuchten ausgerüstet sein müssen, die nach rückwärts die Betätigung der Betriebsbremse anzeigen. Diese besonderen Haltevorschriften werden an ihrem Ort erläutert. Die für das „Halten" oder sprachlich besser „Anhalten" geltenden Grundsätze müssen im übrigen wie bisher dem § 1 entnommen werden, dabei kann die zur StVO 1937 vorliegende Rechtsprechung im wesentlichen auch für die Auslegung der neuen StVO herangezogen werden. 74
Wie ist anzuhalten? Es gibt keine Vorschrift, die dem Kraftfahrer Anweisungen gibt, wie er zu halten hat. Normalerweise wird das Fahrzeug zum Anhalten abgebremst. Dazu dienen die Bremsen. Ob zuerst das Bremspedal oder zuerst das Kupplungspedal betätigt wird, steht im Belieben des Kraftfahrers 206 ). Der Motor kann die Aufgabe der Bremsen bis zu einem gewissen Grad übernehmen, wenn er entsprechend heruntergeschaltet wird. Aber auch dagegen ist nichts einzuwenden, daß das Fahrzeug im Leerlauf ausrollt. Dabei ist aber zu beachten, daß die allgemeine Rücksichtspflicht gebieten kann, durch Treten auf die Bremse nachfolgenden Verkehrsteilnehmern die Anhalteabsicht anzukündigen. Das Hinausfahren an den Straßenrand wird zwar zweckmäßigerweise durch das rechte Richtungszeichen angezeigt, damit sich nachfolgende Fahrzeuge darauf einstellen können. Das Richtungszeichen ist hier aber nicht vorgeschrieben, außer im Falle des Nebeneinanderfahrens (§ 7). Normalerweise kann überall, wo kein Halteverbot besteht, am Straßenrand zu jedem beliebigen Zweck angehalten werden. Dabei muß aber scharfes Bremsen vermieden werden, ) Schleswig 12. 8. 65, VerkMitt. 65, 90. °5) B G H ( Z ) 12. 3. 62, D A R 62, 267 = M D R 62, 550 = N J W 62, 1246 = VerkMitt. 62, 64 = VersR 62, 563 = V R S 23, 19.
204 2
62
20
») A. M. Düsseldorf 21. 2. 62, VerkMitt. 62, 49, das die Meinung vertritt, es sei sachgemäß erst auf das Bremspedal zu treten.
Anhalten
StVO
§1
wenn nachfolgende Verkehrsteilnehmer durch das Anhalten überrascht werden und möglicherweise wegen ungenügender Aufmerksamkeit selbst bei ausreichendem Abstand nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Das ist jetzt in § 4 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich vorgeschrieben, während es früher dem § 1 entnommen wurde 207 ). Der vorsichtige Kraftfahrer tippt mehrmals auf die Bremse, um Nachfolgende auf seine Anhalteabsicht rechtzeitig aufmerksam zu machen. Wer plötzlich und unerwartet anhält, kann auch gegen § 1 verstoßen, wenn er ohne berechtigten Grund anhält und dadurch den Aufprall eines Nachfolgenden verursacht. Wenn der Abstand des Nachfolgenden so groß ist, daß auch ein nur mäßig aufmerksamer Fahrer in jedem Fall die Möglichkeit zum Linksvorbeifahren oder zum Abbremsen seines Fahrzeugs hat, kann beim plötzlichen Anhalten die Voraussehbarkeit eines Aufprallunfalles zu verneinen sein208). Wer ohne dringenden Anlaß plötzlich anhält, darf nicht darauf vertrauen, daß ein Nachfolgender einen genügenden Sicherheitsabstand einhält 208 ). Wer sich bei Grünlidit einer Kreuzung nähert, darf dagegen darauf vertrauen, daß nachfolgende Verkehrsteilnehmer hinter ihm rechtzeitig zum Halten kommen, wenn er bei Gelblicht anhält 210 ). Rückschaup flicht Soweit der Anhaltende nicht darauf vertrauen darf, daß Nachfolgende sich rechtzeitig auf sein Anhalten einrichten werden, muß er vor dem Anhalten zurückschauen, um notfalls das Anhalten hinauszuschieben oder wenigstens seinen Bremsweg verlängern zu können. Ob er darauf vertrauen darf, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Wer seine Anhalteabsicht durch rechtzeitige und deutliche Betätigung der Bremsleuchten angezeigt hat, wird im allgemeinen nur dann zur Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs verpflichtet sein, wenn ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer wegen Gegenverkehrs nicht auf die Überholfahrbahn ausweichen kann. Wer dagegen scharf bremst, und deshalb seine Absicht nur durch ein kurzes Aufleuchten der Bremslichter anzeigt, muß auf alle Fälle zurückschauen, es sei denn, er würde selbst durch eine unvorhersehbare Verkehrslage zum scharfen Bremsen genötigt. Es muß also im Einzelfall festgestellt werden, ob eine Rückschau erforderlich und zumutbar war. Verbot des Anhaltern Audi in anderen als den in § 12 Abs. 1 bezeichneten Fällen kann das Anhalten verboten sein. Das Verbot ergibt sich dann aus § 1: Niemand darf einen anderen Verkehrsteilnehmer mehr als unvermeidbar behindern. So darf ein an der Spitze einer Fahrzeugreihe Fahrender nicht ohne vernünftigen Grund anhalten, wenn Gegenverkehr das Vorbeifahren an dem haltenden Fahrzeug unmöglich macht 211 ). Aus dem gleichen Grund darf ein Lkw auf enger Straße nicht zum Abladen von Ladegut aufgestellt werden, wenn dadurch der Durchgangsverkehr unmöglich gemacht oder auch nur mehr als unvermeidbar behindert wird 212 ). Entscheidend ist in solchen Fällen, ob die Behinderung des übrigen Verkehrs vermeidbar ist. Dabei müssen die Interessen der Allgemeinheit an der Flüssigkeit des Verkehrs und das Interesse des Betroffenen an der Abwicklung des Ladegeschäfts gegeneinander abgewogen werden 213 ). Auch dadurch, daß entgegen der Vorschrift des § 12 Abs. 4 nicht äußerst rechts gehalten wird, kann das Anhalten im Sinne des § 1 ordnungswidrig werden, wenn es den nachfolgenden Verkehr erheblich behindert 214 ). Kommt allerdings nur ein Fahrzeug entgegen, dann wird der Fahrzeugführer deshalb noch nicht von einem Anhalten absehen müssen. Dem nachfolgenden Verkehr kann in diesem Fall zugemutet werden, seine Fahrt solange abzustoppen, bis die Gegenfahrbahn zum Überholen des Anhaltenden frei wird. 207
) BayObLG 19. 8. 64, 1 b St 404/1964. ) BayObLG 15. 3. 67, 1 a St 50/67. ») BayObLGSt. 64, 123 (11. 8. 64) = DAR 65, 25 = N J W 65, 59 = VkBl. 65, 115 = VerkMitt. 64, 84 = VRS 28, 140 = DRspr. II (291) 107 d. 210 ) BayObLGSt. 59, 57 (24. 2. 59) = MDR 59, 512 = N J W 59, 1143. 20e
20
2") Schleswig 14. 6. 62, VerkMitt. 62, 90 = DRspr. II (291) 102 a. 212 ) Düsseldorf 3. 5. 62, VerkMitt. 62, 91 = DRspr. II (291) 102 b; 29. 8. 68, VerkMitt. 69, 14. 213 ) Saarbrücken 23. 8. 62, DAR 63, 196. 214 ) Celle 18. 3. 60, VRS 19, 311 = DRspr. II (291) 71 a; Düsseldorf 19. 7. 68, VerkMitt. 69, 55.
§ 1 stvo
Möhl
Solche geringfügige Behinderung ist im Straßenverkehr unvermeidbar. D a s soll auch f ü r eine 20 sec andauernde Behinderung gelten, die durch Anhalten und kurzes Warten auf eine gerade freiwerdende Parklücke während des Spitzenverkehrs auf einer Großstadtstraße herbeigeführt wird 2 1 5 ). Anhalten
in besonderen
Verkehrslagen
Einem K r a f t f a h r e r , dessen Fahrzeug über keinen K r a f t s t o f f a n z e i g e r v e r f ü g t , ist kein V o r w u r f daraus zu machen, daß er wegen K r a f t s t o f f m a n g e l s anhalten und den K r a f t s t o f f hahn auf „ R e s e r v e " umschalten muß. Ein solches Anhalten ist kein Parken. Es ist grundsätzlich auch an unübersichtlicher Stelle zulässig 2 1 6 ). Bei Begegnung mit einem schleudernden Fahrzeug muß s o f o r t am äußersten rechten F a h r b a h n r a n d angehalten werden 2 1 7 ). Aus § 1 kann sich die Pflicht ergeben, die Fahrbahn z u m Halten zu räumen, wenn die U m s t ä n d e dies erforderlich machen 2 1 6 ). Eine erhöhte S o r g f a l t hat anzüwenden, wer an den Straßenrand heranfährt, u m v o r einem im A n f a h r e n begriffenen Fahrzeug zu halten 2 1 9 ). B a n k e t t e = Seitenstreifen (vgl. § 2 R N r . 4) D i e S t V O spricht in § 2 Abs. 4 und § 25 Abs. 1, 2 v o n „Seitenstreifen". Diesen V o r schriften kann e n t n o m m e n werden, daß im Sinne des Gesetzes nur solche Seitenstreifen eine selbständige Bedeutung haben, die v o n der Fahrbahn deutlich abgegrenzt sind. Sie gehören zwar zur Straße, aber nicht zur Fahrbahn (vgl. die amtl. Begr. zu § 2 Abs. 4 S. 2). Sie sind Gehwege, in erster Linie f ü r Fußgänger bestimmt, daneben m i t Einschränkung auch f ü r R a d f a h r e r . D a die Bankette grundsätzlich nicht f ü r den Fahrverkehr bestimmt sind, müssen sie bei der Berechnung der zu einer Begegnung zur V e r f ü g u n g stehenden Fahrbahnbreite unberücksichtigt bleiben. Mit dem Ausweichen des E n t g e g e n k o m m e n d e n von der geteerten Fahrbahn auf ein B a n k e t t darf nicht gerechnet werden, selbst wenn dieses breit genug und o f f e n b a r tragfähig ist 2 2 0 ). D e r Zweck der Bankette ist, die volle A u s n u t z u n g der Fahrbahnbreite zu ermöglichen, den erforderlichen R a u m zwischen Fahrbahnrand und Leiteinrichtungen freizuhalten und abirrende Fahrzeuge zu sichern 2 2 1 ). O b w o h l die Bankette kein Teil der F a h r b a h n sind, dürfen sie doch auch v o n anderen Fahrzeugen als Fahrrädern in Ausnahmefällen benutzt werden, wenn dies sinnvoll ist, z. B. u m den Z u s a m m e n s t o ß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zu vermeiden oder einem Nachfolgenden das Ü b e r h o l e n zu ermöglichen. Wer das B a n k e t t befährt, m u ß aber nach der äußeren Beschaffenheit des Banketts sicher sein können, daß das B a n k e t t sein Fahrzeug trägt 2 2 2 ). K a n n allerdings anders als durch Ausweichen auf das B a n k e t t ein U n f a l l nicht vermieden werden, dann wird den F a h r z e u g f ü h r e r , der ausweicht, kein V o r w u r f treffen, auch wenn die Tragfähigkeit des Banketts zweifelhaft war. D e r K r a f t f a h r e r darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß Fußgänger vorhandene Seitenstreifen benutzen und nicht ohne triftigen Grund unachtsam die Fahrbahn betreten. Ist der Seitenstreifen aber schlecht begehbar, dann m u ß mit dem Auftauchen von Fußgängern auf der F a h r b a h n gerechnet werden 2 2 3 ). Baustellen Absperrungen u n d Kennzeichnungen von Arbeitsstellen: §§ 45 Abs. 6, 40 Z. 123. D i e Geschwindigkeit an Baustellen s. § 3 R N r . 21. Bauarbeiter A n gekennzeichneten Straßenbaustellen darf der K r a f t f a h r e r nicht darauf vertrauen, daß mit Arbeiten a m F a h r b a h n r a n d beschäftigte Arbeiter nur nach genügender Vergewisserung 5) Köln 29. 1. 63, DAR 63, 251 = JMB1. NRW 63, 135 = VRS 24, 458. 21 «) BayObLG 21. 6. 68, 1 a St 205/1968, bei Rüth, DAR 69, 226 (II 1.); vgl. aber auch Hamm 14. 5. 68, VRS 36, 220 = DRspr. II (291) 172 a. 2 " ) Celle 25. 4. 57, VersR 59, 525. 21®) BGH(Z) 7. 1. 60, VRS 18, 323.
21
64
) Stuttgart 9. 3. 62, VRS 24, 139. ) BayObLG 6. 12. 61, 1 St 593/1961; 8. 8. 62, 1 St 339/1962. 221 ) BGH(Z) 8. 7. 57, N J W 57, 1396 = VRS 13, 172. 2 2 2 ) BGH(Z) 2. 6. 61, VersR 61, 752; Hamm 20. 6. 63, VRS 26, 136. 2 2 3 ) BGH 30. 1. 58, VRS 14, 296. 219
220
Bankette; Baustellen
StVO
§ 1
Uber den Fahrverkehr in die Fahrbahn treten 2 2 4 ). Fährt ein Kraftfahrer an einer die Sicht in den dahinterliegenden Raum versperrenden Straßenbaumaschine mit einem seitlichen Abstand von 2 m vorbei, dann soll er sich allerdings nicht darauf einrichten müssen, notfalls vor einem hinter der Maschine hervortretenden, die Straße überquerenden Arbeiter anhalten zu können 2 2 5 ). Der sonst gegenüber Fußgängern geltende Vertrauensgrundsatz wird durch das Gefahrenzeidien 123 eingeschränkt. Die Verkehrsteilnehmer haben auf die Bauarbeiter zu achten und nicht umgekehrt. Allerdings dürfen sich die Bauarbeiter auch nicht unnütz in Gefahr bringen 2 2 6 ). Wer sich auf einer Autobahn, auf der wegen einer Großbaustelle der Verkehr auf verengte Fahrstreifen geleitet wird einem dort haltenden Lkw nähert, soll damit rechnen müssen, daß dieser wegen eines Schadens hält und daß sein Fahrer die Fahrbahn überqueren werde, um von der Baustelle Hilfe zu holen 2 2 7 ). Stehen Bauarbeiter unbeschäftigt auf der Baustelle herum, dann soll ein Verkehrsteilnehmer allerdings doch darauf vertrauen dürfen, daß sie nicht plötzlich ohne Beachtung des Fahrverkehrs die Fahrbahn betreten 2 2 8 ). Dieser Meinung kann aber nur mit Einschränkung gefolgt werden. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß Bauarbeiter auf einer Baustelle auch dann, wenn sie nicht gerade mit Arbeiten beschäftigt sind, gegenüber dem Fahrverkehr häufig nicht die notwenige Vorsicht walten lassen. Der „defensive" Kraftfahrer wird deshalb auch an unbeschäftigten Bauarbeitern nur mit Vorsicht vorbeifahren und im Zweifel Warnzeichen geben. Enge
Baustellen
Soweit die Fahrbahn durch Baustellen eingeengt wird, gelten die Grundsätze für das Befahren von Engstellen (s. unten R N r . 101—111). Da die Fahrbahn durch Baustellen auf längere Zeit eingeengt wird, gilt der Grundsatz, daß dann, wenn eine Begegnung innerhalb der Engstelle nicht möglich ist, derjenige den Vortritt hat, der die Engstelle zuerst erreicht. Dem scheint allerdings § 6 zu widersprechen, der demjenigen, der an einer Absperrung auf der Fahrbahn links vorbeifahren will, gebietet, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren zu lassen. Dabei wird aber, wie bei § 6 ( R N r . 4) näher dargelegt wird, nur an vorübergehende Absperrungen zu denken sein, nicht an langdauernde Absperrungen von Baustellen. Ist eine Begegnung gerade noch möglich, dann haben Kraftfahrer, welche die Engstelle befahren, erhöhte Vorsicht und Aufmerksamkeit anzuwenden. Angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkungen sind genau einzuhalten. Das Vertrauen auf verkehrsgemäßes Verhalten Entgegenkommender ist eingeschränkt 229 ). Wer gegenüber einer Baustelle parkt, braucht nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß ein überbreites Fahrzeug vorbeifahren werde, für das die für den normalen Fahrverkehr ausreichende Fahrbahnbreite nicht ausreicht 2 3 0 ). Begegnung Allgemeines Von Begegnung spricht man, wenn zwei aus entgegengesetzter Richtung kommende Fahrzeuge an einander vorbeifahren. Gabelt sich eine Straße vor ihrer Einmündung in eine andere Straße in zwei Äste, von denen keiner als die alleinige Fortsetzung der bisherigen Straße angesehen werden kann, so soll im Verhältnis zwischen einem Fahrzeug, das von der Straße aus in den rechten Ast einfährt und einem aus dem linken Ast entgegenkommenden Fahrzeug kein Vorfahrts-, sondern ein Begegnungsfall vorliegen 2 8 1 ). Zwischen einem geradeaus Fahrenden und einem entgegenkommenden Linksabbieger findet dagegen keine ) BayObLGSt. 63, 236 (18. 12. 63) = VkBl. 64, 105 = VerkMitt. 64, 33 = VRS 26, 372. ) BayObLG 27. 7. 70, VerkMitt. 70, 92. 22 «) Braunschweig 7. 12. 56, VRS 12, 294. 2 2 7 ) Hamm 9. 4. 70, VerkMitt. 70, 68 = VRS 39, 423. 22 8) Oldenburg 22. 8. 61, VRS 22, 452. 224 22ä
) BGH(Z) 5. 5. 59, Betrieb 59, 700 = VersR 59, 620 = VRS 17, 1 = VkBl. 59, 486 = DRspr. II (291) 59 a. 230) BayObLG 5. 8. 66, 1 b St 193/1966. 2 3 1 ) BayObLGSt. 69, 119 (25. 7. 69) = VRS 38, 229
220.
65 5
StVO + S t G B
§ 1 stvo
Möhl
„Begegnung" statt. Dieser Verkehrsvorgang ist in § 9 Abs. 3 geregelt. Jede Begegnung erfordert die Beachtung verschiedener Bestimmungen und Rechtsgrundsätze: Geschwindigkeit — § 3 R N r . 22, Ausweichen — § 2 R N r . 20, 21, Abstand — oben R N r . 67, Engstelle — unten R N r . 103 f. Spezielle Begegnungsvorschriften enthält die S t V O nidit. Früher (§ 10 Abs. 2 S t V O 1937) wurde für den Fall, daß eine Begegnung wegen unzureichender Straßenbreite nicht möglich war, demjenigen die Pflicht auferlegt, umzukehren, dem dies nach den Umständen am ehesten zuzumuten war. Eine solche Vorschrift war entbehrlich, weil sich das Gleiche aus § 1 ergibt. In § 6 wird für den besonderen Fall, daß die Fahrbahn durch ein vorübergehendes Hindernis eingeengt wird, dem der V o r t r i t t eingeräumt, dessen Fahrstreifen frei ist. Hierzu wird unter dem Stichwort „Engstelle" ( R N r . 107) Stellung genommen. I m übrigen müssen die Grundsätze für das Begegnen nach wie vor dem § 1 entnommen werden. Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ergibt sich, daß bei der Begegnung ein ausreichender seitlicher Sicherheitsabstand eingehalten werden muß, dessen Größe von der Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge abhängt (§ 3 R N r . 22). Reicht die Breite der Fahrbahn nicht aus, um zu dem entgegenkommenden Fahrzeug einen ausreichenden Sicherheitsabstand (normalerweise 1 m) einhalten zu können, dann muß entsprechend langsamer gefahren werden; dabei k o m m t es nicht nur auf die Breite der Fahrbahn, sondern auch auf die Breite der Fahrzeuge an. Bleibt nur ein geringer Abstand, dann müssen die Beteiligten anhalten und sich darüber einigen, wie die Begegnung durchgeführt werden soll. Bei Prüfung der Frage, ob eine Begegnung gefahrlos möglich ist, dürfen Randstreifen in der Regel nicht mit eingerechnet werden (s. R N r . 78 u. 102). Die Pflicht, vor der Begegnung anzuhalten, kann sich aus besonderen Gründen auch auf genügend breiten Straßen ergeben. Kommen einem Kraftfahrer gleichzeitig links ein anderes Kraftfahrzeug und rechts am Fahrbahnrand Fußgänger entgegen, so muß er anhalten, wenn die Durchfahrt für ausreichende Sicherheitsabstände zu den Fußgängern und zum begegnenden Fahrzeug nicht ausreicht 232 ). K o m m t ein schleuderndes Fahrzeug entgegen, so muß sofort zum äußersten rechten Fahrbahnrand ausgewichen und angehalten werden 2 8 3 ). Überholt ein Fahrzeug bei Gegenverkehr und besteht deshalb die Gefahr eines Zusammenstoßes, so trifft den Entgegenkommenden, der um den Zusammenstoß mit dem überholenden Fahrzeug zu vermeiden scharf bremst und dabei die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert, auch dann kein Verschulden, wenn eine nachträgliche Berechnung ergibt, daß der Überholende die Fahrbahn gerade noch hätte räumen können. Schert aber aus einer 9 m breiten Straße ein Pkw zur Fahrbahnmitte aus, um einen ordnungsgemäß rechts fahrenden anderen Pkw zu überholen, so ist der Führer eines noch 200 m weit entfernten mit 80 bis 90 km/h entgegenkommenden Pkw nicht entschuldigt, wenn er so scharf bremst, daß er ins Schleudern gerät 2 3 4 ). Hier die Grenze zwischen einer entschuldbaren Schreckreaktion und einer ungerechtfertigten Fehlreaktion richtig zu ziehen, ist allerdings oft schwer.
Rechtsfahren und Ausweichen Zum Verhältnis der Pflicht, rechts zu fahren und der Pflicht auszuweichen vgl. § 2 R N r . 17. Hier sei nur auf den wichtigen, aber weithin unbekannten Grundsatz hingewiesen, daß die Pflicht, nach rechts auszuweichen, weitergeht als die Pflicht, auf der rechten Seite rechts zu fahren. Wer zum Fahrbahnrand einen angemessenen Sicherheitsabstand einhält, verstößt auch dann nicht gegen das Rechtsfahrgebot, wenn er dabei mit einem Teil seines Fahrzeugs links der Fahrbahnmitte fahren muß. Dagegen muß bis zum Straßenrand hinausfahren, wer zum Ausweichen verpflichtet ist. Die Benutzung der Gegenfahrbahn zum Vorbeifahren an einem am rechten Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeug ist dann verboten, wenn dadurch der Gegenverkehr gefährdet 232 233
) BayObLG 8. 5. 68, 1 b St 144/1968 . ) Celle 25. 4. 57, VersR 59, 525 = DRspr. II (291) 64 d.
66
234
) BayObLG 19. 6. 68, 1 a St 161/1968.
Begegnung
StVO
§1
wird. Reicht die Fahrbahnbreite aber zu einer Begegnung mit ausreichendem Sicherheitsabstand trotz der Einengung der Fahrbahn aus oder ist der Entgegenkommende noch so weit entfernt, daß eine Begegnung im Bereich des abgestellten Fahrzeugs nicht in Betracht kommt, dann darf an dem abgestellten Fahrzeug vorbeigefahren werden. Entgegenkommende Fahrzeugführer sind ihrerseits verpflichtet, nach rechts zum Fahrbahnrand auszuweichen, wenn anders der für die Begegnung notwendige Sicherheitsabstand nicht hergestellt werden kann. Vertrauensgrundsatz
—
Allgemeines
Der Vertrauensgrundsatz ist bei Begegnungen von besonderer Bedeutung. Gegenüber sichtbaren Entgegenkommenden gilt: Wer sich selbst verkehrsgeredit verhält, darf solange darauf vertrauen, daß sich auch der Entgegenkommende verkehrsgerecht verhalten werde, als er nichts Gegenteiliges wahrnehmen kann. Es braucht also nicht damit gerechnet zu werden, daß ein Entgegenkommender ohne vernünftigen Grund auf die eigene Fahrbahn überwechselt, etwa um seinerseits zu überholen. Auch darauf darf vertraut werden, daß sich Entgegenkommende der Verkehrslage anpassen, soweit sie dazu ohne Schwierigkeit in der Lage sind. Deshalb darf trotz Gegenverkehrs unter Inanspruchnahme der linken Fahrbahnhälfte überholt werden, wenn für den Gegenverkehr genügend Platz bleibt, wobei vom Gegenverkehr erwartet werden darf, daß er so weit wie möglich nach rechts ausweicht235). Ähnlich darf ein Kraftfahrer, der an einem auf seiner Fahrbahn abgestellten Fahrzeug vorbeifährt, darauf vertrauen, daß ihm dies ein Entgegenkommender ermöglicht23®). Das gilt aber nur, wenn der Entgegenkommende so weit entfernt ist, daß er das Ausweichen noch gefahrlos durchführen kann. Wer unmittelbar vor einer Begegnung wegen eines auf seiner rechten Fahrbahnseite befindlichen Hindernisses seine Fahrlinie bis zur Fahrbahnseite nach links verlegen muß, darf nicht darauf vertrauen, daß der Entgegenkommende so weit ausweichen werde, daß die Begegnung trotz der Linksbewegung gefahrlos durchgeführt werden kann 237 ). Ist ein Weg für eine Begegnung von Kraftfahrzeugen zu schmal, so darf ein Kraftfahrer, der sich auf der schmalen Straße einer breiteren Straße nähert, in die der schmale Weg einmündet, darauf vertrauen, daß ein auf der breiten Straße herankommendes Fahrzeug solange nicht in den schmalen Weg einbiegt, als der auf der schmalen Straße Fahrende diese nicht geräumt hat 238 ). Vertrauen gegenüber
verkehrswidrig
Fahrenden
Schwieriger sind die Fälle zu entscheiden, in denen sich der Entgegenkommende erkennbar verkehrswidrig verhält. Mit geringfügigem Fehlverhalten muß immer gerechnet werden. So darf nicht darauf vertraut werden, daß ein Entgegenkommender bei der Einordnung zur Straßenmitte nicht die Mittellinie geringfügig überschreitet 238 ). Auch sonst muß damit gerechnet werden, daß ein entgegenkommendes Fahrzeug einmal etwas über die Mittellinie geraten kann. In solchen Fällen darf aber darauf vertraut werden, daß der Entgegenkommende vor der Begegnung wieder ordnungsgemäß rechts fährt 240 ). Bemerkt dagegen ein Kraftfahrer, daß seine Fahrbahnhälfte von einem entgegenkommenden Pkw ohne ersichtlichen Grund immer mehr in Anspruch genommen wird, dann muß er seine Geschwindigkeit durch scharfes Bremsen erheblich verringern und rechts hinausfahren241). Ähnlich ist das Vertrauen in rechtzeitiges Ausweichen des Entgegenkommenden nicht gerechtfertigt, wenn dieser kurz vor der Begegnung ohne ersichtlichen Grund zur Straßenmitte ausbiegt242). Ist erkennbar, daß ein entgegenkommendes Fahrzeug aus technischen Gründen möglicherweise nicht vermeiden kann, die Fahrbahnmitte zu überfahren (z. B. ein Lastzug in enger Kurve auf schmaler Straße), so darf nicht darauf vertraut werden, daß die 235)
Düsseldorf 15. 6. 64, VerkMitt. 65, 90. BGH 3. 4. 64, VRS 27, 35. » ' ) BayObLG 12. 6. 63, 1 St 124/1963. M 8 ) BayObLG 1. 10. 63, 2 St 381/1963. 2 3 °) BGH(Z) 24. 3. 59, DAR 59, 242. 236)
2 4 °)
BGH 13. 4. 56, VRS 11, 107; Hamm 2. 8. 57, DAR 58, 143; BGH 1. 6. 62, VerkMitt. 63, 2. 2 4 1 ) München 24. 1. 66, VersR 66, 668. 2 4 2 ) Hamm 5. 12. 60, VRS 21, 279 = DRspr. II (291) 87 d.
67
§ 1
stvo
Möhl
eigene Fahrbahn frei bleibt 243 ). Das Vertrauen darauf, daß ein ohne rechtfertigenden Grund auf seiner linken Fahrbahnseite Entgegenkommender bis zur Begegnung auf dieser Seite verbleiben und seine falsche Fahrweise nicht zur Unzeit aufgeben werde, genießt jedenfalls dann keinen Schutz, wenn das Verhalten des auf der falschen Seite Entgegenkommenden nicht unzweideutig die Absicht erkennen läßt, dort zu verbleiben 244 ). Deshalb muß auch vor einem in Schlangenlinien entgegenkommenden Fahrzeug in der Regel zum äußersten rechten Fahrbahnrand hin ausgewichen und dort angehalten werden. Ein „gegenläufiges" Fahren, d. h. der Versuch, jeweils auf die vom entgegenkommenden Fahrzeug gerade nicht genutzte Seite auszuweichen, ist fehlerhaft, weil dadurch für den Entgegenkommenden der Versuch erschwert wird, sein Fahrzeug wieder auf die richtige Fahrbahnseite zu bringen 245 ). Anders wenn einer überraschenden Gefahrenlage durch Linksausweichen zu begegnen versucht wird 246 ). Der Grundsatz, daß sich auf berechtigtes Vertrauen nicht berufen darf, wer sich selbst nicht verkehrsgerecht verhält, gilt auch für die Begegnung. Wer an unübersichtlicher Stelle nicht rechts fährt, kann sich gegenüber einem in entgegengesetzter Richtung aus einer Seitenstraße einbiegenden Wartepflichtigen damit nicht völlig entlasten, daß er auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechtes habe vertrauen dürfen 247 ).
85
Vertrauen gegenüber nicht Siebtbaren
Bei der Bemessung der Geschwindigkeit gilt allgemein der Grundsatz, daß auf Sicht, in besonderen Fällen, daß auf halbe Sicht gefahren werden muß; vgl. § 3 R N r . 56—64. Auf halbe Sicht muß gefahren werden, wenn die Fahrbahnbreite die Begegnung mit einem anderen Fahrzeug nicht zuläßt. Aber auch bei genügend breiter Fahrbahn darf nicht darauf vertraut werden, daß die eigene Fahrbahnhälfte nicht von entgegenkommenden Verkehrsteilnehmern in Anspruch genommen wird, wenn sich auf einer verschneiten Straße eine beide Fahrbahnhälften erfassende Fahrrinne gebildet hat 248 ). Dagegen darf darauf vertraut werden, daß Gegenverkehr in einer unübersichtlichen Kurve die rechte Fahrbahnhälfte benutzt 2 4 9 ). Der Umstand, daß die Sicht auf die linke Fahrbahnseite durch ein entgegenkommendes hochbeladenes Fahrzeug teilweise verdeckt ist, verpflichtet nicht zur Herabsetzung der Geschwindigkeit. Es darf darauf vertraut werden, daß das die Sicht auf die linke Seite verdeckende Fahrzeug von zunächst nicht sichtbaren hinter diesem fahrenden Fahrzeug nicht plötzlich überholt wird, wenn die Fahrbahnbreite eine Begegnung bei gleichzeitiger Überholung nicht zuläßt 250 ). Mit unbeleuchteten Hindernissen auf der Fahrbahn muß bei Dunkelheit zwar gerechnet werden, nicht aber mit dem Entgegenkommen unbeleuchteter Fahrzeuge 251 ). In der Dämmerung, wenn Kraftfahrzeuge noch nicht oder nicht mehr einheitlich beleuchtet sind, muß sich der Kraftfahrer darauf einstellen, daß ihm ein unbeleuchtetes Fahrzeug entgegenkommt 2 5 2 ). (Vgl. auch R N r . 89). Beleuchtung
86
Beleuchtungsvorschriften und allgemeine Sorgfaltspflicht
Die wesentlichen Beleuchtungsvorschriften finden sich in § 17. Dieser enthält einige bedeutsame Neuerungen: Mit Standlicht allein darf nicht mehr gefahren werden. Auf Straßen mit durchgehender, ausreichender Beleuchtung darf nicht mit Fernlicht gefahren werden. Hinter einem in geringem Abstand vorausfahrenden Fahrzeug ist abzublenden. Nebelschlußleuchten dürfen nur außerhalb geschlossener Ortschaften benutzt werden und nur dann, wenn wegen Nebels die Sichtweite weniger als 50 m beträgt; s. § 17 R N r . 9, 10, 14, 18. 243) 2«) 245) 2 4 «)
BayObLG 14. 2. 61, 2 St BayObLG 22. 8. 62, 1 St BGH(Z) 28. 4. 60, VersR BGH(Z) 10. 6. 60, VersR BGH(Z) 15. 11. 66, VersR 2 « ) Koblenz 19. 10. 65, DAR
68
816/1960. 288/1962. 60, 850. 60, 907. 67, 157. 66, 162.
*>) Düsseldorf 25. 3. 65, VerkMitt. 66, 16 = DRspr. II (291) 149 d. °) BayObLG 13. 5. 64, 1 St 249/1964. 2 5 1 ) BayObLGSt. 62, 244 (24. 10. 62) = VkBl. 63, 99 = VerkMitt. 63, 13 = VRS 24, 72. 2 5 2 ) Hamm 30. 10. 64, VRS 28, 303 = VkBl. 65, 314. 2
25
StVO
Beleuchtung
§1
Die Frage ob beim Abblenden die Geschwindigkeit sogleich herabzusetzen ist oder zunächst im Hinblick auf die vom Fernlicht ausgeleuchtete Strecke beibehalten werden darf, wird bei § 3 RNr. 62 behandelt. „Blendung" s. unten R N r . 92 f. § 17 wird durch § 1 ergänzt. Deshalb kann nach § 1 Beleuchtung in Fällen geboten sein, in denen sie nach § 17 nicht vorgeschrieben ist. Ragt ein Fahrzeug erheblich über die Fahrbahnmitte hinaus, dann kann sich bei dichtem Nebel aus § 1 die Verpflichtung ergeben, eine Begrenzungsleuchte anzubringen, deren Leuchtkraft dem Abblendlicht gleichkommt 253 ). Wer mit eingeschaltetem Parklicht fährt, verstößt gegen § 17 Abs. 2 S. 1. Er kann aber unter Umständen auch gegen § 1 StVO verstoßen, wenn er dadurch andere Verkehrsteilnehmer irritiert 254 ). Wer beim Anhalten statt Standlicht Abblendlicht einschaltet, verletzt seine Sorgfaltspflicht nur dann, wenn für ihn erkennbar ist, daß von seinem Abblendlicht aus besonderen Gründen eine Gefahr ausgeht255). Abblenden
beim Überholenf
87
Wer einem anderen Fahrzeug auf längerer Strecke mit kurzem Abstand folgt, muß abblenden. Diese Pflicht wurde früher aus § 1 hergeleitet 256 ); nun ergibt sie sich aus § 17 Abs. 2 S. 3. Wer sich dagegen einem mit Abblendlicht fahrenden Fahrzeug, das er zu überholen beabsichtigt, mit hoher Geschwindigkeit nähert, muß während des Überholens mit Fernlicht fahren, um die zum Uberholen benötigte Strecke auszuleuchten257). Fährt der zu Überholende mit Fernlicht, dann kann der Uberholer abblenden, weil die Überholstrecke durch das Fernlicht des Vorausfahrenden ausgeleuchtet ist 258 ). Umgekehrt ist auch der Überholte in der Regel nicht verpflichtet abzublenden, wenn sich der Überholer vor ihn setzt, allerdings wohl nur, wenn der Überholer wesentlich schneller fährt und sich deshalb rasch vom Überholten entfernt 259 ). 'Wechselnde Beleuchtung und Sehfähigkeit
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Der Kraftfahrer muß wissen, daß bei raschem Wechsel von Licht und Schatten das menschliche Auge in seiner Sehfähigkeit vorübergehend beeinträchtigt wird. Es gehört zu den allgemeinen Erfahrungen eines Kraftfahrers, daß auf Straßen, die durch Bogenlampen in nicht sehr geringen Abständen erhellt sind, zwischen den direkt angeleuchteten Stellen größere Schattenflecke vorhanden sind, die vom Abblendlicht des Kraftfahrzeugs nicht in sonst gewohnter Stärke aufgehellt werden 260 ). In der Dunkelheit kann bei gegensätzlichen Lichtquellen und rasch wechselnden Leuchtdichten die Erkennbarkeit eines auf der Fahrbahn liegenden Menschen erheblich beeinträchtigt sein261). Vertrauen auf richtige Beleuchtung
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Grundsätzlich darf sich der Verkehr darauf verlassen, daß die Fahrzeugführer ihrer Beleuchtungspflicht nachkommen. Das ergibt sich aus dem Vertrauensgrundsatz. Mit dem Entgegenkommen unbeleuchteter Fahrzeuge auf seiner Fahrspur braucht der Fahrzeugführer deshalb in der Regel nicht zu rechnen 251 ). Auch ein nach links abbiegender Kraftfahrer darf darauf vertrauen, daß ihm kein Fahrzeug ohne Licht entgegenkommt 262 ). Umgekehrt darf, wer trotz Beleuchtungspflicht ohne Licht fährt nicht darauf vertrauen, daß ein ent) Hamm 19. 7. 63, VerkMitt. 63, 95. ) Zur früheren Rechtslage: Hamburg 30. 7. 58, DAR 59, 2 4 ; Bremen 16. 8. 61, DAR 62, 132. 2 5 5 ) Hamm 15. 1. 62, DAR 63, 23 = VkBl. 63, 279 = DRspr. II (291) 106 a. s 2 «) Düsseldorf 7. 9. 61, VRS 22, 310 = VerkMitt. 62, 70 = DRspr. II (291) 103 a. 2 5 7 ) Hamm 14. 11. 60, VRS 20, 297 = DRspr. II (291) 80 a. 253
254
- 5 «) So Maase, DAR 61, 9, 10. ) für die frühere Rechtslage: BayObLG 9. 10. 63, VerkMitt. 64, 1; a. M. Maase aaO. =6») Hamm 10. 5. 62, VRS 24, 431. 2 6 1 ) BayObLGSt. 63, 69 (5. 3. 63) = VRS 25, 342; vgl. Lossagk, Sinnestäuschung und Verkehrsunfall S. 36, 37, 46, 61, 63. 2 6 2 ) Köln 25. 3. 66, VRS 31, 229 = DRspr. I I (291) 152 a. 259
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§ 1
stvo
Möhl
gegenkommender Linksabbieger seiner Wartepflicht nachkommt 2 ® 3 ). Das Vertrauen in vorschriftsmäßige Beleuchtung ist bei Dunkelheit gerechtfertigt, nicht aber bei Dämmerung, wenn erkennbar ist, daß ein Teil der Fahrzeugführer die Beleuchtung nicht für erforderlich hält 2 5 2 ). Erkennbar ist dies nur, wenn unbeleuchtet entgegenkommende Fahrzeuge noch auf ausreichende Entfernung (wenn auch schwerer als bei Tageslicht) wahrzunehmen sind 2 * 4 ). Das Vertrauen in die Beachtung der Beleuchtungsvorschriften durch andere Verkehrsteilnehmer entbindet nicht von der Pflicht, auf Sicht zu fahren. Wer auf ein unbeleuchtetes Fahrzeug von rückwärts auffährt, muß sich deshalb entgegenhalten lassen, daß er nicht auf Sicht gefahren sei. E r kann nicht mit Erfolg geltend machen, er habe darauf vertrauen dürfen, daß vorausfahrende oder auf der Fahrbahn stehende Fahrzeuge ordnungsmäßig beleuchtet seien. Wenn einem Kraftfahrer bei Dunkelheit durch Ausfallen der Lichtanlage plötzlich die Sicht auf die Fahrbahn genommen wird, so hat er unverzüglich zu bremsen und notfalls anzuhalten 2 ' 5 ).
Betrunkene 90
Wann ist mit Betrunkenen zu rechnen? Zu unterscheiden ist die Frage, wann ein Kraftfahrer mit betrunkenen Fußgängern rechnen muß, von der Frage, wie er sich einem erkennbar Betrunkenen gegenüber zu verhalten hat. Die erste Frage beantwortet sich nach den besonderen zeitlichen und ö r t lichen Umständen des Einzelfalles. So ist auf Straßen im Bereich eines Volksfestes mindestens am Abend mit Betrunkenen zu rechnen. Auch in der Nähe größerer Wein- oder Bierwirtschaften muß nachts auf betrunkene Heimkehrer besonders geachtet werden. Muß der Kraftfahrer mit Betrunkenen rechnen, dann bedeutet dies aber nur, daß er eine erhöhte Beobachtungspflicht hat und bremsbereit fahren muß, nicht daß er langsamer als auf Sicht fahren müßte. Wenn das Verhalten eines Fußgängers (kein schwankender oder torkelnder Gang) keinen Anhalt für die Annahme bietet, daß es sich um einen Betrunkenen handelt, braucht der Kraftfahrer mit einer Trunkenheit des Fußgängers nicht schon deshalb zu rechnen, weil dieser sich an einem Osterfeiertag zur Zeit der Heimkehr von Wirtshausbesuchern auf der Fahrbahn befindet2®6). D e r Fahrzeugführer ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß er nicht durch einen betrunkenen Beifahrer in der Führung des Fahrzeugs behindert wird. Besteht die Gefahr einer Behinderung, so muß er seine Geschwindigkeit dieser Gefahr anpassen. T u t er dies nidit, so kann er bei Eintritt einer Behinderung keine Schreckzeit beanspruchen 2 ® 7 ).
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Sorgfaltspflicht gegenüber Betrunkenen E r k e n n t der Kraftfahrer im Straßenbereich einen betrunkenen Fußgänger, dann muß er sich dessen bewußt sein, daß das Verhalten Betrunkener unberechenbar ist. Deshalb ist er verpflichtet, sofort nachhaltig zu bremsen 2 ® 8 ). Auf verkehrsgerechtes Verhalten eines erkennbar Betrunkenen darf nicht vertraut werden. Nähert sich ein Kraftfahrer in der Silvesternacht einem solchen Betrunkenen, dann genügt es nicht, wenn er ihm ausweicht. E r muß von vornherein seine Geschwindigkeit darauf einrichten, vor einem auf der Fahrbahn hin- und hertorkelnden Fußgänger notfalls anhalten zu können 2 ® 9 ). Ein Abstand von 1,50 m ist beim Uberholen eines trotz in Ordnung befindlichen Gehweges 1 m vom Fahrbahnrand entfernt auf der Fahrbahn Torkelnden unzureichend 1 8 4 ). Ein Kraftfahrer, der auf seiner Fahrbahn ein Hindernis wahrnimmt, ohne Gewißheit über dessen Beschaffenheit zu haben, muß damit rechnen, daß der Gegenstand ein Betrunkener ist 2 7 0 ). Bei besonders un« ) BayObLG 21. 9. 66, 1 a St 152/1966. *®4) BayObLG 2. 12. 70, 5 St 167/1970. 2«5) BGH(Z) 25. 2. 64, VersR 64, 621 = VerkMitt. 64, 76. 2«®) BGH 27. 11. 59, VRS 18, 123. 2 3
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" ) Hamm 1. 3. 68, VRS 35, 429 = DRspr. II (291) 168 c. ®8) Celle 4. 5. 61, NdsRpfl. 61, 157. 2®9) BGH(Z) 15. 3. 60, VersR 60, 429. ™ ) BGHSt. 10, 3 (15. 1. 56); BayObLGSt. 60, 222 (6. 9. 60) = VRS 20, 365. 2
2
Betrunkene; Blendung
StVO
§1
günstigen Sichtverhältnissen (gegensätzliche Lichtquellen) muß aber sorgfältig geprüft werden, ob den Kraftfahrer ein Verschulden trifft, wenn er einen auf der Fahrbahn liegenden Betrunkenen zu spät wahrnimmt" 1 ) Auch bei Begegnung mit einem erkennbar betrunkenen Radfahrer muß der Kraftfahrer anhalten 272 ). Blendung Zur Frage der zulässigen Geschwindigkeit bei Blendung vgl. § 3 R N r . 24; zur Blendung von hinten vgl. oben RNr. 87. Die Rechtsgrundsätze über das Verhalten bei Blendung werden aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 hergeleitet. Wann ist mit Blendung zu rechnen? Die Frage, wann mit einer Blendung zu rechnen ist, steht im Zusammenhang mit der Frage, wieweit darauf vertraut werden darf, daß keine Blendung eintritt (s. unten R N r . 93). Auf einer Normalstrecke der Autobahn mit bepflanztem Mittelstreifen üblicher Breite kann bei geradelinigem Verlauf und bei Benutzung des jeweils rechten Fahrstreifens eine Blendwirkung vorschriftsmäßig angebrachter Scheinwerfer nicht entstehen. Wer auf einer solchen Strecke bei Gegenverkehr nicht abblendet, verstößt deshalb nicht gegen § 33 Abs. 1 oder § 1"'). Auch der Entgegenkommende braucht sich nicht auf eine mögliche Blendung einzustellen. Kommt dagegen auf einer Straße mit ungeteilter Fahrbahn ein Fahrzeug mit Fernlicht entgegen, dann ist so lange mit zunehmender Blendung zu rechnen, als es nicht abblendet. Besonders gefährlich ist die Blendwirkung dann, wenn das entgegenkommende Fahrzeug aus einer Kurve kommt und die Blendung deshalb schlagartig einsetzt. Auch hier muß sich der Kraftfahrer auf die bevorstehende Blendung einrichten, sobald das mit Fernlicht entgegenkommende Fahrzeug vor der Kurve erkennbar wird 274 ). Wird ein Kraftfahrer dagegen durch die Blendung völlig überrascht, dann kann er entschuldigt sein, wenn er wegen der Blendung einen Unfall verursacht (s. unten RNr. 95). Kommt einem Kraftfahrer bei Dunkelheit aus einer Ortschaft ein Fahrzeug mit Abblendlicht entgegen, dann ist für ihn nicht ohne weiteres voraussehbar, daß dieses Fahrzeug vorzeitig Fernlicht einschaltet275). Wer selbst mit Abblendlicht fährt, braucht nicht in Betracht zu ziehen, daß ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer gleichwohl geblendet wird. Dessen Aufgabe ist es vielmehr, sich auf die u. U. auch von abgeblendeten Scheinwerfern ausgehende Blendwirkung einzustellen27*). Worauf darf vertraut werden.? Allgemein braucht ein Kraftfahrer nicht damit zu rechnen, ein entgegenkommendes Fahrzeug werde plötzlich aufblenden. Einem auf diese Weise überraschten Kraftfahrer ist regelmäßig eine Schrecksekunde (s. unten R N r . 153) zuzubilligen 277 ). Auch kurz vor der Begegnung braucht der Kraftfahrer sich nicht darauf einzustellen, daß der Entgegenkommende vorzeitig das Fernlicht einschaltet278). Wer allerdings selbst einen Entgegenkommenden blendet und die Blendung nicht abstellt, obwohl er damit rechnet, darf nicht darauf vertrauen, daß der andere nicht vor der Begegnung seinerseits aufblendet. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, daß nur der auf verkehrsgerechtes Verhalten anderer vertrauen darf, der sich selbst verkehrsgerecht verhält 279 ). Kommt ein Fahrzeug mit Fernlicht entgegen und blendet es trotz Aufforderung durch kurzes Aufblinken nicht ab, dann darf nicht darauf vertraut werden, daß es doch noch rechtzeitig abblenden werde. Das gilt auch, wenn es aus einer Kurve kommt und die Blendung erst kurz vor der Begegnung zu erwarten ist. 271
) BayObLGSt. 63, 69 (5. 3. 63) = VRS 25, 342. 272 ) Celle 30. 4. 56, DAR 57, 73. 27S ) Düsseldorf 10. 12. 64, VerkMitt. 65, 46. 274 ) Köln 14. 2. 67, VRS 33, 195 = VerkMitt. 67, 53. 275 ) BayObLG 8. 8. 62, 1 St 308/1962.
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«) Hamm 10. 9. 53, VRS 5, 629. ) B G H 1. 2. 63, VRS 24, 369. "8) BGHSt. 12, 81 (17. 9. 58) = DAR 58, 335 = Betrieb 58, 1461 = N J W 58, 1982 = VRS 15, 450 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung: BGHSt. 1, 309. 27e ) BayObLG 29. 11. 61, 1 St 12/1961. 277
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§ 1
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Möhl
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Was ist bei Blendung zu tun? Vor allem muß die Geschwindigkeit der durch die Blendung eingeschränkten Sicht angepaßt werden (vgl. § 3 RNr. 24). Schon dann, wenn der Kraftfahrer mit einer alsbaldigen Blendung rechnen muß, hat er seine Geschwindigkeit so weit herabzusetzen, daß er jederzeit auf der Stelle anhalten kann 280 ). Wird er so stark geblendet, daß er nichts mehr erkennen kann, dann muß er jedenfalls vor Beginn des Teiles seiner Fahrbahn anhalten, den er vor der Blendung noch hatte einsehen und als hindernisfrei erkennen können 281 ). Ein geblendeter Fahrer muß stets damit redinen, daß sich vor ihm in dem für ihn wegen der Blendung nicht einsehbaren Teil der Fahrbahn Fußgänger bewegen282). Auch nach Aufhören der Blendung muß der Kraftfahrer immer mit vorher nicht wahrgenommenen Verkehrsteilnehmern auf seiner Fahrbahn rechnen. Eine Schreckzeit kann ihm dabei nicht zugebilligt werden 283 ). Fährt er einen Fußgänger an, dann kann er sich im allgemeinen nicht damit entlasten, daß er zur Unfallzeit unter den gegebenen Verhältnissen infolge eines Augenfehlers in besonderem Maße geblendet worden sei284).
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Nicht voraussehbare Blendung Dem von einer unvorhersehbaren Blendung Überraschten ist in der Regel eine Schrecksekunde zuzubilligen 277 ). Ein während der Reaktionszeit begangener Verkehrsverstoß kann in diesem Falle entschuldigt sein285).
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Sonstige Einwirkungen auf die Sehkraft Starke Veränderungen der Lichtverhältnisse innerhalb eines kurzen Zeitraumes führen zu Sichtschwierigkeiten, weil das Auge zur Anpassung an die Lichtveränderungen eine gewisse Zeit benötigt (vgl. oben RNr. 88). Das muß der Kraftfahrer wissen. (Zur sog. „Blindsekunde" vgl. auch § 3 RNr. 53). Deshalb muß, wer von der Sonne geblendet in eine Unterführung fährt, die als dunkles Loch wirkt, jederzeit sofort anhalten können 28 '). Bremsen
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Bremsvorschriften und allgemeine Sorgfaltspflicht Nach § 4 Abs. 1 S. 2 darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen. Die neue StVO hat damit einen Rechtsgrundsatz übernommen, den die Rechtsprechung bisher aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 hergeleitet hat. Nach § 11 Abs. 1 StVO 1937 mußte die Absicht zu halten, rechtzeitig und deutlich angezeigt werden. Eine entsprechende Vorschrift enthält die neue StVO nicht. Da das Halten in der Regel durch Bremsen herbeigeführt wird und die Ausstattungsvorschrift des § 53 StVZO Bremsleuchten vorschreibt, schien es überflüssig, dem eine Anzeigepflicht aufzuerlegen, der zu halten beabsichtigt. Da die Rechtsprechung zu § 1 StVO 1937 für die Auslegung des Gebotes des neuen § 4 Abs. 1 S.2 von Bedeutung sein kann, soweit sie sich mit dem Bremsen befaßte, wird sie im folgenden zusammenfassend dargestellt. Wie jedes andere Verkehrsverhalten, das Auswirkungen auf den übrigen Verkehr haben kann, hat auch die Befugnis, sein Fahrzeug abzubremsen, seine Grenze in der allgemeinen Pflicht gegenseitiger Rücksichtsnahme. Zur Vermeidung eines Unfalls darf immer gebremst werden. Dabei braucht auf nachfolgende Kraftfahrer keine Rücksicht genommen zu werden. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob diese einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. Notfalls darf zu diesem Zweck auch scharf gebremst werden. °) BGH 25. 1. 63, VRS 24, 288. ) Hamm 13. 12. 62, VRS 25, 60; Frankfurt 13. 12. 67, VRS 35, 27. 282 ) BGH 9. 12. 66, VRS 32, 266. 283 ) BGH 26. 11. 69, VRS 38, 119. 28
281
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284 285 288
) BGH(Z) 9. 6. 67, VersR 67, 808. ) BGH 15. 11. 51, VRS 4, 126. ) Düsseldorf 6. 10. 49, VRS 2, 65; 9. 6. 65, VerkMitt. 65, 78.
Bremsen Starkes Bremsen ohne zwingenden
StVO
§ 1
Grund
Anders, wenn das Bremsen nicht der Beseitigung einer gegenwärtigen Gefahr dient, sondern aus sonstigen Gründen vorgenommen wird. Ein allmähliches Abbremsen ist in der Regel nicht zu beanstanden. Zwar können auch durch leichtes Bremsen nachfolgende Verkehrsteilnehmer behindert werden. Eine solche Behinderung ist aber unvermeidbar. Dagegen ist scharfes Bremsen sowohl für den Bremsenden selbst wegen der Schleudergefahr wie auch für nachfolgende Verkehrsteilnehmer wegen der Auffahrgefahr riskant. Wer ohne zwingenden Grund scharf bremsen will, muß deshalb vor dem Bremsen zurücksdiauen und prüfen, ob ein Nachfolgender gefährdet werden kann. Allerdings trifft beim Hintereinanderfahren die Hauptverantwortung den Nachfolgenden, der durch Einhaltung eines ausreichenden Abstandes und sorgfältige Beobachtung des Vorausfahrenden einen Aufprall vermeiden kann. Der Vorausfahrende darf aber nicht schlechthin auf die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes durch den Nachfolgenden vertrauen 287 ). Die Erfahrung lehrt, daß die Abstände besonders beim Kolonnenfahren und beim Fahren innerhalb geschlossener Ortschaften häufig unzureichend sind. Wird eine Verkehrsregel häufig mißachtet, dann darf auf ihre Einhaltung nicht vertraut werden. Für die Frage, ob scharfes Bremsen trotz eines nachfolgenden Verkehrsteilnehmers erlaubt ist, weil ein „zwingender Grund" zum starken Bremsen vorliegt, kommt es auf die richtige Beurteilung der Verkehrslage an. Irrt sich der Bremsende in diesem Punkt, dann ist zu prüfen, ob der Irrtum vorwerfbar ist. Ein Kraftfahrer, der keinen begründeten Anlaß hat, mit verkehrswidrigem Verhalten des aus einer Seitenstraße herankommenden wartepflichtigen Verkehrsteilnehmers zu rechnen, soll nicht wegen der bloßen Möglichkeit, daß sich der andere verkehrswidrig verhalten könnte, scharf bremsen dürfen, wenn er dadurch seinerseits dritte Verkehrsteilnehmer gefährdet288). Wer aus Unachtsamkeit ein Hindernis auf der Fahrbahn so spät wahrnimmt, daß er einen Aufprall nicht mehr durch Ausweichen oder normales Bremsen, sondern nur mehr durch eine Gefahrenbremsung vermeiden kann, wird für den Aufprall eines Nachfolgenden auf sein Fahrzeug mit verantwortlich sein. Für ihn ist voraussehbar, daß der Führer eines nachfolgenden Fahrzeugs trotz ausreichenden Abstandes in Schwierigkeiten gerät. Sein Verschulden liegt zwar nicht im starken Bremsen, wohl aber in der davorliegenden Vernachlässigung der Beobachtungspflicht. Allerdings muß in solchen Fällen die Ursächlichkeit des abrupten Bremsens für den Aufprall sorgfältig geprüft werden 289 ). Ebenso muß für das Auffahren eines dicht folgenden Kraftfahrzeugs einstehen, wer im fließenden Verkehr infolge eines vorwerfbaren Beobachtungsfehlers (Irrtum über Bedeutung eines Verkehrssignals) verkehrswidrig plötzlich bis zum Stillstand bremst 290 ). Ob ein Grund zum starken Bremsen „zwingend" ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Wer sein Fahrzeug abbremst, um den Hahn des Reservetanks zu öffnen, wird sich nicht auf einen zwingenden Grund zu plötzlich starkem Bremsen berufen können. Er kann seinen Zweck, das Fahrzeug vorübergehend aus dem fließenden Verkehr zu ziehen, auch durch leichtes Bremsen erreichen291). Wer im fließenden Verkehr eine Straßenabzweigung, in die er einfahren will, so spät erkennt, daß er eine Gewaltbremsung vornehmen müßte, um sein Ziel zu erreichen, ist verpflichtet, seine Fahrt zunächst geradeaus fortzusetzen, um die Nachfolgenden nicht ebenfalls zu einer Gewaltbremsung zu zwingen292). Ein Kraftfahrer, der ohne rechtfertigenden Grund eine vermeidbare Verkehrsgefahr schafft, die nur durch Abbremsen des Fahrzeugs abgewendet werden kann, handelt verkehrswidrig. Führt die so geschaffene Gefahrenlage infolge Versagens der Bremse zu einem Unfall, so steht das Versagen der Bremse dem für die zivilrechtlichen Ansprüche bedeutsamen adäquaten Zusammenhang zwischen der verkehrswidrigen Fahr" ) BayObLGSt. 64, 123 (11. 8. 64) = N J W 65, 59 = VerkMitt. 64, 84 = VRS 28, 140; (mit Nadiw.). 2 8 8 ) Hamburg 5. 7. 66, VersR 67, 564. 2 8 e ) Celle 9. 7. 64, VRS 28, 112; bedenklich Hamm 8. 9. 64, JMB1. N R W 65, 22. 2
2»«)
K G 27. 1. 66, VRS 31, 67 = DRspr. II (291) 144 c. A. M. Düsseldorf 16. 1. 64, VerkMitt. 64, 52 = DRspr. II (291) 116 d. 2«2) BayObLG 19. 5. 65, 1 b St 54/1965.
2 «i)
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weise und dem Unfall nicht entgegen 293 ). Strafrechtlich wird es aber in der Regel an der Voraussehbarkeit fehlen, wenn der Mangel der Bremsanlage dem Fahrer nicht bekannt sein mußte. Sind die Gründe f ü r ein plötzlich starkes Bremsen f ü r Nachfolgende nicht erkennbar, dann muß vor dem Beginn des Bremsens zurückgeschaut werden, u m zu prüfen, ob nachfolgende Fahrzeuge ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. So kann ein Kraftfahrer, der sein Fahrzeug abbremsen will, um in eine Parklücke einzufahren, verpflichtet sein, sich vorher Gewißheit zu verschaffen, ob er kein nachfolgendes Fahrzeug gefährdet 294 ). Nimmt der stark Bremsende irrigerweise einen zwingenden Grund zu einer Notbremsung an, dann kann er trotzdem entschuldigt sein, wenn die falsche Reaktion auf ein plötzlich auftauchendes und nicht zu erwartendes Hindernis in der Fahrbahn zurückzuführen ist. Es gelten die f ü r die sog. „Schreckreaktion" maßgebenden Grundsätze (s. unten R N r . 150 f.). Auf keinen Fall entschuldigt ist der Überholer, der unmittelbar nach der Überholung und Einordnung vor dem Überholten scharf bremst. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 4 S. 4. Das Bremsen unmittelbar nach dem Einordnen gehört noch zum Überholvorgang. Audi der Wartepflichtige darf seiner Wartepflicht nicht durch scharfes Bremsen im letzten Augenblick vor der Vorfahrtsstraße genügen. Er muß nach § 8 Abs. 2 S. 1 durch sein Verhalten erkennen lassen, daß er warten wird. Der gleiche Grundsatz wurde nach bisherigem Recht dem § 1 entnommen 295 ). Ein Kraftfahrzeugsachverständiger des technischen Uberwachungsvereins muß bei Bremsprüfungen im öffentlichen Verkehr besonders sorgfältig darauf achten, daß kein Nachfolgender gefährdet wird. Zwar ist hier ein „zwingender" Grund zum starken Bremsen gegeben, weil anders die Bremsprobe nicht durchgeführt werden kann. Der Bremsende kann aber die Bremsung an beliebiger Stelle durchführen, muß sich deshalb nach dem übrigen Verkehr richten 296 ). Rechtsstellung des
Nachfolgenden
Der Nachfolgende darf grundsätzlich nicht darauf vertrauen, daß der Vorausfahrende sein Fahrzeug nicht plötzlich stark abbremst. Die Gründe, die den Vorausfahrenden zur Bremsung veranlassen können, sind in der Regel f ü r den Nachfolgenden nicht überblickbar. Allerdings wird der Nachfolgende darauf vertrauen dürfen, daß bei dem Vorausfahrenden die Bremslichter aufleuchten, wenn dieser bremst. Leuchten die Bremslichter nicht auf, etwa weil sie defekt sind, dann wird dem Nachfolgenden eine zusätzliche Frist zuzubilligen sein, bis er das Abbremsen des Vorausfahrenden an der Verringerung des Abstandes wahrnehmen kann. Er kann also entschuldigt sein, wenn sein Abstand zum Anhalten hinter dem Vorausfahrenden ausgereicht hätte, falls er durch die Bremslichter rechtzeitig gewarnt worden wäre 287 ). Wird die Bremsung durch Bremslichter angezeigt, dann kann sich der Nachfolgende im allgemeinen nicht damit entschuldigen, der Vorausfahrende habe verbotenerweise ohne zwingenden Grund stark gebremst. Kommt es zu einem Aufprall, dann t r i f f t beide ein Verschulden (vgl. § 4 Abs. 1 S. I) 298 ). Bremst der Vorausfahrende, dann hat der Nachfolgende jedenfalls dann alles zu tun, um sofort anhalten zu können, wenn er den Grund des Abbremsens seines Vordermannes nicht eindeutig erkannt hat 299 ). Die Rechtsprechung hat nur in bestimmten eng begrenzten Fällen dem Nachfolgenden das Vertrauen zugestanden, daß der Vorausfahrende nicht zur Unzeit bremsen werde. Im geballten Großstadtverkehr bei Verkehrsregelung durch Ampeln würde der Verkehr zum Erliegen kommen, wenn der im Normalfall erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten werden müßte (vgl. oben R N r . 63). Im Geradeausverkehr kurz vor einer grün zeigenden 29a ) 2M ) 295 ) 29t
BGH(Z) 14. 4. 64, DAR 64, 248. BayObLG 29. 4. 59, 1 St 163/1959. Köln 1. 3. 63, DAR 63, 171. ) BayObLG 2. 4. 58, 1 St 55/1958.
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297
) Hamm 14. 7. 67, VRS 34, 70 = NJW 67, 2324 = DRspr. II (291) 158 b. 298 ) Köln 24. 5. 63, NJW 63, 1839 = VRS 25, 353. 298 ) Celle 12. 6. 62, DAR 63, 218.
Bremsen; Engstelle
StVO
§ 1
Ampel soll der Kraftfahrer — ebenso wie beim Befahren einer mit grüner Welle ausgestatteten Straße — nur mit normalem verkehrsgemäßen Anhalten des Vorausfahrenden zu rechnen haben 3 0 0 ). Jeder Kraftfahrer soll audi darauf vertrauen können, daß ein Vordermann die Verkehrszeichen beachtet, selbst wenn ein Verkehrszeichen (Doppelampel) etwas kompliziert ist 3 0 1 ). Soweit dem Nachfolgenden erlaubt wird, in geringerem Abstand als normalerweise hinter einem Vordermann herzufahren, wird von ihm als Ausgleich eine besonders rasche Reaktion verlangt 3 0 2 ). Bremstechnik Von jedem Kraftfahrer wird verlangt, daß er sein Fahrzeug beherrscht. Dazu gehört auch die richtige Anwendung der Bremsen und die ständige Überwachung der Bremseinrichtungen. Zwar darf sich der Kraftfahrer im allgemeinen darauf verlassen, daß an einem neuen Wagen die Bremsen in Ordnung sind und daß bei der Inspektion des Wagens durch eine anerkannte Werkstatt die Bremsen sorgfältig überprüft werden. Trotzdem soll er bei jeder Ausfahrt eine Bremsprobe vornehmen. Das gilt besonders bei Benutzung eines Leihwagens 303 ). Der Kraftfahrer muß wissen, daß scharfes Bremsen bei hoher Geschwindigkeit immer die Gefahr des Schleuderns mit sich bringt. E r soll deshalb bei hoher Geschwindigkeit eine Vollbremsung nach Möglichkeit vermeiden 3 0 3 ) S M ). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei Straßenglätte. D e r Kraftfahrer muß wissen, daß er nur durch gefühlvolles Bremsen eine Wirkung erzielen kann. O b auf einer glatten Gefällstrecke durch die Anwendung der Fußbremse weniger Schleudergefahr bewirkt wird als durch Zurückschalten, ist fraglich. Audi beim Zurückschalten k o m m t es darauf an, eine abrupte Bremsung zu vermeiden 3 0 5 ). Enge Straßenstellen Vorbemerkung Nach § 12 Abs. 1 N r . 1 ist das Halten an zulässigen Geschwindigkeit an Engstellen vgl. fahrenzeichen 120 und 121 hin, die Vorfahrt schriftszeichen 208 und das Richtzeichen 308. verengenden Hindernissen.
engen Straßenstellen verboten. Zur Frage der § 3 R N r . 13. Auf Engstellen weisen die Gean Engstellen wird geregelt durch das V o r § 6 regelt die Vorbeifahrt an die Fahrbahn
§ 10 Abs. 2 der S t V O 1937 enthielt eine besondere Regelung für den Fall, daß ein Ausweichen nicht möglich war: Derjenige hatte umzukehren, dem dies nach den Umständen am ehesten zuzumuten war. Die geltende S t V O enthält keine entsprechende Vorschrift. Wieweit die frühere Regelung auf Grund des § 1 fortgilt, wird unten erörtert werden; R N r . 106. Die übrigen Rechtsgrundsätze für das Verhalten an Engstellen wurden früher und werden auch heute aus der Grundregel des § 1 hergeleitet. Bei ihrer Darlegung kann auf die frühere Rechtsprechung ohne Einschränkung zurückgegriffen werden. Begriff D e r Begriff der engen Straßenstelle oder kurz „Engstelle" setzt seinem Wortsinn nach eine im übrigen Verlauf breitere Straße voraus. D e r Hauptfall, in dem sich aus der Enge einer Straßenstelle Schwierigkeiten ergeben können, ist der Fall der Begegnung von Fahrzeugen. Aber auch beim Uberholen kann eine Engstelle von Bedeutung sein. Für das Begegnen in Engstellen gelten verschiedenartige Grundsätze, je nachdem, ob es sich um übersichtliche oder unübersichtliche Engstellen handelt. Weiter ist zu unterscheiden zwischen Straßenstellen, die durch den natürlichen Verlauf der Straße, durch Bauwerke oder wäh«) Hamm 8. 5. 64, VRS 28, 386. ) Hamm 17. 9. 67, VkBl. 68, 507. 3 0 2 ) Vgl. v. Nitsch, DAR 62, 177, 179.
30
301
) BGH 18. 11. 66, NJW 67, 211 = VerkMitt. 67, 50. ) Hamm 17. 5. 55, VRS 9, 300. 3 » 5 ) BayObLG 7. 10. 59, VkBl. 60, 251. 303
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rend eines längeren Zeitraums bestehende Hindernisse (z. B. Bauzäune) und Straßenstellen, die durch vorübergehende Hindernisse (z. B. parkende Fahrzeuge) eingeengt sind. Die Fahrbahn ist eng, wenn sie keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen den sich begegnenden oder überholenden Fahrzeugen und, soweit erforderlich, zum Straßenrand zuläßt. Für zwei Pkw's kann eine Straße noch zu normaler Begegnung ausreichen, die f ü r die Begegnung von zwei Lkw's bereits „eng" ist. Auch auf den seitlichen Uberhang der Ladung kann es ankommen. Jeder Fahrzeugführer, der in eine nicht voll übersichtliche Engstelle einfährt, muß damit rechnen, daß ihm ein Fahrzeug höchst zulässiger Breite (2,50 m, § 32 Abs. 1 N r . 1 a StVZO) entgegenkommt. Die Grundsätze f ü r das Befahren von Engstellen gelten deshalb auch f ü r den, der auf seiner Fahrbahnhälfte bleibt, wenn ein entgegenkommendes Fahrzeug höchstzulässiger Breite gezwungen ist, die Mitte der Fahrbahn zu überfahren® 06 ). (Beispiel: Breite der Fahrbahn 4,50 m, Breite des Fahrzeugs 1,60 m. Der Fahrzeugführer fährt bei einem Sicherheitsabstand von 40 cm zum rechten Fahrbahnrand mit seinem Fahrzeug in einem Abstand von 25 cm an der Mitte der Fahrbahn entlang. Ein entgegenkommendes Fahrzeug von 2,50 m Breite benötigt aber einschließlich eines Sicherheitsabstandes von 50 cm zum Fahrbahnrand insgesamt 3 m der Fahrbahn, überschreitet also die Fahrbahnmitte um 75 cm). Die Mitbenutzung des Banketts kann von einem Kraftfahrer nur verlangt werden, wenn mit Sicherheit damit zu rechnen ist, daß das Bankett mit Fahrzeugen befahrbar ist, wobei wieder Unterschiede bestehen können, je nachdem, ob es sich um leichte oder schwere Fahrzeuge handelt. Die Fälle, in denen schwere Lkws beim Ausweichen auf ein Bankett einbrechen, sind nicht selten; (zur Frage der Befahrbarkeit von Banketten vgl. oben R N r . 78 sowie § 2 Abs. 4). Von Bedeutung kann auch sein, wie das Gelände im Anschluß an das Bankett beschaffen ist. Fällt das Gelände stark ab, so liegt es nahe, daß ein unbefestigtes Bankett nachgibt, wenn ein schwerer Lkw darauffährt. Hängt die Entscheidung davon ab, ob bei verkehrsgerechter Fahrweise eines entgegenkommenden Lkw-Fahrers f ü r einen Pkw-Fahrer genügend Raum zu reibungsloser Begegnung vorhanden gewesen wäre, kann ein ungeteertes Bankett mitzuberücksichtigen sein, das auf der Seite des Pkw-Fahrers an die Fahrbahn grenzt und von diesem unter Einhaltung einer niedrigen Fahrgeschwindigkeit bei der Begegnung mitbenutzt wird 307 ). „Eng" ist die Straße nicht schon dann, wenn nur ein schmaler Streifen von Schnee geräumt ist, es sei denn, daß der übrige Teil der Straße nicht befahrbar ist. Ist ein erheblicher Teil der Fahrbahn wegen einer Schneewehe nicht befahrbar, dann ist die Straße „eng". Zur Frage, ob eine solche Einengung des Fahrraums als vorübergehende Einengung zu behandeln ist, s. unten R N r . 107. 103
Begegnung in Dauer-Engstelle — Allgemeines Die Sicherheit des Verkehrs verlangt die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zwischen zwei sich begegnenden Fahrzeugen; vgl. oben R N r . 101. Welcher Sicherheitsabstand zwischen den Fahrzeugen und zwischen diesen und dem Straßenrand erforderlich ist, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles. Dabei spielt die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge eine entscheidende Rolle. Je geringer die Geschwindigkeit, desto geringer darf der Mindestabstand sein. Umgekehrt — je geringer der zur Verfügung stehende Sicherheitsabstand, desto weiter muß die Geschwindigkeit herabgesetzt werden. Bei einem Abstand von 1,20 m zwischen zwei sich innerhalb einer Kurve begegnenden Lastzügen von je 16 m Länge ist eine Geschwindigkeit von 30—40 km/h zu hoch. Bei normaler Geschwindigkeit soll der Abstand zwischen den Fahrzeugen nicht geringer sein als 1 m S08 ). Bleibt ein geringerer Abstand als 0,50 m, dann genügt in der Regel 30
«) Celle 21. 1. 61, VRS ° ) BayObLG 3. 11. 67, ° ) BayObLGSt. 55, 96, 9, 208; BGH(Z) 9.
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21, 252. 1 a St 302/1967. 98 (24. 5. 55) = VRS 1. 59, VersR 59, 392;
Hamm 29. 11. 62, VRS 25, 291; a. M. Schleswig 22. 1. 58, DAR 58, 276, das „unter normalen Umständen" einen Abstand von 35 cm für ausreichend hält.
Engstelle
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auch die beiderseitige Herabsetzung der Geschwindigkeit nicht, u m eine gefahrlose Begegnung zu ermöglichen. D a n n m u ß mindestens ein Fahrzeug angehalten w e r d e n ; näheres s. unten R N r . 105. Besondere Vorsicht ist bei Begegnung mit Lastzügen in Kurven geboten. Der Führer eines Lastzuges ist zwar verpflichtet, so langsam zu fahren, daß der Anhänger so wenig wie möglich ausschert. Das Ausscheren einzelner Teile des Lastzuges über die Fahrspur des Zugwagens hinaus ist aber o f t nicht vermeidbar. Hierdurch kann ein am A n f a n g der Begegnung noch ausreichender Sicherheitsabstand gefährlich vermindert werden. Übersichtliche
Engstelle
Die V o r f a h r t an Engstellen kann durch Vorschriftszeichen nach Z. 208 u n d Richtzeichen nach Z. 308 geregelt w e r d e n ; s. unten R N r . 110. Fehlt eine Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen u n d ist eine gefahrlose Begegnung innerhalb der Engstelle nicht möglich, so hat derjenige den V o r t r i t t , der die Engstelle zuerst erreicht. Der andere m u ß warten, bis der zum V o r t r i t t Berechtigte die Engstelle passiert hat 309 ). Das gilt aber n u r bei dauernden, nicht bei n u r vorübergehenden Engstellen (vgl. unten R N r . 107). Im Einzelfall mag es schwierig sein zu entscheiden, zu welcher v o n diesen beiden Arten eine Engstelle gehört. Klar ist der Fall bei Brücken und engen Ortsdurchfahrten. Aber auch Bauzäune, Straßenarbeiten auf einem Teil der Fahrbahn und sonstige länger dauernde Hindernisse zählen hierher (Begegnung in Baustellen s. R N r . 80). Ein brauchbares Unterscheidungsmerkmal zwischen dauernden u n d vorübergehenden Engstellen wird m a n aus der Feststellung gewinnen können, ob das Hindernis dem Straßenkörper die Eigenschaft als Fahrbahn nimmt 3 1 0 ). Wird die Fahrbahn bei Bauarbeiten aufgerissen, dann ist das aufgerissene Straßenstück keine Fahrbahn m e h r . Ein parkendes Fahrzeug oder eine Unfallstelle n i m m t dagegen dem Straßenkörper nicht den Charakter der Fahrbahn. Das O L G H a m m weist mit Recht darauf hin, daß es weniger auf die Zeitweiligkeit des Hindernisses als darauf ankommt, ob das Hindernis dem Straßenverkehr zuzurechnen ist oder nicht. Deshalb soll auch die Begegnung an Engstellen, die infolge von Schneeverwehungen entstanden sind, derjenige Verkehrsteilnehmer den Vorrang haben, der die Engstelle zuerst erreicht 311 ). Das muß auch f ü r Engstellen gelten, die Folge eines Straßenabrutsches sind. Erreichen beide Fahrzeuge die Engstelle gleichzeitig, dann müssen beide anhalten u n d sich verständigen, wer zuerst durchfahren soll. Der Umstand, daß v o n zwei sich begegnenden Fahrzeugen das eine die Gegenfahrbahn mitbenutzen muß, weil es wesentlich breiter ist als das andere (z. B. langer Omnibus, Lastzug in enger Kurve) soll an dem Grundsatz, daß durchfahren darf, wer die Engstelle zuerst erreicht, nichts ändern 3 1 2 ); gegen diese Ansicht spricht die Erwägung, das grundsätzlich derjenige zurückstehen m u ß , der aus technischen G r ü n d e n ein Gebot nicht einhalten kann. Ergibt sich aus der Breite des Fahrzeugs der Zwang, eine Leitlinie zu überfahren, dann gilt § 43 (6) Zeichen 340: Die Leitlinie darf n u r überfahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht gefährdet wird. Entgegen der Ansicht des BayObLG wird deshalb derjenige, der wegen der Breite seines Fahrzeugs in enger Kurve die Leitlinie einer schmalen Straße soweit überfahren muß, daß dadurch die Begegnung m i t einem entgegenkommenden Fahrzeug u n möglich wird, v o r der E i n f a h r t in die Kurve solange warten müssen, bis das entgegenkommende Fahrzeug durchgefahren ist. Es gelten deshalb im Ergebnis die gleichen Regeln wie bei vorübergehenden Engstellen, bei denen derjenige, der durch ein Hindernis auf seiner Fahrbahnseite gezwungen wird, die Gegenfahrbahn mitzubenutzen, gegenüber dem E n t gegenkommenden zurückstehen muß. O b dies auch f ü r Straßen ohne Leitlinie sinngemäß gelten soll, ist allerdings fraglich, denn § 2 enthält kein Gebot, die rechte H ä l f t e der Fahrbahn zu benutzen, sondern n u r „immer möglichst weit rechts" zu fahren. Das bedeutet, 30
°) Vgl. BGH 27. 11. 52, VRS 5, 145, 146; Celle 8. 7. 58, VerkMitt. 58, 59; Bamberg 25. 11. 59, VersR 60, 762. 810 ) Hamm 1. 7. 54, VRS 7, 222; BayObLGSt. 57, 230, 231 (27. 11. 57) = NJW 58, 512
= DAR 58, 248; a. M. Fritze, DAR 60, 283. 3») Hamm 12. 9. 63, VRS 26, 306. 312 ) BayObLG 3. 11. 67, 1 a St 302/67.
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daß dann audi links gefahren werden darf, wenn das Rechtsfahren nicht möglich ist. Trotzdem wird man auch in diesem Falle dem Führer des breiten und langen Fahrzeugs eine erhöhte Sorgfaltspflicht auferlegen, weil er die Breite und Länge seines Fahrzeugs kennt, während ein Entgegenkommender meist erst spät überblicken kann, ob ihm die Durchfahrt versperrt wird. Dieser Grundsatz gilt um so mehr, wenn auf schmaler Straße ein überbreites Fahrzeug (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 b StVZO) fährt. Sein Führer kann verpflichtet sein, einen Warner mit roter Fahne vorauszuschicken, allerdings nur dann, wenn Entgegenkommende nicht zum Fahren auf halbe Sicht verpflichtet sind313). Auf die Beobachtung des Vortrittsrechts darf der zuerst Angelangte im allgemeinen vertrauen. Voraussetzung hierfür ist aber, daß die Verkehrslage klar ist, daß er einen deutlichen Vorsprung vor dem anderen hat 314 ) und daß er für den anderen so frühzeitig sichtbar wird, daß dieser noch sicher anhalten kann. Wer bei klarem Vorsprung des Entgegenkommenden in eine kurze Engstelle einfährt, verstößt gegen § 1. Treffen die sich entgegenkommenden Fahrzeuge nahezu gleichzeitig an der Engstelle ein, dann darf keiner darauf vertrauen, daß ihn der andere durchfahren lassen werde 315 ). Sie müssen sich über die Durchfahrt verständigen. Auch wer deutlich zuerst vor der Engstelle anlangt und deshalb zunächst darauf vertrauen darf, daß der andere ihm den Vortritt einräumt, muß sich selbstverständlich sogleich auf eine Begegnung in der Engstelle einrichten, wenn er erkennen kann, daß auch der andere in die Engstelle einfährt 316 ). Niemand darf sehenden Auges in eine Gefahrenlage hineinfahren, wenn er nicht sicher sein kann, daß er oder ein anderer sie noch rechtzeitig beseitigen wird. 105
Unübersichtliche Engstelle Ist die Fahrbahn einer im übrigen ausreichend breiten Straße auf einer nicht überschaubaren Strecke eingeengt, so kann es darauf nicht ankommen, wer die Engstelle zuerst erreicht. Wer später in die Engstelle einfährt, kann nur solchen Entgegenkommenden den Vortritt lassen, die er bei der Einfahrt in die Engstelle sehen kann. Er ist nur dann wartepflichtig, wenn er vor der Einfahrt in die Engstelle das entgegenkommende Fahrzeug in der Engstelle wahrnehmen kann. Die Verkehrslage ist ähnlich wie bei einer Begegnung auf besonders schmaler Straße. Ist die Straße so schmal, daß eine Begegnung nicht oder nur unter Anwendung besonderer Vorsichtsmaßregeln möglich ist, dann kann ebenfalls keiner der beiden aufeinander Zukommenden für sich ein Vorrecht in Anspruch nehmen. Welche Maßnahmen bei einer Begegnung in unüberschaubarer Engstelle erforderlich sind, hängt von der Breite der zur Verfügung stehenden Fahrbahn und der Breite der sich begegnenden Fahrzeuge ab. Die Fahrzeuge müssen zunächst bei der Begegnung so weit wie möglich nach rechts ausweichen. Zwar enthält die geltende StVO im Gegensatz zur StVO 1937 (§ 10 Abs. 1) keine ausdrückliche Vorschrift über das Ausweichen. Die Pflicht, einem entgegenkommenden Fahrzeug so weit nach rechts auszuweichen, daß zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen ein ausreichender Sicherheitsabstand frei bleibt, ergibt sich aber aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1. Diese Pflicht geht weiter als die Pflicht nach § 2 Abs. 2, möglichst weit rechts zu fahren. Die Pflicht, rechts zu fahren, läßt zwar nicht nach dem Wortlaut, wohl aber nach dem Sinn des Gesetzes bei vernünftiger Auslegung die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zum Fahrbahnrand zu (vgl. § 2 RNr. 7). Bei einer Begegnung muß dagegen notfalls so weit nach rechts ausgewichen werden, daß der Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand auf ein Minimum eingeschränkt wird. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, verstoße gegen § 1, auch wenn der Abstand zum Fahrbahnrand nach § 2 Abs. 2 nicht zu beanstanden wäre. SIS) BayObLGSt. 63, 75 (13. 3. 63) = VRS 25, 217 = VerkMitt. 63, 61. s « ) BGH(Z) 5. 5. 59, VersR 59, 620 = Betrieb 59, 706 = VkBl. 59, 486 = VRS 17, 1 = DRspr. II (291) 59 a ; BayObLGSt. 60, 254 (2. 11. 60) = DAR 61, 177 = VerkMitt. 61, 58 = MDR 61, 83 = VkBl. 61, 88 =
78
DRspr. II (291) 83 b; vgl. auch Frankfurt 13. 12. 67, VRS 35, 50. S " ) Oldenburg 5. 11. 61, NdsRpfl. 62, 12 = DRspr. II (291) 93 f. 3 1 8 ) Vgl. Schleswig 8. 2. 62, VerkMitt. 62, 51; BayObLG 1. 3. 61, DAR 62, 22.
Engstelle
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Durch das Ausweichen muß erreidit werden, daß zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen ein ausreichender Sicherheitsabstand bleibt, in der Regel mindestens 1 m (vgl. oben R N r . 67). Läßt die Breite der Fahrbahn dies nicht zu, muß die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge soweit herabgesetzt werden, daß die Begegnung trotz des geringeren Sicherheitsabstandes ohne Gefahr durchgeführt werden kann (§ 3 Abs. 1). Durch die Herabsetzung der Geschwindigkeit wird erreicht, daß die bei höherer Geschwindigkeit gegebene Gefahr von mehr oder weniger großen Seitenbewegungen des Fahrzeugs (z. B. durch Unebenheiten der Fahrbahn) gemindert wird. Wenn die Fahrbahn auch zu einem solchen vorsichtigen Vorbeifahren nicht ausreicht, müssen beide Fahrzeugführer anhalten und sich über die Vorbeifahrt verständigen. Erforderlichenfalls muß einer stehenbleiben, bis sich der andere vorbeigetastet hat. Dieser Fall wird in der Regel vorliegen, wenn der mögliche Sicherheitszwischenraum geringer als 50 cm ist. Das beiderseitige Anhalten erübrigt sich nur dann, wenn einer von beiden Fahrern rechtzeitig vorher angehalten und dadurch einseitig seine Bereitschaft bekundet hat, den anderen in langsamer Fahrt passieren zu lassen317). Wer nicht rechtzeitig anhält, obwohl er erkennen kann, daß eine Begegnung nicht möglich ist, verstoße gegen § 1. Um der Anhaltepflicht genügen zu können, muß in unübersichtlicher Engstelle auf halbe Sicht gefahren werden (vgl. § 3 R N r . 63). Wer selbst auf halbe Sicht und äußerst rechts fährt, darf darauf vertrauen, daß ihm in der unübersichtlichen Engstelle Entgegenkommende sich auch entsprechend verhalten. Warnzeichen muß der Fahrzeugführer nach § 13 nur geben, wenn Verkehrsteilnehmer durch sein Fahrzeug gefährdet werden. Es genügt aber, wenn mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß solche Verkehrsteilnehmer durch die Bewegung des Fahrzeugs in Gefahr kommen können, die zunächst noch nicht sichtbar sind, mit deren Auftauchen aber gerechnet werden muß. Mindestens auf schmalen Straßen sollte vor unübersichtlichen Kurven gehupt werden, weil keineswegs die Gewähr besteht, daß Entgegenkommende pflichtgemäß auf halbe Sicht fahren. Die Abgabe von Hupzeichen befreit den Kraftfahrer freilich nicht von weitergehenden Sorgfaltspflichten 317 ). Engstelle, die Begegnung ausschließt Für den Fall, daß die Vorbeifahrt auch unter Anwendung erhöhter Sorgfalt nicht möglich ist, müssen sich die Beteiligten darüber einigen, wer bis zu einer Ausweichstelle zurückfahren soll. § 10 Abs. 2 StVO 1937 hatte für diesen Fall ausdrücklich bestimmt, daß „umzukehren" hat, wem dies nach den Umständen am ehesten zuzumuten ist. Eine entsprechende Vorschrift enthält die geltende StVO nicht. Man wird aber den gleichen Grundsatz der Grundregel des § 1 entnehmen können. Wen danach die Pflicht trifft, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß sich aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verkehrsart die Zumutbarkeit des Umkehrens nicht allgemein herleiten lasse, also etwa beim Kraftfahrzeug gegenüber dem Fuhrwerk oder umgekehrt; vielmehr entscheiden in erster Linie die fahrtechnische Möglichkeit, also die örtlichen Verhältnisse (Schwierigkeit, Länge des Rückweges) und die Verhältnisse der beteiligten Verkehrsteilnehmer (Beschaffenheit der Fahrzeuge, Schwere Lenkbarkeit), in 2. Linie die Verkehrsbedeutung der beteiligten Fahrzeuge. (Ähnlich schon die AA zu § 26 RStVO 1934). Das früher den Linienomnibussen eingeräumte Vorrecht besteht nicht mehr allgemein, doch wird es sich häufig aus den Umständen ergeben. Bei Begegnung eines Postomnibusses mit einem Pkw auf schmaler Straße wird in der Regel dem Pkw das Umkehren zuzumuten sein. Besonders bedeutsam kann die Frage auf schmalen Bergstraßen werden. Das deutsche Recht kennt (im Gegensatz z. B. zum Schweizer Recht) kein generelles Vorrecht des Aufwärtsfahrenden gegenüber dem Abwärtsfahrenden. Da aber dem Abwärtsfahrenden das Zurückstoßen auf Bergstraßen technisch leichter fällt als dem Bergauffahrenden, wird auch bei uns dem Abwärtsfahrenden das Umkehren in der Regel S17
) BGH 27. 5. 60, NJW 60, 1524. 79
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eher zugemutet werden können, es sei denn, der Aufwärtsfahrende befände sidi nahe an der nächsten Ausweichstelle. Auch wer im Einzelfall bei einer Begegnung auf engstem Raum von der Pflicht zurückzustoßen befreit wäre, weil ihm dies schwerer fiele als dem anderen Beteiligten, darf seine Fahrt nicht ohne Rücksicht auf das entgegenkommende Fahrzeug fortsetzen. Audi der nicht Umkehrpfliditige ist zum Anhalten verpflichtet. Hält er nicht an, so verstößt er gegen § 1. Dieser Grundsatz wurde auch gegenüber dem nach § 10 Abs. 2 StVO 1937 Bevorrechtigten angewandt 316 ). Vorübergehende 107
Einseitige
Engstelle
Einengung
§ 6 befaßt sich mit dem Vorbeifahren an einem haltenden Fahrzeug, einer Absperrung oder einem sonstigen Hindernis in der Fahrbahn und verpflichtet denjenigen, auf dessen Seite sich das Hindernis befindet, den Entgegenkommenden „durchfahren" zu lassen; vgl. dort R N r . 5. Damit wird die Frage, ob auch bei solchen vorübergehenden Engstellen derjenige das Vorrecht hat, der sie zuerst erreicht, verneint. Die Frage wurde früher nicht ganz einheitlich beantwortet, doch überwog schon damals die Meinung, daß f ü r diesen Fall wie dies jetzt in § 6 ausdrücklich bestimmt ist, derjenige wartepflichtig ist, der durch das Hindernis zum Wechsel der Fahrspur genötigt wird 318 ). Trotz der ausdrücklichen Regelung der Frage durch das Gesetz wird die frühere Rechtsprechung zum Befahren einer vorübergehenden Engstelle noch von Bedeutung sein. Zunächst gilt nach wie vor der Satz, daß, wer ein Hindernis auf einer Fahrbahn umfahren muß, gegenüber Entgegenkommenden nur dann warten muß, wenn es sich um eine „echte" Engstelle handelt. Wenn die durch das Hindernis in der Fahrbahn geschaffene „Engstelle" eine Begegnung in angemessener Geschwindigkeit zuläßt, hat keiner der beiden Fahrzeugführer ein Vorrecht. Auch demjenigen, dessen Fahrbahnseite frei ist, wird in einem solchen Fall zugemutet, nicht nur möglichst weit nach rechts auszuweichen, sondern erforderlichenfalls seine Geschwindigkeit zu ermäßigen. Dies ergibt sich aus der beidseitigen Rücksichtspflicht 319 ). Nähert sich allerdings das Gegenfahrzeug in derart vorschriftswidriger Weise, daß eine ungefährdete Begegnung in der Engstelle in Frage gestellt wird, so muß derjenige, auf dessen Fahrbahnseite sich das Hindernis befindet, seine Geschwindigkeit auch dann herabsetzen und notfalls anhalten, wenn eine Begegnung in der Engstelle technisch möglich wäre 820 ). Wird eine gefahrlose Begegnung durch das vorübergehende Hindernis auf der einen Fahrbahnhälfte unmöglich oder auch nur wesentlich erschwert, dann hat schon nach der allgemeinen Übung der den Vortritt, dessen Fahrbahn frei ist. Diese allgemeine Übung hat ihren guten Grund: Ein den Verkehrsregeln immanenter, gewissermaßen naturrechtlicher Grundsatz besagt, daß derjenige, der seine Fahrspur verändert und dabei in die Fahrspur eines anderen eindringt, f ü r die aus seiner Fahrweise erwachsenden Gefahren einzustehen hat. Wer seine Fahrbahnhälfte nicht verläßt, muß deshalb gegenüber dem, der sie wechselt, den Vortritt haben. Der gleiche Grundsatz verpflichtet den Uberholer und den Linksabbieger, auf Gegenverkehr und nachfolgenden Verkehr zu achten. Allerdings kann im Einzelfall zweifelhaft sein, ob ein Hindernis in diesem Sinn „vorübergehend" ist. In § 6 werden „Absperrungen" schlechthin zu den vorübergehenden Hin318
) Krumme, D A R 56, 265; BGH(Z) 7. 11. 61, VersR 62, 156 = VerkMitt. 62, 16; BayObLGSt. 54, 136, 138 (24. 11. 54); 57, 230 (27. 11. 57) = N J W 58, 512 = DAR 58, 248; Bremen 20. 3. 57, DAR 57, 363; Celle 8. 7. 58, VerkMitt. 58, 59 = NdsRpfl. 58, 215; Hamm 15. 5. 61, DAR 62, 163; Frankfurt 26. 6. 62, VerkMitt. 63, 6 = DRspr. II (291) 104 c; Oldenburg 13. 1. 59, DAR 59, 220; 14. 11. 61, VRS 23, 311; 15. 11. 61
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NdsRpfl. 62, 12; 10. 7. 62, VRS 24, 146 = NdsRpfl. 62, 239; Schleswig 6. 2. 63, VerkMitt. 63, 46; a. M. Oldenburg 3. 7. 56, VRS 11, 460 = VkBl. 56, 702; Fritze in DAR 60, 283. 319 ) BGH(Z) 18. 4. 61, VersR 61, 545; B G H 3. 4. 64, VRS 27, 35; BayObLG 3. 7. 68, DAR 69, 109 = DRspr. II (291) 173 b; vgl. Celle 21. 4. 59, VRS 18, 218. 32 ») BGH(Z) 18. 6. 63, VersR 63, 1071.
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dernissen gezählt, obwohl sie oft lange Monate bestehen bleiben und obwohl die Fahrbahn hinter den Absperrungen bei Straßenarbeiten häufig völlig beseitigt wird. Solche „Absperrungen" hatte der Gesetzgeber sicher nicht im Auge, sondern nur kurzfristige, etwa bei Unfällen und dergl. Ist ein Zweifel darüber möglich, ob ein Hindernis in der Fahrbahn diese nur vorübergehend oder auf längere Dauer einengt, dann wird derjenige, auf dessen Fahrbahnhälfte sich das Hindernis befindet, von der für ihn ungünstigen Annahme ausgehen, also den Gegenverkehr durchfahren lassen müssen. Wichtig ist, daß in Fällen, in denen dem Gegenverkehr der Vortritt zukommt, auch der Verkehrsteilnehmer vor der Fahrbahnverengung anhalten muß, der sie deutlich vor dem Entgegenkommenden erreicht hat 321 ). Nur wenn er so früh an die Engstelle gelangt, daß die Durchfahrt durch die Engstelle bereits sicher beendet ist, bis der Entgegenkommende die Engstelle erreicht, darf er noch durchfahren. Die Wartepflicht gilt für alle Verkehrsteilnehmer, auf die Größe von Fahrzeugen und ihre Verkehrsbedeutung kommt es nicht an. So muß ein Lastzugführer, der an einem parkenden Fahrzeug vorbeifährt, einem entgegenkommenden Radfahrer ausreichend Raum zur Begegnung lassen oder wenn das nicht möglich ist, sofort halten 322 ). Wer freie Fahrt hat, weil sich das vorübergehende Hindernis auf der Gegenfahrbahn befindet, darf in der Regel darauf vertrauen, daß der Entgegenkommende seiner Wartepflicht hinter dem Hindernis genügt. Wird für ihn freilich erkennbar, daß dies nicht der Fall ist, muß er sich sogleich auf das verkehrswidrige Verhalten des anderen einstellen. Beiderseitige Einengung Von den Fällen der einseitigen Einengung der Fahrbahn zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Fahrbahn beiderseits durch vorübergehende Hindernisse eingeengt wird. Dieser Fall ist im städtischen Verkehr häufig: Beiderseits der Fahrbahn parken Fahrzeuge. Reicht die freibleibende Fahrbahn für eine Begegnung der beteiligten Fahrzeuge aus, können sie also sowohl zueinander wie auch zu den parkenden Fahrzeugen jeweils ausreichende Sicherheitsabstände einhalten, dann handelt es sich nicht um eine echte Engstelle. Beide müssen sich aufeinander einstellen, keiner ist bevorrechtigt. Dabei wird es in der Regel auch nicht auf eine etwa vorhandene Mittellinie ankommen. Beide Fahrzeugführer müssen sich in den freien Raum teilen 323 ). Jeder ist notfalls befugt, die Mittellinie zu überschreiten, es sei denn, daß dadurch der Entgegenkommende gefährdet würde. Ob dies der Fall ist, hängt von der Breite der Durchfahrt, der Breite der beteiligten Fahrzeuge und ihrer Geschwindigkeit ab. Kann der Entgegenkommende durch genügendes Ausweichen und geringfügige Herabsetzung seiner Geschwindigkeit eine gefahrlose Begegnung ermöglichen, dann ist er dazu verpflichtet. Reicht freilich der Raum hierfür nicht aus, dann gilt der Grundsatz, daß den Vortritt hat, wer die Engstelle zuerst erreicht. Dieser Grundsatz ist sinngemäß auf den Fall anzuwenden, daß zwei sich entgegenkommende Fahrzeuge gleichzeitig überholen wollen und der Raum zwischen den überholten Fahrzeugen zu einer Begegnung nicht ausreicht 324 ). Dieser Prioritätsgrundsatz soll aber nicht uneingeschränkt auf den Fall übertragen werden dürfen, in dem das Fahrzeug, das darnach den Vorrang hätte, aus einer Kolonne ausschert325). Die Leitlinie (Z. 340) darf nur dann überfahren werden, wenn dadurch der Gegenverkehr nicht gefährdet wird. In diesem Fall gelten für den, der wegen der Breite der Hindernisse auf seiner Fahrbahnhälfte (oder durch die Breite seines Fahrzeugs, s. oben RNr. 104) gezwungen wäre, die Mittellinie zu überfahren, die gleichen Pflichten wie für den, der sonst durch ein vorübergehendes Hindernis auf seiner Fahrbahn gezwungen wird, die Gegenfahrbahn mitzubenutzen: Er muß warten, bis der Gegenverkehr durchgefahren ist 326 ). Das gleiche soll für den gelten, auf dessen Fahrbahnseite sich ein um) BayObLG 27. 10. 64, D A R 65, 81. ) Düsseldorf 7. 7. 66, VerkMitt. 66, 93. 3 2 3 ) BayObLG 3. 7. 68, D A R 69, 109 = DRspr. II (291) 173 b; ähnlich 12. 8. 70, VerkMitt. 70, 92. 321 322
) BGH ) Celle 326) Vgl. 2. 2. DAR 324
325
20. 16. für 61, 69,
5. 54, V R S 7, 76. 11. 67, V R S 35, 146. die frühere Rechtslage Düsseldorf, V R S 21, 304; BayObLG 3. 7. 68, 109.
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fangreicheres Hindernis befindet wie auf der Gegenfahrbahn (Beispiel: Auf der Seite des Wartepflichtigen drei, auf der Gegenfahrbahn 1 parkendes Fahrzeug) 327 ). Wird die Fahrbahn durch links und redits parkende Fahrzeuge auf etwa 3 m verengt, so braucht der in diese Verengung mit 45 km/h hereinfahrende Kraftfahrer nicht damit zu rechnen, daß ein parkendes Fahrzeug in die Engstelle einfährt 238 ). Kann keines der begegnenden Fahrzeuge die Engstelle passieren, ohne die Gegenfahrbahn mitzubenutzen, so müssen die f ü r die Begegnung an dauernden Engstellen geltenden Regeln angewandt werden. Den Vortritt hat dann derjenige, der die Engstelle zuerst erreicht (s. oben R N r . 104). 109
Unübersichtliche vorübergehende Engstelle Besonders schwierig ist die Verkehrslage f ü r den, auf dessen Fahrbahnhälfte sich an einer unübersichtlichen Stelle ein vorübergehendes Hindernis befindet, durch das die Fahrbahn soweit eingeengt wird, daß dort eine Begegnung nicht mehr stattfinden kann. Audi f ü r ihn gilt die allgemeine Regel, daß bei Gegenverkehr wartepflichtig ist, wer durch ein vorübergehendes Hindernis auf seiner Fahrbahnseite gezwungen wird, die Gegenfahrbahn mitzubenutzen. Für ihn ist zunächst von ausschlaggebender Bedeutung, ob er der Pflicht, auf Sicht zu fahren, genügt hat (vgl. § 3 R N r . 57). Konnte er vor dem Hindernis auf seiner Fahrbahnhälfte nicht mehr anhalten, weil er zu schnell in die unübersichtliche Strecke eingefahren war, dann liegt sein Verschulden f ü r einen an der Engstelle verursachten Unfall auf der Hand. Bei Annäherung an das Hindernis muß er seine Geschwindigkeit fortlaufend herabsetzen, um noch hinter dem Hindernis anhalten zu können, falls Gegenverkehr auftaucht 329 ). Allerdings wird er einen Punkt erreichen, an dem er nicht mehr anhalten kann, weil er bereits mit der Vorbeifahrt begonnen hat. Taucht nun Gegenverkehr auf, dann muß er sofort anhalten, wenn er die Vorbeifahrt nicht mehr rechtzeitig vor dem Herankommen des Gegenverkehrs abschließen kann. Der Entgegenkommende muß in diesem Fall ebenfalls anhalten, was ihm dann möglich ist, wenn er seinerseits auf Sicht gefahren war. Dadurch wird der Entgegenkommende allerdings behindert. Die Behinderung ist aber nach den Umständen nicht zu vermeiden 330 ). Derjenige, auf dessen Fahrbahnhälfte sich das Hindernis befindet, soll darauf vertrauen dürfen, daß ein aus der Kurve herauskommender Verkehrsteilnehmer nur mit einer Geschwindigkeit fährt, die der gegebenen Sichtbehinderung entspricht 331 ). Der Führer eines besonders schwerfälligen Fahrzeugs kann in einem solchen Fall verpflichtet sein, einen Warnposten vorauszuschicken 331 ).
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Engstellen mit Vorfahrtregelung Die Vorfahrt kann an Engstellen durch die Verkehrszeichen 208, 308 geregelt werden. Voraussetzung ist die Uberschaubarkeit der Engstelle (vgl. die Vwv zu Zeichen 208). Kann der Wartepflichtige das entgegengesetzte Ende der Engstelle bei seiner Einfahrt nicht sehen, dann ist er außerstande, seiner Wartepflicht zu genügen, wenn der zur Vorfahrt Berechtigte bereits von der anderen Seite her in die Engstelle eingefahren ist. Das wurde früher bei der Aufstellung der Verkehrszeichen nicht immer bedacht. War in einem solchen Fall der Wartepflichtige in die gekennzeichnete Engstelle eingefahren, mußte der erst später in den Sichtbereich gelangende entgegenkommende Verkehrsteilnehmer dem Wartepflichtigen das Verlassen der Engstelle ermöglichen, bevor er selbst in sie einfuhr. Wenn sowohl der Wartepflichtige wie der Bevorrechtigte in die Engstelle eingefahren waren, weil f ü r keinen von ihnen das Einfahren des anderen sichtbar war, so wurde die Regel des § 10 Abs. 2 StVO 1937 angewandt, d. h. zurückstoßen mußte derjenige, dem dies eher zuzumuten war 333 ). 3
" ) Zweibrücken 15. 12. 65, VRS 30, 217. ®) Hamm 21. 3. 61, DAR 61, 345. 329 ) BayObLGSt. 63, 167 (26. 6. 63) = VerkMitt. 63, 84. 330 ) Oldenburg 14. 11. 61, VRS 23, 305. 331 ) Düsseldorf 11. 10. 67, VRS 35, 53; Stuttgart 8. 6. 67, VRS 33, 451. 32
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) BGH(Z) 27. 5. 60, N J W 60, 1524 = VRS 19, 84 = DAR 60, 260; BGH(Z) 14. 5. 68, VersR 68, 847. 333 ) BayObLGSt. 67, 111 (12. 7. 67) = VRS 34, 139 = VerkMitt. 68, 9.
Engstelle
stvo § 1
Kann die Engstelle überblickt werden, so darf der Bevorrechtigte darauf vertrauen, Entgegenkommende würden ihrer Wartepflicht genügen. Solange der Bevorrechtigte die Engstelle aber nicht überblicken kann, darf er sich nidit darauf verlassen, daß die Durchfahrt frei sei334). Der Wartepflichtige muß so weit vor der Engstelle anhalten, daß die freie Durchfahrt des bevorrechtigten Gegenverkehrs nicht dadurch behindert wird, daß er zu weit links anhält 335 ). Überholung an Engstellen Überholen und Vorbeifahren wird in §§ 5 u. 6, mehrspuriges Fahren in § 7 geregelt. Im folgenden werden nur Fälle erläutert, in denen das Uberholen oder der mehrspurige Verkehr durch eine Engstelle beeinträchtigt wird. Für das Überholen auf engen Straßen und an Engstellen gelten die allgemeinen Überholregeln. Der Überholer darf nur dann zum Überholen ansetzen, wenn er sicher sein kann, während der ganzen Dauer der Überholung weder den Überholten, noch entgegenkommenden Verkehr zu gefährden oder auch nur zu behindern. Hieraus folgt: Ist die Breite der Fahrbahn so gering, daß während des Überholens kein ausreichender Sicherheitsabstand zum überholten Fahrzeug und zum linken Straßenrand eingehalten werden kann, dann darf nicht überholt werden. Ist das Überholen nur möglich, wenn das vorausfahrende Fahrzeug hart am rechten Fahrbahnrand fährt, so darf nicht ohne Verständigung mit dem Fahrer des zu überholenden Fahrzeugs überholt werden. Das gilt besonders, wenn das zu überholende Fahrzeug durch seinen Aufbau den rechten Fahrbahnrand f ü r den Überholer verdeckt oder dieser nicht überblicken kann, ob der zu Überholende seinerseits gezwungen wird, ein Hindernis auf der rediten Fahrbahnseite zu umfahren oder einen hart am rechten Straßenrand fahrenden langsameren Verkehrsteilnehmer zu überholen. Zur Frage, ob der Überholer darauf vertrauen darf, daß der Vorausfahrende seiner Pflidit nachkommt, auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und seine Ausscherabsicht anzukündigen, vgl. § 5 R N r . 2 1 338 ). Wird die Fahrbahn durch einen in Bewegung befindlichen Verkehrsteilnehmer eingeengt, dann darf nicht überholt werden, wenn mit Gegenverkehr zu rechnen ist und keine ausreichende Durchfahrt frei bleibt. Ein Kraftfahrer muß daher abbremsen und hinter einem auf der Fahrbahn gehenden Fußgänger zurückbleiben, wenn damit zu rechnen ist, daß er ihn in einer durch einen entgegenkommenden Pkw gebildeten Engstelle nicht ungefährdet überholen kann. Die bei der Überführung des mehrspurigen Verkehrs in den einspurigen auftauchenden Probleme werden bei § 7 R N r . 9 behandelt. Gegenstand der folgenden Ausführungen ist lediglich der Fall der Unterbrechung einer Fahrspur durch Hindernisse auf der Fahrspur. Insoweit handelt es sich um eine echte Engstelle, wenn der bis dorthin mehrspurige Verkehr vorübergehend zum einspurigen Fahren gezwungen wird. Es erhebt sich die Frage, wer an der Engstelle den Vortritt hat. Leider enthält das Gesetz keine Regelung, obwohl sich die Praxis bisher nicht einigen konnte und die Frage im Hinblick auf die Zunahme des mehrspurigen Verkehrs vordringlich erscheint. Als mögliche Lösungen kommen in Betracht: 1. Den Vortritt hat immer die rechte Reihe 337 ). 2. Den Vortritt hat die Reihe, deren Fahrspur frei ist. 3. Den Vortritt hat, wer die Engstelle zuerst erreicht. 4. Den Vortritt hat abwechselnd ein Fahrzeug der rediten und linken Reihe (Reißverschluß) 338 ). Welche Lösung man auch bevorzugt: Für alle gilt, daß das Problem nicht anders als im Wege der gegenseitigen Rücksichtnahme vernünftig gelöst werden kann. 3S4
) H a m m 15. 10. 65, VRS 30, 376. ) BayObLG 16. 3. 66, DAR 67, 26. 338) Für die frühere Rechtslage: BayObLGSt. 59, 233 (28. 7. 59) = VkBl. 60, 16 = DAR 59, 333 = J R 60, 26 mit zust. Anm. von Härtung. 335
317) So Celle 8. 5. 69, VRS 38, 276; München 20. 3. 68, VersR 68, 1148; KG 28. 3. 68, VRS 35, 353; Hamm 20. 3. 69, VRS 38, 285; Köln 6. 8. 63, N J W 63, 2386; 64, 561 mit abl. Anm. v. Heyse. 33 8) H a m m 20. 3. 69, JMB1. N R W 70, 44. 83
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Im übrigen wäre es sinnvoll, bei der Lösung der Frage die f ü r die Begegnung in einer Engstelle geltenden Rechtssätze, soweit möglich, entsprechend anzuwenden33®). Das würde bedeuten: Bei einer länger dauernden Einengung der Fahrbahn von zwei auf eine Fahrspur (z. B. Baustelle) hat den Vortritt der Fahrzeugführer, der die Engstelle zuerst erreicht 340 ). Zwanglos ergäbe sich als weitere Folge dieses Grundsatzes, daß das Vorrecht auf ein Fahrzeug der anderen Fahrspur übergeht, sobald ein solches näher an der Engstelle wartet als das dem ersten Fahrzeug auf dessen Fahrspur nachfolgende. Diese Lösung stünde auch mit den Grundsätzen in Übereinstimmung, die allgemein zum Überholen entwickelt wurden: Beim Überholen hat der den Vortritt, der das zu überholende Fahrzeug zuerst erreicht (vgl. § 5 R N r . 23). Gelangen freilich zwei nebeneinander fahrende Fahrzeuge gleichzeitig an eine länger dauernde Engstelle, dann wird man dem Benutzer der rechten Fahrspur deshalb den Vortritt lassen müssen, weil davon auszugehen ist, daß seine Fahrspur nach links abbiegt, daß er also seine Fahrspur nicht verläßt, wenn er in die Engstelle einfährt 341 ). Trotzdem muß aber von dem Benutzer der rechten Fahrspur auch in diesem Fall verlangt werden, daß er vor dem Ausscheren nach links auf den nachfolgenden Verkehr achtet. Da eine einheitliche Rechtsprechung nicht besteht und der Gesetzgeber die Frage nicht geklärt hat, muß jeder Fahrzeugführer damit rechnen, daß ein Benutzer der anderen Fahrspur f ü r sich den Vortritt in Anspruch nimmt 342 ). Bei vorübergehendem Ausfall der einen Fahrspur (Unfall) würde dagegen der Grundsatz zum Zuge kommen, daß der bevorrechtigt ist, dessen Fahrspur frei ist. N u r wer gegenüber dem Benutzer der freien Fahrspur einen so geräumigen Vorsprung hat, daß er ohne dessen Behinderung in die freie Fahrspur einscheren kann, dürfte darnach von der durch das vorübergehende Hindernis blockierten Fahrspur aus in die Engstelle einfahren. Allerdings dürfte der Grundsatz nicht ohne Einschränkung gelten, weil sonst mindestens bei langen Kolonnen den wartepflichtigen Fahrzeugführern die Möglichkeit weiterzukommen unbilligerweise auf längere Zeit völlig abgeschnitten würde. Unzutreffend ist die von einem Teil der Rechtsprechung vertretene Meinung, den Fahrzeugen der rechten Fahrspur stehe auch hier allgemein der Vortritt zu 342 ) 343 ). Aus dem allgemeinen Grundsatz „rechts vor links" kann diese Meinung nicht hergeleitet werden, weil dieser Grundsatz seiner Natur nach nur f ü r das Aufeinandertreffen von Fahrzeugen aus verschiedenen Straßen gilt. Auch die Erwägung, daß die Neigung mancher Kraftfahrer, auf der Autobahn vorwiegend die Überholfahrbahn zu benutzen, durch die oben vorgeschlagene Lösung noch verstärkt werden könnte, vermag nicht zu überzeugen. Hindernisse auf der Fahrbahn der Autobahn befinden sich ebenso oft auf der Uberholfahrbahn wie auf der normalen Fahrbahn. Bei einem vorübergehenden Hindernis auf der Überholfahrbahn wären die Benutzer der Normalfahrbahn bevorrechtigt, weil ihre Fahrspur frei wäre. Wird erkennbar, daß sich ein Hindernis auf der Fahrbahn befindet, dann ist es wünschenswert, daß sich der Verkehr auf dieses Hindernis möglichst frühzeitig einstellt und nicht bis unmittelbar vor dem Hindernis auf der dann unterbrochenen Fahrspur bleibt, um im letzten Augenblick von seinem angeblichen Vorrecht Gebrauch zu machen. Audi abgesehen von der Frage des Vortritts an einer Engstelle wird das Verhalten im Bereich der Engstelle von der Grundregel des § 1 beherrscht. So darf sich ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer nicht rechts neben Fahrzeuge einer Kolonne setzen, die vor einem verengten Straßenabschnitt anhält, um sich beim Anfahren der Kolonne nach links hineindrängen zu können 344 ). Vor einem durch ein auf der Gegenseite abgestelltes Fahrzeug ge»»«) Ähnlich Mühlhaus StVO 1. Aufl. § 8 Anm. 3 d ; Heyse wie Fußn. 337. 34 ») So Düsseldorf 24. 6. 65, VerkMitt. 65, 79. 341 ) BayObLG 13. 1. 70, VerkMitt. 70, 24 = VRS 39, 289. s42 ) Hamm 30. 5. 68, VRS 36, 100 mit gutem Überblick über die Rechtsprechung. 343 ) So OLG München 20. 3. 68, VRS 35, 333; s. auch Köln 28. 9. 62, VRS 24, 293 — Verk-
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Mitt. 63, 31 und 6. 8. 63, VRS 26, 129 = N J W 63, 2386 mit abl. Anm. von Heyse 64, 561; Schleswig 30. 4. 63, SdilHA 63, 286; KG 8. 6. 67, VRS 33, 300; a. M. K G 19. 9. 63, DR 64, 29 mit Anm. von Schultze, vgl. Saarbrücken 9. 9. 65, VRS 30, 213; Möhl DAR 64, 12. 344 ) Hamm 5. 5. 60, DAR 61, 93; ähnlich BayObLGSt. 64, 71 (6. 5. 64) = VRS 27, 227.
stvo § 1
Engstelle; Fuhrwerke; Fußgänger
bildeten Engpaß darf auch der Fahrer eines Linienbusses — jedenfalls bei Dunkelheit — nicht anfahren, wenn von hinten ein Fahrzeug schon so nahe herangekommen ist, daß dessen Fahrer zur Vermeidung einer Überholung des Omnibusses im Engpaß zu einer Gefahrenbremsung veranlaßt werden könnte 3 4 5 ). Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers gegenüber Fuhrwerken Fuhrwerke sind von Tieren fortbewegte und nicht an Bahngleise gebundene Landfahrzeuge. Die Pflichten des Kraftfahrers gegenüber Fuhrwerken ergeben sich im wesentlichen aus dem Umstand, daß Fuhrwerke von Tieren gezogen werden, die unberechenbar sind (s. unten R N r . 160). Beim Aufkommen des Kraftverkehrs auf den Straßen bestand die Gefahr, daß Pferde scheuen würden, zunächst allgemein. Noch § 20 V ü K V e r k . 1930 bestimmte: M e r k t der Fahrer, daß ein Pferd oder ein anderes Tier vor dem Kraftfahrzeug scheut oder daß sonst durch das Vorbeifahren mit dem Kraftfahrzeug Menschen oder Tiere in Gefahr gebracht werden, so hat er langsam zu fahren sowie erforderlichenfalls anzuhalten und die Maschine oder den Motor außer Tätigkeit zu setzen. Das galt auch noch nach § 25 R S t V O 1934. In § 12 Abs. 2 S t V O 1937 wurde nurmehr die Abgabe von Warnzeichen verboten, wenn Tiere dadurch unruhig werden. Die geltende S t V O enthält keine Vorschriften, die sich im besonderen mit der Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers gegenüber Fuhrwerken befassen. Aus § 1 ergibt sich aber ohne weiteres, daß der in § 20 V ü K V e r k . 1930 aufgestellte Grundsatz auch heute noch gilt, mögen auch die Fälle, in denen Zugtiere im modernen Straßenverkehr scheuen, selten sein. Immerhin wird man auch noch allgemein verlangen können, daß der Kraftfahrzeugführer schon dann, wenn er bemerkt, daß Zugtiere auch nur unruhig werden, entsprechende Maßnahmen ergreift: Herabsetzung seiner Geschwindigkeit, Vorbeifahrt mit geräumigen Abstand und notfalls Anhalten, Abstellen des Motors. Gegenüber dem neben seinem Fuhrwerk hergehenden Fuhrwerklenker gelten aber die gleichen Grundsätze wie gegenüber sonstigen Fußgängern auf der Fahrbahn (unten R N r . 116). Der Kraftfahrzeugführer darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß sich der Fuhrwerklenker verkehrsgerecht verhält. E r braucht nicht damit zu rechnen, daß sich dieser auf das Warnzeichen des Einholenden umwendet und dabei gedankenlos nach links in die Fahrbahn des Kraftfahrzeugs tritt 3 4 6 ). Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Fuhrwerklenker: Unten R N r . 163. Sorgfaltspflicht gegenüber Fußgängern Allgemeines Zu den Fußgängern gehören zwar auch Kinder. Diese werden aber in einem besonderen Abschnitt behandelt: R N r . 129 f. Zur Frage, welchen Abstand der Kraftfahrer bei der V o r beifahrt an einem Fußgänger einzuhalten hat, s. oben R N r . 67, 68. Vorschriften über die Pflichten der Fußgänger finden sich in § 25. Fußgänger sind leicht verletzlich und häufig weniger verkehrsgewandt wie Kraftfahrer. Daher die erschreckenden Verlustziffern im Straßenverkehr. Zwar darf der Fußgänger die Fahrbahn nur in beschränktem Umfang benutzen. Wenn er sie aber berechtigterweise benutzt, ist er ein gleichberechtigter Teilnehmer des Straßenverkehrs. Es genügt nicht, eine unmittelbare Gefährdung der Fußgänger zu vermeiden, der Kraftfahrer darf sie auch nicht durch seine Fahrweise zu gefährlichen Schreckreaktionen verleiten 3 4 7 ). Verletzt der Fußgänger seine Verkehrspflichten, betritt er z. B. achtlos die Fahrbahn oder geht er auf offener Landstraße am rechten, statt am linken Fahrbahnrand, dann muß sich der Kraftfahrer auf das verkehrswidrige Verhalten sogleich einstellen. Bei erkennbar verkehrswidrigem Verhalten eines Fußgängers ist deshalb der Vertrauensgrundsatz im all345
) Hamm 7. 4. 66, VRS 31, 294 = VkBl. 67, 37.
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») A. M. Hamm 12. 5. 50, VkBl. 50, 311. ) BGH(Z) 23. 9. 69, VerkMitt. 69, 91.
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gemeinen nicht anwendbar. Allerdings räumt verkehrswidriges Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers den Vertrauensgrundsatz nicht völlig, sondern nur insoweit aus, als gerade im Hinblick auf den begangenen Fehler eine damit zusammenhängende weitere Verkehrswidrigkeit zu erwarten ist 348 ). Geht z. B. ein Fußgänger auf offener Landstraße verbotenerweise am rechten Fahrbahnrand statt am linken (§ 25 Abs. 1), dann kann der K r a f t fahrer dennoch darauf vertrauen, daß er ihm nicht plötzlich ohne ersichtlichen Grund in die Fahrlinie läuft. Häufig ist es schwierig, hier die richtige Grenze zu ziehen zwischen Fällen, in denen sich der Kraftfahrer auf verkehrswidriges Verhalten einstellen muß, obwohl es noch nicht in Erscheinung getreten ist und Fällen, in denen er auf verkehrsgerechtes Verhalten vertrauen darf, solange das Fehlverhalten nicht erkennbar wird. Zahlreiche veröffentlichte Entscheidungen befassen sich mit dieser Frage. Soweit die Bemessung der zulässigen Geschwindigkeit davon abhängt, wie weit der Kraftfahrer auf verkehrsgerechtes Verhalten von Fußgängern vertrauen darf, wird das Problem bei § 3 R N r . 21—24 und 52 behandelt. Hier wird zunächst zur Rechtsprechung Stellung genommen, die sich allgemein mit der Frage des zulässigen Vertrauens gegenüber Fußgängern befaßt. Soweit in den folgenden Abschnitten das Verhalten des Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern in bestimmten Verkehrslagen, z. B. bei Fußgängern am Fahrbahnrand, im einzelnen erörtert wird, spielt naturgemäß häufig ebenfalls der Vertrauensgrundsatz mit herein. Insoweit wird die Vertrauensfrage jeweils bei den einzelnen Abschnitten behandelt. Der Vertrauensgrundsatz besagt, daß sich der Kraftfahrer nur auf solche Verkehrswidrigkeiten anderer einstellen muß, mit denen zu rechnen er bei verständiger Würdigung aller Umstände triftigen Anlaß hat. Die Schwierigkeit besteht darin, allgemeine Grundsätze darüber aufzustellen, mit welchen Verkehrswidrigkeiten gerechnet werden muß. V o n einem erwachsenen Fußgänger darf der Kraftfahrer normalerweise erwarten, daß er vorhandene Gehwege pflichtgemäß (§ 2 Abs. 4 S. 1) benutzt. Dabei ist zu beachten, daß der Fußgänger den Gehweg in jeder Richtung benutzen muß, wenn auf einer Seite der Fahrbahn ein Gehweg vorhanden ist 3 4 9 ). D e m Gehweg gleichgeachtet wird der von der Fahrbahn deutlich abgesetzte Seitenstreifen (Bankett) 3 5 0 ). In Fällen, in denen die Benutzung des Gehwegs aus irgendwelchen Gründen unbequem ist, kann der Vertrauensgrundsatz aber eingeschränkt sein. So ist damit zu redinen, daß Fußgänger in kleinen, ländlichen Gemeinden, wenn nur ein mit Bäumen bestandener Randstreifen neben der Fahrbahn verläuft, häufig unmittelbar neben diesem Streifen am Fahrbahnrand gehen 3 5 1 ). Auch der Zustand des Gehweges kann von Bedeutung sein. Ist der Weg naß und glitschig, so werden Fußgänger lieber auf der befestigten Fahrbahn gehen 352 ). Allerdings soll der Kraftfahrer bei Nacht nicht verpflichtet sein, sich über den Zustand eines mit einem Randstein versehenen Gehwegs neben der Fahrbahn zu informieren 3 5 3 ). Die Bedeutung des Grundsatzes, daß der Kraftfahrer darauf vertrauen dürfe, der Fußgänger werde pflichtgemäß den Gehweg benutzen, ist allerdings durch den anderen Grundsatz stark eingeschränkt, daß der K r a f t fahrer immer auf Sicht fahren muß. Ihn wird daher in der Regel auch dann ein gewisses Mitverschulden treffen, wenn der von ihm angefahrene Fußgänger die Fahrbahn verkehrswidrig benutzte, obwohl ein Gehweg vorhanden war, vorausgesetzt, daß der K r a f t fahrer dies rechtzeitig erkennen konnte. N u r in besonders gelagerten Fällen wird der Kraftfahrer entschuldigt sein, weil er mit Fußgängern auf der Fahrbahn nicht zu rechnen brauchte und der Fußgänger schwer wahrzunehmen war. In solchen Fällen wird von der Rechtsprechung die Meinung vertreten, ein Unfall sei für den Kraftfahrer nicht voraussehbar gewesen 349 ). ) BGH(Z) 20. 12. 63, VRS 26, 331. ) BGH 25. 8. 63, VRS 25, 344 = VerkMitt. 64, 25 = DRspr. II (291) 122 e; Köln 12. 5. 64, VRS 27, 357 = VerkMitt. 64, 93 = JMB1. NRW 64, 200. 35 °) BGH 30. 1. 58, VRS 14, 296; 30. 9. 59, VRS 17, 420. 348 348
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) BGH 25. 1. 63, VRS 24, 288. ) BGH(Z) 16. 12. 53, VRS 6, 87 = DAR 54, 58. 3 5 3 ) Köln 15. 4. 58, DAR 58, 333. 351
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Fußgänger
Im Regelfall gilt dies nicht. Hätte der Kraftfahrer bei zumutbarer Sorgfalt einen Fußgänger auf der Fahrbahn in einem Zeitpunkt wahrnehmen können, in dem er durch Bremsen oder Ausweichen einen Aufprall noch vermeiden konnte, dann kann er sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn es zu einem Unfall k o m m t . D a n n liegt das Verschulden des Kraftfahrers darin, daß er entweder unaufmerksam gefahren ist oder zu spät reagiert hat. Das gleiche gilt in dem Falle, daß der Fußgänger auf offener Landstraße rechts statt links geht. Der Kraftfahrer kann ihn dort auch bei Nacht rechtzeitig wahrnehmen. Dazu kommt, daß das Gebot, außerhalb von geschlossenen Ortschaften am linken Fahrbahnrand zu gehen, von Fußgängern in ländlichen Gegenden noch immer häufig mißachtet wird 3 5 4 ). Das verkehrswidrige Verhalten des Fußgängers kann in diesem Fall nur bei der Strafzumessung gegenüber dem Kraftfahrer berücksichtigt werden. Es k o m m t hier also nicht darauf an, wann der Kraftfahrer den Fußgänger tatsächlich wahrgenommen hat, sondern wann er ihn hätte wahrnehmen können 3 5 5 ). N u r wenn der zur Verfügung stehende Weg beim Auftaudien des Fußgängers zum rechtzeitigen Anhalten nicht mehr ausreicht, weil er kürzer ist als der erforderliche „Anhalteweg" (d. i. die in der Reaktions- und Bremsansprechzeit zurückgelegte Strecke + dem Bremsweg), erhebt sich die Frage, ob der Kraftfahrer darauf vertrauen durfte, daß der Fußgänger nicht in seine Fahrlinie geraten werde. Diese Frage wird verschieden beantwortet, je nachdem, ob es sich um erwachsene Fußgänger oder Kinder (s. R N r . 129 f.) oder gebrechliche und behinderte Personen (s. R N r . 125) handelt. Gegenüber dem normalen erwachsenen Fußgänger gilt im Normalfall der Vertrauensgrundsatz insoweit uneingeschränkt, als darauf vertraut werden darf, daß kein Fußgänger die Fahrbahn kurz vor einem herannahenden Fahrzeug betreten werde 3 5 6 ). A u d i bei Nacht braudit der Kraftfahrer ohne besondere Anhaltspunkte nicht damit zu redinen, daß Fußgänger eilenden Schritts unvermittelt von der Seite her auf nächste Entfernung im Lichtkegel seiner Scheinwerfer auftaudien 3 5 7 ). Der Vertrauensgrundsatz gegenüber Fußgängern gilt allgemein, nicht etwa bloß innerhalb von Großstädten. Auch in Kleinstädten darf der Kraftfahrer darauf vertrauen, daß erwachsene Fußgänger nicht ohne triftigen Grund und nicht ohne sich über etwa von rückwärts nahende Fahrzeuge zu vergewissern, die Fahrbahn betreten 3 5 8 ). Der Grundsatz gilt allgemein f ü r Fußgänger, die außerhalb eines Überweges die Fahrbahn überschreiten 359 ). Gibt der Kraftfahrer aus angemessener Entfernung ein H u p zeidien, so braucht er seine Geschwindigkeit nicht sogleich zu verlangsamen, sondern darf zunächst darauf vertrauen, daß die Fußgänger die Warnung beachten werden. Reagieren die Fußgänger nicht, dann darf er nicht darauf vertrauen, daß sie es gehört haben 3 6 0 ). Reagiert ein Fußgänger auf das Hubzeidien richtig, begibt sich etwa ein entgegenkommender Fußgänger zum Straßenrand, dann darf der Kraftfahrer darauf vertrauen, daß sich der Fußgänger auch weiter verkehrsgerecht verhalten werde 3 6 1 ). Anders, wenn die Umstände erkennen lassen, daß ein Fußgänger auf der Fahrbahn durch das Herannahen eines Fahrzeugs überrascht worden ist. Hier darf der Fahrer selbst dann, wenn der Fußgänger auf dessen Warnzeichen hin k u r z stehenbleibt und auf das Fahrzeug schaut, erst dann vor ihm vorbeifahren, wenn er damit redinen kann, daß der Fußgänger auch nach Uberwindung des ersten Schreckens stehen bleiben wird 3 6 2 ). Selbstverständlich gilt auch im Verhältnis des Kraftfahrers zum Fußgänger die allgemeine Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes, daß sich auf ihn nur berufen darf, wer ) Oldenburg 14. 1. 58, VRS 15, 298. ) Bremen 1. 8. 62, DAR 63, 253. S 5 6 ) BGH 22. 1. 60, VRS 18, 302 = DAR 60, 146 = J R 60, 189 = MDR 60, 519 = NJW 60, 831 = DRspr. II (291) 66 b; ähnlich BGHSt. 13, 169 (27. 5. 59) = Betrieb 59, 1003 = DAR 59, 248 = MDR 59, 857 = NJW 59, 1547 = VkBl. 59, 514. 3 5 7 ) BGH 8. 3. 63, VRS 25, 47; ähnlich BGH 1. 7. 60, VRS 19, 282; 9. 2. 62, VRS 22, 343. 354 355
) BGH 10. 12. 65, VRS 30, 192. ) BGH(Z) 14. 6. 66, VersR 66, 877 = DRspr. II (291) 143 c. 360 ) A. M. Braunsdiweig 3. 12. 65, VRS 30, 447 = DRspr. II (291) 143 b; im Anschluß an BGH 19. 1. 56, GA 56, 293. 361 ) BayObLG 18. 12. 57, 1 St 558/1956. 362 ) BGH 22. 1. 60 wie 356). 3M
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sich selbst verkehrsgerecht verhält 363 ). Wer auf einer Einbahnstraße in der verbotenen Richtung rückwärts fährt, darf sich deshalb nicht darauf verlassen, daß keine Fußgänger in seine Fahrlinie gelangen. Vielmehr muß er in Betracht ziehen, daß Fußgänger möglicherweise im Vertrauen auf den Einbahnverkehr die Fahrbahn mit Blickwendung nur in Richtung auf den erlaubten Straßenverkehr überqueren werden 364 ). Auch bei Anwendung einer über die gewöhnliche Verkehrssorgfalt hinausgehende Aufmerksamkeit braucht der Kraftfahrer mit einem außergewöhnlich grob verkehrswidrigen Verhalten eines Fußgängers (Überquerung der Fahrbahn im Laufschritt unmittelbar vor der Begegnung zweier mit Scheinwerferlicht fahrenden Kraftfahrzeuge) nicht zu redinen, weshalb die zivilrechtliche Haftung wegfallen kann 365 ); vgl. Bd. 1 I § 7 RNr. 292). •J14
Fußgänger außerhalb der Fahrbahn Der Kraftfahrer darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß Fußgänger, die sich außerhalb der Fahrbahn befinden, diese nicht betreten, ohne nach herankommenden Fahrzeugen Umschau zu halten 366 ). Der Kraftfahrer darf nicht nur darauf vertrauen, daß sich in seinem Gesichtskreis auf der Fahrbahn befindliche Fußgänger verkehrsgerecht verhalten, sondern auch Fußgänger außerhalb der Fahrbahn, gleichgültig, ob sie für ihn erkennbar sind oder nicht. Allerdings muß er die Fahrbahn und ihre nähere Umgebung ständig nach Möglichkeit daraufhin beobachten, ob nicht Umstände erkennbar werden, die auf ein bevorstehendes verkehrswidriges Verhalten von Fußgängern schließen kann. Wieweit ihm dies möglich ist, hängt von verschiedenen Umständen ab: Breite der Fahrbahn, Beschaffenheit des Geländes neben der Fahrbahn, Beleuchtung, Witterung usw. Bei einer nur 6 m breiten Straße liegen beide Fahrbahnhälften im Blickfeld des Kraftfahrers, so daß er zu einer entsprechend sorgfältigen Beobachtung der sich am linken und rechten Bordstein befindlichen Fußgänger in der Lage ist 367 ). Daß Fußgänger, die sich außerhalb der Fahrbahn befinden, ohne die gebotene Vorsicht in die Fahrbahn treten, braucht er in der Regel nicht in Betracht zu ziehen, soweit es sich um normale, erwachsene Fußgänger handelt und die Fußgänger nicht aus besonderen Gründen ein Vorrecht genießen (§ 9 Abs. 3, § 26). Deshalb braucht der Kraftfahrer bei der Annäherung an einen Fußgänger, der am Straßenrand einer Großstadtstraße steht und den Fahrverkehr beobachtet, nicht damit zu rechnen, der Fußgänger werde kurz vor seinem Herannahen die Fahrbahn betreten 368 ). Auch braucht sich ein Kraftfahrer grundsätzlich nicht auf die Möglichkeit einzustellen, daß ein in der Mitte des Grünstreifens einer zweibahnigen Straße stehender Fußgänger ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs die von ihm benutzte Fahrbahn überschreiten werde. Dies soll auch gelten, wenn der Fußgänger nicht zu ihm hinblickt und ohne erkennbare Eile zum Fahrbahnrand vorgeht' 6 *). Ebensowenig braucht er, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, damit zu rechnen, daß ein vor dem Kraftfahrer auf dem Seitenstreifen gehender Fußgänger plötzlich unachtsam die Fahrbahn betreten werde 370 ). Nähert sich ein Fußgänger von der Seite her der Fahrbahn und kann der Kraftfahrer verständigerweise annehmen, der Fußgänger habe ihn bemerkt oder werde ihn demnächst bemerken und werde daraufhin stehenbleiben, so darf der Kraftfahrer seine Fahrt zunächst fortsetzen 371 ). Zu Fußgängern, die sich nahe am Rand des Bürgersteiges oder auf einer Verkehrsinsel befinden, muß zwar ein Sicherheitsabstand eingehalten werden, dessen Größe sich hauptsächlich nach der Geschwindigkeit des Kraftfahrers bemißt. Das Vorbeifahren mit einem beladenen Lkw links an einer Verkehrsinsel, auf der 363)
BGH 4. 7. 57, VRS 13, 225; K G 22. 2. 62, VRS 23, 33. 3 6 4 ) Köln 30. 1. 68, VerkMitt. 68, 44. 3 6 5 ) BGH(Z) 22. 12. 59, VersR 60, 183. si") BGH(Z) 26. 4. 57, VRS 13, 20 = Betrieb 57, 555; BGHSt. 3, 49 (8. 7. 52) = VRS 4, 447; BGH(Z) 22. 11. 57, VRS 14, 86 = Betrieb 58, 23 = DAR 58, 69; BGH 20. 12. 63, VRS 26, 203.
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ä«7) Hamm 23. 10. 59, VRS 19, 136. 3 6 s > ) BGH(Z) 10. 4. 62, VRS 23, 177 = VersR 62, 638. 3 6 S ) BayObLG 8. 10. 69, bei Rüth DAR 70, 253. 37 °) BGH 17. 2. 67, VRS 32, 437. 3 7 1 ) BGH 18. 10. 63, VRS 26, 28 = DRspr. II (291) 116 e.
Fußgänger außerhalb der Fahrbahn
StVO
§1
sich Fußgänger befinden, soll bei einer Geschwindigkeit von 46 k m / h u n d einem Abstand von 50—60 cm bereits pflichtwidrig sein' 72 ). Andernteils soll auch in Kleinstädten ein K r a f t f a h r e r nicht damit zu redinen braudien, daß ein nahe am R a n d des Bürgersteigs gehender Fußgänger erschrecken und vor seinen mit etwa 50 cm Abstand von der Bürgersteigkante fahrenden Wagen geraten könne 373 ). Auch wenn abends innerhalb einer Ortschaft mehrere Fußgänger am Straßenrand stehen, braucht der K r a f t f a h r e r nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß einer die Fahrbahn vor dem herannahenden K r a f t f a h r z e u g betreten werde 374 ). Das gleiche gilt bei Fußgängern auf Gehwegen im Bereich einer Straßeneinmündung 5 7 5 ). In allen diesen Fällen m u ß der K r a f t f a h r e r aber sorgfältig prüfen, ob sich nicht aus dem Verhalten des Fußgängers oder der besonderen Verkehrslage d a f ü r ein Anhaltspunkt ergebe, daß der Fußgänger sich alsbald nicht mehr verkehrsgerecht verhalten werde. Rollt z. B. ein Fußball während eines Spieles von einem ungesicherten Platz aus auf die Fahrbahn, so m u ß der K r a f t f a h r e r damit rechnen, es könne ein Spieler oder Zuschauer dem Ball nacheilen u n d so unvorsichtig v o r sein Fahrzeug geraten 376 ). Dagegen soll der K r a f t f a h r e r regelmäßig darauf vertrauen dürfen, daß Straßenbahnfahrgäste auf einer Verkehrsinsel sich beim Betreten der Fahrbahn ebenso sorgfältig verhalten werden wie F u ß gänger, die v o n einem Bürgersteig aus die Fahrbahn betreten 3 7 7 ). Immerhin m u ß der K r a f t fahrer aber auch in den Fällen, in denen er darauf vertrauen darf, daß ein außerhalb der Fahrbahn befindlicher Fußgänger nicht unversehens in die Fahrbahn tritt, ständig reaktionsbereit sein, wenn auch n u r die Möglichkeit besteht, daß Fußgänger das in sie gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigen. In diesem Fall kann ihm keine Schreckzeit zugebilligt werden. Das gilt z. B., wenn ein Fußgänger auf die Fahrbahn zugeht u n d der K r a f t f a h r e r nicht sicher sein kann, daß ihn der Fußgänger bemerkt hat. In solchen Fällen darf sich der K r a f t f a h r e r nicht mit einem kurzen Blick auf den Fußgänger begnügen, sondern m u ß dessen weiteres Verhalten sorgfältig beobachten. Von der Beobachtungspflicht wird der K r a f t fahrer durch den Vertrauensgrundsatz in keinem Fall befreit 3 7 8 ). Ein K r a f t f a h r e r , der zum Anhalten an die Bordsteinkante heranfährt, muß darauf achten, daß er durch überhängende Teile seines Fahrzeugs (z. B. Außenspiegel) oder der Ladung niemanden auf dem Gehweg gefährdet oder schädigt 37 '). 115
Fußgänger am Fahrbahnrand Stehen zwei erwachsene Personen am R a n d einer übersichtlichen Fahrbahn, so braucht ein sich nähernder K r a f t f a h r e r nicht damit zu rechnen, daß eine von ihnen unmittelbar v o r seinem Fahrzeug die Fahrbahn zu überqueren versuchen werde 380 ). Gehen jedoch zwei Fußgänger statt auf dem rechts befindlichen Gehweg auf der linken Seite einer n u r 5,6 m breiten Fahrbahn nebeneinander, so soll ein von hinten herankommender K r a f t f a h r e r damit rechnen müssen, sie k ö n n t e n die Fahrbahn unvermittelt überqueren, u m den Gehweg zu erreichen 381 ). Bei der Überholung von Fußgängern am Fahrbahnrand m u ß ein Sicherheitsabstand eingehalten werden, der bei zunehmender Geschwindigkeit des K r a f t f a h r e r s z u n i m m t u n d in der Regel 1 m nicht unterschreiten darf. In besonderen Fällen reicht auch ein solcher Abstand nicht aus (vgl. oben R N r . 67, 68). Kann wegen der geringen Breite der Fahrbahn oder wegen der Breite eines entgegenkommenden Fahrzeugs der notwendige Sicherheitsabstand z u m Fußgänger nicht eingehalten werden, dann m u ß der K r a f t f a h r e r die Überholung des Fußgängers zurückstellen, notfalls hinter ihm anhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Fußgänger am richtigen Fahrbahnrand geht, ja ob er ü b e r h a u p t die Fahrbahn benutzen darf. Der ordnungsgemäß am Fahrbahnrand gehende Fußgänger darf 372 ) 373 ) 374
)
375 ) 376 ) 377
)
KG 26. 4. 62, VRS 23, 223. BGH 10. 12. 65, VRS 30, 192. BGH 18. 11. 60, VRS 20, 129. BGH 5. 4. 68, VRS 35, 117. BGH 6. 11. 59, VRS 18, 48. BGH(Z) 24. 1. 67, VerkMitt. 67, 27 = DAR 67, 136 = JR 67, 386 = MDR 67, 579 =
378
J
379
)
3«») 381 )
NJW 67, 981 = VersR 67, 354, = VRS 32, 250 = DRspr. II (291) 154 b. KG 8. 2. 60, VRS 18, 350 = DRspr. II (291) 68 c. Hamm 11. 10. 57, VRS 15, 60 = DRspr. II (291) 44 c. BGH(Z) 8. 5. 64, VersR 64, 826. Stuttgart 2. 12. 68, VRS 37, 197. 89
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sich seinerseits darauf verlassen, daß ihn ein von hinten herankommendes Kraftfahrzeug mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand überholt, wenn dazu genügend Platz ist 382 ). Geht am linken Fahrbahnrand ein wegen Trunkenheit torkelnder Fußgänger, dann ist für die Frage der Schuld eines Kraftfahrers, der ihn während einer Überholung trotz ausreichenden Sicherheitsabstandes zum Fahrbahnrand anfährt, entscheidend, auf welche Entfernung er die Gefahr erkennen konnte 3 8 3 ). Gleiche Sicherheitsabstände wie zu überholten Fußgängern müssen zu entgegenkommenden gewährt werden. W e r ein anderes Fahrzeug überholt, muß also zu einem ihm am linken Fahrbahnrand entgegenkommenden Fußgänger einen entsprechenden Sicherheitsabstand einhalten und notfalls mit der Überholung zuwarten, bis er sie ohne Gefährdung des Fußgängers durchführen kann. D e r Kraftfahrer darf nicht darauf vertrauen, daß Fußgänger zu ihrer eigenen Sicherheit die Fahrbahn räumen und auf das Gelände neben der Fahrbahn flüchten 884 ), ja nicht einmal, daß sie rechtzeitig bis zum äußersten Fahrbahnrand hin ausweichen. Auf Grund der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 muß der Kraftfahrer gefährdete Fußgänger durch Warnzeichen auf die drohende Gefahr aufmerksam machen. Allerdings sind Warnzeichen nur dann nützlich, wenn sie aus einer gewissen Entfernung gegeben werden (vgl. § 16 R N r . 9). Der Kraftfahrer darf aber nicht darauf vertrauen, daß ein Fußgänger, der sich verkehrswidrig verhält, auf das Hupzeichen hin richtig reagiert. Allerdings braucht er auch nicht damit zu rechnen, daß ein erwachsener rüstiger Fußgänger, der auf der rechten Fahrbahnseite geht und auf ein aus 30 m gegebenes Hupzeichen nicht reagiert, bei Annäherung des Kraftfahrzeugs auf 10—15 m plötzlich links über die Fahrbahn geht 385 ). Ein Kraftfahrer, der an Fußgängern mit ausreichendem Sicherheitsabstand vorbeifährt, braucht in der Regel nicht damit zu rechnen, daß diese erschrecken und im Schrecken falsch reagieren könnten. Das soll nach einer Entscheidung des B G H auch für den Führer eines mit mäßiger Geschwindigkeit fahrenden Pkw mit einachsigem Anhänger gegenüber einem entgegenkommenden rüstigen Fußgänger gelten, wenn der Sicherheitsabstand nur 70 cm beträgt 3 8 6 ). D e r Entscheidung kann nicht zugestimmt werden. An dem Erfordernis eines Abstandes von mindestens 1 m sollte festgehalten werden. D e r B G H hat zwar seinen Leitsatz selbst eingeschränkt für den Fall, daß der Fußgänger die sich nähernden Fahrzeuge nicht bemerkt hätte und offensichtlich unaufmerksam gewesen wäre. Der Kraftfahrer wird aber meist nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen können, wann ihn ein entgegenkommender Fußgänger wahrnimmt. Deshalb wird er in der Regel mit einer Schreckreaktion rechnen müssen, wenn er sich anschickt, nur mit einem Abstand von 70 cm an ihm vorbeizufahren. Fußgänger am Außenrand einer Kurve können den Eindruck gewinnen, daß ein entgegenkommendes, die Kurve ordnungsgemäß durchfahrendes Fahrzeug gerade auf sie zufahre. D e r Führer des Kraftfahrzeugs braucht aber, wenn er die Kurve mit angemessener Geschwindigkeit durchfährt, nicht damit zu rechnen, daß die Fußgänger zu überstürzten und möglicherweise falschen Reaktionen veranlaßt würden 387 ). 116
Fußgänger inmitten der Fahrbahn Steht ein Fußgänger inmitten der Fahrbahn, dann erhebt sich die Frage, ob ein K r a f t fahrer darauf vertrauen darf, daß er dort stehen bleibt. Blickt der stehende Fußgänger in der Richtung auf das herankommende Kraftfahrzeug, dann gilt der Vertrauensgrundsatz uneingeschränkt. Solange der Kraftfahrer aber nicht sicher sein kann, daß der Fußgänger sein Herannahen bemerkt hat, wird er darauf in der Regel nicht vertrauen dürfen 388 ). So a 82 ) Oldenburg 22. 12. 60, DAR 61, 256. M 3 ) Hamm 5. 12. 69, DAR 70, 132. 384 ) BGH(Z) 21. 3. 67, VersR 67, 706 = VerkMitt. 67, 58 = DRspr. II (291) 155 b.
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***) BayObLG 27. 1. 60, 1 St 703/1959. BGH 6. 12. 65, VRS 30, 101. 387 ) Hamm 21. 6. 60, VRS 20, 287. 388 ) KG 6. 7. 67, VersR 68, 259.
38«)
Fußgänger am Fahrbahnrand und mitten auf der Fahrbahn
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darf er sich nidit auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn ein in der Mitte der Fahrbahn stehender Fußgänger offensichtlich in der Absicht, die Fahrbahn von links nach rechts zu überqueren, seinen Kopf nach links gewendet hält. Denn es liegt nicht fern, daß der Fußgänger weitergeht, ohne vorher noch einmal nach rechts zu blicken389). Der Kraftfahrer ist verpflichtet, einen durch sein Herannahen gefährdeten Fußgänger rechtzeitig durch Hupzeichen zu warnen, falls er nicht sicher sein kann, daß ihn dieser bemerkt hat. Er darf sich aber nicht darauf verlassen, daß sich der Fußgänger auf das Hupzeichen richtig verhalten werde. Reagiert der Fußgänger auf das Hupzeichen überhaupt nicht, so liegt es nahe, daß er das Kraftfahrzeug nicht bemerkt hat; auf verkehrsgerechtes Verhalten darf nicht vertraut werden. Bleibt ein Fußgänger beim Uberqueren der Fahrbahn nicht nur ganz kurz (länger als 1—2 sec) stehen, dann hängt es von der Verkehrslage und von dem Aussehen und Verhalten des Fußgängers ab, ob zu befürchten ist, daß er seinen Weg unaufmerksam fortsetzen werde 390 ). Handelt es sich um einen erwachsenen Fußgänger, der bei Ansichtigwerden des herannahenden Kraftfahrers auf der Fahrbahn stehenbleibt und dort etwa 2—3 sec beobachtend verharrt, dann wird der Kraftfahrer darauf vertrauen dürfen, daß der Fußgänger weiter stehenbleiben wird 391 ). Allerdings gilt dieser Grundsatz auch wieder nicht uneingeschränkt. Es kommt auch auf die Verkehrslage an: Ist die Straße schmal, so wird der in der Mitte wartende Fußgänger bei Verkehr aus beiden Richtungen in Bedrängnis geraten. In diesem Fall liegt es nahe, daß er in Schrecken gerät und seinen Posten verläßt. Hängt die Entscheidung davon ab, ob der Kraftfahrer darauf vertrauen durfte, daß ein in der Fahrbahnmitte stehender Fußgänger seinen Standpunkt beibehält, dann muß also auch die allgemeine Verkehrslage festgestellt werden. Auch wenn der Kraftfahrer darauf vertrauen darf, daß der Fußgänger stehenbleibt, darf er sich ihm nur mit einem angemessenen seitlichen Sicherheitsabstand nähern 392 ). Geht ein Fußgänger wegen der Straßenbeschaffenheit (Schneefall) in der Mitte der Fahrbahn vor dem Kraftfahrer her und begibt er sich auch auf ein Hupzeichen hin nicht zum Fahrbahnrand, dann muß der Kraftfahrer davon ausgehen, daß er sein Herannahen nicht wahrgenommen hat. Er darf sich nicht darauf verlassen, daß der Fußgänger die Fahrbahn rechtzeitig räumen werde 393 ). Geht der Fußgänger aber auf der linken Fahrbahnseite, dann soll der Kraftfahrer auch dann nicht damit zu rechnen brauchen, daß er plötzlich ohne umzusehen die Fahrbahn von links nach rechts überquert, wenn der Fußgänger bei Rückenwind und starkem Regen mit aufgespanntem Schirm auf der Fahrbahn geht, weil der Gehweg wegen Schneematsch schwer begehbar ist394). Besonders ungünstige Witterungsverhältnisse können allerdings durchaus zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht führen. Sieht ein Kraftfahrer bei Dunkelheit und heftigem Schneefall vor sich mitten auf der Fahrbahn einen in der Fahrtrichtung gehenden Fußgänger, dann muß er sofort alle Maßnahmen einleiten, um vor dem Fußgänger halten zu können. Er darf sich nicht darauf verlassen, daß der Fußgänger auf sein Warnzeichen hin nach links ausweicht395). Auch in der Silvesternacht muß ein Kraftfahrer, wenn er Fußgänger vor sich auf der Fahrbahn bemerkt, besondere Vorsicht walten lassen und sich auf unbedachtes und unvernünftiges Verhalten gefaßt machen396). Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn — Allgemeines Hält an einer Haltestelle ein Linienomnibus am Fahrbahnrand, dann liegt es nahe, daß Fahrgäste hinter dem Omnibus über die Straße streben. Den vorbeifahrenden Kraftfahrer trifft daher eine besondere Sorgfaltspflicht. Die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze werden, da es sich in erster Linie um die Frage der zulässigen Geschwindigkeit handelt, bei 389)
Hamburg 1. 12. 65, VerkMitt. 66, 29. Hamm 8. 10. 64, JMB1. NRW 64, 284 = DRspr. II (291) 127 a. 3 9 1 ) BGH 22. 1. 60 wie 356); Hamm 17. 11. 67, VRS 35, 24. 39 *) BGH 10. 11. 61, N J W 62, 259 = MDR 62, 234 = DAR 62, 83 = VerkMitt. 62, 15 = VRS 22, 128 = DRspr. II (291) 91 b.
39 »)
393) BayObLG 14. 5. 58, DAR 59, 19. 3 9 4 ) BayObLG 26. 7. 67, 1 a St 123/67 bei Rüth DAR 68, 198 (5 b). 39 5) Saarbrücken 18. 1. 62, VRS 23, 302. 39 «) BGH(Z) 21. 5. 68, VerkMitt. 68, 89 = VersR 68, 897 = DRspr. II (291) 166 d.
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§ 3 dargelegt (s. dort R N r . 74, 75). Die Frage, wieweit der Kraftfahrer darauf vertrauen darf, daß Fußgänger, die sich außerhalb der Fahrbahn befinden, die Fahrbahn nicht achtlos betreten, wurde oben R N r . 114 behandelt. Gegenüber einem die Fahrbahn überschreitenden Fußgänger gilt zwar der allgemeine Grundsatz, daß auf sein verkehrsgeredites Verhalten solange vertraut werden darf, als keine Umstände erkennbar sind, die dies zweifelhaft erscheinen lassen 397 ). Ist erkennbar, daß es der Fußgänger an der nötigen Vorsicht fehlen läßt, dann versagt der Vertrauensgrundsatz (s. unten R N r . 119). Aber auch sonst wird der Vertrauensgrundsatz gegenüber Fußgängern, welche die Fahrbahn überqueren, in mancher Beziehung eingeschränkt. So muß der Kraftfahrer, der auf einer 22 m breiten Straße mit zügiger Geschwindigkeit in der N ä h e der Fahrbahnmitte fährt, nach den ihm bekannten örtlichen Gegebenheiten u. U . damit rechnen, daß Fußgänger beim Oberschreiten der Fahrbahn in diesem Bereich anhalten 3 9 8 ). Wenn auch die Meinung vertreten wird, daß das Rechtsfahrgebot nicht dem Schutz der die Fahrbahn überquerenden Fußgänger zu dienen bestimmt sei, so muß doch mindestens bei Prüfung der Frage, ob der Kraftfahrer auf verkehrsgerechtes Verhalten von Fußgängern vertrauen darf, der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Fußgänger davon ausgehen, Kraftfahrzeuge führen in der Regel auf der rechten Fahrbahnhälfte und nicht in der Mitte der Fahrbahn. Aus diesem Grund sehen auch Fußgänger beim Überschreiten einer nicht ganz schmalen Straße häufig zunächst nur nach links und erst nach einigen Schritten nach rechts. Dieser Erfahrungstatsache muß sich der von rechts auf der linken Fahrbahnhälfte herannahende Kraftfahrer bewußt sein 399 ). H a t ein die Fahrbahn von rechts nach links überquerender Fußgänger die Fahrbahnmitte bereits überschritten, dann braucht ein herankommender Kraftfahrer nicht ohne weiteres damit zu rechnen, dieser werde plötzlich umkehren und zurücklaufen 4 0 0 ). Geschieht dies, so kann ihm neben der Reaktions- und Bremsansprechzeit eine kurze Beobaditungszeit zugebilligt werden 4 0 1 ). Der Kraftfahrer darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß ein von links die Fahrbahn mit Blickrichtung auf das von rechts herankommende Kraftfahrzeug überquerender Fußgänger in der Mitte der Fahrbahn anhält, u m das Kraftfahrzeug vorbeifahren zu lassen. Voraussetzung ist dabei, daß die Fahrbahnbreite f ü r eine etappenweise Uberquerung durch Fußgänger ausreicht. Dagegen k o m m t es darauf nidit entscheidend an, ob dem Fußgänger an der gewählten Stelle das Überqueren erlaubt ist 4 0 2 ). Schaut der Fußgänger beim Überqueren nicht nach rechts und links, ist das Vertrauen, daß er rechtzeitig stehenbleiben werde, nicht gerechtfertigt 4 0 3 ). Das gleiche gilt, wenn die Blickverbindung zwischen Fußgänger und Kraftfahrzeug behindert ist, oder besondere Umstände vorliegen, die es nahelegen, daß der Fußgänger das Fahrzeug nicht rechtzeitig wahrnehmen oder die Gefahr nicht rechtzeitig erkennen wird. Bei Dunkelheit muß der Kraftfahrer allgemein damit rechnen, daß Fußgänger Geschwindigkeit und Entfernung herannahender Kraftfahrzeuge leicht falsch einschätzen 404 ). Darauf, daß Fußgänger das Gebot des § 25 Abs. 3 strikt beachten, „wenn die Verkehrslage es erfordert", die Fahrbahn nur an Kreuzungen, Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen oder auf Fußgängerüberwegen zu überschreiten, wird der Kraftfahrer mindestens dann nicht vertrauen dürfen, wenn die Verkehrslage es nicht ganz eindeutig erfordert (vgl. § 25 R N r . 13). An Stellen, an denen es wegen der Gestaltung der Straße naheliegt, daß die Fußgänger dort überqueren, muß der Kraftfahrer ein ähnliches Maß von Sorgfalt aufwenden wie an bezeichneten Übergängen. H ä l t vor einer solchen Stelle ein anderes Kraftfahrzeug an, dann muß der Kraftfahrer damit rechnen, daß es zu dem ) Neustadt 27. 4. 60, DAR 60, 181. "8) BGH(Z) 7. 6. 66, VersR 66, 873. 3 » 9 ) BGH 3. 5. 63, VRS 25, 49 = DRspr. II (291) 105 b; ähnlich BGH(Z) 18. 2. 69, VersR 69, 518. 4 0 °) BGH 23. 10. 59, VRS 18, 52; 19. 5. 70, VerkMitt. 70, 73. 397
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) ) ) 404 ) 401 402
403
BayObLG 17. 17. 69, la St 154/1969. BGH 18. 10. 63, VRS 26, 28. BGH(Z) 3. 5. 66, VRS 31, 332. BGH 17. 9. 69, VRS 38, 44.
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Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn
Zweck geschieht, einem Fußgänger die Uberquerung der Fahrbahn zu ermöglichen 4 0 5 ). Andernfalls darf er aber darauf vertrauen, daß Fußgänger nicht an einer Stelle die Fahrbahn überqueren, an der es ihnen nicht erlaubt ist. Befindet sich neben der Fahrbahn der erkennbar nicht zum öffentlichen Straßenverkehrsraum gehörende Gleiskörper einer Straßenbahn und dahinter ein Gehweg, dann darf der Kraftfahrer darauf vertrauen, daß Fußgänger nicht vom Gehweg aus das Gleis an einer verbotenen Stelle überschreiten und anschließend die Straße überqueren, sondern nur an den dafür vorgesehenen Ubergängen 406 ). Schwierig ist oft die Entscheidung der Frage, wieweit der Kraftfahrer damit rechnen muß, daß Fußgänger vor einem die Sicht versperrenden größeren Fahrzeug, daß er überholen will, die Fahrbahn überqueren könnten. Daß bei starkem Fußgängerverkehr Fußgänger noch versuchen, etwa 30 m vor einem mit 10 km/h fahrenden Lkw die Fahrbahn zu überqueren, soll im Bereich der gewöhnlichen Erfahrung des Lebens liegen 4 0 7 ). Damit allerdings soll er nicht zu rechnen brauchen, daß Fußgänger so knapp vor dem zu überholenden Fahrzeug die Fahrbahn überschreiten, daß sie sich schon durch dieses Verhalten in Gefahr bringen 4 0 8 ). Fährt das zu überholende Fahrzeug schneller, dann wird allerdings ein so leichtsinniges Verhalten von Fußgängern nicht mehr in Betracht zu ziehen sein 408 ). Wird dem Kraftfahrer bei Annäherung an eine Kreuzung der Blick auf die Fahrbahn vorübergehend durch ein größeres Fahrzeug genommen, das die Kreuzung überquert, dann darf er nicht darauf vertrauen, daß keine Fußgänger „im Schatten" des kreuzenden Fahrzeugs die Fahrbahn überqueren wollen. E r darf deshalb hinter dem Heck des kreuzenden Fahrzeugs nicht mit einer so hohen Geschwindigkeit vorbeifahren, daß er solche Fußgänger gefährden kann 4 1 0 ). Begegnen sich zwei mit Abblendlicht fahrende Fahrzeuge, dann sollen ihre Führer nicht damit zu rechnen brauchen, daß sich in solcher gefährlichen Lage Fußgänger in der Mitte der Fahrbahn bewegen 4 1 1 ). Besondere Vorsicht ist auf schmalen Straßen bei nahe herangekommenem Gegenverkehr geboten. Ein die Fahrbahn überquerender Fußgänger wird dann häufig in Panik versetzt, wagt nicht, in der Mitte der Fahrbahn stehenzubleiben und versucht, nach rückwärts oder vorwärts an den sicheren Fahrbahnrand zu flüchten. Die Frage, wann der Kraftfahrer Fußgänger, welche die Fahrbahn überqueren, durch ein Warnzeichen auf sein Herannahen aufmerksam machen darf und soll, wird bei § 16 erörtert (s. dort R N r . 9). Die weitere Frage, wieweit sich der Kraftfahrer darauf verlassen kann, daß seine Warnzeichen wahrgenommen werden und daß der Fußgänger dann richtig reagiert, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Allgemein kann gesagt werden: Warnzeichen sind nur sinnvoll, wenn sie auf eine Entfernung gegeben werden, die dem Fußgänger Zeit läßt, sich auf das Kraftfahrzeug einzustellen. Bei Prüfung, ob ein Fußgänger mit Erfolg hätte gewarnt werden können, ist neben der Reaktionszeit des Kraftfahrers auch diejenige des Fußgängers zu berücksichtigen 412 ). Auf kurze Entfernung ist ein Warnzeichen meist zwecklos, ja sogar gefährlich, weil mit unvernünftigen Schreckreaktionen des Fußgängers zu rechnen ist. Entbehrlich sind Warnzeichen, wenn der Kraftfahrer sicher sein kann, daß ihn der Fußgänger ohnehin schon gesehen hat. Gibt der Kraftfahrer ein Warnzeichen (Hup- oder Lichtzeichen), dann wird damit seine sonstige Sorgfaltspflicht keinesfalls eingeschränkt. E r darf sich nicht darauf verlassen, daß sein Zeichen auch nur wahrgenommen wird, noch weniger, daß der Fußgänger richtig reagiert. Verhält sich der Fußgänger verkehrswidrig, dann darf nicht einmal darauf vertraut werden, daß er seinen Fehler auf das Warnzeichen hin erkennt. Nur wenn der Fußgänger auf das Hupzeichen richtig reagiert °5) BGH 10. 2. 61, VRS 20, 278. ) Köln 8. 1. 65, VRS 29, 31 = VerkMitt. 65, 77. 4 0 7 ) Hamm 8. 12. 64, JMB1. NRW 65, 69 = DRspr. II (291) 123 e; ähnlich KG 29. 12. 60, VRS 20, 143; Hamm 13. 1. 66, VRS 31, 197. 4 0 8 ) Celle 30. 10. 61, VRS 23, 414.
) Vgl. BGH(Z) 8. 3. 66, VersR 66, 685. ) BGH(Z) 24. 10. 67, VersR 67, 1202 = Betrieb 67, 2116 = DAR 68, 20 = DRspr. II (291) 158 a. 4 1 1 ) Hamm 28. 5. 51, DAR 51, 194 = JMB1. NRW 51, 178. 412 ) BayObLGSt. 59, 367 (31. 12. 59) = VRS 18, 466.
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und nidit etwa bloß vorübergehend stutzt, darf der Kraftfahrer damit rechnen, daß der Fußgänger erfolgreich gewarnt wurde. 118
Beobachtungspflicht D e r Kraftfahrer darf, von Fällen, in denen er aus besonderen Gründen mit einem verkehrswidrigen Verhalten von Fußgängern rechnen muß, abgesehen, im allgemeinen solange mit verkehrsgerechtem Verhalten rechnen, als ihm nicht verkehrswidriges Verhalten erkennbar wird. K o m m t es zu einem Unfall, dann ist zu prüfen, ob der Kraftfahrer in dem Zeitpunkt den Unfall noch vermeiden konnte, in dem er bei genügender Aufmerksamkeit das Fehlverhalten des Fußgängers erstmals hätte wahrnehmen können. Darauf, wann er das Fehlverhalten tatsächlich wahrgenommen hat, k o m m t es dagegen nicht entscheidend an. Erkennt der Kraftfahrer eine gefährliche Verkehrslage aus Unaufmerksamkeit zu spät, dann trifft ihn der Vorwurf ungenügender Beobachtung. Die Beobaditungspflicht ergibt sich aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1. Bei Prüfung der Frage, wann der Kraftfahrer das verkehrswidrige Verhalten des Fußgängers wahrnehmen konnte, müssen die örtlichen Siditverhältnisse genau berücksichtigt werden, es muß z. B. festgestellt werden, ob der Fußgänger durch parkende Fahrzeuge verdeckt war und ob er durch beschleunigte Gehweise die Beobachtungsmöglichkeit gemindert hat 4 1 3 ). Werden die Beobaditungsmöglichkeiten durch Witterungseinflüsse eingeschränkt, dann muß entsprechend langsamer gefahren werden. Bemerkt ein Kraftfahrer bei Schneetreiben eine Fußgängerin, die vor ihm von links nach rechts die Straße überquert, erst auf der Mitte der 6 m breiten Fahrbahn, dann hat er seine Beobachtungspflicht schuldhaft verletzt 4 1 4 ). Wird die Fahrbahn teilweise durch Straßenleuchten erhellt, dann muß der Kraftfahrer wissen, daß in Dunkelzonen zwischen den Lichtkreisen die Adaptionsfähigkeit des Auges herabgesetzt ist, wodurch die Beobachtung von Gegenständen auf der Fahrbahn beeinträchtigt wird.
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Erkennbar
unaufmerksamer
Fußgänger
Überquert ein Fußgänger die Fahrbahn offensichtlich unaufmerksam, dann darf nicht darauf vertraut werden, daß er sich auf ein Hupzeichen hin oder bei Ansichtigwerden des herankommenden Kraftfahrzeugs vernünftig verhalten werde. Der Kraftfahrer darf sich weder darauf verlassen, daß der unaufmerksame Fußgänger seinen Weg gleichmäßig fortsetzen, noch daß er stehenbleiben oder zurücktreten werde 4 1 5 ). Der Kraftfahrer darf sich deshalb nicht mit der Abgabe von Warnzeichen begnügen, sondern muß seine Fahrweise sogleich darauf einstellen, notfalls vor dem unaufmerksamen Fußgänger anhalten zu können 4 1 6 ). Auch wenn dieser auf ein Hupzeidien hin oder bei der Annäherung des Kraftfahrzeugs stutzt und kurz stehenbleibt, darf sich der Kraftfahrer nicht darauf verlassen, daß er ihn vorbeifahren lassen werde 4 1 7 ). Das gleiche soll sogar dann gelten, wenn der Fußgänger auf das Hupzeichen kurz verhält, zu dem Kraftfahrer hinblickt und dann in dessen Fahrtrichtung einen Schritt weitersdireitet 4 1 8 ). Das gilt auch, wenn Fußgänger bei Dunkelheit begonnen haben, eine beleuchtete Straße zu überqueren und in der Mitte der schmalen Fahrbahn stehengeblieben sind 419 ). Überschreitet ein Fußgänger die Fahrbahn unaufmerksam von links nach rechts, dann darf auch bei einer breiten Fahrbahn nidit darauf vertraut werden, daß er vor der Straßenmitte nach rechts schauen und herankommende Fahrzeuge vorbeifahren lassen werde 4 2 0 ). M. a. W . : Gegenüber dem erkennbar unaufmerksamen Fußgänger versagt der Vertrauensgrundsatz in jeder Verkehrslage, auf Großstadtstraßen so gut wie auf Dorfstraßen oder auf offener Landstraße, bei Tag sowohl wie bei Nacht. J KG 6. 12. 62, VRS 24, 142. ) BGH(Z) 3. 5. 66, VersR 66, 736 = VRS 31, 332; ähnlich BGH(Z) 4. 12. 64, VersR 65, 290. " ' ) BGH(Z) 4. 5. 62, VersR 62, 668; 26. 5. 64, VersR 64, 846; Köln 28. 1. 64, JMB1. NRW 64, 140, 1. 12. 64, VerkMitt. 65, 15 = VRS 28, 264.
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11«) Hamm 8. 9. 61, VRS 23, 35 = JMBl. NRW 61, 259. 4 1 7 ) BGHSt. 14, 97 (22. 1. 60) = NJW 60, 831 = DAR 60, 146 = J R 60, 189 = MDR 60, 519 = VRS 18, 302 = DRspr. II (291) 66 b. «8) BayObLG 1. 10. 69, bei Rüth, DAR 70, 253. 41 ») BGH(Z) 21. 5. 68, VersR 68, 848. 4ä ») München 27. 6. 69, VersR 70, 477.
Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn
StVO
§1
Vertrauen auf Stehenbleiben Für belebte Straßen mit Gegenverkehr, die so breit sind, daß der Fußgänger auf der Straßenmitte den Verkehr gefahrlos vor und hinter sich vorbeifahren lassen kann, hat die Rechtsprechung dem Fußgänger das „etappenweise" Überqueren der Fahrbahn gestattet. Wieweit der Fußgänger aber im Einzelfall von der Möglichkeit des etappenweisen Überquerens tatsächlich Gebrauch machen wird, ist oft nicht mit Sicherheit vorauszusehen. Audi bei Fußgängern, deren Unaufmerksamkeit nicht augenscheinlich ist, darf der Kraftfahrer nur in solchen Fällen darauf vertrauen, daß sie stehenbleiben und das Fahrzeug vorbeifahren lassen, in denen zwischen ihm und dem Fußgänger eine Blickverbindung hergestellt wurde 421 ). Es besteht kein Erfahrungssatz, daß ein die Fahrbahn überquerender Fußgänger auf das Hupzeichen eines herannahenden Kraftfahrzeugs stehenbleibt oder zurückweicht 422 ). Audi der Umstand, daß ein Fußgänger beim Herannahen eines Kraftfahrzeugs in dessen Fahrbahn stehenbleibt, läßt keinen Schluß auf sein weiteres Verhalten zu 423 ). Selbst wenn ein Fußgänger beim Uberqueren einer Straße auf das Warnzeichen eines herannahenden Kraftfahrers kurz anhält, kann sich der Kraftfahrer nur dann mit Erfolg auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn der Fußgänger deutlidi erkennen läßt, daß er die Vorbeifahrt des Kraftfahrzeugs abwarten werde 424 ). Das soll immer dann gelten, wenn ein auf der Fahrbahn befindlicher Fußgänger bei Dunkelheit vor einem herannahenden Pkw ein bis zwei Schritte zurücktritt. Entscheidend ist in diesem Falle, ob für den Kraftfahrer erkennbar ist, warum der Fußgänger zurückgetreten ist 425 ). Bleibt dagegen ein Fußgänger bei Tage in der Mitte einer breiten Fahrbahn einige Sekunden stehen, nachdem er sorgfältig nach rechts und links gesichert hat, dann dürfen Kraftfahrer aus beiden Richtungen darauf vertrauen, daß er stehenbleiben wird. Ist die Fahrbahn in einer Richtung in Fahrstreifen unterteilt, dann soll sogar darauf vertraut werden dürfen, daß ein Fußgänger, der vor der Trennlinie anhält, dort stehen bleibt, bis ein den äußeren Fahrstreifen benutzender Kraftfahrer durchgefahren ist429). Bei Nacht gilt dies nur, wenn die Fahrbahn durdi die Straßenbeleuchtung ausgeleuchtet ist. Wird ein Fußgänger bei ungenügender Straßenbeleuchtung erst im Scheine des Abblendlichts f ü r herankommende Fahrzeugführer sichtbar, dann dürfen diese nicht darauf vertrauen, daß der Fußgänger in der Fahrbahnmitte stehenbleiben werde. Dabei ist zu bedenken, daß Fußgänger durdi das Licht des auf sie zukommenden Fahrzeugs irritiert werden können. Auf schmalen Straßen darf keinesfalls darauf vertraut werden, daß Fußgänger in der Mitte stehenbleiben 427 ). Das gilt auch auf breiten Straßen, deren Fahrbahn durdi parkende Fahrzeuge so stark eingeengt ist, daß nur mehr Raum f ü r die Begegnung von zwei Fahrzeugen bleibt. Wo ist vorbeizufahrend' Da der Fußgänger im allgemeinen eher geneigt ist einer von der Seite her kommenden Gefahr dadurch zu entgehen, daß er sich in seiner Gehrichtung schnell nach vorwärts bewegt statt sich zurückzuziehen, wird empfohlen, hinter den die Fahrbahn überquerenden Fußgängern vorbeizufahren 428 ). Dieser Empfehlung darf aber nur mit Vorsicht gefolgt werden. Zunächst ist Voraussetzung, daß hinter dem Fußgänger genügend freier Raum ist, um unter Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes hinter dem Fußgänger durchfahren zu können. Dicht hinter dem Rücken des Fußgängers vorbeizufahren ist auf alle Fälle fehlerhaft. In einem solchen Fall nach der anderen Seite möglichst weit auszubiegen, um mit gehörigem Abstand vor dem Fußgänger durchfahren zu können, kann deshalb gerechtfertigt sein, besonders wenn ein rechtzeitiges Anhalten nicht mehr möglich ist. Auch, 421
) Köln 28. 11. 58, JMB1. NRW 59, 81 = VRS 16, 464 = DRspr. II (291) 58 c; Hamm 15. 7. 69, VerkMitt. 70, 7. 422 ) BGH 14. 8. 64, VRS 27, 346. 423 ) Hamm 5. 8. 58, JMB1. NRW 59, 23. 424 ) BGH(Z) 7. 7. 59, VersR 59, 833. 425 ) Vgl. aber Koblenz 5. 2. 70, VRS 39, 259.
42fl
) Hamm 17. 11. 67, VRS 35, 24. " ) BayObLGSt. 63, 131 (8. 5. 63) = VerkMitt. 63, 84 = VRS 25, 460. 428 ) BGH 18. 1. 55, VRS 8, 209; 20. 7. 59, VRS 17, 276; BayObLGSt. 52, 19 (29. 1. 52) = VRS 4, 385.
4
§ 1
Möhl
stvo
wenn der Kraftfahrer richtigerweise hinter einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger durchfahren will, darf er diesen nidit aus den Augen lassen, da mit einem plötzlichen Stehenbleiben des Fußgängers geredinet werden muß 4 2 9 ). Besondere Bedeutung für die Frage, auf welcher Seite des Fußgängers vorbeizufahren ist, k o m m t der Erwägung zu, daß der Kraftfahrer beim Ausweichen möglichst nicht geradewegs auf den Fußgänger zuhalten soll. Geht der Fußgänger, aus der Fahrtrichtung des Kraftfahrers gesehen, von rechts nach links über die Fahrbahn und hat er bereits einen erheblichen Teil der rechten Fahrbahnhälfte zurückgelegt, dann ist es vernünftig, wenn der rechtsfahrende Kraftfahrer hinter ihm durchfährt. In diesem Fall darf der Fußgänger sogar darauf vertrauen, daß er dies tut 4 3 0 ). Fährt der Kraftfahrer in diesem Fall aber aus irgendwelchen Gründen auf der linken Fahrbahnhälfte, dann kann er dadurch, daß er nach rechts lenkt, um hinter dem Fußgänger durchzufahren, diesen in Bestürzung versetzen, weil er das Kraftfahrzeug auf sich zukommen sieht. In einem solchen Fall kann es geboten sein links zu bleiben 4 3 1 ). Umgekehrt wird es gegenüber einem Fußgänger, der die Straße von links nach rechts überquert, bedepklich sein, nach links auszuweichen, um hinter dem Fußgänger durchzufahren. Denn auch in diesem Fall würde das Kraftfahrzeug auf den Fußgänger zufahren. Dieser kann erschrecken und, statt seinen Weg fortzusetzen, zurücktreten. Mindestens dann, wenn der Fußgänger in diesem Fall die Straßenmitte noch nicht erreicht hat, wird es auch hier besser sein, vor dem Fußgänger durchzufahren 4 3 2 ). Ist die Verkehrslage unklar, läßt sich also nidit überblicken, ob ein unvorsichtiger Fußgänger nach vorwärts oder rückwärts flüchten oder stehenbleiben wird, dann muß der Kraftfahrer anhalten oder seine Geschwindigkeit wenigstens soweit herabsetzen, daß der Fußgänger der Gefahr entgehen kann. M. a. W . : D e r Kraftfahrer, der, um hinter einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger durchzufahren, seine Fahrtrichtung nidit zu ändern braucht, darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß der Fußgänger nicht rückwärts in den von ihm bereits geräumten Teil der Fahrbahn zurückkehrt. E r darf aber nicht darauf vertrauen, daß für ihn dadurch eine genügende Durchfahrt frei wird, daß der Fußgänger die Oberquerung in gleicher Richtung und Schnelligkeit fortsetzt. 122
Fußgänger an unübersichtlichen Stellen Der Kraftfahrer darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß Fußgänger, die sich außerhalb seines Sichtbereichs befinden, nidit plötzlich vor ihm auf der Fahrbahn auftauchen. E r muß solchen Fußgängern aber die Möglichkeit lassen, insoweit in den Bereidi der Fahrbahn einzudringen, daß sie ausreichende Sicht auf den fließenden Verkehr gewinnen. Deshalb muß er an sichtbehindernden Hindernissen am Fahrbahnrand, z. B. an parkenden Fahrzeugen mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand vorbeifahren. Welcher Sicherheitsabstand erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, vor allem von dem Umfang der Sichtbehinderung, doch wird in der Regel ein Abstand von 1 m angemessen sein. Die gelegentlich vertretene Ansicht, daß sdion ein Abstand von 50 cm ausreicht, ist bedenklich 4 3 3 ). In besonderen Fällen, wie bei der Vorbeifahrt an einem an einer Haltestelle haltenden Linienomnibus wird sogar ein Abstand von 1,80 m bis 2 m verlangt (vgl. § 3 R N r . 74, 75). Das gleiche soll bei der Vorbeifahrt an einem im Arbeitseinsatz befindlichen Müllfahrzeug gelten, weil erfahrungsgemäß die sog. Müllwerker häufig unachtsam hinter ihrem Fahrzeug die Fahrbahn betreten 4 3 4 ). Solange ein Linienomnibus nodi nidit zum Halten gekommen ist, gelten für seine Überholung keine besonderen Ausnahmen. Wer einen solchen Omnibus kurz vor dessen Haltestelle überholt, braudit nidit von vorherein damit zu rechnen, daß von links ein Fußgänger ohne Beachtung des Fahrverkehrs über die Fahr) Celle 9. 1. 69, VRS 37, 300 = DRspr. II (291) 181 b. 43 °) München 27. 5. 59, VersR 59, 1036. 4 3 1 ) Hamm 29. 1. 60, DAR 60, 360. 4 3 2 ) BGH(Z) 13. 7. 65, VRS 29, 437 = VersR 65, 1054; 19. 5. 70, VersR 70, 818; Hamm 5. 2. 65, VRS 29, 191.
426
96
433 434
) So Hamm 5. 5. 61, VRS 22, 60. ) Hamm 21. 12. 67, VRS 35, 58 = VerkMitt. 68, 78 = DRspr. II (291) 163 c.
StVO
Fußgänger an unübersichtlichen Stellen
§1
bahn zur Haltestelle läuft 4 3 5 ). Wird die Sicht durch andere Fahrzeuge verdeckt, die der K r a f t f a h r e r gerade überholt, so ist zu unterscheiden, ob das überholte Fahrzeug langsam oder schnell f ä h r t (vgl. oben R N r . 157). Wird die Sidit dadurch beeinträchtigt, daß der K r a f t f a h r e r geblendet wird, m u ß er stets damit rechnen, daß sidi v o r ihm in dem f ü r ihn nicht einsehbaren Teil der Fahrbahn Fußgänger bewegen 436 ). Fußgänger bei besonderer
Verkehrslage
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Im folgenden werden einige von der Rechtsprechung entschiedene Fälle behandelt, die sich nicht ohne weiteres in das Schema der vorausgehenden Abschnitte einordnen lassen: Wer auf ein in entgegengesetzter Richtung zum H a l t e n gekommenes Fahrzeug zufährt, braucht nicht damit zu rechnen, daß der haltende Fahrer seinen Wagen plötzlich verlassen und ohne Rücksicht auf das in seinem Blickfeld herankommende Fahrzeug beginnen werde, die Fahrbahn zu überqueren 4 3 7 ). Beginnt ein Fußgänger zwischen parkenden Fahrzeugen mit der Überquerung der Fahrbahn, so darf der K r a f t f a h r e r zunächst darauf vertrauen, daß der Fußgänger auf die freie Fahrbahn nicht ohne Beachtung des fließenden Verkehrs hinaustritt. Erst wenn erkennbar wird, daß er dieser Pflicht nicht genügt, m u ß sich der K r a f t f a h r e r auf das Fehlverhalten des Fußgängers einstellen 438 ). Für einen K r a f t f a h r e r , der an einem in der Gegenrichtung auf der Straßenmitte mit eingeschaltetem Abblendlicht stehenden P k w in zu geringem Abstand vorbeifährt und deshalb an diesen anstößt, soll nicht voraussehbar sein, daß auf der ihm zugewandten Seite des P k w in dessen Lichtschatten ein Fußgänger steht, der sich durch das geöffnete Seitenfenster mit dem Führer des P k w u n t e r hält 439 ). Wer sich als K r a f t f a h r e r einer U-Bahnstation nähert, m u ß mit Fußgängern rechnen, die die Fahrbahn überqueren wollen. Er m u ß deshalb den Fahrbahnrand mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten 440 ). Ein Motorradfahrer, der zwischen den beiden Reihen einer in Bewegung befindlichen Fahrzeugkolonne hindurch nach vorne f ä h r t , braucht sich nicht von vornherein auf die Möglichkeit einzustellen, daß ein Fußgänger vor der Kolonne mit dem Überqueren der Fahrbahn beginnen u n d in der Mitte der von der Kolonne eingenommenen Fahrbahnhälfte stehenbleiben werde, u m die eine Fahrzeugreihe v o r u n d die andere hinter sich vorbeifahren zu lassen 441 ). Ähnlich der Fall, daß Fußgänger die Fahrbahn zwischen Lastkraftwagen überqueren, die vor einer Ampel bei Rotlicht halten 442 ). Fahren aber nach Beendigung eines Fußballspiels Fahrzeuge in vier Fahrstreifen langsam und stokkend nebeneinander, dann soll ein K r a f t f a h r e r , der diese Reihen rechts überholt, damit rechnen müssen, daß ein Fußgänger sich, teils beschleunigten Schrittes, teils sprungweise, durch die Fahrzeugreihen hindurchschlängelt 443 ). Besondere Vorsidit ist gegenüber Arbeitern auf Baustellen geboten (s. oben R N r . 79). Auch gegenüber einem landwirtschaftlichen Arbeiter, der mit einem schweren Sack auf der Schulter auf die Straße zugeht, ohne sich nach dem Fahrverkehr umzusehen, gilt der Vertrauensgrundsatz nicht 444 ). Fußgänger auf Überwegen
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Soweit Fußgängerüberwege durch Lichtzeichen abgeschirmt sind, gilt § 37 Abs. 2 N r . 1, 2, 5; bevorrechtigte Fußgängerwege werden durch das Zeichen 293 gekennzeichnet (s dort). Die Pflichten des Fahrverkehrs gegenüber Fußgängern auf Überwegen werden zwar in § 26 geregelt (s. dort). Wegen des Zusammenhanges mit den übrigen Verhaltensvorschriften gegenüber Fußgängern sollen aber im folgenden die Grundsätze erörtert werden, die nach der f r ü h e r e n Rechtslage zur Frage der Sorgfaltspflicht des K r a f t f a h r e r s gegenüber Fußgän435
) Hamm 29. 3. 63, VRS 25, 70 = DRspr. II (291) 110 b. BGH 9. 12. 66, VRS 32, 266. BGH(Z) 22. 5. 64, VersR 64, 947. «) BGH 14. 6. 66, VerkMitt. 66, 73 = VersR 66, 877 = DRspr. II (291) 143 c; BayObLG 18. 11. 70; 5 St. 1970 (zur Veröffentlichung vorgesehen). «•) Köln 17. 1. 64, VerkMitt. 64, 37.
4S «) 4 ") 43
44 °) 441
Hamburg 3. 12. 63, VerkMitt. 64, 21. ) BayObLGSt. 69, 106 (13. 6. 69) = VerkMitt. 70, 4 = VRS 38, 225 = VkBl. 70, 112= DRspr. II (291) 186 a. 442 ) Hamm 11. 10. 68, VRS 37, 267 = DRspr. II (291) 182 b. 443 ) Düsseldorf 22. 5. 69, VerkMitt. 70, 68. 444 j Hamm 21. 11. 61, VRS 23, 119.
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§ 1 stvo
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gern auf Überwegen entwickelt worden sind. Sie gelten im wesentlichen auch für die heutige Rechtslage. D e r Grad der Sorgfalt, die von dem Kraftfahrer erwartet wird, ist verschieden, je nachdem, ob es sich um bevorrechtigte oder nicht bevorrechtigte Ubergänge handelt. Aus dem Umstand, daß an bezeichneten Fußgängerüberwegen der Fußgänger ein gewisses Vorrecht genießt, ergibt sich ohne weiteres, daß sich der Kraftfahrer dort nicht uneingeschränkt auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. E r muß vielmehr damit rechnen, daß Fußgänger von ihrem Vorrecht Gebrauch machen und den Überweg auch dann betreten, wenn sich ein Kraftfahrzeug nähert. Es k o m m t dabei nicht entscheidend darauf an, ob der Fußgänger den Überweg schon betreten hat oder ob er sich erst anschickt, ihn zu betreten. Vor der Einfügung des Abs. 3 a in den § 9 der S t V O 1937 durch die V O vom 30. 4. 64 (BGBl. I S. 305) war dies anders. Damals brauchte der Kraftfahrer nicht damit zu rechnen, daß der Fußgänger unvorsichtig den Uberweg betreten würde 4 4 5 ). Fraglich kann allerdings im Einzelfall sein, ob für den Kraftfahrer im Sinne des § 26 Abs. 1 (früher § 9 Abs. 3 a S t V O 1937) „erkennbar" ist, daß Fußgänger den Uberweg überschreiten wollen. Steht ein Fußgänger unmittelbar am Rande des Übergangs, dann wird in der Regel damit zu rechnen sein, daß er ihn auch betritt und zwar selbst dann, wenn er nach der entgegengesetzten Seite schaut 448 ) oder am Fahrbahnrand kurz verharrt 4 4 7 ). Ist nach Sachlage zweifelhaft, ob ein Fußgänger den Überweg betreten wird, so muß der Kraftfahrer davon ausgehen, daß er dies tun wird. Gerade darin zeigt sich die Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes, die der Gesetzgeber zum Schutze des Fußgängers hier für angebracht hielt. Streben Fußgänger über einen Uberweg zu einem auf der anderen Seite stehenden abfahrbereiten Omnibus, dann muß der Kraftfahrer damit rechnen, daß noch weitere Fußgänger den Uberweg unvorsichtig betreten 4 4 8 ). Eine andere Frage ist die, wieweit sich Fußgänger auf ihr Vorrecht verlassen dürfen und wieweit dieses durch die allgemeine gegenseitige Rücksichtspflicht eingeschränkt wird (vgl. § 26 R N r . 8). Von der Verpflichtung, dem Fußgänger, der die Fahrbahn auf einem Fußgängerüberweg überschreiten will, das Überqueren zu ermöglichen und dementsprechend nötigenfalls anzuhalten, wird der Kraftfahrer nur dann befreit, wenn der Fußgänger deutlich zu erkennen gibt, daß er auf seinen Vorrang verzichten will 4 4 9 ). Nähert sich ein Kraftfahrer auf der Überholspur einem bezeichneten Fußgängerüberweg, dessen rechter Teil durch vor ihm auf der rechten Fahrspur fahrende Fahrzeuge seiner Sicht entzogen ist, so muß er damit rechnen, daß von rechts her plötzlich ein Fußgänger auf der Fahrbahnmitte auftaucht und mit Fußgängergeschwindigkeit auch die Überholspur überquert. Das ist nunmehr in § 26 Abs. 3 S. 2 ausdrücklich bestimmt, wurde aber auch früher schon im Hinblick auf die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 angenommen 4 5 0 ). Wer an einem rechts vor einem gekennzeichneten Fußgängerüberweg haltenden Kraftwagen links vorbeifährt, verstößt auch dann gegen § 33 Abs. 3 N r . 1 d (früher § 10 Abs. 1 Satz 5 S t V O 1937), wenn er einen Fußgänger gefährdet, der die Fahrbahn von links her überschreitet 4 5 1 ). U m seiner Verpflichtung gegenüber bevorrechtigten Fußgängern genügen zu können, muß der Kraftfahrer den Fußgängerverkehr in der Nähe des Uberwegs — und zwar von beiden Richtungen her — im Auge behalten 4 5 2 ). Ist die Sicht verdeckt, so darf er sich dem Überweg nur derart nähern, daß er vor einer mit Fußgängergeschwindigkeit auf den Überweg gehenden Person entweder noch anhalten oder ihr ausweichen kann 4 5 3 ). Das gilt, gleichviel ob sich das sichtbehindernde Hindernis rechts oder links befindet und ob es beweglich oder unbeweglich ist 4 5 4 ). Bei Annäherung an einen « ' ) BGH 11. 10. 63, VRS 26, 30; Saarbrücken 5. 9. 63, VRS 26, 453. «•) A. M. Hamm 10. 9. 68, DAR 69, 192. 4 4 7 ) BGH 10. 12. 69, VRS 38, 278. 4 4 a ) BGH(Z) 11. 1. 66, VersR 66, 269. 4 4 B ) BGHSt. 20, 215 (9. 4. 65) = NJW 65, 1236 = VRS 28, 460 = DAR 65, 162; Hamburg 12. 1. 66, NJW 66, 681. 45 °) Köln 27. 1. 67, VRS 33, 31; ähnlich schon für die frühere Rechtslage BGH 7. 10. 60, MDR 61, 165 = DAR 61, 15 = NJW 61,
98
) ) «3) 451
452
454
)
35 = VRS 19, 439; Hamm 1. 4. 60, DAR 60, 363. KG 8. 8. 68, VRS 36, 202. BGH 20. 12. 68, VRS 36, 200. BGH 1. 2. 63, VRS 24, 364 = VerkMitt. 63, 44. Düsseldorf 29. 8. 69, VerkMitt. 70, 62 im Anschluß an Hamm 6. 5. 66, VRS 31, 377 = VerkMitt. 66, 86; Köln 28. 4. 67, VRS 33, 385.
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Fußgänger auf Überwegen
Fußgängerüberweg soll der Führer eines Kraftfahrzeugs zwar darauf vertrauen dürfen, daß Erwachsene, die sich möglicherweise f ü r ihn unsichtbar dem Fußgängerüberweg nähern, vor dem Betreten der Fahrbahn nach herankommenden Fahrzeugen Umschau halten 455 ). Das entbindet ihn aber nicht von der Pflicht, nadi § 26 Abs. 1 S. 2 mit mäßiger Geschwindigkeit heranzufahren und wenn nötig zu warten. Audi gilt das Oberholverbot des Abs. 3 dann uneingeschränkt, wenn der Zugang zum Überweg nicht übersehen werden kann. Bei der Annäherung an einen nicht bevorrechtigten Fußgängerüberweg sind zwar die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers geringer, aber auch dort muß der Kraftfahrer dem Umstand Rechnung tragen, daß mit einem unvorsichtigen Betreten des Uberwegs gerechnet werden muß 458 ). Besonders wenn beiderseits eines solchen Ubergangs Menschenansammlungen warten, um bei gegebener Gelegenheit die Straße zu überqueren, liegt es nahe, daß einzelne Fußgänger den Überweg unvorsichtig betreten. In diesem Fall muß ein sich nähernder Kraftfahrer seine Geschwindigkeit herabsetzen und die Fußgänger auf beiden Seiten im Auge behalten 457 ). An beampelten Fußgängerüberwegen müssen Kraftfahrer und Fußgänger die Lichtzeichen beachten. Beide dürfen darauf vertrauen, daß sie der andere beachtet. Der Kraftfahrer braucht deshalb nicht damit zu redinen, daß ein Fußgänger den f ü r diesen durch Rotlicht gesperrten Übergang trotz des herankommenden Kraftfahrzeugs betreten werde 458 ). Allerdings wird der Kraftfahrer durch das Grünlicht an einem beampelten Fußgängerüberweg nicht von jeder Sorgfaltspflicht befreit. Kann er den Überweg wegen eines seitlich vor ihm fahrenden Fahrzeugs nicht voll einsehen, und hält dieses Fahrzeug vor dem Uberweg an, dann muß der Kraftfahrer damit rechnen, daß dies wegen eines Fußgängers geschieht, der trotz des f ü r ihn geltenden Rotlichts die Straße zu überqueren versucht 459 ). Eine unklare Rechtslage kann an Ampelkreuzungen dadurch entstehen, daß die Lichtsignalanlage während der Überquerung der Kreuzung durch ein Fahrzeug umschaltet. Kann in einem solchen Fall der Fahrzeugführer die Kreuzung nicht rechtzeitig räumen, finden zwischen ihm und dem inzwischen freigegebenen Fußgängerverkehr dieselben Grundsätze Anwendung, wie sie gegenüber dem inzwischen freigegebenen Fahrzeugverkehr gelten: Die Fußgänger müssen dem befugt in die Kreuzung eingefahrenen Fahrzeug noch deren Räumung ermöglichen und dürfen grundsätzlich erst dann, wenn das Fahrzeug den Fußgängerüberweg passiert hat, die Fahrbahn überschreiten. Freilich wird der Fahrzeugführer das ihm hiernach trotz der Ampelumschaltung weiterhin zustehende Vorrecht im allgemeinen nur mit besonderer Vorsicht ausüben dürfen 460 ). Umgekehrt müssen Fahrzeugführer, die an einer Ampelkreuzung nach dem Umschalten auf Grünlicht anfahren, auf Fußgänger, die während der vorausgegangenen verkehrsfreien Phase begonnen haben, die Fahrbahn zu überqueren, angemessen Rücksicht nehmen 461 ). Wenn beim Abschleppen in der Dunkelheit so gehalten wird, daß das ziehende Fahrzeug vor und das gezogene hinter einem Fußgängerüberweg steht, muß der Führer des ziehenden Fahrzeugs beim Anfahren selbst nach rückwärts beobachten oder sicherstellen, daß der Führer des gezogenen Fahrzeugs ihn entsprechend anweist 462 ). Zu dem durch § 315 c N r . 2 c StGB besonders geschützten Überwegen gehören die beampelten Fußgängerüberwege nicht. Wer das Vorrecht der bei Grünlicht die Fahrbahn überquerenden Fußgänger verletzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1, 37 StVO 463 ). Gebrechliche und körperbehinderte Fußgänger Zur Sorgfaltspflicht gegenüber Betrunkenen s. oben R N r . 90—91. 455
) ««) 4 ") 45 «)
BGH(Z) 19. 12. 67, VersR 68, 356. Stuttgart 20. 8. 62, DAR 63, 276. BGH(Z) 18. 2. 64, VersR 64, 770. BGH(Z) 3. 4. 62, VRS 23, 90 = VersR 62, 621. 459 ) Hamm 15. 8. 68, VRS 36, 419 = DRspr. II (291) 174 c.
^25
46
°) BayObLGSt. 66, 123 (25. 10. 66) = VRS 32, 57 = NJW 67, 406 = VerkMitt. 66, 90 = DRspr. II (291) 149 f. 4el ) BGH(Z) 23. 9. 69, VersR 69, 1115. 462 ) Köln 30. 3. 62, VerkMitt. 62, 48 = VRS 23, 117. 463 ) Stuttgart 19. 12. 68, DAR 69, 50.
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§ 1 stvo
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Obwohl in den Verlustlisten des Straßenverkehrs die alten Leute einen erschreckend großen R a u m einnehmen, hat die Rechtsprechung den Vertrauensgrundsatz ihnen gegenüber nur um ein Geringes eingeschränkt. Zwar wurde darauf hingewiesen, daß hohes Alter eines Verkehrsteilnehmers auf Gebrechlichkeit und mangelnde Verkehrssicherheit hindeuten und zu besonderer Vorsidit ihm gegenüber verpflichten kann 4 6 4 ). Dieser richtige Grundsatz wurde aber später fast wieder aufgehoben: Für die Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes gegenüber alten Leuten soll nicht genügen, daß das Alter des Fußgängers erkennbar ist. Vielmehr soll darüber hinaus der alte Fußgänger erkennbar „hochbetagt" oder „gebrechlich" sein müssen, wenn dem Kraftfahrer die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz versagt werden soll 465 ). Die Rechtsprechung läßt also alten Leuten nur dann einen besonderen Schutz angedeihen, wenn der Kraftfahrer erkennen kann, daß es sich um hochbetagte oder gebrechliche Personen handelt. Diese Einschränkung ist bedenklich. Wenn die Verkehrsungewandtheit erkennbar wird, ist es meistens zu spät. (Der so v o m B G H entschiedene Fall betraf eine 89jährige schwerhörige Frau!). Gewiß kann den Kraftfahrer kein Verschulden treffen, wenn er trotz ausreichender Aufmerksamkeit nicht erkennen kann, daß es sich bei einem Fußgänger um einen alten Menschen handelt. Jedoch sollte dann, wenn dies erkennbar ist, der Vertrauensgrundsatz auch dann eingeschränkt werden, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, daß der alte Mensch „hochbetagt" oder „gebrechlich" ist. D a die Erfahrung lehrt, daß alte Leute, auch wenn sie noch nicht „hochbetagt" oder äußerlich gebrechlich erscheinen, dem modernen Verkehr häufig nicht mehr voll gewachsen sind, sollte gegenüber erkennbar alten Leuten der Vertrauensgrundsatz mindestens eingeschränkt werden. Auf verkehrsrichtiges Verhalten sollte erst dann vertraut werden dürfen, wenn der alte Fußgänger durch sein Verhalten gezeigt hat, daß er sich im Verkehr richtig verhalten kann. Tritt ein Fußgänger, der sich zunächst angeschickt hatte, trotz Herannahen eines K r a f t wagens die Fahrbahn zu überqueren, wieder zurück, so darf der Kraftfahrer auch dann, wenn es sich u m eine erkennbar alte Person handelt, darauf vertrauen, sie werde ihn vorbeifahren lassen. Darüber, wann ein Fußgänger zu den „alten" Leuten zu zählen ist, gibt es freilich keine verbindlichen Sätze. Ein „älterer" Fußgänger ist noch kein „alter". Ist es nach dem äußeren Bild zweifelhaft, ob der Fußgängr „ a l t " ist, dann muß der Kraftfahrer damit rechnen, daß er alt ist und sich entsprechend einstellen. Einen ähnlichen Schutz wie alte Fußgänger genießen körperbehinderte Fußgänger. So darf ein erkennbar schwer gehbehinderter Fußgänger, der sich anschickt eine mit zwei Fahrbahnen versehene Straße auf einem nicht bevorrechtigten Überweg zu überschreiten, darauf vertrauen, daß ihm der Führer eines in diesem Augenblick noch etwa 200 m entfernten Kraftfahrzeugs den ungefährdeten Übergang ermöglichen werde 4 6 6 ). A u d i dann muß Rücksicht genommen werden, wenn bei einem Fußgänger die körperliche Beweglichkeit durch eine schwere Traglast beeinträchtigt wird 4 ' 7 ). 126
Glatte Fahrbahn Für die Frage, wie sich der Kraftfahrer im Straßenverkehr zu verhalten hat, um seinen Pflichten aus § 1 nachkommen zu können, ist die Beschaffenheit der Fahrbahn von besonderer Bedeutung. D a von dieser die Länge des Bremsweges abhängt, muß die Beschaffenheit der Fahrbahn vor allem bei Bemessung der Geschwindigkeit berücksichtigt werden (vgl. § 3 R N r . 7). Die Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche hängt von ihrem Material, vor allem aber von Wettereinflüssen ab (Nässe, Schnee, Eis). (Vgl. § 3 R N r . 42—47). Die zur Sorgfaltspflicht bei Straßenglätte aufgestellten Rechtsgrundsätze beschränken sich nicht auf die Frage der zulässigen Geschwindigkeit. Gegenstand besonderer Untersuchungen war zunächst die Frage, wieweit der Kraftfahrer, der nicht weiß, daß er auf eine glatte Straßenstelle zufährt und dies auch bei zumutbarer Aufmerksamkeit nicht rechtzeitig « ) BGH 8. 7. 52, VRS 4, 447; 12. 7. 56, VRS 11, 225. « ) BGH 12. 6. 59, VRS 17, 204; BGH(Z) 7. 2. 61, VRS 20, 336; Neustadt 29. 10. 58, MDR
4 4 4 5
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59, 234 = DAR 59, 132; Hamburg 2. 3. 66, VerkMitt. 66, 44. «) BGH(Z) 13. 11. 62, VersR 63, 185. 4 " ) Köln 28. 1. 64, VRS 27, 197. 46
Glatte Fahrbahn; grüne Welle
StVO
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erkennen kann, mit der glatten Stelle redinen muß. Vor allem Glatteisstellen sind oft schwer erkennbar. Allgemeine Gültigkeit hat der Satz, daß der Kraftfahrer bei Frostgefahr und Temperaturen um den Nullpunkt an den hierfür anfälligen Straßenstellen (z. B. Waldstücken, Brücken, Unterführungen, Straßenkreuzungen im Schattenbereich hoher Wohnblöcke) mit plötzlichen Vereisungen der Fahrbahn redinen muß. Stellt er sein Fahrverhalten nicht darauf ein und kommt es deshalb zu einem Unfall, dann trifft ihn der Vorwurf ungenügender Sorgfalt. (Näheres s. § 3 RNr. 39 mit Nachweisungen). Die Entscheidung darüber, ob es sich im gegebenen Fall um eine Stelle handelt, an der mit Eisbildung zu rechnen ist, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet 468 ). Deshalb muß das Gricht die Umstände, aus denen sich im Einzelfall die Gefahr der Glatteisbildung ergab, möglichst genau festestellen 489 ). Auf glatten Gefällstrecken kann der Fall eintreten, daß sie ohne Gefahr überhaupt nicht befahren werden können, weil die Fahrzeuge trotz Bremsens und Herunterschaltens ins Gleiten kommen können. Unter Umständen muß die zu durchfahrende Strecke zuerst begangen und bereitliegendes Streumaterial verwendet werden 470 ). Dagegen soll ein Kraftfahrer, der bei starkem Nebel und Glatteis mit einem vorschriftsmäßig beleuchteten Lastzug von einem Nebenweg in eine Bundesstraße einbiegt, nicht verpflichtet sein, den Einbiegevorgang durch Warnposten und Warnleuchten zu sichern471). Die technische Frage, ob es bei Straßenglätte sinnvoller ist, die Geschwindigkeit durch leichtes Bremsen oder durch Herunterschalten herabzusetzen, kann nicht eindeutig beantwortet werden, weil es auf die Fahreigenschaften des einzelnen Fahrzeugs ankommt. Man wird aber sagen können, daß es weniger auf die Wahl des rechten Mittels als auf die „gefühlvolle" Anwendung ankommt. Wer die Bremse entsprechend zu handhaben weiß, wird deshalb dadurch allein, daß er, statt herunterschalten, leicht bremst, in der Regel keinen Kunstfehler begehen 472 ). Scharfes Bremsen ist freilich bei Straßenglätte unbedingt zu vermeiden. Das Fahren bei Straßenglätte stellt hohe Anforderungen an Aufmerksamkeit und Fahrkönnen des Kraftfahrers. Es genügt nicht, langsam zu fahren, sondern Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft müssen angespannt bleiben. Ein Kraftfahrer, der nicht die erforderlichen Fähigkeiten hat, um den Anforderungen genügen zu können, soll unter besonders erschwerten Bedingungen kein Kraftfahrzeug lenken 473 ). Das gilt auch für Anfänger ohne ausreichende Fahrpraxis. Bei der Bemessung des Abstandes muß die Straßenglätte berücksichtigt werden, wenn der Nachfolgende nicht über Spikesreifen verfügt. Denn er muß damit rechnen, daß der Vordermann dank solcher Reifen auf der glatten Fahrbahn schneller zum Halten kommt als er selbst. Für den, der mit Spikesreifen fährt, genügt dagegen der normale Abstand. Grüne Welle Von einer „grünen Welle" spricht man, wenn die innerhalb eines Straßenzuges aufeinanderfolgenden Ampeln nach einem einheitlichen Plan geschaltet werden, der es dem mit angemessener Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrer ermöglicht, den ganzen Straßenzug ohne Halt zu durchfahren. Das Verhalten an Ampeln wird bei § 37, die Frage des notwendigen Abstandes wurde oben RNr. 62 behandelt. Der Zweck der „grünen Welle" wird nur erreicht, wenn der Verkehrsfluß gleichmäßig und mit der richtigen Geschwindigkeit fließt. Scharfes Bremsen ist, soweit möglich, zu vermeiden. Ein Kraftfahrer braucht deshalb innerhalb der „grünen Welle" solange nur mit einem normalen, verkehrsgemäßen Anhalten eines vorausfahrenden Fahrzeugs zu rechnen, als er keinen besonderen Anlaß erkennen kann, der den Vordermann zum abrupten Bremsen nötigen könnte 474 ). Das soll übrigens allgemein für den Geradeausverkehr kurz vor einer grün zeigenden Ampel 4«8)
BGH(Z) 5. 12. 67, VersR 68, 303. Hamm 11. 10. 68, DAR 69, 220; BGH 1. 10. 69, VRS 38, 48. " « ) BGH(Z) 5. 1. 65, VerkMitt. 65, 17 = VersR 65, 379 = DRspr. II (291) 127 b. 4")
471 )
Oldenburg 21. 12. 60, DAR 61, 310 = MDR 61, 413. 472 ) Vgl. Kuhlig in DAR 61, 80; a. M. offenbar Oldenburg 11. 12. 59, DAR 60, 230. 4 7 3 ) Hamm 18. 4. 63, VRS 25, 455. 4 7 4 ) KG 29. 6. 59, VRS 17, 383.
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gelten 475 ). Die Folge dieses berechtigten Vertrauens ist die Verkürzung des im Normalfalle gebotenen Mindestabstandes von dem vorausfahrenden Fahrzeug. Fährt ein Kraftfahrer im Bereich einer Ampel zulässigerweise mit einem soldien verkürzten Abstand, so darf er auch darauf vertrauen, daß der Vordermann die Verkehrszeichen richtig erkennen, deuten und befolgen kann 476 ). 128
Hindernisse auf der Fahrbahn Die Pflichten des Kraftfahrers bei der Vorbeifahrt an Hindernissen auf der Fahrbahn sind nunmehr in § 6 ausdrücklich geregelt, während sie früher aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 entwickelt wurden (§ 6 RNr. 5 , 6) 477 ). Trotzdem sind die zur früheren Rechtslage ergangenen Entscheidungen noch teilweise von Interesse. Allerdings wird nunmehr der auf der Überholfahrbahn Nachfolgende im allgemeinen darauf vertrauen dürfen, daß der auf der Normalfahrbahn Vorausfahrende seine Verpflichtungen aus § 6 erfüllt, also insbesondere, daß er rechtzeitig durch Richtungszeichen die beabsichtigte Richtungsänderung anzeigt, wenn er bei der Vorbeifahrt an dem Hindernis „wesentlich" ausscheren muß. Doch wird der Überholer nicht von seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht befreit. Ihn wird auch dann ein Schuldvorwurf treffen, wenn das vorausfahrende Fahrzeug vor dem Ausscheren fehlerhafterweise kein Richtungszeichen gegeben hat, wenn aber bei genügender Aufmerksamkeit ohne weiteres erkennbar ist, daß es durch ein Hindernis in der Fahrbahn alsbald zum Ausscheren gezwungen wird. Ist also ein Hindernis in der Fahrbahn weithin sichtbar und wird es auch nicht durch das vorausfahrende Fahrzeug verdeckt, dann muß sich der Nachfolgende auf alle Fälle auf das bevorstehende Ausscheren des Vorausfahrenden einstellen478). Für das Verhältnis von zwei Fahrzeugführern zueinander, die sich einem Hindernis aus der gleichen Richtung nähern, gelten die entsprechenden Überholvorschriften (s. § 5 RNr. 23) 47e ). Aus dem allgemein gültigen Gebot, auf Sicht zu fahren, ergibt sich, daß der Kraftfahrzeugführer vor allen auf der Fahrbahn befindlichen Hindernissen rechtzeitig anhalten können muß, wenn er nicht ohne Gefährdung anderer an ihnen vorbeifahren kann. Das gilt grundsätzlich auch bei schwer erkennbaren Hindernissen. Ein Kraftfahrer, der auf dunkler Landstraße gegen ein dort bereits befindliches Hindernis fährt, ist entweder für seine Sichtweite zu schnell gefahren oder hat die Fahrbahn nicht genügend beobachtet. Nur in besonderen Ausnahmefällen trifft ihn kein Vorwurf, wenn er ein schwer erkennbares Hindernis zu spät wahrnimmt; vgl. hierzu § 3 RNr. 60. Wer sich anschickt, an einem Hindernis vorbeizufahren, muß entgegenkommende Fahrzeuge nach § 6 durdifahren lassen, wenn die Fahrbahnbreite eine Begegnung an der verengten Stelle nicht zuläßt. Er braucht aber nicht damit zu rechnen, daß ein anderer Kraftfahrer aus einer unmittelbar hinter dem Hindernis gelegenen Grundstüdisausfahrt ihm plötzlich in den Weg fährt, um die eingeengte Stelle von der entgegengesetzten Seite her zu durdifahren 480 ).
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Sorgfaltspflidit gegenüber Kindern Überblick Im folgenden wird die Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers gegenüber Kindern abschließend dargestellt, also auch soweit dabei Verhaltensvorschriften der § 2 f. (insbesondere § 3) mit von Bedeutung sind. Das Gefahrenzeichen „Kinder" (Zeichen 136) verlangt von dem Kraftfahrer, seine Fahrweise darauf einzurichten, daß er beim plötzlichen Betreten der Fahrbahn durch Kinder sogleich Maßregeln ergreifen kann, um einen Unfall zu vermeiden. Er muß mit erhöhter Aufmerksamkeit fahren und bremsbereit sein. ) Hamm 8. 5. 64, V R S 28, 386. « » ) Hamm 11. 9. 67, V R S 34, 134. 4 7 7 ) Bremen 8. 4. 64, V R S 27, 374 = 64, 86. 475
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) Vgl. für die frühere Rechtslage B G H 8. 10. 65, V R S 30, 105. 479) Vgl. für die frühere Rechtslage Hamburg 28. 5. 63, VerkMitt. 63, 76. 4 8 0) B G H ( Z ) 28. 2. 67, VersR 67, 500. 478
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Kinder
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Dagegen braucht er seine Geschwindigkeit nicht soweit herabzusetzen, daß er beim A u f tauchen eines bis dahin nicht sichtbaren Kindes sofort anhalten kann. Kinder sind meist „Fußgänger", allenfalls „ R a d f a h r e r " . Grundsätze, die für das Verhalten gegenüber erwachsenen Fußgängern und R a d f a h r e r n gelten, können aber für das Verhalten gegenüber Kindern nicht uneingeschränkt herangezogen werden. Soweit es auf die besonderen Eigenarten der Kinder im Vergleich zu den Erwachsenen ankommt, werden die allgemeinen Grundsätze modifiziert. D a b e i gelten wiederum nicht f ü r alle die gleichen Regeln, sondern es wird unterschieden zwischen sog. Kleinkindern, Schulkindern und Jugendlichen. Diese drei Gruppen sind nicht scharf gegeneinander abgrenzbar, doch wird man die Grenze zwischen Kindern und Jugendlichen auch hier da ziehen können, wo sie § 1 Abs. 2 J G G zieht, also bei der Vollendung des 14. Lebensjahres. Für das Verhalten gegenüber „ J u g e n d lidien", also Personen über 14 Jahren, gelten im allgemeinen die gleichen Grundsätze wie f ü r das Verhalten gegenüber erwachsenen Verkehrsteilnehmern. D a s schließt allerdings nicht aus, daß auf die besondere Eigenart Jugendlicher Rücksicht genommen werden muß, wo ihr Verhalten erkennbar von diesen besonderen Eigenarten bestimmt wird. Bei Kindern unter 14 Jahren wird zwischen „Kleinkindern" und größeren Kindern unterschieden. Wo hier die Grenze zu ziehen ist, könnte zweifelhaft sein. Denn f ü r die Verkehrsgewandtheit spielt nicht nur das Lebensalter, sondern auch die körperliche und geistige Entwicklung, die Intelligenz und vor allem die Verkehrserfahrung des einzelnen Kindes eine bedeutsame Rolle. D a aber der K r a f t f a h r e r einem K i n d im allgemeinen nicht ohne weiteres ansehen kann, ob es über- oder unterdurchschnittlich verkehrsgewandt ist, muß eine Grenze gezogen werden, die leicht erkennbar ist. Sie wird von der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des Schuleintritts verlegt. Kinder unter 6 — 7 Jahren gelten als Kleinkinder. D i e Unterscheidung der Kleinkinder von den Schulkindern ist von erheblicher Bedeutung. Beim Kleinkind darf in der Regel auf verkehrsgerechtes Verhalten nicht vertraut werden. D e r K r a f t f a h r e r muß sich von vornherein auf verkehrswidriges und unvorsichtiges Verhalten einrichten. Bei größeren Kindern braucht dagegen mit verkehrswidrigem Verhalten nicht ohne weiteres gerechnet zu werden. Sie müssen aber beobachtet werden. Gibt ihr Verhalten oder ihre Beschäftigung im Bereich der Fahrbahn Anlaß zu der Befürchtung, sie könnten die notwendige S o r g f a l t außer acht lassen, dann darf auch bei ihnen nicht weiter auf verkehrsgerechtes Verhalten vertraut werden. D e r Vertrauensgrundsatz wird eingeschränkt, soweit der K r a f t f a h r e r triftigen Anlaß hat, mit verkehrswidrigem Verhalten zu rechnen. Solch ein triftiger Anlaß ergibt sich bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. D i e rechte Grenze für das erlaubte Vertrauen zu ziehen, ist schwierig 4 6 1 ). D i e Schulkinder nehmen also eine Zwischenstellung zwischen den Kleinkindern und den Erwachsenen ein. Bei allen Kindern ist wiederum von Bedeutung, ob sie unter der Obhut von Erwachsenen stehen. D e r K r a f t f a h r e r muß nicht nur die Fahrbahn, sondern den gesamten Bereich der Straße beobachten. N i m m t er dabei Kinder wahr, gleichgültig, ob auf der Fahrbahn oder in der N ä h e der Fahrbahn, ob Kleinkinder oder größere Kinder, so muß er sie im Auge behalten und reaktionsbereit sein. O b er seine Geschwindigkeit herabsetzen muß, hängt von den U m ständen des Einzelfalles ab. Aus der Erkenntnis, daß Kinder weniger aufmerksam sind als Erwachsene, ergibt sich die Pflicht in erhöhtem Maße, Warnzeichen zu geben. Größere K i n d e r reagieren im allgemeinen rasch und richtig. Ihre Schwäche liegt darin, daß sie sich leicht ablenken lassen und sich der Gefahren des Straßenverkehrs weniger bewußt sind als Erwachsene. Manche Kinderunfälle könnten vermieden werden, wenn die K r a f t f a h r e r rechtzeitig Warnzeichen gäben. Allerdings darf der K r a f t f a h r e r , der ein Warnzeichen gibt, nicht d a r a u f vertrauen. D a s darf er nicht einmal bei Erwachsenen (oben R N r . 116). A u f Kinder, die er nicht sehen kann, braucht sich der K r a f t f a h r e r z w a r im allgemeinen nicht einzurichten. Doch können besondere Umstände vorliegen, die im Einzelfall doch das plötzliche Auftauchen von Kindern auf der Fahrbahn ankündigen. Keinesfalls kann dem Vgl. die Aufsätze von Mittelbadi DAR 58, 315 und Martin DAR 63, 117.
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Kraftfahrer über die normale Reaktionszeit hinaus eine Schreckzeit zugebilligt werden, wenn Kinder an einer Stelle auftauchen, an der mit ihrem Auftauchen geredinet werden mußte 4 8 8 ). Bei besonders breiter Straße oder schlechten Sichtverhältnissen kommt höchstens neben der „Reaktionszeit" noch eine gewisse „Beobachtungszeit" in Frage. 130
Kleinkinder auf der Fahrbahn Kleinkindern, also Kindern bis zu 5—6 Jahren fehlt meist das Verständnis für die Gefahren des Straßenverkehrs und die Fähigkeit, sich ihnen gegenüber vernünftig zu verhalten. Sie sind unberechenbar. Der Kraftfahrer darf nicht darauf vertrauen, daß sie sidi verkehrsgerecht verhalten 4 8 3 ). Während bei Kleinkindern außerhalb der Fahrbahn von der Rechtsprechung gelegentliche Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden (s. unten R N r . 131) besteht darüber Einigkeit, daß gegenüber unbeaufsichtigten Kleinkindern im Bereich der Fahrbahn der Vertrauensgrundsatz versagt. Nur dann, wenn sich ein Kind bereits an der Schwelle vom Kleinkind zum größeren Kind befindet, also mindestens 6 Jahre alt ist, sind Fälle denkbar, in denen die Annahme berechtigt erscheinen kann, es sei der konkreten Verkehrslage gewachsen. So soll der Kraftfahrer darauf vertrauen dürfen, daß sich ein sechsjähriges Kind, das dem Kraftfahrer auf einem Fahrrad entgegenkommt, verkehrsgerecht verhält, wenn es ordnungsgemäß an seinem rechten Fahrbahnrand entlangfährt und seinen Blick auf das Verkehrsgeschehen und insbesondere auf das ihm entgegenkommende Kraftfahrzeug richtet 484 ). Nähert sich dagegen ein Kraftfahrer einem sechsjährigen Kind, das am Straßenrand geht, von hinten, dann darf er sich nur dann darauf verlassen, daß es nicht plötzlich die Fahrbahn vor dem Kraftfahrzeug überqueren wird, wenn das Kind das Herannahen des Kraftfahrzeugs bemerkt und sich erkennbar darauf eingestellt hat 4 8 5 ). Selbst wenn ein Kleinkind die Fahrbahn vor dem Kraftwagen bereits überquert hat, darf der Fahrzeugführer nicht darauf vertrauen, daß es nicht plötzlich wieder zurückläuft 486 ). Bemerkt ein Lkw-Fahrer beim Abladen von Waren ein in der Nähe des Lkw spielendes dreijähriges Kind, dann ist er vor dem Wiederanfahren verpflichtet, sogar unter seinem Lkw Nachschau nach dem Kind zu halten 4 8 7 ).
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Kleinkinder außerhalb der Fahrbahn Gegenüber Kleinkindern, die sich zwar zunächst nicht auf der Fahrbahn, aber im Verkehrsbereich befinden und vom Kraftfahrer bei genügender Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können, gelten annähernd die gleichen Regeln wie gegenüber Kleinkindern auf der Fahrbahn. Damit der Kraftfahrer seiner Sorgfaltspflicht gegenüber solchen Kleinkindern nachkommen kann, muß er vor allem in geschlossenen Ortschaften nicht nur die Fahrbahn vor sich, sondern auch das Gelände neben ihr beobachten und der erkennbaren Annäherung von Kleinkindern an die Fahrbahn erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden 488 ). Mit verkehrswidrigem Verhalten von Kleinkindern ist nicht nur dann zu rechnen, wenn das Verhalten des Kindes hierzu besonderen Anlaß gibt 4 8 9 ). Zwar ist gegenüber solchen Kindern, wenn sie sich dem schulpflichtigen Alter nähern, der Vertrauensgrundsatz nicht schlechthin unanwendbar. Jedoch ist bei ihnen das Vertrauen auf ein verkehrsgerechtes Verhalten nicht schon dann gerechtfertigt, wenn keine besonderen Anhaltspunkte für verkehrswidriges Verhalten vorliegen, sondern höchstens dann, wenn umgekehrt besondere Umstände gegeben sind, welche die bei einem Kleinkind allgemein bestehende Gefahr unbesonnenen Verhaltens als beseitigt erscheinen lassen 490 ). Bei Kleinkindern bis zu 3 — 4 Jahren darf dagegen unter keinen Umständen auf verkehrsgerechtes Verhalten vertraut werden. Bemerkt ein Kraftfahrer auf dem Gehweg ein ) A. M. nodi BGH 25. 11. 60, VRS 20, 132. ) BGH 2. 9. 60, VRS 19, 343; 22. 6. 62, VRS 23, 267; Saarbrücken 5. 9. 63, VRS 26, 449; Düsseldorf 26. 4. 67, VerkMitt. 67, 76. ««) BGH 18. 5. 62, VRS 23, 273 = VerkMitt. 62, 64 = DRspr. II (291) 99 c; vgl. hierzu die berechtigten Bedenken von Martin in DAR 63, 117, 119. «») BayObLG 15. 4. 59, 1 St 34/1959. 482 483
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«•) 487) ) 489)
Saarbrücken 25. 4. 68, VRS 36, 218. Hamm 29. 9. 61, VRS 23, 37. BGH(Z) 16. 2. 65, VersR 65, 501. A. M. noch BGH(Z) 25. 10. 60, MDR 61, 42 = BB 60, 1304 = DRiZ 61, 20 = VRS 20, 4 = DRspr. II (291) 76 d; BGH(Z) 21. 4. 61, VRS 21, 4. 49 ») Vgl. Mittelbadi DAR 58, 318 f. 488
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unbeaufsichtigtes Kind von 3—4 Jahren so hat er von vornherein unbesonnenes und verkehrswidriges Verhalten des Kindes in Rechnung zu stellen 491 ). Muß mit verkehrswidrigem Verhalten von Kleinkindern allgemein gerechnet werden, dann gilt dies um so mehr, wenn solche Kinder in ihrer Aufmerksamkeit sichtlich abgelenkt sind. So muß bei Kindern, die im Bereich der Straße spielen oder sich balgen, in erhöhtem Maße damit gerechnet werden, d a ß sie in .ihrer Spielleidenschaft auf den Verkehr nicht achten und unvorsichtig auf die Fahrbahn laufen 492 ). Auch bei Kindern, die irgendeinen Vorgang, z. B. ein Reklameluftschiff am H i m mel oder einen Bagger bei der Arbeit beobachten, liegt es besonders nahe, daß sie plötzlich unvorsichtig auf die Fahrbahn treten 493 ). Steht am Gehsteig ein Kleinkind, dessen Vater mit einem anderen Kind an der H a n d kurz vorher die Fahrbahn überquert hatte, dann liegt es nahe, daß es ihm blindlings nachläuft. Ebenso muß damit gerechnet werden, daß Kinder, die auf den Gehsteig zurückgeblieben sind, sich einer Kinderschar anschließen, die vor ihnen die Fahrbahn überquert. Sieht ein K r a f t f a h r e r aus einer Entfernung von 30—40 m am Fahrbahnrand eine Gruppe von Kindern, von der sich ein widerspenstiger Sechsjähriger losreißen will, muß er sofort deutliche Warnzeichen geben und die Gruppe im Auge behalten, um jederzeit anhalten zu können 494 ). In einigen wenigen Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung den Grundsatz durchbrochen, daß bei Kleinkindern von vornherein mit unvernünftigem Verhalten gerechnet werden m u ß : Bei einem kleinen Mädchen, das sich mit einem Seil zum Springen in Gesellschaft eines anderen kleinen Kindes auf der Mitte des Bürgersteiges befand und spielte, wurde angenommen, ein Lastzugfahrer dürfe darauf vertrauen, daß es sein Spiel fortsetze und nicht plötzlich in die Fahrbahn laufe 489 ). Bei der Entscheidung einer anderen Sache läßt der B G H die Frage offen, ob nicht etwa dann, wenn ein Kind in angemessenem Abstand von der Fahrbahn auf dem Gehsteig sitzt und sich mit ungeteilter Aufmerksamkeit seinem Spiel widmet, eine Ausnahme von der Regel zuzulassen wäre, daß der K r a f t f a h r e r auf verkehrsgerechtes Verhalten von kleinen Kindern nicht vertrauen darf 4 9 5 ). Wenn sich ein Kleinkind auf das Herannahen eines Kraftfahrzeugs sichtlich eingestellt hat, indem es z. B. von der Fahrbahn auf den Gehsteig zurücktritt und dabei auf das Kraftfahrzeug blickt, wird der K r a f t f a h r e r auf weiteres vernünftiges Verhalten des Kindes vertrauen dürfen, wenn es sich um ein älteres Kleinkind handelt und wenn er sicher sein kann, daß es sich nicht nur um eine einzelne Reaktionshandlung des Kindes handelt. Aus dem Gesamtverhalten des Kindes muß sich ergeben, daß es die Gefahr erkannt hat und es ihr Rechnung tragen will 4 9 '). Verhält sich ein Kleinkind unauffällig, bis sich das Kraftfahrzeug mit ihm auf gleicher H ö h e befindet, dann braucht der Fahrzeugführer nicht in Betracht zu ziehen, daß es plötzlich von der Seite her in sein Fahrzeug läuft. Einen Lastzugführer t r i f f t deshalb kein Verschulden, dem erst in einem Zeitpunkt, in dem das Führerhaus seines Motorwagens eine am Straßenrand stehende Kindergruppe bereits passiert hatte, ein Kind plötzlich von der Seite her in den Anhänger läuft. Der Führer ist nicht verpflichtet, auf dem Gehweg befindliche Kinder bis zur Vorbeifahrt des gesamten Lastzuges im Rückspiegel oder gar durch das Seitenfenster des Führerhauses zu beobachten 497 ). Größere Kinder auf der Fahrbahn — Allgemeines
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Bei Kleinkindern bis zum Alter von 3—4 Jahren darf auf verkehrsgerechtes Verhalten überhaupt nicht vertraut werden, es sei denn, sie befänden sich in der O b h u t Erwachsener. Bei größeren „Kleinkindern" bis zum schulpflichtigen Alter muß grundsätzlich ebenfalls mit unvernünftigem Verhalten gerechnet werden. Jedoch kann bei diesen ausnahmsweise ein ge491
) Hamburg 28. 4. 64, DAR 64, 277; Saarbrükken 14. 10. 65, VRS 30, 352, vgl. audi BGH 22. 6. 62, VRS 23, 267 = VerkMitt. 63, 1; 27. 7. 62, VRS 23, 371 = VerkMitt. 63, 3; 27. 7. 62, VRS 23, 445; Düsseldorf 26. 4. 67, VerkMitt. 67, 76. 49i ) Köln 24. 9. 68, VRS 36, 201 = VerkMitt. 69, 6; Saarbrücken 2. 9. 65, VRS 30, 52.
4 3
» ) Hamm 22. 5. 59, VRS 17, 436; BGH(Z) 16. 6. 61, VRS 21, 248. Karlsruhe 11. 1. 68, VRS 35, 212. BGH 27. 7. 62, VRS 23, 445. «) BayObLG 5. 4. 67, 1 b St 30/67. «") Düsseldorf 26. 7. 62, VRS 25, 45.
494 ) 495 ) 49
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wisses Vertrauen gerechtfertigt sein, wenn sie deutlich erkennen lassen, daß sie das herankommende Kraftfahrzeug gesehen und sich darauf eingerichtet haben. Umgekehrt bei den schulpflichtigen größeren Kindern, den „Schulkindern": Bei ihnen darf grundsätzlich auf verkehrsgerecktes Verhalten vertraut werden, doch müssen sie aufmerksam daraufhin beobachtet werden, ob sie sich richtig verhalten. Das Vertrauen gegenüber diesen Kindern wird sogleich eingeschränkt, wenn erkennbar wird, daß sie es aus irgendwelchen Gründen an der notwendigen Aufmerksamkeit fehlen lassen. Verkehrswidriges Verhalten solcher Kinder liegt zwar nahe, doch nidit so nahe, daß sich der Kraftfahrer von vornherein darauf einstellen muß. Die Abgrenzung erlaubten Vertrauens ergibt sich theoretisch ohne weiteres aus dem sog. „Vertrauensgrundsatz", wonach der Kraftfahrer nur mit solchen Fehlern anderer rechnen muß, die nach den Umständen bei verständiger "Würdigung als möglich zu erwarten sind. Bei Kindern ist bei verständiger Würdigung schon dann mit Fehlern zu rechnen, wenn sie in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sein können, während vom erwachsenen Fußgänger erwartet werden kann, daß er seine Aufmerksamkeit nicht so leicht ablenken läßt. Bei den alten Leuten wiederum muß mit Fehlern gerechnet werden, die sich aus dem Alter ergeben. Ihnen gegenüber wird der Vertrauensgrundsatz ebenfalls eingeschränkt (s. oben R N r . 125). So einleuchtend diese Grundsätze erscheinen, ist ihre praktische Anwendung doch nicht selten schwierig. Zwar lassen sich einige Grundregeln aufstellen, doch kommt es auf den Einzelfall an 4 9 8 ). Schulkinder auf der Fahrbahn erfordern keine besondere Vorsichtsmaßregeln, wenn sie die Fahrbahn sachgemäß wie Erwachsene benutzen. Allerdings muß der Kraftfahrer dem Umstand durch besondere Vorsicht Rechnung tragen, daß Kinder in ihrem Verhalten unberechenbar sind. Er wird deshalb öfter als gegenüber Erwachsenen Warnzeichnen geben. D a s Warnzeichen entbindet den Kraftfahrer aber nicht von seiner sonstigen Sorgfaltspflicht. Er darf nicht darauf vertrauen, daß ein Kind richtig reagiert. Die Geschwindigkeit wird der K r a f t fahrer herabsetzen, wenn er nicht sicher sein kann, daß das Kind sein Herannahen wahrgenommen hat. Der Kraftfahrer muß auch Erwachsenen gegenüber vermeiden, sie durch seine Fahrweise in Schrecken zu versetzen. Er soll deshalb nicht geradewegs auf den Fußgänger zufahren, etwa um hinter diesem durchzufahren (vgl. oben R N r . 121). Auch darf er keinesfalls in zügiger Fahrt mit geringem Abstand an einem Fußgänger vorbeifahren. Diese Regeln gelten gegenüber Kindern in erhöhtem Maße. D a s allgemeine Wissen um die Unberechenbarkeit von Kindern verdichtet sich zum triftigen Grund, der ferneres Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten ausschließt, wenn die Kinder auf der Fahrbahn nach den Umständen des Einzelfalles in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sein können. Das ist selbstverständlich immer der Fall, wenn Kinder auf der Fahrbahn spielen. Der Fahrer einer Planierraupe kann verpflichtet sein, auf seinem Arbeitsgelände spielende Kinder durch einen Helfer vertreiben zu lassen 49 *). Veranstalten 10—16 Jahre alte Jungen teils auf der Fahrbahn, teils auf dem anschließenden Gehweg einen Wettlauf, dann muß der von hinten kommende Kraftfahrer damit rechnen, daß sie vor ihm unbesonnen die Fahrbahn kreuzen 500 ). Auch wenn Kinder nicht gerade spielen, aber sich in Gruppen auf der Fahrbahn fortbewegen, ist besondere Vorsicht geboten. Geschieht dies auf einer schmalen Fahrbahn ohne Gehsteig, dann darf mindestens dann, wenn das Kraftfahrzeug von hinten sich nähert, nicht auf verkehrsgerechtes Verhalten vertraut werden 5 0 1 ). Steigen aus einem am linken Fahrbahnrand haltenden Omnibus Kinder aus, dann genügt der Kraftfahrer seiner Sorgfaltspflicht noch nicht, wenn er nur die gegenüber Erwachsenen im gleichen Fall erforderlichen Maßnahmen trifft (Vorbeifahrt in einem Abstand von mindestens 2 m, s. oben R N r . 69). Er muß vielmehr seine Geschwindigkeit auf alle Fälle bis auf Schrittgeschwindigkeit herabsetzen 502 ). Der Führer eines Schulbusses, aus dem eine größere Zahl von ca. neunjährigen Kindern ausgestiegen ist, darf dann, wenn vor dem Omnibus ein solches Kind aufrecht stehen kann, ohne daß es hierbei vom Führerhaus aus sichtbar ist, nicht wieder anfahren, solange er sich nicht in geeigneter Weise Gewißheit darüber beschaffen hat, daß sich vor dem Omnibus *>8) Celle 27. 1. 66, VerkMitt. 67, 23. " ) Köln 1. 10. 63, VRS 26, 289. 50 ») BGH 26. 2. 60, VRS 18, 35 8 . 4
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501
) BGH 3. 5. 68, VRS 35, 113 = 244. ) BGH 30. 9. 59, VRS 17, 446.
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Schulkinder; radfahrende Kinder
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kein Kind mehr aufhält 5 0 '). Werden Kindergruppen von einem Schülerlotsen betreut, dann muß der Kraftfahrer das als eine Warnung verstehen, daß mit verkehrsunerfahrenen Kindern auf dem Schulweg zu rechnen ist. Er darf sich nicht auf die Beobachtung des Schülerlotsen beschränken, der Vertrauensgrundsatz gilt gegenüber den vom Schülerlotsen betreuten Kindern nur eingeschränkt. Sie befinden sich nicht in Obhut eines „Erwachsenen" 504 ). Befinden sidi Kinder im schulpflichtigen Alter einzeln auf der Fahrbahn, dann kommt es darauf an, ob sie sidi verkehrsgemäß fortbewegen oder ob sie spielen. Fährt ein Kind mit dem Roller, dann kann von ihm nicht erwartet werden, daß es sich verkehrsgerecht verhält. Nähert sich der Kraftfahrer von hinten, muß er rechtzeitig ein Warnzeichen geben und mit mäßiger Geschwindigkeit und weitem Sicherheitsabstand an dem Kind vorbeifahren. Fährt ein sechsjähriges Kind auf einem Tretfahrzeug auf der linken Seite der Fahrbahn, so darf sich der Führer eines vom Kinde nicht bemerkten Lastzuges nicht darauf verlassen, es werde solange auf der linken Fahrbahnseite bleiben, bis er es rechts überholt habe 5 0 5 ). Überquert dagegen ein Schulkind vorsichtig die Straße oder geht es vorschriftsmäßig am Fahrbahnrand entlang, dann braucht nicht ohne weiteres mit einer Unbesonnenheit gerechnet zu werden. Auch die Verletzung der Aufsichtspflicht eines Kraftfahrers gegenüber seinem Kind kann den Tatbestand des § 1 erfüllen. Läßt ein Kraftfahrer in seinem auf öffentlicher Straße abgestellten Kraftfahrzeug ein achtjähriges Kind allein zurück, so muß er es nachdrücklich auf die Gefahren hinweisen, die durdi das ö f f n e n einer Wagentür entstehen können 5 0 0 ). Radfahrende
Kinder
Auch bei radfahrenden Kindern ist zu unterscheiden zwischen Kleinkindern und schulpflichtigen Kindern. Bei Kleinkindern ist immer mit Verkehrswidrigkeiten zu rechnen. Wenn Kinder auf öffentlichen Straßen radfahren, kann zwar davon ausgegangen werden, daß sie eine gewisse Verkehrserfahrung haben. Andererseits ist aber zu bedenken, daß Radfahren gefährlicher ist als zu Fuß gehen und daß die besonderen Eigenarten der Kinder auch beim Radfahren wirksam sind. Für das Verhalten gegenüber radfahrender Kinder gelten deshalb die für das Verhalten gegenüber erwachsenen Radfahrern geltenden Grundregeln (s. unten R N r . 143 f.) mit ähnlichen Abweichungen, wie sie im Fußgängerbereich festgestellt wurden. Wie bei Schulkindern, die am Straßenverkehr als Fußgänger teilnehmen, im allgemeinen ein verkehrsgemäßes Verhalten solange erwartet werden kann, als keine Anzeichen dafür vorhanden sind, daß ihre Aufmerksamkeit abgelenkt ist, so kann auch von radfahrenden Schulkindern im allgemeinen ein sicheres und vorschriftsmäßiges Fahren erwartet werden. Bewegt sidi ein 12V2jähriger Radfahrer im Verkehr einwandfrei, dann braucht deshalb ein überholender Kraftfahrer keine besonderen Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Es genügt die Sorgfalt, die gegenüber einem erwachsenen Radfahrer geboten wäre 5 0 7 ). Audi bei bevorstehender Begegnung mit mehreren radfahrenden Kindern darf der Kraftfahrer im allgemeinen darauf vertrauen, daß das Fahrzeug von den Kindern rechtzeitig wahrgenommen wird und daß sie nicht ohne Grund auf die für sie linke Fahrbahnseite überwechseln 508 ). Auf alle Fälle muß der Kraftfahrer radfahrende Kinder aufmerksam beobachten. D e r Vertrauensgrundsatz versagt, sobald erkennbar wird, daß sidi die Kinder unvernünftig verhalten, daß sie z . B . in Schlangenlinien fahren, Wettrennen veranstalten, freihändig fahren. Fährt ein Kind auf den Pedalen eines normalen Fahrrades stehend, weil es zu klein ist, um auf dem Sattel sitzend die Pedale zu erreichen, dann muß der Kraftfahrer damit rechnen, daß es unsicher wird und von der geraden Fahrspur abweicht 5 0 '). 503) BayObLG St 69, 33 (5. 3. 69) = VRS 37, 269. ) Düsseldorf 12. 1. 68, VRS 36, 31 = VerkMitt. 69, 15 = DRspr. II (291) 168 f. 5 0 S ) BGH 4. 6. 70, VRS 39, 192. 6 M ) Hamm 20. 11. 62, DAR 63, 306 = JMBI. NRW 63, 69 = DRspr. II (291) 105 d. 5M
) BGH 18. 10. 51, VRS 4, 61; BayObLG 9. 7. 69 bei Rüth DAR 70, 253; Köln 12. 11. 63, VRS 26, 356 = VerkMitt. 64, 27. 5 0 S ) BGH(Z) 31. 3. 67, VerkMitt. 67, 57 = VersR 67, 659 = DRspr. II (291) 155 a; vgl. Fußn. 484. 5 0 8 ) Schleswig 29. 11. 61, VerkMitt. 62, 11. 507
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Schon dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn sidi jugendliche Radfahrer auf eine Stelle zu bewegen, an der sie sich erfahrungsgemäß unbesonnen zu verhalten pflegen (z. B. Abbiegen in eine Schule, ein Schwimmbad) 510 ). 134
„Schulkinder" außerhalb der Fahrbahn Gegenüber Kindern im schulpflichtigen Alter, die sich am Fahrbahnrand oder auf einem Gehweg neben der Fahrbahn oder sonst im unmittelbaren Bereich der Fahrbahn aufhalten, sind die f ü r das Verhalten gegenüber Erwachsenen geltenden allgemeinen Regeln mit den Abweichungen anzuwenden, die sich aus der besonderen Eigenart der Kinder ergeben. Grundsätzlich darf zwar darauf vertraut werden, daß solche Kinder bereits eine gewisse Verkehrserfahrung aufzuweisen haben und daß sie nicht achtlos auf die Fahrbahn treten. Bei ihnen braucht im Gegensatz zu den Kleinkindern nicht von vornherein mit unbesonnenem Verhalten gerechnet werden 511 ). Stehen zwei Kinder von 10—12 Jahren unauffällig an einem ampelgesicherten Fußgängerüberweg, dann braucht der Kraftfahrer, auch wenn sie nicht auf den Verkehr achten, nicht damit zu rechnen, daß sie bei Rot die Fahrbahn überqueren 512 ). Fährt ein Kraftfahrer an einer Schule vorbei (auf die durch ein Hinweisschild aufmerksam gemacht wurde), so soll er seine Geschwindigkeit von 40—45 km/h nicht schon allein deshalb herabsetzen müssen, weil vor der Schule ein Kleinlieferwagen steht und sich 3 oder 4 Schüler auf dem Fußgängerweg befinden, die sich unauffällig benehmen 513 ). Von einem 12jährigen Mädchen, das sich auf einer Bundesstraße morgens offenbar auf dem täglichen Schulweg befindet, kann verkehrsgerechtes Verhalten erwartet werden 514 ). Darüber besteht Einigkeit, daß Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz bei größeren Kindern dann gelten, wenn diese ein Verhalten zeigen, das den Kraftfahrer im besonderen Fall zur Vorsicht mahnen und ihm den Gedanken nahelegen muß, sie könnten ihm unversehens in den Fahrweg geraten 515 ). Darüber, wann das Verhalten der Kinder diesen Gedanken nahelegen muß, herrscht aber keineswegs Einigkeit. Gewiß kommt es auf den Einzelfall an, wobei bei Kindern, die dem Kleinkindesalter erst vor kurzem entwachsen sind, naturgemäß strengere Maßstäbe anzulegen sind wie bei Kindern, die sich dem Ende der Kindheit nähern. Die Rechtsprechung zeigt bei der Behandlung der Einzelfälle eine schwankende Tendenz. Ein Teil der veröffentlichten Entscheidungen stellt den Schutz der Kinder, ein anderer die Rechtfertigung des Kraftfahrers durch den Vertrauensgrundsatz in den Vordergrund. Beiden Gesichtspunkten gerecht zu werden, ist unmöglich, weil sie sich widersprechen. Im Hinblick auf das hohe Gut, das es zu verteidigen gilt, sollte gerade hier der Gedanke des defensiven Fahrens Allgemeingut werden. Die zunehmende Neigung der Rechtsprechung, hier den Vertrauensgrundsatz vorsichtig einzuschränken, ist zu begrüßen. Vermieden werden sollte aber auch durch die Fassung von Leitsätzen veröffentlichter Entscheidungen, beim Laien den Eindruck zu erwecken, im Zweifel dürfe sich der Kraftfahrer doch meist auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Bei der in Fußnote 515) bezeichneten Entscheidung des B G H handelte es sich um einen Fall, in dem auf dem linken Bürgersteig eine Gruppe von etwa acht sieben- bis zwölfjährigen Jungen beisammenstanden und sich unterhielten. Aus der entgegengesetzten Richtung näherte sich ein Lkw. Einer der Jungen löste sich plötzlich aus der Gruppe und fuhr mit seinem Roller etwa 5 m auf dem linken Bürgersteig in einem Abstand von 1 — l ' / z m vom Fahrbahnrand in der Fahrtrichtung des Angeklagten auf den Lkw zu. Dann überquerte er zwischen den beiden sich nähernden Fahrzeugen die Fahrbahn und wurde dabei vom Fahrzeug des Angeklagten angefahren und tödlich verletzt. Mit Recht hat der B G H dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht, daß er die Kindergruppe nicht im Blick behalten und deshalb nicht sogleich wahrgenommen hat, daß sich ein Kind von der Gruppe losreißt. In diesem 51
°) Saarbrücken 5. 9. 63, VRS 26, 449. ) BGH 22. 6. 62, VRS 23, 267 = VerkMitt. 63, 1; Oldenburg 22. 12. 60, NdsRpfl. 62, 214; vgl. aber Fußn. 524. 51!! ) Hamm 13. 10. 67, VRS 34, 114; vgl. aber Köln 30. S. 69, VRS 38, 283 = MDR 69, 949. 511
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) Düsseldorf 22. 7. 65, NJW 65, 2401; vgl. aber Fußn. 520. «") BGH 28. 9. 62, VRS 24, 47. 515 ) BGH 9. 11. 62, VRS 24, 200 = DRspr. II (291) 103 c-d; vgl. auch BayObLG 11. 6. 69 bei Rüth DAR 70, 254 u. Koblenz 4. 9. 69, VRS 39, 194.
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Schulkinder außerhalb der F a h r b a h n
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Augenblick bereits hätte der Angeklagte mit weiterem unbesonnenem Verhalten des Kindes rechnen müssen. Auch gegenüber vier sechs- bis siebenjährigen Kindern, die, nachdem sie die Fahrbahn überquerten, im Gänsemarsch am linken Fahrbahnrand entlangmarschieren, ist besondere V o r s i d i t geboten 5 1 9 ). Befindet sidi eine größere Kinderschar teils zu R a d , teils zu F u ß auf dem H e i m w e g von der Schule, so muß mindestens bei Kindern des ersten Schuljahres mit Unbesonnenheiten geredinet werden 5 1 7 ). Sieht der K r a f t f a h r e r auf dem Gehweg neben der Fahrbahn eine G r u p p e von sechs- bis achtjährigen Kindern, dann muß er Fahrweise und Reaktionsbereitschaft auf die Möglichkeit einrichten, daß eines der Kinder unbesonnen in die Fahrbahn läuft 5 1 8 ). In der N ä h e von Schulen und Spielplätzen muß der K r a f t f a h r e r immer die Umgebung der Fahrbahn besonders vorsichtig beobachten und reaktionsbereit sein, wenn sich dort K i n der in größerer A n z a h l aufhalten. Denn erfahrungsgemäß sind die K i n d e r gerade dann unaufmerksam und neigen zu Ausgelassenheit, wenn sie in größerer Anzahl beisammen sind. Wird auf eine Schule durch ein Hinweisschild aufmerksam gemacht, dann verpflichtet dies zwar n u r z u erhöhter A u f m e r k s a m k e i t u n d Bremsbereitsdiaft 5 1 9 ). R e i einer G r u p p e v o n Schulkindern, die nadi Schulschluß vor dem Schulgebäude auf dem Gehweg beisammenstehen, muß der K r a f t f a h r e r aber damit rechnen, daß sidi ein K i n d plötzlich aus der G r u p p e löst und sorglos über die Fahrbahn läuft 5 2 0 ). Spielen 12—15jährige Jungen auf einem an die Fahrbahn angrenzenden P l a t z Fußball, dann muß der K r a f t f a h r e r immer in Betradit ziehen, daß ein Ball in die Fahrbahn l ä u f t und daß ihm ein Spieler nachfolgt, ohne auf den Straßenverkehr zu achten 5 2 1 ). D a m i t , daß im Straßenbereich Kinder spielen, braucht z w a r in der Regel nicht ohne weiteres gerechnet zu werden, falls die Kinder nicht zu sehen sind. In einem verkehrsarmen Siedlungsbereich muß aber in verstärktem Maße mit spielenden K i n dern gerechnet werden 5 2 2 ). Besonders naheliegend ist ein unbesonnenes Verhalten einzelner K i n d e r auch dann, wenn sidi beiderseits der Fahrbahn unbeaufsichtigte K i n d e r aufhalten 5 2 3 ) oder wenn sich in der N ä h e ein Fußgängerüberweg befindet 5 2 4 ). Begegnen einem K r a f t f a h r e r beiderseits der Fahrbahn Scharen von Schulkindern aller Altersklassen, so muß er mit Unbesonnenheiten kleinerer Kinder redinen, die ihm durch größere verdeckt werden. E r muß deshalb seine Geschwindigkeit wesentlich herabsetzen und mit großem Abstand an den Kindern vorbeifahren 5 2 4 ). Befinden sidi auf dem Seitenstreifen zahlreiche große Pfützen, dann muß damit geredinet werden, daß ein siebenjähriges K i n d , um einer P f ü t z e auszuweichen, ohne genügende Beachtung des Verkehrs die Fahrbahn betritt 5 2 5 ). Auch für größere Kinder gilt, was bei den Kleinkindern festgestellt wurde (oben R N r . 131): Mit unbesonnenem Verhalten ist immer dann zu rechnen, wenn die K i n d e r durch besondere Vorgänge in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt wurden 5 2 7 ). A u d i darauf muß der K r a f t f a h r e r besonders achten, ob Kinder a m Straßenrand nidit aus einem erkennbaren G r u n d die Fahrbahn überqueren wollen. Wartet z. B . am jenseitigen Straßenrand sichtlich ein Erwachsener auf die Kinder, dann muß damit gerechnet werden, daß sie die Straße unachtsam überqueren 5 2 8 ). Bemerkt ein K r a f t f a h r e r bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand ein siebenjähriges K i n d , das ersichtlich die Fahrbahn überqueren will und nicht zu ihm hinsieht, so muß er damit rechnen, daß das K i n d unachtsam die rechte Fahrbahnhälfte überquert, um durch eine Lücke in der entgegenkommenden Autokolonne den ) ) ) 518) 5 2 °)
BGH 6. 3. 64, VRS 26, 348. Oldenburg 2. 3. 66, VerkMitt. 68, 39. BGH 10. 4. 68, VRS 35, 175. BGH 18. 10. 63, VRS 26, 32. Düsseldorf 29. 4. 65, VerkMitt. 65, 70; vgl. aber Fußn. 513); ähnlich BGH(Z) 11. 7. 61, VersR 61, 908 (Straßenbahnführer). 5 2 1 ) BayObLG 12. 9. 67, 2 b St 97/1967. 5 2 2 ) BGH(Z) 19. 5. 70, VersR 70, 820. 5 2 S ) (BGH(Z) 16. 6. 61, VRS 21, 248 = VersR 519 517 518
61, 837, ähnlich BGH(Z) 30. 10. 62, VersR 63, 89; 26. 9. 67, VersR 67, 1157. ) Köln 30. 5. 69, VerkMitt. 70, 8 = VRS 38, 283 = MDR 69, 949; vgl. aber Hamburg 27. 5. 70, VerkMitt. 70, 78. 5 2 5 ) Düsseldorf 27. 6. 68, VerkMitt. 68, 79. 5 2 6 ) BGH 16. 10. 68, VRS 36, 36. 5 2 7 ) Stuttgart 20. 12. 63, VRS 27, 125; s. auch Fußn. 504. 5 2 8 ) BayObLG 8. 12. 65, 1 a St 311/1965.
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jenseitigen Straßenrand zu erreichen 529 ). N ä h e r t sich ein K r a f t f a h r e r einem Fußgängerüberweg an dem eine Gruppe von Kindern wartet, dann m u ß er sich darauf einstellen, daß die Kinder den Uberweg betreten, es sei denn sie lassen eindeutig erkennen, daß sie das K r a f t fahrzeug durchfahren lassen wollen 524 ). Aber auch wenn solche Vorgänge nicht ersichtlich sind und das Verhalten der Kinder unauffällig ist, kann sich aus der besonderen Verkehrslage ein triftiger Grund f ü r die Annahme ergeben, daß mit Unbesonnenheiten zu rechnen ist: Wie bereits oben R N r . 129 dargelegt, sollte der K r a f t f a h r e r gegenüber Kindern im Bereich der Fahrbahn von Hupzeichen reichlicher Gebrauch machen als gegenüber Erwachsenen. Daß sich der K r a f t f a h r e r durch ein Warnzeichen nicht von seiner sonstigen Sorgfaltspflicht befreien kann, ist selbstverständlich. Fraglich ist aber, ob gegenüber Kindern, die auf ein Warnzeichen nicht reagieren, nicht eine erhöhte Sorgfalt geboten ist, weil aus der Tatsache, daß ein Kind nicht reagiert, geschlossen werden kann, daß es dem Verkehr keine Aufmerksamkeit widmet. Es t r i f f t zwar zu, daß erwachsene Fußgänger das Hören eines Signals nicht zu bestätigen pflegen, wenn sie auf dem Gehweg gehen und der K r a f t f a h r e r sich ihnen von hinten nähert. Gehen aber zwei achtjährige Kinder nebeneinander auf dem Grünstreifen, neben einer nur 3,80 m breiten Fahrbahn und muß der K r a f t f a h r e r damit rechnen, daß er durch Gegenverkehr gezwungen sein könnte, hart am Fahrbahnrand entlangzufahren, dann darf er nicht mit einer Geschwindigkeit von 50—60 km/h weiterfahren, wenn die Kinder auf sein Hupzeidien hin nicht reagieren, so daß er nicht sicher sein kann, ob sie es gehört haben 530 ). Auch der Umstand, daß ein Kind, das die Grenze des Kleinkindesalters erst vor kurzem überschritten hat, am Fahrbahnrand mit dem Rücken zur Fahrbahn steht, muß Anlaß geben, sich auf unberechenbares Verhalten des Kindes einzurichten 531 ). Bei einem elfjährigen Kind dagegen wird die Tatsache allein, daß es der Fahrbahn den Rücken zuwendet, noch nicht die Befürchtung begründen, es könne unversehens auf die Fahrbahn laufen 532 ). Kinder in Obhut
Erwachsener
Befinden sich Kinder in der Obhut Erwachsener, dann ist das Risiko, sie könnten aus Unachtsamkeit in die Fahrbahn geraten, geringer. Ist erkennbar, daß Kinder einem Erwachsenen folgen, in dessen Obhut sie sich befinden, dann gilt den Kindern gegenüber der Vertrauensgrundsatz in gleichem U m f a n g wie gegenüber dem Erwachsenen. Der K r a f t f a h r e r braucht insbesondere nicht damit zu rechnen, daß der Erwachsene selbst durch unvernünftiges Verhalten dazu beiträgt, daß das Kind in die Fahrbahn läuft 5 3 3 ). Ist das in Obhut eines Erwachsenen befindliche Kind offensichtlich ungehorsam, läuft es dem Erwachsenen davon, dann m u ß sich der K r a f t f a h r e r dagegen auf verkehrswidriges Verhalten des Kindes einstellen 534 ). Auch dann, wenn sich ein Kleinkind in Obhut eines größeren Kindes befindet, ist besondere Vorsicht geboten. Von einem vierjährigen Kind, daß sich in Begleitung eines 11jährigen Mädchens auf dem Fußgängerweg einer dem Durchgangsverkehr dienenden Dorfstraße unmittelbar neben der Fahrbahn bewegt, kann kein völlig verkehrssicheres Verhalten erwartet werden 535 ). Z w a r setzt Obhut keine unmittelbare körperliche Einwirkung voraus. Notwendig aber ist, daß der Erwachsene, in dessen Obhut sich ein Kind befindet, gerade bei der Annäherung des Kraftfahrzeugs auf das Kind achtet und achten kann. Diese Voraussetzung ist z. B. nicht gegeben, wenn sich von mehreren Kleinkindern, die sich in Begleitung eines Erwachsenen befinden, der einen Kinderwagen schiebt, ein Teil hinter dem Erwachsenen aufhält 5 3 6 ). Auch hier kann häufig ein Warnzeichen am Platze sein, um den Erwachsenen auf seine Aufsichtspflicht noch besonders hinzuweisen. Überraschendes Auftauchen von Kindern Der K r a f t f a h r e r braucht grundsätzlich nicht in Rechnung zu stellen, daß Kinder, die er nicht sehen kann, weil sie sich in verdeckten Räumen aufhalten, in einem Zeitpunkt vor sei52
») BayObLG 4. 8. 69, 1 a St 152/1969. «») A. M. Oldenburg 10. 7. 62, DAR 63, 194. 531 ) Köln 4. 8. 67, VRS 34, 113; vgl. auch BGH(Z) 2. 2. 68, VersR 68, 475 = FamRZ 68, 191; a. M. Celle 24. 3. 66, MDR 66, 1001 (8jähriges Kind) = VRS 38, 283. 110
532) Hamm 9. 7. 68, VRS 36, 358. Köln 13. 11. 64, VRS 28, 266. BGH(Z) 17. 2. 61, VRS 20, 333. ) BGH(Z) 21. 4. 61, VRS 21, 4 = VersR 61, 614. 536 ) BayObLG 1. 6. 60, 1 St 34/1960.
533 ) 534 ) 535
Kinder in O b h u t Erwachsener; überraschendes Auftauchen
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nem Fahrzeug auftaudien, in dem er einen Unfall nicht mehr vermeiden kann. Audi die gegenüber Kleinkindern gebotene erhöhte Sorgfalt nötigt den Kraftfahrer in der Regel erst dann sidi auf sofortiges Anhalten einzurichten, wenn er das Kleinkind sehen kann. Nur wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte gegeben sind, welche das plötzliche Auftauchen von Kindern besorgen lassen, muß der Kraftfahrer sein Fahrverhalten von vornherein auf diese Möglichkeit einrichten537). Dieser Grundsatz gilt auch für ländliche Gegenden 538 ). Er ist aus dem Vertrauensgrundsatz entwickelt worden. Der Kraftfahrer darf solange auf verkehrsgerechtes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen, als er keinen triftigen Grund hat anzunehmen, daß sie sich falsch verhalten werden. Das gilt gegenüber sichtbaren wie nicht sichtbaren Verkehrsteilnehmern. Zwar lehrt die Erfahrung, daß es immer wieder vorkommt, daß ein Kind aus einem verdeckten Raum auf die Fahrbahn läuft ohne auf den Verkehr zu achten. Diese allgemeine Erfahrung reicht aber nicht aus, den Vertrauensgrundsatz gegenüber zunächst nicht sichtbaren Kindern auszuschließen. Die Schwierigkeit liegt darin klarzustellen, unter welchen Umständen sich die Besorgnis soweit verdichtet, daß sie das Vertrauen des Kraftfahrers auf verkehrsgerechtes Verhalten von Kindern ausschließt, die er noch nicht sehen kann. Die deutsche Rechtsprechung hat bei der gewiß schwierigen Abwägung der Interessen des Verkehrs und des Kinderschutzes bisher eine dem Verkehr günstige Tendenz erkennen lassen und den Vertrauensschutz des Kraftfahrers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eingeschränkt. Es fragt sich, ob nicht gewichtige Gründe dafür sprechen, doch dem Schutzgedanken mehr Gewicht zu verschaffen. Nach h. M. genügt es nicht, wenn auf die Möglichkeit des Auftauchens von Kindern durch Gefahrenzeichen (etwa Zeichen 101 mit dem Zusatz: „Schule" oder „Kinderspielplatz" oder Zeichen 136: „Kinder") ausdrücklich hingewiesen wird, um den Kraftfahrer zu besonderen Sicherheitsmaßregeln zu verpflichten. Verlangt wird zwar erhöhte Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft, nicht aber die Herabsetzung der Geschwindigkeit unter das an der betreffenden Stelle ohnehin vorgeschriebene Maß 539 ). Das gleiche gilt für einen Kraftfahrer, der an einem Gebäude vorbeifährt, von dem er weiß, daß es eine Schule ist (ohne daß darauf durch ein Gefahrenzeichen hingewiesen wurde). Bei Beginn und Ende der Schulzeit wird allerdings eine Herabsetzung der Geschwindigkeit mindestens dann geboten sein, wenn die Kinder vor der Schule in Gruppen beisammenstehen oder sich fortbewegen. Immer dann, wenn sich auf beiden Seiten der Straße Gruppen von Kindern aufhalten, muß damit gerechnet werden, daß kleine Kinder, die von den übrigen verdeckt waren, plötzlich über die Straße laufen 540 ). Das gilt natürlich besonders vor Schulhäusern bei Schulende. Dagegen soll die Tatsache allein, daß sich eine Straßenkreuzung in der Nähe einer Schule befindet, dann, wenn keine größeren Gruppen von Kindern zu sehen sind, für den Vorfahrtsberechtigten kein ausreichender Grund sein, mit dem verkehrswidrigen Verhalten eines zunächst verdeckten wartepflichtigen Schulkindes (auf einem Fahrrad) zu rechnen541). Auch die Tatsache, daß sich in der Nähe einer Omnibushaltestelle ein Kinderspielplatz befindet, soll den Kraftfahrer nicht dazu verpflichten, über die bei der Vorbeifahrt an einer Omnibushaltestelle normalerweise zu beachtenden Vorsichtsmaßregeln hinaus seine Geschwindigkeit herabzusetzen 542 ). Anhaltspunkte für ein verkehrswidriges Verhalten nicht sichtbarer Kinder werden aber in folgenden Fällen bejaht: Auf der Fahrbahn liegt ein Ball. Der Kraftfahrer kann den benachbarten Gehweg nicht einsehen. Er muß damit rechnen, daß ein Kind unachtsam die Fahrbahn betritt, um den Ball zu holen 543 ). — Der Kraftfahrer sieht im Bereich der Fahrbahn Kinder spielen. Nach den Umständen kann angenommen werden, daß sich noch andere, seiner Sicht zunächst entzogene Kinder an dem Spiel beteiligen. Der Kraftfahrer muß mit dem 537
) BGH 27. 7. 62, VRS 23, 371 = VerkMitt. 63, 3; Düsseldorf 11. 6. 58, VerkMitt. 59, 10; Karlsruhe 10. 11. 66, VersR 67, 195 mit zustimmender Anm. von Kühn; Celle 27. 1. 66, VRS 31, 34 = VerkMitt. 67, 22. 5S8) BGH 25. 11. 60, VRS 20, 132 = VerkMitt. 61, 49; vgl. dazu Martin in DAR 63, 117.
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) BGH 18. 10. 63, VRS 26, 32; 21. 7. 67, VRS 33, 350; Köln 11. 6. 68, NJW 68, 2155 = VRS 36, 194. 54 °) Schleswig 25. 6. 58, SdilHA 59, 55. 541 ) Hamm 8. 2. 68, VRS 35, 271. 542 ) BGH(Z) 21. 2. 67, VersR 67, 582 entgegen KG 3. 6. 65, VerkMitt. 65, 70. 543 ) Hamburg 20. 7. 66, VRS 31, 358.
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plötzlichen Auftaudien solcher Kinder rechnen 544 ). — J a selbst dann, wenn der K r a f t f a h r e r auf dem Gehweg nur ein Kleinkind bemerkt, mit dessen unvernünftigem Verhalten er nach Sachlage rechnen muß, muß er auch damit rechnen, daß es an dieser Stelle noch ein weiteres von ihm nicht bemerktes Kleinkind gibt, das sich unvernünftig verhält 5 4 5 ). Dagegen wird die Ansicht vertreten, ein K r a f t f a h r e r brauche auf einer innerstädtischen Wohn- und Durchgangsstraße damit, daß hinter einem langen, sieht verdeckenden Möbelwagen hervor ein Kleinkind in die Fahrbahn springt, nicht schon deshalb zu rechnen, weil vor dem Möbelwagen eine Kindergruppe über die Straße lief 5 4 8 ). Ist dem K r a f t f a h r e r bekannt, daß auf einem unmittelbar an die Straße anschließenden von der Fahrbahn aus erst spät einsehbaren P l a t z öfter Kinder spielen, dann muß er sich auf die Möglichkeit einstellen, daß von dorther plötzlich ein K i n d unachtsam in die Fahrbahn laufen könne 5 4 7 ). In einem verkehrsarmen Siedlungsgebiet ist in verstärktem Maße mit spielenden Kindern zu rechnen. D i e dem K r a f t f a h r e r obliegende A u f merksamkeitspflicht beschränkt sich in diesem Falle nicht auf den anliegenden Gehweg, sondern kann sich auf weiter zurückliegende, ohne weiteres einsehbare Flächen erstrecken 5 4 7 *). § 43 S . 2 S t V O 1937 sah sog. „Spielstraßen" vor, auf denen Kinderspiele ausdrücklich zugelassen waren. Spielstraßen mußten zwar f ü r den Durchgangsverkehr gesperrt sein, doch durften sie im übrigen mit K r a f t f a h r z e u g e n befahren werden. D i e Fahrzeugführer mußten aber ihre Fahrweise darauf einrichten, daß K i n d e r aus verdeckten Räumen plötzlich vor ihnen auf der F a h r b a h n auftauchen könnten 5 4 8 ). N a c h § 41 Abs. 2 N r . 6, Z. 250 der geltenden S t V O dürfen Straßen nur dann als „Spielstraßen" zugelassen werden, wenn auf ihnen der V e r k e h r f ü r Fahrzeuge aller A r t v e r b o t e n ist, nach § 42 Abs. 7, Z. 357 allgemein Sackgassen. Ist auch der K r a f t f a h r e r in der Regel nicht verpflichtet, seine Geschwindigkeit auf die Möglichkeit des Auftauchens zunächst nicht sichtbarer Kinder einzurichten und entsprechend seine Geschwindigkeit herabzusetzen, so wird er doch zur Verantwortung gezogen, wenn er die jeweils zulässige Geschwindigkeit überschreitet und die Geschwindigkeitsüberschreitung für einen Kinderunfall ursächlich ist. Denn zu den Gefahrenquellen, die durch die Vorschriften über die Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb geschlossener Ortschaften ausgeschaltet oder vermindert werden sollen, gehört auch das plötzliche Auftauchen von Kindern und deren verkehrswidriges Verhalten 5 4 9 ).
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Kolonnenverkehr Fahren in Verbänden s. § 27; Sonderrechte s. § 35. D a s Fahren in Kolonnen wird bei zunehmender Verkehrsdichte zur Regel. Es stellt an Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit des K r a f t f a h r e r s hohe Anforderungen. Die Grundsätze für das Fahren in Kolonnen lassen sich z w a r weitgehend aus Grundsätzen über Abstand ( R N r . 58), Änderung der Fahrtrichtung innerhalb der F a h r b a h n ( R N r . 70—72), mehrspurigen Verkehr § 7, Ü b e r h o l u n g (§ 5 R N r . 24) herleiten. E s erschien aber doch zweckmäßig, einige wichtige G r u n d s ä t z e hier zusammenzustellen, weil das Fahren in Kolonnen dem Straßenverkehr in zunehmendem Maße sein Gepräge gibt. Fahren K r a f t f a h r z e u g e , für die eine besondere Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, sowie Züge, die länger als 7 m sind, in einer Kolonne, so müssen sie auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr außerhalb geschlossener Ortschaften ständig einen Abstand einhalten, der das Einscheren überholender Fahrzeuge ermöglicht; § 4 Abs. 2. Für den Abstand innerhalb der Kolonne gelten im übrigen die allgemeinen Regeln. N o r malerweise braucht beim Kolonnenfahren kein größerer und darf kein kleinerer Abstand eingehalten werden wie wenn sonst zwei Fahrzeuge hintereinander herfahren. D e r in der K o lonne Fahrende ist f ü r den genügenden Sicherheitsabstand z u m V o r a u s f a h r e n d e n verant) Düsseldorf 16. 11. 59, VerkMitt. 60, 18. « ) Düsseldorf 15. 9. 66, VerkMitt. 66, 87. 5 4 °) Köln 13. 10. 61, VRS 22, 284; ähnlich Karlsruhe 12. 9. 68, VRS 38, 187. 5 4 7 ) BayObLG 13. 9. 67, 1 a St 238/1967. " ' * ) BGH(Z) 19. 5. 70, VerkMitt. 70, 74. 544 5
112
) Braunschweig 1. 7. 63, DAR 63, 353 = N J W 63, 2038 = NdsRpfl. 63, 210 = DRspr. II (291) 110 c; BGH(Z) 21. 3. 67, VerkMitt. 67, 57 = VersR 67, 607 = DRspr. II (291) 155 e. 54 ») Saarbrücken 17. 2. 66, VRS 31, 232. 548
Kolonnenverkehr
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wörtlich 5 5 0 ). E r m u ß i m m e r damit rechnen, daß der V o r d e r m a n n plötzlich bremst, k a n n sich also nicht darauf hinausreden, nach Sachlage sei f ü r ihn nicht voraussehbar gewesen, daß der V o r d e r m a n n bremsen würde 5 5 1 ). Allerdings erschöpfen sich die Pflichten des K o lonnenfahrens nicht in der E i n h a l t u n g eines ausreichenden Abstandes. D e r in einer dicht aufgeschlossenen „Fahrzeugschlange" befindliche K r a f t f a h r e r m u ß m i t gesteigerter A u f m e r k s a m k e i t und erhöhter Bremsbereitschaft fahren sowie ständig b e m ü h t sein, möglichst weit nach v o r n e die Fahrweise der anderen K o l o n n e n f a h r z e u g e z u beobachten 5 5 2 ). Ist f ü r den K r a f t f a h r e r erkennbar, daß die v o r i h m befindlichen Fahrzeuge der K o l o n n e m i t zu k n a p p e n A b s t ä n d e n hintereinander herfahren, dann m u ß er seinen eigenen A b s t a n d z u m v o r a u s f a h r e n d e n F a h r z e u g entsprechend ausdehnen 5 5 3 ). Z w a r t r i f f t den in der R e g e l kein Schuldvorwurf, der auf das v o r ihm fahrende Fahrzeug nur deshalb a u f f ä h r t , weil dieses Fahrzeug nicht durch normales Bremsen, sondern seinerseits durch den A u f p r a l l auf ein Hindernis plötzlich z u m Stillstand k a m . D a s gilt auch auf der A u t o b a h n 5 5 4 ) . H a t der K r a f t f a h r e r aber triftige G r ü n d e , m i t einem solchen V o r f a l l zu rechnen, dann m u ß er d e m bei Bemessung seines Sicherheitsabstandes Rechnung tragen. D a g e g e n braucht er i m allgemeinen nicht darauf zu achten, ob die ihm nachfolgenden Fahrzeuge jeweils ausreichende Sicherheitsabstände einhalten 5 5 5 ). N u r wenn er ohne N o t scharf abbremst, k a n n ihn ein Mitverschulden treffen, wenn ein nachfolgendes Fahrzeug infolge unzureichenden Abstandes a u f f ä h r t ; § 4 Abs. 1. Leuchten an dem vorausfahrenden Fahrzeug die Bremslichter nicht auf, obwohl es scharf abgebremst wird, so kann der mit gerade noch ausreichendem Sicherheitsabstand Nachfolgende entschuldigt sein, wenn er das im übrigen unvorhersehbare plötzliche Anhalten des Vorausfahrenden zu spät wahrnimmt, um noch rechtzeitig anhalten zu können 5 5 6 ). Leuchten aber die Bremslichter auch nur k u r z auf, so ist der Nachfolgende gewarnt. Fährt er trotz ausreichenden Sicherheitsabstandes a u f , so t r i f f t ihn der Vorwurf mangelnder Aufmerksamkeit 5 5 7 ). Gegenüber Kolonnenverkehr auf der bevorrechtigten Straße ist wartepflichtiger Q u e r v e r kehr in ungünstiger Lage. Er muß die Kolonne vorbeifahren lassen, wenn ihm nicht freiwillig ein Vorfahrtberechtigter das Einbiegen gestattet. D a n n aber entsteht bei mehrspurigem Verkehr die G e f a h r , daß der Einfahrende mit den Fahrzeugen der benachbarten Reihe oder mit einzelnen Fahrzeugen, welche die Kolonne überholen, zusammenstößt. Diese G e f a h r läßt sich nur durch gegenseitige Rücksichtnahme einschränken. Wer in dichtem Verkehr an einer aus mehreren Fahrzeugreihen bestehenden längeren Kolonne, die — sei es auch nur vorübergehend — zum Stehen kommt, links vorbeifährt, muß es deshalb Verkehrsteilnehmern, die aus freigehaltenen Lücken heraus von der Seite aus in seine Fahrbahn geraten, ermöglichen, bis zur Erlangung freier Sicht auf den nicht von der Kolonne besetzten Straßenraum herauszufahren. Dies kann in der Weise geschehen, daß er an der Kolonne mit ausreichendem Abstand oder mit so geringer Geschwindigkeit entlangfährt, daß er vor einem aus der Reihe herauskommenden Verkehrsteilnehmer anhalten kann 5 5 8 ). Wer in einer mehrreihigen dicht aufgeschlossenen Kolonne den rechten Fahrzeugstreifen benutzt, braucht dagegen nicht damit zu rechnen, daß ein Fahrzeug von links durch eine Lücke der Kolonne die Fahrbahn vor ihm überqueren werde, solange die Kolonne im ganzen in Bewegung ist 5 5 9 ). Fährt eine Kolonne beim Aufleuchten von Grünlicht an einer Ampel an, so brauchen im Hinblick auf die M ö g lichkeit verkehrswidrigen Verhaltens von Wartepflichtigen keine größeren Sicherheitsabstände eingehalten werden als die normalen 5 6 0 ). Dagegen muß ein K r a f t f a h r e r , der im mehrreihigen °) K G 6. 12. 62, VRS 24, 138. ) Schleswig 26. 9. 63, VerkMitt. 64, 37. 5 5 2 ) Köln 2. 6. 64, VRS 28, 42 = VerkMitt. 64, 72 = JMB1. NRW 64, 245 = DRspr. II (291) 127 c. 5 5 3 ) Hamm 23. 1. 59, VRS 17, 458. 5 5 4 ) Hamm 30. 11. 62, VRS 25, 213. 5 5 5 ) LG Bonn 24. 2. 65, VersR 65, 1186. 556) Hamm 14. 7. 67, N J W 67, 2324. 55
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"•') A. M. Celle 24. 10. 68, VRS 36, 443 = DRspr. II (291) 174 d. 558) BayObLGSt. 65, 28 (3. 3. 65) = VRS 29, 384 = GoltdArch. 65, 312 = VerkMitt. 65, 51 = VkBl. 65, 535 = N J W 65, 1341; ähnlich Köln 19. 1. 65, VerkMitt. 66, 14. 55») BayObLGSt. 67, 116 (12. 7. 67) = DAR 67, 309 = VRS 34, 72 = VerkMitt. 67, 92 = DRspr. II (291) 162 d. 56») Stuttgart 2. 3. 62, MDR 63, 240. 113
8 StVO + S t G B
§ 1 stvo
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Großstadtverkehr in der linken Reihe nahe der Straßenmitte fährt und die Fahrbahn vor den vorausfahrenden Fahrzeugen nicht übersehen kann, vor Straßenkreuzungen oder -einmündungen von links die Möglichkeit berücksichtigen, daß voraus ein Verkehrsteilnehmer links eingeordnet anhält, der seine Absicht, nach links abzubiegen, wegen Gegenverkehrs nicht sogleich ausführen kann 581 ). Der in einem mehrspurigen Verkehrsstrom in der Kolonne Fahrende muß zwar die vor ihm Fahrenden und die Fahrzeuge der Nachbarreihen im Auge behalten. Dagegen kann von dem Benutzer der äußersten linken von vier Fahrspuren nicht verlangt werden, daß er auch noch auf die Fahrzeuge der äußersten rediten und der zweiten Fahrspur von rechts achtet562). Während Kolonnen von Bundeswehrfahrzeugen und Fahrzeugen ähnlicher Verbände nach § 27 gewisse Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen, haben Kolonnen von Privatfahrzeugen gegenüber einzelnen Privatfahrzeugen kein Vorrecht 563 ). Fahren zwei Kolonnen nebeneinander, dann müssen die Fahrer der einen Kolonne jeweils auf die andere Rücksicht nehmen. Vor allem beim Befahren enger Kurven müssen die in der Bewegung freieren Außenfahrenden auf die Innenfahrenden Rücksicht nehmen. Andernteils müssen sich die Fahrer in der äußeren Kolonne darauf verlassen dürfen, daß die Fahrzeuge der inneren Kolonne einen scharfen Bogen an der Innenseite durchfahren und nicht in den Bereich der äußeren Fahrspur geraten. Wer in einer Linkskurve aus der linken Spur heraus nach rechts abbiegen will, muß deshalb den Benutzern der rechten Fahrspur den Vortritt lassen564). Wer aus einer Kolonne zum Überholen nach links ausscheren will, muß vorher zurückschauen und Fahrzeuge, die im Überholen begriffen sind, durchfahren lassen565). Wer in eine dicht aufgeschlossene Kolonne von schweren Militärfahrzeugen eingeklemmt ist, muß, bevor er aus ihr ausschert, zunächst soweit nach links fahren, daß Nachfolgende sein linkes Richtungszeichen sehen können 566 ). Überholen darf nur, wer sicher sein kann, weiter vorne eine ausreichende Lücke zum Wiedereingliedern zu finden567). Die Erwartung, daß ihm notfalls schon irgendein anderer Fahrer das Einordnen in die Kolonne ermöglichen werde, rechtfertigt das „Kolonnenspringen" nicht. Ordnet sich der Oberholer in einem solchen Fall in die erwartungsgemäß freigemachte Lücke ein, so trifft ihn der Vorwurf vermeidbarer Behinderung 568 ). •j 3 8
Motorräder Motorräder sind Kraftfahrzeuge. Für das Fahren mit Motorrädern gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für das Fahren mit vierrädrigen Kraftfahrzeugen. Die besonderen Eigenschaften der Zweiradfahrzeuge im Vergleich zu den Vierradfahrzeugen müssen aber vom Kraftradfahrer berücksichtigt werden. Er muß Hindernisse in Gestalt von Steinen, Zweigen, Schlaglöchern usw. in stärkerem Maße Beachtung schenken wie der Führer eines Vierradkraftfahrzeugs, weil sie ihm gefährlicher werden können als jenem 569 ). Ist für einen Kraftradfahrer erkennbar, daß sich neben einem Straßenbahngleis eine Rille befindet, dann darf er diese nicht mit zügiger Geschwindigkeit in spitzem Winkel überfahren 570 ). Kennt freilich ein Kraftradfahrer die Fahrstrecke nicht und gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich in seiner Fahrbahn gefährliche Hindernisse wie Steinbrocken oder Schlaglöcher befinden, dann trifft ihn u. U. kein Schuldvorwurf, wenn er sie zu spät wahrnimmt. Ob mit Hindernissen im Einzelfall zu rechnen war, muß deshalb festgestellt werden 571 ). Für den Kraftradfahrer, der mit einem Beifahrer auf dem Soziussattel fährt, kann dessen Verhalten von Bedeutung sein. Dies muß er beim Fahren im Rahmen des Möglichen berücksichtigen. Dabei kann es auf Körpergewicht und körperliche Gewandtheit des Beifahrers, aber =«) BayObLGSt. 60, 316 (21. 12. 60). 562 ) BayObLG 10. 5. 61, DAR 61, 285 = VkBl. 61, 697. 563 ) LG Hannover 6. 6. 63, VersR 64, 250. 564 ) Oldenburg 9. 5. 62, DAR 62, 338. 565 ) Schleswig 23. 3. 66, SchlHA 66, 188. 5 ««) BGH(Z) 23. 5. 67, VerkMitt. 67, 67.
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) Düsseldorf 15. 6. 65, VerkMitt. 65, 90. ) Celle 3. 6. 65, NJW 65, 1726 = VRS 29, 210 = MDR 65, 847. 56 ») Hamm 26. 5. 52, VRS 4, 606. "«) BGH(Z) 21. 6. 51, VRS 4, 7. 571 ) BGH 30. 4. 53, VRS 5, 386.
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Motorräder; Omnibusse
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§ 1
auch auf die jeweilige Verkehrslage ankommen572). Weiß der Kraftradfahrer von früher her, daß der Beifahrer in Kurven sein Gewicht verkehrterweise nach außen zu verlagern pflegt, dann muß er dem durch besonders langsames Fahren Rechnung tragen 573 ). Omnibusse In diesem Abschnitt wird zweierlei behandelt: Die Pflichten der Omnibusfahrer gegenüber Fahrgästen und anderen Verkehrsteilnehmern und die Pflichten der übrigen Verkehrsteilnehmer gegenüber Omnibussen. Dabei wird die spezielle Frage ausgeklammert, mit welcher Geschwindigkeit und mit welchem Abstand der fließende Verkehr an Linienomnibussen vorbeifahren soll, die an einer Haltestelle stehen. Diese Frage wird bei § 3 RNr. 74, 75 erschöpfend behandelt. Warnblinklicht bei Schulbussen: § 16 Abs. 2 Nr. 2. Pflichten der Omnibttsfahrer Für das Führen von Omnibussen gelten zwar die allgemeinen Grundsätze für das Führen von Kraftfahrzeugen. Aus der besonderen Eigenart der dem Fahrgastverkehr dienenden Omnibusse ergeben sich aber für die Omnibusfahrer einige zusätzliche Pflichten: Sie müssen nach Möglichkeit scharfes Bremsen vermeiden, damit nicht Fahrgäste, besonders solche die stehen, in Gefahr gebracht werden 574 ). Diese Verpflichtung ergibt sich schon aus § 1, wird aber in § 8 Abs. 1 BOKraft ausdrücklich wiederholt. Für den aus einer Parkbucht oder vom Straßenrand anfahrenden Omnibusfahrer gelten nunmehr die Pflichten aus § 10 zwar nicht uneingeschränkt (s. § 20 Abs. 2 R N r . 5). Er muß aber rechtzeitig sein linkes Richtungszeichen betätigen und auf den nachfolgenden Verkehr achten575). Das gleiche gilt für den, der überholen will: § 5 Abs. 4. Auch nach dem früheren Recht wurde die Pflicht des Omnibusfahrers, vor dem Ausscheren auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, aus § 1 hergeleitet576). Dagegen braucht der Führer eines Omnibusses nicht damit zu rechnen, daß ihn auf schmaler Straße ein Pkw-Fahrer in einer stark gekrümmten Kurve überholen werde. Er ist deshalb nicht verpflichtet, den rückwärtigen Verkehr beim Befahren der Kurve zu beachten577). Der Führer eines Busses, auch im sog. „Zweimannbetrieb", muß, wenn er aus verkehrstechnischen Gründen außerhalb einer Haltestelle anhält, beim Anfahren sich selbst davon überzeugen, daß alle Türen des Wagens geschlossen sind578). Besondere Sorgfalt hat der Führer eines Schulbusses aufzuwenden. Sind aus dem Schulbus gerade eine größere Zahl ca. neunjähriger Kinder ausgestiegen und kann er den Raum unmittelbar vor dem Omnibus vom Führerhaus aus wegen der Bauart des Fahrzeugs nicht einsehen, dann darf er nur dann anfahren, wenn er sich in geeigneter Weise Gewißheit verschafft hat, daß sich unmittelbar vor dem Omnibus kein Kind mehr aufhält 579 ). Für die Annäherung an Fußgängerüberwege gelten die besonderen Vorschriften des § 26 für den Omnibusfahrer in gleicher Weise wie für die übrigen Kraftfahrer.
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Pflichten der übrigen Verkehrsteilnehmer gegenüber Omnibussen § 20 Abs. 2 ordnet an, daß Omnibussen an Haltestellen das Abfahren in angemessener Weise zu ermöglichen ist; erforderlichenfalls ist zu warten. Das im allgemeinen gegenüber dem Anfahrenden bestehende Vorrecht des fließenden Verkehrs (§ 10 RNr. 12) wird hierdurch eingeschränkt. Der Omnibusfahrer darf zwar darauf vertrauen, daß die übrigen Verkehrsteilnehmer dieser Verpflichtung nachkommen. Trotzdem wird er von den Pflichten aus § 10 nicht völlig befreit. Er muß vor dem Anfahren rechtzeitig das Richtungszeichen setzen und den nachfolgenden Verkehr beobachten. Sind nachfolgende Fahrzeuge bereits im Vorbeifahren begriffen, muß er das Einscheren in die Normalfahrbahn zurückstellen. Die Möglichkeit, durch das Anfahren andere Verkehrsteilnehmer zu behindern, wird den Führer eines
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) B G H 10. 5. 51, V R S 3, 252 = N J W 51, 673. 573 ) B G H ( Z ) 19. 2. 63, VerkMitt. 63, 43. 574 ) Saarbrücken 20. 5. 66, VerkMitt. 67, 6. 575 ) So schon für die frühere Rechtslage Saarbrücken 5. 7. 62, V R S 24, 457 = DRspr. II (291) 106 e.
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) ) ) 579 ) 577
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Düsseldorf 19. 7. 62, VerkMitt. 62, 89. BayObLG 29. 11. 61, 1 St 640/1961. Koblenz 26. 2. 70, VRS 39, 265. BayObLG 5. 3. 69, wie Fußnote 503.
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Linienomnibusses allerdings nicht verpflichten, das Anfahren zurückzustellen, Die anderen Verkehrsteilnehmer dürfen, solange sie ihrer Wartepflicht noch genügen können, nicht darauf vertrauen, daß sie der Omnibusfahrer durchfahren lassen werde. Schon nach der früheren Rechtslage wurde dem § 1 entnommen, daß der Vertrauensgrundsatz für den fließenden Verkehr nicht die Annahme rechtfertige, ein an einer Haltestelle haltender Linienomnibus werde ihn vor dem Anfahren vorbeifahren lassen. Dem lag die Erwägung zugrunde, es entspreche der Lebenserfahrung, daß ein der regelmäßigen Personenbeförderung dienender Autobus, der nur zum Ein- und Aussteigen von Fahrgästen an einer Haltestelle halte, alsbald weiterfahren und dabei wieder auf eine Entfernung vom rechten Fahrbahnrand einbiegen werde, die im Verkehr üblicherweise eingehalten werde 5 8 0 ). Diese Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes für den nachfolgenden Verkehr wurde auch für den entgegenkommenden Verkehr angenommen, der das Überholen an einer Stelle zurückstellen sollte, an der mit dem Anfahren eines entgegenkommenden Linienomnibusses zu rechnen war 5 8 1 ). Die gleichen Grundsätze sind nunmehr unmittelbar dem § 20 Abs. 2 zu entnehmen. Ist der Omnibusfahrer wegen eines am Fahrbahnrand befindlichen Hindernisses, z. B. wegen eines parkenden Fahrzeugs, gezwungen, unmittelbar nach dem Anfahren weiter nach links auszubiegen als normalerweise für die Wiedereingliederung in den fließenden Verkehr erforderlich ist, dann gelten allerdings die allgemeinen Grundsätze für das Vorbeifahren an Hindernissen (s. § 6 R N r . 5, 6). Die übrigen Verkehrsteilnehmer brauchen deshalb auf ein außergewöhnlich weites Ausbiegen des anfahrenden Omnibusses nach links nur dann Rücksicht zu nehmen, wenn für sie der Grund hierfür erkennbar ist und sie beim Anfahren des Omnibusses noch so weit entfernt sind, daß sie sich darauf einstellen können. Nähert sich ein Omnibus einer Haltestelle, dann braucht der fließende Verkehr nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß Fahrgäste ohne auf den Verkehr zu achten, über die Straße zur Omnibushaltestelle zueilen 582 ). Von den Vorschriften über das Anfahren von Linienomnibussen, von Haltestellen abgesehen, gibt es für Omnibusse im Straßenverkehr keine Sonderstellung. Lediglich nach § 1 kann, wie gegenüber allen schwer beweglichen Fahrzeugen, auch bei Omnibussen in besonderen Verkehrslagen eine Rücksichtsnahme geboten sein 583 ). Pannen Cueläe, DAR 51; 192. Verpflichtung, bei Pannen das Warnblinklicht einzuschalten und Warnzeichen aufzustellen s. § 15; Verpflichtung, ein verkehrsunsicher gewordenes Fahrzeug aus dem Verkehr zu ziehen s. § 23 Abs. 2 R N r . 15. Warneinrichtungen zur Sicherung haltender Fahrzeuge s. S t V Z O § 53 a. Diese Vorschriften werden durch Rechtsgrundsätze ergänzt, die dem § 1 entnommen werden. Die einschlägige Rechtsprechung zu § 1 S t V O 1937 ist zwar durch den Ausbau der Sicherheitsvorschriften teilweise überholt, doch kann sie bei sinngemäßer Anwendung auch heute noch von Nutzen sein. Der Kraftfahrzeugführer ist verpflichtet nach Möglichkeit Vorsorge zu treffen, daß es zu keinen Pannen kommt. Wer nachts die Autobahn benutzt, muß für ausreichenden Kraftstoff sorgen. Andernfalls muß er damit rechnen, daß er an einer Stelle anhalten muß, an der er andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet. Kommt es zu einem Unfall, dann trifft ihn ein Mitverschulden 584 ). Kommt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit infolge Reifenschadens auf der Uberholspur der Autobahn in schräger Richtung zum Halten, so ist er verpflichtet, die Fahrbahn sofort freizumachen, indem er mit der ihm noch zur Verfügung stehenden Motorkraft auf den Mittelstreifen fährt. Erst dann darf er aussteigen, um die Ursache des Schleus 80 ) BayObLGSt. 51, 404 (21. 5. 51) = VRS 3, 274 = DAR 51, 146; Düsseldorf 22. 1. 64, VerkMitt. 64, 26. 5 8 1 ) Köln 27. 6. 61, VRS 21, 301 = DRspr. II (291) 87 c.
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) Hamm 29. 3. 63, VRS 25, 70 = DRspr. II (291) 110 b. ) BGH(Z) 21. 5. 63, VRS 25, 249. 5 8 4 ) Hamm 11. 8. 60, DAR 61, 176. 582
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Pannen; Radfahrer
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derns zu ermitteln 585 ). Kann der Fahrzeugführer die Fahrbahn aus technischen Gründen nidit freimachen, hat er als erstes Maßnahmen zur Sicherung der Unfallstelle zu treffen, um nachfolgende Verkehrsteilnehmer zu warnen 586 ). Auch wenn der Schaden am Fahrzeug nicht zum Anhalten, sondern nur zum Langsamfahren zwingt, kann sidi mindestens beim Befahren der Autobahn die Pflicht ergeben, die Fahrbahn zu räumen. So muß der Führer eines Lastzuges, der auf der Autobahn bei Dunkelheit wegen eines Motorsdiadens nur mehr mit 8—10 km/h fahren kann, bei nächster Gelegenheit auf die Standspur ausscheren oder die Autobahn verlassen. Andernfalls ist der Führer selbst dann, wenn der Motorschaden ohne sein Verschulden aufgetreten ist, für einen Auffahrunfall verantwortlich 587 ). Wer durch einen Fahrzeugschaden auf die linke Fahrbahnseite gerät und dort Hegen bleibt, ist verpflichtet, sich mindestens so bald als möglich auf die rechte Fahrbahnhälfte abschleppen zu lassen588). Auch bei Tageslicht und guter Sicht kann der Führer eines auf der Autobahn liegengebliebenen Kraftfahrzeugs verpflichtet sein, die Führer nachfolgender Fahrzeuge durch besondere Signale auf das Hindernis aufmerksam zu machen58*). Probefahrten Bei Prüfungsfahrten, Probefahrten und Uberführungsfahrten ist besondere Vorsicht geboten; das war früher (VüKVerk. 10. 5. 32) ausdrücklich vorgeschrieben, gilt jetzt auch ohne besondere Bestimmung.
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Radfahrer Vorbemerkung In diesem Abschnitt werden die aus § 1 abzuleitenden Pflichten der Kraftfahrer gegenüber Radfahrern behandelt, die Pflichten der Radfahrer gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern dagegen unten in R N r . 164. Schmidt, DAR 66, 281.
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Schrifttum
Die StVO enthält in § 9 Abs. 3 besondere Vorschriften über die Wartepflicht des Abbiegers gegenüber Radfahrern aus beiden Richtungen. § 14 gebietet demjenigen, der ein- oder aussteigt, sich so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dieses Gebot bezieht sich auch auf das ö f f n e n von Fahrzeugtüren, das erfahrungsgemäß nicht selten vorüberfahrende Radfahrer in Gefahr bringt (s. § 14 R N r . 3, 4). Im übrigen ergeben sich die Pflichten des Kraftfahrers gegenüber Radfahrern aus der Grundregel des § 1. Wieweit darf auf verkehrsgerechtes Verhalten von Radfahrern vertraut werden Auch beim Radfahrer darf zunächst grundsätzlich mit verkehrsgemäßem Verhalten gerechnet werden 590 ). Der Vertrauensgrundsatz wird aber bekanntlich insofern eingeschränkt, als mit verkehrswidrigem Verhalten immer dann gerechnet werden muß, wenn es nach den Umständen bei verständiger Überlegung naheliegt (s. oben RNr. 37). Dieser Einschränkung kommt bei der Beurteilung des Verhaltens eines Kraftfahrers gegenüber Radfahrern besondere Bedeutung zu. Der Radfahrer ist einmal durch die technischen Gegebenheiten des Fahrrades gegenüber dem Kraftverkehr benachteiligt. Er kann selbst bei gutem Willen nicht verhindern, daß seine Fahrspur nicht schnurgerade verläuft. Er ist den Einwirkungen von Wind und Wetter ausgesetzt, Straßenglätte und Schäden in der Straßenoberfläche wirken sich auf ein Fahrrad in der Regel stärker aus als auf ein Kraftfahrzeug. Die Beleuchtungseinrichtungen am Fahrrad sind häufig dürftig, mit der Hand gegebene Richtungszeichen werden bei Nacht leicht übersehen. Allen diesen aus dem Wesen des Fahrrades sich ergebenden Umständen muß der Kraftfahrer, der einen Radfahrer überholt oder ihm begegnet, Rechnung tragen (s. unten RNr. 145). M5
) BGH(Z) 7. 2. 67, VerkMkt. 67, 49 = VersR 67, 496 = DRspr. II (291) 155 c. 58 «) Köln 3. 11. 65, NJW 66, 933. 587 ) Köln 7. 9. 65, VRS 29, 367.
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) BGH 20. 5. 54, VRS 7, 70. ) Hamm 7. 10. 54, VRS 8, 55. •'»«) BGH 18. 10. 51, DAR 52, 10; Oldenburg 28. 1. 58, VRS 13, 353.
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Darüber hinaus aber muß er auch bis zu einem gewissen Grad berücksichtigen, d a ß sich R a d f a h r e r aus Mangel an Verkehrsdisziplin, aus Unkenntnis der Verkehrsregeln oder auch aus ungenügender Verkehrserfahrung nicht selten verkehrswidrig verhalten. Allgemeine Regeln darüber gibt es nicht, w a n n bei einem R a d f a h r e r verkehrswidriges Verhalten so nahe liegt, d a ß das Vertrauen auf verkehrsgerechtes Verhalten ausgeschlossen w i r d . Ganz unvernünftiges Verhalten braucht der K r a f t f a h r e r z w a r in keinem Fall von vornherein in Betracht zu ziehen. Ein hoher Grad von Unvernunft w i r d beim R a d f a h r e r vor allem dann vorliegen, wenn er sich selbst leichtsinnig in Gefahr bringt. Das soll z. B. der Fall sein, wenn sich ein R a d f a h r e r in die nur 70 cm breite Lücke zwischen einem vor einer Ampel bei Rotlicht zum Stehen gekommenen L k w und dem rechten Fahrbahnrand einzwängt 5 9 1 ). Ob hier nicht besser darauf abzustellen wäre, d a ß sich R a d f a h r e r erfahrungsgemäß trotz ihrer Selbstgefährdung häufig vor Ampeln zwischen den Fahrzeugen und zwischen diesen und dem Fahrbahnrand nach vorne drängen? Jedenfalls dann, wenn der überholte R a d f a h r e r ein Kind ist, w i r d ein Lastzugfahrer, der unmittelbar vor einer Fahrbahnverengung überholt hatte, damit redinen müssen, d a ß der R a d f a h r e r am Lastzug rechts vorbeifahrend wieder aufschließt, sobald der Lastzug seine Geschwindigkeit vermindert 5 8 2 ). Damit braucht ein L k w - F a h r e r , der vor einer Ampel anhält allerdings nicht zu rechnen, d a ß sich ein jugendlicher R a d f a h r e r gebückt im toten Winkel vor dem L k w aufstellt 5 9 3 ). Das R a d f a h r e n ohne Licht ist f ü r den R a d fahrer selbst so gefährlich und deshalb so unvernünftig, daß der K r a f t f a h r e r nicht damit zu rechnen braucht, d a ß ihm ein R a d f a h r e r ohne Licht entgegenkommt. Dem K r a f t f a h r e r w i r d in einem solchen Fall eine Schreckzeit zugebilligt 5 9 4 ). Dagegen muß bei Regen und W i n d oder auf glatten Straßen immer damit gerechnet werden, d a ß ein R a d f a h r e r von seiner Fahrtrichtung unversehens erheblich abweicht. Dem muß der K r a f t f a h r e r bei Bemessung seines Sicherheitsabstandes und seiner Geschwindigkeit Rechnung tragen und Warnzeichen geben, wenn er nicht sicher sein kann, d a ß der R a d f a h r e r sein Herankommen wahrgenommen hat. Ob besondere Umstände das berechtigte Vertrauen des K r a f t f a h r e r s in verkehrsgemäßes V e r h a l t e n eines R a d f a h r e r s ausschließen, m u ß von Fall zu Fall entschieden w e r d e n . Soweit es sich um radfahrende Kinder handelt, gelten die Grundsätze f ü r das Verhalten gegenüber Kindern (RNr. 133). Entsprechendes gilt f ü r das Verhalten gegenüber alten R a d f a h r e r n . Auch hier sind die Grundsätze f ü r das Verhalten gegenüber alten Fußgängern zu beachten (RNr. 125). Die f ü r eine Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes gegenüber betagten Fußgängern sprechenden Gründe werden bei alten R a d f a h r e r n sogar noch mehr ins Gewicht fallen. Denn das Alter w i r k t sich nicht nur auf Gehör, S e h k r a f t und Konzentrationsfähigkeit aus, sondern auch auf die technische Bewältigung des Radfahrens, besonders auf die Bewahrung des Gleichgewichts. Kann der K r a f t f a h r e r nicht sicher sein, d a ß ihn der alte R a d f a h r e r wahrgenommen hat, dann muß er ihn auf alle Fälle rechtzeitig durch Warnzeichen aufmerksam machen. Besondere Umstände, die gegenüber einem R a d f a h r e r zu erhöhter Vorsicht A n l a ß geben, k ö n n e n nicht n u r in der Person des R a d f a h r e r s , sondern auch in der Straßen- und V e r k e h r s lage liegen. So ist auf einer durch Schneeränder gesäumten Bundesstraße, auf der sich Flecken festgefahrenen Schnees und vereiste Stellen befinden, ein Seitenabstand von 95 cm beim Überholen eines Radfahrers, der nahe zur Fahrbahnmitte fährt, zu gering, weil von einem R a d fahrer bei solchen Straßenverhältnissen erhebliche Abweichungen von der geraden Fahrspur zu erwarten sind 505 ). Beim ö f f n e n der Türe darf der K r a f t f a h r e r z w a r in der Regel darauf vertrauen, d a ß nachfolgende Verkehrsteilnehmer beim Vorbeifahren den üblichen Sicherheitsabstand von etwa 1 m einhalten. Im Einzelfall können aber besondere Umstände dieses Vertrauen einschränken. Insbesondere im Großstadtverkehr, in dem ein R a d f a h r e r regelmäßig der Gefährdung durch hinter ihm kommende schnellere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt ist, muß 591)
Düsseldorf 12. 8. 65, DAR 66, 26 = VerkMitt. 66, 6 = VRS 29, 371 = DRspr. II (291) 137 c. 592 J Hamm 8. 3. 68, VRS 35, 430.
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503) Köln 10. 7. 64, VRS 28, 115. 594) BGH 22. 12. 61, VRS 22, 137; Köln 25. 3. 66, VRS 31, 229 = DRspr. II (291) 152 a.
Radfahrer
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grundsätzlich mit erheblich geringerem Sicherheitsabstand gerechnet werden 596 ). Andernteils muß ein Kraftfahrer damit rechnen, daß ein vor ihm fahrender Radfahrer, der sich einem Hindernis am Fahrbahnrand nähert, ohne Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr nach links ausbiegt, um das Hindernis zu umfahren. Daß sich der Radfahrer dabei auf den geringstmöglichen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnhindernis beschränkt, darf nicht vorausgesetzt werden. Der Kraftfahrer wird deshalb rechtzeitig ein Warnzeichen geben und den Radfahrer mit einem möglichst geräumigen Sicherheitsabstand überholen. Uneingeschränkt darf der Kraftfahrer darauf vertrauen, daß ihm entgegenkommende Radfahrer, welche beabsichtigen, nach links abzubiegen, ihn pflichtgemäß (§ 9 Abs. 3) durchfahren lassen. Das gilt nicht nur dann, wenn die Radfahrer kein Richtungszeichen geben597). Auch wenn der Radfahrer pflichtgemäß seine Abbiegeabsicht anzeigt (§ 7 Abs. 1), braucht ein entgegenkommender Kraftfahrer nicht in Betracht zu ziehen, daß der Radfahrer die Fahrbahn unmittelbar vor ihm überqueren werde 598 ). Ist erkennbar, daß ein Radfahrer unaufmerksam ist oder durch irgendwelche Umstände abgelenkt wird, dann ist ihm gegenüber das zulässige Vertrauen in gleicher Weise eingeschränkt wie gegenüber einem Fußgänger auf der Fahrbahn (RNr. 116). Der Umstand allein, daß ein entgegenkommender Radfahrer bei kalter Witterung die Schultern hochzieht, schränkt das Vertrauen in sein verkehrsgerechtes Verhalten aber nicht ein599). Pflichten des Kraftfahrers bei Überholung von Radfahrern und bei Begegnung Warnzeichen: § 16 R N r . 5 f. Sowohl bei Überholung wie bei Begegnung muß der Kraftfahrzeugführer Radfahrer aufmerksam beobachten. Bei Nacht muß er bedenken, daß in der Dunkelheit ein mit dem Arm gegebenes Richtungszeichen leicht übersehen werden kann. Fährt der Radfahrer deutlich zur Straßenmitte eingeordnet langsam voraus, dann muß deshalb der mit Abblendlicht nachfolgende Kraftfahrer sorgfältig darauf achten, ob der Radfahrer ein solches Zeichen gibt 600 ). Die Hauptpflicht bei Überholung und Begegnung ist die Einhaltung eines ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstandes (RNr. 67, 68). Welcher Abstand ausreicht, ergibt sich aus der jeweiligen Verkehrslage. Der Mindestabstand unter normalen Verhältnissen ist 1 m. Es gibt aber zahlreiche Fälle, in denen ein solcher Abstand nicht ausreicht. In allen Fällen, in denen mit erheblichen Abweichungen des Radfahrers von der geraden Fahrspur gerechnet werden muß, wie bei starkem Wind, bei ansteigender Fahrbahn, bei übermäßiger Beladung des Fahrrades u. dergl., muß der Sicherheitsabstand größer als 1 m sein601). Von Bedeutung ist, wie immer bei Bemessung des seitlichen Sicherheitsabstandes, die Geschwindigkeit der Beteiligten (RNr. 65). Je schneller der Kraftfahrer fährt, desto größer muß der Sicherheitsabstand sein. Bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h ist ein seitlicher Sicherheitsabstand von 95 cm zu einem überholten Radfahrer auf alle Fälle zu gering 595 ). Dagegen reicht ein Seitenabstand von 1,90 m auch dann aus, wenn der überholte Radfahrer ein zwölfjähriges Kind ist, das sich ordnungsgemäß im Verkehr fortbewegt 602 ). Nähert sich der vorausfahrende Radfahrer einem am Fahrbahnrand abgestellten Pkw, dann muß ein nachfolgender Kraftfahrer beim Überholen des Radfahrers einen größeren als den normalen seitlichen Sicherheitsabstand von 1 m einhalten, weil damit zu rechnen ist, daß der Radfahrer nach links ausbiegt, um an dem Pkw vorbeifahren zu können 603 ). Ein Kraftfahrer, der mit einer Geschwindigkeit von 50—55 km/h bei starkem Seitenwind eine Radlerin überholt, muß einen seitlichen Sicherheitsabstand von mindestens 1,75—2 m einhalten 604 ). Ein am Fahrbahnrand entlangfahrender Radfahrer muß mit einem solchen Abstand überholt werden, daß sich der Radfahrer nicht bedrängt fühlt und nicht in Schrecken versetzt wird. Überholt in einem 595
) Köln 18. 3. 66, VRS 31, 158 = VerkMitt. 66, 70. ) Hamburg 2. 12. 59, DAR 60, 147 = VkBl. 60, 251 = DRspr. II (291) 66 c; KG 6. 9. 62, VRS 24, 51. 5 " ) BGH(Z) 7. 2. 61, VersR 61, 423. 598 ) BGH(Z) 16. 4. 61, VersR 61, 561. 596
5
") ) ) 602 ) 603 ) 604 ) 600 601
BayObLG 8. 10. 69, 1 a St 75/1969. BayObLG 25. 9. 63, VRS 26, 225. Neustadt 11. 12. 57, VRS 15, 129. Köln 12. 11. 63, VRS 26, 356. BayObLG 9. 4. 68, 1 a St 41/1968. Schleswig 4. 5. 66, VerkMitt. 66, 54.
11?
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§ 1
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Möhl
solchen Fall ein Sattelschlepper einen Radfahrer, dann ist ein Abstand von 1,5 m zum Fahrbahnrand zu gering®05). Kann beim Überholen kein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden, dann darf nicht überholt werden. Ähnliche Grundsätze gelten für die Begegnung mit Radfahrern. Der K r a f t f a h r e r darf vor der Begegnung mit einem Radfahrer nur dann selbst überholen oder an einem Hindernis vorbeifahren, wenn für den Radfahrer eine ausreichende Durchfahrt frei bleibt. Andernfalls hat er die Überholung zurückzustellen bis der Radfahrer durchgefahren ist. Der Führer eines Lastzugs handelt verkehrswidrig, wenn er und sei es auch mit Schrittgeschwindigkeit, ein anderes Fahrzeug überholt oder an einem parkenden Fahrzeug vorbeifährt, obwohl er einem entgegenkommenden Radfahrer nur einen Zwischenraum von 1,15 m zwischen seinem Lastzug und dem Bordstein einräumen kann 806 ). Auch ein Zwischenraum von 1,30 m reicht nicht aus 607 ). Bei einem außergewöhnlich massigen Transportfahrzeug (Eisenbahnwaggon auf Straßenroller) kann, besonders wenn der entgegenkommende Radfahrer ein Kind ist, selbst ein Abstand von 1,70 m zum linken Fahrbahnrand unzureichend sein 608 ). Unter besonderen Umständen muß das Überholen eines Radfahrers selbst dann unterlassen werden, wenn genügend Raum f ü r die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes vorhanden wäre, so, wenn es naheliegt, daß die Fahrsicherheit des Radfahrers durch starke Blendung beeinträchtigt ist 809 ). Bei Gegenverkehr kann u. U. die Überholung eines Radfahrers fehlerhaft sein, obwohl zu ihm u n d zum entgegenkommenden Fahrzeug ein k n a p p ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden könnte 6 1 0 ). 146
Verhalten gegenüber unaufmerksamen und sonst zu beanstandenden Radfahrern Das Vertrauen in verkehrsgerechtes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer muß allgemein versagen, sobald erkennbar wird, daß diese offensichtlich unaufmerksam sind oder sich sonst verkehrswidrig verhalten. Diese Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes gilt audi gegenüber Radfahrern. Fahren mehrere Radfahrer verbotswidrig (§ 2 Abs. 4) nebeneinander, so muß der K r a f t f a h r e r in Rechnung stellen, daß ein Radfahrer, der sich auf ein Warnzeichen nach links umschaut, häufig eine zwangsläufige Fahrbewegung nach links macht 611 ). Bei jugendlichen Radfahrern kann die Kenntnis des Kraftfahrers von der Tatsache genügen, daß sich diese an bestimmten Stellen, z. B. bei der Einfahrt in einen Schulhof, unbesonnen zu verhalten pflegen, um eine erhöhte Sorgfaltspflicht zu begründen (RNr. 133 Fußn. 510). Fährt ein jugendlicher Radfahrer von einem Sommerweg unachtsam auf die daneben verlaufende Fahrbahn, dann muß damit geredinet werden, daß er sich auch weiter verkehrswidrig verhält und ohne ein Zeichen nach links abbiegt 612 ). Wechselt ein Radfahrer auf einer ungewöhnlich schlechten Straße von der rechten auf die linke Fahrbahnseite hinüber und fährt er dort geradeaus weiter, so darf ihn ein nachfolgender K r a f t f a h r e r nur dann regelwidrig rechts überholen, wenn er ihn vorher durch Warnzeichen auf seine Absicht aufmerksam gemacht hat 818 ). Fährt ein Radfahrer verbotenerweise auf der linken Fahrbahnseite, so darf ein in gleicher Richtung fahrender Kraftfahrer, wenn ein Lkw entgegenkommt, nicht darauf vertrauen, daß der Radfahrer die linke Fahrbahnseite beibehalten werde. Er muß vielmehr damit rechnen, daß dieser nun plötzlich nach rechts fährt 6 1 4 ).
147
Pflichten des Abbiegers Möhl, DAR 66, 227
gegenüber
Radfahrern Schrifttum
Während nach der StVO 1937 (§ 8 Abs. 3 S. 3) nur das Verhältnis des Linksabbiegers gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen ausdrücklich geregelt war, enthält § 9 Abs. 3 der 6 °5) 6M
BGH 8. 1. 60, VRS 18, 203. ) BGH 19. 6. 57, DAR 57, 239 = VRS 13, 275; ähnlich Düsseldorf 7. 7. 66, VerkMitt. 66, 93. 6 7 » ) BGH(Z) 26. 10. 55, VRS 10, 15. "M) BGH(Z) 20. 1. 56, VRS 10, 252. 609 ) BGH(Z) 10. 11. 55, VRS 10, 17. 129
«i») BGH 28. 3. 57, VRS 13, 34; BayObLG 17. 10. 62, VRS 24, 225. 811 ) Hamm 9. 4. 56, DAR 56, 335. ) BGH(Z) 9. 5. 61, VRS 21, 14 = MDR 61, 675 = VerkMitt. 61, 57 = VkBl. 61, 513 = VRS 61, 634 = DRspr. II (291) 84 b. 6 « ) BGH 20. 5. 54, VRS 7, 73; 21. 7. 67, VRS 33, 350. ° 46 ) Schi.-Holst. 27. 8. 60, VerkMitt. 61, 62 = DRspr. II (293) 52 a. 64 ?) BGH 26. 11. 69, VRS 38, 119. 64 S) BGH 16. 6. 54, VRS 7, 449 = VkBl. 54, 458.
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152
§ 1
stvo
Möhl
raschen lassen. Auch in diesem Fall darf er auf verkehrsgerechtes Verhalten nicht vertrauen. Bleibt ein Fußgänger, der trotz Annäherung eines Kraftfahrzeuges die Überschreitung der Fahrbahn begonnen hat, stehen, dann ist zu unterscheiden: Bleibt er mit Blick auf das Fahrzeug länger stehen, dann darf der K r a f t f a h r e r darauf vertrauen, daß er dort stehen bleiben werde. Tritt er dann doch in die Fahrlinie des Kraftwagens, dann kann dessen Führer für sich eine zusätzliche Schreckzeit in Anspruch nehmen, weil derart unverständiges Verhalten des Fußgängers fernlag. Blieb der Fußgänger aber nur ganz kurz stehen, dann war das Vertrauen des Kraftfahrers nicht gerechtfertigt, er mußte sofort reagieren, sobald erkennbar wurde, daß der Fußgänger nicht stehenblieb 649 ). Übersieht der Überholer aus mangelnder Aufmerksamkeit das linke Richtungszeichen des Überholten, dann kann er sidi nicht mit Erfolg auf eine Verlängerung der Reaktionszeit durch Schrecken berufen 650 ). Gegenüber vorschriftsmäßig angebrachten Verkehrszeichen kommt die Zubilligung einer zusätzlichen Schreckzeit nicht in Frage. Das gleiche gilt für den Farbwechsel an Ampeln 651 ). Das Verschulden des Kraftfahrers, durch das die Berufung auf die Schreckwirkung ausgeschlossen wird, liegt in den genannten Fällen in ungenügender Aufmerksamkeit oder ungenügender Reaktionsbereitschaft. Es kann auch in eigenem Fahrfehler liegen: Wer zu schnell fährt, kann in der Regel keine Schreckzeit beanspruchen, wenn er durch seine hohe Geschwindigkeit den Eintritt der Gefahrenlage oder sein eigenes Erschrecken schuldhaft herbeigeführt hat 652 ). H a t das Fehlverhalten allerdings eine nicht voraussehbare Folge, dann kann sich der K r a f t f a h r e r in besonderen Fällen darauf berufen, durch das nicht voraussehbare Ereignis unverschuldet überrasdit worden zu sein. So soll sich derjenige, der mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Kurve einfährt, auf die Verlängerung der Reaktionszeit durch Schrecken berufen dürfen, wenn in der Kurve unvoraussehbarerweise der Gashebel in Vollgasstellung klemmt und der K r a f t f a h r e r zu spät auskuppelt 653 ). Der Führer eines Kraftfahrzeugs darf es nicht dulden, daß neben ihm auf dem Beifahrersitz ein Betrunkener Platz nimmt. Behindert ihn dieser, wie vorauszusehen, in der Führung des Fahrzeugs, dann kann sich der Fahrzeugführer nicht mit der Behauptung entschuldigen, er sei durch Schrecken an einer schnellen und richtigen Reaktion gehindert worden 854 ). Wer seine eigene Reaktionszeit schuldhaft verlängert, z. B. durch Alkoholgenuß, kann sich darauf nidit zu seiner Entlastung berufen 855 ). 153
c) Schreckzeit
zugebilligt
Ein K r a f t f a h r e r braucht nicht damit zu rechnen, daß ein mit Abblendlicht entgegenkommendes Fahrzeug plötzlich aufblenden werde. Einem auf diese Weise überraschten K r a f t fahrer ist regelmäßig eine Sdireckzeit zuzubilligen. Er darf darauf vertrauen, daß der Entgegenkommende nicht aufblendet, das Fehlverhalten des Entgegenkommenden liegt (auch abgesehen vom Vertrauensgrundsatz) nicht so nahe, daß er darauf gefaßt sein müßte. Dazu kommt, daß durch die Blendwirkung die Sehkraft der Augen vorübergehend ausgeschaltet wird 656 ). Blendet ein entgegenkommendes Fahrzeug nicht ab, tritt also die Blendung allmählich ein, dann freilich ist kein Raum f ü r eine Schreckzeit. Der K r a f t f a h r e r darf in einem solchen Fall nicht darauf vertrauen, der Entgegenkommende werde rechtzeitig abblenden. Er muß sogleich abbremsen und an den rechten Rand der Fahrbahn lenken 657 ). Nach Aufhören der Blendung muß der K r a f t f a h r e r immer mit vorher nicht wahrgenommenen Verkehrsteil64 ») 65
BGH 10. 8. 62, VRS 23, 376. °) Hamm 6. 3. 56, DAR 56, 281. ) BGH 10. 7. 58, VRS 15, 276; Bremen 1. 9. 65, VerkMitt. 66, 7 = DRspr. II (291) 139 a. 652 ) BGH 20. 5. 60, VRS 19, 108; 17. 11. 67, VRS 34, 205; vgl. dazu Hamm 15. 11. 55, VRS 10, 460 und Weigelt DAR 56, 185. 653 ) BayObLGSt. 56, 92 (17. 4. 56) = VerkMitt. 56, 69 = VRS 11, 142 = NJW 56, 1689. 651
128
654
) BGH 8. 11. 63, VRS 26, 34; Köln 21. 10. 66, NJW 67, 1240 = VerkMitt. 67, 32; Hamm 1. 3. 68, VRS 35, 429 = DRspr. II (291) 168 c. 655 ) BGH 24. 4. 52, VRS 4, 423. 656 ) BGHSt. 12, 81 (17. 9. 58) = DAR 58, 335; 1. 2. 63, VRS 24, 369. 65 ') BGH 26. 6. 52, VRS 4, 422; 4. 8. 61, VRS 21, 293, 295; BGH(Z) 19. 12. 67, VersR 68, 357.
StVO
Sdireckzeit; Schleppen
§1
nehmern auf seiner Fahrbahn rechnen. Eine Schreckzeit kann ihm dabei nicht zugebilligt werden 658 ). (Zur Blendung vgl. im übrigen oben R N r . 92—96). Wer mit angemessener Geschwindigkeit fährt, braucht im allgemeinen nicht f ü r Unfälle einzustehen, die dadurch entstehen, daß von der Seite her innerhalb des normalen Anhalteweges ein Hindernis in die Fahrbahn gerät, das er vorher nicht sehen konnte. In einem solchen Fall ist der Unfall für den K r a f t f a h r e r unvermeidbar. Taucht das Hindernis in einer Entfernung auf, die größer als der Anhalteweg ist, dann kommt es entscheidend darauf an, ob er durch dieses Ereignis unverschuldet überrascht wurde und ob das Ereignis seiner N a t u r nach geeignet ist, Schrecken zu verursachen. Bejaht wurde ein solcher Fall bei einem Motorradfahrer, in dessen Fahrbahn unversehens ein Dackel lief 659 ). Gerät der Vordermann, nachdem er an einen Straßenbaum anstreifte, ins Schleudern und stellt sidi sein Fahrzeug quer, dann ist dem Nachfolgenden eine Schreckzeit zuzubilligen 660 ). Audi plötzlidi auftretende Mängel am Fahrzeug können, wenn sie nicht voraussehbar waren, eine Schreckzeit rechtfertigen. So f ü r den Fall, daß bei Betätigung des Abblendschalters die gesamte Fahrzeugbeleuchtung ausfällt 661 ) oder daß der Gashebel in Vollgasstellung klemmt 653 ). In besonderen Ausnahmefällen kann dem durch zwei zeitlich hintereinanderliegende Gefahrenlagen überraschten K r a f t f a h r e r eine doppelte Schreckzeit zugebilligt werden 662 ). Schleppen
Schrifttum
Weigelt, DAR 61, 173
Nach § 33 Abs. 1 StVZO i. d. F. der Ä n d V O vom 24. 7. 1969 dürfen Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart zum Betrieb als Kraftfahrzeug bestimmt sind, nicht als Anhänger betrieben werden. Ausnahmen und Sondervorschriften hierzu s. dort. Zur früheren Regelung vgl. 21. Aufl. dieses Kommentars S. 750 Anm. 5. Eine Unterart des „Schleppens" ist das „Abschleppen". Aus § 18 Abs. 1 StVZO ist zu entnehmen, daß Anhänger im Sinne der Zulassungsvorschriften hinter Kraftfahrzeugen mitgeführte Fahrzeuge sind, mit Ausnahme von betriebsunfähigen Fahrzeugen, die abgeschleppt werden (und von Abschleppachsen). Zur Frage, welche Fahrzeuge zu den „abgeschleppten" Fahrzeugen zu zählen sind, die ausnahmsweise von anderen Fahrzeugen geschleppt werden dürfen, ohne daß es einer Ausnahmegenehmigung und einer Zulassung bedürfte und zur weiteren Frage, welche Ausrüstungs- und Beleuchtungsvorschriften für solche abgeschleppte Fahrzeuge gelten, vgl. Bd. I StVZO § 18 R N r . 11. Im folgenden werden die für das „Abschleppen" von Kraftfahrzeugen geltenden Rechtsgrundsätze dargelegt, soweit sie sich aus § 1 ergeben. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für das „Schleppen" von Kraftfahrzeugen, für deren Verwendung als Anhänger eine Ausnahmegenehmigung nach § 33 Abs. 1 S. 2 StVZO erteilt wurde. Zu beachten ist aber, daß der Führer eines „abgeschleppten" Fahrzeugs im Gegensatz zum Führer eines „geschleppten" Fahrzeugs keiner Fahrerlaubnis bedarf, da das abgeschleppte Fahrzeug nicht als Kraftfahrzeug betrieben wird (vgl. StVZO § 5 R N r . 18). Das Abschleppen von betriebsunfähigen Fahrzeugen geschieht in der Regel in der Weise, daß ein Fahrzeugführer das ziehende und ein weiterer das gezogene Fahrzeug lenkt. D a zwischen beiden in der Regel keine Sprechverbindung besteht, ist das Abschleppen mit gewissen Gefahren verbunden, denen mit gesteigerter Sorgfalt begegnet werden muß. Kommt das geschleppte Fahrzeug bei Dunkelheit hinter einem Fußgängerüberweg zum Stehen, während das schleppende Fahrzeug vor dem Überweg hält, dann muß der Führer des schleppenden mit dem Lenker des geschleppten Fahrzeugs Vereinbarungen treffen, die eine Gefährdung von Fußgängern, die zwischen den beiden Fahrzeugen den Uberweg benutzen, ausschließen 663 ). Der Lenker des abgeschleppten Fahrzeugs ist zwar nicht „Führer" eines Kraftfahrzeugs, er 65 *) 65
BGH 26. 11. 69, VRS 38, ») BGH(Z) 2. 11. 65, VersR •0°) BayObLG 19. 2. 64, 1 St o«1) BayObLG 3. 5. 61, 1 St
119. 66, 143. 670/1963 . 150/1961.
662
) Köln 20. 9. 63, VRS 26, 133 = JMB1. NRW 63, 290 = DRspr. II (291) 112 c. 3) Köln 30. 3. 62, VerkMitt. 62, 48 = BB 63, 116 = DRspr. II (291) 98 b.
66
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StVO + StGB
§ 1
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ist aber im Sinne des § 1 Verkehrsteilnehmer und hat deshalb entsprechende Sorgfaltspflichten. Er darf sich nicht einfach darauf verlassen, daß der Führer des ziehenden Fahrzeugs die Verkehrsvorschriften beachten werde. Deshalb kann es dem Lenker des geschleppten Fahrzeugs zum Vorwurf gereichen, wenn er, bevor das betriebsunfähige Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt geschleppt wird, nicht d a f ü r sorgt, daß ein Warnposten aufgestellt wird 6 6 4 ). Der Führer des schleppenden Fahrzeugs darf auf verkehrsgerechtes Verhalten des Lenkers des geschleppten Fahrzeugs vertrauen, soweit er nicht Anlaß zu Bedenken hat. Biegt das schleppende Fahrzeug im rechten Winkel nach rechts ein, dann braucht dessen Führer nicht ohne weiteres damit zu rechnen, das geschleppte Fahrzeug könne wegen fehlerhaften Verhaltens seines Lenkers weit über die Mittellinie nach links ausscheren' 6 5 ). H a t der Lenker des geschleppten Fahrzeugs keinen Führerschein und ist er erst 17 J a h r e alt, dann freilich muß ihn der Führer des schleppenden Fahrzeugs eingehend in seine Aufgaben einweisen 6 6 6 ). Wenn sich § 33 Abs. 2 S t V Z O auch nur auf das Schleppen von K r a f t f a h r z e u g e n bezieht, die auf G r u n d einer Ausnahmegenehmigung als Anhänger verwendet werden dürfen, kann auch beim Abschleppen eines betriebsunfähig gewordenen K r a f t f a h r z e u g s von über 4 t Gewicht auf G r u n d der allgemeinen Sorgfaltspflicht die Verwendung einer Abschleppstange geboten sein (entsprechend der Bestimmung des § 33 Abs. 2 N r . 6 S t V Z O ) 6 6 7 ) . Bestehen wegen besonderer Umstände (Schneeglätte, schlechte Sichtverhältnisse, Indisposition des Fahrers) Bedenken gegen ein sofortiges Abschleppen eines Unfallfahrzeugs, so kann hierauf der Vorwurf fahrlässigen Verschuldens für einen auf der gleichwohl durchgeführten Abschleppfahrt eingetretenen U n f a l l nur dann gestützt werden, wenn der U n f a l l l gerade auf den Umständen beruht, die gegen die Durchführung der Fahrt sprechen 668 ). 155
Schreckreaktion Wie oben R N r . 150—153 näher dargelegt wurde, wird dem durch ein unvermutetes E r eignis schuldlos Überraschten in bestimmten Fällen eine gewisse Schreckzeit zugebilligt. Ähnlich wird demjenigen, der im Schrecken falsch reagiert, die falsche Reaktion nicht zur Last gelegt, wenn ihn kein Verschulden trifft. Während eines langdauernden schweren Gewitters muß mit Blitzschlägen gerechnet werden. Ein K r a f t f a h r e r , der durch einen nahen Blitzschlag zu einer falschen Reaktion veranlaßt wird, kann sich nicht mit unverschuldeter Schreckwirkung entschuldigen 6 8 8 "). D i e Voraussetzungen sind die gleichen wie für die Zubilligung einer Schreckzeit. Allgemein gilt der Satz, daß derjenige, der durch grobe Fahrlässigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers überraschend in eine gefährliche L a g e gebracht worden ist, in der Regel nicht mit einem Schuldvorwurf belastet wird, wenn er nicht sofort die objektiv am besten geeigneten Maßnahmen ergreift, um der drohenden G e f a h r zu entgehen 6 6 0 ). Unterläßt der Erschreckte freilich eine ganz selbstverständliche Maßnahme, ist er nur dann entschuldigt, wenn er nicht genügend Zeit hatte, um richtig reagieren zu können 6 7 0 ). Eine falsche Reaktion wird deshalb in der Regel nur dann entschuldigt, wenn die richtige Entscheidung nicht auf der H a n d lag. Auch darf die ergriffene Maßnahme nicht völlig unsinnig sein. S o wurde einem L k w - F a h r e r , dem auf seiner Fahrbahnseite ein betrunkener P k w Fahrer entgegenkam, nicht zur Last gelegt, daß er nach links auswich, obwohl der U n f a l l vermieden worden wäre, wenn er rechts geblieben wäre, weil der Pkw-Fahrer im letzten Augenblick doch noch auf seine rechte Fahrbahnseite zurücklenkte 6 7 1 ). Schert ein Überholer bei hoher Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge kurz vor dem Überholten in dessen Fahrspur ein, so t r i f f t diesen keine Schuld, wenn er schärfer als unbedingt notwendig bremst und dadurch ins Schleudern gerät 6 7 2 ). Dies gilt um so mehr, wenn der Überholer nach dem o«4) Hamm 2. 6. 61, JMB1. NRW 61, 258 = VRS 21, 220 = DRspr. II (291) 87 a. 0D5) Hamm 31. 3. 60, DAR 61, 57 = DRspr. II (291) 77 a. 6 6 6 ) Celle 13. 10. 58, VersR 59, 507 = DRspr. II (291) 58 b. • 6 7 ) Hamm 26. 11. 65, VRS 30, 137. 6 6 8 ) BayObLG 18. 9. 57, 1 St 599/1957. 130
") KG 26. 3. 70, VerkMitt. 70, 85. ) BGH 27. 7. 62, VRS 23, 369; BayObLGSt. 59, 367 (30. 12. 59) = VRS 18, 466; Frankfurt 2. 10. 68, VRS 37, 142. 6 '°) BGH 5. 4. 68, VRS 35, 177; ähnlich schon BGH 12. 3. 53, VRS 5, 368. « " ) BGH 8. 12. 67, VRS 34, 434. fi72) Koblenz 18. 8. 66, DAR 67, 25. 668
668
Schreckreaktion;
stvo § 1
Straßenkreuzung
Einsdieren selbst sogleich sdiarf bremst. L e n k t in einem solchen Fall der durch das V e r h a l t e n des Uberholers in Schrecken Versetzte nach links, um das A u f f a h r e n zu vermeiden, d a n n k a n n er entschuldigt sein, w e n n er d o r t mit einem entgegenkommenden F a h r z e u g z u s a m m e n stößt, das er nicht b e m e r k t hatte 6 7 3 ). Bremst ein auf der Ü b e r h o l s p u r der A u t o b a h n mit 120 k m / h f a h r e n d e r P k w - F a h r e r v o r einem L k w , der 20 m v o r ihm auf die Ü b e r h o l b a h n ausschert u n d gerät er dadurch ins Schleudern, so t r i f f t ihn kein Verschulden, auch w e n n eine nachträgliche Berechnung ergibt, d a ß er nicht h ä t t e bremsen müssen, weil er an dem L k w gerade noch v o r b e i k o m m e n konnte 6 7 4 ). Einem K r a f t f a h r e r , dessen F a h r z e u g bei hoher G e schwindigkeit infolge eines t r o t z e i n w a n d f r e i e r B e r e i f u n g eingetretenen Reifenschadens p l ö t z lich ins Schlingern gerät, soll kein Schuldvorwurf t r e f f e n , w e n n er weich bremst, statt wie es bei seinem mit V o r d e r a n t r i e b ausgestatteten F a h r z e u g richtig gewesen w ä r e , etwas zu beschleunigen 6 7 5 ). Dagegen w u r d e eine entschuldbare Schreckreaktion in einem Fall verneint, in dem ein mit 20 k m / h auf der rechten Fahrbahnseite f a h r e n d e r K r a f t f a h r e r auf das Hupzeichen eines mit 35—40 k m / h Ü b e r h o l e n d e n auf der die Ü b e r h o l u n g gestattenden F a h r b a h n soweit nach rechts auswich, d a ß er einen am äußeren rechten F a h r b a h n r a n d schreitenden F u ß g ä n g e r a n f u h r 6 7 6 ) . A u d i w e r auf eine u n b e d e u t e n d e S c h m e r z w i r k u n g völlig unangemessen reagiert, k a n n sich nicht d a m i t entschuldigen, er h a b e u n t e r der Schmerzeinwirkung falsch gehandelt 6 7 7 ). V o n den Schreckreaktionen zu unterscheiden sind die Reflexbewegungen. Von diesen spricht m a n nach Metzger 6 7 8 ), w e n n sich ein körperlicher oder physiologischer Reiz u n m i t t e l b a r ohne M i t w i r k u n g des Bewußtseins in Bewegung umsetzt. Die sog. „ A u t o m a t i s m e n " im S t r a ß e n v e r k e h r , die dem e r f a h r e n e n K r a f t f a h r e r die Bewältigung seiner Pflichten im S t r a ß e n v e r k e h r wesentlich erleichtern, gehören nicht zu den Reflexbewegungen im engeren Sinn, denn sie sind v o m Willen beeinflußbar 6 7 9 ). W e r d e n durch einen unverschuldeten Schrecken solche A u t o m a t i s m e n ausgelöst, die der Verkehrslage nicht angemessen sind, d a n n b e a n t w o r t e t sich die Frage, ob sie durch die Schreckwirkung entschuldigt sind, nach den allgemeinen, f ü r Schreckreaktionen geltenden G r u n d s ä t z e n .
Straßenkreuzung Vorbemerkung
-J56
A n S t r a ß e n k r e u z u n g e n u. - e i n m ü n d u n g e n bestehen f ü r die Verkehrsteilnehmer vielfache, sich teilweise überschneidende Rechte u n d Pflichten, mit denen sich folgende Einzelvorschriften befassen: V o r f a h r t § 8; Wartepflicht des Abbiegers gegenüber e n t g e g e n k o m m e n d e n F a h r zeugen § 9 Abs. 3; V e r b o t der E i n f a h r t bei Verkehrsstockung § 11 Abs. 1; P a r k v e r b o t § 12 Abs. 3 N r . 1; V e r b o t der Behinderung v o n Schienenfahrzeugen § 19 Abs. 1; G e b o t f ü r F u ß gänger, die F a h r b a h n an K r e u z u n g e n zu überschreiten § 25 Abs. 3; Zeichen u n d Weisungen v o n Polizeibeamten § 36; Wechsellichtzeichen § 37 Abs. 1, 2; Zeichen 102, 205, 206, Z u satzschild zu 205 u n d 206, 294, 297, 301, 306, Zusatzschild zu 306, 341. Diese Rechte u n d Pflichten w e r d e n jeweils bei den einzelnen Vorschriften u n d Bildern e r l ä u t e r t . Im folgenden werden die aus § 1 herzuleitenden G r u n d s ä t z e zusammengestellt, die v o n den besonderen Vorschriften u n a b h ä n g i g gelten oder mit ihnen n u r in losem Z u s a m m e n h a n g stehen. Die f ü r K r e u z u n g e n geltenden Bestimmungen w e r d e n sinngemäß auch auf E i n m ü n d u n g e n a n g e w e n d e t . Zwei oder m e h r S t r a ß e n kreuzen sich, w e n n sich jede v o n ihnen über den S c h n i t t p u n k t hinaus f o r t s e t z t . Dagegen m ü n d e t eine S t r a ß e in eine a n d e r e ein, w e n n sie sich über den S c h n i t t p u n k t hinaus nicht f o r t s e t z t . Die Kreuzungsfläche ist den sich k r e u z e n d e n S t r a ß e n gemeinsam. D i e zwischen Lichtzeichenanlagen u n d Kreuzungsfläche liegenden F a h r b a h n s t r e i f e n gehören nicht z u r eigentlichen Kreuzungsfläche. 673
) ) 675 ) «76) 674
BGH 9. 6. 67, VRS 33, 358. BayObLG 7. 10. 64, 1 a St 477/1964. BayObLG 27. 3. 68, 1 a St 259/1967. BayObLG 27. 1. 60, 1 St 754/1959.
677
) Celle 25. 7. 68, VerkMitt. 69, 6; vgl. auch Celle 20. 8. 62, NdsRpfl. 62, 288. ) Leipz. Komm. 8. Aufl. Anm. 7 a vor § 51. 67 °) Spiegel, DAR 68, 283 mit zahlr. Nachweisungen. 678
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§1
stvo
Kreuzungen 157
mit
Möhl Lichtzeichenanlagen
a
)
Geradeausverkehr Die Rechtsprechung hat sich bemüht, für die verschiedenen an Ampelkreuzungen möglichen Verkehrslagen allgemein gültige Grundsätze aufzustellen: Wer sich einer solchen Kreuzung nähert, m u ß auf die Lichtzeichen achten. Dabei genügt es, mindestens bei breiten Straßen die am rechten Fahrbahnrand aufgestellte Lichtzeichenanlage im Auge zu behalten. Ist an dieser wegen eines technischen Mangels das Licht ausgefallen, dann soll der K r a f t f a h r e r nicht nach einer etwa am linken Fahrbahnrand, f ü r ihn schwer erkennbar angebrachten weiteren Ampel Ausschau halten müssen*80). Umgekehrt muß der auf der linken Fahrspur Fahrende, auf dessen Fahrbahnseite eine Verkehrsampel ohne ein Richtungszeichen (Zeichen 214, früher Bild 27 der Anlage) grün zeigt, sich nicht bemühen, auch die am rechten Fahrbahnrand angebrachte Ampel (und das dort angebrachte Richtungszeichen) zu sehen 981 ). Z w a r darf ein K r a f t f a h r e r , der bei Grünlicht über eine Kreuzung fährt, in der Regel darauf vertrauen, daß nicht überraschend eine Verkehrslage eintritt, die ein scharfes Bremsen eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs erforderlich machen könnte. Er darf deshalb mit einem verkürzten Abstand über die Kreuzung fahren, falls keine Umstände erkennbar sind, die den Vorausfahrenden in seiner freien Fahrt behindern können 682 ). Wer sich aber einer Verkehrsampel hinter einem auffallend langsamen Fahrzeug bei Grünlicht nähert, muß damit rechnen, daß der Vorausfahrende beim Erscheinen des gelben Lichtes vor der Ampel anhält 483 ). Ist die Fahrbahn vor einer Kreuzung in mehrere Fahrstreifen eingeteilt, auf denen die vorgeschriebenen Fahrtrichtungen durch Pfeile auf der Fahrbahn angezeigt sind (Z. 297), dann muß der K r a f t f a h r e r den Pfeilen folgen. Damit hat sich die Rechtslage gegenüber der früheren geändert. Früher wurde die Ansicht vertreten, daß gegen § 1 verstößt, wer einen anderen dadurch behindert, daß er sich falsch einordnet, obwohl er sich bei genügender Aufmerksamkeit richtig einordnen konnte. H a t t e er sich schuldlos falsch eingeordnet, dann sollte er nicht sdion deshalb, weil andernfalls nachfolgende Verkehrsteilnehmer behindert werden, seine Fahrt in der dem Pfeile entsprechenden Richtung fortsetzen müssen 884 ). Diese Ansicht ist nach der neuen Rechtslage nicht mehr vertretbar. Wer bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt, darf darauf vertrauen, daß er von Seitenverkehr abgeschirmt ist 485 ). Auch der bei frühem Grünlicht in die Kreuzung einfahrende K r a f t f a h r e r soll seine Fahrweise nicht auf die Möglichkeit einstellen müssen, daß K r a f t f a h r e r der Querrichtung das ihnen geltende rote Licht mißaditen 6 8 6 ). Dagegen muß der bei Grünlicht Einfahrende auf Nachzügler des Querverkehrs achten, die noch berechtigterweise bei Grünlicht oder (frühem) Gelblicht in die Kreuzung eingefahren sind, aber ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Räumung der Kreuzung gehindert wurden. Er muß diesen die Räumung der Kreuzung ermöglichen 687 ). Höhere Anforderungen werden an die, bei Grünlicht mit „fliegenden Start" in die Kreuzung Einfahrenden gestellt, weil ihr Anhalteweg in der Regel länger ist als der Anhalteweg der aus dem Stand A n f a h renden. Auch können sie meist nicht zuverlässig unterscheiden, ob die vor ihnen befindlichen Teilnehmer des Querverkehrs verkehrswidrig in die Kreuzung eingefahren waren oder nicht 688 ). Sie dürfen nur dann bei Ampel Wechsel auf grün in zügiger Fahrt in die Kreuzung einfahren, wenn sie die Kreuzung oder Einmündung in vollem U m f a n g übersehen und sich davon überzeugen, daß sie frei ist 689 ). Wer mit 50 km/h bei eben einsetzendem „Grün" in eine oo») AG München 18. 7. 67, DRspr. II (291) 155 f. 681 ) BayObLG 8. 12. 67, DAR 68, 166. 82 0 ) Hamm 17. 2. 66, VRS 31, 55. 083) Hamm 10. 1. 63, DAR 63, 309. 684 ) BayObLGSt. 59, 153 (3. 6. 59) = NJW 59, 1788; vgl. Hamburg 22. 12. 64, VerkMitt. 65, 30; Stuttgart 27. 3. 62, VRS 24, 227. «"5) BGH(Z) 27. 2. 67, VersR 67, 602. 686 ) Hamburg 1. 6. 66, VRS 31, 215 = Verk132
Mitt. 66, 62 = DRspr. II (291) 144 a; vgl. aber Stuttgart Fußn. 690. ) BGH(Z) 14. 4. 61, DAR 61, 223 = VerkMitt. 61, 57 = VRS 21, 17 = VersR 61, 524 = Betrieb 61, 741 = MDR 61, 589 = DRspr. II (291) 81 b. 68s ) KG 9. 7. 70, VRS 39, 266. 68 ») BGH 20. 12. 67, VerkMitt. 68, 58; BayObLGSt. 67, 106 (12. 7. 67) = DAR 67, 333 = VRS 34, 42.
687
Straßenkreuzung
StVO
§ 1
Kreuzung einfährt, die er wegen Sichtbehinderung nach rechts nicht vollständig überblicken kann, ist mitschuldig an dem Zusammenstoß mit einem von rechts kommenden Fahrzeug, selbst wenn dieses schon bei soeben einsetzendem Rotlicht in die Kreuzung eingefahren war®90). Legen beiderseits des Kreuzungsbereichs haltende Kraftfahrzeuge die Annahme nahe, daß einem anderen, an sich wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer (z. B. einer einbiegenden Straßenbahn) die Durchfahrt ermöglicht werden wolle, dann soll sich der bei Grünlicht in die Kreuzung Einfahrende nicht auf sein Vorrecht berufen dürfen' 9 1 ). Zu den Nachzüglern auf der Kreuzung, auf die der Einfahrende achten muß, gehören auch Fußgänger, die die Überschreitung der Fahrbahn nicht mehr rechtzeitig abschließen konnten' 9 2 ). Wer bei Grünlicht oder beginnendem Gelblidit in eine Kreuzung einfährt, kann durch die Verkehrslage gezwungen sein, im Kreuzungsbereich so lange zu halten, bis der Querverkehr Grünlicht erhält. Dadurch wird ihm das Recht und die Pflicht, die Kreuzung zu räumen, nicht genommen. Allerdings muß er auf den einfließenden Querverkehr achten. E r hat zwar gegenüber den Querverkehr das Vorrecht auf Räumung der Kreuzung, aber er darf nicht darauf vertrauen, daß sein Vorrecht beachtet wird' 9 8 ). Daran hat sich nichts geändert, wenn auch nach § 11 Abs. 1 bei einer Verkehrsstockung niemand mehr in die Kreuzung einfahren darf, falls er auf ihr warten müßte (s. § 11 R N r . 8). Für das Verhältnis der vor einer Kreuzung in zwei Fahrstreifen aufgefahrenen Fahrzeuge gelten die Regeln für das Nebeneinanderfahren (s. § 7 R N r . 9). Können die Fahrzeuge des rechten Fahrbahnstreifens hinter der Kreuzung die Fahrt wegen rechts abgestellter Fahrzeuge nicht geradeaus fortsetzen, so sollen die Fahrer der rechten Schlange den Vortritt unter weiterer Anwendung des Reißverschlußprinzips haben' 9 4 ). b)
Linksabbieger
Schwierig ist bei starkem Verkehr die Lage der Linksabbieger, die bei Grünlicht in die Kreuzung einfahren und dann in der Kreuzung halten mußten, um den bevorrechtigten Gegenverkehr durchfahren zu lassen (§ 9 Abs. 3). Zwar hilft ihnen das Lichtzeichen „Grünpfeil" (§ 37 Abs. 2 N r . 1) das ihm die Gewähr bietet, daß der Gegenverkehr durch R o t licht abgestoppt ist. Wird aber dieses Zeichen nicht verwendet, dann kann der Linksabbieger in der Regel nicht sicher sein, ob der Gegenverkehr bereits Rotlicht hat. Zwar verliert der Gegenverkehr sein Vorrecht gegenüber dem Linksabbieger, sobald ihm die Einfahrt in die Kreuzung durch Rotlicht genommen wird. Wird festgestellt, daß der Gegenverkehr bei Rotlicht in die Kreuzung einfuhr, dann verstößt der Linksabbieger objektiv nidit gegen seine Wartepflicht gegenüber dem Gegenverkehr. Dann k o m m t es darauf nicht entscheidend an, ob er nach Sachlage darauf vertrauen durfte, daß der Gegenverkehr bereits Rotlicht hatte 6 9 5 ). Ist aber davon auszugehen, daß der Gegenverkehr noch bei Gelblicht eingefahren war, dann kann sich der Linksabbieger nicht mit Erfolg damit verteidigen, er habe darauf vertrauen dürfen, daß der Gegenverkehr Rotlicht habe. Darauf, daß ein Entgegenkommender bereits bei Gelblidit vor der Kreuzung anhält, darf der Linksabbieger selbst dann nicht vertrauen, wenn andere Fahrzeuge des Gegenverkehrs bereits angehalten werden, denn der Linksabbieger kann nicht mit genügender Sicherheit voraussehen, wer anhalten und wer durchfahren wird. Kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Entgegenkommende beim Umschalten der Ampel von Grün auf Gelb noch soweit entfernt war, daß er ohne Gefahrenbremsung vor der Kreuzung hätte anhalten können, dann trifft den Linksabbieger zwar nicht der Vorwurf, gegen § 9 Abs. 3 verstoßen zu haben, weil •8°) BGH 20. 12. 67, VRS 34, 358; Stuttgart 3. 5. 67, VRS 33, 376 = VerkMitt. 67, 78; BayObLG 12. 7. 67, DAR 67, 3 » ; vgl. dazu Mühlhaus in DAR 67, 313, 317. •91) Hamburg 24. 1. 67, VersR 67, 814. 2 8» ) Celle 13. 8. 58, NdsRpfl. 58, 216 = NJW 58, 1648.
«9») BGH 20. 12. 67, VRS 34, 358; Celle 16. 10. 61, MDR 62, 52 = NdsRpfl. 61, 280; KG 14. 12. 67, VRS 34, 466; 7. 3. 68, VRS 35, 358; Köln 17. 5. 68, VRS 36, 72. 94 « ) Hamm 20. 3. 69, JMB1. NRW 70, 44; vgl. BayObLG 13. 1. 70, VRS 39, 289. «W) Köln 27. 3. 62, VRS 23, 108 = JMB1. NRW 62, 237 = DRspr. II (291) 100 b, c.
§ 1
Möhl
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dieser zur Voraussetzung hat, daß der Gegenverkehr zur Einfahrt in die Kreuzung befugt war. Dagegen kann sich der Linksabbieger nicht vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 befreien, weil erfahrungsgemäß zahlreiche Fahrzeugführer bei Gelblicht in eine Kreuzung einfahren, auch wenn sie ohne Schwierigkeit vor ihr anhalten könnten. Der Abbieger kann sich deshalb nicht mit Erfolg auf den Vertrauensgrundsatz berufen 6 9 6 ). D a ß auch für den Linksabbieger die Pflicht besteht, auf Nachzügler, und zwar nicht nur des Querverkehrs, sondern auch des Gegenverkehrs Rücksicht zu nehmen, ist selbstverständlich. Von dieser allgemeinen Rücksichtspflicht befreit ihn auch nicht der Grünpfeil 6 9 7 ). Wer sich vor dem Linksabbiegen, aus welchem Grund auch immer, nicht links zur Mitte eingeordnet hat, muß beim Abbiegen darauf achten, daß er nicht Fahrzeugen, die links von ihm aufgefahren sind, den Weg abschneidet. Das gilt auch dann, wenn der Linksabbieger rechtzeitig das linke Richtungszeichen gesetzt hatte und wenn der Zwischenraum zur Straßenmitte für ein weiteres Fahrzeug nur knapp ausreicht 698 ). Ähnlich muß der Rechtsabbieger, der sich vor dem Abbiegen nicht ganz rechts eingeordnet hat, rechts von ihm aufgefahrene Fahrzeuge durchfahren lassen, ehe er abbiegt 699 ). Wer bei Grünlicht oder nach dem Phasenwechsel noch befugt in die Kreuzung einfährt, darf darauf vertrauen, daß ihn ein entgegenkommender Linksabbieger nach § 9 Abs. 3 durchfahren lassen wird. Die Pflicht, auf Nachzügler Rücksicht zu nehmen, gilt hier nicht, weil der Linksabbieger gegenüber dem Entgegenkommenden wartepflichtig ist, während Nachzügler aus dem Querverkehr gegenüber den nach dem Phasenwechsel Einfahrenden bevorrechtigt sind. Wenn erkennbar wird, daß der Linksabbieger seiner Wartepflicht nicht genügt, darf der Entgegenkommende freilich sein Vorrecht nicht erzwingen 700 ). 159
Sonstige Kreuzungen Wer sich an einer trichterförmig erweiterten Einmündung äußerst rechts einordnet, muß, wenn er statt, wie zu erwarten, nach rechts abzubiegen, die Kreuzung geradelinig überqueren will, den ordnungsgemäß links von ihm aufgefahrenen Fahrzeugen den Vortritt lassen 701 ). D e r Wartepflichtige verletzt seine Pflicht, wenn er in die Kreuzung einfährt, obwohl er voraussehen kann, daß er durch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer an der zügigen Räumung der Kreuzung verhindert sein wird 7 0 2 ). Das Zeichen „Verkehrsverbot für Fahrzeuge aller A r t " (Zeichen 250, früher Bild 11 der Anlage zur StVO) an einer Straßeneinmündung rechtfertigt nicht die Annahme, daß aus dieser Einmündung kein Fahrzeug ausfahren werde 703 ). Zeigt eine hinter der Kreuzung angebrachte, den Verkehr an einer Engstelle regelnde Verkehrsampel Rotlicht, dann verliert der die Kreuzung überquerende Vorfahrtsberechtigte sein Vorrecht auch dann nicht, wenn ein nicht als amtliches Verkehrszeichen ausgestattetes Schild verlangt, bei Rotlicht (hinter der Kreuzung) vor der Kreuzung zu warten. E r darf in diesem Falle aber nicht auf die Beachtung seiner Vorfahrt vertrauen 7 0 4 ).
160
Tiere Im folgenden werden die für das Verhalten des Kraftfahrers gegenüber Tieren geltenden Grundsätze erläutert (mit Ausnahme der Zugtiere von Fuhrwerken; s. oben R N r . 112). Mit den Pflichten des Tierhalters befaßt sich § 28. Tiere sind keine Verkehrsteilnehmer. Auf verkehrsgemäßes Verhalten von Tieren, die sich nicht in der Obhut von Menschen befinden, darf in der Regel nicht vertraut werden. Auch der Tierhalter ist nicht schon deshalb Verkehrsteilnehmer, weil sich ein Tier, dessen Beaufsichtigung ihm obliegt, auf öffentlichen Verkehrs) BayObLGSt. 68, 23 (21. 2. 68) = VerkMitt. 68, 42 = DAR 68, 336 = VRS 35, 381; vgl. Hamm 30. 6. 66, VRS 32, 147. 7 «° ) KG 14. 4. 60, VRS 19, 59 = DRspr. II (291) 68 d. 6 9 8 ) Köln 6. 2. 62, JMB1. NRW 62, 86 = DRspr. II (291) 95 b. 6 » 9 ) Köln 21. 6. 60, DAR 61, 23. 7 0 0 ) Hamburg 20. 1. 65, VRS 28, 447 = Verk6M
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™) 702
)
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)
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)
Mitt. 65, 51 = DRspr. II (291) 127 e; BayObLG 4. 2. 70, 1 a Ws 82/1969. Hamm 15. 3. 66, VRS 31, 460 = DRspr. II (291) 150 c. KG 2. 5. 63, VRS 25, 141 s. nunmehr audi § 11 Abs. 1. BGH(Z) 22. 1. 63, VkBl. 64, 14 = DAR 63, 193. BayObLG 30. 6. 70, VerkMitt. 60, 67.
Tiere
StVO
§ 1
grund befindet. Vielmehr muß eine unmittelbare räumliche Beziehung zum Verkehrsgesdiehen dazukommen, um den Tierhalter zum Verkehrsteilnehmer zu madien705). Die Schwierigkeit, sich gegenüber Tieren auf der Fahrbahn richtig zu verhalten, liegt für den Kraftfahrer darin, daß er instinktiv eine Verletzung von Tieren zu vermeiden sucht, ohne zu bedenken, daß er dabei Menschen gefährden kann. Die Überwindung des Instinkts fällt gerade sensiblen Menschen schwer, mit der eigenartigen Folge, daß sich der Gemütsarme, dem es nichts ausmacht, ein Reh oder einen Hund totzufahren, vom menschlichen Standpunkt aus richtiger verhält als der Gemütsvolle. Vor allem auf kleine Tiere Rücksicht zu nehmen wird dem Kraftfahrer nur gestattet, wenn ihm das ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit möglich ist706). Er muß sich von vornherein darauf einstellen, daß er ein kleines Tier (das ihn nicht in Gefahr bringt), überfahren muß, wenn durch Bremsen oder Ausweichen die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden könnte 707 ). Muß der Kraftfahrer mit dem Auftauchen von Kleintieren auf der Fahrbahn rechnen (z. B. auf einer Nachtfahrt), dann darf er auch nicht erschrecken. Eine falsche Schreckreaktion entschuldigt ihn nicht. Auch eine willenlose Reflexhandlung kann er nicht mit Erfolg geltend machen708). Wieweit der Kraftfahrer damit rechnen muß, daß sich Tiere auf der Fahrbahn befinden oder von der Seite her in diese eindringen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Läuft ein Hund bei Annäherung eines Kraftfahrzeuges von der Fahrbahn weg 20—30 m weit in eine Wiese, dann braucht der Fahrzeugführer nicht damit zu rechnen, daß er plötzlich kehrtmacht und ihm vor den Wagen läuft 708 ). Dagegen soll der Kraftfahrer bei Nacht 1 km vor einer Ortschaft damit zu rechnen haben, daß ihm eine Katze in die Fahrbahn springt710). Wird ein Kraftfahrer dagegen ohne sein Verschulden durch die von einem Tier verursachte Gefahr überrascht, hat er Anspruch auf Zubilligung einer „Schrecksekunde"711). Dem mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrer sind vor allem Rehe gefährlich, weil ein Aufprall dazu führen kann, daß der Fahrer die Herrschaft über das Fahrzeug verliert. Deshalb muß der Kraftfahrer beim Befahren eines Waldstückes, aus dem Wild auch außerhalb eines ständigen Wechsels plötzlich heraustreten und auf die Fahrbahn gelangen kann, seine Geschwindigkeit herabsetzen und sein Augenmerk auch auf die Straßenränder und deren seitliche Umgebung richten 712 ). Fährt ein Kraftfahrer langsam, weil er ein neben der Straße stehendes Reh bemerkt hat, so ist ihm bei Gegenverkehr zuzumuten, von einem Ausweichen auf die linke Fahrbahnhälfte abzusehen, wenn das Reh auf die Fahrbahn tritt 713 ). Kann der Kraftfahrer beim Vorbeifahren an einem Tier (Hund) einen angemessenen Abstand einhalten, dann handelt er fehlerhaft, wenn er diesen Abstand nicht einhält. Dieselbe Vorsicht wie beim Vorbeifahren an einem unbeaufsichtigten kleinen Kind kann aber nicht verlangt werden714). Die dem Tierhalter in § 28 Abs. 1 auferlegte Pflicht, Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, von der Straße fernzuhalten, befreit den Kraftfahrer nicht von der Pflicht, auf solche Tiere zu achten, wenn damit zu rechnen ist, daß der Tierhalter seiner Pflicht nicht nachkommt. So wird der Kraftfahrer auch heute noch in ländlicher Gegend damit rechnen müssen, daß Enten über die Straße laufen 715 ). Unklare Verkehrslage Der Begriff der „unklaren Verkehrslage", wie er in § 5 Abs. 3 Nr. 1 gebraucht wird, unterscheidet sich von dem Begriff der unübersichtlichen Stelle (§ 8 Abs. 2)716). Zwar ist auch 705
) Hamburg 29. 10. 68, MDR 69, 73 = DRspr. II (291) 166 a. 7M ) KG 20. 7. 67, VRS 34, 108. 707 ) Hamm 3. 12. 64, VRS 28, 383 = VkBl. 65, 520 = DRspr. II (291) 127 f. ™8) Frankfurt 16. 12. 64, VRS 28, 364. 70 ») BayObLG 28. 10. 70, 2 St 178/1970. 710 ) Neustadt 19. 6. 63, VRS 26, 205.
711
) ) ) 714 ) 715)
BGH(Z) 2. 11. 65, VersR 66, 143. Celle 9. 6. 66, VersR 67, 382. München 24. 1. 66, VRS 31, 328. Stuttgart 9. 8. 63, DAR 64, 170. Vgl. für die frühere Rechtslage Oldenburg 18. 4. 61, NdsRpfl. 61, 133 = DAR 61, 344. 71 «) Mühlhaus, DAR 69, 312.
712
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§ 1 stvo
Möhl
an unübersichtlicher Stelle die Verkehrslage unklar, soweit sie hinter dem Sichthindernis liegt. Trotzdem spricht man hier nicht von einer unklaren Verkehrslage. Denn der K r a f t f a h r e r muß auf Sicht fahren. Wird die Sicht behindert, dann muß er seine Geschwindigkeit der behinderten Sicht anpassen. Für ihn ist die Verkehrslage insofern klar. Unklar wird die Verkehrslage, wenn mit dem Eindringen von Hindernissen von der Seite her in die einsehbare Strecke gerechnet werden muß. Solche Hindernisse können andere Verkehrsteilnehmer oder auch leblose Gegenstände sein (Lawine). Schließlich kann die Unklarheit dadurch entstehen, daß bei sonst ausreichenden Sichtverhältnissen einzelne Gegenstände oder Lichter nur ungenau erkennbar sind 717 ). Durch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer wird die Verkehrslage unklar, wenn nicht erkennbar ist, wie sie sich weiter verhalten werden und wenn sich daraus die Möglichkeit einer künftigen Gefahr ergibt. Muß mit einem ordnungswidrigen Verhalten gerechnet werden, dann wird damit das Vertrauen in ordnungsmäßiges Verhalten ausgeschlossen. Allerdings beseitigt nicht jede geringfügige Unklarheit das berechtigte Vertrauen. Soweit die Rechtsprechung bei bestimmten Verkehrslagen zu klaren Grundsätzen gelangt ist, kann der Fall eintreten, daß auf weiteres verkehrsgerechtes Verhalten selbst dann vertraut werden darf, wenn der andere Verkehrsteilnehmer sich nicht ganz korrekt verhält. So gilt der Grundsatz, daß der Vorausfahrende auch dann links überholt werden darf, wenn er sich zur Mitte eingeordnet und seine Geschwindigkeit herabgesetzt, aber kein Richtungszeichen gegeben hat 718 ). Denn die Absicht, nach links abzubiegen, wird wirksam erst durch das Richtungszeichen angezeigt. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ohne Ausnahmen: Falls erkennbar ist, daß der Vorausfahrende aus technischen Gründen gehindert ist, rechtzeitig ein Richtungszeichen zu geben (z. B. Landarbeiter mit Sense auf Fahrrad), muß damit gerechnet werden, daß er abbiegen will, die Verkehrslage wird unklar. Aber auch wenn es naheliegt, daß der Vorausfahrende das Richtungszeichen aus Unbesonnenheit nicht oder zu spät geben wird, wie dies in ländlichen, verkehrsarmen Gegenden der Fall sein kann, soll das Vertrauen ausgeschlossen sein, mit der Folge, daß von einer unklaren Verkehrslage auszugehen ist 71 '). Wenn im Normalfall die Verkehrslage f ü r den, der ein zwar zur Mitte eingeordnetes, aber die beabsichtigte Richtungsänderung nicht anzeigendes Fahrzeug links überholt, nicht unklar ist, so ist sie es doch f ü r den iJec&fjüberholer. Er darf sich keinesfalls darauf verlassen, daß der zur Mitte Eingeordnete nach links abbiegen werde, solange dieser nicht das linke Richtungszeichen gesetzt hat 710 ). Von dem Fall, daß der Linksabbieger sich zwar eingeordnet aber kein Richtungszeichen gegeben hat, zu unterscheiden ist der Fall, daß er zwar ein Richtungszeichen gegeben, sich aber nicht eingeordnet hat. In diesem Fall darf links nicht mehr überholt werden, aber auch nicht rechts (vgl. § 5 Abs. 7). Die Verkehrslage ist unklar 7 2 1 ). Gibt an einer gabelartig nach rechts abzweigenden Seitenstraße ein Radfahrer kein rechtes Richtungszeichen, so darf ein Nachfolgender auch dann nicht darauf vertrauen, daß er nach rechts abbiegt, wenn er in einem leichten Bogen über die Fluchtlinie der geradeaus weiterführenden Straße hinaus in den Einmündungstrichter der nach rechts abbiegenden Straße gerät. Die Verkehrslage ist unklar 7 2 2 ). Wer sich einer Straßenstelle nähert, auf der in Gegenrichtung ein Lastzug abgestellt ist, braucht zwar nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß hinter diesem Lastzug hervor ein Fahrzeug ausschert und ihm die Fahrbahn blockiert. Kommen aber mehrere Fahrzeuge entgegen, von denen die beiden ersten den Lastzug schon umfahren haben, dann soll ein besonders sorgfältiger Fahrer (im Sinne des § 7 StVG) in Betracht ziehen müssen, daß hinter den beiden ersten Fahrzeugen noch ein weiteres an dem abgestellten Lastzug vorbeifahren werde 728 ). Eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1, 3 Abs. 1 wird ihm aber nicht zur Last gelegt 717 ) 718
BGH 19. 5. 67, VRS 33, 120. ) BayObLGSt. 63, 215 (13. 11. 63) = VRS 26, 308 mit Nadiweisungen. 71 ») BGH 17. 5. 63, VRS 25, 52. 136
72
°) BayObLGSt. 65, 126 (27. 10. 65) = VRS 30, 71. BGH 8. 12. 61, VRS 22, 131. ) BayObLG 18. 12. 68, 1 a St 370/1968. 723 ) BGH(Z) 24. 11. 67, VRS 34, 283.
721 ) 722
Unklare Verkehrslage
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werden können. Die Verkehrslage war solange nicht „unklar", als der Fahrzeugführer d a f ü r keinen Anhaltspunkt hatte, daß ein drittes Fahrzeug nachfolgen könne. Ist erkennbar, daß ein anderer Verkehrsteilnehmer es an der notwendigen Aufmerksamkeit fehlen läßt, dann ist die Verkehrslage f ü r einen Kraftfahrer, dessen Fahrlinie sidi dem anderen nähert, unklar. Typisch ist der Fall des Fußgängers, der die Fahrbahn überquert, ohne auf das herannahende Kraftfahrzeug zu achten. Hier darf der K r a f t f a h r e r weder darauf vertrauen, daß ihn der Fußgänger bemerkt hat, noch daß er ihn rechtzeitig bemerken, nodi daß er dann richtig reagieren wird. Die Verkehrslage ist für den K r a f t f a h r e r unklar™). Verhält sich ein anderer verkehrswidrig, dann darf weder darauf vertraut werden, daß er sein fehlerhaftes Verhalten noch rechtzeitig korrigiert, noch daß er es beibehält. Die Verkehrslage ist unklar 72 *). Unklar kann die Verkehrslage auch dadurch werden, daß ein anderer Verkehrsteilnehmer seine Fahrweise auffallend verändert, ohne daß der K r a f t f a h r e r die Giünde für diese Veränderung erkennen kann. Setzt auf der Überholfahrbahn der Bundesautobahn ein vorausfahrendes Fahrzeug seine Geschwindigkeit erheblich herab, weil die Windschutzscheibe zerstört wurde, muß der Nachfolgende in Betracht ziehen, daß der Vorausfahrende durch eine ungewöhnliche Störung zur Herabminderung der Geschwindigkeit gezwungen ist, auch wenn f ü r ihn nicht ersichtlich ist, welcher Art diese Störung ist72®). Ist damit zu redinen, daß ein Richtungszeichen wegen ungünstigen Sonnenstandes nicht klar erkennbar ist, dann darf der Nachfolgende aus dem Umstand, daß er am vorausfahrenden Fahrzeug kein Richtungszeichen wahrnimmt, nicht ohne weiteres den Schluß ziehen, dieses werde geradeaus weiterfahren. Er muß sich vielmehr wegen der unklaren Verkehrslage auf die Möglichkeit des Abbiegens einrichten 727 ). Auch f ü r den, der eine unklare Verkehrslage verursacht, können daraus besondere Pflichten erwachsen. So m u ß t e sich derjenige, der innerhalb einer geschlossenen Ortschaft k u r z nach dem Linkseinbiegen in eine Straße erneut nach links in eine andere Straße abbiegen wollte, schon nach f r ü h e r e m Recht v o r dem zweiten Abbiegen davon überzeugen, daß kein schnellerer Verkehrsteilnehmer überholen will. Durch das zweimalige Linksabbiegen war die Verkehrslage f ü r Nachfolgende unklar geworden 7 2 8 ). Zu den Fällen unklarer Verkehrslage zählen auch Menschenansammlungen im Straßenbereich, bei deren Teilnehmern mit Unaufmerksamkeit und mit unberechenbaren Reaktionen zu rechnen ist. So sammeln sich an Unfallstellen häufig zahlreiche Neugierige, die durch das lebhafte Interesse an den Unfallfolgen abgelenkt werden und deshalb, ebenso wie die Unfallbeteiligten, auf den fließenden Verkehr nicht achten. Deshalb darf sich ein K r a f t f a h r e r , der vor sich Anzeichen eines noch nicht polizeilich abgesicherten Verkehrsunfalls wahrnimmt (z. B. nachts zahlreiche Lichter), dieser für ihn ungeklärten Verkehrslage nur mit gehöriger Vorsicht nähern und muß beim Vorbeifahren ausreichenden Abstand halten 729 ). Ähnliches gilt bei Lokalterminen eines Gerichts im Straßenbereich und bei Menschenansammlungen vor Theatergebäuden nach Schluß der Vorstellung 730 ). Die Unklarheit der Verkehrslage kann sich auch aus der Zweckbestimmung einer öffentlichen Straße ergeben. So ist auf der Ladestraße eines Güterbahnhofs jederzeit mit Fahrmanövern anderer Fahrzeuge zu rechnen, die dem Zweck des Be- und Entladens dienen. Deshalb ist die Verkehrslage dort „unklar", jeder Benutzer der Ladestraße muß sich darauf einstellen 731 ). Ist auf der rechten Seite einer Fahrbahn der Autobahn ein Hinweisschild „Unfall" 724 ) 72
Hamburg 1. 12. 65, VerkMitt. 66, 29. ») BGH(Z) 18. 10. 60, VRS 20, 2; BGH 12. 5. 61, VRS 21, 53; BayObLGSt. 66, 68, 72 (5. 7. 66) = VerkMitt. 66, 65 = VRS 31, 374. 72 ») Koblenz 5. 9. 63, DAR 64, 279. 727 ) BayObLGSt. 64, 41, 43 (18. 3. 64) = VRS 27, 141.
"8) Düsseldorf 12. 5. 66, VerkMitt. 66, 62. Neustadt 20. 1. 59, VRS 17, 68; Köln 6. 3. 64, VRS 27, 111; Saarbrücken 22. 10. 65, VerkMitt. 66, 6. 73 ») BGH(Z) 12. 4. 60, VersR 60, 737. 7S1 ) Oldenburg 4. 5. 66, VerkMitt. 66, 54 = DRspr. II (291) 144 b. 137
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aufgestellt, so muß ein herannahender K r a f t f a h r e r damit rechnen, daß die durch den U n f a l l entstandene Gefahrenstelle sich auch auf die Überholbahn ausdehnt 7 3 2 ). U n k l a r kann eine Verkehrslage auch deshalb sein, weil die Rechtslage unklar ist. In einem solchen Fall muß jeder der Beteiligten von der Rechtsdeutung ausgehen, die für ihn ungünstiger ist. Keiner darf sich auf die ihm günstige Rechtsdeutung berufen. Denn er darf nicht darauf vertrauen, daß sie der andere teilt 7 3 3 ). Wie sich der K r a f t f a h r e r bei unklarer Verkehrslage zu verhalten hat, ergibt sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls. In der Regel wird sich die unklare Verkehrslage auf die Geschwindigkeit auswirken müssen; vgl. hierzu § 3 R N r . 35. Beim Einfahren in eine unklare Verkehrslage ist aber in jedem Fall auch erhöhte Aufmerksamkeit geboten 7 3 4 ). H ä u fig wird Anlaß bestehen, ein Warnzeichen zu geben, wenn die unklare Lage durch U n a u f merksamkeit oder regelwidriges Verhalten eines anderen verursacht wurde 7 3 5 ); vgl. § 16 R N r . 7. Warnposten Beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und Rückwärtsfahren, ferner beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße oder von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn hat sich der Fahrzeugführer „erforderlichenfalls" einweisen zu lassen (§ 9 Abs. 5, § 10). D i e Pflicht, sich eines Warnpostens oder Einweisers zu bedienen wurde früher aus § 1 hergeleitet. Auch in anderen, als dem in der neuen S t V O ausdrücklich aufgeführten Fällen kann sich die Notwendigkeit eines Warnpostens ergeben. Insoweit ergibt sich die Pflicht nur aus § 1. Auch im übrigen wird man sich im wesentlichen an die aus § 1 hergeleitete frühere Rechtsprechung über die Notwendigkeit der Verwendung eines Warnpostens halten können. Wer ein gefährliches Fahrmanöver ausführt, bei dem die Verwendung eines Warnpostens sinnvoll wäre, verstößt nur dann gegen seine Sorgfaltspflicht, wenn ihm die Verwendung eines Warnpostens nach Sachlage zuzumuten war. D a s hängt zunächst davon ab, ob eine Person vorhanden ist (etwa ein Beifahrer), die geeignet ist, den K r a f t f a h r e r einzuweisen und den übrigen Verkehr zu warnen. Fehlt es an einer solchen Person, dann wird in der Regel ein Schuldvorwurf auf die NichtVerwendung eines Warnpostens nicht gestützt werden können. Einen Beifahrer schreibt das Gesetz selbst für schwere Lastzüge nicht vor 7 3 8 ). Allerdings kann sich f ü r einen Fahrzeugführer, der keine Person findet, die ihn einweisen könnte, die Verpflichtung ergeben, das gefährliche Fahrmanöver ganz zu unterlassen oder soweit dies möglich ist, durch ein anderes, weniger gefährliches zu ersetzen (z. B. statt nach rechts nach links abzubiegen oder umgekehrt und später an geeigneter Stelle zu wenden) oder sonst geeignete Maßnahmen zu ergreifen (Dauerhupton, Warnblinklicht) 7 3 7 ). Ist eine Person vorhanden, die als Warnposten in Frage kommt und erfüllt diese ihre A u f g a b e schlecht, dann erhebt sich die weitere F r a g e wie weit der Fahrer für den von ihm eingesetzten Warnposten verantwortlich ist und wie weit er ihn in seine A u f g a b e einweisen muß. H a n d e l t es sich um den Beifahrer eines Lastwagens oder Lastzuges, der schon öfter die Absicherung schwieriger Bewegungen im Straßenverkehr sachgemäß durchgeführt hat, dann kann eine besondere Belehrung entbehrlich sein. Eine Überwachung des Warnpostens während der Durchführung des gefährlichen Fahrmanövers scheidet in der Regel deshalb aus, weil der Fahrzeugführer j a gerade deshalb der H i l f e eines Warnpostens bedarf, weil er bei der Durchführung des Fahrmanövers nicht in der L a g e ist, auf den übrigen Verkehr ausreichend zu achten. Doch muß er sich u. U . davon vergewissern, daß der von ihm beauftragte seine Warntätigkeit aufgenommen hat 7 3 8 ). ) Düsseldorf 29. 8. 57, VerkMitt. 57, 73. ) Köln 8. 11. 63, N J W 64, 311 = DAR 64, 49 = VerkMitt. 64, 31 = DRspr. II (291) 117 a. 7 3 4 ) B G H 24. 11. 67, VRS 34, 283. 73®) BGH 12. 5. 61, VRS 21, 53.
«) BGH 24. 7. 64, VRS 27, 267. ) BayObLG 28. 5. 63, 2 St 172/1963; Oldenburg 17. 3. 53, N J W 53, 1077; Düsseldorf 28. 5. 62, VerkMitt. 62, 57. 7 3 8 ) Köln 21. 12. 56, VRS 12, 298.
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W a r n p o s t e n ; Fuhrwerkslenker
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Die Verwendung eines Einweisers oder Warnpostens ist nur dann geboten, wenn trotz A u f w e n d u n g aller möglichen Sorgfalt die G e f ä h r d u n g des übrigen Verkehrs nicht ausgeschlossen werden kann. O b dies der Fall ist, ist T a t f r a g e . Ein solcher Fall wurde z. B. bejaht, wenn bei Nacht oder starkem Nebel ein schwerer Lastzug aus einem Nebenweg oder von einem Grundstück aus auf die Fahrbahn einbiegt und die für die völlige Einordnung in den dortigen Verkehr notwendige Zeitspanne beträchtlich ist. Denn während des Einbiegens wird der bevorrechtigte Durchgangsverkehr weder durch die Scheinwerfer nodi durch die Schlußlichter des Einbiegers gewarnt. Z w a r sollten alle K r a f t f a h r e r auf Sicht fahren, d. h. nicht schneller als daß sie innerhalb der durch das Licht ihrer Scheinwerfer ausgeleuchteten Straße anhalten können. D e r Einbieger muß aber in Rechnung stellen, daß erfahrungsgemäß die meisten Fahrzeugführer bei Abblendlicht zu schnell fahren. D e r G e f a h r kann durch einen Warnposten begegnet werden, der allerdings mit einer Leuchte ausgerüstet sein muß, falls die Fahrbahn nicht anderweitig ausreichend beleuchtet ist 7 3 9 ). Auch bei der Vorbeifahrt an einem Hindernis auf schmaler Fahrbahn kann der Fahrzeugführer verpflichtet sein, sich durch einen Mitfahrer einweisen zu lassen, wenn er in unübersichtlicher K u r v e die Gegenfahrbahn in Anspruch nehmen muß 7 4 0 ). H a t der Fahrzeugführer selbst ausreichende Beobachtungsmöglichkeiten, dann kann er seine Verantwortung nicht auf eine Hilfsperson abwälzen 7 4 1 ). Ist dagegen seine Sicht aus technischen Gründen so stark beeinträchtigt, daß er die von ihm befahrene Straßenstelle nicht einsehen kann, dann muß er sich eines Einweisers bedienen. Ein solcher Fall wurde bei einem Baggerführer angenommen, der den Bagger rückwärts in Bewegung setzte, obwohl er den R a u m unmittelbar hinter dem Bagger nicht einsehen konnte 7 4 2 ). c) Sorgfaltspflicht der übrigen Verkehrsteilnehmer Vorbemerkung: Für nicht motorische Fahrzeuge (Fuhrwerke — Pferdewagen, H a n d w a g e n und -karren — und R a d f a h r e r ) sowie Reiter, Fußgänger und Viehtreiber galten bis zum Inkrafttreten der R S t V O 1934 die landesrechtlichen, dem Muster der S t r V O 1926 (Wortlaut: 8. A u f l a g e dieses Buchs S. 1092; siehe auch R T a g s V o r l R V M N r . 2537 vom 10. 6. 26) nachgebildeten Straßenverkehrsordnungen der deutschen Länder. D a s Muster war auf die damaligen Vorschriften zur Regelung des K r a f t v e r k e h r s (VüKVerk., Fassung vom 28. 7. 26, R G B l . I 425) vielfach sogar wörtlich, abgestimmt, so daß f ü r den übrigen Verkehr in weitem U m fange das gleiche galt. In diesem U m f a n g war also das Muster Wiederholung der reichsrechtlichen Kraftverkehrsvorschriften. Seit der S t V O 1937 sind die Vorschriften über den motorischen wie den übrigen Verkehr in der S t V O zusammengefaßt. Während die S t V O 1937 unterteilt war in allgemeine Vorschriften und in Vorschriften für die einzelnen Arten von Verkehrsteilnehmern, war der Schöpfer der neuen S t V O bestrebt, den S t o f f nach Themenkreisen zu ordnen. Dieses System wurde aber gelegentlich durchbrochen. S o sind in §§ 25, 26 die Vorschriften über Fußgänger zusammengestellt. Im folgenden wird die Sorgfaltspflicht der Fuhrwerkslenker, der R a d f a h r e r , der Straßenbahnführer im einzelnen und die sonstiger Verkehrsteilnehmer in einem Sammelabschnitt dargelegt. aa) Fuhrwerkslenker
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Für Fuhrwerkslenker gelten neben der Grundregel des § 1 die in § 2 f. enthaltenen Regeln für den Fahrzeugverkehr. § 17 Abs. 4 S. 3 enthält eine Sondervorschrift für den Fuhrwerksverkehr, nämlich das Verbot, unbespannte Fuhrwerke auf der Fahrbahn stehen zu lassen. D i e allgemeine Sorgfaltspflicht des Fuhrwerkslenkers ergibt sich aus den besonderen Eigenschaften des mit Zug™>) B G H 7. 10. 60, VRS 19, 434; BayObLG 28. 4. 65, 1 a St 809/1964; Stuttgart 26. 2. 57, VersR 57, 619; Hamburg 3. 1. 61, VerkMitt. 61, 28; a. M. Oldenburg 21. 12. 60, DAR 61, 310 = MDR 61, 413.
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°) Schleswig 28. 7. 65, VerkMitt. 65, 77. ) Bremen 22. 7. 64; VerkMitt. 65, 7. ) K G 9. 1. 67, VRS 33, 8.
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tieren bespannten Fuhrwerks. Wenn sich auch die Zugtiere im L a u f e der Zeit an den K r a f t fahrverkehr gewöhnt haben, muß doch immer berücksichtigt werden, daß das Verhalten von Tieren nicht so berechenbar ist wie das v o n Maschinen. Nach § 23 Abs. 1 m u ß der Fahrzeugführer d a f ü r sorgen, daß das Gespann sowie die L a d u n g und die Besetzung des Fahrzeugs vorschriftsmäßig sind und daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die L a d u n g oder Besetzung nicht leidet. Leicht scheuende Pferde sind deshalb als Zugtiere auf verkehrsreicher Straße ungeeignet. N a c h § 23 Abs. 2 muß der Fahrzeugführer das Fahrzeug, falls unterwegs auftretende Mängel, welche die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigen, nicht alsbald beseitigt werden, auf dem kürzesten Wege aus dem Verkehr ziehen. Zu diesen Mängeln gehören auch Mängel des Gespanns z. B. starke N e r v o s i t ä t der Tiere. Gehörige Vorsicht im Sinne des § 1 beachtet ein Gespannführer nur, wenn er in dauernder Aufmerksamkeit auf P f e r d und Weg sich die ununterbrochene Herrschaft über sein Gespann bewahrt. Bei Anwendung der allgemein für den Fahrzeugverkehr geltenden Regeln muß der Fuhrwerkslenker häufig wegen der Schwerfälligkeit seines Fahrzeugs und der Unberechenbarkeit der Zugtiere erhöhte S o r g f a l t aufwenden. Schon unter der Geltung der S t V O 1937, die besondere Vorschriften f ü r das Vorbeifahren an Hindernissen nicht kannte, wurde von dem Führer eines Pferdegespanns, der auf verkehrsreicher Straße an einem parkenden Fahrzeug vorbeifahren will, verlangt, seine Absicht durch ein Richtungszeichen anzukündigen oder vor dem Ausscheren zurückzuschauen 7 4 3 ). N a c h § 6 der geltenden S t V O muß er nicht nur auf den nachfolgenden Verkehr achten, sondern auch das Ausscheren — wie beim Oberholen — ankündigen. Begegnet auf schmaler Straße ein Pferdefuhrwerk einem Lastzug, so muß der Lenker des Pferdefuhrwerks rechtzeitig vor der Begegnung absteigen, sein Pferdegespann an den äußersten rechten R a n d der Fahrbahn führen und dort anhalten 7 4 4 ). A u f einem Feldweg, auf dem mit K r a f t v e r k e h r nicht zu rechnen ist, reicht natürlich ein geringeres M a ß an Vorsicht aus als auf verkehrsreicher Straße. D o r t darf der Fahrzeugführer sogar die Leine vorübergehend einem K i n d überlassen, wenn er sie jederzeit wieder ergreifen kann 7 4 5 ). Weitere Nachweise zur früheren Rechtslage s. 21. A u f l . dieses Kommentars S. 754 f.
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bb) Radfahrer Während die S t V O 1937 den R a d f a h r e r n einen eigenen Abschnitt mit 7 Paragraphen gewidmet hatte, finden sich die Spezialvorschriften für R a d f a h r e r in der neuen S t V O an verschiedenen Stellen verstreut. § 2 Abs. 4 (Straßenbenutzung); § 9 Abs. 2 (Abbiegen); § 9 Abs. 3 (Vorrecht gegenüber Abbiegern); § 17 Abs. 4 (Abstellverbot f ü r unbeleuchtete Fahrräder); § 21 Abs. 3 (Mitnahme von Kindern auf Fahrrädern); § 23 Abs. 2 (Schieben unbeleuchteter Fahrräder); § 27 Abs. 1 (Verband von R a d f a h r e r n ) ; § 28 Abs. 1 (Führen von Tieren von Fahrrädern aus) dazu die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung § 46 Abs. 1 N r . 6 ; § 40 Zeichen 138 (Radfahrer kreuzen); § 41 Zeichen 237 ( R a d w e g e ) ; § 42 Zeichen 442 (Richtungspfeil). D i e Grundsätze für das Verhalten gegenüber R a d f a h r e r n wurden oben R N r . 143—147 behandelt. Z u r Sorgfaltspflicht beim ö f f n e n der Wagentür s. § 14 R N r . 3, 4. D e r R a d f a h r e r hat grundsätzlich die gleichen Pflichten wie der K r a f t f a h r e r . Für die Frage, ob den an einem Verkehrsunfall beteiligten R a d f a h r e r ein Mitverschulden t r i f f t , gelten deshalb sinngemäß die gleichen Grundsätze, wie sie die Rechtsprechung entwickelt hat, um die Anforderungen abzugrenzen, die an die Sorgfaltspflicht des K r a f t f a h r e r s zu stellen sind 7 4 6 ). D e r R a d f a h r e r muß aber zusätzlich bei seinem Fahrverhalten bedenken, daß er selbst besonders leicht verletzlich ist und daß sein Fahrzeug in technischer Hinsicht gegenüber K r a f t f a h r z e u g e n gewisse Schwächen aufweist. Bei Nacht muß er berücksichtigen, daß seine Lichtanlage im Vergleich zu der von K r a f t f a h r z e u g e n schwach ist, daß er also leichter übersehen werden kann wie ein vorschriftsmäßig beleuchtetes K r a f t f a h r z e u g . « ) Bremen 19. 3. 52, VRS 4, 287. ) LG Kassel 11. 12. 51, RdL 52, 242. 7 4 5 ) BayObLG 14. 2. 62, 1 St 727/1961. 7
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' « ) K G 27. 10. 55; VRS 10, 304; 26. 10. 61, VRS 22, 48.
Radfahrer; Führer von Schienenfahrzeugen
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Im einzelnen hat die Rechtsprechung zu folgenden Teilfragen Stellung genommen: Als langsamer Verkehrsteilnehmer ist der Radfahrer verpflichtet, sich weit rechts zu halten. Beim Vorbeifahren an einem am rechten Fahrbahnrand haltenden Kraftwagen empfiehlt sich für den Radfahrer in der Regel ein geringer Abstand; um zu vermeiden, daß er durch die nachfolgenden Fahrzeuge gefährdet wird. Der Radfahrer darf sich dabei darauf verlassen, daß aus einem am Fahrbahnrand stehenden Kraftwagen niemand aussteigt, ohne das Vorrecht des fließenden Verkehrs zu beachten 747 ). Ein genau nach Zentimetern abgemessener Abstand kann nicht mit Anspruch auf allgemeine Gültigkeit gefordert werden. Es ist auf die jeweilige Verkehrslage abzustellen 748 ). Bei einem soeben zum Halten gekommenen Kraftwagen muß er allerdings einen größeren Abstand einhalten, weil er damit rechnen muß, daß die Türe zum Aussteigen geöffnet wird 7 4 9 ). O b der Vorbeifahrende grundsätzlich nur einen soldien Seitenabstand zu halten braucht, daß er bei geschlossener Fahrzeugtür gefahrlos vorbeifahren kann oder ob er ein geringes ö f f n e n der Türe mit in Betracht ziehen muß, könnte fraglich sein. Auch diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Auch hier kommt es auf die jeweilige Verkehrslage an 7 5 0 ). Ist die Straße sdimal und der Gegenverkehr stark, dann darf der Radfahrer an einem am Fahrbahnrand stehenden Kraftwagen knapp vorbeifahren. Ein Radfahrer, der vom rechten Fahrbahnrand zum linken hinüberwechseln will (aus welchem Grund auch immer: Einbiegen in ein Grundstück, in einen Radweg, wenden oder auch nur, um das R a d abzustellen) muß sich unter Beachtung des nachfolgenden Verkehrs zur Fahrbahnmitte einordnen 751 ) und beim Abbiegen von der Fahrbahnmitte nach links nochmals zurückschauen 752 ). Biegen in gleicher Richtung Kraftfahrzeuge ab, so muß er nach § 9 Abs. 2 an deren rechten Seite bleiben. Radfahrer müssen zwar, soweit vorhanden, Radwege und wenn diese fehlen, befestigte Seitenstreifen benutzen. Auf einen neben der befestigten Fahrbahn herlaufenden „Sommerweg" braudien sie aber nicht auszuweichen, auch nicht bei Nacht 7 5 3 ). Für abgesessene Radfahrer gilt § 25 Abs. 2. A u d i nach früherem Recht konnten sie mit Rücksicht auf den übrigen Verkehr verpflichtet sein, ihre Fahrräder am äußeren R a n d der Fahrbahn hintereinander zu schieben 754 ). Ein Radfahrer darf darauf vertrauen, daß ein in gleicher Richtung fahrender, nach rechts abbiegender Kraftfahrer ihn durchfahren läßt; (§ 9 Abs. 3). cc) Führer von Schienenfahrzeugen Die wichtigste Gattung von Schienenfahrzeugen, die im Verkehrsraum öffentlicher Straßen fahren, sind die Straßenbahnen. Doch gelten unter der gleichen Voraussetzung für Eisenbahnen die gleichen Grundsätze 7 5 5 ). Die besonderen Vorschriften über Betriebsanlagen, Fahrzeuge und Betrieb der Straßenbahnen sind zwar in der in Bd. II unter III 3 abgedruckten BOStrab. enthalten. Soweit eine Straßenbahn am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt, also nicht auf gesondertem Bahnkörper fährt, gelten für sie aber grundsätzlich die gleichen verkehrsrechtlichen Vorschriften wie für den übrigen Verkehr. Die Straßenbahn ohne eigenen Bahnkörper unterliegt also insoweit der StVO. Diese enthält einige Sondervorschriften, die den besonderen technischen Eigenschaften der Straßenbahnwagen (Schwere, Schienengebundenheit, geringere Bremsfähigkeit) und ihrer Bedeutung als Massenverkehrsmittel gerecht zu werden versuchen: Vorfahrt gegenüber Abbiegern, die in der gleichen Richtung fahren (§ 9 Abs. 3 S. 1); Vorrecht gegenüber dem in der Längsrichtung der Straßenbahn fließenden Verkehr (§ 2 Abs. 3). Auf die Beachtung des uneingeschränkten Vorrechtes nach § 9 Abs. 3 S. 1 gegenüber 747
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) BayObLGSt. 55, 169 (4. 10. 55) = 56, 111. ) Hamburg 2. 12. 59, DAR 60, 147 = 60, 251 = DRspr. II (291) 66 a. « » ) KG 26. 1. 59, VRS 16, 361; Karlsruhe 56, VkBl. 56, 754. 75 ») Celle 13. 10. 60, NdsRpfl. 62, 46 = 61, 717 = DRspr. II (291) 92 c-d. "1) Hamm 18. 12. 59, VRS 19, 145.
VkBl. 11. 4. VkBl.
BGH(Z) 20. 12. 60, VRS 20, 98 = MDR 61, 222 = NJW 61, 309 = VersR 61, 188 = DRspr. II (291) 77 c-d; vgl. auch BGH(Z) 26. 4. 60, VersR 60, 755. 753 ) BGH(Z) 11.2. 64, VersR 64, 653. 754 ) BayObLGSt. 63, 91 (3. 4. 63) = VRS 25, 452 = VerkMitt. 63, 67. 755 ) BGH 19. 3. 53, DAR 53, 118 = RdK 54, 26 = VkBl. 53, 420 = VRS 5, 304. 141
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Abbiegern wird der Straßenbahnfahrer vertrauen dürfen. Er darf sich also nicht nur darauf verlassen, daß ein entgegenkommender Linksabbieger ihn durchfahren läßt, sondern audi ein in der gleichen Richtung fahrender Links- oder Rechtsabbieger, falls das Fahrgleis der Straßenbahn (rechts oder links) neben der Fahrbahn verläuft. Im Verhältnis zu dem in gleicher Richtung fließenden Verkehr ist dagegen kein uneingeschränktes Vertrauen in die Beachtung des Vorrechts nach § 2 Abs. 3 gerechtfertigt, denn Fahrzeuge, die in der Längsrichtung einer Schienenbahn verkehren, müssen diese nur „soweit möglich" durchfahren lassen (vgl. § 2 R N r . 27). Es kommt also auf die Verkehrslage an; ob die Freihaltung der Durchfahrt möglich ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Soweit Straßenbahnen sich auf eigenem Bahnkörper bewegen, unterliegen sie nicht den Vorschriften der StVO. Inwieweit ihnen an Bahnübergängen Vorrechte zustehen, regelt § 19. Daß eine Straßenbahn auf eigenem Bahnkörper nicht der StVO unterliegt, bedeutet nicht, daß ihr Führer keine Sorgfalt aufzuwenden braucht. Seine Pflichten können aber nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) aus der StVO hergeleitet werden. Für den Führer eines am Straßenverkehr teilnehmenden Schienenfahrzeugs gelten dagegen grundsätzlich die Regeln der StVO und zwar nicht nur die Grundregel 756 ). Er hat vor allem seine Geschwindigkeit auf die gesamten Umstände einzustellen, die sich, für ihn bei sorgfältiger Beobachtung erkennbar, auf oder neben der Fahrbahn ergeben; unter besonderen Umständen muß er so langsam fahren, daß er beim plötzlichen Auftauchen eines Hindernisses sofort anhalten kann. Andererseits braucht er nur in dem allgemein geforderten Maß (Vertrauensgrundsatz) mit Unbesonnenheiten anderer zu rechnen und seine Geschwindigkeit nur der Sichtweite anzupassen (§ 3 R N r . 56 f.). Dabei muß er aber selbstverständlich die Länge seines Bremsweges berücksichtigen. Besondere Sorgfalt ist bei nasser, abschüssiger und gekrümmter Strecke geboten 757 ). Wird der Straßenbahnführer genötigt, vor einem Hindernis anzuhalten, dann muß er alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen. Es genügt nicht, daß er beim Ausfall der Hauptbremse nur die Handbremse betätigt, sondern er muß Gegenstrom einschalten, den Sandstreuer betätigen und das Notsignal geben758). Nähert sich die Straßenbahn einem Schulgebäude, aus dem Kinder strömen, dann muß er zwar nicht anhalten, aber seine Fahrt auf Schrittgeschwindigkeit vermindern und ständig Warnzeichen geben759). Setzt ein Straßenbahnführer die Geschwindigkeit der Straßenbahn vor einer Kreuzung mit Bedarfshaltestelle durch Bremsen herab, dann muß er damit rechnen, daß andere Verkehrsteilnehmer sich darauf verlassen, daß er anhalten werde 760 ). Ein Radfahrer, der unter Benutzung der äußersten rechten Seite der ihm zur Verfügung stehenden Fahrbahn vor einer Straßenbahn herfährt, ist nicht verpflichtet abzusteigen, um ihr freie Fahrt zu schaffen. Kann der Führer einer nachfolgenden Straßenbahn bei der Überholung des Radfahrers keinen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten, so darf er nicht überholen. Er muß die Straßenbahn abbremsen 761 ). Der Straßenbahnführer muß wissen, welchen Raum der von ihm geführte Wagen einnimmt. Fährt er in eine Kurve ein, so muß er berücksichtigen, daß das Heckteil des Straßenbahnwagens in der Kurve ausschert762). Die Pflicht, zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen so geräumigen Abstand einzuhalten, daß hinter ihnen angehalten werden kann, wenn sie ihrerseits anhalten, gilt für Straßenbahnführer nicht uneingeschränkt. Der im Vergleich zum Bremsweg der Kraftfahrzeuge ungleich längere Bremsweg der Straßenbahn würde zu der Einhaltung von so großen Abständen nötigen, daß der Verkehrsfluß gestört würde. Hier kommt dem Straßenbahnführer § 2 Abs. 3 zu Hilfe. Er kann zwar nicht schlechthin darauf vertrauen, daß kein anderes Fahrzeug in den Gleisbereich gerät, er darf sich aber darauf verlassen, daß ein im Gleisbereich vor ihm herfahrendes Kraftfahrzeug nicht ohne Rücksicht auf die nachfolgende Straßenbahn 75
») BayObLGSt. 57, 100 (28. 5. 57) = VRS 14, 217. ) B G H 29. 5. 56, VRS 11, 91. 7 *8) Düsseldorf 14. 3. 49, VkBl. 40, 255. 75s ) BGH(Z) 11. 7. 61, VersR 61, 908. 757
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'«») Stuttgart 21. 2. 58, VRS 15, 273. ) BGH(Z) 19. 3. 68, VerkMitt. 68, 81 = MDR 68, 573 = VersR 68, 582 = VRS 34, 412. 762 ) München 28. 1. 66, VRS 31, 344 = DRspr. II (291) 152 b. 761
stvo § 1
Führer v o n Schienenfahrzeugen
abgebremst wird 7 6 3 ). Verdeckt allerdings ein vor der Straßenbahn herfahrender L k w die Sicht auf die vor ihm liegende Fahrbahn, so soll sich der Straßenbahnführer einrichten müssen, daß sich dort ein Hindernis befindet, das für den Straßenbahnführer erst sichtbar wird, sobald der L k w zur Vorbeifahrt ausschert 764 ). Muß eine Straßenbahn mit Anhänger zurücksetzen, so darf der Führer des Triebwagens nur anfahren, wenn ihm der Schaffner zuverlässig anzeigt, daß die Fahrbahn hinter dem Anhänger frei ist 7 6 5 ). Auf den Vertrauensgrundsatz darf sich der Straßenbahnführer berufen, wenn er keinen triftigen Grund hat, mit verkehrswidrigem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu redinen. So braucht er nicht damit zu rechnen, daß hinter einem auf schmaler Fahrbahn entgegenkommenden L k w ein anderer Verkehrsteilnehmer leichtsinnig ausschert und plötzlich in den Gleisbereich gerät 7 6 6 ). E r darf auch davon ausgehen, daß ein Fußgänger, der die Gleise überschreiten will, mit dem Herannahen einer Straßenbahn rechnet und sich darnach verhält. U m so mehr gilt dies, wenn der Straßenbahnführer auch noch Warnsignale gibt 7 6 7 ). Gibt der Straßenbahnführer ein Warnzeichen, dann braucht er nicht damit zu rechnen, daß sich der Führer eines in ausreichendem Abstand vor der Straßenbahn im Gleisbereich fahrenden schnelleren P k w daraufhin veranlaßt sieht, im Gleisbereich anzuhalten 7 6 8 ). D i e Entscheidung der Frage, ob der Straßenbahnführer mit verkehrswidrigem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen muß, kann schwierig sein, wenn in Betracht zu ziehen ist, daß Fahrzeuge, die langsamer als die Straßenbahn vor ihr herfahren, durch ein Hindernis auf der Fahrbahn genötigt werden, in den Gleisbereich zu fahren, weil sie nicht (pflichtgemäß) hinter dem Hindernis anhalten und die Straßenbahn durchfahren lassen. Liegt es nahe, daß z. B. ein R a d f a h r e r in einem solchen Fall zu nahe an die überholende Straßenbahn gerät, dann wird der Straßenbahnführer die Überholung nach Möglichkeit zu unterlassen haben 7 6 9 ). dd) Sonstige Verkehrsteilnehmer
166
Oben in R N r . 24—34 wurde dargelegt, wer „Verkehrsteilnehmer" ist. D i e Sorgfaltspflicht der einzelnen Arten von Verkehrsteilnehmern wurde in R N r . 35 f. behandelt. Im folgenden werden noch Grundsätze über das Verhalten einiger weniger bedeutsamer Arten von Verkehrsteilnehmern aufgeführt, die im Rahmen der bisherigen Erläuterungen keinen P l a t z hatten. D i e Frage, wieweit die Sonderrechte nach § 35 von der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 befreien, wird bei § 35 behandelt. Beifahrer D i e Beachtung der Verkehrsregeln ist zwar Sache des Fahrers; er kann die Verantwortung grundsätzlich nicht auf einen Beifahrer abwälzen 7 7 0 ). Doch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. K a n n der Führer ohne H i l f e seines Beifahrers eine G e f a h r nicht restlos ausschalten (z. B. beim Rückwärtsfahren). D a n n ist er verpflichtet und berechtigt, sich des Beifahrers als Hilfsperson zu bedienen. In solchen Fällen wird der Beifahrer, der unmittelbar auf den Verkehr einwirkt, zum Verkehrsteilnehmer, so daß ihn bei Verletzung der jeweils in Betracht kommenden Vorschriften der S t V O die Verantwortlichkeit trifft 7 7 1 ). Stellt der Beifahrer gemeinsam mit seinem den Zugwagen führenden Dienstherren einen unbeleuchteten Anhänger auf der Straße ab, so ist auch er als Verkehrsteilnehmer i. S. von § 1 verpflichtet, für dessen Beleuchtung zu sorgen 7 7 2 ). Ein Beifahrer, der vom linken Fahrbahnrand einer spiegelglatten Straße fortlaufend Streugut unter die Räder des auf der rechten Seite der 6 m breiten Fahrbahn im Schrittempo fahrenden L k w wirft, muß die Fahrbahn rechtzeitig vor einem von hinten herannahenden K r a f t f a h r z e u g räumen 7 7 3 ). Mehrere sich ablösende Fern) BGH(Z) 22. 10. 55, Betrieb 55, 1088 = DRspr. II (292) 14 b. 7 6 4 ) Köln 14. 12. 51, VRS 4, 222. 75) Köln 14. 12. 51, VRS 4, 219. 7 6 6 ) BGH(Z) 19. 11. 68, VRS 36, 6 = MDR 69, 211 = VerkMitt. 69, 27 = VkBl. 69, 163 = VersR 69, 82 = DRspr. II (291) 168 e. 7 « 7 ) BGH(Z) 21. 3. 61, VersR 61, 475 = DRspr. II (291) 80 b. 763
) BayObLG 22. 5. 67, 1 b St 150/1967. ) A. M. BGHSt. 1, 192 (21. 5. 51) = VRS 3, 254; vgl. aber Fußn. 761. ™ ) BGHSt. 1, 112 = VkBl. 51, 251 = VRS 3,
768 769
161.
« ) Düsseldorf 9. 9. 57, DAR 58, 142 = DRspr. II (291) 44 d. 772 ) BGH 8. 10. 53, VRS 6, 33. 773 ) BGH(Z) 13. 7. 62, VRS 23, 336. 7
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§ 1
stvo
Möhl
fahrer sind gegenseitig verpflichtet, den pausierenden Fahrtgenossen zur Erholung zu veranlassen774). Wird ein für zwei Personen zugelassener Motorroller von vier Personen besetzt, so haftet auch der Beifahrer für die durch ihn ermöglichte Überbesetzung des Fahrzeugs 776 ). Fahrzeuginsasse Sorgfaltspflicht beim Ein- und Aussteigen s. § 14 Abs. 1. Filmschauspieler Auch soweit ein Schauspieler bei einer Filmaufnahme auf öffentlicher Straße als Fahrzeugführer mitwirkt, muß er die dem Fahrzeugführer obliegende Sorgfalt aufwenden. Regieanweisungen befreien ihn davon nicht. Von der Zuverlässigkeit von Absperrungen und Sicherheitsmaßnahmen muß er sich persönlich überzeugen 776 ). Kraftfahrzeughalter Im Gegensatz zur StVO 1937 enthält die neue StVO keine Vorschriften über die Pflichten des Kraftfahrzeughalters. Das schließt aber nicht aus, daß der Halter nach wie vor Verkehrsteilnehmer ist, wenn er durch Handeln oder Unterlassen unmittelbar auf das Verkehrsgeschehen einwirkt (RNr. 30). Der Halter darf das Fahrzeug nicht einem erkennbar fahruntüchtigen Fahrer überlassen. Gefährdet dieser einen anderen, dann macht sich der Halter einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 schuldig777). Ist der Halter Fahrzeuginsasse, so darf er die Aufmerksamkeit des Fahrzeugführers nicht durch Unterhaltung ablenken 778 ). Dagegen braucht der Halter als Fahrzeuginsasse einen Fahrer, gegen dessen Fahrtüchtigkeit keine Bedenken bestehen, nicht zu überwachen. Der Halter eines Abschleppfahrzeugs ist dafür verantwortlich, daß der von ihm zum Führen eines abgeschleppten Fahrzeugs Eingesetzte (Lehrling) für seine Aufgabe geeignet ist und genügend eingewiesen wurde 779 ). Lokomotivführer S. § 19 R N r . 19 (Haftung der Bundesbahn an Bahnübergängen). Skifahrer Soweit Skifahrer am Straßenverkehr teilnehmen, gelten für sie die gleichen Regeln wie f ü r die übrigen Verkehrsteilnehmer 780 ). Tierführer
S. S 28. 167
4. Wer wird gesdiützti Das Gebot des § 1 wendet sich an den „Verkehrsteilnehmer", geschützt werden alle „Anderen". Damit wird einesteils klargestellt, daß der Verkehrsteilnehmer, an den sich das Gebot richtet, nicht etwa selbst geschützt wird. Das versteht sich nicht von selbst. Geht man davon aus, daß § 1 in erster Linie eine Verhaltensvorschrift ist und keine Schutzvorschrift, dann läge es nahe, auch die Selbstgefährdung als ordnungswidrig zu ahnden 781 ). Der Gesetzgeber geht aber davon aus, daß, wer sich selbst schädigt oder gefährdet, nicht ordnungswidrig handelt. „Anderer" ist ein anderer Mensch, nicht etwa ein Tier oder ein Baum. „Anderer" ist aber jeder andere Mensch, nicht nur jeder andere Verkehrsteilnehmer 782 ); es heißt „kein Anderer", nicht „kein anderer" (nämlich Verkehrsteilnehmer). (Daher die, den Regeln der Rechtschreibung widersprechende Schreibweise!). „Anderer" ist also auch 774
) B G H 10. 7. 59, DAR 59, 305 = MDR 59, 942 = N J W 59, 1979 = VRS 17, 290. ) B G H 1. 4. 60, VRS 18, 415 = DRspr. II (291) 68 a. 778 ) Hamburg 26. 3. 58, VRS 15, 371 = DRspr. II (291) 50 c. 777 ) BGHSt. 14, 24 (25. 11. 59) = DAR 60, 79 = N J W 60, 924 mit zustimmender Anmerkung von Härtung = VRS 18, 213 = DRspr. II (291) 64 a; Hamburg 1. 11. 49, RdK 50, 93 = VkBl. 50, 399. 775
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778
) Stuttgart 7. 12. 49, DAR 51, 65. ») Celle 13. 10. 58, VersR 59, 507. BayObLGSt. 57, 90 (15. 5. 57) = VRS 13, 353; zur Frage der Sorgfaltspflicht außerhalb öffentlidien Verkehrsgrundes vgl. Karlsruhe 25. 3. 59, N J W 59, 1589 und Lossos N J W 61, 490. 781 ) Vgl. Wimmer DAR 57, 281. 782 ) KG 27. 10. 60, VRS 20, 50; Hamm 21. 8. 59, VerkMitt. 60, 59. 77
StVO
W e r wird geschützt? Schädigung
§1
der Straßenanlieger, der durdi L ä r m , Erschütterungen u. dergl. belästigt wird, der W e g e unterhaltspflichtige, wenn der W e g beschädigt wird, der Eigentümer einer zertrümmerten Schaukastenscheibe, eines angefahrenen Hauses oder Gartenzaunes, eines auf der S t r a ß e a u f gestellten, durch A n f a h r e n beschädigten Gegenstandes. W e r durch verkehrswidriges Abstellen seines Fahrzeugs auf dem Gehweg die Ausfahrt aus einem Privatgrundstück versperrt, behindert einen „ A n d e r e n " 7 8 4 ) . Allerdings wendet sich das G e b o t nur an „Verkehrsteilnehmer". D e r verpönte E r f o l g m u ß also von einer Person verursacht werden, die sich selbst im ö f f e n t lichen Verkehrsraum befindet und auf den V e r k e h r irgendwie einwirkt (vgl. oben R N r . 2 4 — 34). W a n n ein anderer im Sinne des § 1 gefährdet, geschädigt, behindert oder belästigt wird, wird unten R N r . 1 6 8 — 1 7 4 behandelt. D e r Grundsatz, d a ß jeder „ A n d e r e " geschützt ist, erleidet nach h. M . eine Ausnahme: G e h ö r t das Fahrzeug dem Fahrzeugführer nicht, dann soll der Eigentümer des Fahrzeugs v o r einer Beschädigung des Fahrzeugs nicht nach § 1 geschützt sein. E r ist z w a r ein „ A n d e r e r " , der Schutz des § 1 soll aber deshalb versagen, weil das Fahrzeug das nötige „ M i t t e l " zur Verwirklichung des Tatbestandes der Ordnungswidrigkeit sei 7 8 5 ). Diese Rechtsprechung wurde auch nach dem I n k r a f t t r e t e n des zweiten Straßenverkehrssicherungsgesetzes aufrechterhalten 7 8 8 ). D a s gleiche gilt darnach für den Anhänger eines Lastzuges 7 8 7 ). Gegen die h. M . bestehen, wie H ä r t u n g mit Recht ausgeführt h a t 7 8 8 ) , Bedenken. D e r S a t z , das M i t t e l zur V e r wirklichung eines Tatbestandes könne nicht gleichzeitig Schutzobjekt sein, findet im Gesetz keine Stütze. W e r vorsätzlich einen zerbrechlichen Gegenstand dadurch zerstört, d a ß er ihn auf den Boden schleudert, benutzt auch den Gegenstand als Mittel zu seiner Zerstörung. D a ß er sich der Sachbeschädigung schuldig macht, wird schwerlich bestritten werden können. D a gegen wird von der h. M . die Beschädigung des dem Fahrzeugführer nicht gehörenden L a d e gutes als Schädigung eines „ A n d e r e n " a n e r k a n n t 7 8 9 ) . Diese Meinung ist z w a r im Ergebnis zu begrüßen, aber nicht folgerichtig. D a s Gewicht der Ladung kann sich auf das Verkehrsgeschehen erheblich auswirken. D i e G r ü n d e , welche nach der h. M . gegen den Schutz des v o m Fahrzeugführer gelenkten, in fremdem Eigentum stehenden Fahrzeugs sprechen, müssen logischerweise auch für die Ladung gelten, soweit diese a u f das Verkehrsgeschehen einwirkt. Geschützt ist der Fahrzeuginsasse 7 8 0 ) (eine andere F r a g e ist die, ob er Verkehrsteilnehmer ist; vgl. R N r . 29). 5 . Was m u ß der V e r k e h r s t e i l n e h m e r v e r m e i d e n ? a Schädigung A n d e r e r Entgegen der Fassung des § 1 S t V O 1 9 3 7 steht nach der neuen S t V O an erster Stelle das V e r b o t der Schädigung, an zweiter das der G e f ä h r d u n g . D a s ist logisch, wenn man davon ausgeht, d a ß Schädigung gegenüber der bloßen Gefährdung schwerer wiegt und die Schwere der Folgen verkehrswidrigen Verhaltens in der Reihenfolge der verpönten E r f o l g e zum Ausdrude kommen soll. Allerdings kann im E i n z e l f a l l sehr wohl eine G e f ä h r d u n g schwerer wiegen als eine Schädigung, etwa bei der Gefährdung eines Menschenlebens im Vergleich zu geringfügigem Blechschaden. Aus systematischen Gründen mag aber der neuen Reihenfolge der Vorzug zu geben sein, zumal mit der Schädigung häufig auch eine G e f ä h r d u n g verbunden ist. ) Ständige Rechtsprechung: vgl. Stuttgart 20. 8. 54, DAR 54, 305; Celle 13. 8. 58, N J W 58, 1648 = DAR 59, 56 = NdsRpfl. 58, 216; 28. 3. 66, VerkMitt. 66, 45 = VRS 31, 212; frühere Rechtsprechung s. 21. Aufl. Anm. 6 zu § 1, S. 734. ™4) Hamm 15. 1. 69, VerkMitt. 69, 54 = M D R 69, 601. 7 8 5 ) BGHSt. 12, 282 (9. 1. 59) = VerkMitt. 59, 33 = N J W 59, 637 = M D R 59, 408 = VRS 16, 208 = DAR 59, 108 im Anschluß an die zu § 315 a StGB a. F. ergangene Entscheidung BGHSt. 11, 148; a. M. Reif, N J W 59, 1524. 78S
) Hamm 13. 5. 66, JMB1. N R W 66, 287 = VkBl. 66, 694 = DRspr. I I (291) 149 c. ) BayObLGSt. 63, 178 (10. 7. 63) = VerkMitt. 63, 85 = N J W 64, 213 = VRS 26, 54 = DRspr. I I (291) 116 b; BayObLG 4. 5. 66, DAR 66, 305. 7 8 8 ) Im Rahmen der Kritik an BGHSt. 11, 148, N J W 66, 15; s. auch Möhl J R 67, 107, 108 in einer Anm. zu Stuttgart 7. 9. 66. 7 8 9 ) Hamm 2. 10. 59, DAR 60, 121; BayObLG 4. 5. 66, DAR 66, 305. 7 9 °) BGHSt. 12, 282 wie Fußn. 785. 786 787
145 10 StVO + S t G B
§ 1
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Geschädigt werden kann ein anderer an seiner Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit791). Zwar ist die Körperverletzung als Vergehen strafbar, aber soweit es sich um fahrlässige oder leichte, vorsätzliche Körperverletzung handelt, nur auf Antrag oder wenn das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht wird. Wer durch fehlerhaftes Verhalten im Straßenverkehr die Körperverletzung eines anderen verschuldet, hat sich daher nach § 1 StVO zu verantworten, wenn die Körperverletzung nicht verfolgt wird. Allerdings muß es sich bei der körperlichen Schädigung um eine nicht ganz belanglose handeln. Geschädigt werden kann ein anderer auch an seinem Vermögen. Auch hier reicht ein belangloser Schaden nicht aus. Dem Geschädigten müssen wägbare wirtschaftliche Nachteile erwachsen792). Ob die auch in einer belanglosen Schädigung meist enthaltene Gefährdung von Sachwerten den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 erfüllt, wird unten RNr. • geprüft werden. Wie oben (RNr. 167) näher dargelegt wurde, werden durch § 1 nicht nur Verkehrsteilnehmer, sondern alle „Anderen" geschützt, die durch das verkehrswidrige Verhalten eines Verkehrsteilnehmers Schaden erleiden. Deshalb kann gegen § 1 verstoßen, wer mit seinem Kraftwagen auf öffentlicher Straße gefüllte Milchkannen umstößt 793 ). Die Frage, wie weit § 1 anwendbar ist, wenn maßgebliche Ursache für den schädlichen Erfolg in einer im öffentlichen Verkehrsraum begangenen Verkehrswidrigkeit besteht, der Erfolg aber erst außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums eintritt, wurde bei RNr. 24 erörtert. 169
b Gefährdung Anderer Allgemeines
Die Frage, wann ein Anderer im Sinne des § 1 gefährdet wird, enthält mehrere schwierige Teilprobleme: Zunächst ist zu klären, was § 1 unter „Gefährdung" versteht. Der Begriff der „Gefahr" entzieht sich genauer wissenschaftlicher Umschreibung, er ist nicht allgemeingültig bestimmbar und überwiegend tatsächlicher, nicht rechtlicher Natur. Er ist aber auch ein Rechtsbegriff, der der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Man unterscheidet zwischen „abstrakter" und „konkreter" Gefährdung. Nur die konkrete Gefährdung kann nach § 1 ordnungswidrig sein. Eine abstrakte Gefahr ist bei der Teilnahme von Kraftfahrzeugen am Verkehr in der Regel nicht auszuschließen. Die bloße gedankliche Möglichkeit des Eintritts eines Schadens reicht aber nicht aus, um eine konkrete Gefährdung zu begründen. Eine solche Gefährdung wird erst dann angenommen, wenn eine Verkehrslage herbeigeführt wird, aus der sich nach der allgemeinen Erfahrung die nahe, auf Tatsachen beruhende Möglichkeit (Wahrscheinlichkeit) und damit die begründete Besorgnis des Eintretens eines schädigenden Erfolges ergibt. Der drohende Schaden muß nur durch besondere Umstände vermieden worden sein794). Die konkrete Gefährdung muß objektiv gegeben sein, daß sich ein anderer gefährdet „fühlt", reicht zur Ahndung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 nicht aus. Wer trotz Gegenverkehr überholt, gefährdet einen entgegenkommenden Kraftfahrzeugführer dann, wenn dieser nur durch eine Notbremsung einen Zusammenstoß gerade noch verhindern kann 795 ). Genügte zur Abwendung der Gefahr ein mäßiges Bremsen, dann hat der Oberholer den Tatbestand des § 1 höchstens in der Form des Behinderns, nicht der des Gefährdens, erfüllt. Daß es zu einer Gefährdung gekommen wäre, wenn der andere die Gefah791
) So audi Booß StVO § 1 Anm. 4; Jagusch StVO § 1 Anm. 11 nimmt offenbar entgegen der hier vertretenen Ansicht an, daß § 1 mit Schädigung nur einen vermögensrechtlich wägbaren Nachteil meint. 792 ) KG 3. 8. 61, VRS 21, 226; Hamburg 17. 8. 65, VRS 29, 273 = DAR 65, 329 = DRspr. II (291) 135 d. 7 «3) Celle 28. 3. 66, VRS 31, 212 = VerkMitt. 66, 45.
146
794
) Bremen 21. 1. 53, VRS 5, 215; Köln 21. 4. 53, VRS 5, 395; K G 14. 7. 55, VRS 9, 218; 24. 1. 57, VRS 12, 221; 21. 3. 67, VRS 35, 304 = DRspr. II (291) 167 c; Schleswig 2. 5. 56, VerkMitt. 56, 45; BGHSt. 18, 271 (15. 2. 63) = DAR 63, 219 = MDR 63, 513 = N J W 63, 1069 = VRS 24, 378. 7 "5) Stuttgart 1. 3. 57, VerkMitt. 58, 11; Schleswig 25. 1. 56, VerkMitt. 56, 24.
Gefährdung
StVO
§1
renlage nicht rechtzeitig vorausgesehen und durch sein Verhalten abgewendet hätte, genügt nicht, um eine konkrete Gefährdung annehmen zu können. Zu bejahen ist die Gefährdung aber dann, wenn der andere aus Unachtsamkeit so spät bremst, daß ein Zusammenstoß nur zur Not vermieden wird. Das Mitverschulden des Entgegenkommenden befreit den Überholer nicht von seiner Schuld. Allerdings kann in diesem Fall den Entgegenkommenden der gleiche Vorwurf treffen, weil er zur Vermeidung eines Unfalles auch dann verpflichtet war, wenn die Gefahr zunächst durch ein fehlerhaftes Verhalten des Uberholers begründet wurde. Da kein Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen darf, daß ein sich verkehrswidrig verhaltender anderer Verkehrsteilnehmer sein falsches Verhalten rechtzeitig korrigiert, muß er sich darauf einrichten, daß sich der andere weiterhin fehlerhaft verhalten wird. Allerdings darf er versuchen, diesen durch sein eigenes Verhalten zu verkehrsgereihtem Verhalten zu veranlassen, aber nur, wenn damit keine Gefährdung von Leib und Leben des Genötigten verbunden ist798). Kann der Überholer die Überholung so rechtzeitig abschließen, daß ein Entgegenkommender mit gleicher Geschwindigkeit weiterfahren kann, ohne daß die Gefahr eines Zusammenstoßes besteht, dann gefährdet der Überholer den anderen auch dann nicht, wenn dieser infolge falscher Beurteilung der Verkehrslage Anlaß zu scharfem Bremsen sieht und dabei ins Schleudern gerät 797 ). Während die in § 1 verbotene Schädigung in gleicher Weise die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit wie den Vermögensschaden umfaßt, dient das Verbot der Gefährdung nur dem Schutz der „Anderen" vor Beeinträchtigung ihrer körperlichen Unversehrtheit. Der B G H hat allerdings die Ansicht vertreten, daß gegen § 1 auch verstößt, wer durch sein Verhalten im Straßenverkehr nicht Leib und Leben, sondern nur einen fremden Sachwert gefährdet, der der Sicherung des Straßenverkehrs dient oder sonst verkehrsbezogen ist798). Er hat sich dabei hauptsächlich auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gestützt, aus der hervorgehe, daß die Grundregel des § 1 StVO wie die Sonderregelungen der übrigen Paragraphen in erster Linie die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs verhindern sollen. Die Gefährdung fremder Sachwerte durch ein verkehrswidriges Verhalten könne aber sehr wohl auch eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen. Die Auslegung der Vorschrift durch den BGH läßt sich mit ihrem Wortlaut kaum vereinbaren 799 ). Nach allgemeinem Sprachgebrauch besagt der Satz „A gefährdet den B", daß er Leib und Leben des B gefährdet, nicht aber, daß er einen Vermögensgegenstand des B gefährdet. Wenn dies zum Ausdruck kommen soll, dann muß das gefährdete Vermögensstück näher bezeichnet werden. Da in Fällen, in denen ein anderes Fahrzeug gefährdet wird, häufig dessen Fahrer mitgefährdet wird, und schwerere Fälle als Verkehrsgefährdung nach § 315 c StGB zu behandeln sind, besteht auch kein Bedürfnis, die bloße Gefährdung eines Vermögenswertes als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Der BGH gerät mit seiner Ansicht insofern auch in Gegensatz zur h. M., als nach dieser (s. R N r . 168) eine ganz geringfügige Beschädigung nicht als Schädigung im Sinne des § 1 anzusehen ist. Solche Fälle müssen künftig unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung verfolgt werden, wenn der BGH seine Ansicht nicht revidiert. Wenn aber schon die Gefährdung eines Gegenstandes im Straßenverkehr ordnungswidrig sein soll, dann kann der Schutz kaum auf Gegenstände beschränkt werden, die „der Sicherung des Straßenverkehrs dienen oder sonst verkehrsbezogen sind". Für eine solche Einschränkung bietet das Gesetz keine Grundlage, mag auch die vom BGH angestrebte Einschränkung aus verkehrspolitischen Gründen zu begrüßen sein. Mit dieser Einschränkung gerät der BGH in Widerstreit mit dem bei der Schädigung allgemein anerkannten Grundsatz, daß das geschützte Sachgut gerade 79
«) Köln 3. 5. 55, VRS 9, 51. ) BayObLG 21. 1. 66, 1 b St 319/1965. ®) BGHSt. 22, 368 (18. 4. 69) = NJW 69, 1359 = MDR 69, 683 = VerkMitt. 69, 57 = JR 70, 31 = Betrieb 69, 1239 = JZ 69, 523 = DRspr. II (291) 173 a; so auch sdion Hamburg 18. 10. 67, VRS 34, 145 = VerkMitt. 68, 45.
797 79
7
") So Möhl, Anm. zu BGHSt. 22, 368 (Fußn. 798) in JR 70, 32; Jagusch StVO § 1 Anm. 12; Mühlhaus StVO § 1 Anm. 8 b; Booß StVO § 1 Anm. 4; KG 11. 7. 68, VRS 35, 455; Hamm 22. 12. 66, VRS 32, 284; BayObLG in ständiger Rechtsprechung z. B. Urteil vom 6. 2. 63; 1 St 692/62.
147 10 *
§ 1
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nicht verkehrsbezogen sein muß. Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, durch § 1 werde zwar nicht die Gefährdung jeden Sachwertes mit einer Bußgelddrohung versehen, wohl aber die von „bedeutenden" Sachwerten 800 ). Darauf stellt zwar § 315 c StGB ab, nicht aber § 1 StVO. Folgt man dem BGH, dann kommt es auf den Wert der gefährdeten Sache nur insofern an, als die Verfolgung von Ordungswidrigkeiten allgemein in bedeutungslosen Bagatellfällen unterbleiben soll. O b im Einzelfall die Grenze der „abstrakten" Gefährdung überschritten und eine „konkrete Gefährdung" verursacht wurde, kann zweifelhaft sein. So sind die Meinungen darüber geteilt, ob ein Kraftfahrzeugführer, der hinter einem anderen Fahrzeug herfährt, dessen Führer schon allein dadurch im Sinne des § 1 gefährden kann, daß er einen zu geringen Abstand einhält 780 ) (vgl. hierzu R N r . 55) 801 ). Der B G H hat die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung bejaht 802 ). Er betont in der Begründung, auch hier unterliege der Begriff der konkreten Gefährdung der tatsächlichen Beurteilung des Einzelfalles, f ü r die sich keine allgemein gültigen Richtlinien aufstellen lassen. Neben der Länge der mit unzureichendem Abstand durchfahrenen Strecke werde ein etwaiger erheblicher Unterschied in der Bremsverzögerung der beteiligten Fahrzeuge und das individuelle Reaktionsvermögen des Fahrzeugführers zu berücksichtigen sein. Auch könne von Bedeutung sein, inwieweit der nachfolgende K r a f t f a h r e r infolge seines geringen Abstandes durch das vor ihm fahrende Fahrzeug in seinem ungehinderten Uberblick auf die vor ihm liegende Fahrbahn beeinträchtigt war. Neuerdings hat das O L G F r a n k f u r t ausgesprochen, wer auf der Autobahn einem anderen Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km mit einem Abstand von 10 m folge, gefährde den Vorausfahrenden nicht grundsätzlich und ausnahmslos, zumal wenn der Auffahrende hinter dem Vorausfahrenden links versetzt fährt und einen ungehinderten Überblick über die vor dem Vorausfahrenden liegende Autobahnstrecke habe 803 ). Andernteils meint das BayObLG in einer zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung 803 *), ein Sicherheitsabstand, der nicht nur vorübergehend geringer sei als die in 0,8 sec durchfahrene Strecke, stelle jedenfalls auf einer Schnellstraße bei hohen Geschwindigkeiten in aller Regel eine „konkrete" Gefährdung dar. (Abstand 23—24 m, Geschwindigkeit 128 km/h, Strecke mehr als 300 m). Die Frage hat deshalb an praktischer Bedeutung verloren, weil nunmehr nach § 4 die Einhaltung eines ausreichenden Abstandes im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist, so daß eine Zuwiderhandlung auch dann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, wenn niemand (konkret) gefährdet wurde. 170
Einzelfälle Von der Frage, wann eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 1 anzunehmen ist, zu unterscheiden ist die Frage, ob den Gefährdenden ein Verschulden t r i f f t . Dabei wird es häufig darauf ankommen, ob dem Gefährdenden der Vertrauensgrundsatz zur Seite steht. T r i f f t nämlich den Gefährdeten selbst ein Verschulden, dann kommt es darauf an, ob der Gefährdende darauf vertrauen durfte, daß sich der andere verkehrsgerecht verhalten werde. Ein solches Vertrauen ist nur gerechtfertigt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände kein Anlaß besteht, mit Verkehrswidrigkeiten anderer zu rechnen. So wurde die Gefährdung anderer K r a f t f a h r e r durch Parken eines Lastzuges bei Dunkelheit auf einer Bundesstraße als Verstoß gegen § 1 behandelt, obwohl die gefährdeten Verkehrsteilnehmer bei genügender Aufmerksamkeit die Gefährdung ohne weiteres vermeiden konnten 804 ). Denn es lag nahe, daß «°») Z. B. KG 21. 3. 67; VRS 35, 304 = DRspr. II (291) 167 c. 801 ) Bejahend Karlsruhe 7. 12. 67, NJW 68, 463 = VRS 34, 295; 29. 4. 69, VRS 37, 299 = Justiz 69, 200; verneinend Hamm 22. 12. 66, VRS 33, 150; BayObLG 3. 7. 68 (Vorlagebeschluß), VRS 35, 191. 8 °2) BGHSt. 22, 341 (5. 3. 69) = VRS 36, 370 = Betrieb 69, 830 = MDR 69, 496 = NJW 69, 939 = VerkMitt. 69, 42 = DAR 69, 164 = DRspr. II (291) 171 a; vgl. auch 148
BGHSt. 19, 263 (4. 3. 64) = VRS 26, 358 = MDR 64, 519 = DRspr. III (328) 57 c (zur Frage der Nötigung). 803 ) Frankfurt 8. 4. 70, NJW 70, 1560 (nur Leitsatz). 803 *) BayObLGSt. 70, 266 (28. 12. 70) = VRS 40, 285 = VerkMitt. 71, 19. 804 ) BGH(Z) 21. 6. 60; VRS 19, 170 = DAR 60, 290 = MDR 60, 916 = VkBl. 60, 625 = NJW 60, 2097 = VersR 60, 925 = DRspr. II (291) 72 a.
Gefährdung; Behinderung
S t V O
§ 1
andere Verkehrsteilnehmer den parkenden Lastzug aus Unachtsamkeit zu spät wahrnehmen würden. O b die abstrakte Gefährdung des übrigen Verkehrs in die konkrete Gefährdung eines „Anderen" überging, muß von Fall zu Fall geprüft werden. Der Fußgänger auf einem Oberweg wird in der Regel „gefährdet", wenn ein K r a f t f a h r e r sein Fahrzeug nur noch mit scharfem Bremsen und quietschenden Reifen unmittelbar vor dem Fußgänger zum Halten bringt 805 ). Wer seinen Kraftwagen auf einer einspurigen schneeglatten Bergstraße an einer unübersichtlichen Steilstelle stehen läßt, weil er ohne Schneeketten nicht weiterkommt, gefährdet zunächst den übrigen Verkehr abstrakt. Taucht dann aber Gegenverkehr auf, der einen Aufprall nur mit Mühe verhindern kann, dann geht die abstrakte in eine konkrete Gefährdung über 806 ). Wer das Rechtsfahrgebot mißachtet, gefährdet den Gegenverkehr dadurch erst dann konkret, wenn ordnungsmäßiges Ausweichen vor einem bestimmten Entgegenkommenden in Frage gestellt ist 807 ). Eine Gefährdung anderer kann angenommen werden, wenn es der Beifahrer eines f ü r zwei Personen zugelassenen Motorrollers ermöglicht, daß auf dem Motorroller vier Personen Platz nehmen 808 ). Wenn der im Kraftfahrzeug mitfahrende Halter die Führung einem Fahruntüchtigen überläßt, so handelt auch er ordnungswidrig nach § 1, wenn der Fahruntüchtige einen anderen gefährdet 8 0 9 ). Wer auf der Normalspur der Autobahn angesichts eines die Überholspur fast sperrenden Hindernisses sehr langsam fährt, verstößt gegen § 1, wenn er nicht äußerst rechts fährt und dadurch einen Überholer gefährdet 810 ). Auch hier wird die zunächst nur abstrakte Gefahr erst durch das (zwar zufällige, aber voraussehbare) Auftauchen des Überholers zur konkreten. Ähnlich gefährdet der Führer eines wegen beträchtlicher Überladung in seiner Lenkbarkeit beeinträchtigten Lkws andere Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1 nur, wenn nachweisbar bestimmte einzelne Verkehrsteilnehmer bei der gegebenen Verkehrslage gefährdet werden 811 ).
c) Behinderung Anderer Allgemeines Für die Behinderung eines „Anderen" gilt insofern das gleiche wie für die Schädigung oder Gefährdung: es m u ß festgestellt werden können, daß ein bestimmter „Anderer" konkret behindert wurde, wenn die Behinderung als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll 812 ). Die unsubstantiierte Feststellung, die „übrigen Verkehrsteilnehmer" seien „irritiert" worden, genügt nicht 81 '). Während aber die Schädigung und Gefährdung Anderer schlechthin verboten ist, verstößt derjenige, der einen anderen behindert (oder belästigt), nur dann gegen die Ordnung, wenn dies „mehr als nach den Umständen unvermeidbar" geschieht. „Mehr als nach den Umständen unvermeidbar" hat hier den Sinn von „mehr als nach den Umständen zumutbar". Denn vermeidbar sind alle Behinderungen, nur würde dann der Verkehr zum Erliegen kommen. Viele Behinderungen sind aber im Interesse des Verkehrs zumutbar. O b die Grenze des „nach den Umständen unvermeidbaren" überschritten wurde, muß von Fall zu Fall festgestellt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine f ü r alle Zeiten festliegende Grenze. Vielmehr bringt die ungeheuere Zunahme des Verkehrs naturgemäß eine zunehmende gegenseitige Behinderung der K r a f t f a h r e r mit sich, weil der zur Verfügung stehende Verkehrsraum nicht gleichschnell wachsen kann. Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit des Behinderns wird auf die Fälle zu beschränken sein, in denen die Grenze der unvermeidbaren Behinderung eindeutig überschritten wurde. 805 j 80
Hamm 14. 4. 66, VRS 31, 462. «) BayObLG 19. 1. 66, VRS 31, 129 = VkBl. 66, 184. 807 ) BayObLG 21. 10. 64, 1 a St 486/1964. 80S ) BGH 1. 4. 60, VRS 18, 415 = DRspr. II (291) 68 a. 80 ») BGHSt. 14, 24 (25. 11. 59) = DAR 60, 79 = VRS 18, 213 = NJW 60, 924 = DRspr. II (291) 64 a.
810) Celle 28. 3. 66, NJW 66, 1868. Köln 6. 6. 61, DAR 62, 161. ) BayObLGSt. 54, 136 (24. 11. 54) = VRS 8, 62; Bremen 16. 8. 61, DAR 62, 132; Hamm 12. 2. 60, DAR 60, 239. Bremen 16. 8. 61, DAR 62, 132.
811 ) 812
149
§ 1
stvo
Möhl
O b w o h l die S t V O darüber nur vereinzelt Vorschriften enthält, wer einen anderen behindern d a r f und wer nicht, so ergeben sich doch aus der N a t u r der Sache deutliche Abstufungen: W e m das Gesetz gegenüber einem anderen einen V o r r a n g einräumt, der wird den Andern z w a r in der Regel „behindern", wenn er von seinem V o r r a n g Gebrauch macht. D a z u ist er aber befugt. S o liegt es im Wesen der V o r f a h r t , d a ß der Berechtigte den Wartepflichtigen behindert, während umgekehrt der Wartepflichtige den Vorfahrtberechtigten nicht behindern d a r f . W ä h r e n d also Schädigung und G e f ä h r d u n g eines Anderen auch dem Bevorreditigten untersagt sind, ist die mit der Ausübung seines Vorrechts notwendigerweise verbundene Behinderung anderer keineswegs ordnungswidrig 8 1 4 ). W ä h r e n d die Ordnungswidrigkeit der fahrlässigen Behinderung nach unten von der unvermeidbaren Behinderung begrenzt wird, geht die vorsätzliche Behinderung nach oben in die N ö t i g u n g über (§ 2 4 0 S t G B ) . D a s Unterscheidungsmerkmal ist hier die zum T a t b e s t a n d der N ö t i g u n g gehörende Verwerflichkeit des angewandten Mittels. U m g e k e h r t k o m m t es bei der Entscheidung der Frage, ob ein den T a t b e s t a n d des § 1 erfüllendes V e r h a l t e n durch N o t w e h r gerechtfertigt ist, darauf an, ob d a ß zur Verteidigung eines Rechtes angewandte M i t t e l angemessen w a r . D i e G r e n z e wird hier häufig zwischen G e f ä h r d u n g und Behinderung verlaufen. W e r einem anderen gegenüber notwehrberechtigt ist, wird diesen z w a r behindern, aber nicht gefährden oder schädigen dürfen 8 1 5 ). W e r ein Vorrecht h a t , d a r f also andere behindern, wenn dies bei der Ausübung seines Vorrechts unvermeidbar ist. Dagegen genügt es in manchen F ä l len nicht, die Verhaltensvorschriften der § 2 f. einzuhalten, um dem V o r w u r f vermeidbarer Behinderung zu entgehen. Insofern geht die Grundregel des § 1 den übrigen Vorschriften der S t V O vor 8 1 6 ). Allerdings wird derjenige, der sich streng an die R e g e l n der § 2 f. hält, häufig für sich in Anspruch nehmen dürfen, eine mit der Verkehrsregel notwendig verbundene B e hinderung anderer sei vom Gesetzgeber in Betracht gezogen worden und sei deshalb im Sinne des § 1 unvermeidbar.
172
Einzelfälle D e r j e n i g e Verkehrsteilnehmer, der im Vergleich zu anderen, insbesondere zum fließenden V e r k e h r , durch die Eigenart seiner Fahrweise eine besondere G e f a h r verursacht, ist in höherem M a ß e zur Rücksichtnahme verpflichtet. D e s h a l b wurde schon nach früherem Recht die Meinung vertreten, d a ß auch der nach rechts Abbiegende auf besonderem R a d w e g entgegenkommende R a d f a h r e r nicht behindern d a r f 8 1 7 ) . H i e r wurde ein gewisses Vorrecht des fließenden Verkehrs angenommen, obwohl die S t V O hierüber keine Vorschrift enthält. N u n ist dem R a d f a h r e r durch § 9 Abs. 3 ausdrücklich ein Vorrecht eingeräumt. Zahlreiche Entscheidungen befassen sich mit der F r a g e , wann beim P a r k e n die Grenze der unvermeidbaren Behinderung überschritten wird 8 1 8 ). D i e Interessen des Parkenden und die der Anderen müssen gegeneinander abgewogen werden. Einen gerechten Ausgleich zu finden, ist o f t schwer. Zunächst die Frage, ob während des Spitzenverkehrs a u f einer Großstadtstraße v o r einer gerade freiwerdenden Parklücke auch dann gewartet werden darf, wenn dadurch der fließende V e r k e h r etwa 2 0 sec lang blockiert wird? Allein v o m allgemeinen Interesse aus betrachtet wäre bei einer derartigen Straßensituation die E r h a l t u n g der Flüssigkeit des Durchgangsverkehrs der übergeordnete Gesichtspunkt. B e i der Frage, ob eine durch das Anhalten des Parksuchers eintretende Verkehrsbehinderung den Umständen nach „vermeidbar" und ihr Unterlassen dem Parkwilligen z u m u t b a r ist, dürfen aber die Anforderungen nicht überspannt werden. E i n e 2 0 sec dauernde Behinderung wurde daher noch als unvermeidbar angesehen 8 1 9 ). ) BayObLGSt. 66, 118 (11. 10. 66) = VRS 32, 148 = VerkMitt. 66, 91 = DRspr. II (291) 149 b. 8 1 ä ) Vgl. Stuttgart 8. 12. 65, JR 66, 228 mit kritischer Anmerkung von Möhl = N J W 66, 745 mit kritischer Anmerkung von Bockelmann = DAR 66, 54 = VRS 30, 106. 8 1 8 ) BGH(Z) 21. 6. 60, VRS 19, 170 = DAR 60, 290 = MDR 60, 916 = N J W 60, 2097 = VersR 60, 925 = DRspr. II (291) 72 a. 814
150
) Braunschweig 17. 5. 63, VRS 26, 54 = DRspr. II (291) 116 a; Celle 19. 4. 58, DAR 58, 336 = NdsRpfl. 58, 165. 8 1 8 ) Vgl. Schmidt, DAR 68, 259. 81 ») Köln 29. 1. 63, JMB1. NRW 63, 135 = DAR 63, 251 = VRS 24, 458 = VerkMitt. 64, 52 = DRspr. II (291) 107 b. 817
stvo § 1
Behinderung
H a t der Parkwillige aber nodi keine Parklücke gefunden, dann darf er nicht langsam in der Fahrbahnmitte entlangfahren, um nach einer solchen Ausschau zu halten, wenn dadurch der fließende Verkehr behindert wird 820 ). Die Frage, ob das Parken an der gewählten Stelle erlaubt oder verboten ist, ist f ü r die Frage, ob dadurch andere im Sinne des § 1 behindert werden, zwar nicht ausschlaggebend, aber doch auch nicht ohne Bedeutung. Wer verboten parkt, hat f ü r jede erhebliche Behinderung einzustehen, wer erlaubt parkt, dagegen nur für eine besonders empfindliche. So wurde bei einem K r a f t f a h r e r , der verbotswidrig auf dem Gehweg parkte, bereits die Einengung des Gehweges auf 1,05 m als ordnungswidrige Behinderung angesehen 821 ). Versperrt dagegen ein zum Abladen abgestellter Lkw den Bürgersteig völlig, dann kann die Verdrängung der Fußgänger nur aus schwerwiegenden Gründen hingenommen werden, gleichviel, ob das Abstellen auf dem Bürgersteig im übrigen erlaubt oder verboten war 822 ). Das ist aber ein Ausnahmefall. Grundsätzlich gilt Parken an Straßenstellen ohne Parkverbot nur dann als vermeidbare Behinderung, wenn sich in nächster N ä h e erkennbar eine den Fahrverkehr nicht beeinträchtigende Parkmöglichkeit befindet 823 ). Auch kann, wer seinen Kraftwagen zum Aus- und Einsteigen in zweiter Fahrspur anhält, regelmäßig nicht mit Erfolg geltend machen, die dadurch eingetretene Behinderung eines anderen sei unvermeidbar gewesen 824 ). Dagegen wird darin keine Ordnungswidrigkeit erblickt, daß Kraftwagen des fließenden Verkehrs durch erlaubtes Parken genötigt werden, sich zwischen den parkenden Fahrzeugen „hindurchzuschlängeln" 825 ). Das Parken vor Grundstücksausfahrten ist nach § 12 Abs. 3 N r . 7 verboten. Das Verbot erstreckt sich nicht auf den neben der Einfahrt befindlichen Platz. Audi wenn der Ausfahrende dadurch in seiner Sicht oder am Einbiegen behindert wird, daß neben seiner Ausfahrt geparkt wird, t r i f f t den Parkenden in der Regel nicht der Vorwurf vermeidbarer Behinderung 826 ). Wenn der Gesetzgeber nur das Parken unmittelbar vor der Ausfahrt verbietet, dann gibt er damit wohl zu erkennen, daß er die mit dem Parken in der N ä h e der Ausfahrt möglicherweise verbundene Behinderung des Ausfahrenden als unvermeidbar ansieht. Es gibt auch keine Vorschrift, die dem Hausbesitzer den Platz vor seinem Haus als Parkplatz für sein Fahrzeug vorbehielte. Schon das bloße vorübergehende Anhalten kann, auch wenn kein Halteverbot besteht, gegen § 1 verstoßen. Wer an der Spitze einer Fahrzeugkolonne fährt, darf ohne triftigen Grund nicht an einer Stelle anhalten, wo er wegen Gegenverkehrs nicht überholt werden kann 827 ). Durch das Parken darf nicht nur der fließende, sondern auch der ruhende Verkehr nicht mehr als unvermeidbar behindert werden. Zwar kann einem K r a f t f a h r e r bei starker Parkraumnot zugemutet werden, durch mehrfaches Vor- und Zurückstoßen aus seiner Parklücke herauszukommen. Ein Abstand von 30 cm nach vorne und hinten ist zu gering 828 ), ein solcher von 50 + 80 cm ausreichend 829 ). Wird der Vorwurf der verkehrsbehindernden Abstellung eines Fahrzeugs mit der Erwägung begründet, daß es der Fahrzeugführer an anderer Stelle ohne Verkehrsbehinderung hätte abstellen können, so muß das Urteil die Tatsachen anführen, aus denen sich dies ergibt 83 «). Besonders hinderlich für den Durchgangsverkehr ist häufig das Ladegeschäft auf der Straße. Eine dem früheren § 18 Abs. 1 StVO 1937 entsprechende ausdrückliche Einschränkung des Ladegeschäfts auf Fälle, in denen die Be- und Entladung außerhalb des öffentlichen 82
°) Celle 13. 10. 60, VRS 21, 141 = NdsRpfl. 60, 281 = DRspr. II (291) 76 a. ) Bremen 9. 10. 58, VkBl. 59, 260 = DRspr. II (291) 58 a. 822 ) Köln 12. 6. 59, DAR 59, 330. 823 ) BayObLG 11. 12. 69, VerkMitt. 70, 33 = VRS 39, 74 = DRspr. II (291) 185 b. 824 ) KG 25. 4. 68, VRS 35, 302. 825 ) Hamm 21. 4. 66, VRS 31, 283 = DRspr. II (291) 148 d. 82 «) Köln 19. 2. 60, DAR 60, 184 = BB 60, 821
827
)
828
)
828 ) 8S0
)
578 = JMB1. NRW 60, 141 = DRspr. II (291) 66 a; Hamm 20. 4. 64, VRS 27, 462 = DRspr. II (291) 122 c. Sehl.-Holst. 14. 6. 62, VerkMitt. 62, 90 = DRspr. II (291) 102 a. Düsseldorf 23. 4. 59, VRS 17, 226 = DRspr. II (291) 62 a. Hamm 22. 2. 62, DAR 62, 303. BayObLG 15. 9. 65, 1 a St 204/1965; KG 28. 4. 66; DAR 66, 305 = DRspr. II (291) 148.
151
§ 1
Möhl
stvo
Verkehrsgrundes ohne besondere Erschwernis nicht möglich ist, enthält die neue S t V O nicht. Doch gelten die allgemeinen Grundsätze fort, wie sie die frühere Rechtsprechung aus § 1 entwickelt hat. Darnach ist auch wo kein Halte- oder Parkverbot besteht, jedes Abstellen eines Fahrzeugs zum Be- und Entladen verboten, das den fließenden Verkehr mehr als unvermeidbar behindert. Für das Ladegeschäft gibt es grundsätzlich keine Besonderheit, doch muß das Interesse des Laders an einer für das Verladen günstigen Stelle nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Hatte dieser aber etwa 10—12 m von der von ihm gewählten, für den Durchgangsverkehr ungünstigen Stelle, entfernt einen geeigneten Halteplatz und bestand das Ladegut nur aus einem Tisch, dann durfte er den Lastwagen auch nidit zwei Minuten lang an der ungünstigen Stelle abstellen. Wurde dabei der fließende Verkehr behindert, dann ist der Tatbestand des § 1 erfüllt 8 3 1 ). Unvermeidbare Behinderungen, die durch die erlaubte Aufstellung eines Transporters zur Durchführung des Ladegeschäfts auf der Straße entstehen, müssen dagegen von den übrigen Verkehrsteilnehmern hingenommen werden 832 ). Einzelheiten zum Ladegeschäft s. § 41 N r . 8 2 . 286). Eine alltägliche Erscheinung ist die Behinderung rascher Fahrzeuge durch vorausfahrende langsamere Fahrzeuge. D a die mögliche Geschwindigkeit von der Motorstärke abhängt, kann ein gleichmäßig schneller Verkehrsfluß nicht erreicht werden, solange Fahrzeuge verschiedener Stärke die gleiche Straße benutzen müssen. Die Geschwindigkeit wird aber auch vom Fahrer innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Rahmens bestimmt. Nach § 3 Abs. 2 dürfen Kraftfahrer ohne triftigen Grund nicht so langsam fahren, daß sie den Verkehrsfluß behindern. Dies wurde früher dem § 1 entnommen. Die hierzu ergangene frühere Rechtsprechung kann zur Auslegung der neuen Vorschrift herangezogen werden (s. § 3 R N r . 65). Wer durch Langsamfahren Andere behindert, verstößt nur gegen § 3 Abs. 2, da dieser insoweit gegenüber § 1 das speziellere Gesetz ist. Aus der früheren Rechtsprechung zu § 1 ist erwähnenswert: Wird der Führer eines Kraftfahrzeugs durch die Beschaffenheit der Ladung zum Langsamfahren genötigt, dann kann sein Verhalten ordnungswidrig sein, wenn er auf der Autobahn statt auf einer anderen zur Verfügung stehenden Straße fährt und dabei Andere behindert 833 ). Können diese allerdings risikolos überholen, dann wird die Grenze unvermeidbarer Behinderung nicht überschritten 834 ). Wer auf einer einbahnig zu befahrenden Autobahnstrecke ohne vernünftigen Grund nicht mehr als 30 km/h fährt und dadurch einen Stau verursacht, verstieß nach der früheren Rechtslage gegen § l 8 3 5 ). Wer dagegen auf einer Landstraße 800 m langsam fuhr und dadurch nachfolgende Kraftfahrer behinderte verstieß nicht gegen § 1, auch wenn die Nachfolgenden auf dieser Strecke nicht überholen konnten 83 «). Durdi das Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges wird zwar ein nachfolgender Fahrzeugführer immer behindert. Solche Behinderungen sind aber in der Regel unvermeidbar. N u r wer durch seine Fahrweise den Nachfolgenden zu scharfem Bremsen nötigt, überschreitet die Grenzen der erlaubten Behinderung, wenn seine Fahrweise vermeidbar war 8 3 7 ). Wer sich allerdings in eine langsamfahrende Kolonne eindrängt, nachdem er sie teilweise überholte, soll die nachfolgenden Kraftfahrer selbst dann im Sinne des § 1 behindern, wenn ihm einer der Kolonnenfahrer erwartungsgemäß eine Lücke freimacht 838 ). Ein Fahrzeugführer, der sich, obwohl richtige Einordnung möglich wäre, an einer Kreuzung, an der die Verkehrsampel neben rotem Licht einen nach rechts weisenden grünen Pfeil zeigt, ohne Rechtsabbiegeabsicht rechts einordnet, verstößt gegen § 1, wenn er nach) Düsseldorf 3. 5. 62, VerkMitt. 62, 91 = DRspr. II (291) 102 b; ähnlich Düsseldorf 4. 4. 63, VerkMitt. 64, 30. 8 3 2 ) Bremen 9. 8. 61, VRS 22, 309. 8 3 3 ) Düsseldorf 5. 8. 65, NJW 65, 2311 = VRS 29, 382 = JMB1. NRW 66, 47 = VerkMitt. 66, 5 = DRspr. II (291) 135 c. 8 " ) Frankfurt 2. 10. 68, DAR 69, 52 = DRspr. II (291) 167 a. 8S1
152
5) Köln 13. 9. 60 = VRS 20, 223 = JMBI. NRW 61, 55 = DRspr. II (291) 79 b. 8 3 e ) Düsseldorf 8. 3. 68, VRS 35, 378; aber Koblenz 18. 1. 66, DAR 66, 277 = VRS 31, 213 = DRspr. II (291) 149 a. 8 3 7 ) Düsseldorf 4. 7. 68, VRS 36, 126 = VerkMitt. 68, 78. 8 3 8 ) Celle 3. 6. 65. MDR 65, 847 = NJW 65, 1726 = NdsRpfl. 65, 184 = VRS 29, 210 = DRspr. II (291) 135 b. 83
Behinderung
StVO
§ 1
folgende Verkehrsteilnehmer an der freien Weiterfahrt hindert 839 ). Wer sich allerdings schuldlos unrichtig eingeordnet hat, soll nachfolgende Verkehrsteilnehmer nicht im Sinne des § 1 vermeidbar behindern, wenn er seine Fahrt nicht im Sinne des grünen Pfeiles fortsetzt 8 4 0 ). Kraftfahrzeugführer vor einer polizeilichen Geschwindigkeitskontrolle zu warnen, ist zwar nicht an sich verboten. Ist es aber mit einer Behinderung der gewarnten Fahrzeugführer verbunden, so kann es den Tatbestand des § 1 erfüllen 8 4 1 ). Wer dadurch, daß er auf einer großstädtischen Geschäftsstraße Flugblätter verteilt, eine Menschenansammlung hervorruft, die für kurze Zeit das Vorwärtskommen der Fußgänger auf dem Gehweg erschwert, behindert damit den Fußgängerverkehr nicht mehr als unvermeidbar 842 ). Das gleiche gilt für das (erlaubte) Parken eines Pkw, an dem Tafeln angebracht sind, auf denen das Fahrzeug zum Kauf angeboten wird 8 4 5 ). Wer zum Überholen ausschert, muß auf nachfolgende Fahrzeuge achten, die im Überholen begriffen sind. Können sich diese auf den Ausscherenden ohne Schwierigkeit durch Gaswegnehmen oder leichtes Bremsen einrichten, ist die Grenze zum verbotenen Behindern noch nicht überschritten. Ein mit 60 km/h Fahrender darf aber 50 m vor einem mit 90 km/h Nachfolgenden nicht mehr ausscheren, weil dieser zu einer raschen und erheblichen Herabsetzung seiner Geschwindigkeit genötigt würde 844 ). Beim Übergang vom zwei- zum einreihigen Fahren soll die Nichtgewährung des (angeblich) dem Rechtsfahrenden gebührenden Vortritts eine Behinderung im Sinne des § 1 sein 845 ). Das (nunmehr nach § 9 Abs. 6 verbotene) Rückwärtsfahren auf der Autobahn behindert den nachfolgenden Verkehr 8 4 8 ). Wer im Großstadtverkehr aus verkehrsfremden Gründen wiederholt um einen Straßenkomplex unter Verlangsamung der Fahrt und gelegentlichem Anhalten herumfährt und dadurch andere behindert, kann gegen § 1 verstoßen 847 ). Wer als Kraftfahrer eine nur für Fußgänger bestimmte Druckknopfampel betätigt, um sich für sein Fahrzeug freie Bahn zu verschaffen, behindert den durch die Fußgängerampel angehaltenen Verkehr mehr als nach den Umständen unvermeidbar 848 ). Wer sich zur Mitte einordnet, um nach links abzubiegen und anhält, um den Gegenverkehr durchfahren zu lassen, kann den nachfolgenden Verkehr unzulässig behindern, wenn er die Abbiegeabsicht nicht anzeigt und den Nachkommenden deshalb darüber im Unklaren läßt, ob er an dem haltenden Fahrzeug rechts vorbeifahren darf 8 4 9 ). Wer Zeichen von Bauarbeitern an Baustellen zur Regelung des Verkehrs nicht beachtet und deshalb den Gegenverkehr behindert, verhält sich ordnungswidrig, obwohl den Zeichen von Bauarbeitern nicht die gleiche rechtsverpflichtende Bedeutung zukommt wie den Zeichen von Polizeibeamten 850 ). Ein Fußgänger, der sich auf dem Bürgersteig einem Kraftwagen in den Weg stellt, behindert den Fahrzeugführer nicht mehr als unvermeidbar, wenn dieser verkehrswidrig den Gehweg befährt 8 5 1 ). Hier zeigt sich deutlich, daß es für die Frage, wer wen behindern darf, entscheidend auf die Rechtsposition des Behindernden und des Behinderten ankommt. d Belästigung Anderer Allgemeines Belästigung ist die Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens. D a die Sensibilität des Menschen verschieden ist, muß bei Prüfung der Frage, ob eine Belästigung das «*•) BayObLGSt. 59, 153 (3. 6. 59) = NJW 59, 1788 = DAR 59, 331 = VRS 17, 386 = J R 59, 430 = DRspr. II (291) 61 b, c. 8 4 0 ) BayObLG wie Fußn. 839; a. M. Brauns&weig 8. 9. 61, DAR 62, 133 = NdsRpfl. 62, 22 = DRspr. II (291) 95 d. 8 4 1 ) Köln 5. 5. 59, DAR 59, 247; KG 14. 4. 60, VRS 19, 58; Hamburg 30. 3. 60, DAR 60, 215 = VkBl. 60, 272 = DRspr. II (291) 68 b. 8 4 2 ) KG 7. 12. 67, VRS 34, 468 = VerkMitt. 68, 36 = DRspr. II (291) 162 c.
) Hamburg 6. 3. 62, VerkMitt. 62, 49. ) Hamm 18. 4. 68, VRS 36, 128. 8 4 5 ) Hamm 30. 5. 68, VRS 36, 100 = DRspr. II (291) 172 b. 84 ») Düsseldorf 5. 12. 68, VRS 37, 302. 8 « ) Köln 13. 9. 68, VRS 36, 365. 8 4 8 ) Bremen 19. 10. 62, VerkMitt. 63, 23. 8 4 s ) BayObLG 10. 10. 68, 1 a St 322/1968. S5°) Celle 24. 4. 57, VRS 27, 232 = VkBI. 57, 517. «51) Düsseldorf 10. 4. 69, VRS 38, 301.
843 844
§
1
s t v o
Möhl
Maß des Zumutbaren überschreitet, von den Nerven eines Durchschnittsmenschen ausgegangen werden. Belästigung ist also die Erregung subjektiven Unmuts nur dann, wenn sie nach objektiven Maßstäben geeignet ist, beim Normalmenschen Unmut hervorzurufen. Daß sich ein anderer belästigt fühlt, reicht (wie bei der Gefährdung) nicht aus, es muß festgestellt werden, daß er tatsächlich über Gebühr belästigt wurde. Aber auch nicht jede derartige Belästigung ist ordnungswidrig, sondern (wie bei der Behinderung) nur eine solche, die unvermeidbar oder besser, die nicht mehr zumutbar ist. Da man den modernen Straßenverkehr nicht abschaffen kann, muß man sich damit abfinden, daß die Nerven aller Beteiligten tausendfach unter seinen Auswirkungen zu leiden haben. Ordnungswidrig wird die Belästigung erst dann, wenn sie deutlich über diese unvermeidbare Belästigung hinausgeht. Ordnungswidrig ist die Belästigung weiter nur dann, wenn sie sich — gleichviel ob sie beabsichtigt ist oder nicht — irgendwie gegen den Belästigten richtet 852 ). Der unbeteiligte Zuschauer wird dadurch nicht „belästigt", daß er Augenzeuge einer verkehrswidrigen Fahrweise oder auch eines Unfalles wird, mag er auch aus verletztem Rechtsgefühl daran Anstoß nehmen. Schließlich gehört zum Tatbestand der Belästigung auch noch, daß das belastende Verhalten tatsächlich von jemandem als Belästigung empfunden wird. Daß sie dazu geeignet wäre, genügt nicht. Durch zu dichtes Auffahren wird der Vordermann deshalb nur dann belästigt, wenn er das Auffahren bemerkt 853 ). Belästigung ist nicht etwa ein geringerer Grad von Behinderung. Zwar wird der Behinderte in der Regel durch die Behinderung auch belästigt. Zum Begriff der Belästigung gehört aber keine Behinderung irgendwelcher Art. 174
Einzelfälle Schreck Der Kraftfahrer darf Fußgänger auf einem Überweg nicht erschrecken. Bringt er sein Fahrzeug nur noch mit scharfem Bremsen und quietschenden Reifen unmittelbar vor dem Fußgänger zum Halten, so liegt darin mindestens eine Belästigung im Sinne des § l 854 ). Das gleiche gilt für den Fall, daß ein Kraftfahrer mit quietschenden Reifen in eine Seitenstraße abbiegt und dabei einen diese an der Einmündung überschreitenden Fußgänger erschreckt855). Ähnlich macht sich ein Kraftfahrer der Belästigung eines anderen schuldig, der plötzlich auf den Bürgersteig auffährt, um ihn zu überqueren, wenn dadurch ein dort in unmittelbarer Nähe abgewendet stehender Fußgänger erschreckt wird 85 '). Quietschen bei einem Kraftfahrzeug die schadhaften Bremsen, dann kann in ihrer Betätigung eine Belästigung liegen, wenn dadurch ein Fußgänger in Schrecken versetzt wird 857 ). Streift ein Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug ein entgegenkommendes Fahrzeug, ohne es zu beschädigen, so kann (abgesehen von der Frage der Gefährdung) eine seelische „Belästigung" der Insassen des anderen Fahrzeugs (durch Erschrecken) vorliegen 858 ). Lärm Übertriebene Lärmverursachung kann zur Belästigung im Sinne des § 1 führen, auch wenn damit keine Schrediwirkung verbunden ist (vgl. auch § 360 Nr. 11 StGB). So ist die Störung der Nachtruhe durch Warmlaufen eines Dieselmotors in einer ausgesprochenen Wohnstraße eine vermeidbare Belästigung 859 ). Ebenso das 6 Minuten lange Laufenlassen des Motors einer Beiwagenmaschine bei Nacht 860 ). Das Dauerparken eines Diesellastwagens in einem Wohngebiet kann eine unzumutbare Belästigung der Anwohner bedeuten, wenn dieser morgens zwi852
) BayObLGSt. 63, 169 (26. 6. 63) = VRS 25, 453 = VkBl. 63, 680 = VerkMitt. 63, 74 = NJW 63, 1884 = DRspr. II (291) 108 b; Miihlhaus § 1 Anm. 8 d. 853 ) BayObLG 3. 7. 68, 1 b St 240/1968. 854 ) Hamm 14. 4. 66, VRS 31, 462. 855 ) Hamburg 30. 8. 66, VerkMitt. 67, 83; ähnlich Düsseldorf 10. 6. 65, VerkMitt. 65, 90 und 15. 3. 67, VerkMitt. 68, 44.
154
856) Düsseldorf 26. 1. 67, VerkMitt. 67, 45 = DRspr. II (291) 153 d. 857 j Düsseldorf 15. 3. 67, VerkMitt. 68, 44. 858 ) BayObLG 23. 4. 58, 1 St 178/1958. 85B ) Karlsruhe 20. 4. 61, DAR 61, 257 = DRspr. II (291) 83 a; Oldenburg 19. 11. 57, VerkMitt. 58, 16 = BB 58, 427 = NdsRpfl. 58, 39. 8 °°) Celle 13. 8. 58, NdsRpfl. 58, 216 = NJW 58, 1648 = DRspr. II (291) 47 b.
stvo § 1
Belästigung
sdien 3 und 4 U h r angelassen und abgefahren wird. D a s t r i f f t aber nur zu, wenn sich in angemessener E n t f e r n u n g ein Abstellplatz findet, wo Belästigungen von A n w o h n e r n nidit eintreten 8 6 1 ). D i e nächtliche F a h r t mit einem unbeladenen Anhänger k a n n zu einer ordnungswidrigen Lärmbelästigung führen, wenn die am A u f b a u des Anhängers angebrachten K e t t e n ohne geräuschdämpfende Isolierung lärmend gegen den A u f b a u schlagen 8 6 2 ). O b ein T a x i fahrer bei N a c h t an einem T a x i s t a n d zur Aufrechterhaltung der Fahrzeugheizung den M o t o r laufenlassen d a r f , hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. (Abwägung der Interessen der Nachbarschaft gegen die Lärmbelästigung und des T a x i f a h r e r s a u f W a r m h a l t u n g des I n nenraumes seines Fahrzeugs) 8 6 3 ). W e r mit einem T r a k t o r mit lautem G l ü h k o p f m o t o r in einer R e i h e zum Abladen vorgefahrener Fahrzeuge hält, m u ß in den zwischen dem jeweiligen V o r rücken liegenden Wartezeiten den M o t o r abstellen, wenn er den V o r w u r f der Belästigung vermeiden will 8 6 4 ).
Blinken und Blenden W e r auf der Autobahn bei starkem K r a f t f a h r z e u g v e r k e h r einen v o r ihm auf der Ü b e r h o l f a h r b a h n mit 120 km/h fahrenden K r a f t f a h r e r durch ständige H u p - und Lichtsignale und durch dichtes H e r a n f a h r e n v e r a n l a ß t , in eine kleine Lücke a u f der rediten F a h r b a h n h ä l f t e einzufahren, macht sich (u. a.) einer Belästigung nach § 1 schuldig 8 6 5 ). D i e Ankündigung der Überholabsicht durch A u f b l i n k e n ist aber nicht in jedem F a l l unzulässig. D i e n t sie dazu, einen mit 100 km/h auf der Überholspur fahrenden K r a f t f a h r e r zu veranlassen, in eine 3 0 0 m lange Lücke zwischen zwei mit 70 k m / h fahrenden L k w s a u f der N o r m a l s p u r einzuscheren, dann ist die Belästigung durch den Nachfolgenden zumutbar 8 6 6 ). Es k o m m t also immer darauf an, ob die A b g a b e von Lichtsignalen sinnvoll ist, weil der zum R ä u m e n der Überholspur Aufgeforderte ohne Schwierigkeit und ohne erhebliche Verminderung seiner Fahrgeschwindigkeit der A u f f o r d e r u n g nachkommen kann. (Ist der Vorausfahrende selbst im Überholen begriffen, dann braucht er seine Überholung nicht abzubrechen, um dem Nachfolgenden seinen P l a t z einzuräumen. Insoweit gibt es kein Recht des Schnelleren). W e r hinter einem anderen Fahrzeug eine längere Strecke in kurzem Abstand mit aufgeblendeten Scheinwerfern herfährt, macht sich nicht nur einer Ordnungswidrigkeit nach § 17 Abs. 2, sondern auch nach § 1 schuldig. Diese Belästigung ist vermeidbar 8 6 7 ). Dagegen ist die von einem mit A b b l e n d licht statt Standlicht parkenden Fahrzeug ausgehende Belästigung keine ordnungswidrige B e lästigung nach § l 8 6 8 ) .
Warnung vor polizeilicher
Geschwindigkeitskontrolle
Für die F r a g e , wann in einer solchen Warnung eine ordnungswidrige Belästigung anderer liegt, gilt das zur F r a g e der Behinderung Ausgeführte (oben R N r . 172, F u ß n o t e 841).
Winkzeichen Winkzeichen zum Anhalten von Kraftdroschken stellen grundsätzlich keine Belästigung dar 8 6 9 ).
unzulässige
Parken W e r an einer Stelle p a r k t , an der er andere mehr als unvermeidlich belästigt, verstößt auch dann gegen § 1, wenn das P a r k e n an der gewählten Stelle im übrigen erlaubt wäre. So k a n n in dem P a r k e n eines großen Lastkraftwagens in einer W o h n s t r a ß e die Sicht der benachbarten A n w o h n e r über G e b ü h r beeinträchtigt oder die L u f t durch Benzingeruch ver) Hamm 18. 9. 62, DAR 63, 281. ) Düsseldorf 2. 2. 61, VerkMitt. 62, 11. ) BayObLGSt. 68, 96 (11. 11. 68) = VerkMitt. 69, 27 = VRS 36, 424. 8 « 4 ) Köln 21. 3. 61, VRS 21, 281 = JMB1. NRW 61, 147; ähnlich Schl.-Holst. 19. 3. 58, SdilH A 58, 205. 8 6 5 ) Düsseldorf 16. 11. 61, VRS 22, 471 = VerkMitt. 62, 70. 861 862
86S
) Hamm 22. 12. 66, VRS 33, 130; ähnlidi sdion Hamm 24. 11. 61, VerkMitt. 62, 58 m. Anm. 8 6 7 ) Düsseldorf 7. 9. 61, VRS 22, 310 = VerkMitt. 62, 70 = DRspr. II (291) 103 a. 8«8) Hamm 15. 1. 62, VkBl. 63, 279 = DAR 63, 23 = DRspr. II (291) 106 a. 8B») KG 25. 8. 58, VRS 15, 455 = DRspr. II (291) 50 d. 866
155
§ 1
stvo
Möhl
pestet sein 870 ). Auch die Auspuffgase eines mit laufendem Motor parkenden Kraftwagens können eine vermeidbare Belästigung anderer verursachen 871 ).
Beschmutzung Ist die Straße naß und schmutzig, dann läßt sich nicht vermeiden, daß die Räder eines fahrenden Kraftfahrzeugs Schmutz aufwirbeln, der auf andere Verkehrsteilnehmer trifft. Das gilt besonders für das Überholen, denn der Überholende muß mit höherer Geschwindigkeit fahren als der Überholte. Allerdings muß von dem Führer des überholenden Fahrzeugs verlangt werden, daß er die Beeinträchtigungen auf das nach den Umständen geringstmögliche M a ß beschränkt. Wird trotzdem die Windschutzscheibe des überholten Fahrzeugs derart mit Schneematsch besudelt, daß dessen in Betrieb befindlicher Scheibenwischer stedtenbleibt und der Überholte zum sofortigen Anhalten gezwungen wird, dann handelt es sich um eine unvermeidbare Belästigung. Denn der Führer eines Kraftfahrzeuges, der mit mäßiger Geschwindigkeit auf einer mit Schneematsch bedeckten Straße fährt, kann nicht ohne weiteres verlangen, daß schnellere Verkehrsteilnehmer davon Abstand nehmen, ihn zu überholen 872 ). Ist allerdings die Straße auf eine Strecke von 60 m überflutet, dann darf überhaupt nicht überholt werden, wenn mit einem unzumutbaren Bespritzen des Überholten zu redinen ist. Wer trotzdem überholt und den Führer des überholten Fahrzeugs so mit Wasser bespritzt, daß dieser durchnäßt und in seiner Sicht behindert wird, verstößt gegen § l 8 7 3 ) . Wer auf nasser und schmutziger Fahrbahn an Fußgängern vorbeifährt, muß durch Herabsetzung seiner Geschwindigkeit und Einhaltung eines möglichst geräumigen Abstandes die Beschmutzung der Fußgänger nach Möglichkeit vermeiden. Ein Kraftfahrer, der bei Durchfahren einer Pfütze durch aufspritzendes Wasser die Kleidung eines Fußgängers beschmutzt, verstößt gegen § 1, wenn er das Bespritzen ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hätte vermeiden können 8 7 4 ). Die Pflicht, darauf zu achten, daß Fußgänger möglichst nicht beschmutzt werden, trifft auch den Führer eines Schneeräumfahrzeugs. Nur soldie Belästigungen, die sich auch bei rücksichtsvoller Durchführung der Räumungsarbeiten nicht vermeiden lassen können, halten sich im Rahmen des „nach den Umständen Unvermeidbaren" 8 7 5 ). I V . Rechtsgrundsätze für das Bußgeldverfahren
Vorbemerkung Im folgenden können natürlich nicht alle bei der Durchführung von Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 auftretenden verfahrensrechtlichen Zweifelsfragen erörtert werden. Es soll nur auf einige wichtige Verfahrensgrundsätze hingewiesen werden, über die nach der Erfahrung der Praxis häufig Unklarheit herrscht. Die zusammenfassende Darstellung zum Wesen der Ordnungswidrigkeit (Ursächlichkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, Beteiligung) findet sidi in R N r . 18—68 zu § 24 S t V G (Bd. I/I). 1. Feststellung des Sachverhalts
175
Allgemeines Wenn auch das Bußgeldverfahren in mancher Beziehung ein summarisches Verfahren ist, so gelten doch für die Feststellung des Sachverhalts die gleichen Grundsätze wie für die Feststellung des Sachverhaltes im Strafverfahren und zwar nicht nur für das Gericht, sondern auch für die Bußgeldbehörde. Wenn im folgenden vom „Tatrichter" gesprochen wird, dann ist hierfür die Erwägung maßgebend, daß die Frage, ob der Sachverhalt ausreichend festgestellt wurde, Gegenstand der Prüfung des Beschwerdegerichts ist. D e r Tatbestand der Ordnungswidrigkeit muß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. ) Bremen 24. 8. 55, VRS 9, 474; Saarbrücken 20. 4. 61, VRS 22, 62. 8 « ) Düsseldorf 27. 4. 66, VerkMitt. 66, 46. 8 7 2 ) BayObLGSt. 64, 82 (12. 5. 64) = VerkMitt. 64, 66 = VRS 27, 376 = DRspr. II (291) 122 b. 870
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>) BayObLG 1. 4. 66, 1 b St 15/1966. ) BayObLG 3. 4. 69, 1 b St 79/69; Schleswig 12. 10. 55; VerkMitt. 56, 17 = DAR 56, 22; Düsseldorf 16. 9. 65, VerkMitt. 66, 6. 8 7 5 ) BayObLG 17. 12. 68, 1 b St 476/1968. 87
874
Feststellung des Sachverhalts
stvo § 1
Mit Erwägungen, die lediglich erkennen lassen, daß der Tatrichter einen Verkehrsverstoß des Betroffenen für „sehr wahrscheinlich" gehalten hat, kann die Verurteilung nicht begründet werden. Will der Tatriditer einen Vorgang allein dadurch feststellen, daß er alle anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschließt, so muß das Urteil erkennen lassen, daß er dabei keine naheliegende Möglichkeit des Geschehensablaufes unberücksichtigt gelassen hat. Wird wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 verurteilt, dann muß auf Grund der jeweiligen Verkehrslage, der örtlichen Verhältnisse und der besonderen Umstände des Falles festgestellt werden, welcher der in § 1 angeführten konkreten Erfolge eingetreten ist und welche Schuldform dem Betroffenen zur Last gelegt wird87®). Enthält der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit Rechtsbegriffe wie „Gefährdung", „Behinderung" usw., dann muß der Begriff in bestimmte Tatsachen und Handlungen aufgelöst werden. Es genügt also nicht die Feststellung, daß einer der im § 1 verbotenen Erfolge vorgelegen hat, sondern der festgestellte Sachverhalt muß die Tatsachen enthalten, aus denen sich dieser Erfolg ergibt. Einzelfälle Abstand Bei allen Auffahrunfällen spielt die Frage, welchen Abstand der Auffahrende zu dem Vorausfahrenden hatte, eine Rolle. Allerdings ist in Fällen, in denen der Vorausfahrende seine Geschwindigkeit durch Bremsen herabgesetzt hatte, notfalls die Wahlfeststellung zulässig, daß der Nachfolgende entweder einen zu geringen Abstand einhielt oder unaufmerksam fuhr. Das gilt aber nicht, wenn der Vorausfahrende seinerseits aufgefahren, also unter Abkürzung des normalen Anhaltewegs zum Halten gekommen war. In diesem Fall trifft den Nachfolgenden in der Regel nur dann ein Verschulden, wenn er trotz des abgekürzten Anhalteweges des Vorausfahrenden bei Einhaltung eines ausreichenden Abstandes und genügender Aufmerksamkeit den Aufprall seinerseits hätte vermeiden können. Hier kommt es also auf die Feststellung dieses Abstandes an (die häufig nicht mit der notwendigen Genauigkeit möglich ist). Ausnahmsweise kann ihn aber auch deshalb ein Verschulden treffen, weil er bei genügender Aufmerksamkeit rechtzeitig hätte voraussehen können, daß das vor ihm fahrende Fahrzeug auf ein anderes Fahrzeug aufprallen werde. Gegegebenenfalls sind zu dieser Frage Feststellungen erforderlich. Im dichten Großstadtverkehr kommt es darauf entscheidend an, ob der nachfolgende Fahrer damit rechnen mußte, daß das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst würde 877 ). In diesem Fall wird u. U. ein geringerer als der normale Sicherheitsabstand für ausreichend angesehen (vgl. oben R N r . 62). Berechnungen Die Feststellung von Entfernungen (z. B. Bremsweg, Anhalteweg, Uberholstrecke) durch Berechnung erfordert häufig mathematisches Verständnis 878 ). Zwar bringt manchmal ein Sachverständiger Hilfe, doch häufig entscheidet der Tatrichter auf Grund von Tabellen und Formeln. Das Ergebnis von Berechnungen eines Sachverständigen darf der Richter nicht unbesehen übernehmen, sondern muß die Berechnung nachvollziehen, was im Urteil seinen Niederschlag finden muß. Bei der alltäglichen Berechnung eines Weges aus Geschwindigkeit und Zeit muß darauf geachtet werden, ob die Geschwindigkeit während der als Berechnungsgrundlage dienenden Zeitspanne unverändert war. Ein häufiger Berechnungsfehler liegt darin, daß die Entfernung des Punktes, an dem der Betroffene ein Hindernis auf der Fahrbahn erstmals sah, bis zur Unfallstelle einfach in der Weise errechnet wird, daß die bei Erreichung des Sichtpunktes festgestellte Geschwindigkeit mit der festgestellten Zeitspanne multipliziert wird, obwohl der Betroffene nadi den Feststellungen seine Geschwindigkeit im Zeitpunkt des Unfalles durch Bremsen bereits erheblich herabgesetzt hatte. In solchen Fällen muß die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen Sichtpunkt und Unfallstelle und nicht die Anfangs87
«) K G 25. 8. 58, VRS 15, 455. ) KG 6. 12. 62, VRS 24, 130. ) Vgl. Mühlhaus DAR 70, 89 f und die dort zitierte sog. Lichti-sche Formel zur Berech-
877 878
nung der Aufholstrecke, d. h. der Strecke, die der Nachfolgende bis zur Herabsetzung seiner Geschwindigkeit auf die des Vorausfahrenden noch aufholt.
§ 1 stvo
Möhl
geschwindigkeit beim Einfahren in die Sichtstrecke zugrunde gelegt werden. Bei der Berechnung der Strecke, die ein Kraftfahrer noch von der Gehlinie eines die Fahrbahn überquerenden Fußgängers entfernt war, als dieser die Fahrbahn betrat, darf also die Ausgangsgeschwindigkeit des Fahrzeugs nicht als gleichbleibende Größe zugrunde gelegt werden, wenn der Fahrer vor dem Anstoß gebremst hatte 8 7 9 ). Kommt es auf die Länge des Anhaltewegs bei einer bestimmten Geschwindigkeit an, dann müssen genaue Feststellungen darüber getroffen werden, welche Reaktions- und Bremsansprechzeit dem Fahrer zuzubilligen ist, und welche Bremsverzögerung sein Fahrzeug erreichen konnte. Soll der Anhalteweg des Geradeausbleibenden, dessen Vorrecht durch einen Linksabbieger mißachtet wird, berechnet werden, dann ist zu beachten, daß der Abbiegende einen Bogen beschreibt, nicht nur eine seitliche Bewegung ausführt 860 ). Bei der Berechnung der Ausgangsgeschwindigkeit aus einer festgestellten Bremsspur ist zu berücksichtigen, daß sich nicht stets schon beim Ansetzen der Bremswirkung eine Bremsspur abzeichnet. Bei Prüfung der Frage, ob der Kraftfahrer einen Unfall noch vermeiden konnte, ist von der nach Überzeugung des Tatrichters höchstmöglichen Geschwindigkeit des Kraftfahrers auszugehen, nicht von dem geschätzten Annäherungswert. Werden an Hand der gemessenen Bremsspur Berechnungen angestellt, dann muß auch die Bremsverzögerung des bremsenden Fahrzeugs festgestellt werden. Fußgängerunfall Bei Fußgängerunfällen müssen die Weg/Zeitwerte im „kritischen Moment" offengelegt und muß klargestellt werden, wann und wo dieser liegt. Es muß deutlich gemacht werden, welche Tatsachen festgestellt und welche nicht festgestellt werden konnten, gegebenenfalls sind die Mindest- und Höchstwerte zu verzeichnen 881 ). Unter „kritischem Moment" ist dabei der Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Kraftfahrer bei genügender Aufmerksamkeit erstmals erkennen konnte, daß ein Fußgänger in Gefahr gerate. Ist der Schuldsprudi damit begründet, der Kraftfahrer habe erkennen können, daß ein am Fahrbahnrand stehender Fußgänger unentschlossen sei (ob er weitergehen oder stehenbleiben solle), dann müssen die näheren Umstände und das Gehaben des Fußgängers dargelegt werden, die dem Kraftfahrer einen solchen Schluß nahelegten. Für die Frage, ob dem Kraftfahrer ein Mitverschulden an dem Zusammenstoß mit einem die Fahrbahn unachtsam überschreitenden Fußgänger trifft, ist die genaue Feststellung der Zusammenstoßstelle von Bedeutung. Läßt sich nicht klären, welcher von zwei möglichen Geschehensabläufen den Tatsachen entspricht, kann eine weitere Möglichkeit aber ausgeschlossen werden, dann ist zu prüfen, ob den Kraftfahrer in beiden Fällen ein Verschulden träfe. Kann dies festgestellt werden, dann kann der Kraftfahrer auf Grund der Alternativfeststellung verurteilt werden. Ist eine Schuld auch nur in einer der beiden Fälle nicht nachweisbar, dann muß er freigesprochen werden. Es ist deshalb erforderlich, daß zu beiden erschöpfende tatsächliche Feststellungen getroffen werden. Linksabbieger Wird dem Linksabbieger zur Last gelegt, daß er seine Rückschaupflicht vor dem Abbiegen verletzt habe, müssen gegebenenfalls darüber Feststellungen getroffen werden, warum er ausnahmsweise von dieser Pflicht befreit war. Beim Zusammenstoß eines Überholers mit einem Linksabbieger muß der Tatrichter in aller Regel feststellen, mit welcher Geschwindigkeit beide Fahrzeuge fuhren, in welcher Entfernung vor der Abbiegestelle der Linksabbieger die Blinker in Tätigkeit gesetzt und sich zur Straßenmitte eingeordnet hatte und wie groß in diesem Augenblick der Längsabstand des Überholers vom Linksabbieger war 8 8 2 ). Überholen Gibt ein Zeuge glaubhaft an, er habe auf der Überholspur fahrend den Aufprall auf einen vor ihm von der Normalspur in die Überholspur Ausscherenden nur durch eine sofortige Vollbremsung vermeiden können, dann kann eine falsche Entfernungsschätzung des Zeugen außer Betracht bleiben. Der Tatrichter darf von der Tatsache ausgehend, daß ein Auf8™) BayObLG 3. 7. 70, 5 St 27/1970. «8«) BayObLG 22. 5. 67, 1 b St 96/1967.
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881 882
) Köln 6. 8. 68, VRS 36, 191. ) BayObLG 9. 8. 67, 235/1967.
stvo § 1
Feststellung des Sachverhalts
prall nur durch sofortige Vollbremsung vermieden wurde, den Abstand selbst errechnen, der zwischen beiden Fahrzeugen in dem Augenblick bestanden haben muß, als der Vorausfahrende ausscherte 883 ). Ergeben die Urteilsfeststellungen, daß der Überholer beim Wiedereinscheren nach rechts die Fahrlinie des Uberholten schnitt und diesen zu einer Notbremsung veranlaßte, so kann die ziffernmäßige Feststellung der beiderseitigen Geschwindigkeit und des zwischen ihnen beim Einscheren bestehenden Längsabstandes entbehrlich sein 884 ). Auch der Vorwurf, ein Kraftfahrer sei so knapp vor einem nachfolgenden Fahrzeug angefahren, daß dessen Fahrer zur Vermeidung eines Zusammenstoßes eine Vollbremsung vornehmen mußte, setzt keine zahlenmäßige Feststellung darüber voraus, wie weit das nachfolgende Fahrzeug im Augenblick des Anfahrens noch entfernt war 8 8 5 ). Die Entscheidung der Frage, ob sich ein Überholer insofern ordnungswidrig verhalten hat, als er den Gegenverkehr gefährdete oder behinderte, hängt entscheidend von der Länge des Uberholweges ab. Um diesen errechnen zu können, sind Feststellungen über die Länge des überholenden und des überholten Fahrzeugs und die Geschwindigkeit der drei beteiligten Fahrzeuge erforderlich. Nur wenn diese Feststellungen vorliegen, kann beurteilt werden, ob der Uberholer sicher sein durfte, den Überholungsvorgang noch rechtzeitig vor dem Entgegenkommenden abschließen zu können. Unfallstelle Soll die Stelle festgestellt werden, an der ein Fahrzeug auf ein vorausfahrendes auffuhr, so kann von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, daß sie wenige Meter vor der Stelle liegt, an der die ersten Sdimutz- und Fahrzeugteile aufgefunden wurden 886 ). Vorfahrt Ähnlich wie bei der Gefährdung des Entgegenkommenden oder des Überholten durch den Überholer ist auch bei der Gefährdung des Vorfahrtberechtigten durch den Wartepflichtigen eine zahlenmäßige Feststellung darüber, wie weit der Vorfahrtberechtigte bei der Einfahrt des Wartepflichtigen noch entfernt war, entbehrlich, wenn festgestellt wird, daß der Vorfahrtberechtigte zu scharfem Bremsen genötigt wurde 887 ). Für die Feststellung der Schuld des Vorfahrtberechtigten an dem Zusammenstoß mit einem Wartepflichtigen auf einer Straßenkreuzung bedarf es der genauen Darlegung der konkreten Verkehrslage vor dem Unfall, insbesondere der Feststellung der für zulässig erachteten Höchstgeschwindigkeit. Festgestellt werden muß audi, wielange sich der Vorfahrtberechtigte auf den Vertrauensgrundsatz berufen durfte 8 8 8 ). In Zweifelsfällen bedarf es auch darüber tatsächlicher Feststellungen, woraus sich das Vorfahrtrecht herleitet. Wichtig ist häufig auch die eindeutige Feststellung der Straßenstellen, auf der die Beteiligten zusammengestoßen sind. 2. Feststellung der Ursächlichkeit Mühlham, DAR 65, 35
Schrifttum
A llgemeines
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Zum Tatbestand eines Erfolgsdelikts wie einer an einen Erfolg geknüpften Ordnungswidrigkeit gehört die Ursächlichkeit des Verhaltens des Täters für den Erfolg. Ursächlich ist dabei jede Bedingung, die nicht weggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. Zum Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 gehört darüber hinaus die Ursächlichkeit eines Fehlverhaltens im Straßenverkehr für den Erfolg. Der Begriff dieser speziellen, auf das Verkehrsverhalten bezogenen Ursächlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit der allgemeinen Ursächlichkeit. Er schränkt den Verursachungsbegriff des Strafrechts insofern ein, als nur die durch das Fehlverhalten im Straßenverkehr in Lauf gesetzte Ursachenreihe von ihm umfaßt wird. Ausgangspunkt für die Entscheidung, ob ein Fahrfehler für den Unfall ursächlich war, ist immer die Frage: Wäre der gleiche Erfolg entfallen, wenn sich der Täter verkehrsgerecht ) BayObLG 18. 12. 68, 1 a St 346/1968. ) BayObLG 28. 6. 67, 1 a St 184/1967. 88 5) BayObLG 13. 11. 68, 1 a St 342/1968 . 883 884
88«) Hamm 25. 11. 69, VRS 39, 196. ) BayObLG 4. 12. 68, 1 b St 426/1968. 888) K G 25. 7. 63, VRS 25, 358.
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§ 1
stvo
Möhl
verhalten hätte? Die Ursächlichkeit eines Fehlverhaltens f ü r den Erfolg muß zur richterlichen Überzeugung feststehen. Hierfür genügt es nicht, daß der Tatrichter einen solchen Zusammenhang für höchstwahrscheinlich hält. Er muß ihn f ü r sicher halten dürfen und halten 888 ). Jedoch ist auch hier ein an Sicherheit grenzender Grad von Wahrsdieinlichkeit ausreichend. Wird dem Betroffenen vorgeworfen, er habe sein Verhalten nicht so eingerichtet, daß kein anderer geschädigt, gefährdet usw. wurde, so ist darzulegen, wie er sich hätte verhalten müssen und daß bei richtigem Verhalten der Erfolg vermieden worden wäre. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, von dem die Prüfung der Ursächlichkeit auszugehen hat. Es ist dies der sog. kritische Augenblick, d. h. der Augenblick, in dem die unmittelbare Gefahrenlage eintritt 890 ). Von diesem Augenblick an ist der Betroffene verpflichtet, Maßnahmen zur Abwendung der den Unfall unmittelbar herbeiführenden Gefahren zu treffen. T r i f f t er sie nicht oder nicht rechtzeitig, dann ist sein Fehlverhalten nach diesem Zeitpunkt f ü r den Unfall ursächlich, falls er den Unfall bei sofortiger und richtiger Reaktion hätte vermeiden können. Konnte er das nicht, dann ist zu prüfen, ob er sich im kritischen Zeitpunkt richtig verhalten hatte. Ist dies zu verneinen, dann muß weiter geprüft werden, ob der Unfall von ihm hätte vermieden werden können, wenn er sich im kritischen Augenblick richtig verhalten hätte. Auch hier genügt die bloße Möglichkeit der Unfallverhütung nicht. Der Tatrichter muß überzeugt sein, daß der Unfall bei richtigem Verhalten des Betroffenen vermieden worden wäre. Dabei dürfen allerdings rein gedankliche Möglichkeiten, f ü r die der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt bietet, außer Betracht bleiben 8 ' 2 ). Wann der kritische Augenblick erreicht ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein 893 ). Der kritische Augenblick fällt mit dem Augenblick zusammen, in dem die bei jedem fehlerhaften Verhalten bestehende abstrakte Gefährdung des übrigen Verkehrs in die konkrete Gefährdung eines bestimmten anderen übergeht. Stand dem Betroffenen der Vertrauensgrundsatz zur Seite, so wird ihm gleichzeitig der Vertrauensschutz entzogen. Von diesem Zeitpunkt an muß also der wirkliche mit dem hypothetischen Ursachenverlauf verglichen werden. Dieser theoretisch einfache und einleuchtende Grundsatz bietet in der Praxis deshalb Schwierigkeiten, weil nicht immer klar erkannt wird, welcher gedachte Geschehensablauf dem wirklichen gegenüberzustellen ist. Der gedachte Geschehensablauf darf sich von dem wirklichen nur dadurch unterscheiden, daß sich der Betroffene im kritischen Augenblick richtig und nicht fehlerhaft verhalten hätte. Zur Frage der Ursächlichkeit alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit zu einem Unfall vgl. § 3 R N r . 88. Ist fraglich, ob der K r a f t f a h r e r bei seiner Geschwindigkeit noch vor einem über die Straße hüpfenden Kind hätte anhalten können, wenn er sogleich scharf gebremst hätte, dann muß, falls diese Frage zu verneinen ist, u. Umst. auch noch geprüft werden, ob er nicht bei sofortigem scharfen Bremsen um soviel später an die Unfallstelle gelangt wäre, daß das Kind die Fahrbahn für ihn bereits freigemacht hätte. Die Prüfung der Ursächlichkeit muß also umfassend sein. Auch Ordnungswidrigkeiten können durch Unterlassung begangen werden. In diesem Fall muß festgestellt werden, daß die gebotene, aber unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. O b es sich dabei um eine echte Ursächlichkeit handelt, kann hier dahingestellt bleiben 894 ). 178
Einzelfälle Anfahren Wird festgestellt, daß ein vom Straßenrand anfahrender, die Fahrbahn überquerender K r a f t f a h r e r bei genügender Aufmerksamkeit ein von hinten herankommendes Fahrzeug so 889
) BGH 13. 7. 62, VRS 23, 373. ») BGH 18. 11. 66, VRS 32, 209; 27. 7. 62, VRS 23, 369. 891 ) BGH 30. 11. 62, VRS 24, 202. 892 ) BGHSt. 11, 1 (25. 9. 57) = VRS 13, 465; BayObLGSt. 59, 26 (3. 2. 59) = VRS 17, 274.
893
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894
) BayObLGSt. 66, 172 (20. 12. 66) = VRS 33, 56. ) Vgl. dazu Sdiönke-Sdiröder 15. Aufl. RNr. 141 vor § 1 StGB.
stvo § 1
Ursächlichkeit
frühzeitig hätte wahrnehmen können, daß er um 1,40 m früher zum Halten gekommen wäre, wenn er sogleich gebremst hätte, so trifft den Anfahrenden an einem Aufprall des Nachfolgenden nur dann ein Verschulden, wenn weiter festgestellt werden kann, daß der Unfall vermieden worden wäre, wenn er um 1,40 m früher zum Halten gekommen wäre. Kann dies nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dann fehlt der Nachweis der Ursächlichkeit der erwiesenen Unaufmerksamkeit des Anfahrenden für den Unfall 8 9 5 ). Auffahren Ist auf einen Kraftwagen, der seinerseits auf den vor ihm fahrenden Kraftwagen auffuhr, gleichzeitig von hinten ein nachfolgendes Fahrzeug aufgefahren, dann ist der Schluß, der Kraftfahrzeugführer des mittleren Fahrzeugs müsse entweder einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten oder zu spät gebremst haben, dann nicht gerechtfertigt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß Ursache des Aufpralles des mittleren auf das vorausfahrende Fahrzeug der Aufprall des nachfolgenden auf das mittlere Fahrzeug war 8 9 6 ). Begegnung Stößt ein geradeaus fahrender Kraftfahrer mit einem entgegenkommenden Linksabbieger zusammen, dann ist der „kritische Augenblick" derjenige, in dem der geradeaus Fahrende erkennt oder erkennen muß, daß das entgegenkommende Fahrzeug in seine Fahrbahn gerät. In diesem Zeitpunkt ist der gegenüber dem Abbiegenden an sich Bevorrechtigte zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, der Schutz des Vertrauensgrundsatzes erlischt. War der geradeaus Fahrende zu schnell gefahren, dann muß geprüft werden, ob er den Unfall hätte vermeiden können, wenn er im kritischen Augenblick mit angemessener Geschwindigkeit gefahren wäre und sofort und richtig reagiert hätte 8 9 7 ). Mängel am
Fahrzeug
Liegt dem Betroffenen zur Last, (bewußt) mit mangelhaften Bremsen gefahren und vor einem von der Seite her in die Fahrbahn einbiegenden Radfahrer nicht mehr rechtzeitig zum Halten gekommen zu sein, dann soll bei Prüfung der Frage, ob der Unfall bei intakten Bremsen hätte vermieden werden können, nur die nach dem Gesetz geringstzulässige Bremsverzögerung von 2,5 m/sec 2 in Vergleich gezogen werden dürfen 8 9 8 ). Gegen diese Ansicht bestehen Bedenken. Ein Pkw mit einer Bremsverzögerung von nur 2,5 m/sec 2 ist zur Teilnahme am modernen Straßenverkehr ungeeignet. Besser wird von der normalerweise erforderlichen Mindestverzögerung von etwa 4 m/sec 2 auszugehen sein. Richtig ist aber, daß nicht von einer möglicherweise erreichbaren Höchstverzögerung ausgegangen werden darf, sondern nur von einer normalen Durchschnittsverzögerung. Bei Prüfung der Ursächlichkeit der mangelhaften Bremsen für den Unfall muß also als Vergleichswert der normale Anhalteweg dienen. Überholen Bei Prüfung der Frage, ob der Überholer einen ausreichenden Abstand einhielt, kann die Fahrweise des Überholten von Bedeutung sein. Lenkte aber ein Radfahrer, nachdem er allerdings zunächst in Schlangenlinien gefahren war, auf ein Hupzeichen hin nach rechts und fuhr er dann dicht am Straßenrand mit gleichbleibender Geschwindigkeit geradeaus weiter, so darf nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß er plötzlich wieder um 1,50 m nach links fuhr. Diese fernliegende, rein gedankliche Möglichkeit muß außer Betracht bleiben, wenn dafür keine Anhaltspunkte gegeben sind. Wird der Radfahrer angefahren, dann ist deshalb der Schluß zulässig, daß der Abstand geringer war als 1,50 m und daß dieser nach Sachlage zu geringe Abstand für den Unfall ursächlich war 8 9 9 ). Liegt dem Kraftfahrer zur Last, vor dem Einordnen zur Straßenmitte die gebotene Rückschau unterlassen zu haben, so muß, wenn es zu einem Unfall kommt, geprüft werden, ob diese Ordnungswidrigkeit für den Unfall ursächlich war. War die Fahrbahn für das nachkommende, bereits auf 895 896
897
) BayObLG 28. 1. 69, 2 a St 1/1969. ) BayObLG 9. 8. 68, 1 b St 303/1968.
) BayObLG 30. 7. 68, 2 b St 91/1968.
" ) BayObLG 2. 11. 60, 1 St 565/1960. ) BayObLG 15. 12. 65, 1 b St 168/1965.
8 8 899
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Stvo +
StGB
§ 1
stvo
Möhl
der linken Fahrbahnhälfte befindliche Fahrzeug zum Linksüberholen breit genug, dann durfte sich der Fahrzeugführer zur Mitte einordnen. Die unterlassene Rückschau war dann für den Unfall nicht ursächlich 900 ). Vorfahrt Bei verkehrswidriger Fahrweise eines Vorfahrtberechtigten ist zu prüfen, ob diese Fahrweise für den Zusammenstoß mit einem gleichfalls verkehrswidrig fahrenden Wartepflichtigen ursächlich war. Dabei ist die richtige Feststellung des „kritischen" Augenblicks von Bedeutung. Zunächst darf der Vorfahrtbereditigte darauf vertrauen, daß an einer Straßenkreuzung der Wartepflichtige sein Vorfahrtsrecht beachten werde. Erst wenn besondere Umstände das Gegenteil erkennen lassen, muß er sein Verhalten darauf einrichten. Deshalb muß er einen Wartepflichtigen, der sich der Kreuzung nähert, zunächst im Auge behalten. Sobald er erkennen kann, daß dieser in die Kreuzung trotz der Annäherung des Vorfahrtberechtigten einfahren werde, tritt für ihn der kritische Augenblick ein: Dieser Zeitpunkt und der Ort, an dem sich der Angeklagte in diesem Augenblick befand, müssen Ausgangspunkt für die Erwägung sein, ob der Unfall bei richtiger Fahrweise des Angeklagten vermieden worden wäre. Dazu muß der Tatrichter genaue Feststellungen treffen. 3. Feststellung der Schuld, insbesondere der Voraussehbarkeit 179
Allgemeines Nach § 24 S t V G kann eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Welche Schuldform dem Betroffenen zur Last gelegt wird, muß sich aus dem Bußgeldbescheid bzw. dem Urteil ergeben 901 ). Wer sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann, handelt nicht rechtswidrig (s. oben R N r . 35). Wer den von ihm verursachten Erfolg nicht voraussehen konnte, handelt nicht schuldhaft (Zur Frage der Voraussehbarkeit vergl. allgemein R N r . 31 zu I § 24). Die Feststellung der Voraussehbarkeit kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten: Wer sich fehlerhaft verhält, muß zwar in der Regel dafür einstehen, wenn sein fehlerhaftes Verhalten einen der in § 1 bezeichneten vier Erfolge verursacht. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Die Rechtsprechung geht von der Erwägung aus, daß Verkehrsregeln bestimmte Zwecke verfolgen. Nur wenn der Erfolg eintritt, dessen Verhütung die verletzten Verkehrsregeln dienen, ergibt sich die Voraussehbarkeit des Erfolges ohne weiteres aus der Verletzung der VerhütungsVorschrift 002 ). So gehöre zu den Gefahrenquellen, die durch die Vorschriften über die Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb geschlossener Ortsdiaften ausgeschaltet oder vermindert werden sollen, auch das plötzliche Auftauchen von Kindern auf der Fahrbahn. Für den, der die zulässige Geschwindigkeit überschreitet, ist deshalb voraussehbar, daß er ein plötzlich auf der Fahrbahn auftauchendes Kind wegen seiner überhöhten Geschwindgikeit anfahren werde. D a ß der engere Straßenbereich dieses noch besonders nahelege, ist für die Bejahung der Voraussehbarkeit nicht erforderlich 903 ). Steht dagegen das Fehlverhalten nicht in einem durch den Zweck der verletzten Vorschrift begründeten Zusammenhang mit dem eingetretenen Erfolg, dann soll sich aus dem Fehlverhalten allein die Voraussehbarkeit nicht ergeben. So soll das Rechtsfahrgebot angeblich nur dem Schutz des Gegenverkehrs und der Überholer, nicht aber der Sicherheit eines die Fahrbahn überquerenden Fußgängers dienen. Für den, der das Rechtsfahrgebot mißachtet, soll nicht ohne weiteres voraussehbar sein, daß er einen Fußgänger, der die Fahrbahn zu überqueren versucht, gerade deshalb anfahren werde, weil er statt auf der rechten, auf der linken Fahrbahnhälfte fahre 8 0 4 ). Die Tendenz dieser Rechtsprechung ist nicht unbedenklich. Gewiß sind Fälle denkbar, in denen die Voraussehbarkeit eines Unfalles auch für den, der sich nicht verkehrsgerecht verhält, zu verneinen ist, weil das eingetretene Ereignis zu fernliegend war. Als allgemeinen Grundsatz sollte man aber den ») BayObLG 24. 11. 66, 1 a St 386/1968. °i) KG 25. 8. 58, VRS 15, 455. »»2) BGHSt. 4, 182 (23. 4. 53); 19. 2. 53, VRS 5, 206; BayObLGSt. 54, 18 (16. 3. 54); 55, 142, 147 (14. 9. 55). 90 9
162
Saarbrucken 17. 2. 66, VRS 31, 232. 3) BayObLG 31. 3. 65, VRS 29, 110 a. M. anscheinend Bender in einer Anm. zu Koblenz 31. 8. 61, N J W 62, 409. " ) Oldenburg 29. 1. 63, VRS 25, 369 = NdsRpfl. 63, 89. " ) BayObLGSt. 63, 4 (9. 1. 63) = VRS 25, 223 = VerkMitt. 63, 28; ähnlich Hamm 9. 8. 68, VRS 36, 456.
'S) Hamm 14. 5. 65, VRS 24, 469. ) BGHSt. 2, 390 (Besdil. v. 23. 4. 52) = VRS 4, 388. 2 ») BGHSt. 14, 302 (Besdil. v. 17. 5. 60) = N J W 60, 1474 = DAR 60, 267 = MDR 60, 779 = VerkBl. 60, 628 = VRS 19, 139; BayObLG 14. 12. 59 (Vorl. Besdil.), VRS 18, 311 = N J W 60, 744; Celle 23. 4. 58, DAR 58 278 21 ) H a m m 15. 1. 69, VRS 38, 73. 22 ) Hamburg 13. 12. 61, VerkMitt. 62, 37. 23 ) Bremen 24. 6. 64, VRS 28, 48 = VerkMitt. 65, 10. 19
Zwei F a h r b a h n e n ; R e d l t s f a h r g e b o t
StVO
§ 2
grenzte Schienen liegen oder in deren Mitte eine nicht unterbrochene Linie (Z. 295) verläuft. M a n k ö n n t e daran denken, daß das G e b o t deshalb überflüssig sei, weil sich aus d e m R e d i t s f a h r g e b o t ohne weiteres ergebe, daß in der Fahrtrichtung die rechte v o n zwei F a h r bahnen b e n u t z t werden müsse. D a s t r i f f t aber nicht uneingeschränkt z u : N a c h § 2 Abs. 2 S a t z 1 m u ß z w a r i m m e r möglichst weit rechts gefahren werden. D a s besagt aber nicht, daß i m m e r die rechte Straßenhälfte benutzt werden muß. Ist diese aus irgendwelchen G r ü n d e n nicht b e f a h r b a r , dann darf u. U . auch links der Straßenmitte gefahren werden. Ist die Straße in zwei getrennte Fahrbahnen eingeteilt, m u ß dagegen nach § 2 Abs. 1 ausnahmslos auf der rechten gefahren werden. D a ß die v o n einander getrennten Fahrbahnen dadurch zu „ F a h r b a h n e n f ü r eine Richt u n g " werden (worauf f r ü h e r ausdrücklich hingewiesen wurde), brauchte, weil selbstverständlich, n i d i t gesagt z u werden. D a s G e b o t gilt nicht f ü r den Fall, daß nebeneinander zwei Straßen Schnellverkehrstraße u n d daneben ein „ S o m m e r w e g " . In diesem Fall verlangt, daß Benutzer der Sdinellverkehrstraße auf den neben ihrer den S o m m e r w e g ausbiegen. Z u r F r a g e der zweckmäßigsten R e g e l u n g des Verkehrs bei 3 oder 4 Vwv.
herlaufen, etwa eine wird natürlich n i d i t F a h r b a h n herlaufenFahrbahnen vgl. die
II. Reditsfahrgebot 1. Allgemeines N a c h der E m p f e h l u n g der Europäischen K o n f e r e n z der Verkehrsminister m u ß sich jeder F a h r z e u g f ü h r e r , der auf der F a h r b a h n fährt, soweit wie möglich rechts in seiner F a h r t richtung halten 2 4 ). Dieser E m p f e h l u n g entspricht die F o r m u l i e r u n g des Abs. 2. D i e sprachlich etwas merkwürdige, d u r d i „nicht n u r " eingeleitete A u f z ä h l u n g v o n besonderen Fällen hat keine reditlidie Bedeutung. Ihr k a n n v o r allem n i d i t e n t n o m m e n werden, was die A u f zählung verschiedener Verkehrslagen bedeuten soll, wenn das G e b o t allgemein gilt. D i e naheliegende Auslegung, daß in den besonders aufgezählten Fällen das G e b o t besonders einzuhalten ist, verbietet sich nach dem W o r t l a u t der Vorschrift. H ä t t e der Gesetzgeber eine verschärfte Rechtsfahrpflidit begründen wollen, wie sie bisher f ü r das Fahren auf unübersichtlichen Strecken bestand, dann hätte er dies anders z u m Ausdruck bringen müssen. In der jetzigen F o r m u l i e r u n g k o m m t im Gegenteil nur z u m Ausdruck, daß in den genannten Fällen gerade nicht eine verschärfte Rechtsfahrpflidit besteht, sondern überall die gleiche. M a n k ö n n t e auch daran denken, daß der Sinn der F o r m u l i e r u n g der wäre, daß d e m Verkehrsteilnehmer klargemacht wird, das verschärfte G e b o t gelte nicht wie bisher nur in besonderen Fällen, sondern immer. M a n müßte dann in G e d a n k e n nach d e m „nicht n u r " einschieben „wie bisher". A b e r auch eine solche Auslegung w ü r d e nicht stimmen. A u s der amtlichen B e g r ü n d u n g ergibt sich eindeutig, daß d e m Gesetzgeber f ü r den N o r m a l f a l l keineswegs das rigorose G e b o t vorschwebte, bei jeder Verkehrslage am Straßenrand entlang zu fahren. „Möglichst" soll vielmehr den Sinn haben, „soweit als d e m K r a f t f a h r e r bei seiner Geschwindigkeit und der Verkehrslage z u z u m u t e n ist". In Wirklichkeit soll sich also an der bisherigen Ü b u n g n i d i t viel ändern. Es soll dem Verkehrsteilnehmer lediglidi eingehämm e r t werden, daß er das R e d i t s f a h r g e b o t genauer als bisher beachten soll. Pädagogische E r w ä g u n g e n rechtfertigen diesen G e d a n k e n g a n g sehr w o h l . „Möglichst weit rechts" ist wörtlich g e n o m m e n ein rein örtlicher Begriff. Wenn die K a n t e des Fahrzeugs m i t d e m R a n d der F a h r b a h n abschneidet, f ä h r t das Fahrzeug in diesem Sinne „möglichst weit rechts". Es wäre zwar technisch möglich, daß alle Fahrzeuge nach diesem G e b o t führen, doch k ä m e dann der Verkehr z u m Erliegen, weil am äußersten F a h r bahnrand entlang ohne G e f a h r nur langsam gefahren werden k a n n . „Möglichst weit rechts" bezeichnet denn auch in Wahrheit nicht die höchstmögliche geometrische A n n ä h e r u n g an den F a h r b a h n r a n d , sondern eine A n n ä h e r u n g , die d e m F a h r z e u g f ü h r e r gerade noch erlaubt, " ) „Cemt-Regeln" III 1., VerkBl. 65, 143.
177 12 S t V O + S t G B
§2
StVO
Möhl
seinen sonstigen Pflichten im Verkehr gerecht zu werden. „Möglichst weit" hat also die Bedeutung von »soweit zumutbar". Dem Fahrzeugführer wird zugemutet, so weit rechts zu fahren, als ihm das möglich ist, ohne seine sonstigen Pflichten vernachlässigen zu müssen. Das Gebot, »möglichst weit rechts" zu fahren, besagt also nichts anderes als das Gebot des § 8 Abs. 2 Satz 2 u. 3 StVO 1937 besagte. Auch das Gebot, die „äußerste rechte Seite der Fahrbahn" zu benutzen, bedeutete nur: Soweit rechts, als nach der Lage des Einzelfalles vernünftigerweise zumutbar ist. Das Maß des „Möglichen" bei der Annäherung der Fahrlinie an den Fahrbahnrand hängt von verschiedenen Umständen ab, die vom Willen des Fahrzeugführers unabhängig sind, wie Straßenbeschaffenheit, Sichtverhältnisse, Fußgängerverkehr u. a., aber auch von Umständen, die er beherrscht, vor allem von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs. Die Frage, weldie Geschwindigkeit zulässig ist, wird in § 3 geregelt. Solange der Führer die zulässige Geschwindigkeit nicht überschreitet, darf er auch den dieser Geschwindigkeit entsprechenden Abstand zum Fahrbahnrand einhalten. Es wäre verfehlt anzunehmen, die Pflicht, möglichst weit rechts zu fahren, schlösse die weitere Pflicht in sich, möglichst langsam zu fahren, damit möglichst nahe am Fahrbahnrand gefahren werden könne. Ist die Geschwindigkeit aus bestimmten Gründen herabzusetzen, z. B. wegen Unübersichtlichkeit der Fahrbahn (§ 3 Abs. 1), dann eröffnet sich dem Fahrzeugführer die Möglichkeit und gleichzeitig erwächst ihm nach § 2 Abs. 2 die Pflicht, weiter rechts in der Nähe des Fahrbahnrandes zu fahren. Damit erledigt sich auch der gegen die Neufassung des Rechtsfahrgebotes erhobene Einwand, der Fahrzeugführer könne sich durch schnelleres Fahren an unübersichtlichen Straßenstellen das Recht verschaffen, mehr gegen die Straßenmitte zu zu fahren als bisher (wo er die äußerste rechte Seite der Fahrbahn benutzen mußte). „Möglichst weit rechts" hat also die Bedeutung von „soweit rechts, als unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zumutbar". Folgt man dieser Ansicht, dann ergibt sich, daß die Rechtslage unverändert ist in allen Fällen, in denen nach § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 StVO 1937 die Benutzung der äußersten rechten Seite der Fahrbahn vorgeschrieben war. Dagegen kann eine Verschärfung des Rechtsfahrgebotes in den Normalfällen des § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO 1937 eintreten, allerdings nur, wenn die Breite der Fahrbahn einen gewissen Spielraum erlaubt. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO 1937 hatten Führer von Fahrzeugen auf der rechten Seite der Fahrbahn rechts zu fahren. Der Abstand des Fahrzeuges zum rechten Fahrbahnrand sollte geringer sein als der Abstand zur Straßenmitte. Nach der Auslegung der Vorschrift durch die Rechtsprechung besagte „auf der rechten Seite der Fahrbahn rechts" allerdings nichts weiter als „nicht ganz links". Darnach genügte ein gewisser Sicherheitsabstand zur Straßenmitte, um dem Gebot zu entsprechen. Eine solche Auslegung ist nach § 2 Abs. 2 ausgeschlossen. Vielmehr muß nun der Fahrzeugführer immer soweit rechts fahren, als ihm nach Sachlage zumutbar ist. Er hat keinen Spielraum mehr, innerhalb dessen er nach Belieben mehr rechts oder mehr links fahren dürfte. Das freie Belieben ist durch das Gebot, „möglichst weit rechts" zu fahren, beseitigt, mag auch im Einzelfall nicht mit dem Zentimetermaß nachzumessen sein, wo genau die Fahrlinie verlaufen muß. Beispiel: Breite des Fahrzeugs: 1,50 m; Geschwindigkeit: 80 km/h; Straße in gutem Zustand und übersichtlich; erlaubter Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand wird angenommen mit Im. Mindestabstand zur Fahrbahnmitte (annähernd) bei einer Straßenbreite von 6 7 8 10
178
nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 StVO 1937 0,5 1,0 1,5 2,0
m m m m
nach der Auslegung des § 8 Abs. 1 StVO 1937 durch die Rspr. 0,5 0,5 0,5 0,5
m m m m
nach § 2 Abs. 2 StVO 1970 0,5 1,0 1,5 2,5
m m m m.
Rechtsfahrgebot
StVO
§2
Das Beispiel zeigt, daß zwischen der früheren und der neuen Regelung eine Verschärfung des Gebotes erst bei Straßenbreiten von etwa 10 m bemerkbar wird, wenn man von dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO 1937, dagegen bereits bei 7 m, wenn man von der Auslegung dieser Vorschrift durch die Rechtsprechung ausgeht. Die Rechtsgrundsätze, die von der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 2 StVO 1937 erarbeitet worden sind, können deshalb im wesentlichen übernommen werden, mit Ausnahme des Grundsatzes, daß dem Gebot auf der rechten Seite der Fahrbahn rechts zu fahren, bereits genügt werde, wenn zur Fahrbahnmitte ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten wird (vgl. unten R N r . 12). Dagegen gilt der Grundsatz weiter, daß in der Regel nicht die Einhaltung der äußersten rechten Straßenseite gefordert wird 25 ). Ohne Bedeutung ist, daß die in der früheren Vorschrift enthaltene Einschränkung „soweit nicht besondere Umstände entgegenstehen" nicht mehr im Gesetzestext enthalten ist. Diese Einschränkung ergibt sich ohne weiteres aus der neuen Formulierung. Denn weiter redits zu fahren, ist nicht „möglich", als die Umstände gestatten; s. unten R N r . 10, 11. Da die früher in § 10 Abs. 1 Satz 1 StVO 1937 enthaltene Vorschrift, daß redits auszuweichen ist, nunmehr als selbstverständlich weggelassen wurden, müssen die für das Ausw e i s e n geltenden Rechtsgrundsätze in den Erläuterungen zu § 2 Abs. 2 StVO 1966 ihren Platz finden; denn das Gebot, rechts auszuweichen, ergibt sich aus dem Gebot, möglichst weit rechts zu fahren; s. unten R N r . 17—21. Nach § 2 Abs. 2 S. 2 dürfen mehrspurige Fahrzeuge auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung vom Reditsfahrgebot abweichen, wenn die Verkehrsdichte das rechtfertigt (s. R N r . 22—25). Bilden sich in diesem Falle auf den Fahrstreifen Fahrzeugschlangen, dann gelten die bes. Vorschriften für das Nebeneinanderfahren (§ 7). Weitere Ausnahmen vom Reditsfahrgebot: § 37 Abs. 4 (Verkehrsregelung durch Liditzeichen); § 42, 1 d zu Z. 340 (3 markierte Fahrstreifen für eine Richtung). 2. Zweck und Anwendungsgebiet des Gebotes Von der Frage, wo auf der Fahrbahn gefahren werden soll, zu unterscheiden ist die Frage, wie weit die Fahrbahn reicht. Vorübergehende Hindernisse wie z. B. parkende Fahrzeuge oder am Fahrbahnrand gehende Fußgänger schränken die Breite der Fahrbahn nicht ein. Anders die Sperrung eines Teiles der Fahrbahn bei Straßenbauarbeiten oder die Einengung durch einen Bauzaun 26 ). Ein 1 m breiter Kieshaufen, der sich der Länge nach über mehr als die Hälfte eines Anwesens erstreckt, soll eine Verengung der Fahrbahn, nicht nur ein vorübergehendes Hindernis auf der Fahrbahnseite darstellen 27 ). Liegen auf der rechten Seite der Fahrbahn Straßenbahnschienen, von der übrigen Fahrbahn durch eine Nagelreihe abgegrenzt, so soll der Fahrbahnteil, in dem die Schienen liegen, nicht zur Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs. 1 zu rechnen sein 28 ). Die bei Autobahnen und Kraftfahrstraßen der Einund Ausfahrt dienenden „Besdileunigungs- und Verzögerungsstreifen ( = Abfahrt- und Anschlußspuren) dürfen vom Durchgangsverkehr nicht benutzt werden. Das ergibt sich aus ihrem Sinn und Zweck. Wer von der Autobahn abbiegen will, soll sich möglichst frühzeitig auf die Abfahrtsspur einordnen. Geschieht dies erst später, dann muß er auf den dort nachfolgenden Verkehr achten 29 ). Dem Gebot, nach Möglichkeit rechts zu fahren, liegt der Gedanke zugrunde, der Verkehrsteilnehmer solle von der Fahrbahn nicht mehr Raum in Anspruch nehmen, als es den Umständen nach bei Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer erforderlich ist 30 ). Die Vorschrift dient in erster Linie der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs. Es dient nicht nur dem Sdiutz überholender, sondern auch dem entgegenkommenden Verkehrsteil25) BGH(Z) 24. 6. 58, DAR 58, 268 = MDR 58, 762 = N J W 58, 1630 = VRS 15, 164 = VersR 58, 550 = VerkBl. 58, 573 allerdings nur mit Einschränkung auf die Rechtslage nadi § 2 Abs. 2 anzuwenden.
«) ") 28) 29) 30) 2
Hamm 1. 7. 54, VRS 7, 222. BayObLG 31. 1. 62, 1 St 662/61. Düsseldorf 14. 5. 64, VerkMitt. 65, 91. Vgl. Hamm 10. 10. 67, VRS 34, 304. KG 21. 3. 57, VerkMitt. 57, 33; Celle 22. 10. 57, VRS 13, 459.
§2
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nehmer. Nicht aber soll es nach der h. M. der Verhinderung von Zusammenstößen mit kreuzendem oder einbiegendem Seitenverkehr oder dem Schutz von Fußgängern dienen, welche die Fahrbahn überqueren 3 1 ). Darum soll für den, der das Rechtsfahrgebot mißachtet, nicht ohne weiteres voraussehbar sein, daß er einen Fußgänger, der die Fahrbahn von links nach rechts zu überqueren versucht, gerade deshalb anfahren werde, weil er statt auf der rechten auf der linken Fahrbahnhälfte fährt. Gegen die Tendenz dieser Rechtsprechung bestehen Bedenken: Die fundamentalen Verkehrsregeln wie das Redltsfahrgebot sind allen Verkehrsteilnehmern, auch allen Fußgängern vertraut. Warum soll der Fußgänger nicht darauf vertrauen dürfen, daß sich Kraftfahrer an das Gebot halten, solange nicht Umstände ersichtlich sind, die eine Abweichung rechtfertigen könnten? Die Erfahrung lehrt, daß Fußgänger nicht selten beim Betreten der Fahrbahn zunächst nur nach links schauen. Das ist zwar nicht verkehrsgemäß, der Kraftfahrer muß aber damit redinen. Auf den Vertrauensgrundsatz kann er sich schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er sich selbst verkehrswidrig verhält, wenn er ohne triftigen Grund nicht möglichst weit rechts fährt (s. § 1 R N r . 179). Für den bes. Fall, daß die Verletzung des Rechtsfahrgebots zum Zusammenstoß mit einem Wartepflichtigen führt, der von links in die Vorfahrtstraße so weit eingefahren ist, daß er Sicht auf den bevorrechtigten Verkehr gewinnt, hat übrigens das B a y O b L G die Voraussehbarkeit bejaht 3 2 ). Ein Fahrzeugführer, der an mehreren in Abständen am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen vorbeifährt, oder der in einem Zug mehrere Fahrzeuge überholt, braucht nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechend in Schlangenlinien zu fahren, um jeweils in den Lücken wieder möglichst nahe an den Fahrbahnrand zu gelangen. Dadurch würde der Verkehr nur beunruhigt 3 3 ). Lediglich langsame Fahrzeuge, z. B. Pferdefuhrwerke, müssen, um Schnelleren das Uberholen zu ermöglichen, u. U . solche Lücken ausnützen (s. § 5 R N r . 33). Das Rechtsfahrgebot gilt auf allen Straßen, auch auf Einbahnstraßen und Autobahnen. Auch auf der Autobahn muß der schnelle Verkehrsteilnehmer von der Uberholbahn nach der Überholung wieder rechts auf die Normalbahn zurückkehren, es sei denn, er wollte in einem Zug mehrere Fahrzeuge überholen, die auf der Normalbahn in nicht zu weiten Abständen fahren 3 4 ) (vgl. § 5 R N r . 33). Das Rechtsfahrgebot gilt für alle Fahrzeugführer, die sich frei auf der Fahrbahn bewegen können, gleichviel ob sie bevorrechtigt oder wartepflichtig sind 35 ). Ein Vorrecht kann sich lediglich darauf auswirken, ob ein Verkehrsteilnehmer auf die Einhaltung des Gebotes durch den anderen vertrauen darf. Zwar darf z. B. der Vorfahrtsberechtigte darauf vertrauen, das der Wartepflichtige möglichst weit rechts fährt, der Wartepflichtige dagegen muß mit einer Mißachtung des Rechtsfahrgebotes durch den Vorfahrtberechtigten rechnen. Das ändert aber daran nichts, daß sich der Bevorrechtigte ordnungswidrig verhält, wenn er ohne triftigen Grund nicht möglichst weit rechts fährt und daß im Falle eines Zusammenstoßes sein Mitverschulden in strafrechtlicher und zivilrechtlicher Hinsicht ins Gewicht fallen kann. 3. Besondere Umstände, die dem Rechtsfahren entgegenstehen Die S t V O enthält Vorschriften, die das Rechtsfahrgebot einschränken: 1. Nach § 5 Abs. 1 ist links zu überholen. Beim Überholen darf allerdings nicht beliebig weit links gefahren werden, sondern nur so weit, daß zu dem Uberholten ein ausreichender Sicherheitsabstand gewahrt bleibt (vgl. § 5 R N r . 31). Hindernisse auf der Fahrbahn, die ) BGH(Z) 16. 5. 61, VersR 61, 800; 30. 10. 62, VersR 63, 163; 16. 6. 64, VersR 64, 1069; BGH 14. 1. 54, VRS 6, 200; Hamm 14. 1. 66, VRS 31, 301. 3 2 ) BayObLG 18. 6. 69, 1 a St 478/1968. 3 3 ) BGH 14. 1. 54, VRS 6, 200; BayObLG St. 55, 47 (30. 3. 55) = DAR 55, 141 = NJW 55, 104; Frankfurt 13. 11. 63, VerkMitt. 64, 23 mit Anm. Booß; s. aber auch 31
Bremen 5. 7. 61, DAR 62, 189; Celle 1. 7. 68, DAR 68, 278 = NdsRpfl. 68, 238. BGH 19. 1. 56, VRS 10, 213 = VerkMitt. 56, 13; Hamm 5. 2. 57, VRS 13, 232; Celle 16. 4. 55, DAR 55, 256; Bremen 5. 7. 61, DAR 62, 189; Schleswig 24. 10. 62, VerkMitt. 63, 47. 35 ) Zweibrücken 8. 5. 69, VRS 38, 312.
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Rechtsfahrgebot; entgegenstehende Umstände
§2
sidi nicht bewegen, werden nicht überholt, sondern an ihnen wird vorbeigefahren. Bei Fahrzeugen, die aus augenblicklichen Verkehrsgründen kurz angehalten werden, kann zweifelhaft sein, ob sie überholt werden oder ob an ihnen vorbeigefahren wird. Wo vorbeigefahren werden muß, sagt die S t V O nicht. Aus dem Rechtsfahrgebot ergibt sich, daß an einem Hindernis rechts vorbeigefahren werden muß, wenn dies möglich ist. 2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 hat, wer nach links einbiegen will, sein Fahrzeug bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links einzuordnen. Der Linksabbieger ist berechtigt, sich bereits in einem Zeitpunkt links einzuordnen, in dem er hierzu noch nicht verpflichtet ist. Der moderne Massenverkehr bringt es mit sich, daß der Abbieger frühzeitig danach trachten muß, den für das Abbiegen bestimmten Streifen zu gewinnen 3 8 ). Wer sich aber in einer Straße mit Gegenverkehr vor dem Abbiegen nach links über die Fahrbahnmitte hinaus einordnet, verstößt gegen § 2 Abs. 2 und nicht gegen § 9 Abs. I 3 7 ). 3. Auf Einbahnstraßen darf links gehalten und geparkt werden (§ 12 Abs. 4, Z. 220). Zum Zwecke des Anhaltens darf dann auch links gefahren werden. Audi wo das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen vom Rechtsfahrgebot vorsieht, gilt dieses Gebot nicht uneingeschränkt. Von dem Fahrzeugführer kann nur das Mögliche verlangt werden. Stehen besondere Umstände der Benutzung des rechten Randes der Fahrbahn entgegen, dann darf an den Hindernissen vorbeigefahren werden, falls dadurch entgegenkommende oder im Überholen begriffene Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden können. Schon unter der Herrschaft der VüKVerk. war anerkannten Rechts, daß alle Verkehrsregeln nur für den Regelfall gelten und im Einzelfall abzuweichen, u. U . nicht nur berechtigt, sondern sogar erforderlich sein kann. Die allgemeine Einschränkung des Rechtsfahrgebotes „soweit nicht besondere Umstände entgegenstehen", gilt also auch nach neuem Recht. D e m Reditsfahren können die verschiedensten Umstände entgegenstehen. Sie ergeben sich im Einzelfall aus den örtlichen Verhältnissen oder der Verkehrslage. Die allgemeinen Folgen einer Verkehrsregel, z. B. des § 25 Abs. 1, daß mit entgegenkommenden Fußgängern am rechten Fahrbahnrand gerechnet werden muß, sind kein Umstand, der das Rechtsfahren hindert. Erst die Notwendigkeit, im Einzelfall den tatsächlichen Folgen einer Verkehrsregelung Rechnung zu tragen, z. B. dem entgegenkommenden Fußgänger links auszuweichen, ist ein besonderer Umstand, der weiter rechts Fahren unmöglich macht. Das schließt nicht aus, daß die naheliegende Möglichkeit, daß Fußgänger am Fahrbahnrand gehen, bei der Wahl des Abstandes v o m Fahrbahnrand berücksichtigt wird. T r o t z des scheinbar rigorosen Gebotes muß die Regel nach Sinn und Zweck vernünftig ausgelegt werden. Schon zur Zeit der VüKVerk. war die Bedeutung der damals noch ausdrücklichen Einschränkung streitig; technische Unmöglichkeit der Benutzung der rechten Seite war nach h. M. schon damals und ist auch jetzt nicht unbedingte Voraussetzung einer Abweichung v o m Rechtsfahrgebot® 8 ). Doch wird man die strenge Vorschrift nicht soweit aufweichen dürfen, wie dies bei der unbestimmteren früheren Fassung geschehen ist. Das Schneiden einer Linkskurve z. B. wird sich nicht mit der Erwägung entschuldigen lassen, beim Rechtsfahren könne keine so hohe Geschwindigkeit eingehalten w e r d e n " ) . N u r insofern ist die Wahl der Geschwindigkeit v o m Rechtsfahrgebot unabhängig, als sich der zum Fahrbahnrand einzuhaltende Sicherheitsabstand nach der gewählten Geschwindigkeit richtet. Es braucht nicht langsamer gefahren zu werden, damit möglichst nah am Fahrbahnrand entlanggefahren werden kann (s. oben R N r . 7). Ein Überfahren der Fahrbahnmitte kann aber nicht mit hoher Geschwindigkeit entschuldigt werden. Die zulässige Geschwindigkeit ergibt sich aus den technischen Möglichkeiten bei Einhaltung des Rechtsfahrgebotes, nicht bei sei«) BayObLG 9. 10. 68, VkBl. 69, 199. " ) BayObLG 22. 7. 64, 1 St 241/1964. ) KG 4. 11. 54, VerkMitt. 54, 7; Hamm 30.
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11. 62, DAR 63, 282; 23. 8. 63, JMB1NRW 63, 240. ) So Hamm 8. 9. 58, DAR 59, 194.
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§ 2
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ner Verletzung. Gewiß schadet das Schneiden einer L i n k s k u r v e niemanden, wenn kein G e genverkehr v o r h a n d e n ist und auch niemand überholen will. Ein diszipliniertes F a h r v e r halten läßt sich aber nur dann erreichen, wenn jeder Verkehrsteilnehmer die Regeln immer wenigstens im groben einhält, gleichgültig ob im Einzelfall aus ihrer Mißachtung Unheil erwachsen kann oder nicht 4 0 ). V o n der strengen Regel abzuweichen ist nur dann zulässig, wenn sich nach den U m s t ä n d e n bei Einhaltung der Regel ungewöhnliche Schwierigkeiten ergäben, die nach den E r f a h r u n g e n des täglichen Lebens das Interesse an der strikten A n w e n d u n g der Regel überwögen und ein Abweichen als verkehrsgemäß und v e r n ü n f t i g erscheinen ließen 4 1 ). Nicht n u r U m s t ä n d e , die gleichmäßig und jederzeit sämtliche Verkehrsteilnehmer belasten, können eine Abweichung v o m Rechtsfahrgebot rechtfertigen; die U m stände können f ü r den K r a d f a h r e r anders liegen als f ü r den L a s t z u g f a h r e r , zur stillen Nachtzeit anders als bei lebhaftem Tagesverkehr. Bloße Bequemlichkeit oder Annehmlichkeit des Fahrens genügt aber in keinem Fall 4 2 ). Ist der bauliche Zustand der linken F a h r b a h n h ä l f t e besser als der der rechten, dann m u ß t r o t z d e m solange rechts gefahren werden, als das Befahren der rechten F a h r b a h n h ä l f t e z u m u t b a r ist. S t a r k e F a h r b a h n w ö l b u n g 4 3 ) oder holpriges Pflaster 4 4 ) auf der rechten F a h r b a h n h ä l f t e rechtfertigt keine Abweichung v o m Rechtsfahrgebot. D a g e g e n k o m m e n nach der Rechtspr. als besondere U m s t ä n d e , die auch nach geltendem Recht v o m G e b o t rechts zu fahren befreien können, in Betracht: H a l t e n d e Fahrzeuge u n d der beim Vorbeifahren einzuhaltende Sicherheitsabstand 4 5 ). H ä l t v o r einer K r e u z u n g oder einem zeitweiligen Hindernis in der F a h r b a h n eine Fahrzeugkolonne, dann darf links d a v o n n u r aufgefahren werden, wenn dabei die Mitte der Straße nicht überschritten wird u n d wenn die Breite der F a h r b a h n ein mehrreihiges Fahren zuläßt. D a ß die Fahrstreifen m a r kiert sind, ist nicht Voraussetzung 4 6 ). Gegen das Rechtsfahrgebot verstößt in diesem Falle, wer damit rechnen muß, daß er nach Erscheinen v o n Grünlicht den Gegenverkehr behindern wird oder sich in die rechts befindliche Fahrzeugreihe unter G e f ä h r d u n g oder Behind e r u n g dieser Fahrzeuge hineindrängen muß 4 7 ). N u r wenn eine Lücke im vorderen Teil der rechten K o l o n n e das Einordnen zuläßt, wird das L i n k s a u f f a h r e n u n d Einordnen zulässig sein 4 8 ). I m übrigen verbietet aber § 2 Abs. 2 das L i n k s a u f f a h r e n , das dann nicht n u r eine Unhöflichkeit gegenüber den in der K o l o n n e Wartenden ist. Z w a r ist die wartende K o l o n n e ein U m s t a n d , der dem Rechtsfahren v o r ü b e r g e h e n d entgegensteht, da aber die K o l o n n e alsbald weiterfährt, steht sie der B e n u t z u n g der rechten Fahrbahnseite nur auf so k u r z e Zeit entgegen, daß d e m später Eintreffenden z u g e m u t e t werden kann, sich an die K o l o n n e hinten anzuschließen 4 9 ). Auch der nach links Abbiegende darf sich n u r dann links neben die Spitze der K o l o n n e setzen, wenn er dabei die Mitte der F a h r b a h n nicht ü b e r f ä h r t . Weitere „besondere U m s t ä n d e " : L i n k s v e r s e t z u n g der F o r t s e t z u n g einer Straße jenseits einer K r e u z u n g oder E i n m ü n d u n g 5 0 ) ; in diesem Fall braucht zwar nicht ganz rechts gefahren zu werden, doch darf die linke F a h r b a h n h ä l f t e nicht benutzt werden, u m möglichst gradlinig in der nach links versetzten F o r t s e t z u n g der Straße weiterfahren zu können 5 1 ). Fahren auf der Straßenmitte k a n n z u r E r l a n g u n g besseren Einblicks in Seitenstraßen zweckmäßig sein 5 2 ). Ist die D u r c h f a h r t zwischen einer Straßenbahninsel und dem F a h r b a h n rand v e r s t o p f t , d a n n darf links an der Verkehrsinsel vorsichtig vorbeigefahren werden ) BGH St. 23, 313 (27. 8. 70) = N J W 70, 2033 = MDR 70, 1024 = DAR 71, 25 = VerkMitt. 70, 89 = J R 71, mit Anm. Möhl; a. M. Hamm 19. 1. 70, VRS 39, 294 vgl. audi Wimmer DRiditZ 65, 108. 4 1 ) BayObLG St. 49/51, 406 (30. 5. 51); KG 24. 5. 56, VRS 11, 370; Schleswig 2. 7. 58, VerkMitt. 58, 51. 4 2 ) Celle 2. 11. 57, VRS 15, 142; Frankfurt 3. 5. 62, VerkMitt. 62, 43. « ) Hamm 29. 4. 57, DAR 57, 359. 4 4 ) Oldenburg 6. 6. 51, VRS 3, 337. 4 5 ) BayObLG St. 53, 186 (13. 10. 53). 40
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) Frankfurt 15. 6. 66, N J W 66, 2421; 67, 406 mit Anm. Rehren. " ) BayObLG St. 65, 73 (23. 6. 65) = VRS 29, 304 = VkBl. 65, 607 = VerkMitt. 65, 75. 4®) BayObLG St. 58, 186 (5. 8. 58) = VRS 16, 65 = J R 59, 28. 4I>) A. M. Hamm 14. 12. 56, DAR 57, 275; s. aber auch Hamm 4. 3. 63, DAR 63, 389. 5 0 ) KG 24. 5. 56, VRS 11, 370; Hamm 22. 2. 52, VRS 5, 65; BGH(Z) 27. 11. 61, III ZR 170/60. 51 ) Hamm 21. 7. 53, VRS 6, 66. 5 2 ) BayObLG St. 49/51, 406 (30. 5. 51). 46
Entgegenstehende Umstände
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§ 2
(falls nidit Zeichen 222 entgegensteht) 53 ). Auf schmaler, gerade verlaufender Landstraße kann sich bei Dunkelheit das Fahren auf der Mitte der Fahrbahn als Vorsichtsmaßnahme anbieten und deshalb gestattet sein 54 ). Bei starkem Nebel ist es gestattet, sich an eine die Straßenmitte kennzeichnende Markierungslinie zu halten und an ihr in einem Sicherheitsabstand von 0,50 m entlangzufahren 55 ). Der Fahrer eines mit vielen Fahrgästen besetzten Omnibusses darf grundsätzlich zum rechten Straßenrand auch dann einen Sicherheitsabstand einhalten, wenn er dabei auf der schmalen Straße links über die Straßenmitte gerät und dort nur eine Durchfahrt auf 2,45 m freibleibt 56 ). Uberholen mehrerer, sich in Abständen bewegender Fahrzeuge, nötigt nicht zum Einscheren nach rechts in eine Verkehrslücke, wenn dies unter Beibehaltung der bisherigen Geschwindigkeit nicht ohne Gefahr für das eigene Fahrzeug durchgeführt werden könnte 3 3 ). Fahren auf der Uberholspur mehrere Fahrzeuge, die mangels Überholabsicht verpflichtet wären, auf die rechte Spur zurückzukehren, dann braucht ein hinter diesen Fahrzeugen Herfahrender seinen Platz in der Schlange nicht einem nachdrängenden Fahrzeugführer einzuräumen, indem er auf die Normalspur überwechselt 57 ). Die Frage, ob eine Lücke so weit ist, daß ohne Gefahr eingeschert werden kann, hängt weitgehend von der Geschwindigkeit ab. Auch hier gilt der Grundsatz, daß eine an sich zulässige Geschwindigkeit nicht deshalb herabgesetzt zu werden braucht, damit das Einscheren in eine Verkehrslücke ohne Gefahr möglich wird. Ist freilich die Lücke so groß, daß sie dem Schnelleren das Einscheren für mehr als 20 sec ermöglicht, ohne daß er dabei seine Geschwindigkeit herabsetzen muß, so soll er nicht links bleiben dürfen 58 ). Wer sein Fahrzeug eine kurze Strecke zurücksetzt (zu der beim Rückwärtsfahren aufzuwendenden Sorgfalt s. im übrigen § 9 R N r . 52), darf dazu in der Regel seine bisherige Rechtsfahrspur benützen, also nunmehr „links" fahren, wenn das Zurücksetzen verkehrsgerecht ist, wie z. B. zur Vermeidung des doppelten Wendens auf der Fahrbahn bei Fahrt über das Ziel hinaus 59 ). Dagegen darf ein Milchfahrer nicht vom Gebot des Rechtsfahrens abweichen, um auf der linken Straßenseite aufgestellte Milchkannen abzuholen 60 ). Beim sog. Reihenverkehr tritt an die Stelle des Gebots, möglichst weit rechts zu fahren, das Gebot, möglichst seine Fahrspur beizubehalten; vgl. hierzu die Erläuterungen zu § 7. Das Rechtsfahrgebot verletzt auch der Fahrer, der schuldhaft eine von ihm nicht mehr beherrschte Schleuder- oder Rutschbewegung seines Fahrzeugs zur linken Fahrbahnseite hinüber verursacht"). Wer von der Regel, möglichst weit rechts zu fahren, berechtigterweise abweicht, muß den durch sein regelwidriges Fahren verursachten Gefahren durch gesteigerte Aufmerksamkeit begegnen 58 ). Auch beim Vorliegen besonderer Umstände, die das Linksfahren rechtfertigen, darf vom Rechtsfahrgebot nur abgewichen werden, wenn dadurch nicht der Gegenverkehr gefährdet wird' 2 ). Wegen eines entgegenkommenden, nach links in ein Grundstück einfahrenden Verkehrsteilnehmers darf nur dann vorübergehend die linke Straßenseite benutzt werden, wenn die Gewißheit besteht, daß diese auch nach dem Einbiegen frei von Gegenverkehr ist»3). Ein Kraftfahrer darf auf einer 5 m breiten Einbahnstraße die Straßenmitte befahren, wenn er den Fußgängerverkehr auf dem rechten Gehsteig wegen eines dort stehenden Baugerüstes nicht einsehen kann und damit zu rechnen ist, daß von dorther Fußgänger auf ) KG 16. 11. 61, DAR 62, 87; 24. 6. 62, VRS 23, 223. ) BGH 22. 12. 61, VRS 22, 137; ähnlich B G H 13. 3. 59, VRS 16, 359; 8. 9. 61, VerkMitt. 62, 2 ; BGH(Z) 30. 6. 64, VRS 27, 335. 5 5 ) Braunschweig 22. 12. 58, DAR 59, 221. 5») BGH(Z) 24. 1. 61, VRS 20, 257. 5 7 ) Köln 1. 12. 64, VRS 28, 287 = JMB1NRW 65, 118; ähnlich BayObLG St. 67, 184 (20. 12. 67) = MDR 68, 519 = DAR 68, 166 = VRS 34, 470; a. M. Hamm 23. 10. 67, VRS 34, 310.
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) Düsseldorf 28. 1. 65, VerkMitt. 65, 4 6 ; vgl. auch Hamm 22. 12. 66, VRS 33, 130 = VerkMitt. 67, 76 mit Anm. Booß. 5 i ) Hamm 25. 7. 63, DAR 64, 115. «») Schleswig 20. 9. 61, DAR 62, 213. 6 1 ) Hamburg 10. 10. 62, VRS 24, 453; BayObLG 31. 1. 62, VRS 23, 68. 62) BGH St. 3, 157 (23. 9. 52); Hamm 12. 2. 57, DAR 57, 276; BayObLG 62, 44 (28. 2. 58
62).
63
) BGH 4. 9. 64, VRS 27, 443.
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§2
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die Fahrbahn treten, um sich über die Verkehrslage zu orientieren' 4 ). Beabsichtigt ein Verkehrsteilnehmer, sein Fahrzeug auf einem links der Fahrbahn liegenden Parkstreifen abzustellen, so darf er es so lange nicht nach links bis zur Mitte der Fahrbahn einordnen, als er noch nicht weiß, ob er eine geeignete Parklücke findet 65 ). Ein Verkehrsteilnehmer, auf dessen Fahrbahnseite sich ein Hindernis befindet, darf trotz § 6 audi bei Gegenverkehr an dem Hindernis vorbeifahren, wenn im Bereich der verengten Fahrbahnstelle eine gefahrlose Begegnung mit dem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer möglich ist; er darf dazu auch die linke Fahrbahnhälfte benutzen 66 ); (vgl. § 6 RNr. 5). Ein besonderer Umstand, der das Linksfahren rechtfertigt, kann auch darin liegen, daß ein nach rechts abbiegendes langes Fahrzeug aus technischen Gründen vor dem Abbiegen nach links ausholen muß. Bei Prüfung der Frage, ob besondere Umstände ein Abweichen vom Rechtsfahrgebot rechtfertigen, spielt auch die Fahrbahnmarkierung (Zeichen 322) eine Rolle. Ist die linke Spur als Abbiegerspur gekennzeichnet, so verstößt gegen das Rechtsfahrgebot, wer sie zum Geradeausfahren benutzt 67 ). Ist die Fahrbahn aber durch Markierungslinien und geradeausweisende Riditungspfeile in zwei Fahrspuren eingeteilt, so kann der Geradeausfahrende die Fahrspur wählen 68 ). Entfällt die Fahrspurmarkierung nach der Kreuzung so muß sidi der Benutzer der linken Fahrspur unter Rücksichtnahme auf den dort fließenden Verkehr wieder nadi rechts einordnen 69 ). Nähert sich der Vorfahrtsberechtigte einer unübersichtlichen Straßeneinmündung, dann muß er vom Fahrbahnrand einen Abstand einhalten, der es dem Wartepflichtigen ermöglicht, soweit in die Vorfahrtstraße einzufahren, daß er Sicht nach beiden Seiten gewinnt. Führt die Straße an einem erst spät einsehbaren Hofraum vorbei, aus dem öfter Kinder auf die Straße laufen, so rechtfertigt sich ein weiterer Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand als normalerweise. Werden nachfolgende Fahrzeuge nicht unzulässig behindert, so darf ein Autobahnbenutzer von der Normalspur auf die Uberholspur hinüberwechseln, um einem Wartepflichtigen, der sich der Autobahneinfahrt nähert, Gelegenheit zu geben, zügig in die Autobahn einzufahren 70 ). Verletzt ein von rechts kommender Wartepflichtiger die Vorfahrt, dann darf der Vorfahrtberechtigte auf die linke Fahrbahnseite ausweichen. 4. Wo ist im Normalfall zu fahren? § 2 Abs. 2 unterscheidet zwar nicht mehr wie § 8 Abs. 2 StVO 1937 zwischen dem Normalfall und besonderen Fällen, trotzdem kann die Rechtsprechung zu § 8 Abs. 2 StVO 1937 bei der Anwendung der neuen Vorschrift mitherangezogen werden. Sie kann es unbeschränkt, soweit es sich um die besonderen Fälle handelt, in denen früher die Benutzung der äußersten rechten Seite der Fahrbahn vorgeschrieben war. Denn insoweit hat sich die Rechtslage nicht geändert. Dagegen muß im „Normalfall" beachtet werden, daß es die neue Vorschrift dem Kraftfahrer nicht mehr überläßt, mehr oder weniger weit rechts zu fahren. Er muß immer so weit rechts fahren, als ihm dies bei Berücksichtigung seiner sonstigen Pflichten als Verkehrsteilnehmer und seiner eigenen Sicherheit möglich ist (vgl. oben RNr. 6). Dies wieder hängt davon ab, wie weit besondere Umstände die Möglichkeit rechts zu fahren einschränken; (s. oben RNr. 10, 11). Im übrigen können folgende Rechtssätze der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO 1937 auch für die neue Rechtslage übernommen werden: Der Verkehrsteilnehmer soll von der Fahrbahn auf belebter Straße nicht mehr in Anspruch nehmen, als es den Umständen nach bei Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer erforderlich ist 71 ). Schlangenlinien zu fahren, um rechts haltende Fahrzeuge herum, nur um „rechts" zu fahren, wird nicht verlangt"). Das Gebot des Rechtsfahrens hat keinen
) Hamburg 25. 5. 63, VerkMitt. 65, 5 = DRspr. II (292) 63 c.
) BayObLG 30. 4. 58, 1 St 135/1958. ° ) Verneinend BayObLGSt. 57, 119 (12. 6. 57); bejahend die in Fußn. 204 aufgeführten Entscheidungen, ferner B G H 19. 5. 67, VRS 33, 120 und Möhl in D A R 57, 288.
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§3
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StVO
k e n beginnen. Zwischen dem E n d e der R e a k t i o n s z e i t und d e m Beginn des Bremsens liegt die sog. Bremsansprechzeit. N i e m a n d k a n n augenblicklich reagieren. Zwischen der W a h r n e h m u n g eines Hindernisses u n d d e m Beginn der G e g e n m a ß n a h m e n liegt deshalb bei j e d e m Menschen eine R e a k t i o n s zeit. Diese ist aber nicht bei allen Menschen die gleiche. D i e R e a k t i o n s z e i t richtet sich nach der R e a k t i o n s f ä h i g k e i t . Sie ist z w a r bei den V e r k e h r s t e i l n e h m e r n verschieden, doch w i r d normalerweise eine R e a k t i o n s z e i t v o n 0 , 5 — 0 , 6 sec a n g e n o m m e n , zu der dann die B r e m s ansprechzeit v o n 0 , 2 — 0,3 sec t r i t t 2 0 9 ) . E i n e längere R e a k t i o n s z e i t wird in Fällen zugebilligt, in denen das E r k e n n e n der G e f a h r besonders schwierig ist. G e n a u e r w ä r e es, in solchen Fällen eine zusätzliche „ W a h r n e h m u n g s z e i t " zuzubilligen, weil die R e a k t i o n s z e i t streng g e n o m m e n erst zu laufen beginnt, w e n n das H i n d e r n i s als solches e r k a n n t ist. Diese V e r längerung der n o r m a l e n R e a k t i o n s z e i t entschuldigt den K r a f t f a h r e r dann nicht, w e n n er m i t einer solchen V e r l ä n g e r u n g nach den U m s t ä n d e n rechnen m u ß t e . So m u ß der K r a f t f a h r e r damit rechnen, daß er bei der E i n f a h r t in eine längere U n t e r f ü h r u n g Sichtschwierigk e i t e n wegen v e r z ö g e r t e r Anpassung des Auges haben wird. Es genügt dann nicht, die G e schwindigkeit nach dem n o r m a l e n A n h a l t e w e g zu bemessen. E s m u ß langsamer gefahren werden210).
Die Schreckzeit im einzelnen Schreckzeit ist die Z e i t , u m welche die R e a k t i o n durch Schreck v e r z ö g e r t wird. D i e Schreckzeit wird dem V e r k e h r s t e i l n e h m e r n u r in A u s n a h m e f ä l l e n zugute gehalten, dann nämlich, w e n n er schuldlos v o n einer G e f a h r überrascht wird, m i t der er nicht zu rechnen braucht. Z w a r k o m m t es nicht selten v o r , daß V e r k e h r s t e i l n e h m e r auch in anderen Fällen erschrecken, z. B . weil sie u n a u f m e r k s a m w a r e n o d e r sich durch U n v o r s i c h t i g k e i t in eine Zwangslage v e r s e t z t haben. In solchen Fällen geht die Schreckzeit zu Lasten des V e r k e h r s teilnehmers. D i e Fahrgeschwindigkeit m u ß allgemein so bemessen werden, daß notfalls auch der durch Erschrecken v o r einem auftauchenden H i n d e r n i s v e r l ä n g e r t e A n h a l t e w e g noch i n n e r h a l b der Sichtweite liegt 2 1 1 ). B e i m A u f t a u c h e n eines Hindernisses i n n e r h a l b einer O r t schaft w i r d eine Schreckzeit i m allgemeinen nicht zugebilligt 2 1 2 ). H ä u f i g m u ß der K r a f t f a h r e r e r h ö h t r e a k t i o n s b e r e i t sein. So z. B . derjenige, der i m fliegenden S t a r t beim Phasenwechsel auf G r ü n in eine K r e u z u n g e i n f ä h r t . In diesem Fall scheidet nicht n u r eine Schreckreaktion aus, sondern es k a n n sogar die normalerweise zugebilligte R e a k t i o n s z e i t v e r k ü r z t werden. In Fällen, in denen eine Schreckzeit zugebilligt wird, errechnet sich deren L ä n g e nach den besonderen U m s t ä n d e n des Falles. D e r B e g r i f f „Schrecksekunde" ist i n s o f e r n i r r e f ü h rend, als die zuzubilligende Schreckzeit geringer, aber auch in e x t r e m e n Fällen länger als 1 sec sein k a n n . Beispiele f ü r Zubilligung einer Schreckzeit: E i n g r e i f e n eines anderen ins L e n k r a d , K l e m m e n des Gashebels in Vollgasstellung 2 1 3 ), Fälle, in denen der K r a f t f a h r e r nacheinander durch zwei G e f a h r e n l a g e n überrascht w i r d 2 1 4 ) .
Blindsekunde Auch bei der B l e n d u n g (vgl. o b e n R N r . 24) spielt die körperliche Beschaffenheit des V e r k e h r s t e i l n e h m e r s eine bedeutsame R o l l e . B l e n d u n g ist S t ö r u n g oder A u f h e b u n g des Sehv e r m ö g e n s infolge U b e r s t r a h l u n g der N e t z h a u t ; sie dauert v o m Einsetzen der S t ö r u n g bis z u r Wiederherstellung der v o r h e r i g e n Sehschärfe, d. h. bis zu dem Z e i t p u n k t , in d e m das A u g e die durch die E i n w i r k u n g zu g r o ß e r H e l l i g k e i t h e r v o r g e r u f e n e B e e i n t r ä c h t i g u n g ü b e r windet. D i e D a u e r der B l e n d u n g k a n n der G e b l e n d e t e nicht beeinflussen; sie h ä n g t h a u p t sächlich v o n physiologischen Eigenschaften des Individuums ab, Gesundheitszustand, A l t e r , Augenbeschaffenheit. W e r gegen B l e n d u n g besonders empfindlich ist, m u ß bei N a c h t e n t sprechend vorsichtig f a h r e n . ») Saarbrücken 15. 6. 67, VRS 34, 228 mit einem Uberblick über die Reditspr.. 21 ») Düsseldorf 9. 6. 65, VerkMitt. 65, 78. 2 1 1 ) BGH(Z) 17. 11. 64, VerkMitt. 65, 39 = VersR 65, 88. 20
) BGH 22. 3. 63, VRS 25, 51. ) BayObLGSt. 56, 92 (17. 4. 56) = VRS 11, 142. - 1 4 ) Köln 20. 9. 63, JMB1NRW 63, 290.
212 213
StVO
Fahrzeugeigenschaften
§ 3
V. Anpassung der Geschwindigkeit an die Eigenschaften des Fahrzeugs Allgemeines Die Eigenschaften der einzelnen Fahrzeugtypen sind sehr verschieden: Sicht nach vorne und hinten, Anzugsvermögen, Gewicht u n d Straßenlage, Bremswirkung, Windempfindlichkeit usw. Wer ein Fahrzeug f ü h r t , m u ß sich mit dessen Eigenschaften v e r t r a u t machen. E r kann sich nidit damit entschuldigen, daß ihm die Anfälligkeit des von ihm gefahrenen Typs f ü r bestimmte Fehlleistungen nicht bekannt war. Er m u ß auch mit den Gefahren v e r t r a u t sein, die sich bei Ausnutzung der vollen Fahrgeschwindigkeit des von ihm benutzten Fahrzeugtyps ergeben. So m u ß der Fahrer eines vorderradangetriebenen Fahrzeugs auf einer Gefällstrecke berücksichtigen, daß er im Falle des Schleuderns sein Fahrzeug n u r durch Gasgeben wieder in seine Herrschaft bringt 2 1 5 ). Gerät allerdings ein Fahrzeug mit Vorderradantrieb infolge eines nicht voraussehbaren Reifenschadens ins Schlingern, dann kann sein Führer durch Schrecken entschuldigt sein, wenn er, statt leicht Gas zu geben, weich bremst 216 ). Wer sich einen schnellen Sportwagen leistet, m u ß sich über das sichere Funktionieren der Bremsen selbst dann unterrichten, wenn der Wagen „praktisch neuwertig" ist. T u t er das nicht, m u ß er jedenfalls jede Situation vermeiden, die ihn bei hoher Geschwindigkeit zu einer vollständigen Beanspruchung der Bremswirkung zwingen könnte 2 1 7 ). Besondere Fälle Der Fahrzeugführer ist aber nicht f ü r jeden Fehler des Fahrzeugs verantwortlich. Seine H a f t u n g wird durch den Vertrauensgrundsatz gemildert: So soll sich bei einem fast neuen Kraftfahrzeug der Fahrzeugführer regelmäßig darauf verlassen dürfen, daß die Bremseinrichtungen richtig eingestellt und auch der Beanspruchung einer Vollbremsung gewachsen sind 218 ). Wer unter den Voraussetzungen des § 41 Abs. 11 StVZO einen nicht abbremsbaren Anhänger m i t f ü h r t , soll deshalb keine geringere Geschwindigkeit einzuhalten brauchen 219 ). Auch daraus soll einem K r a f t f a h r e r nicht ohne weiteres ein Vorwurf gemacht werden können, daß er unter bestimmten Verhältnissen die bei seinem Fahrzeug größtmögliche Bremsverzögerung nicht erzielt 220 ). Zwar gelten grundsätzlich f ü r Schienenfahrzeuge, die am Straßenverkehr teilnehmen, also nicht auf gesondertem Fahrdamm fahren, die gleichen Geschwindigkeitsvorschriften wie f ü r den übrigen Verkehr. Die Führer solcher Fahrzeuge müssen deshalb auch in der Regel bei der Bemessung der Geschwindigkeit berücksichtigen, daß Schienenfahrzeuge im allgemeinen einen längeren Bremsweg haben als andere Fahrzeuge. Immerhin sind Ausnahmen denkbar, vor allem im dichten Großstadtverkehr. Wenn im großstädtischen Verkehr die vor einem vorausfahrenden Fahrzeug liegende Fahrbahn genau übersehen und als hindernisfrei e r k a n n t werden kann, soll ein Straßenbahnfahrer darauf vertrauen dürfen, daß der Vorausfahrende nicht im Gleisbereich so anhält, daß er den Straßenbahnzug nicht mehr zum H a l t e n bringen kann 2 2 1 ). Dagegen nötigen Länge und Schwerfälligkeit eines Autobusses zu besonders vorsichtigem Fahren 2 2 2 ). Auch auf die Ladung m u ß bei der Bemessung der Geschwindigkeit u. U . Rücksicht genommen werden. So muß, wer mit Rücksicht auf Besonderheiten der Ladung (Viehtransport) mit einer Bremsverzögerung von 3,5 m/sec 2 nicht gefahrlos anhalten kann, bei Annäherung an eine Verkehrsampel so langsam fahren, daß ihm dies innerhalb einer Gelbphase v o n drei Sekunden möglich ist 223 ). Entspricht der Reifenzustand nicht den Vorschriften, so darf der K r a f t f a h r e r keinesfalls die sonst zulässige Höchstgeschwindigkeit ausnutzen 2 2 4 ). 215
) ) 217 ) I18 ) 21e ) 220 ) 216
BayObLG 11. 11. 64, 1 a St 183/1964. BayObLG 27. 3. 68, 1 a St 259/1967. BGH 18. 11. 66, VerkMitt. 67, 50. BGH 28. 8. 64, VRS 27, 348. Düsseldorf 1. 2. 67, VerkMitt. 67, 64. BGH 22. 6. 62, VRS 23, 270.
221
) ) ) 224 ) 222
223
Frankfurt 8. 5. 67, VersR 67, 851. Dresden 11. 3. 39, VAE 39, 358. BayObLG 31. 3. 66, 1 b St 49/1966. BGH 9. 7. 69, VRS 37, 276 = DRspr. II (292) 93 d. 235
§3
StVO
Möh!
VI. Geschwindigkeit u n d Sichtweite (Abs. 1 S. 3, 4) X. Fahren auf Sicht (Abs. 1 S. 3) a) bei Tage Allgemeines Nach Abs. 1 S. 3 darf der Fahrzeugführer n u r so schnell fahren, daß er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann. Die Pflicht, auf Sicht zu fahren t r i t t nur ein, wenn die Sicht beschränkt ist, also an „unübersichtlichen" Stellen im weiteren Sinne. Sie gilt immer und wird auch nicht durch den Vertrauensgrundsatz eingeschränkt. § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO 1937 besagte, daß die Grundregel des Satz 1 „besonders" an unübersichtlichen Stellen gelte. Darin k o n n t e ein Hinweis auf die Notwendigkeit gesehen werden, die allgemeinen Geschwindigkeitsregeln an unübersichtlichen Stellen besonders genau einzuhalten. Die Pflicht z u m Fahren auf Sicht ergab sich daraus nicht ohne weiteres. T r o t z d e m wurde sie allgemein bejaht 8 2 5 ). Sie ergab sich aus der Überlegung, daß der Fahrzeugführer mit Hindernissen in dem zunächst nicht einzusehenden Teil der Fahrbahn rechnen muß, die ihn z u m Anhalten nötigen können. Mit solchen Hindernissen m u ß jeder rechnen, gleichgültig, ob er sich auf einer Vorfahrtstraße bewegt oder auf einer untergeordneten. Ein Vorrecht w i r k t sich nur insofern aus, als der Bevorrechtigte mit dem plötzlichen Auftauchen von Wartepflichtigen in seiner Fahrbahn solange nicht zu rechnen braucht, als es f ü r ihn nicht erkennbar wird22®), während der Wartepflichtige sein Verhalten auch auf solche Vorfahrtberechtigte einrichten muß, die f ü r ihn bei Annäherung an die Kreuzung noch nicht sichtbar sind. Bei der Annäherung an eine Kreuzung gelten deshalb f ü r den Bevorrechtigten andere Geschwindigkeitsregeln wie f ü r den Wartepflichtigen. Zu beachten ist aber, daß der Bevorrechtigte dann, wenn f ü r ihn infolge einer S t r a ß e n k r ü m m u n g nicht n u r die E i n m ü n d u n g eines Seitenweges, sondern zugleich ein Teil der eigenen Fahrbahn verdeckt ist, damit rechnen muß, daß sich auf dem f ü r ihn nicht einsehbaren Teil seiner Fahrbahn ein Wartepflichtiger befinden könnte. Kreuzen zwei gleichrangige Straßen, dann muß, da jeder Fahrzeugführer n u r gegenüber dem von links Kommenden bevorrechtigt, gegenüber dem von rechts Kommenden aber wartepflichtig ist, die Geschwindigkeit auf alle Fälle so weit herabgesetzt werden, daß der Wartepflicht genügt werden kann. Ist die Geschwindigkeit d a f ü r zu hoch, dann t r i f f t den Fahrzeugführer auch beim Zusammenstoß mit einem von links herankommenden Wartepflichtigen ein Mitverschulden, wenn die Ursächlichkeit der überhöhten Geschwindigkeit f ü r den Unfall festgestellt werden kann. Mündet dagegen n u r von links eine gleichrangige Straße ein, die sich jenseits der E i n m ü n d u n g nicht fortsetzt, dann braucht der von rechts kommende Benutzer der durchgehenden Straße seine Geschwindigkeit wegen der Einmündung nicht herabzusetzen, weil er auf alle Fälle bevorrechtigt ist. Der Grundsatz, daß der Anhalteweg die Sichtweite nicht überschreiten darf, ist in der Rechtsprechung mit eng begrenzten Ausnahmen (s. unten) anerkannt 2 2 7 ). Der Grundsatz ist verletzt, wenn der Fahrzeugf ü h r e r den Aufprall auf ein Hindernis n u r dadurch vermeiden kann, daß er auf das neben der Straße gelegene Gelände ausweicht 228 ). Auf der Fahrbahn m u ß rechtzeitig angehalten werden können. Wieweit die Sicht auf den weiteren Verlauf der Straße durch eine Kuppe beeinträchtigt wird, hängt vom Straßenverlauf ab, der in den Urteilsgründen festgestellt werden m u ß . Kann der Fahrzeugführer den Straßenverlauf hinter einer Kuppe nicht w a h r nehmen u n d ist er ihm auch nicht bekannt, dann m u ß er sich auf die ungünstigste Möglichkeit einstellen. E r darf sich nicht darauf verlassen, daß die Straße jenseits der K u p p e eben w e i t e r f ü h r t oder n u r sacht abfällt, so daß entgegenkommende Fahrzeuge f ü r ihn bereits v o r der Kuppe in ihrem oberen Teil sichtbar werden 22 *). Die Geschwindigkeit m u ß laufend 2
21, 148;
228
57, 158;
*5) BGHSt. 16, 145 (1. 7. 61) = VRS 20, 5, 60, VRS 19, 124. ) BGHSt. 7, 118 (4. 4. 57) = DAR Hamm 3. 10. 58, VRS 17, 75. 2 " ) BGHSt. 7, 118 (4. 4. 57) = DAR BGH (VGS) St. 16, 145 (1. 7. 61)
57, 158; = DAR
61, 260; BGH 27. 11. 59, VRS 18, 122; 20. 5. 60, VRS 19, 124; BGH(Z) 20. 12. 60, VRS 20, 172. 228 ) BayObLGSt. 57, 177 (27. 8. 57) = VRS 14, 70. 229 ) BayObLG 19. 8. 58, DAR 58, 338.
Fahren auf Sicht
StVO
§3
der jeweiligen Sichtweite angepaßt werden. Wer vorübergehend den vollen Uberblick über die vor ihm liegende Fahrbahn hat, dann aber wegen der Straßenführung diesen Überblick wieder verliert, darf nicht darauf vertrauen, daß sich auf der zunächst als hindernisfrei erkannten Strecke bei seiner Annäherung kein Hindernis befindet 230 ). Wieweit sich mit dieser Ansicht des BGH(Z) die Meinung des BayObLG zur Frage der Geschwindigkeitsherabsetzung beim Abblenden verträgt, wird weiter unten geprüft werden. Audi auf der Autobahn muß die Geschwindigkeit bei Tag und bei Nacht so bemessen werden, daß notfalls auch der infolge Erschreckens vor einem unerwartet auftauchenden Hindernis verlängerte Anhalteweg noch innerhalb der Sichtweite liegt231). „Unübersichtliche" Stelle Eine unübersichtliche Straßenstelle, die zum Fahren auf Sicht nötigt, wird in der Regel nur vorliegen, wenn auf der Fahrbahnhälfte die Sicht beeinträchtigt ist, auf der sich der Fahrzeugführer fortbewegt. Die Sicht ist aber schon dann „behindert", wenn der Fahrer nicht beurteilen kann, ob seine Fahrbahn frei von Hindernissen ist232). Ist nur die Gegenfahrbahn unübersichtlich, etwa weil dort ein großes Fahrzeug entgegenkommt, dann nötigt dies den Fahrzeugführer nicht, seine Geschwindigkeit der Sichtbehinderung anzupassen238). Die Sicht gilt nicht schon dann als beschränkt, wenn ein Hindernis nur in seinen Umrissen, nicht in seinen Einzelheiten erkennbar ist234). Unübersichtlich ist eine Straßenstelle nur, wenn die Fahrbahn nicht ausreichend zu übersehen ist. Darauf, ob der Einblick in Seitenstraßen oder in die Umgebung verwehrt ist, kommt es nicht an235). Ist die Fahrbahn unübersichtlich, dann muß aber damit gerechnet werden, daß der nicht eingesehene Raum von unvorsichtigen Fußgängern betreten wird. Eine andere Frage ist die, wie weit der Fahrzeugführer mit Hindernissen rechnen muß, die innerhalb der einsehbaren Strecke von der Seite her in seine Fahrbahn geraten. Diese Frage hat mit dem Fahren auf Sicht nichts zu tun. Es ist eine Frage der allgemeinen Sorgfaltspflicht, wie weit der Kraftfahrer die Straßenränder darauf beobachten muß, ob z. B. Fußgänger sich anschicken, unvorsichtig auf die Fahrbahn zu treten. Bei unklarer Verkehrslage wird die zulässige Geschwindigkeit nicht durch die Sichtweite, sondern durch den Vertrauensgrundsatz bestimmt 236 ). Für die Frage, ob der Pflicht zum Fahren auf Sicht genügt wurde, kommt es auf die tatsächlich eingehaltene Fahrspur an. Deshalb liegt kein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO vor, wenn der Angeklagte in unübersichtlicher Rechtskurve nicht äußerst rechts, sondern gegen die Mitte der Straße zu fährt und nur deshalb eine seiner Geschwindigkeit entsprechende Sicht hat 237 ). Ausnahmen? Nach Ansicht des OLG Köln 238 ) braucht ein Kraftfahrer auf einer Hauptverkehrsstraße nachts bei Abblendlicht seine Geschwindigkeit nicht derart der Sichtweite anzupassen, daß er einem quer zur Fahrbahnmitte unbeleuchtet stehenden Motorrad völlig gefahrlos ausweichen kann. Ob sich diese Entscheidung mit dem Grundsatz des Fahrens auf Sicht noch vereinbaren läßt, erscheint zweifelhaft. Dagegen wird man dem BGH(Z) 239 ) darin zustimmen können, daß den Kraftfahrer, der bei besonders ungünstigen Sichtverhältnissen auf einen 3 m nach rückwärts hinausragenden Holzstamm eines unbeleuchteten Anhängers auffährt, möglicherweise nicht der Vorwurf überhöhter Geschwindigkeit trifft; (s. auch unten R N r . 59). b) Fahren auf Sicht bei Nacht Sichtweite Wir sagten, das Fahren auf Sicht sei eine Sache des Fahrgefühls. Die Erfahrung lehrt, daß dieses Gefühl nicht selten trügt. Das gilt besonders bei Nacht. Bei Nacht wird die Sicht einesteils durch die Dunkelheit eingeschränkt, andernteils durch Scheinwerfer und sonstige «») 231 ) ) !S3 )
BGH(Z) 16. 11. 65, VerkMitt. 66, 34. B G H 17. 11. 64, VerkMitt. 65, 39. Celle 27. 1. 66, VRS 31, 33. B G H 22. 5. 64, VerkMitt. 65, 19; vgl. aber Neustadt 15. 2. 64, VRS 27, 272. " 4 ) Neustadt 27. 4. 60, DAR 60, 181. 23ä ) Saarbrücken 21. 11. 68, VRS 37, 228 =
IS2
DRspr. II (292) 89 d; a. M. Celle 27. 1. 66, VRS 31, 33. Vgl. Mühlhaus, DAR 69, 312, 316. 23 ') BayObLG 4. 12. 63, 1 St 452/1963. «8) Köln 19. 10. 56, VRS 12, 140 = DRspr. II (292) 25 a. 239 ) BGH(Z) 16. 4. 55, VerkMitt. 55, 41.
§ 3
Möhl
StVO
Lichtquellen mehr oder weniger weit ausgedehnt. Lichtquellen können aber auch die Sicht wiederum einschränken, indem sie Blendung und Spiegelung bewirken. Die schon bei Tage bestehenden Schwierigkeiten bei der richtigen Bemessung der Geschwindigkeit werden deshalb bei Nacht noch verstärkt. U m so mehr muß von jedem Fahrer verlangt werden, daß er alle Schätz- und Kombinationsfehler dadurch ausgleicht, daß er ausreichende Sicherheitszuschläge berücksichtigt, also lieber etwas unter der äußerstenfalls noch vertretbaren Geschwindigkeit bleibt. Gerade bei der Bemessung der Geschwindigkeit kann der Fahrer das „defensive" Fahren üben. Die Pflicht, auf Sicht zu fahren, gilt f ü r das Fahren bei Nacht so gut wie f ü r das Fahren bei Tage. Da bei Nacht die Sichtweite von der Reichweite und Stärke der Scheinwerfer abhängt, muß die Geschwindigkeit meist darauf eingerichtet werden, daß innerhalb dieser Reichweite notfalls angehalten werden kann. Das gilt auch für den Führer eines Kleinkraftrades, dessen Scheinwerfer nur 15 m weit leuchtet 240 ). Wer durch eine Kurve fährt oder abbiegt muß aber berücksichtigen, daß Hindernisse von seinen Scheinwerfern auf geringere Entfernung erfaßt werden können, als deren normaler Reichweite entspricht 241 ). Ein Vertrauen darauf, daß sich auf der Fahrbahn keine Hindernisse befinden, gibt es bei Nacht so wenig wie bei Tage. Es darf auch nicht darauf vertraut werden, daß Hindernisse in der Fahrbahn beleuchtet sind 242 ). Das Gebot des Fahrens auf Sicht gilt deshalb gegenüber einem auf einer Bundesstraße in gleicher Richtung vorausfahrenden Radfahrer auch dann, wenn an dem Fahrrad das Rücklicht nicht brennt 243 ). Dagegen braucht nicht damit geredinet zu werden, daß unbeleuchtete Fahrzeuge verkehrswidrig auf der falschen Straßenseite entgegenkommen. Deshalb braucht ein Fahrzeugführer, der bei Dunkelheit die linke Fahrbahnseite mitbenutzt, seine Geschwindigkeit nicht darauf einzurichten, notfalls vor der Mitte der Strecke anhalten zu können, auf der er unbeleuchtete Hindernisse wahrnehmen kann 244 ). Die Fahrgeschwindigkeit muß der Sicht auf den dunkelsten Teil der Fahrbahn angepaßt sein245). Jedoch braucht die Fahrbahn nicht in ihrer vollen Breite ausgeleuchtet zu sein. Die Sichtweite wird danach bemessen, wie weit der von dem Kraftfahrer in Anspruch genommene Fahrstreifen ausgeleuchtet ist249). Die Sicht kann durch andere Lichtquellen als die eigenen Scheinwerfer erweitert werden: Straßenbeleuchtung, Mondschein, Scheinwerfer anderer Fahrzeuge. Wird der von den Scheinwerfern beleuchtete Weg durch fremde Lichtquellen verlängert, so darf entsprechend rascher gefahren werden 247 ). Die Sichtweite kann auch geringer sein als die Leuchtweite der Scheinwerfer: Fährt ein Fahrzeug durch eine Kurve, dann leuchten die Scheinwerfer über den Kurvenrand hinaus, der vor dem Fahrzeug liegende Fahrstreifen wird entsprechend kürzer ausgeleuchtet. Ebenso muß, wer abbiegt, damit rechnen, daß ein unbeleuchtetes Hindernis erst auf eine geringere Entfernung sichtbar wird als der normalen Reichweite der Scheinwerfer entspricht 248 ). Auch auf der Autobahn darf der Kraftfahrer bei Dunkelheit nur so schnell fahren, daß er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig halten kann 249 ). Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt, also auch f ü r das Fahren auf der Überholfahrbahn 2 5 0 ). Ausnahme: § 18 Abs. 6 N r . 1. 240
) Düsseldorf 13. 11. 69, VerkMitt. 70, 88. ) BGH(Z) 4. 12. 64, VersR 65, 290. 242 ) Böhmer „Unbeleuchtete Hindernisse auf der Fahrbahn", MDR 60, 100 mit Nachweisungen; B G H 8. 9. 67, VRS 33, 368. 243 ) Köln 18. 3. 66, VRS 66, 158. 244 ) BayObLGSt. 1962, 244 (24. 10. 62) = VRS 24, 72 = VkBl. 63, 99. S. auch Köln 25. 3. 66, VRS 31, 229. 245 ) BayObLG 29. 11. 61, DAR 62, 184; Hamm 4. 3. 65, JMB1NRW 65, 199. 24 °) Hamm 1. 10. 65, VRS 30, 227; 13. 11. 68, VRS 37, 276; 19. 2. 70, VRS 39, 261; a. M. Oldenburg 25. 10. 66, VRS 32, 270 im An241
238
2
«) )
248
24
»)
25
°)
schluß an BayObLG 29. 11. 61, DAR 62, 184. Karlsruhe 13. 6. 60, DAR 61, 231. BayObLGSt. 55, 240 (7. 12. 55) = DAR 56, 164 = VRS 10, 369; Saarbrücken 12. 5. 61, DAR 62, 162; BGH(Z) 4. 12. 64, VersR 65, 290. BGH (VGS) St. 16, 145 (1. 7. 61) = DAR 61, 260 = MDR 61, 807 = N J W 61, 1588 = VerkMitt. 61, 33; Braunschweig 22. 8. 58, NdsRpfl. 58, 216; gegen BayObLG 3. 12. 59, N J W 60, 504. BGH(Z) 9. 6. 64, VerkMitt. 64, 83 = MDR 64, 839; Köln 2. 10. 62, VerkMitt. 63, 37.
Fahren auf Sicht bei Nacht Schwer
erkennbare
StVO
§ 3
Hindernisse
D e r F a h r z e u g f ü h r e r m u ß v o r allen auf der F a h r b a h n befindlichen Hindernissen rechtzeitig anhalten können, also auch v o r schwer erkennbaren. Allerdings k a n n von ihm nichts Unmögliches verlangt werden. In ganz besonderen Ausnahmefällen kann ein Hindernis so schwer erkennbar sein, daß den F a h r z e u g f ü h r e r kein Schuldvorwurf t r i f f t , wenn er es zu spät w a h r n i m m t . D a n n t r i f f t ihn auch nicht der V o r w u r f , nicht auf Sicht gefahren zu sein. Beispiel: Ein auf der F a h r b a h n liegender Mensch, dessen E r k e n n b a r k e i t durch Blendung des m i t Abblendlicht fahrenden K r a f t f a h r e r s infolge eines ihm entgegenstrahlenden Fernlichts aufgehoben wurde 2 5 1 ). Ein 20 cm hoher R e i f e n p r o t e k t o r , der auf der A u t o b a h n liegt 2 5 2 ). Splitthaufen an der linken Fahrbahnseite 2 5 3 ). 3 m nach hinten hinausragender H o l z s t a m m eines unbeleuchtet abgestellten Anhängers 2 5 4 ). H a t der K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r aber g r o b fahrlässig der anhaltenden Blendwirkung eines entgegenkommenden Fahrzeugs nicht Rechnung getragen u n d deshalb einen weit nadi rückwärts hinausragenden H o l z s t a m m eines unzureichend beleuchteten F u h r w e r k s zu spät w a h r g e n o m m e n , dann t r i f f t ihn der V o r w u r f überhöhter Geschwindigkeit 2 5 5 ). F ü r die Frage der E r k e n n b a r k e i t eines verschmutzten, nachts am Straßenrand unbeleuchtet abgestellten Fahrzeugs sind alle Lichtquellen in Betracht zu ziehen, die im k o n k r e t e n Fall vorhanden waren 2 5 6 ). Vertrauensgrundsatz D i e Pflicht, auf Sicht zu fahren, besteht nur gegenüber Hindernissen auf der F a h r bahn 2 5 7 ). D a g e g e n braucht der F a h r z e u g f ü h r e r auch bei N a d i t nicht d a m i t zu rechnen, daß v o n der Seite her andere Verkehrsteilnehmer in seine F a h r b a h n eindringen können, sei es aus einer Seitenstraße, einer Grundstücksausfahrt oder v o m F a h r b a h n r a n d aus. Es gelten die gleichen R e g e l n wie bei T a g e : D e r Wartepflichtige m u ß sich allerdings auf das mögliche Auftauchen eines Vorfahrtberechtigten einrichten. I m übrigen darf solange darauf vertraut werden, daß kein anderer Verkehrsteilnehmer sich verkehrswidrig v o n der Seite her in die F a h r b a h n begibt, bis verkehrswidriges Verhalten erkennbar wird. Wird die Sichtweite durch andere Lichtquellen verbessert, dann m u ß der K r a f t f a h r e r sogleich seine Geschwindigkeit der Sichtweite seiner eigenen Scheinwerfer anpassen, wenn diese anderen Lichtquellen wegfallen. So m u ß ein K r a f t f a h r e r , der bei Dunkelheit einem anderen K r a f t w a g e n folgt, v o n dem Augenblick an, in d e m er eine Richtungsländerung des V o r d e r m a n n e s nicht mitmacht, seine Geschwindigkeit entsprechend herabsetzen 2 5 8 ). Blendung Nicht selten wird bei Dunkelheit die Sicht durch Blendung beeinträchtigt (vgl. oben R N r . 24). K o m m t ein Fahrzeug mit Fernlicht entgegen, so ist die Blendung zwar ungleich gefährlicher, als wenn seine Scheinwerfer abgeblendet sind. Immerhin geht aber auch v o n abgeblendeten Scheinwerfern eine gewisse Blendwirkung aus, die bei bergaufwärtsfahrenden Fahrzeugen, gelegentlich auch bei hinten stark belasteten Fahrzeugen erheblich über das normale M a ß hinausgehen kann. Mit einer Blendung durch ein entgegenkommendes F a h r zeug m u ß der F a h r z e u g f ü h r e r in erster Linie rechnen, wenn das entgegenkommende Fahrzeug m i t Fernlicht f ä h r t . E r darf nicht darauf vertrauen, daß der E n t g e g e n k o m m e n d e rechtzeitig abblendet, wohl aber, daß ein m i t Abblendlicht Fahrender nicht k u r z vor der Begegnung aufblendet 2 5 9 ). D i e erfahrungsgemäß zu erwartende Blendwirkung m u ß der Fahrzeugführer bei der Bemessung seiner Geschwindigkeit berücksichtigen. F ä h r t der Entgegenk o m m e n d e m i t Abblendlicht, dann steht die zu erwartende Blendung einer Geschwindigkeit ) BayObLGSt. 63, 69 (5. 3. 63) = VRS 25, 342; s. aber 60, 222 (6. 9. 60) = VRS 20, 365 = DRspr. II (292) 46 c; Hamm 24. 10. 63, VRS 27, 43. 2 5 2 ) BayObLGSt. 61, 248 (27. 9. 61) = J R 62, 189 mit Anm. v. Martin = VRS 22, 380 = VkBl. 62, 343; vom gleichen Geridit verneint für Lkw-Reserverad — 4. 2. 70, 1 a St 215/1969. 251
) ) ) 256) 2 5 ') 258) 25 ») 253 254
255
BGH(Z) 5. 4. 60, VersR 60, 636. BGH(Z) 16. 4. 55, VRS 9, 114. BGH(Z) 13. 3. 62, VersR 62, 543. K G 4. 3. 65, VRS 28, 433. BGH(Z) 3. 4. 62, VersR 62, 621. Köln 15. 10. 63, VRS 26, 223. BGHSt. 12, 81 (17. 9. 58) = DAR 58, 335 = N J W 58, 1982 = VkBl. 59, 110 = VRS 15, 450.
§3
Möhl
StVO
von 45 km/h in der Regel nicht entgegen. Etwas anderes kann freilich gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, z. B. geringe Fahrbahnbreite, starke Kurven, nasse und spiegelnde Straße 260 ). Die Beibehaltung einer Geschwindigkeit von 100—110 km/h trotz anhaltender, die Erkennbarkeit des rechten Straßenrandes beeinträchtigende Blendung ist grob fahrlässig261). Wird die Sicht bei einer Begegnung vorübergehend durch Blendung beeinträditigt, so soll die Geschwindigkeit nicht herabgesetzt werden müssen, wenn die vorausliegende Strecke vor der Begegnung genügend weit eingesehen werden konnte 261 *). Auch die Lichtquellen eines stehenden Fahrzeugs können die Sichtweite des entgegenkommenden Fahrers erheblich verkürzen 262 ). Schon wenn mit einer Blendung durch einen in der Gegenrichtung am Fahrbahnrand stehenden anderen Kraftwagen gerechnet werden muß, ist auf eine Geschwindigkeit herunterzugehen, die ein rechtzeitiges Anhalten vor einem Hindernis ermöglicht 263 ). Durch den Lichtkegel einer Straßenleuchte kann eine gefährliche „Dunkelzone" entstehen. Der Kraftfahrer muß der dabei auftretenden Sichtbehinderung bei Bemessung seiner Geschwindigkeit Rechnung tragen, soweit sie für ihn voraussehbar ist264). 62
Abblenden In zahlreichen Entscheidungen mußte sich die Rechtsprechung mit der Frage befassen, wie weit die Sichtweite bei Abblendlicht reicht und wann sich der Abblendende auf die durch das Abblenden bewirkte Einschränkung seiner Sicht einstellen muß. Allgemeingültige Erfahrungssätze über die Leuchtweite abgeblendeter Scheinwerfer fehlen, weil die Leuchtkraft der im Straßenverkehr benutzten Scheinwerfer je nach Fabrikat und Erhaltungsstand der Batterie sehr verschiedenartig ist. In § 50 Abs. 6 StVZO wird zwar bestimmt, daß die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 25 m vor jedem einzelnen Scheinwerfer auf einer Ebene senkrecht zur Fahrbahn in Höhe der Scheinwerfer nicht mehr als 1 Lux betragen darf. Daraus ergibt sich aber nicht, daß das Abblendlicht nur 25 m weit reicht. In Wirklichkeit leuchten abgeblendete Scheinwerfer die Fahrbahn meist auf größere Entfernung aus, nämlich bis auf 50 m und darüber. Bei asymetrischem Licht sogar bis auf 75 m265) und mehr 266 ). Eine Pflicht, das Fernlicht zu benutzen kennt die StVO nicht. Wer seine Geschwindigkeit vorschriftsmäßig seiner eingeschränkten Sichtweite anpaßt, darf mit Abblendlicht fahren, auch wo Fernlicht erlaubt wäre. Innerhalb der im Abblendlicht überschaubaren Strecke muß angehalten werden können267). Dabei kommt es auf die tatsächliche Leuchtwirkung des Abblendlichtes an. Ist diese geringer als normalerweise, etwa weil die Straße naß ist und spiegelt, dann muß die Geschwindigkeit entsprechend niederer bemessen werden 268 ). Der Verpflichtung, die Geschwindigkeit der Reichweite des Abblendlichts anzupassen, wird nur genügt, wenn am Ende der zum Anhalten benötigten Strecke außer dem benutzten Fahrstreifen beiderseits je ein Raum von etwa 1 m Breite so ausgeleuchtet ist, daß dort befindliche Hindernisse zuverlässig erkannt werden können 269 ). Die ganze Breite der Straße braucht dagegen nicht ausgeleuchtet zu sein270). Soweit die Scheinwerfer die Fahrbahn und das angrenzende Gelände tatsächlich beleuchten, gilt aber die allgemeine Beobachtungspflicht. Fährt ein Kraftfahrer mit Abblendlicht eine Geschwindigkeit von 80—90 km/h, so trifft ihn auf alle Fälle der Vorwurf gro26
°) BayObLGSt. 62, 252 (31. 10. 62) = VRS 24, 237; anders BGH 13. 3. 62, VRS 23, 17 für den Fall stärkerer und längerer Blendung. 26 >) Stuttgart 16. 10. 63, VersR 64, 757. 261 ") B G H 5. 4. 68, VRS 35, 117. 2 2 « ) B G H 11. 2. 66, VRS 30, 347; vgl. Karlsruhe 18. 7. 68, VRS 36, 274. 26S ) BayObLG 4. 9. 63, 1 St 314/1963 bei Rüth, DAR 64, 235. 2 4 « ) BayObLG 16. 12. 64, 1 a St 677/1964 bei Rüth, DAR 65, 256, vgl. Köln 13. 7. 65, VRS 29, 279; aber auch Schleswig 6. 10. 66, VerkMitt. 66, 87.
240
26
®) BGH 1. 7. 60 u. 20. 5. 60, VRS 19, 282 u. 19, 124; 20. 3. 64, VerkMitt. 64, 77; B G H St. 16, 145, 152 wie Fußn. 249; B G H 8. 9. 67, VRS 33, 368 = DRspr. II (292) 82 b. 266 ) Hamm 19. 2. 70, VRS 39, 261. 287 ) B G H 10. 6. 66, VRS 31, 106. 268 ) Hamm 4. 3. 65 (s. Fußn. 245). 268 ) BayObLG 5. 3. 69, VRS 38, 78 = DAR 69, 221 = VerkMitt. 69, 58 = DRspr. II (292) 89 c. 27 ») A. M. offenbar Oldenburg 25. 10. 66, VRS 32, 270 = DRspr. II (292) 77 a.
Fahren auf Sicht: Abblenden
StVO
§3
ben Verschuldens 2 7 1 ). Auch eine Geschwindigkeit v o n 60 k m / h ist schon zu hoch, wenn das Abblendlicht n u r eine Sichtweite v o n 45 m gewährt 2 ' 2 ). Andernteils braucht eine Geschwindigkeit v o n 45 k m / h bei Abblendlicht d e m G e b o t auf Sicht zu fahren, selbst bei dunstigem u n d regnerischem Wetter nicht unbedingt zu widersprechen 2 7 3 ). Wer m i t einer Geschwindigkeit fährt, die n u r gerade noch ein Anhalten innerhalb der Sichtweite erlaubt, m u ß ein Höchstmaß an A u f m e r k s a m k e i t beobachten 2 7 4 ). D e r G r u n d s a t z , daß die Geschwindigkeit der jeweiligen Sichtweite angepaßt werden muß, gilt auch f ü r das Abblenden. D i e Geschwindigkeit muß der durch das Abblenden herbeigeführten Beschränkung der Sichtweite entsprechen. Diese Pflicht wird v o n den meisten K r a f t f a h r e r n nicht ernst g e n o m m e n . D i e Rechtsprechung hierzu ist m e r k w ü r d i g großzügig. Ihr A u s g a n g s p u n k t ist z w a r zweifellos richtig: Es k a n n nicht verlangt werden, daß nach d e m Abblenden sogleich die der neuen Sichtweite entsprechende geringere Geschwindigkeit erreicht wird. Es wäre u n n ö t i g und gefährlich, bei jedem Abblenden ein sofortiges starkes Bremsen zu f o r d e r n . U n n ö t i g , weil im Fernlicht eine Strecke eingesehen wurde, die über die Sichtweite bei Abblendlicht wesentlich hinausging, gefährlich, weil jedes scharfe Bremsen bei Nacht die G e f a h r v o n A u f f a h r u n f ä l l e n m i t sich bringt. Deshalb bestehen gegen die A n sicht des O L G München 2 7 5 ), kurzes Abblenden auf einer Bundesstraße verpflichte u. U . nicht dazu, die Geschwindigkeit auf Sichtweite zu verringern, z w a r keine Bedenken. Bedenklicher aber sind Leitsätze wie die f o l g e n d e n : „ D e r K r a f t f a h r e r m u ß nach dem Abblenden seine Geschwindigkeit der n u n m e h r herabgesetzten Sichtweite erst anpassen, wenn er andernfalls innerhalb der v o r h e r ausgeleuchteten u n d als hindernisfrei erkannten Strecke nicht mehr anhalten k ö n n t e " 2 7 8 ) . „Ein K r a f t f a h r e r , der abblendet, braucht sich in der Regel auch außerhalb v o n Bundesautobahnen nicht darauf einzustellen, daß während seiner A n näherung ein unbeleuchtetes Hindernis v o n der Seite her in den vorher mittels des Fernlichts als hindernisfrei erkannten R a u m gerät" 2 7 7 ). „ D e r eine bevorrechtigte Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften befahrende K r a f t f a h r e r ist nicht schon deshalb verpflichtet, s o f o r t nach d e m Abblenden seine Geschwindigkeit der Reichweite des Abblendlichtes anzupassen, weil innerhalb der v o r h e r ausgeleuchteten Strecke eine untergeordnete Seitenstraße in die Bundesstraße e i n m ü n d e t " 2 7 8 ) . D i e Entscheidung der Frage hängt m i t von der richtigen Auslegung des sog. Vertrauensgrundsatzes ab. A u s g a n g s p u n k t der genannten Entscheidungen ist die Ansicht, der K r a f t f a h r e r d ü r f e darauf vertrauen, daß v o n der Seite her in den v o r h e r v o n d e m Fernlicht ausgeleuchteten Teil der F a h r b a h n während seiner A n n ä h e r u n g (mit Abblendlicht) niemand eindringt. O b dieses Vertrauen wirklich gerechtfertigt ist, erscheint aber fraglich. D i e F r a g e darf nicht m i t der anderen F r a g e vermischt werden, wie weit der K r a f t f a h r e r f ü r einen Unfall verantwortlich gemacht werden kann, der darauf z u r ü c k z u f ü h r e n ist, daß v o n der Seite her ein H i n d e r n i s innerhalb seines Anhalteweges in seine F a h r s p u r eindringt. M i t Recht gilt allgemein der Satz, daß den K r a f t f a h r e r dann kein Verschulden t r i f f t , wenn er „auf Sicht" fährt, wenn aber innerhalb der einsehbaren Strecke v o n der Seite her ein unvorhersehbares Hindernis eindringt, v o r d e m er nicht mehr halten k a n n . Dieser G r u n d s a t z auf das Fahren bei Nacht angewendet, bedeutet nicht, daß den F a h r z e u g f ü h r e r d a n n kein Schuldvorwurf trifft, wenn er v o r einem zwar innerhalb der Sichtweite, aber außerhalb seines Anhalteweges auftauchenden Hindernis nicht anhalten kann. ") *72) 7 * 3) 274) 275)
BAG 5. 4. 62, DAR 62, 274. BGH 26. 4. 63, VerkMitt. 63, 65. Bremen 1. 8. 62, DAR 63, 253. Celle 22. 4. 60, DAR 60, 363. OLG München 29. 10. 65, VRS 30, 20 = VersR 66, 171. 2 7 t ) BayObLGSt. 61, 248 (27. 9. 61) = VRS 22, 380 = VerkMitt. 62, 10 = VkBl. 62, 343
2
= J R 62, 189 mit berechtigter Kritik von Martin. ) BayObLGSt. 62, 274 (14. 11. 62) = VRS 24, 310 = VerkMitt. 63, 35 = N J W 63, 501 = VkBl. 63, 174. 27 Köln 25. 6. 57, VerkMitt. 57, 66 = VRS 13, 373 = JMB1.NRW 57, 237.
Ü b e r h o l e n v o n Schienenfahrzeugen
StVO
§5
besetzt, dann können diese dadurch überholt werden, daß der U b e r h o l e r links der Verkehrsinsel vorbeifährt 2 3 6 ). § 1 k a n n im Einzelfall zu anderer Beurteilung f ü h r e n . D a s Ü b e r holen nadi Abs. 7 ist abgeschlossen, wenn die ganze L ä n g e des überholenden Fahrzeugs den Straßenbahnwagen hinter sich gelassen hat. D a s k a n n f ü r die Frage der A n w e n d b a r k e i t des § 315 a Abs. 1 Z i f f . 4 S t G B v o n Bedeutung sein 2 3 '). Abs. 7 regelt nicht das Verhalten des v o n der schnelleren Straßenbahn eingeholten, auf d e m hart a m rechten Straßenrand gelegenen rechten Gleis, also vorschriftsmäßig (§ 2 Abs. 2) rechts fahrenden Verkehrsteilnehmers. Soweit möglich m u ß er nach § 2 Abs. 3 das Gleis freigeben, u m der Straßenbahn die glatte Fortsetzung der F a h r t zu ermöglichen; anderseits darf er durch Linksabbiegen den Gegenverkehr auf der f ü r ihn linken F a h r b a h n h ä l f t e nicht behindern (§ 1), u n d z w a r weder den Gegenverkehr auf d e m linken Gleis, nodi den auf d e m etwa links v o m linken Gleis noch vorhandenen Fahrbahnstreifen. Gegenüber der m i t erheblichen G e f a h r e n verbundenen S t ö r u n g des e n t g e g e n k o m m e n d e n Verkehrs m u ß die Behinderung der v o n hinten h e r a n k o m m e n d e n Straßenbahn (durch Verbleiben des langsameren V o r a u f f a h r e n d e n auf d e m Gleis) als das erträglichere Ü b e l gelten. Auch an einer z u m Fahrgastwechsel haltenden Straßenbahn ist (von Einbahnstraßen abgesehen) rechts vorbeizufahren, wenn der R a u m zwischen Schienenfahrzeug und rechtem F a h r b a h n r a n d dies zuläßt und Fahrgäste nicht behindert werden (§ 20 Abs. 1). Allerdings ergibt sich dies nicht aus § 5 Abs. 7, sondern aus § 2 Abs. 2 S a t z 1. D e n n die haltende Straßenbahn wird weder „ ü b e r h o l t " noch wird ihr „ausgewichen", an ihr w i r d vorbeigefahren (vgl. V w v zu § 5 u. 6) 2 3 8 ). Z u r S o r g f a l t s p f l i d i t des V o r b e i f a h r e n d e n vgl. § 6 R N r . 5, 6. Fraglich k a n n sein, ob überholt, wer einem z u m Stillstand auslaufenden F a h r z e u g v o r fahrt 2 »»). O b der „ R a u m " zwischen Schienenfahrzeug und F a h r b a h n r a n d ein Rechtsüberholen zuläßt, ergibt sich aus der ö r t l i c h k e i t , nicht aus der augenblicklichen Verkehrslage 2 4 0 ). L i n k s überholen ist daher nicht schon dann zulässig, wenn der R a u m zwischen Schienenfahrzeug u n d F a h r b a h n r a n d durch Fahrgäste oder Fahrzeuge v e r s t o p f t ist, sondern nur, wenn er nicht breit genug ist, u m ein gefahrloses Durchfahren z u gewährleisten. D a z u gehört, daß zu dem Schienenfahrzeug ein angemessener Sicherheitsabstand eingehalten werden kann 2 4 1 ). Die Rechtslage kann f ü r Fahrzeuge verschiedener Breite verschieden sein; Linksüberholen kann f ü r L k w (Omnibus) zulässig, dagegen f ü r K r a d unzulässig sein. E s k o m m t zwar darauf an, ob der z u r V e r f ü g u n g stehende R a u m objektiv z u m Rechtsüberholen ausreicht, doch m u ß im Einzelfall g e p r ü f t werden, ob der Ü b e r h o l e r die objektive L a g e schuldhaft v e r k a n n t hat' 4 1 ). F ü r das Rechtsüberholen v o n Schienenfahrzeugen gelten im übrigen sinngemäß die Vorschriften des § 5 Abs. 2 — 6. Allerdings ist Abs. 2 S. 1 (keine Behinderung des Gegenverkehrs), Abs. 4 S. 3 u. 4 u. Abs. 6 S. 2 beim Rechtsüberholen gegenstandslos. Auch k a n n es nicht darauf a n k o m m e n , o b der Ü b e r h o l e r mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als die Schienenbahn f ä h r t (Abs. 2 S. 2). O b Abs. 6 S. 2 d e m F ü h r e r der Schienenbahn verbietet, w ä h r e n d der Ü b e r h o l u n g seine Geschwindigkeit zu erhöhen, ist fraglich. D e r Fall ist denkbar, daß ein K r a f t f a h r e r eine m i t mäßiger Geschwindigkeit f a h r e n d e Schienenbahn überholt, o b w o h l die D u r c h f a h r t zwischen den Schienen u n d d e m F a h r b a h n r a n d in einiger E n t f e r n u n g durch ein H i n d e r n i s blockiert ist, das den Ü b e r h o l e r z u m Ausweichen nach links auf die Schienen nötigt. Beschleunigt der F ü h r e r des Schienenfahrzeugs während der Ü b e r h o l u n g , dann k a n n der z u r V e r f ü g u n g stehende R a u m hierzu nicht m e h r ausreichen. M a n wird deshalb in solchen Fällen den Abs. 6 S. 1 anzuwenden haben 2 4 '). D a g e g e n ist « • ) Bremen 26. 5. 54, DAR 54, 286 = VkBl. 54, 444. ) Hamm 21. 7. 55, DAR 55, 307. 2»8) BayObLGSt. 62, 305 (19. 12. 62); a. M. Düsseldorf 15. 3. 51, VRS 3, 348 u. Bremen 10. 11. 54, VkBl. 55, 283, die § 10 Abs. 4 (StVO 1937) für anwendbar hielten. 237
») Köln 4. 10. 55, MDR 56, 353 = VersR 56, 163. 2 4 0 ) K G 10. 2. 54, DAR 54, 90. 2 4 1 ) Frankfurt 20. 7. 57, VerkMitt. 57, 62. 2 4 2 ) Saarbrücken 14. 1. 60, DAR 60, 361. 2 4 3 ) A. M. Booß § 5 Anm. 7. 23
315
§5
StVO
Möhl
auch das Rechtsüberholen unzulässig bei unklarer Verkehrslage oder wo es durch Verkehrszeichen verboten ist (Abs. 3). Auch muß der (nach rechts) Ausscherende auf den nachfolgenden Verkehr achten und hat das Ausscheren rechtzeitig und deutlich anzuzeigen (Abs. 4 S. 1 u. 2). Auch f ü r das Ankündigen des Überholens durch Schall- und Leuchtzeichen gilt beim Rechtsüberholen das gleiche wie beim Linksüberholen (Abs. 5). Ortspolizeilich kann das Uberholen einer haltenden Straßenbahn nicht allgemein verboten werden. Zwar fehlt in der neuen StVO eine dem § 45 der StVO 1937 entsprechende Vorschrift, nach der die StVO zusammen mit den dort aufgeführten weiteren Verkehrsvorschriften die ausschließliche Regelung des Straßenverkehrs enthält. Das ist aber selbstverständlich, da Art und Umtsug des vom Bundesgesetzgeber im Straßenverkehrsgesetz erlassenen Straßenverkehrs!ejus eindeutig die Feststellung zulassen, daß der Bund von seinem Recht zu konkurrierender Gesetzgebung auf diesem Sachgebiet (Art. 74 N r . 22 GG) abschließend Gebrauch gemacht hat. Für den Landesgesetzgeber ist dadurch die Sperre nach Art. 72 Abs. 1 GG eingetreten (vergl. die amtliche Begründung zu Art. 1 N r . 24 der VO zur Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung vom 16. 11. 1970, durdi den der dem § 45 StVO 1937 gleichlautende § 69 StVO aufgehoben wurde 244 ); s. auch Vwv III zu § 1. § 10 Abs. 4 der StVO 1937 enthielt den ausdrücklichen Hinweis, daß Schienenfahrzeugen zwar grundsätzlich rechts auszuweichen ist, links aber, wenn der Raum zwischen Schienenfahrzeug und Fahrbahnrand dies nicht zuläßt. Die neue StVO enthält keine Vorschriften über das Ausweichen, weil sich die grundsätzliche Pflicht, rechts auszuweichen, ohne weiteres aus dem Rechtfahrgebot ergibt. Wenn einer entgegenkommenden Schienenbahn nicht rechts ausgewichen werden kann, weil die Schienen zu nahe am Fahrbahnrand liegen, dann muß natürlich auch nach geltendem Recht links ausgewichen werden. Da Rechtsausweichen auch gegenüber entgegenkommenden Schienenfahrzeugen die Regel ist, verpflichtet das ausnahmsweise zulässige Linksausweidien zu besonderer Sorgfalt. Mit dem Linksausweichen muß so rechtzeitig begonnen werden, daß es ohne Gefährdung der Straßenbahn beendet werden kann. Auf Fahrbahnen f ü r eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge „auch" links überholt werden; gemeint ist: sie dürfen rechts und links überholt werden, (wie dies : n § 10 Abs. 4 S. 2 der StVO 1937 deutlicher gesagt worden war). Fraglich ist, ob damit eine Ausnahme vom Rechtsfahrgebot zugelassen werden sollte. Das ist aber wohl zu verneinen. Ist rechts neben einer Schienenbahn genügend Platz zum Oberholen und ist die Durchfahrt frei von sonstigem Verkehr, dann wird das Rechtsfahrgebot dazu zwingen, rechts zu überholen. N u r wenn die Durchfahrt durch andere Verkehrsteilnehmer verstopft ist, wird hier links überholt werden dürfen, während dies in Straßen mit Gegenverkehr auf keinen Fall zulässig ist. Andere Fahrzeuge als Schienenbahnen dürfen dagegen auch auf Straßen f ü r eine Richtung grundsätzlich nur links überholt werden 245 ). Zwar sagt III dor Vwv zu Z. 220 (Einbahnstraße), daß Straßenbahnverkehr in beiden Richtungen auf der Fahrhahn im Sinne und Zwedc von Einbahnstraßen nicht zu vereinbaren sei. Trotzdem wird mindestens f ü r eine gewisse Übergangszeit noch mit solchen Einbahnstraßen mit Gegenverkehr von Straßenbahnen zu rechnen sein. Früher war die Frage bestritten, ob die Zulassung von Gegenverkehr f ü r bestimmte Fahrzeugarten die Bestimmung einer Straße zur Einbahnstraße ausschließt 246 ). Der B G H hatte die Meinung vertreten, Abschnitt A III Abs. 4 a der Anlage zur StVO 1937 habe die Verkehrsbehörden ermächtigt, auf „Einbahnstraßen" den Verkehr von Straßenbahnen aus beiden Richtungen zuzulassen. Darnach galten f ü r ihre Benutzung grundsätzlich die f ü r Einbahnstraßen gegebenen Sondervorschriften der StVO. Die Kraftfahrer waren aber verpflichtet, dem Gegenverkehr der Straßenbahn Rechnung zu tragen und ihr Fahrverhalten so einzurichten, daß 244 245 246
) VkBl. 70, 832. ) RVM 13. 5. 36, RVerkBl. B 217. ) Bejahend frühere Auflagen dieses Kommentars; Bremen 5. 6. 57, DAR 58, 26; Guelde
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„Einbahnstraße", DAR 51, 137, a. M. HessV G H 6. 10. 55, DVB1. 57, 870; BayObLG VorlegungsbeschluiS vom 20. 2. 61, N J W 61, 576 = VRS 20, 302.
StVO
Ü b e r h o l e n v o n Schienenfahrzeugen weder der Straßenbahnbetireb wurde 2 4 7 ).
noch der übrige Straßenverkehr
gefährdet oder
§ 5 gestört
D a der einzelne Verkehrsteilnehmer meist nicht wußte, ob die Voraussetzungen f ü r die Zulassung einer solchen „unechten" Einbahnstraße vorgelegen hatten, fanden nach allgemeinen G r u n d s ä t z e n die Sondervorschriften f ü r Einbahnstraßen auch dann A n w e n d u n g , wenn der Gegenverkehr der Straßenbahn nicht hätte zugelassen werden sollen 2 4 8 ). Zusammenfassung: a) Ausweichen v o r entgegenkommenden
Schienenfahrzeugen
R e g e l : Rechts ausweichen Ausnahmen:
1. Links ausweichen, wenn der R a u m zwischen Schienenfahrzeug und F a h r b a h n r a n d z u m Rechtsausweichen zu gering ist. 2. Rechts oder links ausweichen in „unechten" Einbahnstraßen (bei G e genverkehr einer Schienenbahn).
b) U b e r h o l e n v o n Schienenfahrzeugen R e g e l : Rechts überholen (im Gegensatz zur allgemeinen Regel des Linksüberholens) Ausnahmen:
1. Links überholen wie bei a) 1) 2. Rechts oder links überholen in Einbahnstraßen
c) Vorbeifahren an haltenden Schienenfahrzeugen R e g e l : Rechts v o r b e i f a h r e n Ausnahmen:
1. L i n k s v o r b e i f a h r e n wie bei a) 1) 2. Rechts oder links vorbeifahren in Einbahnstraßen.
C . Bußgeldvorschrift und K o n k u r r e n z e n Wer gegen die in § 5 enthaltenen Überholvorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 5 ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G . N u r Abs. 5 S. 1 ist a u s g e n o m m e n : Wer das Ü b e r h o l e n innerhalb geschlossener Ortschaften durch Schall- oder Leuchtzeichen a n k ü n d i g t oder wer statt k u r z e , lange Schall- oder Leuchtzeichen gibt, begeht keine Ordnungswidrigkeit nach § 5 Abs. 5 S. 1. Allerdings handelt nach § 1 ordnungswidrig, wer durch nichterlaubte Schall- oder Leuchtzeichen einen der „ E r f o l g e " des § 1 verursacht. Es genügt, daß andere durch die Zeichen belästigt werden. Soweit E n t g e g e n k o m m e n d e durch Blinkzeichen geblendet werden, gilt Abs. 5 S. 2, der bußgeldbewehrt ist. Wer überholt, w o es durch Verkehrszeichen verboten ist (Abs. 3 N r . 2) verstößt gegen § 41 (vergl. § 49 Abs. 3 N r . 4). G e h ö r t z u m Tatbestand der einzelnen Fälle des § 5 die Behinderung anderer, geht § 5 als das speziellere Gesetz d e m § 1 v o r . D a s ist der Fall beim Nachrechtseinordnen nach Abschluß der Ü b e r h o l u n g (Abs. 4 S. 4), wenn dadurch der Ü b e r h o l t e behindert wird. D e r Führer eines langsameren Fahrzeugs, der unmittelbar folgenden Fahrzeugen nicht das Ü b e r holen ermöglicht (Abs. 6 S. 2), behindert diese u n z u m u t b a r . Die Behinderung ist daher T a t b e s t a n d s m e r k m a l . D a g e g e n gehört zu d e m nach Abs. 2 S. 1 verbotenen Ü b e r h o l e n tatbestandsmäßig nicht die Behinderung des Gegenverkehrs. Vielmehr handelt nach dieser Vorschrift schon ordnungswidrig, wer überholt, obwohl er nicht übersehen kann, ob Gegenverkehr behindert wird. Auch wenn im Einzelfall kein Gegenverkehr v o r h a n d e n ist, der behindert werden könnte, kann also der Tatbestand erfüllt sein. Wird Gegenverkehr tatsächlich behindert, dann fallen die Ordnungswidrigkeiten nach § 5 u n d nach § 1 tateinheitlich zusammen. Wird bei der A n k ü n d i g u n g des Überholens durch Blinkzeichen m i t Fernlicht der e n t g e g e n k o m m e n d e F a h r z e u g f ü h r e r geblendet, dann gehört die darin liegende G e f ä h r d u n g oder Belästigung z u m Tatbestand der O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach Abs. 5 S. 2. 247
) BGHSt. 16, 133 (21. 6. 61) = DAR 61, 281 = N J W 61, 1779 = MDR 61, 953 = VRS 21, 228.
24
«) BayObLG 25. 10. 61, VRS 22, 226 = VerkMitt. 62, 4.
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§5
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StVO
D i e Möglichkeit einer Blendung reicht nicht aus. Wer leichtsinnig blinkt, o b w o h l dadurch E n t g e g e n k o m m e n d e geblendet werden können, w i r d nicht verfolgt, wenn keine Blendung eintritt. Soweit Rechtsgrundsätze, die f ü r das Ü b e r h o l e n gelten, i m T a t b e s t a n d des § 5 nicht ausdrücklich a u f g e f ü h r t sind, k a n n ihre Verletzung wie bisher als Verletzung der G r u n d regel des § 1 v e r f o l g t werden, falls ein schädlicher E r f o l g i. S. des § 1 herbeigeführt wurde. S o k a n n im Ü b e r h o l e n m i t ungenügendem seitlichen Sicherheitsabstand oder im zu nahen A u f h o l e n v o r d e m Ausscheren auf die Ü b e r h o l s p u r eine O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 1 liegen, wenn der zu Ü b e r h o l e n d e gefährdet oder auch nur behindert oder belästigt wird. Wer unzulässigerweise rechts „ ü b e r h o l t " , verstößt nur dann gegen § 5 Abs. 1, wenn dies auf der F a h r b a h n geschieht. Z u r Frage, was zur F a h r b a h n gehört vergl. § 2 R N r . 4. D a r nach gehören z w a r die Beschleunigungs- u n d Verzögerungsstreifen sowie die Abbiege- und Kriechspuren zur Fahrbahn, nicht aber die Seitenstreifen u n d Mehrzweckstreifen. Wer u n b e f u g t auf Seitenstreifen oder Mehrzweckstreifen rechts überholt, macht sich deshalb einer O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 2 Abs. 1 schuldig 2 4 9 ), dagegen fällt das unzulässige Rechtsüberholen auf Kriechspuren unter § 5 Abs. 1. D a s war früher insofern anders, als nach § 10 A b s . 3 ausdrücklich jeder f ü r n u r eine Verkehrsart bestimmter Weg, also auch die f ü r schwere Fahrzeuge bestimmten Kriechspuren beim Ü b e r h o l e n als selbständige Straßen galten 2 5 0 ). (Zu beachten ist, daß f ü r Beschleunigungsstreifen, die zur F a h r b a h n gehören, n u n die A u s n a h m e des § 42 Abs. 6 N r . 1 e) gilt: auf ihnen darf rechts überholt werden). Wann eine O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach Abs. 1 vollendet ist, k a n n fraglich sein. Wer v o n der N o r m a l s p u r etwas nach links ausschert, u m sich zu vergewissern, daß jede Behinderung des Gegenverkehrs i m Falle einer Ü b e r h o l u n g ausgeschlossen ist, überholt noch nicht 2 5 1 ). Schert er z u m Ü b e r h o l e n aus m i t d e m Vorbehalt, sich sogleich wieder hinter das zu überholende Fahrzeug auf der N o r m a l s p u r einzuordnen, wenn Gegenverkehr auftaucht, ist die Ü b e r h o l u n g , solange i h m die R ü c k k e h r auf die N o r m a l s p u r ohne weiteres möglich ist, allenfalls versucht, aber nicht vollendet. Anders, wenn er auf die linke Fahrbahnseite ausschert, obwohl er diese wegen geringer Sichtweite beim Auftauchen v o n Gegenverkehr nicht mehr rechtzeitig räumen k a n n . In diesem Fall hat das B a y O b L G m i t Recht Vollend u n g angenommen 2 5 2 ). Reicht die zur V e r f ü g u n g stehende Überholstrecke z u m sicheren Ü b e r h o l e n nur aus, wenn die zulässige Geschwindigkeit überschritten wird, dann verstößt der Ü b e r h o l e r nicht gegen § 5 Abs. 2, sondern nur gegen die Geschwindigkeitsvorschriften. F ü r die Frage, ob die Folgen einer unzulässigen Ü b e r h o l u n g voraussehbar waren, ist auf den Z e i t p u n k t des Beginnes der Ü b e r h o l u n g abzustellen. Deshalb ist f ü r den, der v o r einer unübersichtlichen K u r v e zur Ü b e r h o l u n g einer Fahrzeugreihe ansetzt, die G e f ä h r d u n g eines E n t g e g e n k o m m e n d e n auch dann voraussehbar, wenn dieser erst hinter der K u r v e auf der wieder übersichtlichen Strecke unter Verletzung des Vorfahrtsrechts des Uberholers in die Straße eingefahren ist 2 5 3 ). Für denjenigen, der durch eine unzulässige Ü b e r h o l u n g entgeg e n k o m m e n d e , schnell fahrende K r a f t f a h r z e u g e gefährdet, ist voraussehbar, daß auch ein Nachfolgender, der aus hoher Geschwindigkeit heraus plötzlich bremsen muß, zu Schaden k o m m e n kann 2 5 4 ). Dagegen ist f ü r den, der überholt, o b w o h l der Geschwindigkeitsunterschied z u gering ist, nicht ohne weiteres voraussehbar, daß ein Nachfolgender auf ihn auffährt 2 5 5 ). ) A. M. für die frühere Rechtslage Frankfurt 23. 6. 65, N J W 65, 1775. 2 5 S o für die frühere Rechtslage Hamm 16. 10. 67, DAR 68, 55. 251) Celle 27. 2. 59, VerkMitt. 59, 32. 2 5 2 ) BayObLGSt. 67, 132 (26. 7. 67) = DAR 68, 22 = MDR 68, 258 = VerkMitt. 68, 4 = VRS 34, 106 = DRspr. II (292) 84 e. 249
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25S 254 255
) BayObLG 5. 4. 67, 1 b St 388/1966. ) BayObLG 31. 5. 67, 1 a St 80/1967. ) BayObLGSt. 61, 14 (18. 1. 61) = N J W 61, 1078 = DAR 61, 204 = VerkMitt. 61, 19 = VkBl. 61, 307.
Überholen: Bußgeldvorschrift
StVO
§ § 5 , 6
Werden im Zuge einer unzulässigen Überholung mehrere Vorschriften verletzt, so darf das Gesamtverhalten bei Prüfung der Frage nach der Ursächlichkeit der in ihm enthaltenen einzelnen Verkehrsübertretungen und der Voraussehbarkeit ihrer Eignung zur Herbeiführung eines Unfalles nicht zerrissen werden 256 ). Wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt oder sonst bei Uberholvorgängen falsdi fährt und dadurch Leib und Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, macht sich eines Vergehens der Straßenverkehrsgefährdung schuldig (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB). Wegen eines Vergehens der Nötigung (§ 240 StGB) kann sich zu verantworten haben, wer absichtlich langsam in der Straßenmitte fährt, um auf längerer Strecke das Uberholen eines schnelleren Hintermannes zu verhindern 257 ), wer den Überholten absichtlidi schneidet 258 ), aber auch wer einen vor ihm auf der Überholbahn Fahrenden unter Schall- und Lichtzeichen durch nahes Aufschließen von der Überholbahn verdrängt 2 5 9 ). D o d i ist an das Tatbestandsmerkmal der Verwerflichkeit ein strenger Maßstab anzulegen 2 ' 0 ). Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 b kann mit Nötigung zusammenfallen, wenn der Täter auf der BAB mehrmals unzulässigerweise rechts überholt und dann in geringe Lücken auf der Überholbahn einschert, wobei er den überholten schneidet und zu scharfem Bremsen zwingt 2 6 1 ), oder auch wenn der Vorausfahrende durdi das nahe Aufholen gefährdet wird 2 6 2 ). Soweit der Tatbestand eines Vergehens erfüllt ist, tritt eine damit in Tateinheit stehende Ordnungswidrigkeit nach § 5 grundsätzlich zurück (§ 17 Abs. 1 OWiG). Zwischen § 315 c StGB und § 5 mit § 24 StVO besteht Gesetzeskonkurrenz. § 315 c StGB geht als das speziellere Gesetz vor.
§ 6
Vorbeifahren Wer an einem haltenden Fahrzeug, einer Absperrung oder einem sonstigen Hindernis auf der Fahrbahn links vorbeifahren will, muß entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Muß er ausscheren, so hat er auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und das Aussdieren — wie beim Überholen — anzukündigen. Übersicht I. Amtliche Begründung Vorbemerkung II. Inhalt der Vorschrift 1. Verhältnis zu den Überholvorschriften 2. „Hindernisse" auf der Fahrbahn 3. Pflichten des Vorbeifahrenden
RNr. 1
2 3-7 3 4 5-6
a) gegenüber dem Gegenverkehr b) gegenüber dem nachfolgenden Verkehr 4. Pflichten des Gegenverkehrs und des nachfolgenden Verkehrs I I I . Bußgeldvorschrift
RNr. 5 6 7
I. Amtliche Begründung Die Vorschrift ist neu. Sie bringt die Lösung der Frage, welcher Verkehrsrichtung der Vorrang gebührt, wenn die Fahrbahn durch ein Hindernis vorübergehend verengt ist. Sie gibt den Vorrang derjenigen Verkehrsriditung, deren Fahrstreifen frei ist. Diese Lösung entspricht der einhelligen Verkehrsübung, übrigens auch in anderen europäischen Ländern. Diese Verkehrsübung zu legalisieren, er) B G H 4. 7. 57, V R S 13, 225. » « ) B G H S t . 18, 389 (Beschluß v. 19. 6. 63) = D A R 63, 308 = M D R 63, 860 = N J W 63, 1629 = VerkMitt. 63, 57 = V R S 25, 117; ähnlich B G H S t . 15, 390 (19. 6. 63) = N J W 63, 1629 = M D R 63, 860 = V R S 25, 117 = VerkMitt. 63, 57. 2 5 8 ) K G 7. 11. 68, D A R 69, 81 = V R S 36, 105. 256
») B G H S t . 19, 263 (4. 3. 64) = N J W 64, 1426 = M D R 64, 519 = V R S 26, 358 vgl. dazu H . W. Schmidt, „Nötigung beim Überholen auf der Autobahn", D A R 62, 351. 2 6 0 ) H a m b u r g 13. 2. 68, VerkMitt. 69, 13. 2 6 1 ) Düsseldorf 27. 11. 69, VerkMitt. 70, 76. 2 6 2 ) Celle 6. 11. 69, V R S 38, 431. 25
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scheint um so dringlicher, als die Verkehrsübung bei dauernder (baulidier) Verengung der Fahrbahn ebenso einhellig dem den Vorrang gewährt, der zuerst den Engpaß erreicht h a t ; der dadurch gegebene Anreiz zur Beschleunigung wird so den Beteiligten für die übergroße Zahl der Begegnungsfälle genommen. Der erwähnte Fall der Begegnung vor einer dauernden Fahrbahnverengung wird nicht ausdrücklich behandelt; dieser Fall ist auch in der S t V O (alt) nicht geregelt und hat bisher in der Praxis noch zu keinen Zweifeln Anlaß gegeben. Weshalb das Vorbeifahren an einem Hindernis im Ansdiluß an das Überholen behandelt wird, bedarf einer kurzen Begründung. Beiden Fällen ist zunächst gemeinsam die häufige Frage der Benutzung der Fahrbahnhälfte für den Gegenverkehr. Die strengen Normen für die Zulässigkeit des Überholens dürfen nicht auf das Vorbeifahren übertragen werden. Es ist einem, der überholen will, durchaus zuzumuten, so lange davon abzusehen, wie er nicht den erforderlichen Überblick hat, nicht aber dem, der gezwungen ist, zur Vorbeifahrt auf die andere Fahrbahnhälfte auszuweichen. D a ß der Vorbeifahrende sich im übrigen wie der Überholende zu verhalten hat, ist in Satz 2 ausdrücklich gesagt.
2
Vorbemerkung Der in § 6 erstmals ausdrücklich geregelte Fall ist ein Unterfall der Begegnung in enger Straßenstelle. Hierzu hat die Rechtsprechung aus § 1 zahlreiche Rechtsgrundsätze erarbeitet. Da trotz der neuen Vorschrift das Schwergewicht nach wie vor bei diesen Grundsätzen liegt, wurde die Begegnung in einer Engstelle bei § 1 umfassend behandelt: § 1 R N r . 81—85 (Allgemeines zur Begegnung), R N r . 101—111 (Begegnung in Engstellen) 1 ). Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Die neue Vorschrift enthält nichts Neues. Auch bisher schon wurde nach allgemeiner Übung und nach der Rechtsprechung zu § 1 bei einer Begegnung in einer vorübergehenden Engstelle demjenigen die Wartepflicht auferlegt, auf dessen Fahrbahnseite sich das Hindernis befand; vgl. insbes. § 1 R N r . 107. Auch insofern hat sich nichts geändert, als auch zum Tatbestand des § 6 eine konkrete Behinderung des Gegenverkehrs gehört. II. Inhalt der Vorschrift
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1. Verhältnis zu den Überholvorsdiriften Wie die Vwv zu § 5 und § 6 (s. bei § 5) ausdrücklich hervorhebt, wird an Teilnehmern des Fahrbahnverkehrs, die sich in der gleichen Richtung weiter bewegen wollen, aber warten müssen, nicht vorbeigefahren; sie werden überholt. Wer durch die Verkehrslage oder durch eine Anordnung aufgehalten ist, der wartet. „Vorbeigefahren" wird an allen übrigen stehenden Verkehrsteilnehmern, aber auch an sonstigen Hindernissen, die sich auf der Fahrbahn befinden. Die Regeln für das Vorbeifahren sind den Uberholregeln zwar ähnlich, auch hier hat der Gegenverkehr den Vortritt und beim Ausscheren ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Die übrigen Uberholregeln gelten aber nicht: Es gibt kein allgemeines Gebot, links vorbeizufahren. Auch wer nicht übersehen kann, ob während der Vorbeifahrt jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist, darf vorbeifahren, solange kein Gegenverkehr auftaucht. Die Vorbeifahrt bei unklarer Verkehrslage ist nicht schlechthin unzulässig. Ein Überholverbot steht dem Vorbeifahren nicht entgegen. Die übrigen Spezialvorschriften für das Überholen sind beim Vorbeifahren gegenstandslos. Da derjenige der „wartet" überholt wird, kann, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob das haltende Fahrzeug „wartet", für den von hinten Herankommenden zweifelhaft sein, ob er überholt oder vorbeifährt. In solchen Fällen muß der Vorbeifahrende von der für ihn ungünstigeren Möglichkeit ausgehen, daß es sich um ein wartendes Fahrzeug handelt, daß er also überholt. An Fahrzeugen, die am Fahrbahnrand stehen, aber anfahren wollen, wird vorbeigefahren. Wenn das haltende Fahrzeug während der Vorbeifahrt anfährt, wird aus dem Vorbeifahren kein Überholen.
4
2. Hindernisse auf der Fahrbahn Zwar nicht aus dem Gesetzestext, wohl aber aus der amtlichen Begründung, geht hervor, daß der Gesetzgeber in § 6 nur den Fall im Auge hat, daß ein vorübergehendes Hin*) Vgl. auch Mühlhaus »Der Begegnungsverkehr in der oberst-richterlichen Rechtsprechung", D A R 65, 321.
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„Vorbeifahren" und „Überholen"; Pflichten
StVO
§6
dernis umfahren wird. Zu denken ist neben den im Gesetz aufgefährten Beispielen an Schneeverwehungen, umgestürzte Bäume, Felsbrocken und dergl. Wird bei Bauarbeiten an der Straße ein Teil der Fahrbahn auf längere Zeit unbefahrbar, dann geht diesem Teil der Charakter des öffentlichen Verkehrsgrundes verloren. In einem solchen Fall kommt ein Vorrecht des Gegenverkehrs nicht in Frage. Vielmehr gelten, soweit nicht eine Verkehrsregelung durch Verkehrs- oder Liditzeichen stattfindet, die Grundsätze für das Befahren von Dauerengstellen; den Vortritt hat, wer die Engstelle zuerst erreicht (s. § 1 R N r . 103— 106). Allerdings wird auch in solchen Fällen die Engstelle häufig durch „Absperrungen" angezeigt werden, an solche Absperrungen hat aber der Gesetzgeber offensichtlich nicht gedacht. § 6 spricht von Hindernissen, an denen ein Kraftfahrer links vorbeifahren will. Diese Formulierung erweckt den Anschein, als stünde es im Belieben des Vorbeifahrenden, ob er links oder rechts vorbeifahren soll. Das kann aber nicht zutreffen. Das Rechtsfahrgebot des § 2 gilt auch beim Vorbeifahren, d. h. wer an einem Hindernis auf der Fahrbahn rechts vorbeifahren kann, muß rechts vorbeifahren. N u r wenn das nicht möglich ist, weil der Zwischenraum zwischen dem Hindernis und dem Fahrbahnrand zu gering ist, darf links vorbeigefahren werden. Insofern unterscheidet sich das Vorbeifahren vom Überholen. Es gibt keine dem § 5 Abs. 1 entsprechende Pflicht, links vorbeizufahren. Wird an einem Hindernis, weil dies möglich ist, pflichtgemäß rechts vorbeigefahren, dann gilt § 6 nicht. Außer der allgemeinen Sorgfaltspflicht hat der Vorbeifahrende dann keine besonderen Pflichten 2 ). Der Sinn des § 6 Abs. 1 ist daher etwa folgender: „Wer an einem vorübergehenden Hindernis auf der Fahrbahn nur links vorbeifahren kann, muß Befinden sich an beiden Fahrbahnrändern Hindernisse, dann ist § 6 nicht anwendbar. Sich begegnende Fahrzeuge müssen, falls der Raum zu einer gefahrlosen Begegnung nicht ausreicht, die Begegnung nach den Grundsätzen für das Befahren von Dauerengstellen durchführen; (s. § 1 R N r . 108). 3. Pflichten des Vorbeifahrenden a) gegenüber dem Gegenverkehr
5
Der Vorbeifahrende muß entgegenkommende Fahrzeuge „durchfahren" lassen. Die Vorschrift hat nur dann Bedeutung, wenn der Zwischenraum zwischen dem Hindernis und dem linken Fahrbahnrand zu einer gefahrlosen Begegnung nicht ausreicht, wenn also durch das Hindernis eine Engstelle gebildet wird oder wenn die Durchfahrt zwar für die Begegnung ausreichen würde, der Vorbeifahrende aber nicht soweit rechts fährt, als ihm zuzumuten ist 3 ). Kann während der Begegnung sowohl zwischen dem Vorbeifahrenden und dem Hindernis wie zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen ein ausreichender seitlicher Sicherheitsabstand eingehalten werden (im Normalfall etwa 50 cm — 1 m, in besonderen Fällen aber auch mehr; s. § 1 R N r . 69) und bleibt auch dem entgegenkommenden Fahrzeug dann noch ein ausreichender Sicherheitsabstand zu seinem rechten Fahrbahnrand, dann müssen sich die begegnenden Fahrzeuge in den zur Verfügung stehenden Raum teilen; der an dem Hindernis Vorbeifahrende darf dabei auch die Gegenfahrbahn mitbenutzen. Nicht nur der Vorbeifahrende, sondern auch der Entgegenkommende muß sich auf die Begegnung einrichten und soweit als möglich nach rechts ausweichen. Das Gebot des § 6, entgegenkommende Fahrzeuge „durchfahren" zu lassen, bedeutet also nicht, daß diese unter Verletzung des Rechtsfahrgebotes beliebig weit links fahren dürfen. Es ist nicht so wie bei der Vorfahrt (s. § 8 R N r . 13); die Wartepflicht besteht nicht gegenüber einem Entgegenkommenden, der pflichtwidrig nicht rechts fährt. Wird allerdings erkennbar, daß der Entgegenkommende nicht ausweicht, dann gelten die allgemeinen Regeln, der Vorbeifahrende muß sich auf das verkehrswidrige Verhalten des Entgegenkommenden einrichten. Diese Pflicht 2
) Vgl. Stuttgart 21. 11. 67, DAR 68, 161.
3
) BGH(Z) 7. 6. 66, VersR 66, 929. 321
21 S t V O + S t G B
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ergibt sich aber nicht aus § 6 sondern aus § 1. Das Vorrecht des Entgegenkommenden hat nur insofern Bedeutung, als von diesem nidit verlangt wird, daß er seine Geschwindigkeit herabsetzt, um weiter an den rechten Fahrbahnrand ausweichen zu können. Er darf seine Geschwindigkeit beibehalten, wenn sie im übrigen zulässig ist und braucht nur soweit nach rechts auszuweichen, als bei dieser Geschwindigkeit zumutbar ist. Reicht die Durchfahrt zwischen dem Hindernis und dem linken Fahrbahnrand zu einer gefahrlosen Begegnung nicht aus, oder ist es auch nur zweifelhaft, ob sie ausreicht, dann muß der die Vorbeifahrt Beabsichtigende das entgegenkommende Fahrzeug durchfahren lassen. Das kann nur in der Weise geschehen, daß er selbst anhält, bevor er zum Vorbeifahren ausschert. Besondere Vorsicht ist an unübersichtlichen Engstellen geboten. Obwohl hier eine gewisse Behinderung des zunächst nicht sichtbaren Gegenverkehrs häufig nidit ausgeschlossen ist, ist die Vorbeifahrt nicht schlechthin verboten. Sie muß aber mit besonderer Vorsicht durchgeführt werden (s. § 1 R N r . 109). Im Gegensatz zur Begegnung an einer Dauerengstelle (s. § 1 R N r . 103—106) kommt es bei der durdi ein vorübergehendes Hindernis gebildeten Engstelle darauf nicht entscheidend an, wer die Engstelle zuerst erreicht. Auch wenn der zum Umfahren des Hindernisses Ausscherende dieses vor dem Entgegenkommenden erreicht, muß er warten, es sei denn, der Entgegenkommende wäre noch so weit entfernt, daß der das Hindernis Umfahrende die Engstelle mit Sicherheit rechtzeitig wieder räumen könnte, bevor der Entgegenkommende sie erreicht. Im Zweifel muß er warten. 6
b) Pflichten des Vorbeifahrenden gegenüber dem nachfolgenden Verkehr Die Pflichten des an einem Hindernis links Vorbeifahrenden gegenüber nachfolgenden Fahrzeugen sind die gleichen wie die des Überholers; (§ 5 R N r . 25—28). Er muß auf den nachfolgenden Verkehr „achten" und das Aussdieren ankündigen. Zwar wird es für Nachfolgende meist offenkundig sein, daß ein Fahrzeug, das sich in zügiger Fahrt einem Hindernis am rechten Fahrbahnrand von hinten nähert, gezwungen ist, auszuscheren, um an dem Hindernis vorbeifahren zu können. Da aber mit vorübergehender Unaufmerksamkeit Nachfolgender gerechnet werden muß, auch die Sicht für diese behindert sein kann, hat der Gesetzgeber dem zur Vorbeifahrt Ausscherenden insoweit die gleichen Pflichten auferlegt wie dem Uberholer. Auf den nachfolgenden Verkehr „achten", also zurückschauen, muß er unmittelbar vor dem Ausscheren, auch wenn er zunächst hinter dem Hindernis anhalten mußte. „Anzeigen" muß er das Ausscheren rechtzeitig, d. h. in solchem Abstand vor dem Hindernis, daß sich der nachfolgende Verkehr darauf einrichten kann. Die verschärfte Sorgfaltspflicht gegenüber Nachfolgenden, wie sie § 18 Abs. 4 auf Autobahnen dem Überholer auferlegt, gilt für das Vorbeifahren nicht. Der zur Vorbeifahrt Entschlossene muß das Ausscheren zurückstellen, falls sonst ein im Überholen begriffener Nachfolgender gefährdet würde. Dagegen darf auch hier eine bloße Behinderung des Nachfolgenden in Kauf genommen werden, da dieser gegenüber dem Ausscherenden nicht den Vortritt beanspruchen kann; (§ 5 R N r . 25). Das gilt hier um so mehr, als die Verkehrslage für den Überholer dadurch unklar werden kann, daß der zu Überholende sich einem Hindernis auf seiner Fahrbahn nähert, an dem er ohne Ausscheren nach links nicht vorbeikommen kann; (s. § 5 R N r . 14). Die Überholung kann in diesem Fall sogar nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 unzulässig werden. Darauf, daß der nachfolgende Überholer die Überholung von sich aus abbrechen werde, darf der zum Vorbeifahren Ausscherende keinesfalls vertrauen, selbst dann nicht, wenn er sein Ausscheren pflichtgemäß rechtzeitig angezeigt hat 4 ). Muß sich der der Engstelle Nähernde darauf einstellen, daß er vor dem Hindernis wegen Gegenverkehrs anhalten muß, dann muß er § 4 Abs. 1 S. 2 beachten. Er muß schon rechtzeitig mit dem Bremsen beginnen, um nidit zu starkem Bremsen gezwungen zu werden. 4
) So schon bei der früheren Rechtslage Hamburg 13. 4. 66, VerkMitt. 66, 53.
322
Pflichten der Beteiligten
StVO
§6
Warten vor einem Hindernis mehrere Fahrzeuge, bis der Gegenverkehr durchgefahren ist, dann sollen sie, sobald die Durchfahrt frei wird, in der gleichen Reihenfolge an dem Hindernis vorbeifahren, in der sie gewartet haben. Hier steht jeweils demjenigen der Vortritt zu, der das Hindernis zuerst erreicht. 4. Pflichten des Gegenverkehrs und des nachfolgenden Verkehrs § 6 spricht nur von den Pflichten des Vorbeifahrenden. Aber wie immer ergeben sich aus der gegenseitigen Rücksichtspflicht auch für die Entgegenkommenden und Nachfolgenden Pflichten, sogar in höherem Maße als bei der Überholung. Denn während das Überholen von (mit angemessener Geschwindigkeit fahrenden) Fahrzeugen häufig ohne Schaden vermieden oder wenigstens zurückgestellt werden kann, hat der durch ein stehendes Hindernis in seiner Weiterfahrt Gehinderte ein berechtigtes Interesse daran, seine Fahrt fortsetzen zu können. Dieses Interesse müssen vor allem die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer berücksichtigen. Sie dürfen sich nicht vordrängen, sondern müssen dem den Vortritt einräumen, der das Hindernis vor ihnen erreicht 5 ). Sobald der Vorausfahrende das Riditungszeichen setzt, wird für sie die Überholung schlechthin unzulässig. Aber auch schon vorher kann die Verkehrslage unklar werden, wenn sie damit rechnen müssen, daß der Vorausfahrende zur Vorbeifahrt an dem Hindernis ausscheren wird. Entgegenkommende müssen dem Vorbeifahrenden die Vorbeifahrt erleichtern, indem sie rechtzeitig möglichst weit nach rechts ausweichen. Handelt es sich um eine echte Engstelle, an der eine Begegnung ausgeschlossen ist, dann müssen Entgegenkommende den zum Umfahren des Hindernisses Genötigten sorgfältig beobachten. Vor allem dann, wenn dieser zuerst an die Engstelle gelangt, während sie sich selbst noch in einiger Entfernung vor dem Hindernis befinden, müssen sie damit rechnen, daß der Entgegenkommende die Vorbeifahrt noch wagen wird. Der defensive Fahrer wird in einem solchen Fall, gleichgültig wie die Rechtslage nadi § 6 ist, dem anderen die Vorbeifahrt ermöglichen, indem er das Gas wegnimmt und gegebenenfalls etwas bremst. § 11 Abs. 2 ist auch in solchen Fällen zu beachten. Ist die Verkehrslage allerdings klar, erreichen die beiden sich begegnenden Fahrzeuge die Engstelle annähernd gleichzeitig, dann darf der Entgegenkommende darauf vertrauen, daß der zum Vorbeifahren an dem Hindernis Genötigte seiner Wartepflicht nach § 6 genügen wird. III. Bußgeldvorschrift Wer gegen die in § 6 entwickelten Vorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Zum Tatbestand des § 6 S. 1 gehört eine Behinderung des Gegenverkehrs. § 1 tritt hier insoweit zurück. Wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos das Vorrecht des Entgegenkommenden nicht beachtet und dadurch Leib und Leben des anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird nach § 315 c Abs. 2 a StGB zu bestrafen sein, weil das Vorrecht des Entgegenkommenden der „Vorfahrt" gleichzusetzen ist. Dagegen kommt die Anwendung des § 315 c Abs. 2 b nicht in Frage, weil der an einem Hindernis Vorbeifahrende nicht überholt. Wer allerdings an Fahrzeugen vorbeifährt, die vor einem Hindernis warten, um den Gegenverkehr durchfahren zu lassen, der überholt. Denn diese Fahrzeuge halten nicht im Sinne des § 6, sie sind fahrenden Fahrzeugen gleichzusetzen; (s. oben R N r . 3). Wer gegen § 6 verstößt, verstößt nicht gleichzeitig gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2, sowenig derjenige gegen das Rechtsfahrgebot verstößt, der unzulässig überholt. 5
) Vgl. für die frühere Rechtslage Düsseldorf 5. 9. 68, VerkMitt. 69, 13.
323 21 *
§7
Möhl
StVO § 7 Nebeneinanderfahren
Ist der Verkehr so dicht, daß sich auf den Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben, so darf rechts schneller als links gefahren werden. Dann darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist; nach rechts darf nur ausscheren, wer dort halten, nach rechts abbiegen oder einer durch Pfeile auf der Fahrbahn vorgeschriebenen Fahrtrichtung (Zeichen 297) folgen will. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Vwv
zu § 7:
I. Wo auch nur zu gewissen Tageszeiten mit Nebeneinanderfahren zu rechnen ist, empfiehlt es sidi, die f ü r den gleichgerichteten Verkehr bestimmten Fahrstreifen einzeln durch Leitlinien (Zeichen 340) zu markieren. Die Fahrstreifen müssen so breit sein, d a ß sicher nebeneinander gefahren werden kann. I I . Wo auf einer Straße mit mehreren markierten Fahrstreifen f ü r eine Richtung wegen ihrer baulichen Beschaffenheit nicht mehr wie bisher nebeneinander gefahren werden kann, dort ist durch geeignete Markierungen, Leiteinrichtungen oder dergleichen zu zeigen, welcher Fahrstreifen endet. Dabei ist eine Lösung anzustreben, die verständlich ist und den Verkehr möglichst wenig behindert. Auf Straßen mit schnellem Verkehr ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung in der Regel unerläßlich. Schrifttum Bouska: „Nebeneinanderfahren und Rechtsüberholen im Stadtverkehr", D A R 63, 123; „Rechtsüberholen nach der neuen S t V O " , D A R 71, 68. Breugst: „Das Spurenfahren de lege lata und de lege ferenda", D A R 61, 273. Maase: „Rechtsfragen beim mehrspurigen Fahren", D A R 60, 111. v. Nitsdo: „Der Wechsel der Fahrspur im mehrspurigen Verkehr", D A R 64, 257. Schmiemann: „Rechtsüberholen auf dreispurigen Autobahnen", D A R 69, 15. Wimmer: „Rechtsüberholen — in USA und bei uns", D A R 59, 1. Mühlhaus: „Der mehrspurige Verkehr nach der neuen StVO, V O R 72, 27. Übersicht RNr. I. Amtl. Begründung 1 II. Das Problem des „Nebeneinanderfahrens" 2 I I I . Inhalt des § 7 3-8 1. „Fahrzeugschlangen" 3 2. Rechts überholen 4 3. Pflichten beim Wechsel des Fahrstreifens 5
1
RNr. 4. Verbot des Rechtsausscherens 6-7 Regel (6), Ausnahmen (7) 5. Ankündigung des Fahrstreifenwechsels 8 IV. Übergang v o m mehrspurigen zum einspurigen Verkehr 9 V. Bußgeld Vorschrift und Konkurrenzen 10
I. Amtliche Begründung Die Vorschrift ist neu. Sie b e t r i f f t , wie schon die Überschrift sagt, lediglich den Fahrverkehr. Die ständige Zunahme des Verkehrs und der Ausbau des Straßennetzes haben es mit sich gebracht, d a ß auch in Deutschland das Fahren in Fahrstreifen nebeneinander zu einer alltäglichen Erscheinung geworden ist. In Zeiten des Stoßverkehrs der Großstädte, an Feiertagen sogar auch auf freier Strecke, auf gewissen Autobahnstredcen täglich, zwingt die Verkehrsdichte zu solcher Ausnutzung der ganzen Fahrbahnfläche. Aber auch in ruhigeren Zeiten scheinen breite Straßen, vor allem markierte Straßen dazu einzuladen. Der Gesetzgeber hat bisher nicht eingegriffen. Der Vorentwurf hatte vorsichtig tastend die Voraussetzungen des Nebeneinanderfahrens umrissen und wenige Verhaltensregeln f ü r diese A r t des Fahrens aufgestellt. Auch die C E M T war zunächst nicht weitergegangen. Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen. Im Verkehr haben sich bereits bestimmte Übungen entwickelt. Die Verkehrswissensdiaft hat sich des Phänomens angenommen und Untersuchungen vorgenommen. Das Weltabkommen löst das Problem so, wie § 7 es im Ergebnis tut. Zugunsten amerikanischer Staaten, in denen über die vorgesehene Regelung hinaus schon lange das „Spurhalten" (stay in lane) gilt und daher das Rechtsüberholen in noch größerem U m f a n g gestattet ist, eröffnet das Weltabkommen eine sehr weitgehende Erlaubnis, den Fahrstreifen zu wählen und auf ihm zu bleiben. Diese Erlaubnis ist in Europa nicht übernommen worden. D a es sich um Ausnahmen von Rechtsfahrgebot und Linksüberholgebot und um Beschränkungen des Fahrstreifenwechsels handelt, ist es zweckmäßig, die vorgesehenen Verhaltensregeln zu erörtern, bevor
324
StVO § 7
Nebeneinanderfahren
z u p r ü f e n ist, u n t e r welchen V o r a u s s e t z u n g e n diese A u s n a h m e n z u g e s t a t t e n u n d diese V e r b o t e b e rechtigt s i n d . D e r F a h r s t r e i f e n Wechsel w i r d b e s c h r ä n k t . Schon das V e r b o t , einen solchen v o r z u n e h m e n , w e n n eine G e f ä h r d u n g nicht ausgeschlossen ist, w i r d w e i t h i n das sichernde a m e r i k a n i s c h e G e b o t des s t a y in l a n e v e r w i r k l i c h e n . D a s a b s o l u t e V e r b o t , nach rechts zu wechseln, es sei d e n n , u m d o r t z u h a l t e n o d e r nach rechts a b z u b i e g e n o d e r einer durch P f e i l e vorgeschriebenen F a h r t r i c h t u n g z u f o l g e n , u n t e r b i n d e t eine b e s o n d e r s g e f ä h r l i c h e , l e i d e r h ä u f i g z u b e o b a c h t e n d e U n s i t t e , nämlich die des „ S p r i n g e n s " o d e r „ S c h w ä n z e i n s ' . D a s ist u m so d r i n g l i c h e r , als solch egozentrische K r a f t f a h r e r nicht n u r k e i n G e f ü h l d a f ü r z u h a b e n scheinen, d a ß d e r M a s s e n v e r k e h r d a s eigene V o r w ä r t s k o m m e n o h n e j e d e Rücksicht auf a n d e r e schlechthin v e r b i e t e t , s o n d e r n sich z u d e m , d i e a n d e r e n g e r a d e z u v e r h ö h n e n d , als b e s o n d e r s f l o t t e V e r k e h r s t e i l n e h m e r d ü n k e n . D i e V e r k e h r s ü b e r w a c h u n g w i r d dieser g r o b e n U n s i t t e i h r b e s o n d e r e s A u g e n m e r k schenken m ü s s e n . J e n e B e s c h r ä n k u n g des F a h r s t r e i f e n w e c h s e l s nach rechts u n t e r s t ü t z t z u d e m d i e T e n d e n z , sich, s o l a n g e es g e h t , möglichst w e i t rechts z u h a l t e n , w e i l m a n v o n d o r t aus die g r ö ß t e Bew e g u n g s f r e i h e i t auf d e r F a h r b a h n b e h ä l t . Als d i e z w e i V o r a u s s e t z u n g e n , u n t e r d e n e n die eben g e n a n n t e n R e g e l n f ü r d a s N e b e n e i n a n d e r f a h r e n gelten sollen, w e r d e n in d e m W e l t a b k o m m e n g e n a n n t : D e r V e r k e h r m u ß so dicht sein, d a ß sämtliche F a h r s t r e i f e n f ü r eine R i c h t u n g , also auch d e r a m m e i s t e n l i n k s liegende, den m a n auch Ü b e r h o l s t r e i f e n n e n n t , b e f a h r e n w e r d e n , u n d d i e F a h r z e u g e sollen sich a u f allen diesen F a h r s t r e i f e n in einem solch m ä ß i g e n A b s t a n d f o l g e n , d a ß die G e s c h w i n d i g k e i t d e r n a c h f o l g e n d e n F a h r z e u g e v o n d e r d e r v o r a u s f a h r e n d e n a b h ä n g t . D i e erste V o r a u s s e t z u n g w i r d u n e i n g e s c h r ä n k t ü b e r n o m m e n . D i e z w e i t e b e d a r f einer U m f o r m u l i e r u n g . U m f a s s e n d e U n t e r s u c h u n g e n d e r V e r k e h r s w i s s e n s c h a f t h a b e n ergeben, d a ß d i e G e s c h w i n d i g k e i t des n a c h f o l g e n d e n F a h r z e u g s schon d a n n v o n d e r des v o r a u s f a h r e n d e n b e e i n f l u ß t w e r d e n k a n n , w e n n dieses in einem zeitlichen A b s t a n d v o n 7 S e k u n d e n v o r a u s f ä h r t . Solch w e i t e A u s d e h n u n g n a m e n t l i c h des R e c h t s ü b e r h o l e n s u n t e r B e s c h r ä n k u n g e n des F a h r s t r e i f e n w e c h s e l s ist im W e l t a b k o m m e n nicht g e m e i n t . Es e r w e i s t sich also, d a ß d i e A b h ä n g i g k e i t d e r G e s c h w i n d i g k e i t eines nachf o l g e n d e n F a h r z e u g s v o n d e m des v o r a u s f a h r e n d e n sich nicht als K r i t e r i u m eignet. § 7 b e s c h r ä n k t desh a l b die R e g e l n des N e b e n e i n a n d e r f a h r e n s d a r a u f , d a ß sich bereits auf allen F a h r s t r e i f e n f ü r eine R i c h t u n g F a h r z e u g s c h l a n g e n g e b i l d e t h a b e n , d . h . d i e K r a f t f a h r z e u g e z w a r nicht S t o ß s t a n g e a n S t o ß s t a n g e f a h r e n müssen, a b e r j e d e n f a l l s nicht m i t e i n e m A b s t a n d , d e r den g e b o t e n e n S i c h e r h e i t s a b s t a n d wesentlich ü b e r s t e i g t . D a ß solche F a h r s t r e i f e n w e c h s e l w i e bei m i t wesentlichem Ausscheren v e r b u n d e n e m Ü b e r h o l e n (§ 5) a n z u k ü n d i g e n sind, ist angesichts d e r V e r k e h r s d i c h t e ein G e b o t d e r Sicherheit. Sieht m a n § 7 z u s a m m e n m i t d e r L o c k e r u n g des R e c h t s f a h r g e b o t s in § 2 Abs. 2 S a t z 2 u n d in d ) h i n t e r Zeichen 340 u n d m i t § 37 A b s . 2 N r . 5, d e r N e b e n e i n a n d e r f a h r e n d o r t , w o Lichtzeichen den V e r k e h r regeln, auch d a n n g e s t a t t e t , w e n n die V e r k e h r s d i c h t e das nicht r e c h t f e r t i g t , d a n n h a t d e r G e s e t z g e b e r w o h l d a s g e t r o f f e n , w a s sich als V e r k e h r s ü b u n g v e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t e r K r a f t f a h r e r bereits h e r a u s g e b i l d e t h a t . D e r M a s s e n v e r k e h r w i r d n u r i n s o w e i t r e g l e m e n t i e r t , als dies aus S i c h e r h e i t s g r ü n d e n n o t w e n d i g ist.
IL Das Problem des „Nebeneinanderfahrens"
2
D e r M a s s e n v e r k e h r b r a c h t e e s m i t sich, d a ß z u n e h m e n d a u c h i n E u r o p a b r e i t e
Straßen
m i t m e h r als 1 F a h r s t r e i f e n f ü r j e d e R i c h t u n g g e b a u t w u r d e n . F ü r d a s F a h r e n a u f Straßen passen die f ü r das Fahren auf Straßen m i t nur
1 Fahrstreifen in jeder
solchen
Riditung
geltenden R e g e l n n u r z u m Teil. Manche P r o b l e m e sind entgiftet, so die G e f ä h r d u n g des gegenverkehrs b e i m Ü b e r h o l e n , andere sind n e u entstanden. D i e Frage lautet: W i e k a n n m i t m e h r als e i n e m F a h r s t r e i f e n a u s g e s t a t t e t e F a h r b a h n a m b e s t e n a u s g e n u t z t w e r d e n , daß dabei die Sicherheit des Verkehrs leidet. D e r m i t d e m Bau mehrstreifiger
Fahrbahnen
v e r b u n d e n e e r h ö h t e A u f w a n d l o h n t sich ja n u r , w e n n d e r V o r t e i l d e r M e h r s p u r i g k e i t ausgenutzt
die
ohne auch
wird.
D i e v o l l e N u t z u n g des o d e r d e r l i n k e n F a h r s t r e i f e n ist i n n e r h a l b geschlossener O r t s c h a f ten n u r möglich, w e n n i n s o w e i t das strikte R e c h t s f a h r g e b o t gelockert w i r d . D e s h a l b
wird
i n § 2 A b s . 2 S. 2 e i n e A b w e i c h u n g v o n d i e s e m G e b o t z u g e l a s s e n , „ w e n n d i e V e r k e h r s d i c h t e d a s r e c h t f e r t i g t " (s. § 2 R N r . 2 5 ) . A u c h i m F a l l e d e s § 2 A b s . 2 S . 2 f a h r e n b e r e i t s z e u g e auf v e r s c h i e d e n e n Fahrstreifen n e b e n e i n a n d e r . D a s N e b e n e i n a n d e r f a h r e n i m
S i n n ist aber, w i e die Ü b e r s c h r i f t ü b e r § 7 beweist, ein anderer Fall: Erst w e n n die kehrsdichte
so stark z u g e n o m m e n
h a t , d a ß sich auf
allen Fahrstreifen f ü r eine
„Fahrzeugschlangen" gebildet haben, wird im Sinne der S t V O nebeneinander gefahren. n i c h t als Ü b e r h o l e n , s o n d e r n als „ r e c h t s s c h n e l l e r f a h r e n als l i n k s "
Ver-
Richtung
f ü r diesen Fall läßt der G e s e t z g e b e r das R e c h t s ü b e r h o l e n zu, das entsprechend d e m abkommen
Fahr-
engeren
Nur Welt-
bezeichnet
wird. D i e S c h w i e r i g k e i t e i n e r b e f r i e d i g e n d e n L ö s u n g des P r o b l e m s e r g a b sich f ü r d e n
Gesetz-
geber v o r allem daraus, daß z w e i v o n e i n a n d e r v ö l l i g verschiedene V e r k e h r s l a g e n durch eine
325
§7
StVO
Möhl
Vorschrift geregelt wurde: Das Nebeneinanderfahren auf Straßen mit Geschwindigkeitsbeschränkung, so vor allem auf Durchgangs- und Ringstraßen der Großstädte und das Nebeneinanderfahren auf Autobahnen und sonstigen mehrspurigen Schnellverkehrsstraßen. Ist die Geschwindigkeit auf 50 km/h (oder auch 60—70 km/h) beschränkt, dann verläuft der Verkehrsfluß relativ gleichmäßig. Solche Geschwindigkeit kann fast jeder Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug erreichen. Die normalerweise innerhalb geschlossener Ortschaften geltende Geschwindigkeit von 50 km/h wird sogar beinahe ausnahmslos etwas überschritten. In einem solchen Fall spielt das Überholen eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist nur, daß jeder Kraftfahrer sich frühzeitig den Fahrstreifen wählt, der für seine weiteren Absichten der vernünftigste ist und daß er dann auf diesem Streifen bleibt, auch wenn er vorübergehend seine Geschwindigkeit in Anpassung an einen vorausfahrenden Langsameren etwas herabsetzen muß. Bei den Schnellverkehrsstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften ist es anders: Die freie Wahl des Fahrstreifens kommt kaum in Frage, besonders wenn die Fahrbahn nur zwei Fahrstreifen für jede Richtung aufweist. Hier muß der Langsamere rechts fahren, damit die Schnelleren links überholen können. Im Gegensatz zum städtischen Verkehr sind die gefahrenen Geschwindigkeiten sehr unterschiedlich, schon deshalb, weil die Leistungsfähigkeit der am Verkehr teilnehmenden Fahrzeuge in Europa sehr verschieden ist. Hier hat das „stay in lane" keinen Sinn, das in Amerika nur deshalb möglich ist, weil dort die Geschwindigkeit allgemein beschränkt ist und die meisten Fahrzeuge mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fahren. Ein ständiger Wechsel von der Normalbahn auf die Überholbahn und wieder zurück auf die Normalbahn ist deshalb bei uns die Regel. Wenn die Fahrbahn völlig besetzt ist und auch auf der Überholbahn die Fahrzeuge in einer längeren Fahrzeugschlange fahren, wird allerdings das Uberholen einzelner Fahrzeuge ausgeschlossen. Weder die Ausnahme vom Rechtsfahrgebot noch die beschränkte Zulassung des Rechtsüberholens ist dann von größerer Bedeutung. Wichtig ist hier allerdings das Verbot des Rechtsüberholens beim Fahren in gelockerter Formation, das innerorts ohne Bedenken zugelassen werden könnte. Der Gesetzgeber war in seiner Entschließung nicht frei. Er war an die Beschlüsse der Cemt gebunden, die insoweit den weitergehenden Vorschlägen des Weltabkommens nicht gefolgt sind. Das Ergebnis ist nicht befriedigend und bleibt teilweise sogar hinter der tatsächlichen Verkehrsentwicklung und den Ergebnissen der Rechtsprechung zurück. Es ist zu hoffen, daß Verkehrsbehörden und Gerichte durch eine großzügige Auslegung der Begriffe „Verkehrsdichte" und „Fahrzeugschlangen" und des Rechtsausscherverbotes die Einschränkungen der bisherigen Verkehrsübung in Grenzen halten. Die bisherige Rechtsprechung zum mehrspurigen Verkehr hat durch die gesetzliche Regelung weitgehend ihre Bedeutung verloren. Es kann deshalb darauf verzichtet werden, sie hier im einzelnen aufzuführen. Lediglich solche richtungweisende Entscheidungen, die für die Auslegung der neuen Vorschrift noch von Bedeutung sein könnten, werden herangezogen. Die besonderen Probleme des paarweisen Abbiegens werden bei § 9 behandelt; s. dort R N r . 22, 27. I E . Inhalt des § 7 3
1. „Fahrzeugschlangen" (S. 1) Was eine Fahrzeugschlange ist, sagt das Gesetz nicht, doch gibt die amtliche Begründung Hinweise, was dem Gesetzgeber vorschwebt. Danach entstehen Fahrzeugschlangen, wenn die Kraftfahrzeuge zwar nicht Stoßstange an Stoßstange fahren (was übrigens nadi § 4 Abs. 1 verboten wäre!), aber jedenfalls nicht mit einem Abstand, der den gebotenen Sicherheitsabstand wesentlich übersteigt. Welcher Sicherheitsabstand geboten ist, sagt § 4 Abs. 1: Der Abstand muß so groß sein, daß auch dann hinter dem Vorausfahrenden gehalten werden kann, wenn dieser plötzlich bremst, also normalerweise etwas mehr als die bei der gefahrenen Geschwindigkeit in 1 sec. zurückgelegte Strecke oder allenfalls der halbe Tachoabstand (s. § 1 R N r . 55 f). Diese von der 326
Fahrzeugschlangen
StVO
§ 7
amtlichen Begründung vorgeschlagene Auslegung ist aber zu eng1). Würde man ihr folgen, dann wäre das in Satz 2 Halbsatz 2 des § 7 enthaltene Verbot des Ausscherens nach rechts sinnlos. Denn sobald rechts von dem zum Ausscheren Entschlossenen eine Lücke vorhanden ist, die das Einscheren ermöglicht, würden die dort fahrenden Fahrzeuge keine Fahrzeugschlange bilden; (der Abstand müßte ja in diesem Fall mindestens einem doppelten Normalabstand + der Länge des einscherenden Fahrzeugs entsprechen). Dann wäre aber das Rechtsausscheren erlaubt, weil § 2 Abs. 2 kein entsprechendes Verbot kennt. Allein aus dem Verbot des S. 2 Halbsatz 2 ergibt sich daher zwingend, daß auch dann, wenn zwischen hintereinander fahrenden Fahrzeugen ein Abstand eingehalten wird, der das Einsdieren eines Überholers zuläßt, also etwa der volle Tachoabstand, der Charakter einer Fahrzeugschlange noch nicht in Frage gestellt wird. Eine andere Frage ist die, wieviele Fahrzeuge zu einer Schlange gehören. Da die rechte Fahrzeugsdilange nur dann schneller fahren darf als die linke, wenn auf allen Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen fahren, ist diese Frage nicht unwichtig. Man wird etwa bei vier Fahrzeugen eine „Schlange" bejahen können. Man muß sidi aber darüber im klaren sein, daß nur dann, wenn auf allen Fahrstreifen für eine Richtung solche Schlangen nebeneinander herfahren, die Regeln des Nebeneinanderfahrens nach § 7 gelten. Gewinnt etwa eine solche Schlange gegenüber den anderen einen Vorsprung und befindet sich hinter ihr eine Lücke bis zu den nächsten Fahrzeugen, dann gelten bei kleinlicher Auslegung des § 7 die Regeln des § 7 solange nicht, als nicht die nächsten Fahrzeuge soweit aufgerückt sind, daß wieder drei Schlangen nebeneinander herfahren. Wenn eine Fahrzeugschlange abreißt, weil die vorderen Fahrzeuge schneller fahren als die hinteren, kann der Fall eintreten, daß sie sich vorübergehend in Einzelfahrzeuge auflöst. Auch in solchen Fällen ist es streng genommen nicht mehr zulässig, daß die vorausfahrenden Fahrzeuge eine links von ihnen fahrende Fahrzeugschlange rechts überholen, selbst wenn sie nur zu anderen vorausfahrenden Fahrzeugen auf ihrem Fahrstreifen aufschließen wollen. Der ständige Wechsel der anzuwendenden Vorschriften ist natürlich höchst unerwünscht. Man wird bei dichtem Verkehr auch dann einheitlich die Regeln des § 7 anzuwenden haben, wenn sich vorübergehend zwischen einzelnen Fahrzeugen oder Teilschlangen etwas größere Abstände gebildet haben als normalerweise für die Annahme einer Fahrzeugschlange noch vertretbar ist. Nur wenn eindeutig auf einem von mehreren Fahrstreifen keine Fahrzeugschlangen, sondern nur hin und wieder ein Einzelfahrzeug fährt, darf rechts nicht überholt werden. Dann ist aber u. Umst. auch eine Ausnahme vom Rechtsfahrgebot nicht vertretbar. Es zeigt sich, daß gegen die Regelung des mehrspurigen Fahrens in zwei getrennte Vorschriften Bedenken bestehen, zumal da zwischen dem Stadium des „dichten Verkehrs" und dem des Nebeneinanderfahrens von Fahrzeugschlangen ein häufiger Wechsel eintritt und oft unklar bleibt, welches Stadium erreicht ist. Eine kleinliche Auslegung der Vorschriften würde jedenfalls mehr Schaden als Nutzen bringen. 2. Rechts überholen (S. 1) Das Rechtsüberholen wird außer in § 7 in den beiden Fällen des § 5 Abs. 7 und weiter noch an vier anderen Stellen der StVO erlaubt (s. § 5 RNr. 41). Besondere Bedeutung kommt der in § 7 S. 1 zugelassenen Ausnahme vom Linksüberholgebot des § 5 Abs. 1 zu. Wichtig ist, daß nur dann rechts schneller als links gefahren werden darf, wenn der Verkehr so dicht ist, daß sich auf d e n Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben. Hat eine Fahrbahn nur zwei Fahrstreifen für eine Richtung, so müssen also auf beiden Fahrzeugschlangen fahren. Es genügt nicht, daß der linke Fahrstreifen mit einer Fahrzeugsdilange voll besetzt ist. Einzelne auf dem rechten Fahrstreifen fahrende FahrSo auch Mühlhaus 2. Aufl. Anm. 2 a zu § 7 S t V O ; Bouska, D A R 71, 69; audi Booß, Kommentar zu § 7 StVO ist in Anschluß an Celle 6. 11. 69, V R S 38, 431 der Ansicht, daß es dem Begriff der Fahrzeugsdilange
nicht entgegenstehe, wenn bei höherer Geschwindigkeit der Sicherheitsabstand zwischen den einzelnen Fahrzeugen großzügig bemessen wird.
§7
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zeuge dürfen die linke Fahrzeugschlange nicht rechts überholen. K o m m t die linke Fahrzeugschlange vorübergehend z u m H a l t e n , dann hängt es d a v o n ab, ob das H a l t e n durch die Verkehrslage oder eine A n o r d n u n g ( V w v zu §§ 5 und 6, abgedr. bei § 5) veranlaßt wurde, ob die Fahrzeugschlange also „ w a r t e t " oder ob aus einem sonstigen G r u n d gehalten wird. I m ersten Fall wird bei strenger Auslegung des § 7 auch der Verkehr auf dem rechten Fahrstreifen lahmgelegt, weil wartende Fahrzeuge „ ü b e r h o l t " werden und das Rechtsüberholen nicht erlaubt ist. N u r wenn auch auf d e m rechten Fahrstreifen eine Fahrzeugschlange fährt, darf diese weiterfahren. D i e bisherige Rechtsprechung w a r zu einem weit vernünftigeren Ergebnis gelangt: Gleichgültig w a r u m die linke Fahrzeugschlange z u m H a l t e n k a m , d u r f t e n auch einzelne Fahrzeuge rechts an ihr vorbeifahren u n d zu v o r a u s f a h r e n d e n F a h r zeugen aufschließen. Allerdings waren ihnen bes. Sorgfaltspflichten auferlegt. Sie d u r f t e n nicht m i t beliebiger Geschwindigkeit fahren. M i t dieser Einschränkung w u r d e sogar das Rechtsüberholen einer langsam fahrenden Fahrzeugschlange durch einzelne Fahrzeuge erlaubt 2 ). Nach der neuen Rechtslage wird diese Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden können. Allerdings erhebt sich die Frage, wie der Rechtsfahrende erkennen soll, w a r u m die linke Fahrzeugschlange hält. M u ß sie nämlich deshalb halten, weil weiter v o r n e eine Unfallstelle ist, dann ist schon fraglich, ob sie verkehrsbedingt „ w a r t e t " oder ob ein echtes „ H a l t e n " anzunehmen ist. Auch hier liegt die L ö s u n g in einer v e r n ü n f t i g e n A n w e n d u n g des Gesetzes. Wenn einzelne Fahrzeuge auf d e m rechten Streifen vorsichtig und langsam an einer haltenden Fahrzeugschlange entlang fahren, u m ihrerseits Anschluß an Fahrzeuge z u gewinnen, die auf dem rechten Fahrstreifen v o r ihnen fahren, dann wird kein vernünftiger Polizeibeamter einschreiten. H ä u f i g werden die auf der blockierten Spur wartenden F a h r zeuge selbst nach rechts auf die freie Spur ausscheren, u m v o r a n z u k o m m e n . D a s wäre ihnen bei strenger Auslegung der Vorschrift nicht erlaubt. H a t eine F a h r b a h n nur zwei Fahrstreifen f ü r eine Richtung, dann k a n n ein Benutzer des rechten Streifens ohne Schwierigkeit feststellen, ob sich auf d e m linken Streifen eine Fahrzeugschlange befindet. E r wird auch feststellen können, ob er selbst in einer Fahrzeugschlange fährt. Schwieriger wird es f ü r ihn, wenn in seiner Fahrtrichtung mehr als zwei Fahrstreifen v o r h a n d e n sind. Auch hier empfiehlt sich eine großzügige Auslegung des G e setzes. Fahren nebeneinander zwei Fahrzeugschlangen, dann sollte an die Dichte der Besetzung der übrigen Fahrstreifen keine allzu hohen A n f o r d e r u n g e n gestellt werden, schon deshalb, weil f ü r den Benutzer des rechten Streifens o f t schwer erkennbar sein wird, ob auf einem Fahrstreifen, der links neben der v o n i h m rechts überholten Fahrzeugschlange liegt, die Fahrzeuge so eng aufgeschlossen fahren, daß a u d i sie als Fahrzeugschlange gelten k ö n nen 3 ). Es ist auch nicht recht einzusehen, w a r u m bei Besetzung der beiden rechten F a h r streifen mit Fahrzeugschlangen die rechte dann schneller als die linke fahren darf, wenn auch auf einem dritten, links gelegenen Fahrstreifen eine Fahrzeugschlange f ä h r t , nicht aber wenn d o r t nur einzelne Fahrzeuge fahren. O b w o h l der Gesetzestext im Anschluß an das W e l t a b k o m m e n nicht v o n „ Ü b e r h o l e n " , sondern v o n „rechts schneller als links f a h r e n " spricht, handelt es sich u m ein normales Ü b e r h o l e n . D i e Überholvorschriften des § 5 sind allerdings nicht anwendbar, weil sie auf das Linksüberholen abgestellt sind. Wer nach Abschluß der Rechtsüberholung nach links in eine Lücke der dortigen Fahrzeugschlange einscheren will, darf freilich ebenso wie der nach n o r m a l e r L i n k s ü b e r h o l u n g nach rechts Einscherende den Nachfolgenden nicht behindern. F ü r den, der beim Nebeneinanderfahren im Sinne des § 7 links überholt, entfällt die Pflicht aus § 5 Abs. 3 Abs. 4 S. 3 sich sobald als möglich wieder nach rechts einzuordnen, selbst dann, wenn eine Lücke in der rechten Fahrzeugschlange dies zuließe. D e n n nach § 2 2
) U. a. BGHSt. 22, 137 (3. 5. 68) = DAR 68, 248 = N J W 68, 1533 mit Anm. v. Härtung = VerkMitt. 68, 67 = VRS 35, 141 = DRspr. II (292) 81 a-f; BayObLGSt. 64, 63 (6. 5. 64) = DAR 64, 253 = VerkMitt. 64, 62 = VRS 27, 227 = DRspr. II (292)
328
64 c; K G 15. 4. 65, VRS 29, 44; Köln 28. 5. 68, VRS 36, 131 = DRspr. II (291) 173 c; vgl. auch Hann 11. 4. 67, VRS 33, 142. 3 ) Vgl. zur Frage der Beobaditungsmöglidikeit BayObLG 10. 5. 61, DAR 61, 285.
Rechtsüberholen ; Fahrstreif enWechsel
StVO
§ 7
Abs. 2 S. 2 darf er vom Rechtsfahrgebot abweichen. Wieweit dem Rechtseinordnen nach einer Überholung § 7 Abs. 2 Halbsatz 2 entgegensteht, wird unter R N r . 6 erörtert werden. 3. Pflichten beim Wechsel des Fahrstreifens (S. 2) Die auf Straßen mit nur einem Fahrstreifen f ü r jede Richtung durch das Rechtsfahrgebot und die Uberholvorschriften erstrebte Sicherheit des Verkehrs kann beim mehrspurigen Verkehr allein durch eine dem amerikanischen Prinzip des „stay in lane" nachgebildete Einschränkung des Fahrstreifenwechsels erreicht werden. Der Fahrstreifen darf nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer „ausgeschlossen" ist. Mit dieser Wendung wird, wie an anderer Stelle, eine zusätzliche über das Normalmaß hinausgehende Vorsicht gefordert. Gerade in diesem Punkt zeigt sich der Unterschied der beiden durch § 7 geregelten Verkehrslagen deutlich. Bei beschränkter Geschwindigkeit innerhalb geschlossener O r t schaften kann ein gleichmäßiges Nebeneinanderfließen des Verkehrs auf den einzelnen Fahrstreifen erreicht werden, bei dem jeder Fahrstreifenwechsel nach Möglichkeit zu unterlassen ist. Selbst wenn sich noch keine Fahrzeugschlangen gebildet haben, wenn aber bei dichtem Verkehr nach § 2 Abs. 2 S. 2 jeder auf dem f ü r seine weiteren Absichten günstigsten Streifen fährt, sollte der Fahrstreifen normalerweise nicht gewechselt werden. Gerade dann, wenn die Geschwindigkeit der einzelnen Fahrzeuge noch nicht gezwungenermaßen der Geschwindigkeit der Fahrzeugschlange angepaßt ist, wird der Streifenwechsel gefährlich. Leider enthält § 2 keine entsprechende Vorschrift. Man wird aber beim Wechsel des Fahrstreifens im „dichten Verkehr" nach § 2 aus § 1 allgemein die Pflicht herleiten können, auf den nachfolgenden Verkehr zu achten 4 ) (s. § 1 R N r . 72). Die Frage, wann beim Fahrstreifenwechsel eine Gefährdung anderer „ausgeschlossen" ist, ist gleich zu beantworten wie beim Uberholen auf der Autobahn (s. § 18 R N r . 10; vgl. auch § 5 R N r . 26). Auch hier ist eine gewisse Behinderung des Nachfolgenden nicht verboten. Solange dieser sich durch geringfügige Herabsetzung seiner Geschwindigkeit auf den Streifenwechsel des Vorausfahrenden unschwer einrichten kann, darf dieser den Fahrstreifen wechseln. Allerdings ist beim „Nebeneinanderfahren" der Fahrstreifenwechsel von links nach rechts nur in gewissen Ausnahmefällen erlaubt (s. unten R N r . 6). Die Benutzer der Nachbarstreifen dürfen zwar darauf vertrauen, daß niemand unter Verletzung seiner Sorgfaltspflicht den Fahrstreifen wechselt5). Sie müssen aber einem Vorausfahrenden, der durch Richtungszeichen seine Absicht angezeigt hat, auf ihren Fahrstreifen überzuwechseln, dies ermöglichen, wenn sie dabei ihre Geschwindigkeit nicht wesentlich herabsetzen müssen. Während derjenige, der seinen Fahrstreifen beibehält, natürlicherweise gegenüber dem, der ihn wechselt, den Vortritt hat, besteht in dem besonderen Falle, daß bei einer Fahrbahn mit drei Fahrstreifen f ü r eine Richtung sowohl ein Benutzer des linken wie des rechten Streifens zum mittleren Fahrstreifen überwechseln will, kein Vorrecht. Beide müssen sich aufeinander einstellen und durch beiderseitige Vereinbarung klären, wer zuerst auf die Mittelspur überwechseln soll®). Wird ein Kraftfahrer zum Fahrstreifenwechsel gezwungen, weil er nach rechts oder links abbiegen will, so kann sich aus § 11 Abs. 2 i.V. mit § 1 Abs. 1 f ü r die Benutzer benachbarter Fahrstreifen sogar die Pflicht ergeben, den Fahrstreifenwechsel durch Offenlassen entsprechender Lücken zu ermöglichen. Auch kann sich aus § 1 Abs. 2 f ü r einen langsam fahrenden Fahrzeugführer die Pflicht ergeben, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, in eine Lücke in der rechts von ihm fahrenden Fahrzeugschlange einzuscheren, um die Fahrt schnellerer auf dem linken Streifen hinter ihm fahrender Fahrzeuge nicht zu blockieren. N u r ständige umsichtige Rücksichtnahme auf die anderen kann zu einer befriedigenden Abwicklung des mehrspurigen Massenverkehrs der Städte führen. Auf den Autobahnen und sonstigen Schnellverkehrsstraßen mit mehreren Fahrstreifen f ü r jede Richtung hat der Fahrstreifenwechsel eine andere Bedeutung als innerorts. Hier 4 5
) Vgl. z. früh. Rechtslage: Stuttgart 12. 6. 64, VRS 28, 40. ) Vgl. z. früh. Rechtslage: Hamburg 5. 12. 61, VerkMitt. 62, 50 = DRspr. I I (291) 98 c; Köln 28. 7. 64, DAR 65, 82 = JMBINRW
64, 256 = MDR 65, 43 = JR 65, 102 mit ausführlicher zustimmender Anm. v. Möhl = DRspr. II (291) 123 a. «) BayObLGSt. 70, 248 (11. 12. 70) = VerkMitt. 71, 22.
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kann vor allem die Vorstufe zum „Nebeneinanderfahren", das aufgelockerte Fahren auf mehreren Streifen in der Regel nicht stattfinden. Vielmehr muß hier der Langsamere rechts fahren. Er darf bei dichtem Verkehr nicht den zum Überholen bestimmten linken Fahrstreifen belegen. Auch bei der Einteilung einer Fahrbahn in drei und mehr Fahrstreifen für eine Richtung gilt hier f ü r langsamere Fahrzeuge in erster Linie das Rechtsfahrgebot. Die Anforderungen an die Sorgfalt desjenigen, der seinen Fahrstreifen wechselt, sind auf Schnellverkehrsstraßen natürlicherweise höher als bei beschränkter Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften. Denn die Gefahren eines Fahrstreif enwechsels wachsen mit zunehmender Differenzierung der gefahrenen Geschwindigkeit. Zwar fährt der Durchschnittsfahrer auf der Autobahn heute schon mit Geschwindigkeit 100 km/h und darüber. Auf der Überholbahn sind aber Geschwindigkeiten von 160—180 km/ keine Seltenheit. Jeder Fahrstreifenwechsel ist gefährlich, weil Entfernung und Geschwindigkeit Nachfolgender im Rückspiegel schlecht geschätzt werden kann. 4. Verbot des Rechtsausscherens (S. 2 Halbsatz 2) 6
Regel Mit Redit wird in der amtlichen Begründung die häufig anzutreffende Unsitte des „Kolonnenspringens" oder „Schwänzeins" als grobe Rücksichtslosigkeit angeprangert und gefordert, daß die Verkehrsüberwachung dieser groben Unsitte ihr besonderes Augenmerk schenken soll. Ob das vom Gesetzgeber hierfür zur Verfügung gestellte Mittel (Verbot des Rechtsausscherens) dazu beitragen wird, einen gleichmäßigen und ruhigen Verkehrsfluß zu gewährleisten, ist aber leider fraglich. Einmal kann kaum gehofft werden, daß diese Vorschrift eine wirksame Überwachung des Verkehrs fördern wird und außerdem bestehen auch inhaltlich gegen das Verbot gewisse Bedenken, weil nicht selten das Ausscheren in Lücken auf dem rechten Fahrstreifen sogar verkehrsgeredit ist. Zunächst ist zweifelhaft, ob nur das Ausscheren auf den am weitesten rechts gelegenen Fahrstreifen beim „Nebeneinanderfahren" verboten sein soll oder bei mehr als zwei Fahrstreifen für eine Richtung jedes Ausscheren von einem links gelegenen Fahrstreifen auf einen rechts davon gelegenen (auch wenn dieser nicht der am weitesten rechts gelegen ist). Da das Gesetz eine Ausnahme vom Verbot für den Fall zuläßt, daß der Ausscherende „dort", nämlich auf dem rechten Fahrstreifen halten oder nach rechts abbiegen will, wird man vielleicht davon ausgehen dürfen, daß sich das Verbot nur auf das Ausscheren auf den am weitesten rechts gelegenen Fahrstreifen bezieht. Denn auf einem mittleren Fahrstreifen darf nicht gehalten und von dort aus darf in der Regel auch nicht nach rechts abgebogen werden. Diese Auslegung wäre vernünftig, nach dem Wortlaut ließe sich aber auch die gegenteilige Meinung vertreten. Auf alle Fälle erhebt sich die weitere Frage, wie weit vor der Stelle, an der gehalten oder nach redits abgebogen werden soll, nach rechts ausgeschert werden darf. Gerade im mehrspurigen Massenverkehr muß jeder Kraftfahrer danach trachten, den f ü r seine weiteren Absichten geeigneten Fahrstreifen möglichst frühzeitig zu erreichen, also der Linksabbieger den linken, der Rechtsabbieger den rechten. Man wird deshalb auch bei enger Auslegung als erlaubt ansehen müssen, daß sich der Rechtsabbieger bereits einige Kilometer vor der Abbiegestelle auf die am weitesten rechts gelegene Spur begibt. Es fragt sich deshalb, ob die Vorschrift praktikabel ist. Dazu kommt, daß bei der Dehnbarkeit des Begriffs „Fahrzeugschlange" (oben R N r . 3) geltend gemacht werden wird, die Lücke auf dem rechten Fahrstreifen sei so groß gewesen, daß (nach der amtlichen Begründung zur StVO) an dieser Stelle keine Fahrzeugschlange vorhanden gewesen sei, mit der Folge, daß das Rechtsausscheren erlaubt war. Fraglich ist weiter, ob auch das Wiedereinordnen nach redits nach durchgeführter Uberholung durdi die Sondervorschrift des § 7 verboten werden soll. Wer etwa auf der am weitesten rechts gelegenen Spur mit mäßiger Geschwindigkeit fahrend zu einem noch wesentlich langsameren Fahrzeug aufholt und bei nächster Gelegenheit nach links ausschert, um dieses 330
Verbot des Rechtsausscherens
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zu überholen, wäre im normalen Verkehr verpflichtet, sich nach § 5 Abs. 4 S. 3 so bald wie möglich wieder nach rechts einzuordnen. Bei dichtem Verkehr darf er zwar nach § 2 Abs. 2 S. 2 den linken Fahrstreifen weiterbenutzen. Das Gebot des § 5 Abs. 4 S. 3, sich nach rechts einzuordnen, gilt dann nicht. Es ist ihm aber keineswegs verboten, auf den rediten Fahrstreifen zurückzukehren. Das ist sogar erwünscht und kann nach § 1 geboten sein, wenn er mit mäßiger Geschwindigkeit zu fahren wünscht und deshalb auf der linken Spur Schnellere behindern würde. Nun plötzlich, wenn der dichte Verkehr sidi soweit verdichtet, daß auf den Fahrstreifen Fahrzeugschlangen fahren, soll ihm dies aber nach § 7 verboten sein. Er soll auf dem linken Fahrstreifen bleiben und den übrigen Verkehr behindern müssen. Das kann nicht gewollt sein. Die Pflicht aus § 1, andere nicht mehr als nach den Umständen unvermeidlich zu behindern, muß gegenüber dem Verbot nach rechts auszuscheren, den Vorrang haben. Eine Ausnahme vom Verbot nach rechts auszuscheren, läßt sich im genannten Fall um so mehr rechtfertigen, als das überholte langsamere Fahrzeug zum Vorausfahrenden in aller Regel den zum Einscheren ausreichenden Abstand einhält. (Ist dieser Abstand wesentlich größer als der Tachostand, dann allerdings ist das Rechtsausscheren kein Problem, weil dann an dieser Stelle keine Fahrzeugsdilange fährt!). Man wird sagen können, daß immer dann, wenn das Rechtseinordnen sinnvoll ist, um den Verkehrsfluß zu erleichtern und die volle Ausnutzung der gesamten Fahrbahn zu ermöglidien, das Rechtsaussdieren aus dem höheren Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme erlaubt sein muß 7 ). Sonst hätte das gegenüber rücksichtslosen Uberholern durchaus sinnvolle Verbot auf einem Gebiet nachteilige Folgen, an das der Gesetzgeber, wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt, offensichtlich nicht gedacht hat. Ausnahmen vom Verbot des Rechtsausscherens Der Gesetzgeber hat selbst einige Ausnahmen vom Verbot ausdrücklich zugelassen: Wer auf dem rechten Fahrstreifen halten, nadi rechts abbiegen oder einer durch Pfeile auf der Fahrbahn vorgeschriebenen Fahrtrichtung (Z. 297) folgen will, darf nach redits ausscheren. Halten bzw. Parken auf dem rechten Fahrstreifen kann aus verschiedenen Gründen verboten sein, z. B. auf Vorfahrtstraßen (Z. 306), bei Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295 und 296), bei Halteverboten nach Z. 283, 286. Trotzdem wird das Rechtsausscheren zum Zwecke des Haltens dort nicht verboten sein. Dem Kraftfahrer, der halten will, kann nicht verwehrt werden, bereits frühzeitig auf den rediten Fahrstreifen auszuscheren, um bei der ersten sich bietenden Gelegenheit anhalten zu können. Das gleiche gilt für das Abbiegen und das Aussdieren, um der auf der Fahrbahn vorgeschriebenen Fahrtrichtung (Z. 297) zu folgen. Eine Grenze läßt sidi kaum festlegen. Allerdings kann die Behauptung des nadi rechts Ausscherenden, er habe nach rechts abbiegen wollen, unglaubhaft erscheinen, wenn auf längere Strecke keine Abbiegemöglidikeit in Aussicht steht. Vernünftig ist die erst in der letzten Fassung eingeführte Ausnahme von dem Verbot für diejenigen, die einer durch Pfeile auf der Fahrbahn vorgeschriebenen Fahrtrichtung folgen wollen. Das kann z. B. von Bedeutung sein, wenn der linke Fahrstreifen durch Linksabbieger blockiert ist, der rechte aber durch Geradeauspfeile das Geradeausfahren anordnet. Bedenken bestehen hier nur insofern, als der Ortsfremde benachteiligt wird, der natürlich nicht voraussehen kann, ob an der nächsten Kreuzung auf der rechten Fahrspur ein Geradeauspfeil oder ein Reditsabbiegepfeil oder beides angebracht ist. Die Vwv zu Z. 297 ordnet zwar an, daß die ersten Pfeile soweit vor der Kreuzung oder Einmündung anzubringen sind, daß die Verkehrsteilnehmer sich „in Ruhe" einordnen können. Das reicht aber um so weniger aus, als solche Pfeile bei starkem Verkehr häufig schwer erkennbar sind, besonders wenn sie nicht auf dem eigenen Fahrstreifen angebracht sind. Auch können die Pfeile durch Witterungseinflüsse (Schnee) verdeckt sein. Für den Ortsfremden ist es in solchen Fällen ein Glücksspiel, ob ihm an der nächsten Kreuzung ein Geradeauspfeil auf dem rediten Fahrstreifen das Geradeausfahren gestattet oder nidit. Es wird sich vielleicht empfehlen, auf allen Durchgangs- und Ausfallstraßen Abbiegepfeile, ohne gleichzeitige Geradeauspfeile tunlichst zu vermeiden, vor allem, wenn der 7
) Ähnlidi Mühlhaus a. a. O. Anm. 3 b.
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Abbiegeverkehr gegenüber dem Durchgangsverkehr an Bedeutung zurücktritt. Der Benutzer der Durchgangsstraße soll sich darauf verlassen können, daß er nicht plötzlich durch einen Abbiegepfeil aus der Durchgangsstraße verdrängt wird. (Dieses Problem hat bisher nicht bestanden, weil Pfeile auf der Fahrbahn kein rechtliches Gebot enthielten.) 8
5. Ankündigung des Fahrstreifenwechsels (S. 3) Zu den wichtigen Neuerungen gehört das Gebot „jeden" Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Aus dem Zusammenhang wird man entnehmen müssen, daß dieses Gebot nur für jeden Fahrstreifenwechsel im Rahmen des „Nebeneinanderfahrens" gelten soll. Wer bei dichtem Verkehr von der Möglichkeit Gebrauch macht, nach § 2 Abs. 2 S. 2 vom Rechtsfahrgebot abzuweichen, fällt also nicht unter das Gebot, solange die Verkehrsdichte nicht zur Bildung von Fahrzeugschlangen auf allen Fahrstreifen geführt hat. Das ist aus einem doppelten Grund bedauerlich: Einmal ist gerade beim gestaffelten Fahren im dichten Verkehr der Fahrstreifenwechsel besonders gefährlich, weil der Verkehr auf den einzelnen Fahrstreifen nicht gleichmäßig fließt und Lücken zwischen den einzelnen Fahrzeugen häufig durch von rückwärts aufschließende Fahrzeuge besetzt werden. Zwar muß das Ausscheren beim Überholen und Vorbeifahren, sowie das Anfahren und die Abbiegeabsicht durch Richtungszeichen angekündigt werden. Wer aber aus anderen Gründen den Fahrstreifen wechselt, für den soll keine Anzeigepflicht gelten. Der nachfolgende Verkehr sollte aber auf die Ausscherabsicht eines Vorausfahrenden in allen Fällen rechtzeitig aufmerksam gemacht werden. Zweitens ist zu bedenken, daß es für die Bildung eines nützlichen Automatismus schädlich ist, wenn bei sehr ähnlichen Verkehrslagen nicht einheitlich dieselben Gebote gelten. Es sollte zur selbstverständlichen Übung werden, daß jeder erhebliche Fahrstreifenwechsel automatisch angezeigt wird, gleichgültig zu welchem Zweck er durchgeführt wird. Muß sich der Kraftfahrer in jedem Fall erst überlegen, ob er ein Zeichen geben muß oder nicht, dann wird er das Zeichen häufig auch in Fällen unterlassen, in denen es vorgeschrieben ist. In der neuen StVO ist die Ankündigung eines Fahrstreifen wechseis in vielen Fällen bereits vorgeschrieben. Ob in den übrigen Fällen etwa aus der Grundregel des § 1 eine solche Pflicht hergeleitet werden kann, ist aber fraglich. Wenn schon der Gesetzgeber die Ankündigung in bestimmten Fällen ausdrücklich vorgeschrieben hat, dann wird man sie in den übrigen Fällen nicht mit Hilfe des § 1 bejahen können (s. § 1 R N r . 71). Die einfachste Lösung wäre eine allgemeine Vorschrift, die für jede erhebliche Veränderung der Fahrtrichtung, gleichgültig ob sie aus der Fahrbahn hinausführt oder innerhalb der Fahrbahn stattfindet, die Ankündigung durch Richtungszeichen vorschreibt. Gewiß ist vor allem im Stadtbereich das dauernde Blinken unerfreulich. Die Vorteile dürften aber die Nachteile überwiegen. Man wird sich bei uns, wie dies in anderen europäischen Städten längst geschehen ist, an die neue Lage bald gewöhnen. Die Feststellung, daß ein Gebot, Richtungszeichen zu geben in Fällen, in denen es das Gesetz nicht ausdrücklich vorschreibt, auch nicht aus § 1 hergeleitet werden darf, bedeutet nicht, daß solche Zeichen nicht gegeben werden dürfen.
9
IV. Übergang vom mehrspurigen zum einspurigen Verkehr Endet ein Fahrstreifen, weil die Fahrbahn schmaler wird, dann ist nach der Vwv zu § 7 durch geeignete Markierungen, Leiteinrichtungen oder dgl. zu zeigen, welcher Fahrstreifen endet. Damit ist aber das Problem nicht gelöst, wie die auf dem endenden Fahrstreifen befindlichen Fahrzeuge in den Verkehr eingeschleust werden sollen. Denn wenn auch den Fahrzeugen auf dem durchlaufenden Fahrstreifen ein gewisser Vortritt zustehen mag, kann dodi von den Benutzern des endenden Streifens nicht verlangt werden, solange zu warten, bis der durchlaufende Streifen frei wird. Der Gesetzgeber hat es vermieden, dieses Problem selbst zu lösen und hat es den Kraftfahrern überlassen, von Fall zu Fall eine vernünftige Lösung zu finden. Untersuchungen hatten ergeben, daß das vielfach empfohlene „Reißverschlußverfahren" einen erheblich höheren Zeitaufwand erfordert, als ein durch freie Übereinkunft der Beteiligten von Fall zu Fall geübte Praxis. Man wird mit dem Grundgedanken des § 1 Abs. 1 i . V . mit § 11 Abs. 2 zu einer vernünftigen Lösung kommen können: Zwar 332
Fahrstreifenwechsel; Übergang zu einspurigem Verkehr
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§ 7
steht den Benutzern des durchlaufenden Fahrstreifens natürlicherweise der Vortritt zu gegenüber den Benutzern eines Fahrstreifens, der endet 8 ). Denn es gilt der allgemeine Grundsatz, daß derjenige, der in die Fahrspur eines anderen eindringt, gegenüber dem zurückstehen muß, der sie beibehält. Dieser Vortritt wird aber durch das übergeordnete Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme eingeschränkt. Danach müssen die Benutzer des durchlaufenden Streifens den Benutzern des endenden Streifens das Einsdieren in angemessener Weise ermöglichen. Das geschieht am besten in der Weise, daß abwechselnd eine Gruppe von Fahrzeugen des durchgehenden Streifen und eine Gruppe des endenden Streifens zum Zug kommt. Bisher wurde der Fall behandelt, daß durch Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde die Frage geklärt wurde, welcher Fahrstreifen endet und welcher weiterführt. Es gibt aber zahlreiche Fälle, in denen es an solchen Maßnahmen fehlt. Beispiel: Die vor einer Kreuzung in mehrere gekennzeichnete Fahrstreifen eingeteilte Fahrbahn wird nach der Kreuzung enger, so daß nur mehr ein Fahrstreifen übrigbleibt. In solchen Fällen hat den Vortritt, wer die verengte Fahrbahn zuerst erreicht. Fahren zwei Fahrzeuge nebeneinander, erreichen sie die Engstelle also gleichzeitig, dann wird hier dem rechten der Vortritt gebühren, weil davon auszugehen ist, daß der rechte Fahrstreifen dem rechten Fahrbahnrand folgend in den engeren Teil der Straße weiterführt, mag er dabei audi seine Richtung vorübergehend ändern 8 ). Da der Gesetzgeber den Fall nicht geregelt hat und sich auch in der Praxis noch keine festen Regeln gebildet haben, darf sich niemand darauf verlassen, daß der andere ihm den Vortritt läßt 10 ). Ordnet sich ein Kraftfahrer vor einer Kreuzung in den äußersten Teil der trichterförmig verbreiterten Einmündung ein, so liegt der Fall anders. Er benutzt nicht mehr den natürlicherweise über die Kreuzung führenden Streifen, sondern einen rechts davon gelegenen, für gewöhnlich zum Abbiegen nach rechts benutzten. Fährt er geradeaus weiter, dann muß er sich wieder nach links in die durchgehende Fahrspur einordnen und hat dabei den Vortritt der Benutzer dieses Streifens zu beachten11). Ähnlich liegen Fälle, in denen der eine Fahrstreifen zwar nicht endet, aber für längere oder kürzere Zeit durch ein Hindernis unterbrochen wird. Die Frage, wer hier den Vortritt hat (die ähnlich auch beim Uberholen auf Straßen mit nur einem Fahrstreifen für eine Richtung auftreten kann) wird bei § 1 erörtert (s. dort RNr. 111). IV. Bußgeldvorsdirift Wer rechts überholt, obwohl die Voraussetzungen dafür nach § 7 S. 1 nicht gegeben sind, verstößt gegen § 5 Abs. 1. § 7 S. 2 verbietet den Fahrstreifenwechsel, wenn eine Gefährdung anderer nicht ausgeschlossen werden kann. Wer durch den Fahrstreifenwechsel einen anderen vorsätzlich oder fahrlässig gefährdet, handelt ordnungswidrig nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 i. V. mit § 24 StVG. Die konkrete Gefährdung des anderen gehört mit zum Tatbestand des § 7 S. 2. § 1 tritt zurück. Wird ein anderer dabei geschädigt, so treffen Ordnungswidrigkeiten nach § 7 und § 1 tateinheitlich zusammen. Das Gebot, jeden Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen und das Verbot, nach rechts auszuscheren, sind bloße Ordnungsvorschriften. Zu ihrem Tatbestand gehört weder eine Gefährdung noch auch nur eine Behinderung anderer. Wer die Ordnungsvorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, handelt ordnungswidrig nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 i. V. mit § 24 StVG. Fraglich ist, ob Verstöße gegen § 7 unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 315 c (grob verkehrswidrig und rücksichtslos, Gefährdung von Leib und Leben eines anderen oder von fremden Sachen von bedeutendem Wert) als Verkehrsgefährdung bestraft werden könweisungen; Neustadt 17. 12. 64, VRS 28,
8
) Vgl. f. d. frühere Rechtslage bei Pfeilen auf der Fahrbahn: Schleswig 27. 1. 66, VerkMitt. 66, 28. 0) Stuttgart 17. 7. 64, V R S 28, 142 = D R s p r . I I (291) 126 c; H a m m 10. 1. 63, VRS 25, 359 = VerkMitt. 63, 54; 30. 5. 68, VRS 36, 100 = D R s p r . I I (291) 172 b mit Nach-
451; Bremen 4. 8. 65, VerkMitt. 66, 5; Düsseldorf 17. 2. 67, VerkMitt. 67, 71. ) So f ü r die frühere Rechtslage Saarbrücken 9. 9. 65, JB1. Saar 66, 46. » ) H a m m 15. 3. 66, VRS 31, 460. 10
Möhl
§§7,8
StVO
nen. W e r
verbotenerweise
rechts überholt
u n d deshalb gegen
§ 5 Abs.
1 verstößt,
ohne Zweifel nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 b bestraft werden. Dagegen wird der Fahrstreifenwechsel
als s o l c h e r w e d e r
als V o r f a h r t v e r l e t z u n g
noch
kann
fehlerhafte
als f e h l e r h a f t e s
Über-
h o l e n g e w e r t e t w e r d e n k ö n n e n 1 2 ) . E s w ä r e e r w ü n s c h t , w e n n d e m K a t a l o g des § 3 1 5 Abs. 2 N r . 2 d e r F a l l des F a h r s t r e i f e n w e c h s e l s b e i m N e b e n e i n a n d e r f a h r e n h i n z u g e f ü g t w ü r d e .
§ 8 Vorfahrt (1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht, 1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder 2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. (2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muß rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, daß er warten wird. Er darf nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, daß er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Kann er das nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf er sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineintasten, bis er die Übersicht hat. Auch wenn der, der die Vorfahrt hat, in die andere Straße abbiegt, darf ihn der Wartepfliditige nicht wesentlich behindern. (3) Diese Vorschriften gelten für Fahrzeuge aller Art. Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, müssen stets warten. Vwv
zu §
Zu Absatz
8: 1
Verkehrsregelung
an Kreuzungen
und
Einmündungen
I . 1. Kreuzungen und Einmündungen sollten auch für den Ortsfremden erkennbar sein. Wünschenswert ist es, daß sie schon durch ihre bauliche Beschaffenheit auffallen. Wenn das nicht der F a l l ist, sollten bei der Straßenbaubehörde bauliche Veränderungen angeregt werden. Ist eine ausreichende E r kennbarkeit nicht gewährleistet, sollten die zu der Kreuzung oder Einmündung gehörenden Verkehrszeichen (positive und negative Vorfahrtzeichen oder Gefahrzeichen 102 „ K r e u z u n g " ) in der R e g e l a u f beiden Seiten der S t r a ß e und ausnahmsweise auch über der Fahrbahn angebradit werden. Auch ergänzende M a ß n a h m e n , wie Veränderung des Unterbrediungsverhältnisses der Leitlinien in der untergeordneten Straße, verzerrte Wiedergabe der aufgestellten Schilder auf der F a h r b a h n ( N u m m e r 3 v o r Zeichen 350) in ausreichender Entfernung oder eine besondere Beleuchtung können sich empfehlen. 2. Bei schiefwinkligen Kreuzungen und Einmündungen ist zu prüfen, ob für den Wartepflichtigen die Tatsache, daß er an dieser Stelle andere durchfahren lassen muß, deutlich erkennbar ist, und ob die Sicht aus dem schräg an der S t r a ß e mit V o r f a h r t wartenden Fahrzeug ausreicht. Ist das nicht der F a l l , so ist mit den M a ß n a h m e n zu I 1 und I I zu h e l f e n ; des öfteren wird es sich empfehlen, bei der S t r a ßenbaubehörde eine Änderung des Kreuzungswinkels anzuregen. I I . D i e Verkehrsregelung an Kreuzungen und Einmündungen soll so sein, daß es für den Verkehrsteilnehmer möglichst einfach ist, sich richtig zu verhalten. Es dient der Sicherheit, wenn die Regelung dem natürlichen Verhalten des Verkehrsteilnehmers entspricht. U n t e r diesem Gesichtspunkt sollte, wenn möglich, die Entscheidung darüber getroffen werden, ob an Kreuzungen der Grundsatz „Rechts v o r L i n k s " gelten soll oder eine Regelung durch Verkehrszeichen vorzuziehen ist und welche S t r a ß e dann die V o r f a h r t erhalten soll. Bei jeder Regelung durch Verkehrszeichen ist zu prüfen, ob die E r f a ß b a r k e i t der Regelung durch Längsmarkierungen (Mittellinien und R a n d l i n i e n , die durch rückstrahlende B o d e n nägel verdeutlicht werden können) im V e r l a u f der S t r a ß e m i t V o r f a h r t verbessert werden kann. 1. I m V e r l a u f einer durchgehenden S t r a ß e sollte die Regelung stetig sein. Ist eine solche S t r a ß e an einer Kreuzung oder Einmündung mit einer Lichtzeichenanlage versehen oder positiv beschildert, so 12)
334
V g l . B o o ß , K o m m e n t a r zu § 7.
Vorfahrt
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§ 8
sollte an der nächsten nicht „Rechts vor L i n k s " gelten, wenn nicht der Abstand zwischen den Kreuzungen oder Einmündungen sehr groß ist oder der Charakter der Straße sich von einer Kreuzung oder Einmündung zur anderen grundlegend ändert. 2. Einmündungen von rechts sollte die Vorfahrt grundsätzlich genommen werden. N u r wenn beide Straßen überwiegend dem Anliegerverkehr dienen (z. B. Wohnstraßen) und auf beiden nur geringer Verkehr herrscht, bedarf es nach der Erfahrung einer Vorfahrtbesdiilderung nicht. D a s gilt in der Kegel auch, wenn eine Einmündung über einen Gehweg mit abgesenktem Bordstein führt. 3. A n Kreuzungen sollte der Grundsatz „Rechts vor L i n k s " nur gelten, wenn a) die kreuzenden Straßen einen annähernd gleichen Querschnitt und annähernd gleiche, geringe Verkehrsbedeutung haben, b) keine der Straßen, etwa durch Straßenbahngleise, Baumreihen, durchgehende Straßenbeleuchtung, ihrem ortsfremden Benutzer den Eindruck geben kann, er befinde sich auf der wichtigeren Straße, c) die Sichtweite nach rechts aus allen Kreuzungszufahrten etwa gleich groß ist und d) in keiner der Straßen in Fahrstreifen nebeneinander gefahren wird. 4. Müßte wegen des Grundsatzes der Stetigkeit (Nummer 1) die Regelung „Rechts vor L i n k s " für einen ganzen Straßenzug aufgegeben werden, weil für eine einzige Kreuzung eine solche Regelung nach Nummer 3 nicht in Frage kommt, so ist zu prüfen, ob nicht die hindernde Eigenart dieser Kreuzung, z. B. durch Angleichung der Siditweiten, durch Fällen von Bäumen im Kreuzungsbereich, beseitigt werden kann. 5. Der Grundsatz „Rechts vor L i n k s " sollte außerhalb geschlossener Ortschaften nur für Kreuzungen und Einmündungen im Verlauf von Straßen mit ganz geringer Verkehrsbedeutung gelten. 6. Scheidet die Regelung „Rechts vor L i n k s " aus, so ist die Frage, welcher Straße die Vorfahrt zu geben ist, unter Berücksichtigung des Straßencharakters, der Verkehrsbelastung, der übergeordneten Verkehrslenkung und des optischen Eindrucks der Straßenbenutzer zu entscheiden. Keinesfalls darf die amtliche Klassifizierung der Straßen entscheidend sein. a) Ist eine der beiden Straßen eine Vorfahrtstraße oder sind auf einer der beiden Straßen die benachbarten Kreuzungen positiv beschildert, so sollte in der Regel diese Straße die Vorfahrt erhalten. D a v o n sollte nur abgewichen werden, wenn die Verkehrsbelastung der anderen Straße wesentlich stärker ist oder wenn diese wegen ihrer baulichen Beschaffenheit dem, der sie befährt, den Eindruck vermitteln kann, er befände sich auf der wichtigeren Straße (z. B. Straßen mit Mittelstreifen oder mit breiter Fahrbahn oder mit Straßenbahngleisen). b) Sind beide Straßen Vorfahrtstraßen oder sind auf beiden Straßen die benachbarten Kreuzungen positiv beschildert, so sollte der optische Eindruck, den die Fahrer von der von ihnen befahrenen Straße haben, für die Wahl der Vorfahrt wichtiger sein als die Verkehrsbelastung. cO Wird entgegen diesen Grundsätzen entschieden oder sind aus anderen Gründen Mißverständnisse über die Vorfahrt zu befürchten, so muß die Wartepflicht entweder besonders deutlich gemacht werden (z. B. durch Markierung, mehrfach wiederholte Beschilderung), oder es sind Lichtzeichenanlagen anzubringen. Erforderlichenfalls sind bei der Straßenbaubehörde bauliche Maßnahmen anzuregen. 7. Bei Kreuzungen mit mehr als vier Zufahrten ist zu prüfen, ob nicht einzelne Kreuzungszufahrten verlegt oder gesperrt werden können. In anderen Fällen kann die Einrichtung von der Kreuzung wegführender Einbahnstraßen in Betracht kommen. 8. Bei der Vorfahrtregelung sind die Interessen der öffentlichen Verkehrsmittel besonders zu berücksichtigen; wenn es mit den unter Nummer 6 dargelegten Grundsätzen vereinbar ist, sollten diejenigen Kreuzungszufahrten Vorfahrt erhalten, in denen öffentliche Verkehrsmittel linienmäßig verkehren. K a n n einer Straße, auf der eine Schienenbahn verkehrt, die Vorfahrt durch Verkehrszeichen nicht gegeben werden, so ist eine Regelung durch Liditzeichen erforderlich; keinesfalls darf auf einer solchen Kreuzung die Regel „Rechts vor L i n k s " gelten. I I I . 1. Als Vorfahrtstraßen sollen nur Straßen gekennzeichnet sein, die über eine längere Strecke die Vorfahrt haben und an zahlreichen Kreuzungen bevorrechtigt sind. D a n n sollte die Straße solange Vorfahrtstraße bleiben, wie sidi das Erscheinungsbild der Straße und ihre Verkehrsbedeutung nicht ändern. Bei der Auswahl von Vorfahrtstraßen ist der Blick auf das gesamte Straßennetz besonders wichtig. a) Bundesstraßen, auch in ihren Ortsdurchfahrten, sind in aller Regel als Vorfahrtstraßen zu kennzeichnen. b) Innerhalb geschlossener Ortschaften gilt das auch für sonstige Straßen mit durchgehendem Verkehr. c) Außerhalb geschlossener Ortschaften sollten alle Straßen mit erheblicherem Verkehr Vorfahrtstraßen werden. 2. I m Interesse der Verkehrssicherheit sollten im Zuge von Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften Linksabbiegestreifen angelegt werden, auch wenn der abbiegende Verkehr nicht stark ist. Linksabbiegestreifen sind um so dringlicher, je schneller die Straße befahren wird.
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§ 8
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3. Über die Beschilderung von Kreuzungen und Einmündungen vgl. VII zu Zeichen 205 und 206, von Vorfahrtstraßen vgl. II zu Zeichen 306 und 307, von Bundes- und Europastraßen vgl. zu Zeichen 401 und 410. IV. Über die Verkehrsregelung durch Polizeibeamte und Lichtzeichen vgl. zu § 36 Abs. 2 und 4 sowie IV zu den Nummern 1 und 2 zu § 37 Abs. 2. Schrifttum Böhmer: „Schadensverteilung bei Verletzung der Vorfahrt", VersR 60, 487. Booß: «Die neuen Änderungen des Straßenverkehrsrechts", DAR 53, 161. Härtung: „Vorfahrt bei unbedeutenden Seitenwegen und verkehrsrechtliches Vorrecht der Feuerwehr", NJW 56, 1625; „Vorfahrt außerhalb geschlossener Ortschaften", NJW 54, 458. Hohenester: „Grundfragen des geltenden Vorfahrtsrechts", DAR 57, 256. Krumme: „Vorfahrt", KVR. Kulig: „Kinetische Betrachtung zur Vermeidung von Zusammenstößen auf Kreuzungen", DAR 55, 31; „Betrachtungen zu § 13 StVO", DAR 57, 260. Möhl: „Anzeige der Fahrtrichtungsänderung bei der abknickenden Vorfahrt", NJW 63, 1096; „Vorfahrt nach geltendem und künftigem Recht", DAR 66, 1. Moeller: „Vorfahrtsregeln als Gefahrenquelle", DAR 58, 235. Mühlhaus: „Die Vorfahrt aus Nebenwegen in Durchgangsstraßen", DAR 66, 141; „Die Bedeutung von Verkehrsverstößen des Vorfahrtberechtigten", DAR 69, 1; „Bessere Vorfahrtsregelung außerhalb geschlossener Ortschaften", DAR 66, 263. Müller: „Die Neuregelung der Vorfahrt", DAR 53, 221. Ries: „Vorfahrt bei gesperrten Straßen und Einbahnstraßen", DAR 67, 179. Stoll: „Zur Vorfahrt außerhalb geschlossener Ortschaften", DAR 54, 97. Voigt: „Zum Problem der Schadensverteilung bei Verletzung der Vorfahrt", DAR 59, 291. 'Wimmer: „Überführte" Straßeneinmündungen und eingeschnittene „Grundstückseinfahrt", DAR 67, 182. Übersicht A. Entstehungsgeschichte I. Bis zur StVO 1937 II. Die Neuregelung 1970 TTT A .I'J. -D •• J III. Amtliche Begründung ,r. . . TS
ALI
Yorfahrt
RNr. 1-3 1 2 I 3 4-6
I. Allgemeines 4 II. Vorfahrt beim Abbiegen und Einbiegen 5 III. Vorfahrtbereich 6 C. Inhalt des Vorfahrtsrechts 7-20 I. Rechtslage des Vorfahrtberechtigten 7-10 1. Worauf darf er vertrauen? 7 2. Worin besteht sein Vorrecht? 8 3. Grenzen des Vorfahrtrechts: 9-10 a) Gegenseitige Rücksicht 9 b) Erkennbare Mißachtung des Vorrechts 10 II. Rechtslage des Wartepflichtigen (Abs. 2) 11-20 1. Allgemeines 11-19 a) Pflichten bei Annäherung an die Kreuzung (Abs. 2 S. 1) 12 b) Pflichten im Bereich der Kreuzung (Abs. 2 S. 2) 13-15 Worauf darf der Wartepflichtige vertrauen? (13), Keine Gefähr•
I. Bis zur S t V O 1937
D
RNr. dung des Vorfahrtberechtigten (14), Keine wesentliche Behinderun8 (15) , c ) Verhalten an unübersichtlichen Kreuzungen (Abs. 2 S. 3) 16 d) „Haupt"- und „Nebenstraßen" 17 e) Pflichten gegenüber abbiegendem Vorfahrtberechtigten (Abs. 2 S. 4) 18 f) Pflichten des in die VorfahrtStraße einbiegenden Wartepflichtigen 19 2 - Einzelfälle (alphabetisch geordnet) 20 D i e Vorfahrtregeln im einzelnen 21-28 T „ . „ . ... . . . .. „. L Grundsatz: Rechts vor links (Abs. 1) 21 II. Vorfahrt auf Grund vorfahrtregelnder Zeichen (Abs. 1 Nr. 1) 22 HI. Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen aus F e ld- und Waldwegen (Abs. 1 Nr. 2) 23 IV. Vorfahrt in besonderen Fällen 24-28 i. „Abknickende Vorfahrt" 24-27 Entstehungsgeschichte (24), Anwendungsgebiet (25), Inhalt der Vorschrift (26), Rechtsfolgen (27) 2. Vorfahrt auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen 28
E. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
29
A. Entstehungsgeschichte
§ 24 VüKVerk (Fassung 10. 5. 32) besagte: An Kreuzungen und Einmündungen von Wegen hat das von rechts kommende Fahrzeug die Vorfahrt; das auf einem Hauptverkehrswege sich bewegende Fahrzeug hat die Vorfahrt gegenüber dem aus
336
Entstehungsgeschichte
StVO
§ 8
einem Seitenwege k o m m e n d e n Fahrzeuge. Das gilt nicht, w e n n durch einen Polizeibeamten im Einzelf a l l eine a n d e r e Regelung g e t r o f f e n w i r d . (2) H a u p t v e r k e h r s w e g e sind: a) die als Fernverkehrsstraßen bezeichneten Wege, b) die Wege m i t Gleisen f ü r Schienenfahrzeuge, c) diejenigen Wege, die von den Polizeibehörden als H a u p t v e r k e h r s w e g e oder als Verkehrsstraßen erster O r d n u n g bestimmt u n d die als solche gekennzeichnet sind, d) a u ß e r h a l b geschlossener Ortsteile auch diejenigen Wege, die nach den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen als H a u p t v e r k e h r s w e g e anzusehen sind. Alle übrigen Wege sind Seitenwege. (3) Beim Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse kann an bestimmten K r e u z u n g e n von H a u p t v e r kehrswegen S t r a ß e n b a h n e n , die nach Abs. 1 kein V o r f a h r t r e c h t haben w ü r d e n , ausnahmsweise von den Polizeibehörden im Einvernehmen mit den Bahnaufsichtsbehörden ein V o r f a h r t r e c h t auf G r u n d entsprechender Polizeivorschriften zugestanden w e r d e n . Durch geeignete Verkehrseinrichtungen (Lichtzeichen u n d andere) m u ß den übrigen Wegebenutzern an diesen Stellen das jedesmalige N a h e n der S t r a ß e n b a h n sichtbar gemacht w e r d e n . (4) Will ein Fahrzeug die F a h r t eines ihm auf demselben Wege begegnenden, seine Fahrtrichtung beibehaltenden a n d e r e n Fahrzeugs kreuzen, so h a t letzteres die V o r f a h r t . (5) Die Bestimmungen von Abs. 1 bis 4 f i n d e n auf Eisenbahnen, soweit sie nicht Straßenbahnen sind, keine A n w e n d u n g .
RStVO 1934 behielt diese Regelung in den Grundzügen bei, schob aber zwischen den ersten Grundgedanken: „rechts vor links" und den zweiten der Bevorrechtigung der „Hauptverkehrsstraße" (dieser in der Form „andere Regelung durch Verkehrszeichen" — wozu auch die Straßenbeschilderung zu rechnen gewesen war) den neuen Gedanken des Vorrechts der Kraft- und der Schienenfze ein. § 27 RStVO 1934 hatte gelautet: (1) An K r e u z u n g e n und E i n m ü n d u n g e n v o n S t r a ß e n ist bevorrechtigt, wer v o n rechts k o m m t ; jedoch haben K r a f t f a h r z e u g e u n d durch Maschinenkraft angetriebene Schienenfahrzeuge die V o r f a h r t v o r a n deren Verkehrsteilnehmern; diese Regeln gelten nicht, wenn durch amtliche Verkehrszeichen eine a n d e r e Regelung g e t r o f f e n w i r d . (2) Will jemand die Richtung eines ihm auf derselben Straße Begegnenden kreuzen, so ist letzterer bevorrechtigt. (3) Wer seine Richtung ä n d e r n oder anhalten will, hat dies anderen Verkehrsteilnehmern Das gilt nicht f ü r Fußgänger auf Fußwegen.
anzuzeigen.
Die S t V O 1937 des R M d l h a t t e bestimmt: (1) A n Kreuzungen u n d E i n m ü n d u n g e n von S t r a ß e n h a t der Benutzer der H a u p t s t r a ß e die V o r f a h r t . H a u p t s t r a ß e n sind: a) Reichsstraßen (einschließlich O r t s d u r c h f a h r t e n ) , gekennzeidinet durch die Nummernschilder (Anlage 1, Bild 44) u n d durch das Schild „Ring- oder Sammelstraßen f ü r F e r n v e r k e h r " (Anlage 1, Bild 45), b) H a u p t v e r k e h r s s t r a ß e n , gekennzeichnet durch ein auf der Spitze stehendes Viereck (Anlage 1, Bild 52), c) ferner an einzelnen Kreuzungen u n d E i n m ü n d u n g e n : Straßen, bei denen auf den einmündenden oder kreuzenden S t r a ß e n auf der Spitze stehende Dreiecke „ V o r f a h r t auf der H a u p t s t r a ß e achten!" (Bild 30) oder „ H a l t , V o r f a h r t auf der H a u p t s t r a ß e achten!" (Bild 30a) angebracht sind. (2) Bei Straßen gleichen Ranges h a t an Kreuzungen u n d E i n m ü n d u n g e n die V o r f a h r t , w e r v o n rechts k o m m t ; jedoch haben K r a f t f a h r z e u g e u n d durch M a s c h i n e n k r a f t angetriebene Schienenfahrzeuge die V o r f a h r t vor a n d e r e n Verkehrsteilnehmern. U n t e r e i n a n d e r stehen K r a f t f a h r z e u g e u n d Schienenfahrzeuge hinsichtlich der V o r f a h r t gleich. (3) D i e V o r f a h r t r e g e l n der Abs. 1 u n d 2 gelten nicht, wenn durch Weisungen oder Zeichen von Polizeibeamten oder durch Farbzeichen eine andere Regelung im Einzelfall g e t r o f f e n w i r d . (4) Will jemand die Richtung des auf derselben Straße sich bewegenden Verkehrs kreuzen, so h a t er die ihm entgegenkommenden Fahrzeuge aller A r t , die ihre Richtung beibehalten, auch an Kreuzungen u n d E i n m ü n d u n g e n , v o r f a h r e n zu lassen. Hierbei gelten Straßen mit mehreren getrennten F a h r b a h n e n als dieselben S t r a ß e n . (5) Die auf anderen Vorschriften beruhenden Vorrechte von Schienenbahnen an Wegübergängen bleiben unberührt.
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StVO + StGB
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StVO
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Während die früheren Fassungen den Grundsatz „rechts vor links" an die Spitze und das Vorfahrtsredit auf dem „Hauptverkehrsweg" an die 2. (3.) Stelle gesetzt hatten, betrachtete die Regelung 1937 das Vorfahrtsredit auf der „Hauptstraße" als den Ausgangspunkt. — Diese Regelung hatte bis zur Änderung 18. 10. 44 bestanden; dann wurde „für die Dauer kriegsbedingter Verhältnissse" den Schienenfahrzeugen ein uneingeschränktes Vorfahrtsrecht eingeräumt; es war nach dem Krieg, schon vor der VO v. 24. 8. 53, beseitigt worden. Die VO v. 24. 8. 53 kehrte in der Anordnung zu den der RStVO 1937 voraufgegangenen Regelungen (I und II) zurück, stellte den Grundsatz „rechts vor links" wieder an die Spitze, ließ das Vorrecht der (nunmehrigen:) „Vorfahrtstraße" folgen, beseitigte aber das 1934 eingeführte Vorfahrtsrecht der Kraft- und der Schienenfahrzeuge. Schon dadurch wäre die frühere Streitfrage BayObLGSt 52, 143 (16. 7. 52) hinfällig geworden, ob Fahrräder mit Hilfsmotor Kraftfahrzeuge im Sinne der Vorfahrtregelung, also gegenüber Nichtkraftfahrzeugen bevorrechtigt waren; ferner behandelte der gleichzeitig (24. 8. 53) eingefügte § 31 a (14. 3. 56 wieder aufgehoben) die Fahrräder mit Hilfsmotor ausdrücklich als Fahrräder. Die VO v. 14. 3. 56 behielt die Grundsätze bei, fügte an die Stelle des inhaltlich zu § 8 III 3 genommenen Abs. 4 die Regelung des Vorfahrtsrechts bei Kreisverkehr ein und strich den Abs. 6 über den Vorrang der örtlichen Einzelverkehrsregelung vor den Grundsätzen des § 13. 2
II. Die Neuregelung 1970 Die Vorfahrtregeln des Abs. 1 sind gegenüber den Regeln des § 13 StVO 1937 wesentlich vereinfacht. Der Unterschied zwischen Vorfahrt innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften ist den Empfehlungen der „Cemt" folgend entfallen. Die Sonderfälle der sog. abknickenden Vorfahrt und der Anschlußstellen von Bundesautobahn (§ 13 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 StVO 1937) sind nunmehr bei den Verkehrszeichen (Z. 206, 306) und bei § 18 geregelt. Die besonderen Vorschriften für den sog. Kreisverkehr (§ 13 Abs. 4 StVO 1937) wurden gestrichen, da es entsprechende Vorschriften im übrigen Europa nicht gibt. Für den Kreisverkehr gelten daher die allgemeinen Regeln, er kann durch die normalen Vorfahrtzeichen entsprechend abgeschirmt werden. Das früher in § 9 Abs. 2 StVO 1937 enthaltene Gebot, vor dem Einbiegen in eine Vorfahrtstraße oder ihrer Uberquerung „mäßige" Geschwindigkeit einzuhalten wurde als selbstverständlich gestrichen. Der Hinweis in Abs. 1 Nr. 1 auf die abweichende Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen ist nach der Systematik der StVO ohne rechtliche Bedeutung, weil sich die Ausnahmen aus den Zeichen ohne weiteres ergeben. Er ist im übrigen unvollständig: Audi Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten (§ 36) und Wechsellichtzeichen (§ 37) gehen vor. Abs. 1 enthält im übrigen die Grundregel „rechts vor links" und die wichtige Ausnahme von der Grundregel f ü r Feld- und Waldwege. Daß den Benutzern von Feld- und Waldwegen beim Einfahren in eine andere Straße auch dann die Vorfahrt genommen wurde, wenn sie von rechts kommen, entspricht dem Bedürfnis der Praxis und macht die etwas künstlichen Abhilfeversuche der Rechtsprechung insoweit überflüssig; (im einzelnen s. unten RNr. 23). Es erschien zweckmäßig, auch die vom Gesetzgeber verstreut an verschiedenen Stellen des Teil II behandelten Ausnahmen von der Vorfahrtgrundregel hier zusammenzufassen; (s. unten R N r . 24-28). Als überholt konnte ausgeschieden werden, was von der Rechtsprechung zu dem Begriff und zu der rechtlichen Bedeutung der Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften 1 ), zur Vorfahrt beim Aufeinandertreffen 2 ) solcher Vorfahrtstraßen und zu dem sog. ver») BayObLGSt. 58, 196 (19. 8. 58) = VRS 16, 217; BGH 24. 4. 64, DAR 64, 224 = VerkM i « . 64, 5 7 = N J W 64, 1332; BGH(Z) 28. 6.
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60, N J W 60, 2097; BayObLGSt. 63, 134 (8. 5. 63) = VRS 25, 469 = VerkMitt. 63, 69.
Neuregelung; A m t l .
StVO
Begründung
§8
einsamten Dreieckzeidien 3 ) erarbeitet w o r d e n war. Das vereinsamte Vorfahrtzeichen (Z. 205, 206) gibt d e m Benutzer der Straße, v o r der es angebracht ist, nun auch dann die Vorfahrt, w e n n in der bevorrechtigten Straße ein Zeichen (301 od. 306) fehlt (unten R N r . 22).
III. Amtliche Begründung Zu S S Diese Vorschrift wendet sich an den Fahrverkehr und an solche Fußgänger, die auf der Fahrbahn Fahrzeuge mitführen. Zu Absatz 1: Der Absatz bestimmt, wer die Vorfahrt an Kreuzungen und Einmündungen hat. Er bringt keine Änderung des bestehenden Rechtszustandes. Mit Recht hat es die Rechtsprechung für erforderlich gehalten, dort, wo ein unbedeutender Seitenweg einmündet, zwar keine Ausnahme von dem Grundsatz „Rechts vor Links" zu machen, aber dem Benutzer eines solchen Seitenweges ein Verhalten vorzuschreiben, das eine Gefährdung der Benutzer der querenden Straße ausschließt. Diese Rechtsprechung, die sich auf § 1 stützt, kann und soll auch künftig bestehen bleiben, obwohl nun in Anlehnung an das Weltabkommen den Benutzern von Feldund Waldwegen die Vorfahrt genommen wird. Daß damit Wiesen-, Sand- und Moorwege gleichfalls gemeint sind, kann nicht zweifelhaft sein. Die übergroße Zahl der Benutzer eines Feldweges kennt diesen als solchen, so daß schon aus diesem Grunde die Bestimmung dem Verkehr auf der anderen Straße weitgehend Schutz gewähren wird. Dennoch dürfen auch Ortsfremden, wenn dem Verkehr wirklich gedient sein soll, keine komplizierten Überlegungen zugemutet werden. Daher darf überall dort, wo nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, daß es sich um einen Feld- oder Waldweg handelt, die Beschilderung nicht fehlen. Das wird die Vwv vorschreiben. Zu Absatz 2: , , Dieser Absatz sagt dem Wartepflichtigen, wie er sich zu verhalten hat. Die StVO (alt) schweigt im wesentlichen darüber. Da sich nach den Unfallstatistiken die Vorfahrtverletzung seit Jahren als besonders gefährliches Delikt erwiesen hat und dabei Personenschäden eine beträchtliche Rolle spielen („Bei jedem fünften Unfall, der auf Verletzung der Vorfahrt beruht, werden Personen verletzt oder getötet" — Meyer-Jacobi-Stiefel, Band I S. 58), ist es Aufgabe des Gesetzgebers, solche Verhaltensvorschriften zu geben. Er kann sich dabei an die von der Rechtsprechung erarbeiteten, sachgerechten Grundsätze halten. In Satz 1 erscheint zunächst der Rechtsgedanke wieder, der bisher in § 9 Abs. 2 StVO (alt) nur einen unzulänglichen Niederschlag gefunden hatte. „Wer in eine Vorfahrtstraße . . . einbiegen oder diese überqueren will, hat mäßige Geschwindigkeit einzuhalten" fordert von etwa — die Wartepflicht setzt einen anderen, der die Vorfahrt hat, voraus — Wartepflichtigen zu viel und gibt dem anderen zu wenig. Ist eine Kreuzung nach beiden Seiten weithin übersehbar und nähert sich dort kein Fahrzeug, dann besteht kein Anlaß, die Fahrgeschwindigkeit zu ermäßigen. Dagegen erfordert es die Flüssigkeit des Verkehrs nicht nur auf Kreuzungen, wo die Vorfahrt durch Verkehrszeichen geregelt ist, sondern auch überall dort, wo an Kreuzungen „Rechts vor Links" gilt, daß der Wartepflichtige demjenigen, der die Vorfahrt hat, rechtzeitig zu erkennen gibt, daß er warten wird. Das gilt nicht bloß dort, wo die gegenseitige Annäherung auf weite Strecken zu erkennen ist, sondern und vor allem dort, wo dies erst auf kürzere Entfernung möglich ist. Das geforderte „Fahrverhalten" besteht vor allem darin, die Geschwindigkeit rechtzeitig zu mäßigen. Je später sich die beiden sehen können, um so geringer muß die Geschwindigkeit des Wartepflichtigen sein. Die Vorschrift will der verbreiteten, den Verkehrsfluß hemmenden und denjenigen, der die Vorfahrt hat, irritierenden Unsitte Wartepflichtiger steuern, an die Kreuzung forsch heranzufahren und erst auf den letzten Metern scharf zu bremsen. Der zweite Satz gibt die Anforderungen wieder, welche an den Wartepflichtigen unmittelbar vor der Kreuzung gestellt werden. Sie sind im Hinblick auf das Weltabkommen gegenüber den sehr strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung bisher stellte, geringfügig gelockert worden. Das Weltabkommen verbietet dem Wartepflichtigen nur dann, seine Fahrt fortzusetzen, wenn er dadurch den Vorfahrtberechtigten zwingen könnte, Richtung oder Geschwindigkeit unvermittelt zu ändern. Damit nimmt das Weltabkommen jedenfalls eine nicht besonders erhebliche Behinderung des Vorfahrtberechtigten in Kauf. Das ist sachgerecht. Es kann dem Vorfahrtberechtigten sehr wohl zugemutet werden, auch einmal zugunsten eines Wartepflichtigen wenigstens den Fuß vom Gashebel zu nehmen, obwohl er dadurch schon behindert wird. Die Wiederholung der schon in § 5 Abs. 2 verwendeten Formulierung „übersehen kann" unterstreicht, daß auch hier eine angestrengte Beobachtung des Verkehrs auf der anderen Straße gefordert 2
) Teil A III 5 der Anlage zur StVO 1937; BayObLGSt. 55, 109 (15. 6. 55); 56, 278 (12. 2. 56) = VRS 12, 143; vgl. 21. Aufl. Anm. 27 zu § 13 StVO 1937; BGH(Z) 28. 6.
3
60, DAR 60, 291 = N J W 60, 2097 = VRS 19, 172 = VerkMitt. 61, 15. ) BGHSt. 8, 107 (14. 7. 55), BayObLGSt. 54, 148 (15. 12. 54); 55, 34 (9. 3. 55).
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wird. Ob sich dieser Verkehr auf der richtigen oder auf der falschen Straßenseite bewegt, ist ebenso belanglos, wie, ob dieser eine angemessene Geschwindigkeit einhält. Jedes Verschätzen geht auch hier zu Lasten des Wartepflichtigen. In Satz 2 wird für das Verhalten des Wartepflichtigen vorausgesetzt, daß dieser den Verkehr auf der anderen Straße übersehen kann. Dann muß man ihm bei Unübersichtlichkeit solches „Ubersehen" auch ermöglichen. In solchen Fällen erlaubt daher Satz 3 dem Wartepfliditigen, sidi vorsichtig in die Kreuzung hineinzutasten, bis er die Ubersicht hat. Der plastische Ausdruck „hineintasten" wurde der Rechtsprechung entnommen. Der letzte Satz übernimmt die Rechtsprechung, wonach der Abbiegende seine Vorfahrt nicht durch das Abbiegen verliert und ein Vorfahrtfall auch schon dann vorliegt, wenn die Fahrlinien der beiden Fahrzeuge sich nicht kreuzen, sondern sich nur nähern. Zu Absatz 3: Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, sind nicht dem Fahr-, sondern dem Fußgängerverkehr zugeordnet (vgl. § 25 Abs. 2). Satz 2 dient deshalb nur der Klarstellung.
I. Allgemeines
B. Begriff der Vorfahrt
Vorfahrt ist gesetzestechnischer Ausdruck f ü r alle in § 8 geregelten Vorränge eines von zwei Fahrzeugen, die an einer Straßenkreuzung oder -einmündung aus verschiedenen Straßen aufeinander zukommen. Die Bezeichnung „Vorfahrt" sollte diesen Vorgängen vorbehalten bleiben und nicht auf andere Vorgänge ausgedehnt werden, bei denen einem Verkehrsteilnehmer gegenüber einem anderen sonst ein „Vorrang" eingeräumt wird. Unter Vorfahrt versteht man das Recht des Fahrzeugführers beim Zusammentreffen mit einem anderen Fahrzeug, die gemeinsam beanspruchte Fahrbahnstelle vor diesem zu überqueren. Dabei ist nicht entscheidend, ob sich die Fahrlininen kreuzen, es genügt, wenn sie sich berühren oder in bedenklichen Weise nähern 4 ). Vorfahrt gibt es nur im öffentlichen Verkehrsraum (vgl. § 1 R N r . 8), also nicht auf einem nur mit besonderem Ausweis befahrbaren Gelände eines städtischen Großmarktes 5 ); auch dann nicht, wenn der Benützer einer neuerrichteten, dem öffentlichen Verkehr noch nicht übergebenen Bundesstraße mit dem Benützer einer diese überquerenden öffentlichen Straße zusammentrifft'). Ein teilweises oder vorübergehendes Verkehrsverbot beseitigt das Vorfahrtsrecht nicht. Dagegen soll ein absolutes Verkehrsverbot das Vorfahrtsrecht ausschließen und der an sich Wartepflichtige soll mit verbotswidrigem Verkehr nicht zu rechnen brauchen 7 ). § 8 regelt das Vorfahrtsrecht von Fahrzeugen, die an Straßenkreuzungen und -einmündungen aus verschiedenen Straßen herankommen, nidit den Fall, daß von zwei sich auf derselben Straße aufeinander zu bewegenden Fahrzeugen das eine abbiegend die Richtung des anderen kreuzen will, sei es um zu wenden oder in eine Seitenstraße oder in ein Grundstück einzubiegen (§ 9 Abs. 3, 5); ebensowenig die Frage, welches von zwei entgegenkommenden Fahrzeugen zuerst durdi eine Engstelle fahren darf; dies gilt selbst dann, wenn die Mittellinien der beiden Straßenabschnitte in der Engstelle in einem Winkel aufeinanderstoßen und sich auf der Innenseite des Knicks ein Sichthindernis befindet 8 ) (vgl. § 1 R N r . 103-110). Audi auf einen in gleicher Richtung verlaufenden Verkehr kann § 8 nicht angewandt werden 9 ). Die allgemeine Pflicht des Verkehrsteilnehmers, Schienenfahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen, wird in § 2 Abs. 3 u. § 9 Abs. 1 u. 3 behandelt. Kreuzung und Einmündung sind Rechtsbegriffe 10 ). Von Kreuzung spricht man, wenn zwei (oder mehr) Straßen sich schneiden, also jede über den Schnittpunkt hinaus ihre Fortsetzung hat; von Einmündung, wenn zwei (oder mehr) Straßen derart zusammentreffen, daß sie nur eine (gemeinsame) Fortsetzung haben; dabei ist f ü r den Rechtsbegriff der Einmündung gleichgültig, ob eine Straße auf eine andere auftrifft oder ob sie sich derart teilt, daß 4
) B G H 18. 9. 64, VerkMitt. 65, 27. 5) BGH(Z) 9. 10. 62, VRS 24, 18 = MDR 63, 41 = VerkMitt. 63, 9 = VkBl. 63, 139 = DRspr. II (292) 54 f. «) BayObLG 2. 12. 64, 1 a St 521/1964.
7
) Karlsruhe 2. 11. 67, VRS 35, 154 = DRspr. II (292) 85 b, c. Vgl. Düsseldorf 16. 6. 66, VRS 31, 456; Ries in DAR 67, 179. 8 ) BayObLG 11. 1. 67, VRS 33, 138. «) O G H 9. 1. 50, VkBl. 50, 150. «') BGH 12. 4. 51, DAR 51, 96 = VRS 3, 180.
StVO
Begriff der Vorfahrt
§ 8
jede als Fortsetzung der bisherigen gelten kann 1 1 ). Für das gegenseitige Verhältnis der Benutzer zweier Nebenstraßen, die an der gleichen Stelle in eine Vorfahrtstraße einmünden, gilt der Grundsatz „rechts vor links" 1 2 ). Liegen die Einmündungen auch nur einige Meter auseinander und hat sich der von links Kommende bereits in den Zug der bevorrechtigten Straße eingeordnet, so genießt er auch gegenüber dem aus der anderen Seitenstraße von redits Kommenden die Vorfahrt 1 3 ). Berührt eine Kreuzung (Einmündung) bei Straßen mit mehreren Fahrbahnen nur eine der beiden, so fehlt es an einer Kreuzung (Einmüngung) bezüglich der anderen 1 4 ). Ähnlich, wenn an einer Kreuzung, vor der für Linksabbieger ein eigenes Straßenstück nach links an die Querstraße heranführt, für den Linksabbiegeverkehr und den Querverkehr von rechts gleichzeitig durch Grünlicht freie Fahrt gegeben wird und die gemeinsame Straßenfortsetzung ihrer Breite nach zur Aufnahme von mehrspurigem Verkehr ausreicht. Hier sollen die Regeln für das „Nebeneinanderfahren" gelten und nicht die Vorfahrtregeln 1 5 ). Kreuzen zwei Fahrzeuge einander beim Überqueren eines nicht von Straßen mit eigener Fahrbahn durchzogenen großen Platzes, so steht keinem die Vorfahrt nach § 8 zu. Die Fahrer haben jedoch nach § 1 den Grundsatz „rechts vor links" zu beachten 1 6 ). Dagegen findet bei einer platzartigen Erweiterung der Fahrbahn im Verhältnis zu einem aus einer Seitenstraße einfahrenden Fahrzeug die Regel des § 8 Abs. 1 Anwendung. Es handelt sich um einen echten Vorfahrtfall. Anders wenn ein Fahrzeug von der platzartigen E r weiterung einer Vorfahrtstraße in die Vorfahrtstraße einfährt. Eine von der Straße nicht getrennte platzartige Erweiterung bildet an ihrem Ubergang zur Straße keine Kreuzung (Einmündung) 1 7 ). (Vergl. aber § 10 S. 1). Gabelt sich eine Straße vor ihrer Einmündung in eine andere in zwei Äste, von denen keiner als die alleinige Fortsetzung der bisherigen Straße angesehen werden kann, so soll im Verhältnis zwischen einem Fahrzeug, das von der Straße aus in den rechten Ast einfährt und einem aus dem linken Ast entgegenkommenden Fahrzeug kein Vorfahrt-, sondern ein Begegnungsfall vorliegen 1 8 ). Die Frage, wem die Vorfahrt zusteht, ist eine Rechtsfrage, deren Entscheidung dem Richter obliegt. Gutachtliche Äußerungen der Verwaltungsbehörde oder eines Sachverständigen über die Vorfahrtlage sind für den Richter höchstens Erkenntnisquellen. Die Tatsachen (z. B. Verkehrszeichen), aus denen sidi die Vorfahrt ergibt, müssen in den Urteilsgründen festgestellt werden, weil sonst nicht nachgeprüft werden kann, ob die Rechtsfrage richtig gelöst ist. N u r der Führer eines in Bewegung befindlichen Fahrzeugs kann die „Vorfahrt" haben. Zu den Fahrzeugen zählen nach Abs. 3 nicht die von Fußgängern auf der Fahrbahn mitgeführten Fahrzeuge; vgl. § 25 Abs. 2. Deshalb kann einem Radfahrer, der aus einer Nebenstraße kommend sein Rad beim Überqueren der Vorfahrtstraße führt und erst danach am rechten Straßenrand wieder besteigt, keine Vorfahrtsverletzung zur Last gelegt werden, wenn er bei Fortsetzung seiner Fahrt auf der bevorrechtigten Straße von einem Kraftfahrzeug angefahren wird 1 9 ). Nach überwiegender Meinung verlor der Fußgänger auch nadi der früheren Rechtslage seine Eigenschaft als Fußgänger dadurch nicht, daß er ein Fahrzeug mit sich führte. In mehreren Bestimmungen der S t V O 1937, insbesondere § 25 letzter Halbsatz und § 37 Abs. 5 u. 6 kam klar zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber — wie auch die allgemeine Verkehrsauffassung — das Schieben von Fahrrädern, ebenso wie das Mitführen " ) BGH wie Fußn. 10; Köln 13. 11. 64, JMB1NRW 65, 201; vgl. aber Stuttgart 7. 8. 59, DAR 59, 334. 12 ) Hamburg 9. 2. 65, VRS 29, 126. 13 ) Bremen 30. 3. 65, DAR 65, 179. 1 4 ) BayObLG 10. 2. 53, 2 St 448/1952. 1 5 ) BayObLGSt. 66, 16 (9. 2. 66) = VRS 31, 127 = DAR 66, 250 = VerkMitt. 66, 36 = VkBl. 66, 520 = DRspr. II (292) 75 a.
) Stuttgart 2. 2. 62, VRS 23, 461; vgl. LG Hannover 6. 6. 63, VersR 64, 250. " ) BayObLG 17. 7. 56, 2 St 269/1956. 18 ) BayObLGSt. 69, 119 (25. 7. 69) = VRS 38, 220 = VerkMitt. 69, 81 = DRspr. II (292) 96 a. »») BGH(Z) 20. 1. 70, VersR 70, 328. 16
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von Handwagen von weniger als 1 m Breite dem Fußgängerverkehr zuordnete 20 ). Nadi § 24 Abs. 1 sind auch Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller 2 1 ) und ähnliche Fortbewegungsmittel nidit Fahrzeuge im Sinne der VO. Das Vorfahrtsrecht hängt nicht davon ab, ob der Bevorrechtigte vorwärts oder rückwärts fährt. Allerdings trifft den Rückwärtsfahrenden eine erhöhte Sorgfaltspflicht: § 9 Abs. 5 22 ). Vorübergehendes Halten zur Prüfung der Verkehrslage hebt das Vorfahrtsrecht nicht auf, fordert nur besondere Vorsicht 23 ). Fahren auf einer Vorfahrtsstraße mehrere Fahrzeuge hintereinander, so steht auch den hinteren Fahrzeugen die Vorfahrt zu 24 ). Ein besonderes Vorfahrtsrecht für bestimmte Fahrzeugarten (z. B. öffentliche Verkehrsmittel) besteht nicht mehr; alle Fahrzeugarten sind gleichberechtigt; Abs. 3 S. 1. Lediglich nach §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 2 kann gegenüber schwerbeweglichen Fahrzeugen in besonderen Verkehrslagen eine Rücksichtnahme erforderlich sein 25 ). Ein etwaiges Vorrecht von nach rechts abbiegenden Schienenfahrzeugen nach § 2 Abs. 3 könnte nur gegenüber dem Längsverkehr gelten (§ 2 R N r . 27). Es berührt nicht die Vorfahrtregeln des § 8. Diese gelten nur für den Verkehr auf mehreren Straßen, nicht für das Verhältnis zwischen Fahrzeugen auf einer Straße und einer kreuzenden Schienenbahn auf besonderem Bahnkörper 2 6 ); dieses wird durch Z. 201 geregelt. Dagegen gelten für Schienenfahrzeuge, die im Bereich einer Straße nicht auf besonderem Bahnkörper fahren, die gleichen Regeln wie für den übrigen Verkehr. Diese Schienenfahrzeuge haben daher die Vorfahrt anderer Fahrzeuge zu beachten. Eine Grundstücksausfahrt ist kein einmündender Weg 27 ). Deshalb sind keine Vorfahrtregeln anzuwenden, wenn sich eine Straßenbahn und ein Kraftfahrzeug an einem Überweg kreuzen, der zu einem Grundstück führt 2 8 ). Auch Ausfahrten aus Grundstücken, die dem öffentlichen Verkehr dienen, z. B. Parkplätzen, werden den Grundstücksausfahrten gleichgesetzt 28 ). Wer von ihnen aus in die Fahrbahn einfahren will hat sich nach § 10 so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Den Vortritt hat also der fließende Verkehr, gleichgültig, ob er von rechts oder von links kommt. Ob Grundstücksausfahrt oder Weg kann zweifelhaft sein. Handelt es sich wenn nicht um eine Grundstüdesausfahrt, so doch höchstens um einen Feld- oder Waldweg, dann entfällt das Vorfahrtsrecht des Ausfahrenden gegenüber von links kommenden Fahrzeugen schon nach § 8 Abs. 1 Nr. 2. In anderen Zweifelsfällen muß der Ausfahrende von der erhöhten Sorgfalt nach § 10 S. 1, der von links Kommende von der Wartepflicht nach § 8 Abs. 1 ausgehen' 0 ). Ein Vorfahrtfall ist auch dann gegeben, wenn zwar eine nachträgliche Berechnung ergibt, daß die Fahrzeuge nicht zusammengestoßen wären, falls jedes mit gleicher Geschwindigkeit geradeaus weitergefahren wäre, wenn der Vorfahrtberechtigte aber unter dem Eindruck der augenblicklichen Verkehrslage Maßnahmen zum Vermeiden eines Zusammenstoßes mit dem Wartepflichtigen trifft, die vom Standpunkt eines sorgfältigen Fahrzeugführers aus geboten erscheinen 31 ). Anders, wenn der Benutzet 1er untergeordneten Straße ) Anders nach früherem Recht vgl. BGH(Z) 3. 7. 62, VersR 62, 982 = VerkMitt. 63, 3 ; vgl. Begründung zu Art. 2 Nr. 19 der VO zur Änderung der Vorschriften des Straßenverkehrsrechts v. 14. 3. 56, VkBl. 56, 418; Erl. d. BMV v. 27. 8. 58, VkBl. 58, 515. 2 1 ) Zu § 13 StVO 1937; Düsseldorf 8. 9. 60, VerkMitt. 61, 83. 2 2 ) Karlsruhe 15. 7. 65, DAR 66, 2 7 ; vgl. BGHSt. 13, 368 (13. 11. 59) = D A R 60, 80 = N J W 60, 395 = VkBl. 60, 392 = VRS 18, 136; Braunschweig 8. 12. 61, VRS 23, 146. 2 S ) BGH(Z) 5. 11. 57, D A R 58, 50. 20
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>) BGH 21. 1. 64, VersR 64, 408. 25) BGH 21. 5. 63, VRS 25, 249. 2 6 ) Hamburg 26. 11. 64, VerkMitt. 65, 47; Hamm 28. 7. 66, VerkMitt. 67, 7 = DRspr. II (292) 78 f. Oldenburg 15. 1. 52, VkBl. 53, 224. 28) BGH(Z) 3. 11. 61, VRS 22, 17, 20. 2 ») KG 2. 5. 68, VRS 35, 458 = DRspr. II (292) 91 a. 3 °) Köln 8. 11. 63, DAR 64, 4 9 ; ähnlich Wimmer, DAR 67, 182; vgl. Oldenburg 17. 5. 67, VerkMitt. 67, 52; Hamm 29. 2. 68, VRS 35, 307 = VerkMitt. 68, 85. 3 1 ) BayOblG 2. 10. 62, VRS 24, 238. 2
Vorfahrt beim Abbiegen und Einbiegen
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§ 8
die Vorfahrtstraße eindeutig so frühzeitig überquert, oder sidi in sie einordnet, daß der Vorfahrtbereditigte nicht gefährdet, ja nicht einmal behindert wird 32 ). II. Vorfahrt beim Abbiegen und Einbiegen Die Bevorrechtigung einer Straße gilt f ü r den Längsverkehr auf ihr, nicht auch für das Einbiegen in sie33). Begegnen sich im Zuge der untergeordneten Straße zwei Fahrzeuge auf einer Kreuzung und will das eine in die Vorfahrtstraße abbiegen, so hat es gegenüber dem anderen nicht die Vorfahrt nadi § 834). Ebensowenig hat die Vorfahrt, wer nach Überqueren der Vorfahrtstraße in einen, von dort einmündenden Seitenstraßen gebildeten, trichterförmigen Vorraum einfährt 35 ). Dagegen steht dem Benutzer der bevorrechtigten Straße die Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen, die auf einer einmündenden oder die Vorfahrtstraße kreuzenden nichtbevorrechtigten Straße herankommen auch dann zu, wenn er in diese Straße abbiegt (Abs. 2 S. 4). Ebenso hat beim Fehlen von Verkehrszeichen die Vorfahrt, wer nadi links in eine andere Straße einbiegt, gegenüber den auf dieser Straße von links kommenden Fahrzeugen. Dem von rechts kommenden Radfahrer steht die Vorfahrt in diesem Falle auch dann zu, wenn an der Straße, in die er einbiegt, ein in beiden Richtungen benutzbarer Radweg vorhanden ist36). Die Frage war früher bestritten, wurde aber durch den Beschluß des BGH vom 7.1. 195937) geklärt. Es kommt daher nicht darauf an, ob sich die Fahrlinien des Vorfahrtberechtigten und des Wartepflichtigen schneiden oder auch nur bei verkehrsgerechtem Fahren gefährlich nähern. Der Vorfahrtbereditigte ist allen Benutzern der untergeordneten Straße gegenüber bevorrechtigt, gleichviel wohin er selbst fährt und wohin die Wartepflichtigen zu fahren beabsichtigen. Dieser Grundsatz hängt mit dem weiteren Grundsatz zusammen (vgl. unten R N r . 13), daß der zur Vorfahrt Berechtigte sein Vorrecht nicht einbüßt, wenn er sich selbst verkehrswidrig verhält, also beispielsweise auf der Straßenmitte fährt, statt rechts oder nach rechts in weitem, nach links in zu engem Bogen einbiegt usw. Ein Vorfahrtsfall liegt deshalb auch vor, wenn eine gefährliche Annäherung des Vorfahrtberechtigten und des Wartepflichtigen nur dann möglich ist, wenn sidi der Bevorrechtigte verkehrswidrig verhält. Beispiel: Der Berechtigte biegt von der Vorfahrtstraße nach links in so engem Bogen ab, daß er dabei vor den Wartepflichtigen gerät, der ihn erst spät wahrnehmen kann 38 ). Allerdings steht ihm das Vorrecht nur solange zu, als er sich mindestens noch mit einem Teil seines Fahrzeugs auf der Vorfahrtstraße befindet. Hat er diese völlig hinter sich gelassen, dann erlischt sein Vorfahrtsrecht. Zur Frage der örtlichen Begrenzung der Vorfahrtsfälle s. im übrigen unten R N r . 6. Gegenüber einem auf der gleichen Straße Entgegenkommenden ist eine Vorfahrt nach § 8 begrifflich nicht möglich. Wer nach links abbiegt, muß den Entgegenkommenden nadi § 9 Abs. 3 S. 1 durchfahren lassen. Auch der Fall, daß der eine Verkehrsteilnehmer von der Vorfahrtstraße nach links, der Entgegenkommende in die gleiche Seitenstraße nadi rechts einbiegt, ist kein Vorfahrtsfall nach § 8, weil dieser zur Voraussetzung hat, daß die Beteiligten aus verschiedenen Straßen kommen. Der Fall war früher nach § 8 Abs. 3 S. 3 a. F. zu behandeln 38 ). Nun ist er in § 9 Abs. 4 ausdrücklich geregelt; s. dort R N r . 42. 32
) BGH(Z) 29. 11. 60, VersR 61, 178; B G H 1. 7. 60, VRS 19, 277; Stuttgart 13. 12. 51, DAR 52, 57; Schleswig 4. 7. 51, VkBl. 51, 488 33 ) Zus't. Köln 17. 9. 57, D A R 58, 54. 34 ) München 18. 3. 37, VAE 37, 363; s. auch BGH 21. 12. 55, DAR 56, 80. 35 ) Köln 28. 4. 59, VRS 17, 392. 36 ) Oldenburg 1. 4. 69, VRS 37, 389 = VerkMitt. 69, 62 = DRspr. II (292) 91 b. 37 ) BGHSt. 12, 320 (7. 1. 59) = N J W 59, 638 = VRS 16, 309; BGH(Z) 18. 9. 64, VersR 64, 1195; so audi scbon RGSt. 76, 44; BayObLGSt. 55, 27 (15. 2. 55) = VRS 8, 376;
Oldenburg 1. 4. 52, N J W 52, 756 entgegen BGH(Z) 30. 1. 53, VRS 5, 176, Stuttgart 11. 5. 56, VRS 11, 391 und der in früheren Auflagen dieses Buches vertretenen Ansicht (21. Aufl. S. 894 f.), sowie neuerdings LG Braunschweig 17. 5. 60, MDR 61, 601. 38 ) BGH(Z) 18. 9. 64, VersR 64, 1195; Celle 10. 12. 59, VersR 60, 951; a. M. Hamm 13. 8. 63, VRS 26, 462. 3») So Hamm 14. 12. 56, VRS 12, 460; Neustadt 19. 5. 61, DAR 62, 135; vgl. München 28. 12. 60, VersR 61, 264; a. M. Saarbrücken 22. 9. 60, VRS 21, 130; Bremen 1. 7. 64, VerkMitt. 64, 96.
§8
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Für Straßen mit getrennten Fahrbahnen gelten keine besonderen Vorschriften: Ob es sich um eine und dieselbe Straße mit mehreren getrennten Fahrbahnen oder um zwei verschiedene Straßen handelt, wird vom äußeren Anschein bestimmt 4 0 ). Wer nach links abbiegt, muß den Gegenverkehr nach § 9 Abs. 3 S. 1 auch dann durchfahren lassen, wenn die Fahrbahnen getrennt sind. Ein Vorfahrtsfall nach § 8 Abs. 1 wird aber dann angenommen, wenn der Benutzer einer Straße mit zwei gleichartigen, durch einen breiten Mittelstreifen getrennten Fahrbahnen nach links in eine kreuzende bevorrechtigte Straße einbiegt. Er erlangt gegenüber den Benutzern der anderen gleichartigen Fahrbahn die Vorfahrt nach § 8 Abs. 1, sobald sein in die bevorrechtigte Straße eingebogenes Kraftfahrzeug wie ein auf dieser herankommendes Fahrzeug erscheint 41 ). Dabei soll es genügen, wenn er nach dem Verlassen der Kreuzung seiner bisherigen Fahrbahn mit der bevorrechtigten Straße mit dem ganzen Fahrzeug bereits auf der H ö h e des Mittelstreifens, wenn auch in Schrägstellung fährt 4 2 ). Ist die mit zwei getrennten Fahrbahnen versehene Straße die bevorrechtigte und die kreuzende Straße die untergeordnete, dann ist entsprechend der von der einen Fahrbahn der bevorrechtigten Straße nach links in die kreuzende Straße Einbiegende dem Gegenverkehr auf der bevorrechtigten Straße gegenüber nach § 8 und nicht nach § 9 wartepflichtig 43 ). Ähnlich liegt der Fall, wenn ein Fahrzeug aus einer nach links versetzten gegenüberliegenden Straße (die nicht „dieselbe" ist) entgegenkommt und nach links in eine Vorfahrtstraße einbiegt. Hier hat das entgegenkommende Fahrzeug die Vorfahrt, wenn es sich schon voll in die Vorfahrtstraße eingeordnet hatte, bevor das andere Fahrzeug an die Einmündung in die Vorfahrtstraße herankam 4 4 ).
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III. Vorfahrtbereich An, nicht auf Kreuzungen besteht die V o r f a h r t ; die Vorfahrt erstreckt sich auf die ganze Breite der Vorfahrtstraße einschließlich dem neben der Fahrbahn liegenden Radweg 4 5 ). Die Vorfahrtberechtigung erfaßt auch den Verkehrsraum der bevorrechtigten Straße links neben einer ununterbrochenen Leitlinie 4 6 ). Ist die Einmündung der bevorrechtigten Straße trichterförmig erweitert, so erstreckt sich die Vorfahrt des aus der bevorrechtigten Straße Einbiegenden auf die ganze, bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterte Fahrbahn der bevorrechtigten Straße 4 7 ). Solange der Wartepflichtige keinen Einblick in den Einmündungstrichter hat, muß er sich darauf einstellen, nötigenfalls an dessen Beginn anhalten zu können 48 ). Der Bereich, in dem die Vorfahrtregeln gelten, beschränkt sich auf den durch die Fluchtlinie der Vorfahrtstraße begrenzten R a u m . H a t der Vorfahrtberechtigte diesen völlig verlassen, so erlischt sein Vorrecht. Allerdings genügt es f ü r die Annahme einer Vorfahrtsverletzung, wenn der Vorfahrtsberechtigte, solange er sich noch auf der Vorfahrtsstraße befindet, in seiner freien Fahrt beeinträchtigt wird. Auch wenn ein Zusammenstoß erst nach der Überquerung der Vorfahrtstraße durch den Wartepflichtigen im Einmündungsbereich des jenseitigen Zweiges des untergeordneten Straßenzuges erfolgt, kann deshalb ein Vorfahrtsfall angenommen werden 4 9 ). Der von der Vorfahrtstraße nach rechts oder links Abbiegende ist also dem aus der Seitenstraße Herankommenden gegenüber nur solange bevorrechtigt, als er sich mindestens mit einem Teil seines Fahrzeugs noch im Bereich der Vorfahrtstraße befindet. Aber auch dort gilt das Vorrecht nicht unbeschränkt. Beim Ausfahren « ) KG 19. 5. 60, VerkMitt. 61, 41. 41 ) BGH(Z) 23. 2. 60, NJW 60, 816 = VRS 18, 252; BGHSt. 16, 19 (15. 3. 61) = VRS 20, 372; Hamburg 30. 5. 62, VRS 24, 234. 42 ) BayObLGSt. 63, 67 (5. 3. 63) = VkBl. 63, 218 = VerkMitt. 63, 67 = VRS 25, 468. 43 ) Hamm 26. 2. 65, VRS 29, 231. 44 ) Celle 22. 8. 63, VRS 26, 303. 45 ) Hamburg 21. 3. 63, DAR 63, 273. 4 °) Oldenburg 8. 10. 63, NdsRpfl. 63, 286 = DAR 64, 142 = DRspr. II (292) 62 c; 9. 5. 68, DAR 68, 329; Hamburg 6. 3. 68,
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DAR 68, 250 = VRS 35, 220 = VerkMitt. 69, 63. " ) BGHSt. 20, 238 (9. 7. 65) = DAR 65, 249 = NJW 65, 1772 = MDR 65, 841 = VerkMitt. 65, 84 = VRS 29, 144 = DRspr. II (292) 71 b gegen Hamm 22. 5. 64, VRS 28, 393; 6. 4. 65, VRS 29, 50. 4®) BayObLGSt. 70, 177 (16. 9. 70) = VRS 40, 78 = VerkMitt. 70, 95 = DRspr. II (292) 101 e. 49 ) Hamm 16. 5. 66, VRS 32, 65.
Vorfahrtbereidi
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aus dem Kreuzungs- bzw. Einmündungsviereck muß der Vorfahrtberechtigte auf die für ihn rechte Seite der untergeordneten Straße gelangen. Auch wenn er sich noch mit einem Teil seines Fahrzeugs im Kreuzungsviereck befindet, kann er sich dann nicht auf seine Vorfahrt berufen, wenn er in engem Bogen auf die linke Fahrbahnseite der anderen Straße einbiegt und dort außerhalb der Kreuzung mit einem Wartepflichtigen zusammenstößt. Für den außerhalb der Fluchtlinie der Vorfahrtstraße liegenden R a u m sind, falls vorhanden, die für diesen bestimmten amtlichen Verkehrszeichen maßgebend. Fehlen solche Verkehrszeichen, dann kann sich höchstens aus der Grundregel des § 1 i. V. mit § 11 Abs. 2 für den Benutzer der Seitenstraße die Pflicht ergeben, dem aus der Vorfahrtstraße Einbiegenden das Einbiegen zu ermöglichen (z. B. einem Lastzug) 5 0 ). Die Vorfahrt ist zwar auf den durch die Fluchtlinie der Vorfahrtstraße, nicht aber auf den durch die Fluchtlinie der untergeordneten Straße begrenzten R a u m , also insoweit nicht auf den Bereich der Kreuzung (Einmündung) beschränkt. Beim Einbiegen aus einer einmündenden Seitenstraße dauert die Wartepflicht mindestens bis zur vollständigen Einordnung in den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße an, auch wenn die beiden Fahrlinien sich erst jenseits der Einmündungsfläche berühren 5 1 ). Im Einzelfall kann eine Vorfahrtsverletzung sogar dann noch in Frage kommen, wenn dem Einbiegenden die Einordnung in die Vorfahrtstraße nodi vor dem Zusammenstoß mit dem Vorfahrtberechtigten voll gelungen ist 52 ). Das gilt, gleichgültig ob der Wartepflichtige in die Vorfahrtstraße nach rechts oder nach links einbiegt. Der Wartepflichtige, der in eine bevorrechtigte Straße in engem Bogen nach links eingebogen ist und sie allmählich schräg zur Mitte hin überquert, muß unter Umständen noch in der bevorrechtigten Straße anhalten, um einen von links kommenden Bevorrechtigten die Vorfahrt auf der für diesen linken Fahrbahnseite einzuräumen. Ein Vorfahrtfall liegt bei dieser Verkehrslage auch dann vor, wenn die beiden Fahrzeuge 18 m von der Einmündung entfernt zusammenstoßen 5 3 ). Die Vorfahrt ist bereits dann verletzt, wenn der Wartepfliditige in zu knappem Abstand vor dem Vorfahrtberechtigten nach rechts in eine Vorfahrtstraße einbiegt 54 ), die beiden Fahrzeuge also nicht im Einmündungsbereich aufeinander treffen, der Vorfahrtberechtigte aber zu starkem Bremsen veranlaßt wird 5 5 ). H a t der in die Vorfahrtstraße Einbiegende von der Einmündung bereits einen erheblichen Abstand gewonnen, ehe ihn der Benutzer der Vorfahrtstraße einholt, so wird zwar häufig kein Vorfahrtfall mehr vorliegen 5 6 ). Hier die richtige Grenze zu ziehen, kann im Einzelfall schwierig sein. Ein Vorfahrtfall ist jedenfalls solange anzunehmen, als sich f ü r den Vorfahrtberechtigten die Notwendigkeit starken Bremsens unmittelbar aus dem Einbiegen des Wartepflichtigen ergibt. Es k o m m t also entscheidend auch auf die beiderseitigen Geschwindigkeiten an 5 7 ), ferner auf die Entfernung des Vorfahrtberechtigten von der Kreuzung (Einmündung) beim Einbiegen des Wartepflichtigen, die Breite der Straße und auf Beweglichkeit und Länge der beteiligten Fahrzeuge. Keine Vorfahrtverletzung wird bei einem Wartepflichtigen angenommen, der nach rechts in eine Vorfahrtstraße einbiegt und nadi dem Einbiegen wegen eines rechts parkenden Wagens nach links ausschert, wobei er mit einem entgegenkommenden Vorfahrtberechtigten zusammenstößt; aber möglicherweise Verstoß gegen §§ 1, 6 5 8 ). °) BGHSt. 1, 320 wie Fußn. 37; BayObLGSt. 64, 48 (24. 3. 64) = VerkMitt. 64, 45 = VRS 27, 230; Hamm 13. 8. 63, VRS 26, 462. 51 ) BayObLGSt. 57, 61 (26. 3. 57) = VerkMitt. 57, 34; Köln 23. 8. 55, DAR 55, 308; Hamm 18. 9. 56, VkBl. 57, 79. 5 ä ) München 29. 10. 65, DAR 66, 132. 5 3 ) BayObLG 5. 8. 64, 1 a St 263/1964. 5
) BayObLGSt. 63, 40 (12. 2. 63) = VRS 25, 224 = VerkMitt. 63, 68; vgl. aber BGH(Z) 11. 2. 64, VersR 64, 653. 6 ä ) BayObLG 29. 4. 64, 1 St 123/1964. 5 6 ) BGH(Z) 15. 11. 66, VersR 67, 178; Hamm 24. 9. 70, VRS 40, 297. " j BayObLGSt. 63, 74 (13. 3. 63) = VerkMitt. 63, 69 = VRS 25, 371. 58 ) BayObLG 5. 2. 64, 1 St 605/63. 54
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Möhl C . Inhalt des Vorfahrtsrechts
I. Rechtslage des Vorfahrtberechtigten 7
1. Worauf darf er vertrauen? D i e V o r f a h r t r e g e l n dienen sowohl der Sicherheit als auch der Flüssigkeit des Verkehrs von Fahrzeugen an K r e u z u n g s p u n k t e n . Flüssig kann der Verkehr an K r e u z u n g und Einm ü n d u n g nur bleiben, wenn der Vorfahrtberechtigte auf die Beachtung seines Rechts vertrauen darf. Es liegt im Wesen des Vertrauensgrundsatzes (vgl. § 1 R N r . 39), daß auf verkehrsgerechtes Verhalten eines anderen nur solange v e r t r a u t werden darf, als verkehrswidriges Verhalten nicht erkennbar wird. D e r zur V o r f a h r t Berechtigte darf also auf die Beachtung seiner V o r f a h r t nur solange vertrauen, als er nicht erkennt oder auch nur erkennen müßte, daß ein anderer die V o r f a h r t mißachtet. D i e G r e n z e n sind gerade bei V o r f a h r t fällen fließend. D e r Vorsichtige wird leichter geneigt sein, sich auf eine Verletzung seiner V o r f a h r t einzustellen, als der Unvorsichtige (defensives Fahren). Mit dem U m f a n g des erlaubten Vertrauens hat sich die Rechtsprechung zur V o r f a h r t in zahlreichen Entscheidungen befaßt. Sie gelangte zu folgenden G r u n d s ä t z e n : Auf Beachtung seiner V o r f a h r t darf der Vorfahrtberechtigte nur vertrauen, wenn er sich selbst bereits auf der V o r f a h r t s t r a ß e befindet 5 9 ). Solange er noch nicht in die auf die K r e u z u n g z u f ü h r e n d e Straße eingebogen ist, besteht f ü r den anderen keine Wartepflicht. Wer eine f ü r den allgemeinen V e r k e h r gesperrte Fortsetzung der V o r f a h r t s t r a ß e befährt, statt dem Umleitungsschild zu folgen, darf, unabhängig v o n der Frage, ob der durch die S p e r r u n g sein Vorrecht verliert (s. oben R N r . 4), jedenfalls nicht darauf vertrauen, daß i h m andere die V o r f a h r t einräumen 8 0 ). D i e E r f a h r u n g lehrt, daß beim T - f ö r m i g e n E i n m ü n d e n einer Seitenstraße in eine durchgehende Straße die V o r f a h r t der von rechts aus der Seitenstraße K o m m e n d e n v o m V e r k e h r auf der durchgehenden Straße häufig mißachtet wird, weil die geradeaus Durchfahrenden das G e f ü h l haben, gegenüber den z u m Einbiegen Genötigten ein Vorrecht zu haben. D e m m u ß der Benutzer der Seitenstraße Rechnung tragen. E r darf nicht darauf vertrauen, daß sein Vorrecht beachtet wird, besonders wenn die Seitenstraße v o n der durchgehenden aus nicht eingesehen werden kann 8 1 ). (Nach II 2. der V w v zu § 8 soll E i n m ü n d u n g e n von rechts grundsätzlich die V o r f a h r t g e n o m m e n werden.) I m N o r m a l f a l l braucht der Bevorrechtigte aber seine Geschwindigkeit v o r einer K r e u zung (Einmündung) nicht schon deshalb herabsetzen, weil es nicht ausgeschlossen ist, daß ein Wartepflichtiger seine V o r f a h r t verletzt. N ä h e r n sich einer K r e u z u n g oder E i n m ü n d u n g auf beiden Straßen gleichzeitig zwei Fahrzeuge, so m u ß der Vorfahrtberechtigte zwar den Wartepflichtigen beobachten und sich bremsbereit machen, er braucht aber solange nicht m i t der Mißachtung seines Vorfahrtrechts zu rechnen, als der Wartepflichtige sein Fahrzeug noch durch gewöhnliche B r e m s u n g rechtzeitig anhalten oder seine Geschwindigkeit so herabsetzen kann, daß der Vorfahrtberechtigte unbehindert v o r ihm v o r ü b e r f a h r e n kann 6 2 ). E r s t wenn sich der Wartepflichtige so schnell u n d so weit genähert hat, daß nach allgemeiner E r f a h r u n g a n g e n o m m e n werden muß, er wolle durchfahren, ist der Vorfahrtberechtigte verpflichtet z u bremsen 8 3 ). D e r Vorfahrtberechtigte darf grundsätzlich auch d a n n noch auf die Achtung seines R e d i t s vertrauen, wenn der Wartepflichtige langsam in die K r e u z u n g eingefahren u n d im Kreuzungsbereich derart z u m H a l t e n g e k o m m e n ist, daß f ü r den Berechtigten die Möglichkeit ungehinderter D u r c h f a h r t besteht 6 4 ). ) BayObLG 18. 3. 64, VRS 27, 141 = VerkMitt. 64, 49 = DRspr. II (292) 68 d. 6 0 ) BayObLG 15. 7. 68, 1 b St 194/1968; vgl. Stuttgart 17. 5. 65, MDR 65, 681 = DAR 65, 332 = VRS 29, 46 = DRspr. II (292) 71 c. 61 ) BayObLGSt. 59, 235 (29. 7. 59) = VRS 18, 133. 59
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l;-) Bremen 2. 7. 63, DAR 64, 133. « 3 ) BGH 24. 4. 64, VerkMitt. 64, 58 = VRS 27, 70; vgl. K G 15. 11. 56, VerkMitt. 57, 5; BayObLG 18. 3. 64 wie Fußn. 59. « ) BGH(Z) 21. 5. 63, VersR 63, 952, vgl. Bremen 2. 7. 63, DAR 64, 133; BayObLGSt. 57, 28 (27. 2. 57) = VRS 13, 61 = VkBl. 57, 336.
Vertrauensgrundsatz
StVO
§ 8
Audi wenn die untergeordnete Straße eine Autobahnausfahrt ist, braucht sich der Benutzer einer Vorfahrtstraße nicht ohne weiteres auf die Möglichkeit einer Vorfahrtverletzung einzustellen 85 ). Wer bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt, kann grundsätzlich darauf vertrauen, daß ihm seine Vorfahrt nicht durch einen Verkehrsteilnehmer genommen wird, der aus der bereits durch Rotlicht endgültig gesperrten Querrichtung grob verkehrswidrig in den Kreuzungsbereich eindringt 66 ). Bei Ausfall der Ampeln an einer Kreuzung muß der Vorfahrtsberechtigte aber damit rechnen, daß sein Vorrecht nicht beachtet wird. In diesem Fall kann sich für ihn aus § 11 Abs. 1 oder 2 sogar die Verpflichtung ergeben, Wartepflichten die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen 67 ). Der Bevorrechtigte darf nicht nur darauf vertrauen, daß für ihn siditbare Wartepflichtige ihn durchfahren lassen, sondern auch nodi nicht siditbare. Er darf auf die Beobachtung seines Vorrechts durch für ihn nicht wahrnehmbare Wartepflichtige solange vertrauen, als er keinen besonderen Anlaß hat, mit der Verletzung seiner Vorfahrt zu rechnen. Die abweichende frühere Rechtsprechung wurde bereits 1954 aufgegeben 68 ). Der Vertrauensgrundsatz zugunsten des auf einer bevorrechtigten Straße fahrenden Kraftfahrers gilt auch für denjenigen, dem das Vorfahrtsrecht deshalb zusteht, weil er von rechts kommt 6 9 ). Der Vertrauensgrundsatz bedeutet aber nicht, daß der auf einer bevorrechtigten Straße fahrende Kraftfahrer bei Bemessung seiner Geschwindigkeit die Anforderungen der Verkehrslage und das Gebot der Rücksicht nicht beachten müßte 70 ). Er muß nicht nur seine Geschwindigkeit der eigenen Sichtweite (auf der von ihm befahrenen Straße) anpassen, sondern auch berücksichtigen, daß der Wartepflichtige an einer unübersichtlichen Kreuzung gezwungen sein kann, sich soweit in die Kreuzung hineinzutasten, daß er einen Überblick über die Vorfahrtstraße gewinnt. Er darf in diesem Fall nicht unbeschränkt darauf vertrauen, daß die Fahrbahn für ihn völlig frei bleibt 71 ). Das Problem des sog. vereinsamten Dreieckzeichens ist durch die Neuregelung beseitigt; vgl. Zeichen 205, 206. Die Frage, wie weit sich auf der „Hauptstraße" Fahrende darauf verlassen durfte, daß ihm die an untergeordneten Straßen angebrachten Dreieckzeichen die Vorfahrt geben, ist daher überholt 72 ). Allgemein gilt der Grundsatz, daß der Verkehrsteilnehmer, der die positiv gekennzeichnete Straße durchfährt, sich darauf verlassen darf, daß in kreuzenden oder einmündenden Straßen ein negatives Verkehrszeichen angebracht ist. 2. 'Worin besteht sein Vorrecht? Der Vorfahrtberechtigte darf durchfahren, der Wartepflichtige muß ihm die Durchfahrt ermöglichen, gleichgültig, wer zuerst an die Kreuzung gelangt. Der Wartepflichtige darf den Vorfahrtberechtigten nicht nur nicht gefährden, sondern auch nicht wesentlich behindern. Das war früher allgemeine Rechtsprechung 73 ). Es ist nunmehr in Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich bestimmt. Der Vorfahrtberechtigte muß zwar den untergeordneten Querverkehr daraufhin beobachten, ob er seiner Wartepflicht genügt. Hat der Vorfahrtberechtigte aber bei Beginn der Uberquerung die zu kreuzende Fahrbahn auf ihrem übersehbaren Teil als verkehrsfrei erkannt, so braucht er während der Überquerung nicht mehr nach links zu beobachten 74 ). Das Vorfahrtsrecht geht nicht schon ohne weiteres dadurch verloren, daß der Berechtigte unmittelbar vor der Kreuzung kurz anhält 75 ). Er muß dann aber vorsichtig ) BayObLG 6. 12. 61, D A R 62, 190; vgl. aber B G H 6. 2. 58, VRS 16, 124. M ) Karlsruhe 6. 12. 62, Die Justiz 63, 160. 6 7 ) F. d. früh. Rechtslage: München 20. 6. 69, VersR 70, 232 = DRspr. II (292) 98 a. 08) BGHSt. 7, 118 (12. 7. 54) = DAR 54, 261 = VerkMitt. 55, 1 = VkBl. 54, 473 = N J W 54, 1493 = VRS 7, 312 = MDR 54, 674; Neustadt 25. 11. 59, VRS 19, 141. «») BGH(Z) 22. 11. 60, N J W 61, 266 = MDR 61, 131 = DAR 61, 52. 7 ») BGHSt. 12, 58 (30. 9. 58) = DAR 58, 336 65
71
)
72
)
7S
)
74
)
75
)
= N J W 58, 1881 = VRS 15, 383; bedenklich BGH(Z) 13. 6. 67, VersR 67, 883. Vgl. BGH 25. 9. 58, VRS 13, 346; BayObLGSt. 59, 181 (23. 6. 59); BGH(Z) 16. 11. 65, VersR 66, 338. Vgl. f. d. früh. Rechtslage: BGH 26. 4. 63, VRS 25, 53 = VerkMitt. 63, 60. BGH 7. 1. 54, VRS 6, 157; vgl. BayObLGSt. 57, 61 (26. 3. 57) = VerkMitt. 57, 34. KG 15. 11. 56, VerkMitt. 57, 5 ; vgl. Hamm 18. 10. 54, VRS 8, 149. BGH(Z) 29. 3. 66, VersR 66, 690.
§8
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Möhl
prüfen, ob nicht der Wartepflichtige sein Anhalten als einen Verzicht auf das Vorrecht auslegen könnte. Die Vorfahrt erstreckt sidi in der Regel auf die gesamte Breite der Fahrbahn 76 ). Es kommt nicht darauf an, ob dem Vorfahrtberechtigten auf seiner rechten Fahrbahnseite noch genügend Raum f ü r die Vorbeifahrt bliebe, sondern darauf, ob er seine Fahrt auf der tatsächlich eingehaltenen Fahrlinie ungehindert fortsetzen kann. Der Vertrauensgrundsatz erfährt zu Lasten des Wartepflichtigen insoweit eine Einschränkung, als dieser sich nicht darauf verlassen darf, der Vorfahrtberechtigte werde nur die rechte Fahrbahnseite befahren 77 ). Der Wartepflichtige muß damit rechnen, daß der von rechts Kommende die dem Wartep f l i c h t e n zugewandte Fahrbahnhälfte benutzt 78 ). Der Grundsatz, daß die Vorfahrt sich auf die ganze Breite der Fahrbahn in der bevorrechtigten Straße erstrecke, wurde durch die neuere Rechtsprechung dahin eingeschränkt, daß ein Wartepflichtiger sich in die bevorrechtigte Straße soweit hineintasten darf, bis er Einblick erhält 79 ). Das wird ihm jetzt in Abs. 2 S. 3 ausdrücklich zugestanden. Der Großstadtfahrer benutzt zu Recht auf genügend breiter Straße an Einmündungen nicht die äußerste rechte Seite, um den Wartepflichtigen das Hineintasten in die Vorfahrtstraße zu erleichtern. Der Vorfahrtberechtigte darf in der Regel kurz vor einer von links einmündenden Straße überholen und dabei die linke Fahrbahn benutzen, auch wenn die Straßeneinmündung nicht eingesehen werden kann 80 ). Der Benutzer der vorfahrtberechtigten Straße verliert sein Vorfahrtrecht nicht dadurch, daß er verkehrswidrig links einer nichtunterbrochenen Leitlinie fährt 81 ). (Der Linksabbieger verlor sein Vorrecht auch dann nicht, wenn er beim Abbiegen entgegen § 8 Abs. 3 S. 1 StVO 1937 nicht einen weiten Bogen ausfuhr 82 .) Wer allerdings eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befährt, hat gegenüber Verkehrsteilnehmern aus kreuzenden oder einmündenden Straßen nicht die Vorfahrt 8 3 ). Wer die Vorfahrt hat, weil er von rechts aus einem Nebenweg in eine unübersichtliche Kreuzung einfährt, muß zwar besondere Vorsicht walten lassen. Er darf aber darauf vertrauen, daß der Wartepflichtige eine seiner Sichtweite entsprechende Geschwindigkeit einhält 57 ). Die Vorfahrt ist bereits verletzt, wenn der Vorfahrtberechtigte nach der objektiven Verkehrslage eine Mißachtung seines Vorfahrtsrechts befürchten muß 85 ). Der in einer Straßeneinmündung von rechts Kommende ist auch dann zur Vorfahrt berechtigt, wenn er in die andere Straße rückwärts einfährt. Allerdings muß er zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen; § 9 Abs. 5 86 ). Ein Verkehrsteilnehmer, der infolge unklarer Beschilderung keine Gewißheit darüber erlangen kann, ob er vorfahrtberechtigt oder wartepflichtig ist, muß der Möglichkeit Rechnung tragen, daß er wartepflichtig ist 87 ). Der allgemeine Grundsatz, daß der Vorfahrtberechtigte sein Vorrecht nicht verliert, wenn er sich verkehrswidrig verhält (z. B. nicht rechts oder zu schnell fährt) bedeutet nicht, daß der Vorfahrtberechtigte von der Einhaltung der Verkehrsvorschriften befreit wäre. Kommt es zu einem Unfall, dann trifft den Vorfahrtberechtigten zwar nicht der Vorwurf der Vorfahrtverletzung, wohl aber kann er wegen seines verkehrswidrigen Verhaltens auf Grund sonstiger Vorschriften geahndet werden. Auch im Zivilprozeß fällt sein eigenes Mitverschulden entsprechend ins Gewicht, spricht auch der prima-facie-Beweis zu seinen Gunsten 88 ). 7
«) BGH(Z) 9, 6 (30. 1. 53) = VRS 5, 172; 24. 6. 58, VRS 15, 247; 18. 9. 64, VersR 64, 1195. 77 ) BGH(Z) 26. 10. 55, VRS 10, 19. 78 ) BGH(Z) 30. 1. 53, DAR 53, 74; 19. 2. 53, VRS 5, 206; Köln 22. 5. 53, N J W 53, 1526. 79 ) BayObLGSt. 59, 181 (23. 6. 59) = VRS 18, 151. 80 ) Neustadt 20. 6. 62, MDR 62, 842 = DAR 62, 342. 8 7) Hamm 4. 3. 60, JMB1NRW 60, 116. 133
134
Vertrauen des Wartepflichtigen?
StVO
§8
Darf der Wartepflichtige darauf vertrauen, daß für ihn nicht sichtbare Vorfahrtberechtigte nicht unvernünftig schnell fahren, so darf er doch nicht darauf vertrauen, daß sie ihre rechte Fahrbahnseite einhalten. Er muß vielmehr damit rechnen, daß diese berechtigter(z. B. beim Überholen) oder unberechtigterweise auf der linken Seite ihrer Fahrbahn fahrend vor ihm auftaudien können 138 ). (Deshalb durfte der Wartepflichtige bei Annäherung an eine trichterförmig erweiterte Straßeneinmündung auch bisher nicht darauf vertrauen, daß der von rechts kommende Vorfahrtberechtigte beim Einbiegen nach links einen weiten Bogen ausführen werde 139 ). Sogar dann, wenn das Uberholen auf der Vorfahrtstraße verboten ist, muß der Wartepflichtige damit rechnen, daß ein im Rechtsabbiegen begriffenes Fahrzeug von einem anderen vorfahrtberechtigten Fahrzeug überholt wird 140 ). Dagegen soll er darauf vertrauen dürfen, daß in einer Einbahnstraße kein Vorfahrtberechtigter aus der verbotenen Richtung kommt 141 ). Zeigt der Vorfahrtberechtigte durch Richtungszeichen an, daß er abbiegen will, darf sich der Wartepflichtige darauf verlassen142). Bestritten ist, welche Bedeutung einer Fußgängerampel im Bereich der Kreuzung zukommt, die dem Vorfahrtberechtigten durch Rotlicht Halt! gebietet. Der Wartepflichtige wird aus den gleichen Gründen, aus denen er nicht auf die Einhaltung eines Überholverbots vertrauen darf, auch hier nicht auf die Beachtung des Haltegebots vertrauen dürfen 143 ). Das Haltegebot vor dem Fußgängerüberweg bezieht sich seinem Wesen nach nicht auf die dahinter liegende Straßenkreuzung. Das ergibt sich schon daraus, daß der aus einer Seitenstraße kommende Wartepflichtige das Rotlicht in der Vorfahrtstraße selbst gar nicht sehen kann. Er kann höchstens das für die Fußgänger geltende Grünlicht sehen und daraus den Schluß ziehen, daß Vorfahrtberechtigte aus der Richtung, in der die Ampel steht, Rot haben werden. Will die Verkehrsbehörde die Vorfahrt regeln, dann muß sie entsprechende Lichtzeichenanlagen an der Kreuzung anbringen. Bei nur teilweisem oder vorübergehendem Verkehrsverbot auf der Vorfahrtstraße darf der Wartepflichtige nicht darauf vertrauen, daß dort kein Verkehr stattfindet. Dagegen wohl bei einem absoluten Verkehrsverbot 144 ). Keine Gefährdung
des Vorfahrtberechtigten
14
„Gefährdet" ist der Vorfahrtberechtigte, wenn seine Schädigung nicht unwahrscheinlich ist. Die Wartepflicht besteht deshalb schon dann, wenn ein Fahrer so knapp vor einem Vorfahrtberechtigten dessen Fahrbahn überqueren müßte, daß dieser sich gefährdet sehen könnte 145 ). Die Vorfahrt ist schon dann verletzt, wenn der Vorfahrtberechtigte unter dem Eindruck der durch den Wartepflichtigen geschaffenen augenblicklichen Verkehrslage als sorgfältiger Kraftfahrer Veranlassung hat, Maßnahmen zur Vermeidung eines Zusammenstoßes zu treffen 149 ). Der Wartepflichtige hat so zu fahren, daß der Berechtigte die Kreuzung ohne Besorgnis eines Zusammenstoßes mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren kann. Selbst wenn der Wartepflichtige schon näher als der Vorfahrtberechtigte an die Kreuzung heran ist, hat er diesem die Vorfahrt doch zu lassen, u. U. durch Anhalten. Prüft der War) BayObLG 22. 4. 64, 1 St 42/1964. ) B G H ( Z ) 16. 11. 62, VersR 63, 279. 1 4 °) Bremen 15. 10. 69, D A R 70, 97 = DRspr. II (292) 98 b; a. M. Bremen 14. 12. 66, V R S 3, 473 = DRspr. II (292) 80 f. 1 4 1 ) Saarbrücken 28. 3. 69, VerkMitt. 70, 47 = DRspr. I I (292) 98 c. 1 4 2 ) Düsseldorf 16. 6. 66, VerkMitt. 67, 6 = DRspr. I I (292) 78 g; K G 16. 1. 69, V R S 37, 312; vgl. Celle 30. 6. 71, VerkMitt. 71, 72. 1 4 3 ) So Hamburg 26. 10. 66, V R S 32, 156; 12. 5. 67, VerkMitt. 67, 79 = DRspr. I I (292) 80 d, e; a. M. Hamburg 5. 4. 67, VerkMitt. 188
138
67, 79 = DRspr. I I (292) 80 c; BayObLGSt. 68, 47 (29. 5. 68) = V R S 35, 383 = VkBl. 69, 38 = DRspr. I I (292) 88 d. 1 4 4 ) Karlsruhe 2. 11. 67, V R S 35, 154 = DRspr. II (292) 85 b, c; für das Zivilrecht vgl. Düsseldorf 8. 4. 68, VersR 68, 905. 145) BGH(Z) 20. 12. 62, VersR 63, 282; BayObLGSt. 62, 219 (2. 10. 62) = VerkMitt. 63, 5 = V R S 24, 238; vgl. BayObLGSt. 58, 70 (5. 3. 58) = VerkMitt. 58, 27; Frankfurt 13. 10. 65, V R S 29, 465. 14 «) Bremen 10. 11. 65, V R S 30, 72.
355 23
§ 8
Möhl
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tepflichtige, ob er eine K r e u z u n g (Einmündung) noch vor einem Benutzer der bevorrechtigten Straße überqueren darf, so hat er v o r allem die beiderseitigen Geschwindigkeiten, die E n t f e r n u n g der Fahrzeuge v o m K r e u z u n g s p u n k t sowie ihre L ä n g e und Beweglichkeit in Betracht zu ziehen. Dabei m u ß er bedenken, daß Vorfahrtberechtigte im Verhältnis zu ihm die gleichen Schätzungsschwierigkeiten haben wie er selbst 1 4 7 ). Fehlschätzungen gehen grundsätzlich zu seinen Lasten. K a n n er auf der bevorrechtigten Straße kein Fahrzeug wahrnehmen, so ist er nicht etwa deshalb, weil er jederzeit mit d e m Auftauchen v o n Fahrzeugen auf dieser Straße rechnen muß, gehindert, in das Kreuzungs-(Einmündungs-)Stück einzufahren 1 4 8 ). E r ist jedoch gehalten, die bevorrechtigte Straße sorgfältig zu beobachten. D e r Wartepflichtige muß, wenn seine Sichtweite nach rechts u n d links verschieden ist, die bevorrechtigte Straße in erster Linie nach derjenigen Richtung beobachten, aus der die größere G e f a h r drohen kann. Diese Sorgfaltspflicht kann ihm u. U . , wenn z. B. die zu überquerende Straße verhältnismäßig breit u n d seine Fahrgeschwindigkeit beim U b e r q u e r e n verhältnismäßig gering ist, gebieten, nicht zügig, sondern sehr vorsichtig u n d langsam m i t der M ö g lichkeit sofortigen Anhaltens das U b e r q u e r e n einzuleiten u n d diese Fahrweise bis zu jenem P u n k t beizubehalten, an d e m er überzeugt sein darf, bei n u n m e h r zügiger Fahrt, keinesfalls die V o r f a h r t zu verletzen 1 4 9 ). D i e Pflicht, auf den bevorrechtigten Verkehr zu achten, endet also keineswegs m i t d e m Einfahren in die bevorrechtigte Straße. D e r Wartepflichtige, der in die K r e u z u n g einfahren durfte, weil der herannahende Vorfahrtberechtigte f ü r ihn infolge der S t r a ß e n f ü h r u n g noch nicht sichtbar war, kann verpflichtet sein, noch innerhalb der Kreuzungsfläche anzuhalten, u m dem Vorfahrtberechtigten die V o r b e i f a h r t zu ermöglichen 1 5 0 ). Z u m Verhalten an unübersichtlichen K r e u z u n g e n s. im übrigen unten R N r . 16. Allerdings ist das H a l t e n innerhalb der K r e u z u n g nach Möglichkeit zu vermeiden. D e r Wartepflichtige m u ß normalerweise v o r der K r e u z u n g warten, bis er gefahrlos durchfahren kann 1 5 1 ). D a n n aber m u ß er die K r e u z u n g möglichst zügig überqueren und sobald als m ö g lich räumen 1 5 2 ). D e r Wartepflichtige verletzt seine Wartepflicht, wenn er in die K r e u z u n g einfährt, o b w o h l er voraussehen kann, daß er durch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer an der zügigen R ä u m u n g der K r e u z u n g verhindert sein werde 1 5 3 ). K o m m t es dadurch, daß der Wartepflichtige in der K r e u z u n g s m i t t e anhält, zu einem Z u s a m m e n s t o ß m i t einem Vorfahrtberechtigten, so ist dies f ü r ihn auch dann voraussehbar, wenn der V o r fahrtberechtigte unter Beibehaltung seiner bisherigen Fahrlinie ungehindert hätte durchfahren können 1 5 4 ). A u s n a h m e n gelten f ü r die Ü b e r q u e r u n g einer Vorfahrtstraße m i t mehreren, durch Mittelstreifen getrennte F a h r b a h n e n : H i e r darf der Wartepflichtige zunächst v o n der E i n m ü n d u n g der Nebenstraße aus unter A u s n u t z u n g einer Lücke in d e m d o r t fließenden V e r k e h r auf den U b e r w e g über den Mittelstreifen fahren u n d d o r t anhalten, bis er die G e g e n f a h r b a h n überqueren kann. D a s ist selbst dann nicht verkehrswidrig, wenn dabei das H e c k des Fahrzeugs beim Anhalten unerheblich in die F a h r b a h n zurückragt 1 5 5 ). Allerdings m u ß der Wartepflichtige Fahrzeuge v o r f a h r e n lassen, die sich auf dem verbindenden Mittelstück zwischen den beiden Fahrbahnen der V o r f a h r t s t r a ß e befinden 1 5 6 ). Auch in anderen Fällen darf der Wartepflichtige bei genügender Straßenbreite bis zur Mitte der V o r fahrtstraße v o r f a h r e n und stehenbleiben, wenn der Verkehr dadurch nicht beeinträchtigt werden kann 1 5 7 ). ) BayObLGSt. 62, 219 (2. 10. 62) = VerkMitt. 63, 5. ) Stuttgart 13. 12. 51, DAR 52, 57; BGH 26. 4. 57, VRS 13, 22. 149 ) BayObLG 29. 10. 63, 2 St 444/1963; vgl. BayObLGSt. 63, 2 (9. 1. 63) = VerkMitt. 63, 36 = J R 63, 269 mit Anm. v. Martin. 1 5 °) BGHSt. 12, 58 (wie Fußn. 70) BayObLGSt. 58, 70 (5. 3. 58) = VRS 15, 295; Hamm 9. 3. 62, VRS 24, 219. 1 5 1 ) Düsseldorf 26. 6. 52, VRS 5, 150; Hamm 31. 7. 64, VRS 28, 463 = DRspr. II (292) 69 d. 147
148
356
) Hamm 28. 8. 68, VRS 36, 444 = DRspr. II (292) 91 c. ) KG 2. 5. 63, VRS 25, 141. 154 ) BayObLG 5. 3. 58, 1 St 53/1958. 155 ) Köln 10. 12. 63, VRS 26, 375 = DAR 64, 140 = VerkMitt. 64, 29; K G 8. 3. 65, VerkMitt. 66, 59. 1 5 S ) Düsseldorf 4. 11. 70, VRS 40, 294. 1 5 ') Hamm 12. 1. 59, DAR 59, 223; 23. 1. 68, VRS 35, 219 = VerkMitt. 68, 55 = DRspr. II (292) 85 e. 152 153
StVO
Gefährdung; Behinderung
§8
Zwar muß der Vorfahrtberechtigte nach § 11 Abs. 2 auf sein Vorrecht verzichten, „wenn die Verkehrslage es erfordert". Aus dieser Vorschrift darf aber der Wartepflichtige für sich keine Rechte herleiten. Nur wenn der Vorfahrtberechtigte eindeutig auf sein Vorrecht verzichtet, darf sich der Wartepflichtige darauf einstellen. Ein kurzes Anhalten des Vorfahrtberechtigten an einer Kreuzung oder Einmündung berechtigt den Wartepflichtigen noch nicht, einen solchen Verzicht anzunehmen 158 ) (vgl. Einzelfälle „Verzicht auf das Vorfahrtrecht", R N r . 20). Wenn die Vorfahrtregeln auch streng eingehalten werden müssen, so dürfen doch an die Sorgfaltspflicht des Wartepflichtigen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Kann er das Kreuzen oder Einbiegen so rechtzeitig beenden, daß nach vernünftigem Ermessen jede Gefährdung des Verkehrs ausgeschlossen ist, dann darf er in die Kreuzung einfahren 159 ). Deshalb verletzt, wer in eine Bundesstraße mit sehr schnellem Verkehr einbiegt, die Vorfahrt dann nicht, wenn sich schnelle Fahrzeuge in einer Entfernung von mehr als 300 m nähern 190 ). Auch braucht ein Wartepflichtiger, der in die Kreuzung einfuhr, weil der für ihn einsehbare Teil der bevorrechtigten Straße frei war, nicht anzuhalten, wenn ein Vorfahrtberechtigter in solcher Entfernung auftaucht, daß der Wartepflichtige die Überquerung der Vorfahrtstraße im Hinblick auf eine für den Vorfahrtberechtigten verbindliche Geschwindigkeitsbeschränkung unbedenklich durchführen kann, bevor der Vorfahrtberechtigte herankommt. Während im Zivilprozeß beim Zusammenstoß zweier Fahrzeuge im Kreuzungsbereich der erste Anschein für ein Verschulden des Wartepflichtigen spricht 161 ), muß im Strafprozeß das Verschulden des Wartepflichtigen in jedem Einzelfall festgestellt werden. Keine wesentliche
Behinderung
des Verfahrtberechtigten
(Abs. 2 S. 2)
S. 2 stellt klar, daß sich die Wartepflicht nicht auf Vermeidung von Gefährdung beschränkt, sondern auch eine Behinderung des Vorfahrtberechtigten verbietet. Allerdings wird dieses Verbot dadurch etwas eingeschränkt, daß nur eine „wesentliche" Behinderung untersagt wird. Eine geringfügige Herabsetzung seiner Geschwindigkeit wird dem Vorfahrtberechtigten zugemutet. Die Lockerung des Behinderungsverbotes entspricht dem Bedürfnis des modernen Massenverkehrs und dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. In Fällen, in denen Verkehrslage und örtlichkeit eine gewisse Behinderung des Vorfahrtberechtigten durch den Wartepflichtigen gestatten, wird sich u. Umst. aus § 11 Abs. 2 für den Vorfahrtberechtigten sogar die Pflicht ergeben, auf seinen Vorrang zu verzichten. Die Grenze richtig zu ziehen, wird schwierig sein. Das Vorfahrtrecht darf durch die Berücksichtigung der Verkehrslage auch wieder nicht ausgehöhlt werden. Eine wesentliche und vermeidbare Behinderung wurde in einem Falle bejaht, in dem der Wartepflichtige in dem Bewußtsein, auf der Kreuzungsmitte anhalten zu müssen, in die bevorrechtigte Straße einfuhr und durch sein Anhalten einen von links kommenden Vorfahrtberechtigten daran hinderte, seine Fahrtrichtung beizubehalten 162 ). Ob schon darin, daß der Vorfahrtberechtigte seine überhöhte Geschwindigkeit herabsetzen muß eine Vorfahrtverletzung zu erblicken ist, hängt von den Sichtverhältnissen im Kreuzungsbereich und der Geschwindigkeit der beteiligten Kraftfahrzeuge ab 163 ). c) Verhalten an unübersichtlichen Kreuzungen (Einmündungen) (Abs. 2 Satz 3) Zahlreiche Unfälle ereignen sich an unübersichtlichen Kreuzungen (Einmündungen). Während der Vorfahrtberechtigte dort seine Geschwindigkeit auf Verkehrsteilnehmer aus einmündenden Nebenstraßen solange nicht einzurichten braucht als er sie nicht sieht, muß der Wartepflichtige an die Kreuzung (Einmündung) so vorsichtig heranfahren, daß er beim 15®)
BGH(Z) 5. 11. 57, DAR 58, 50 = VRS 14, 4 = N J W 58, 259; Saarbrücken 30. 7. 59, JBlSaar 59, 217. 15 ») BGHSt. 1, 112 (12. 4. 51) = VkBl. 51, 251 = VRS 3, 193; BGH 28. 10. 52, VRS 5, 70; Düsseldorf 25. 6. 51, DAR 52, 12;
u») 161)
182)
163)
Hamm 20. 6. 52, JMB1NRW 52, 192; Tübingen 10. 5. 50, VRS 2, 205. Oldenburg 10. 1. 68, VerkMitt. 68, 80. BGH(Z) 15. 10. 63, VersR 64, 48. Celle 8. 1. 68, VersR 68, 904. KG 19. 8. 65, VRS 30, 383.
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§8
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Auftauchen eines Vorfahrtbereditigten dessen Vorrecht beachten kann. Besteht bei der A n näherung an den Kreuzungsbereich vorübergehend die Möglichkeit, den bevorrechtigten V e r k e h r zu beobachten, dann m u ß er von dieser Möglichkeit Gebrauch m a c h e n " 4 ) . Auch wenn gegenüber der unübersichtlichen Einmündung in die Vorfahrtstraße ein Verkehrsspiegel angebracht ist, in dem der Wartepflichtige die bevorrechtigte Straße als verkehrsfrei zu erkennen glaubt, m u ß er sidi in die Einmündung vorsichtig hineintasten 1 6 5 ). Der Wartepflichtige muß sich v o r Einfahrt in die Vorfahrtstraße auf seinem Sitz nach vorne beugen, wenn er auf diese Weise rechtzeitig freie Sicht auf die Vorfahrtstraße b e k o m m t 1 6 9 ) . Soweit er bereits v o r der Einfahrt in die bevorrechtigte Straße genügenden Überblick gewinnen kann, ist die Rechtslage einfach. D a n n muß er v o r der Kreuzung (Einmündung) anhalten, wenn sich ein Vorfahrtberechtigter nähert, den er gefährden oder auch nur wesentlich behindern könnte. Kann er einen ausreichenden Überblick aber erst im Bereich der Kreuzung gewinnen, dann erlaubt ihm Abs. 2 Satz 3 im Anschluß an die Rechtsprechung zu § 13 S t V O 1937, sich in die Kreuzung „hineinzutasten". Die Schwierigkeit besteht darin, daß er beim „Hineintasten" notwendig in die Fahrbahn des Vorfahrtberechtigten gerät, die diesem nach der herrschenden Meinung auf der ganzen Breite der bevorrechtigten Straße zusteht. Die Rechtsprechung zu § 13 S t V O 1937 hatte sich mit der Frage, was dem Wartepflichtigen in diesem Fall zugemutet werden darf, in zahlreichen Entscheidungen befaßt, die auch für die Auslegung der neuen Vorschrift von Bedeutung sind: D e r Grundsatz, daß die V o r f a h r t sich auf die ganze Breite der Fahrbahn in der bevorrechtigten Straße erstrecke, wurde durch die neuere Rechtsprechung dahin eingeschränkt, daß ein Wartepflichtiger in die bevorrechtigte Straße sich soweit hineintasten darf, bis er Einblick erhält 1 6 7 ). Doch darf der Wartepflichtige Kraftwagenführer nicht, wenn die Sicht durch strömenden Regen auf 8-10 m begrenzt ist, aus der Seitenstraße 1,5 m weit in die Fahrbahn der bevorrechtigten Bundesstraße einfahren und dort halten, um den Weiterweg zu erkunden 1 6 8 ). D e r Grundsatz des Abs. 2 S. 3 gilt entsprechend auch für den Fall, daß eine auf der V o r fahrtstraße rechts fahrende K o l o n n e anhält, um einem aus einer rechten Seitenstraße herankommenden Linkseinbieger die E i n f a h r t in die Vorfahrtstraße zu ermöglichen. D e r wartepflichtige Linkseinbieger ist berechtigt, durch die Kolonnenlücke soweit in die V o r f a h r t straße einzufahren, daß er Sicht auf den links neben der Kolonne aufkommenden bevorrechtigten V e r k e h r gewinnt. Ein die Kolonne links überholender Vorfahrtberechtigter muß ihm dies durch Einhaltung eines entsprechenden Abstandes ermöglichen 1 6 9 ) (s. oben R N r . 9). D e r Wartepflichtige, der nach rechts einbiegen will, dem aber die Sicht nach rechts durch ein — nicht nur ganz vorübergehendes — Hindernis versperrt ist, darf über die Straßenfluchtlinie hinaus vorsichtig bis zu dem P u n k t vorfahren, an dem er Sichtmöglichkeit nach rechts b e k o m m t 1 7 0 ) . Ist die Sicht in die bevorrechtigte Straße nur kurzfristig durch ein v o r übergehendes Hindernis beeinträchtigt, z. B. durch ein aus Verkehrsgründen kurz angehaltenes Fahrzeug, so darf sich der Wartepflichtige nicht bis zu dem P u n k t in die bevorrechtigte hineintasten, in der er Sicht gewinnen könnte, sondern er muß warten, bis sich das Sichthindernis entfernt hat 1 7 1 ). W e r in eine Vorfahrtstraße einfährt, obwohl ihm durch einen vor der Kreuzung anhaltenden Lastzug die Sicht nach rechts genommen wird, handelt deshalb grob fahrlässig 1 7 8 ). Die Pflicht zum vorsichtigen Hineintasten gebietet zwar nicht, daß der Wartepflichtige „verzögerlich, zentimeterweise" in die Vorfahrtstraße nach links einbiegt. Eine gleichblei) Hamm 30. 7. 70, VRS 40, 115. »5) Schleswig 11. 5. 66, VerkMitt. 66, 71. 1 6 6 ) BayObLG 24. 4. 68, 1 b St 57/1968; vgl. Düsseldorf 10. 2. 65, VerkMitt. 65, 88. 1 8 7 ) BayObLGSt. 59, 181 (23. 6. 59) = VRS 18, 151; 24. 7. 69, N J W 69, 2296. 16 ») BayObLGSt. 63, 205 (16. 10. 63) = VRS 26, 312 = VerkMitt. 64, 2. 164
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!«») Köln 19. 1. 65, VRS 28, 452; München 11. 3. 66, VRS 67, 67. ») Celle 11. 10. 58, MDR 59, 146 = NdsRpfl. 59, 44. 1 7 1 ) BayObLGSt. 59, 208 (7. 7. 59) = N J W 59, 2318 = VRS 18, 65 = VerkMitt. 60, 46; vgl. BGH 22. 4. 66, VRS 31, 37; Stuttgart 17. 7. 68, VerkMitt. 69, 6. ' « ) BGH(Z) 14. 7. 64, VRS 27, 327. 17
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Unübersichtliche Kreuzung
§8
bende Fahrgeschwindigkeit von 5 k m / h kann jedoch u n t e r besonderen Umständen schon zu h o d i sein 173 ). Von dem wartepflichtigen K r a f t f a h r e r kann nicht allgemein verlangt werden, daß er sich einer teilweise unübersichtlichen Kreuzung n u r mit Schrittgeschwindigkeit nähert 1 7 4 ). Besondere Sorgfaltspflichten hat der Führer eines schwerfälligen Fahrzeugs, dessen Einbiegen in die Vorfahrtstraße besonders lange dauert 1 7 5 ). Wenn besondere Umstände die mit dem Kreuzen oder Einbiegen an unübersichtlichen Einmündungen allgemein verbundene Gefahr erhöhen, kann sich f ü r den Wartepflichtigen die Pflicht ergeben, sich eines W a r n postens zu bedienen 178 ). Ein Verschulden des Wartepflichtigen kann darin liegen, daß er die Kreuzung im 2. anstatt im 1. Gang überquert 1 7 7 ). N ä h e r t sich der Wartepflichtige einer von rechts einmündenden Seitenstraße, in die der Einblick durch eine Hecke behindert ist, so soll er sich darauf einstellen müsen, daß aus der Seitenstraße ein Kind auf einem niedrigen Fahrzeug in engem Bogen nadi links einbiegt 178 ). Der Grundsatz, daß der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer in die Kreuzung mit einer f ü r ihn n u r beschränkt zu überblickenden, bevorrechtigten Straße einfahren darf, wenn der f ü r ihn einsehbare Teil dieser Straße frei ist, bedeutet nicht, daß er im folgenden nicht mehr verpflichtet wäre, auf den bevorrechtigten Verkehr zu achten. Wenn ein v o r f a h r t berechtigtes Fahrzeug in seinen Sichtbereich k o m m t , m u ß er das z u r Vermeidung eines Z u sammenstoßes Mögliche tun 1 7 9 ), insbesondere ihm die V o r f a h r t durch unverzügliches Anhalten einräumen, wenn er hierzu noch in der Lage ist. Deshalb darf er sich in die V o r fahrtstraße nur mit einer Geschwindigkeit hineintasten, die ihm ein sofortiges Anhalten ermöglicht. Ist der Wartepflichtige in dem Zeitpunkt, in dem er den von links k o m m e n d e n Vorfahrtberechtigten ansichtig wird bereits z u r Fahrbahnmitte vorgefahren, dann kann er verpflichtet sein, einen Zusammenstoß durch beschleunigte Weiterfahrt zu vermeiden 1 8 0 ). Bei einem nach rechts in die Vorfahrtstraße Einbiegenden ist eine weitere Beobachtung nach links n u r so lange zumutbar, als der Wartepflichtige sich noch quer oder fast quer z u r V o r fahrtstraße befindet. Sobald er in A u s f ü h r u n g des gebotenen engen Rechtsbogens sein F a h r zeug auf der Vorfahrtstraße in die neue Richtung nach rechts lenkt, ist er zu einer weiteren Beachtung des von links — n u n m e h r fast von rückwärts — k o m m e n d e n Verkehrs nicht mehr in der Lage u n d hierzu auch nicht mehr verpflichtet 181 ). K o m m t es in der Mitte einer unübersichtlichen Kreuzung zum Zusammenstoß, so sind Feststellungen notwendig, v o n welchem P u n k t seiner Fahrlinie aus der Wartepflichtige den Vorfahrtberechtigten sehen k o n n t e u n d ob u n d u m wieviele Meter f r ü h e r er bei pflichtgemäßem Verhalten anhalten k o n n t e als geschehen 181 ). Bei einer Kreuzung gleichberechtigter Straßen w i r k t sich die Wartepflicht gegenüber dem von rechts K o m m e n d e n auch auf das Vorfahrtrecht gegenüber dem von links K o m menden aus. Die Einhaltung einer im Hinblick auf den v o n redhts k o m m e n d e n Verkehr zu hohen Geschwindigkeit kann ein Mitverschulden an einem Zusammenstoß mit einem v o n links k o m m e n d e n wartepfliditigen Verkehrsteilnehmer begründen 18 ®). d) „ H a u p t " - u n d „ N e b e n ' s t r a ß e n Die schwierige Frage, welches Maß von Vorsicht v o n einem auf der „Hauptstraße" fahrenden Wartepflichtigen gegenüber Vorfahrtberechtigten aus einem von rechts einmündenden unbedeutenden Nebenweg verlangt werden kann, h a t an Bedeutung verloren, weil die Benutzer v o n Feld- u n d Waldwegen nach Abs. 1 N r . 2 nicht die V o r f a h r t haben können. 173) BayObLGSt. 60, 71 (15. 3. 60) = 150; Hamm 30. 7. 65, VRS 29, 473 Mitt. 66, 24 = DRspr. II (292) 75 174 ) Hamm 26. 1. 62, VRS 23, 283. " ' ) KG 24. 10. 68, VRS 36, 135. "») BGH(Z) 30. 11. 64, VersR 65, 188 Mitt. 65, 27. 177 ) Hamm 13. 4. 62, VRS 24, 146. 178 ) BGH 5. 6. 64, VerkMitt. 64, 83.
VRS 19, = Verkc. = Verk-
"») BayObLGSt. 58, 70 (5. 3. 58) = VRS 15, 295; Hamm 9. 1. 69, VRS 37, 304 = DRspr. II (292) 96 b. 18 °) Bremen 14. 6. 67, VRS 33, 312 = DRspr. II (292) 85 d. 181 ) BayObLGSt. 63, 2 (9. 1. 63) = VerkMitt. 63, 36 = VRS 25, 216. 182 ) BayObLG 29. 11. 61, 1 St 486/1961. 183 ) BayObLG 28. 12. 60, 1 St 701/1960.
§ 8
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Das Problem besteht aber fort, soweit es sich bei einem unbedeutenden Nebenweg nidit um Feld- oder Waldwege, sondern um andere Wege, z. B. Gemeindewege handelt. Die Rechtsprechung zu § 13 hatte unter Zuhilfenahme der Grundregel des § 1 folgende Grundsätze aufgestellt: D e r vorfahrtberechtigte Benutzer eines Nebenweges von ganz untergeordneter Verkehrsbedeutung m u ß sich bei der Kreuzung mit einer Durchgangsstraße praktisch so verhalten, als wäre er wartepflichtig 1 8 4 (vgl. oben R N r . 9). D e r Benutzer einer dem Durchgangsverkehr dienenden „Hauptstraße" braucht nicht so langsam zu fahren, daß er sein Fahrzeug vor jedem aus einem unbedeutenden Nebenweg kommenden bevorrechtigten Fahrzeug anhalten kann 1 8 5 ). Es widerspricht den Erfordernissen zügigen Verkehrs, wenn man verlangen würde, daß sich der Verkehrsteilnehmer auf einer verkehrstechnisch wesentlich bedeutsameren Landstraße derart langsam fortbewegen würde, daß er vor Einmündung eines unbefestigten Gemeindewegs auf kürzeste Entfernung hätte anhalten können, wenn ein anderer, für ihn nicht rechtzeitig Wahrnehmbarer sich aus dem Nebenweg nicht mit der erforderlichen Behutsamkeit an die Kreuzung herantastet 1 8 6 ).Die Wartepflicht des Benutzers einer Durchgangsstraße gegenüber den Fahrzeugen, die auf einem von rechts einmündenden unbedeutenden Nebenweg herankommen, ist auf diejenigen Fahrzeuge beschränkt, die er so rechtzeitig bemerken kann, daß er ihnen bei der Geschwindigkeit, die sein Fahrzeug hat und nach der Beschaffenheit der Straße im übrigen haben darf, noch bei normaler Fahrweise die V o r f a h r t einräumen kann 1 8 7 ). D e r Wartepflichtige darf aber, auch wenn nur ein unbedeutender Nebenweg einmündet, nicht unbekümmert darauflosfahren. Mag auch seine Wartepflicht einen geringeren Inhalt haben als im Normalfall, weil er darauf vertrauen darf, daß der Vorfahrtberechtigte sich seiner Pflicht zu besonderer Vorsicht bewußt ist, so muß er doch seine Geschwindigkeit so weit herabsetzen, daß der Benutzer der von rechts einmündenden unbedeutenden Nebenstraße im Augenblick der Einsehbarkeit der Durchgangsstraße seinerseits in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Rücksichtnahme nachzukommen 1 8 8 ). Ist der Wartepflichtige Benutzer der Durchgangsstraße noch soweit entfernt, daß er sich bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit gefahrlos auf die V o r f a h r t des aus dem Nebenweg Herausfahrenden einstellen kann, darf dieser die ihm zustehende V o r f a h r t in Anspruch nehmen 1 8 9 ). e) Pflichten gegenüber abbiegenden Vorfahrtberechtigten (Abs. 2 Satz 4) Wie oben näher ausgeführt ( R N r . 5) erstreckt sich das Vorfahrtrecht auch auf das Abbiegen des Benutzers einer bevorrechtigten Straße nach rechts und links in eine Seitenstraße. Die V o r f a h r t steht dem Berechtigten in diesem Fall gegenüber Verkehrsteilnehmern aus der untergeordneten Straße solange zu, als er sich noch mit einem Teil seines Fahrzeugs in der bevorrechtigten Straße befindet. D e r Abbiegende darf darauf vertrauen, daß ein auf der untergeordneten Straße entgegenkommender Wartepflichtiger nicht kurz vor der Kreuzung überholen und ihm dann auf der Straßenmitte begegnen werde 1 9 0 ). D e r Wartepflichtige hat ihm gegenüber die Pflicht, das Einmündungsviereck und die Gegenfahrbahn, in die der Bevorrechtigte einfahren will, freizuhalten. Dagegen braucht er sich nicht darauf einzustellen, daß der Einbiegende die Kurve so stark schneidet, daß er auch noch die Fahrbahnseite des Wartepflichtigen in Anspruch n i m m t . Das soll sogar dann gelten, wenn die bevorrechtigte Straße eine Einbahnstraße ist 1 9 1 ). Das gleiche gilt für den von rechts Kommenden bei gleichgeordneten Straßen. D e r Linksabbieger ist in diesem Fall gegenüber den Verkehrsteilneh) BGH(Z) 29. 3. 66, VersR 66, 690; Oldenburg 30. 3. 68, VerkMitt. 68, 53; vgl. Mühlhaus, DAR 66, 141 mit Nadiw. 1 8 5 ) BGH(Z) 20, 290 (23. 4. 56) = N J W 56, 1633 = VRS 11, 94; Härtung, NJW 56, 1625. 18 °) BGH 15. 5. 59, VRS 17, 50 = DAR 59, 214. 1 8 7 ) Neustadt 27. 9. 61, N J W 61, 2223 = VRS 22, 354. 184
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) Celle 4. 6. 57, VerkMitt. 58, 5; Neustadt 14. 5. 58, DAR 59, 26. ) BayObLGSt. 65, 133 (10. 11. 65) = VRS 30, 131 = VerkMitt. 66, 11 = VkBl. 66, 250. 19 °) BGH 5. 3. 65, VRS 28, 430. 1 9 1 ) Saarbrücken 2. 9. 65, VRS 30, 229 = DRspr. II (292) 74 c, d.
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Abbiegende Vorfahrtberechtigte; einbiegende Wartepflichtige
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§8
m e r n aus der von links einmündenden Straße bevorrechtigt, weil er f ü r diese v o n rechts k o m m t (während er seinerseits gegenüber den v o n rechts K o m m e n d e n wartepflichtig ist). Gegenüber e n t g e g e n k o m m e n d e n Fahrzeugen ist der Linksabbieger dagegen nach § 9 Abs. 3 wartepflichtig (gleichgültig, ob er auf einer bevorrechtigten Straße f ä h r t oder nicht). § 8 A b s . 2 S a t z 4 hat das nach anfänglichem Schwanken zuletzt einheitliche Ergebnis der Rechtsprechung n u n m e h r z u m Gesetz erhoben. Einem v o n rechts k o m m e n d e n Rechtseinbieger gegenüber ist der Wartepflichtige lediglich gehalten, seine Fahrweise so einzurichten, daß er ihm n i d i t in die voraussichtliche F a h r bahn hineinfährt u n d ihn weder behindert noch gefährdet. E s ist nicht grundsätzlich verboten, daß er ihn bereits während des Einbiegevorganges zu überholen versucht 1 9 2 ). D e r Fall, daß zwei in der gleichen Straße aufeinander zufahrende Fahrzeuge in die gleiche Straße abbiegen, das eine nach rechts, das andere nach links, ist logisch richtig in § 9 Abs. 4 geregelt; s. d o r t R N r . 42. Es handelt sich u m keinen V o r f a h r t f a l l , weil die z u s a m m e n t r e f fenden Fahrzeuge nicht aus verschiedenen Straßen k o m m e n . f) Pflichten des in die V o r f a h r t s t r a ß e einbiegenden Wartepfliditigen
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D a s Einbiegen des Vorfahrtberechtigten bereitet im übrigen rechtlich keine Schwierigkeit. Dagegen handelt es sich bei der Frage, wie sich der abbiegende Wartepflichtige zu verhalten hat, u m ein weites Feld. D e n n hier erhebt sidi i m m e r dann, wenn der Wartepflichtige außerhalb der eigentlichen K r e u z u n g (Einmündung) m i t einem bevorrechtigten Fahrzeug zusammenstößt, die Frage, ob es sich noch u m einen V o r f a h r t f a l l handelt, ob der Einbiegende daher seine Wartepflicht verletzt hat oder ob sich die beiden Beteiligten s d i o n als gleichberechtigte Benutzer der gleichen Straße gegenüberstanden. Gleichgültig, ob der Wartepflichtige n a d i recht oder links in eine bevorrechtigte Straße abbiegt, k a n n er die V o r f a h r t v o n rechts u n d v o n links h e r a n k o m m e n d e r Fahrzeuge verletzen. D a b e i kann die V o r f a h r t an einer Stelle verletzt sein, die f ü r den Bevorrechtigten v o r oder nach der K r e u z u n g liegt, je nachdem der Einbiegende in der Fahrtrichtung des Bevorrechtigten oder in der Gegenrichtung weiterfährt 1 9 3 ). Während also das Vorfahrtrecht des nach rechts oder links abbiegenden Vorfahrtberechtigten erlischt, sobald er den Bereich der K r e u z u n g verläßt, k a n n das Vorrecht des Vorfahrtberechtigten gegenüber einem in seine F a h r b a h n einbiegenden Wartepfliditigen, je nachdem auch schon v o r oder erst nach der K r e u z u n g verletzt werden. Für die Frage, ob noch oder schon ein V o r f a h r t f a l l vorliegt, k o m m t es einesteils auf die E n t f e r nung des Punktes, in d e m sich die Fahrlinien des Vorfahrtberechtigten und des Wartepflichtigen gefährlich nähern, v o n der K r e u z u n g an, andernteils auf die Geschwindigkeit der Beteiligten. O b der f ü r die A n n a h m e eines Vorfahrtfalles notwendige enge Z u s a m m e n h a n g zwischen dem Einbiegen und der Schädigung — G e f ä h r d u n g — Behinderung des V o r f a h r t berechtigten noch zu bejahen ist, m u ß im Einzelfall entschieden werden. Biegt ein wartepflichtiger M o p e d f a h r e r unter Mißachtung der V o r f a h r t eines von rechts k o m m e n d e n K r a f t fahrzeugs nach links bis zur Mitte der Vorfahrtstraße ein, u m d o r t langsam weiterzufahren, dann liegt ein V o r f a h r t - und kein Ü b e r h o l f a l l vor, wenn der Vorfahrtberechtigte rechts an ihm vorbeifährt 1 9 4 ). D e r Wartepflichtige darf grundsätzlich nur dann in die K r e u z u n g einfahren, wenn er sich d a v o n ü b e r z e u g t hatte, daß er durch das beabsichtigte Einbiegen ein die bevorrechtigte Straße benutzendes Fahrzeug nicht gefährden oder mehr als nach den U m s t ä n d e n u n v e r m e i d b a r behindern werde 1 9 5 ). D e r wartepflichtige Rechtseinbieger m u ß aber auch noch während des Einbiegens den von rechts k o m m e n d e n Verkehr beobachten und erforderlichenfalls noch in der K r e u z u n g (Einmündung) anhalten, u m den V o r f a h r t berechtigten vorbeifahren zu lassen 1 9 6 ). D e r Vorfahrtberechtigte ist nicht verpflichtet, v o m U b e r h o l e n abzusehen oder das bereits eingeleitete U b e r h o l e n abzubrechen, wenn ein ) Hamm 15. 11. 62, VRS 25, 310. ) München 29. 10. 65, VRS 30, 20 = VersR 66, 171. ™4) BayObLGSt. 69, 115 (23. 7. 69) = VRS 39, 134 = VerkMitt. 70, 4 = DAR 70, 82. 192 193
« « ) BGH 12. 3. 65, VRS 28, 435 = VerkMitt. 65, 62. «) BayObLGSt. 65, 113 (29. 9. 65) = VRS 29, 470.
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§8
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Wartepflichtiger in die bevorrechtigte Straße einbiegen will — es sei denn, daß dieser tatsächlich in die bevorrechtigte Straße einfährt 1 9 7 ). D e r Wartepflichtige ist z w a r verpflichtet, die bevorrechtigte Straße sorgfältig zu beobachten. Diese Beobachtung m u ß sich jedoch notwendig auf den f ü r ihn einsehbaren Teil der Straße beschränken. D i e Möglichkeit, daß bevorrechtigte Fahrzeuge, die sich in dem seinen Blicken entzogenen Teil der bevorrechtigten Straße befinden, die E i n m ü n d u n g erreichen könnten, bevor er sein Einbiegemanöver beendet haben könnte, nötigt nicht dazu, von der E i n f a h r t in die K r e u z u n g A b s t a n d zu nehmen. D e n n andernfalls wäre ihm ein Einbiegen in die K r e u z u n g ü b e r h a u p t unmöglich gemacht und das G e b o t , die V o r f a h r t zu beachten, liefe im Ergebnis auf ein V e r k e h r s v e r b o t hinaus. Bei Unübersichtlichkeit der V o r f a h r t s t r a ß e ist es vielmehr Pflicht des V o r f a h r t berechtigten, einem Wartepflichtigen, der in die K r e u z u n g eingefahren ist, bevor der V o r fahrtberechtigte die Kreuzungsfläche in Sicht b e k a m (und v o n ihr aus gesehen werden konnte), das O b e r q u e r e n der K r e u z u n g zu ermöglichen; hierzu muß er v o n vornherein seine Geschwindigkeit entsprechend einrichten 1 9 8 ). N a c h d e m Einbiegen m u ß der Wartepflichtige seine Geschwindigkeit möglichst rasch der auf der V o r f a h r t s t r a ß e üblichen anpassen 1 9 9 ). Der Einbieger ist erst dann vollständig in den Verkehr der V o r f a h r t s t r a ß e eingeordnet, wenn er f ü r den vorfahrtberechtigten Verkehr sichtbar in den S t r o m der b e v o r rechtigten Straße eingefügt ist u n d zwar dergestalt, daß sich die Vorfahrtberechtigten (aus beiden Richtungen) auf den n u n m e h r am Verkehrsfluß der V o r f a h r t s t r a ß e teilnehmenden noch rechtzeitig einrichten konnten 2 0 0 ). Deshalb w i r d die V o r f a h r t verletzt, wenn der in die bevorrechtigte Straße einbiegende Wartepflichtige sich dabei in einem unter Berücksichtigung der beiderseitigen Geschwindigkeiten zu k n a p p e n A b s t a n d (der ein A u f f a h r e n befürchten läßt) v o r den v o n hinten h e r a n k o m m e n d e n Vorfahrtberechtigten setzt 2 0 1 ). D a b e i k a n n v o n B e d e u t u n g sein, daß ein nach rechts einbiegender Wartepflichtiger sich sogleidi zur Mitte einordnet, u m alsbald nach links abzubiegen 2 0 2 ). D e r G r u n d s a t z , daß der Wartepflichtige Einbieger sich im allgemeinen wenigstens soweit in die F a h r b a h n der V o r f a h r t straße hineintasten darf, bis er sich selbst d a v o n überzeugen kann, daß er seinen Weg ohne G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer fortzusetzen in der L a g e ist, gilt nur unter der Voraussetzung, daß die Sicht durch Fahrzeuge oder andere Gegenstände versperrt ist, die die Einbieger als bis auf weiteres standortgebunden ansehen darf, dagegen nicht bei Sichtbehinderung durch erkennbar nur k u r z anhaltende Fahrzeuge 20 ®. D e r Wartepflichtige, der in eine bevorrechtigte Straße in engem Bogen nach links eingebogen ist u n d sie allmählich schräg zur Mitte hin überquert, m u ß unter U m s t ä n d e n n o d i in der bevorrechtigten Straße anhalten u n d einem v o n links k o m m e n d e n B e v o r r e d i t i g t e n die V o r f a h r t auf der f ü r diesen linken Fahrbahnseite einräumen 2 0 4 ). E i n Fall der V o r f a h r t ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Fahrzeuge außerhalb der K r e u z u n g (Einmündung) zusammengestoßen sind und sich das wartepflichtige Fahrzeug beim Z u s a m m e n s t o ß auf der bevorrechtigten Straße bereits völlig eingeordnet hat. Wer nach rechts in eine bevorrechtigte Straße einbiegt, o b w o h l v o n links ein V o r f a h r t b e r e d i t i g t e r auf 27—30 m h e r a n g e k o m men ist, macht sidi daher einer V o r f a h r t v e r l e t z u n g schuldig, wenn er hätte erkennen k ö n nen, daß der Vorfahrtberechtigte besorgen könnte, sein Vorfahrtrecht w e r d e verletzt werden u n d deshalb zu G e g e n m a ß n a h m e n greifen werde. D a ß der Vorfahrtberechtigte erst 12 m nach der K r e u z u n g auf den Wartepflichtigen a u f f ä h r t , der sidi bereits voll einge) BayObLGSt. 66, 118 (11. 10. 66) = VRS 32, 148. ) Hamm 21. 7. 58, N J W 58, 1320; Hamburg 12. 6. 57 u. 28. 8. 57, VRS 14, 130 u. 312; BGHSt. 12, 58 (wie Fußn. 70) gegen Celle 12. 3. 55, VRS 9, 62. 199 ) BayObLGSt. 63, 2 (9. 1. 63) = J R 63, 269 mit Anm. v. Martin = VerkMitt. 63, 36; vgl. BayObLGSt. 58, 70. 20 ») Hamburg 18. 9. 63, VRS 26, 143; Olden197 19s
362
201
)
202
) )
203
° )
2 4
burg 10. 1. 68, VerkMitt. 68, 80 = DRspr. II (292) 86 a. BayObLGSt. 63, 74 (13. 3. 63) = VRS 25, 371. K G 4. 3. 65, J R 65, 352 m. Anm. v. Möhl. BayObLGSt. 59, 208 (7. 7. 59) = J R 60, 27 = N J W 59, 2318 = VkBl. 60, 38 = VRS 18, 65; vgl. Hamburg 18. 9. 63, VRS 26, 143. BayObLG 5. 8. 65, 1 a St 263/64.
Einbiegende Wartepflichtige
StVO
§ 8
ordnet hatte, spielt daher keine Rolle 2 0 5 ). D e r Reditseinbieger verletzt seine Wartepflicht schon dann, wenn der Vorfahrtberechtigte von links zu starkem Bremsen veranlaßt wird. Der Wartepflichtige, der in eine bevorrechtigte Straße einbiegt, kann zwar nicht darauf vertrauen, daß entgegenkommende Vorfahrtberechtigte ihre rechte Fahrbahnhälfte einhalten. E r braucht sich aber nicht darauf einzustellen, daß ein zunächst rechtsfahrender V o r fahrtberechtigter plötzlich ohne ersichtlichen Grund auf die linke Fahrbahnseite hinüberfährt 2 0 '). K o m m t dem nach rechts einbiegenden Wartepflichtigen von dort ein Fahrzeug entgegen, das die rechte Straßenseite des Einbiegers nicht berührt, braucht sich dieser nicht darauf einzustellen, daß ein hinter dem Fahrzeug verborgenes weiteres Fahrzeug zum U b e r holen ausscheren könnte 2 0 7 ). Audi wenn hinter dem ersten Fahrzeug erkennbar ein zweites fährt, braucht der Wartepflichtige nicht ohne weiteres damit zu rechnen, daß dieses zum Überholen ausscheren würde. Der Wartepflichtige braucht in der Regel nur ein ihm erkennbares Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer, nicht aber ihre nicht in Erscheinung tretenden Absichten in Rechnung zu stellen 2 0 8 ). Sobald allerdings ein Überholvorgang erkennbar wird, darf der Wartepflichtige nicht mehr einbiegen 208 ). Das gleiche soll gelten, wenn besondere Umstände die Möglichkeit nahelegen, daß ein entgegenkommender Kraftfahrer nach links in die Fahrspur des nach rechts eingebogenen Wartepflichtigen ausweicht 2 1 0 ). Gegenüber von links kommenden Vorfahrtberechtigten darf sich der nach rechts einbiegende Wartepflichtige nicht auf den „Abschirmeffekt" eines langsam auf der rechten Fahrbahnseite fahrenden Fahrzeugs verlassen. E r muß mit der Überholung durch ein schnelleres Fahrzeug rechnen 2 1 1 ). Ist der Einbiegevorgang bereits abgeschlossen, bevor der V o r fahrtberechtigte in Sicht kommt, dann handelt es sich um keinen Vorfahrtfall 2 1 2 ). Der wartepflichtige Einbieger muß zwar solange sich mit geringer Geschwindigkeit in eine unübersichtliche Kreuzung hineintasten, als er durch sofortiges Anhalten dem fließenden Verkehr auf der Vorfahrtstraße noch die Durchfahrt ermöglichen kann. Ist aber ein Punkt erreicht, an dem das Anhalten den Verkehr auf der Vorfahrtstraße blockieren würde, so muß er mit gesteigerter Geschwindigkeit die Kreuzung freimachen. Darin, daß er weiterhin mit geringer Geschwindigkeit fährt, kann ein Verschulden liegen. 2. Einzelfälle (alphabetisch geordnet) Im folgenden wird die Wartepflicht in besonders gelagerten Einzelfällen behandelt: Einfädeln Wer sich als Linkseinbieger in den fließenden Verkehr einer Vorfahrtstraße in der Weise einzufädeln sucht, daß er in der Mitte der Vorfahrtstraße zunächst geradeaus weiterfährt, darf von der eingeschlagenen Fahrspur auf die rechte Fahrbahnseite nur mit großer V o r sicht überwechseln (damit er den nachfolgenden Verkehr nicht gefährdet) 2 1 3 ). Gesperrte
Straße
Der nadi den Vorfahrtregeln Bevorrechtigte verliert sein Vorfahrtrecht nicht dadurch, daß die Straße für ihn gesperrt ist 2 1 4 ); das kann aber nicht gelten, wenn die Straße für jeden (oder jeden Kraftfahrzeugverkehr) gesperrt ist. Denn dann braucht der Benutzer der anderen Straße mit keinem Verkehr auf der gesperrten Straße zu rechnen 2 1 5 ). ) BayObLGSt. 63, 40 (12. 2. 63). «) BayObLG 4. 5. 60, 1 St 85/1960; Köln 20. 1. 70, VRS 39, 140 = JMB1NRW 70, 278. I 0 7 ) BayObLGSt. 70, 164 (31. 7. 70) = VRS 40, 76 = VerkMitt. 70, 94 = VkBl. 71, 276 = DRspr. II (292) 101 d. 2 0 8 ) BayObLGSt. 67, 182 (15. 12. 67) = DAR 68, 189 = VRS 34, 471 = VerkMitt. 68, 25 = DRspr. II (293) 83 h. 205 20
° ) Hamm 13. 8. 65, VRS 30, 130 = VkBl. 66, 252 = DRspr. II (292) 75 d. °) Köln 20. 1. 70, VerkMitt. 70, 40 = DRspr. II (292) 98 d. 2 1 1 ) BGH(Z) 3. 11. 70, VersR 71, 177. 2 1 2 ) BayObLGSt. 65, 113 (29. 9. 65) = VerkMitt. 66, 18 = VkBl. 66, 118 = VRS 29, 470. -'13) Köln 16. 8. 60, VRS 20, 228. 2 1 4 ) Karlsruhe 21. 10. 54, VRS 7, 436. 2 1 5 ) Hamburg 6. 2. 62, VerkMitt. 62, 59. 2 9
21
§8
StVO
Möhl
Grundstücksausfahrt Ist unklar, ob von rechts eine Straße einmündet oder ob diese eine Grundstücksausfahrt ist, so muß der von rechts kommende K r a f t f a h r e r die erhöhte Sorgfalt nach § 10 anwenden, der von links K o m m e n d e sich auf das Warten nach § 8 Abs. 1 einstellen 2 1 6 ).
Hauptverkehrsstraßen
mit mehreren, durch breite Mittelstreifen getrennten
Fahrhahnen
Stark befahrene Hauptverkehrsstraßen mit mehreren, durch einen breiten Mittelstreifen getrennten Fahrbahnen dürfen von wartepflichtigen Kraftfahrzeugen in der Weise überquert werden, daß sie unter Ausnutzung von Lücken im Verkehrsstrom der ihnen nächsten Fahrbahn zunächst auf einen den Mittelstreifen unterbrechenden Überweg vorfahren, um dort eine Lücke im Verkehrsstrom der Gegenfahrbahn abzuwarten 2 1 7 ).
Nebel D e r Führer eines landwirtschaftlichen Lastzuges, der keine höhere als Schrittgeschwindigkeit erreicht, m u ß beim Überqueren einer Schnellverkehrsstraße bei Nebel besondere Sicherheitsmaßregeln (Warnposten mit roten Leuchten) ergreifen.
Parken, kurz nach dem Einbiegen in
Vorfahrtstraße
D e r wartepflichtige P k w - F a h r e r verletzt die V o r f a h r t , wenn er in 15—20 m Abstand zu dem von links kommenden Vorfahrtberechtigten nach rechts in die bevorrechtigte Straße einbiegt, um sogleich an der Ecke zu parken 2 1 8 ).
Reihenverkehr Auch der in eine Kolonne eingereihte Fahrer ist verpflichtet, die Prüfung der Vorfahrtslage selbständig für sich vorzunehmen und seine Entscheidung unabhängig von der V e r kehrslage der vorausfahrenden Fahrzeuge zu treffen 2 1 9 ).
Richtungszeichen des
Vorfahrtberechtigten
D e r Wartepflichtige darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß ein von rechts kommender vorfahrtberechtigter Kraftfahrer, der den rechten W i n k e r herausgelegt hat, nach rechts in die Fahrbahn des Wartepflichtigen einbiegen wird, es sei denn, daß besondere Umstände ihm Anlaß zu Zweifeln geben 2 2 0 ). Dagegen handelt er schuldhaft, wenn er das an der rechten Seite des bevorrechtigten Fahrzeugs angebrachte weiße Parklicht für einen Richtungsanzeiger hält und in die Fahrbahn des tatsächlich geradeaus Bleibenden hineinfährt 2 2 1 ).
Schwerfällige
Fahrzeuge
Sdiwerbeweglidie und langsame Fahrzeuge nehmen wegen der langen Zeitdauer des Überquerens einer Kreuzung und Einbiegens in die übergeordnete Straße hinsichtlich der V o r f a h r t keine Sonderstellung ein 2 2 2 ). K o m m t aber ein auf der bevorrechtigten Straße nahendes Fahrzeug erst in Sicht, wenn sich ein aus der nachgeordneten Straße einbiegender langer Omnibus bereits auf der Straßenkreuzung oder -Einmündung befindet, so kann es sich aus dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme des § 1 rechtfertigen, daß das einbiegende Fahrzeug vor ihm seine Fahrt fortsetzt 2 2 3 ).
Straßenbahnhaltestellen Der Wartepflichtige muß sich darauf einstellen, daß sich beim Überqueren einer V o r fahrtstraße mit Straßenbahngleisen vorfahrtberechtigte Fahrzeuge nähern und an Straßenbahnhaltestellen vorübergehend der Sicht entzogen sind, weil sie rechts überholen 2 2 4 ). «) ) 218) 219)
Köln 8. 11. 63, N J W 64, 311. Köln 10. 12. 63, DAR 64, 140. BayObLG 29. 11. 61, 1 St 603/61. Düsseldorf 26. 6. 52, VRS 5, 150; Köln 18. 1. 55, VRS 8, 228. 22 °) Hamm 14. 7. 60, VRS 20, 461. 2 2 1 ) Hamm 3. 11. 60, VRS 21, 380. 21
217
364
) BGH(Z) 17. 4. 56, VersR 56, 433 = DAR 56, 328. ) BGH(Z) 26. 4. 57, DAR 57, 212 = N J W 57, 1190 = VkBl. 58, 311 = VRS 13, 22 = VersR 27, 448 = Betrieb 57, 631. 2 2 4 ) Mündien 12. 11. 57, VersR 58, 116. 222 223
Wartepflicht in besonderen Fällen
StVO
§8
Überholende Fahrzeuge Der Wartepflichtige muß beim Überqueren einer Vorfahrtstraße damit rechnen, daß hinter langsam fahrenden Fahrzeugen links gestaffelt schneller fahrende Fahrzeuge fahren, welche die langsam fahrenden zu überholen versuchen. Er braucht aber nicht damit zu rechnen, das verdeckte Fahrzeug werde mit einer verbotenen Geschwindigkeit überholen 225 ). Unbeleuchtete Vorfahrtberechtigte Zwar muß der Kraftfahrer jederzeit mit unbeleuchteten Hindernissen auf seiner Fahrbahn rechnen, also auch mit unbeleuchteten Fahrzeugen 226 ). Beim Einfahren in eine unbeleuchtete Kreuzung bei Nacht wird aber der Wartepflichtige nicht damit rechnen müssen, daß unbeleuchtete, vorfahrtberechtigte Fahrzeuge sich der Kreuzung nähern 227 ). Verkehrslücke in der Vorfahrtstraße Wartet an der Einmündung in eine Vorfahrtstraße wegen stärkeren Verkehrs auf dieser Straße bereits eine erhebliche Anzahl von Kraftfahrzeugen, so muß der Lenker eines in der ersten Reihe stehenden Fahrzeugs, der bei einer kurzen Verkehrslücke in die Vorfahrtstraße einbiegt, nicht damit rechnen, daß ein nachfolgendes Fahrzeug links an den haltenden Fahrzeugen vorbeifährt, um noch vor ihm in die Lücke zu kommen 228 ). Versetzte Kreuzung Ist die Fortsetzung der von rechts heranführenden Vorfahrtstraße jenseits der sie kreuzenden untergeordneten Straße nach rechts versetzt, dann beginnt die Pflicht des Wartepflichtigen zum vorsichtigen „Hineintasten" in die Kreuzung schon an der Linie, von der an die Vorfahrtverhältnisse unklar sind 229 ). Verzicht auf Vorfahrtrecht a) Der Wartepflichtige darf in die Kreuzung einfahren, wenn der Vorfahrtberechtigte auf sein Vorrecht verzichtet 230 ). b) Annahme eines Verzichts ist nur gerechtfertigt, wenn aus den Umständen hervorgeht, daß der Vorfahrtberechtigte gerade wegen des Wartepflichtigen angehalten 231 ) und wenn er den Verzichtswillen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat 232 ). c) Keine Fahrlässigkeit des Wartepflichtigen, wenn der Vorfahrtberechtigte anhält und die Absicht des Wiederanfahrens nicht erkennbar ist233). Wer als Vorfahrtberechtigter anhält, verzichtet zwar damit allein noch nicht auf sein Vorrecht, muß aber wiederanfahrend beim Wartepflichtigen mit der irrigen Annahme eines Verzichts rechnen 234 ). Wartezeit Der Wartepflichtige muß u. U. auch eine unverhältnismäßig lange Wartezeit auf sich nehmen 235 ). D. Die Vorfahrtregeln im einzelnen I. Grundsatz: Rechts vor links (Abs. 1) Abs. 1 Satz 1 enthält die Grundregel, die überall eingreift, wo keine Sonderregelung getroffen ist. Wegen der besonderen Bedeutung der Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen ist in Abs. 1 N r . 1 auf die Ausnahme von der Grundregel bei besonderer Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen ausdrücklich hingewiesen. Es gibt aber auch noch andere Ausnahmen, 225
) °) ) 228 ) 22 ») 23 °)
Saarbrücken 8. 10. 59, VRS 19, 150. BayObLG 14. 5. 57, VkBl. 57, 607. So offenbar audi Jagusch StVO § 17 Anm. 1. BayObLG 7. 9. 60, 1 St 430/1960. Hamm 28. 9. 61, VRS 23, 123. BGH(Z) 5. 11. 57, DAR 58, 50 = N J W 58, 259 = VRS 14, 4. I31 ) Neustadt 27. 11. 57, DAR 58, 168 = JR
22
227
232
)
233
) ) )
234 235
58, 111 = MDR 58, 183; Neustadt 7. 8. 57, MDR 58, 52. BGH(Z) 12. 1. 60, VRS 18, 249 = DAR 60, 137. Köln 30. 10. 56, DAR 57, 135. B G H 5. 11. 57, DAR 58, 57. Bremen 15. 8. 56, VRS 11, 303; Düsseldorf 26. 6. 52, VRS 5, 150.
365
§ 8
Möhl
StVO
z. B. bei Regelung der Vorfahrt durch Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten (§ 36) 2 3 S ) oder Lichtzeichen (§ 37), die alle der Regelung durch Verkehrszeichen vorgehen. Für die Bevorrechtigung der von rechts kommenden Fahrzeuge k o m m t es auf Verkehrsbedeutung der Straße, auf Beschaffenheit, rechtliche Charakterisierung nach Eigentum, Unterhaltspflicht usw. ebensowenig an wie für das Vorrecht der Benutzer einer durch Verkehrszeichen bevorrechtigten Straße. Ausnahmen gelten nach Abs. 1 N r . 2 nur für Feldund Waldwege (unten R N r . 23). Das Vorredit des von rechts Kommenden besteht auch dann, wenn die Straße, aus der er kommt, eine Sackgasse ist 2 3 7 ). Ein Irrtum über den Charakter eines kreuzenden Weges (öffentliche Straße, Grundstüdesausfahrt?) kann unter besonderen Umständen entschuldbar sein 238 ). Münden unbedeutende Nebenwege in verkehrsbedeutende Durchgangsstraßen, so kann die Wartepflicht des von links kommenden Benutzers der Durchgangsstraße zwar eingeschränkt sein (oben R N r . 17). Das gilt aber nicht, wenn sich auf der Straße von größerer Verkehrsbedeutung aus besonderen Gründen ohnehin ein zügiger Verkehr nicht entwickeln kann 2 3 9 ). Der Grundsatz rechts vor links ist so eindeutig und durch lange Übung so fest in das Verkehrsdenken eingegangen, daß ihm bei Auslegung von Zweifelsfällen der Vorrang gebührt. Die Rechtsprechung hat die Grundregel in folgenden Fällen angewandt: Münden zwei Nebenstraßen von derselben Seite her an derselben Stelle in eine Vorfahrtstraße ein, so gilt für die auf ihnen herankommenden Fahrzeuge im Verhältnis zueinander der Grundsatz „rechts vor links" 2 4 0 ). Das gilt auch, wenn die bevorrechtigte Straße eine sog. abknikkende Vorfahrtstraße ist und zwei Fahrzeuge aus den beiden untergeordneten Anschlußstraßen kommend an der Einmündung in die abknickende Vorfahrtstraße zusammentreffen 2 4 1 ). Befindet sich ein Kraftfahrer auf der einer Bundesstraße vorgelagerten trichterförmigen Fläche, die durch Einmündungen zweier nicht bevorrechtigter Straßen gebildet wird, so gilt für ihn der gleiche Grundsatz 2 4 2 ). Teilt sich eine Bundesstraße in zwei in spitzem Winkel auseinandergehende, ebenfalls als Bundesstraßen gekennzeichnete Straßenäste, so gilt für die Vorfahrt an dieser Straßengabel grundsätzlich ebenfalls die Regel „rechts vor links" 2 4 3 ). T r i f f t die von rechts kommende Straße in spitzem Winkel auf die, vom Wartepflichtigen benutzte, dann muß der Wartepflichtige erforderlichenfalls am Schnittpunkt seines rechten Fahrbahnrandes mit dem linken Fahrbahnrand der von rechts einmündenden Straße anhalten können 2 4 4 ). Der Radfahrer auf einem Radweg zwischen einer Bundesstraße und einer abzweigenden Straße ist vorfahrtberechtigt, falls er von rechts kommt und der R a d weg ein von der Führung dieser beiden Straßen losgelöster, selbständiger, wenn auch nur für eine bestimmte Verkehrsart vorbehaltener Verbindungsweg ist 2 4 5 ). Vorfahrtregeln können nicht durch Gewohnheitsrecht geändert werden 2 4 6 ). II. Vorfahrt auf Grund vorfahrtregelnder Zeichen (Abs. 1 N r . 1) Folgende Zeichen regeln die Vorfahrt im Sinne des § 8 Abs. 1 N r . 1: Z. 205 „Vorfahrt gewähren!", 206 „Halt! Vorfahrt gewähren!". Durch Zusatzschild kann der Verlauf der Vorfahrtstraße bekannt gegeben werden (unten R N r . 24—27). Z. 330 „Autobahn" (Der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn hat nach § 18 Abs. 3 die Vorfahrt); (unten R N r . 28). Z. 301 „Vorfahrt", 306 „Vorfahrtstraße". «) Frankfurt 23. 6. 65, DAR 65, 331. München 20. 11. 36, VAE 37, 134. 2»8) Schleswig 14. 12. 55, VerkMitt. 56, 24. 2 3 8 ) Bremen 6. 4. 60, DAR 61, 16. 2 4 °) Hamm 9. 10. 58, VRS 17, 77; Saarbrücken 23
8. 10. 59, JBlSaar 60, 13.
) K G 5. 8. 70, V R S 39, 462. 2 4 2 ) Oldenburg 28. 8. 62, DAR 63, 251. 241
366
) B G H 24. 4. 64, VRS 27, 74 = DAR 64, 223 = VerkMitt. 64, 58 = DRspr. I I (292) 67 b. 2 4 4 ) Stuttgart 9. 1. 68, VRS 35, 217 = VerkMitt. 68, 39 = DRspr. I I (292) 86 b. 2 « ) Oldenburg 28. 1. 60, DAR 60, 364; vgl. nunmehr auch § 9 Abs. 3 S. 1. 2 4 6 ) Karlsruhe 3. 6. 58, DAR 59, 26. 243
Rechts vor links; Vorfahrtzeichen
StVO
§8
Das Bundesstraßennummernschild hat seine vorfahrtregelnde Funktion eingebüßt, es dient wie das Europastraßenschild (Z. 410) nur mehr der Orientierung. V o r f a h r t ist ein Rechtsbegriff. D e r Tatrichter muß deshalb die Tatsachen, also insbesondere die an der Kreuzung (Einmündung) angebrachten Verkehrszeichen feststellen, aus denen sich die von ihm angenommene Vorfahrtlage ergibt. U n t e r l ä ß t er dies, so muß das Revisionsgericht zurückverweisen, weil es nicht nachprüfen kann, ob der Rechtsbegriff richtig angewandt ist. Während nach der S t V O 1937 bei Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften bereits gelegentliche Kennzeichnung der Vorfahrtstraße durch positive Vorfahrtzeichen (Bild 44 oder 52 der Anlage zur S t V O 1937) die V o r f a h r t auf der Straße in ihrem ganzen Verlauf begründet, bedurfte es innerhalb geschlossener Ortschaften an jeder Kreuzung der Kennzeichnung durch positive und negative (Bild 30 oder 30 a der Anlage zur S t V O 1937) Kennzeichen. Das ist nunmehr grundlegend geändert: Die Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen ist nunmehr inner- und außerorts gleiche.
die
Z. 301 gilt die V o r f a h r t nur an der nächsten Kreuzung oder Einmündung, Z. 306 steht am Anfang der „Vorfahrtstraße". Es gibt die V o r f a h r t bis zum nächsten Z. 205 ( „ V o r f a h r t gewähren!") oder 206 ( „ H a l t ! V o r f a h r t gewähren!"). Das Z. 306 ist zwar an jeder K r e u zung oder Einmündung von rechts zu wiederholen. U n t e r b l e i b t dies, so endet die V o r f a h r t straße damit aber nicht. Das Ende einer Vorfahrtstraße (im Gegensatz zu einer vorübergehenden Unterbrechung) wird der Deutlichkeit halber noch durch Z. 307 gekennzeichnet. Wichtig ist weiter die Aufwertung der für den Wartepflichtigen geltenden Z. 205 und 2 0 6 : Während früher diese Zeichen allein zwar dem Benutzer der untergeordneten Straße die V o r f a h r t nahmen, nicht aber gleichzeitig für den Benutzer der anderen Straße die V o r f a h r t begründeten, ordnen sie nunmehr unabhängig von der Beschilderung der Vorfahrtstraße an, „die V o r f a h r t zu gewähren". Zur Begründung der V o r f a h r t bedarf es also nicht mehr der doppelten Kennzeichnung. Allerdings ist diese im Interesse der Sicherheit des Verkehrs geboten und wird deshalb bei Z. 306 ausdrücklich angeordnet. Fehlt an der untergeordneten Straße das Vorfahrtschild (Z. 205, 206), so kann der Wartepflichtige allerdings nur dann belangt werden, wenn ihm die Bevorrechtigung der anderen Straße bekannt ist. E r darf sich darauf verlassen, daß ihm die Bevorrechtigung der anderen Straße durch ein negatives Vorfahrtzeichen bekannt gemacht wird. Deshalb darf umgekehrt der Vorfahrtberechtigte bei ihm bekannten Fehlen des negativen Zeichens nicht darauf vertrauen, daß Fahrzeuge von rechts sein Vorfahrtrecht beachten. (Näheres darüber, wo den durch die Vorfahrtzeichen angeordneten Geboten und V e r b o ten Folge zu leisten ist und wo diese Zeichen aufzustellen sind s. § 41 R N r . 6, 7, § 42 R N r . 4 u. Vwv zu Z. 205 u. 206.) Zu beachten ist, daß es an der Einmündung von Feld- und Waldwegen in andere Straßen nach § 8 Abs. 1 N r . 2 keiner bes. Kennzeichnung der V o r f a h r t bedarf. Vorfahrtberechtigt sind hier immer die Benutzer der anderen Straße. Die umfangreiche Rechtsprechung zur Bedeutung der Vorfahrtzeichen nach der Anlage zur S t V O 1937 ist durch die klare und einfache Neuregelung größtenteils überholt. Fälle, in denen zwei aus verschiedenen Straßen aufeinander zukommende Fahrzeuge beide bevorrechtigt oder nichtbevorrechtigt sind, sind nach der Neuregelung kaum mehr denkbar. Immerhin sind einige Rechtsgrundsätze aus früheren Entscheidungen auch heute noch verw e r t b a r : Für die Frage, ob ein positives oder negatives Zeichen einer bestimmten Kreuzung (Einmündung) zugeordnet ist, ist entscheidend, ob die räumliche Beziehung des Zeichens zur Kreuzung (Einmündung) so eng ist, daß Mißverständnisse ausgeschlossen sind 2 4 7 ). Durch beampelte Fußgängerüberwege in der Nähe von Kreuzungen wird die V o r f a h r t nicht berührt. D e r Vorfahrtberechtigte verliert sein Vorrecht gegenüber einem Wartepflichtigen aus s
« ) Hamm 10. 1. 58, VkBl. 58, 704.
367
§8
StVO
Möhl
einer Seitenstraße nicht, w e n n i h m die A m p e l am F u ß g ä n g e r ü b e r w e g H a l t ! gebietet (s. o b e n R N r . 13, F u ß n . 143). M i t V e r k e h r aus dem f ü r jeden V e r k e h r gesperrten A b s c h n i t t einer b e v o r r e c h t i g t e n S t r a ß e braucht der Wartepflichtige nicht zu rechnen 2 4 8 ). V o r f a h r t z e i c h e n haben n u r dann eine W i r k u n g , w e n n sie in der F a h r t r i c h t u n g des zu B e v o r r e c h t i g e n d e n aufgestellt sind. E i n in entgegengesetzter R i c h t u n g aufgestelltes Verkehrszeichen genügt nicht 2 4 9 ). W e n n eine S t r a ß e n b a h n z w a r auf besonderem B a h n k ö r p e r , aber i n n e r h a l b des V e r k e h r s r a u m s einer öffentlichen S t r a ß e verlegt ist, so verschafft (beim F e h l e n v o n W a r n k r e u z e n ) die B e v o r r e c h t i g u n g der S t r a ß e auch der S t r a ß e n b a h n die V o r f a h r t gegenüber dem V e r k e h r aus den u n t e r g e o r d n e t e n S e i t e n s t r a ß e n 2 5 0 ) . D i e B e v o r r e c h t i g u n g durch V e r k e h r s zeichen erlischt, w e n n die Verkehrszeichen aus irgendwelchen G r ü n d e n e n t f e r n t werden. D e r B e v o r r e c h t i g t e k a n n sich nicht m i t E r f o l g darauf b e r u f e n , daß an einer K r e u z u n g f r ü h e r ein i h n bevorrechtigendes Zeichen angebracht w a r ; wird dagegen das Dreieckzeichen e n t f e r n t , dann braucht sich der ehemals Wartepflichtige nicht v o r h a l t e n zu lassen, daß f r ü h e r ein solches Zeichen angebracht w a r . W e i ß er allerdings, daß in der anderen S t r a ß e ein V o r fahrtzeichen angebracht ist, dann m u ß er die V o r f a h r t beachten. Ist h i n t e r einer K r e u z u n g zur R e g e l u n g des V e r k e h r s an einer Engstelle eine A m p e l angebracht, so n i m m t das d o r t aufleuchtende R o t l i c h t dem auf die K r e u z u n g Z u f a h r e n d e n die V o r f a h r t auch dann nicht, w e n n v o r der K r e u z u n g ein Schild m i t der A u f s c h r i f t — „Bei R o t l i c h t v o r der K r e u z u n g h a l t e n ! " — angebracht ist. D e n n dieses ist kein amtliches Verkehrszeichen oder Zusatzschild. Allerdings k a n n es d e m V o r f a h r t b e r e c h t i g t e n die B e r u f u n g auf den V e r t r a u e n s g r u n d s a t z n e h m e n , w e n n er es bei pflichtgemäßer A u f m e r k s a m k e i t h ä t t e sehen müssen 2 5 1 ). Ist ein Dreieckzeichen „ V o r f a h r t g e w ä h r e n ! " (Z. 2 0 5 ) völlig v o n R o s t überzogen oder wesentlich k l e i n e r als vorgeschrieben, dann k a n n es die V o r f a h r t nicht b e g r ü n d e n 2 5 2 ) . Liegt es aber nahe, daß ein V o r f a h r t z e i c h e n durch Fahrzeuge verdeckt ist, dann k a n n die Pflicht bestehen, sich h i e r ü b e r zu vergewissern, falls m i t einer V o r f a h r t r e g e l u n g durch Verkehrszeichen nach den U m s t ä n d e n zu rechnen ist 2 5 3 ). I r r e f ü h r e n d e oder undeutliche Verkehrszeichen k ö n n e n zu einem entschuldbaren V e r b o t s i r r t u m f ü h r e n . E i n erhebliches Verschulden der zuständigen B e a m t e n der V e r k e h r s b e h ö r d e n bei der Aufstellung v o n Verkehrszeichen m u ß bei der Strafzumassung mildernd berücksichtigt w e r d e n 2 5 4 ) . Z u beachten ist, daß nach § 3 6 Abs. 1 Zeichen und Weisungen der P o l i z e i b e a m t e n der V o r f a h r t r e g e l u n g durch Verkehrszeichen v o r g e h e n . I I I . V o r f a h r t gegenüber Fahrzeugen aus Feld- und Waldwegen (Abs. 1 N r . 2) D e r Gesetzgeber h a t dadurch, daß er die B e n u t z e r v o n F e l d - u n d Waldwegen gegenüber den B e n u t z e r n der bedeutenden S t r a ß e n , in die j e n e e i n m ü n d e n , allgemein u n t e r g e o r d n e t hat, ein P r o b l e m v e r n ü n f t i g gelöst, das der Rechtsprechung bisher große Schwierigkeiten b e r e i t e t e (oben R N r . 17). H i e r erlangt der f r ü h e r e n Verkehrsgesetzen zugrundeliegende G e danke der B e v o r r e c h t i g u n g der „ H a u p t s t r a ß e n " gegenüber den „ N e b e n s t r a ß e n " noch einm a l G e l t u n g . D i e C e m t r e g e l n sehen eine ähnliche A u s n a h m e f ü r die B e n u t z e r v o n F e l d wegen und „ P f a d e n " v o r 2 5 5 ) . E i n „ F e l d " - oder „ W a l d w e g " ist ein öffentlicher W e g i m Sinne des S t r a ß e n v e r k e h r s rechts, w e n n er einem nicht durch persönliche Beziehungen v e r b u n d e n e n P e r s o n e n k r e i s z u r B e n u t z u n g o f f e n s t e h t . Andernfalls handelt es sich u m einen nicht öffentlichen P r i v a t w e g oder eine Grundstücksausfahrt. ) Hamburg 6. 2. 62, VerkMitt. 62, 59. j BayObLG 5. 8. 64, VRS 28, 117 = VkBl. 65, 15. 2 5 °) BayObLGSt. 59, 42 (11. 2. 59) = VRS 17, 125 = VerkMitt. 59, 50. 25 1) BayObLGSt. 70, 143 (30. 6. 70) = VerkMitt. 70, 67 = VRS 39, 450. 248
249
) Oldenburg 16. 11. 67, NdsRpfl. 68, 137 = VRS 35, 250 = DRspr. II (292) 92 d; Düsseldorf 3. 11. 65, VerkMitt. 66, 15 = DRspr. II (292) 76 b. 2 5 3 ) LG Bielefeld 5. 6. 68, DAR 69, 70. 2 5 4 ) BayObLGSt. 31. 7. 63, 1 St 240/1963. 2 5 5 ) Abgedr. in VkBl. 65, 142, 144. 252
StVO
Feld- und W a l d w e g e ; abknickende V o r f a h r t
§ 8
A u f andere unbedeutende N e b e n w e g e als F e l d - und Waldwege k a n n die V o r s c h r i f t nicht analog angewandt werden. F ü r sie gilt die bisherige Rechtsprechung ü b e r das V e r h a l t e n an K r e u z u n g e n und E i n m ü n d u n g e n v o n u n b e d e u t e n d e n N e b e n w e g e n in Durchgangsstraßen (oben R N r . 17). Ist n a d i d e m äußeren Anschein zweifelhaft, ob es sich u m einen Feld(Wald-)weg oder u m einen sonstigen N e b e n w e g handelt, z. B . einen unbefestigten G e meindeweg, so m u ß der B e n u t z e r des N e b e n w e g e s sich so v e r h a l t e n , als k ä m e er aus einem Feld-(Wald-)weg, w ä h r e n d der B e n u t z e r der Durchgangsstraße einem v o n rechts h e r a n k o m m e n d e n B e n u t z e r der N e b e n s t r a ß e die V o r f a h r t e i n r ä u m e n m u ß . K r e u z e n sich F e l d - und Waldwege u n t e r e i n a n d e r , dann gilt die G r u n d r e g e l „rechts v o r links". IV. V o r f a h r t in besonderen Fällen 1. Die „abknickende V o r f a h r t " (Zusatzschild zu Z. 2 0 5 , 2 0 6 , 3 0 6 )
Entstehungsgeschichte § 13 Abs. 4 S t V O 1 9 3 7 in der Fassung der V O v o m 24. 8. 53 verpflichtete den an K r e u zungen oder E i n m ü n d u n g e n nach links Abbiegenden, gegenüber e n t g e g e n k o m m e n d e n , geradeaus bleibenden F a h r z e u g e n nur dann zur E i n r ä u m u n g der „ V o r f a h r t " , wenn k e i n e v o r f a h r t r e g e l n d e n Verkehrszeichen aufgestellt w a r e n . D u r c h die V O v o m 14. 3. 1956 wurde, rechtssystematisch richtig, das K r e u z e n der F a h r b a h n des E n t g e g e n k o m m e n d e n durch den A b b i e g e n d e n aus der V o r f a h r t r e g e l u n g des § 13 h e r a u s g e n o m m e n und in den § 8 eingefügt. D a b e i w u r d e nach der amtlichen B e g r ü n d u n g der V o r b e h a l t einer V o r f a h r t r e g e l u n g durch Verkehrszeichen b e w u ß t gestrichen, weil m a n die Begegnung des Linkseinbiegers m i t dem E n t g e g e n k o m m e n d e n n i d i t m e h r als „eigentlichen" V o r f a h r t f a l l ansah, der einer E i n z e l regelung durch Verkehrszeichen unterliegen k ö n n t e . T r o t z d e m h a t t e der B M V in der A l l g e m e i n v e r f ü g u n g v o m 26. 2. 5 9 2 5 0 ) über die „abknickende V o r f a h r t r e g e l u n g und ihre B e schilderung" die A n b r i n g u n g v o n Zusatztafeln zu den v o r f a h r t r e g e l n d e n Verkehrszeichen e m p f o h l e n , aus denen sich die E i n h e i t l i c h k e i t des b e v o r r e c h t i g t e n Straßenzuges ergeben sollte, w e n n dieser nicht dem natürlichen S t r a ß e n v e r l a u f entsprach. D a r a u f hat der B G H 2 5 7 ) die Zulässigkeit und V e r b i n d l i c h k e i t der v o m B M V e m p f o h l e n e n K e n n z e i c h n u n g v e r n e i n t und ausgesprochen, nach geltendem R e c h t k ö n n t e n zwei an einer K r e u z u n g oder E i n m ü n dung aufeinanderstoßende S t r a ß e n t e i l e nicht entgegen i h r e m natürlichen V e r l a u f durch v o r fahrtregelnde Zeichen m i t Zusatzsdiildern zu einem einheitlichen b e v o r r e c h t i g t e n S t r a ß e n zug „über E c k " z u s a m m e n g e f a ß t werden. D e r durch V O v o m 29. 12. 6 0 ( B G B l . 61 I S. 8) eingefügte § 13 Abs. 2 Satz 3 sollte nach der amtlichen B e g r ü n d u n g d e m auch nach Ansicht des B G H bestehenden praktischen Bedürfnis R e c h n u n g tragen. E r b e s t i m m t e , daß zwei an einer K r e u z u n g oder E i n m ü n d u n g aufeinanderstoßende S t r a ß e n t e i l e entgegen i h r e m n a t ü r lichen V e r l a u f durch V o r f a h r t z e i c h e n m i t Zusatztafeln zu einem b e v o r r e c h t i g t e n S t r a ß e n zug z u s a m m e n g e f a ß t werden k ö n n e n . Diese R e g e l u n g w u r d e v o n der S t V O 1970 im w e sentlichen ü b e r n o m m e n , allerdings n u n m e h r bei den Verkehrszeichen 2 0 6 u. 3 0 6 eingefügt. E i n e gewisse E r w e i t e r u n g des sachlichen Anwendungsbereichs über den W o r t l a u t der B e s t i m m u n g hinaus h a t t e sich schon nach der bisherigen R e g e l u n g aus Z w e c k m ä ß i g k e i t s g r ü n den ergeben. D a s Zeichen „abknickende V o r f a h r t " wurde nicht nur in Fällen v e r w e n d e t , in denen zwei offensichtlich nicht zueinander gehörende S t r a ß e n t e i l e künstlich zu einem S t r a ßenzug v e r e i n i g t werden sollten, sondern auch (sogar überwiegend) in Fällen, in denen lediglich d a r ü b e r Zweifel bestehen k o n n t e n , welches der natürliche S t r a ß e n v e r l a u f w a r 2 5 8 ) . E n t s p r e c h e n d w i r d in der E r l ä u t e r u n g zu den Zeichen 2 0 6 u. 3 0 6 w o h l v o m „ B e k a n n t g e b e n " des Verlaufes der b e v o r r e c h t i g t e n Straßenstrecke gesprochen, weil das Zusatzschild 2
5«) VkBl. 59, 146. " ) BGHSt. 14, 366 (15. 6. 60) = VRS 19, 220, auf Vorlagebesdiluß des OLG Hamm v. 22. 1. 60, VRS 18, 235 entgegen Köln 10. 6. 58, VRS 15, 379; vgl. audi Lienen in
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„Deutsdie Polizei" 59, 243 u. Celle 7. 1. 60, VRS 18, 237. ) BayObLGSt. 64, 177 (23. 12. 64) = VerkMitt. 65, 21 = VRS 28, 300 = MDR 65, 504 = VkBl. 65, 233.
369 24 StVO + S t G B
§8
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Möhl
nicht nur dann Verwendung finden soll, wenn der bezeichnete Verlauf der Straße von ihrem natürlichen Verlauf abweicht, sondern auch dann, wenn über den natürlichen Verlauf Zweifel möglidi sind. 25
Anwendungsgebiet Wie sich aus der Entstehungsgeschichte eindeutig ergibt, war die Neuregelung ursprünglich nur für den Fall gedacht, daß aufeinanderstoßende Straßenteile „entgegen ihrem natürlichen Verlauf" zu einem sozusagen künstlichen Straßenzug zusammengefaßt werden sollten. Auch der BGH hatte a. a. O. 257 ) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die von ihm vertretene Rechtsansicht das Vorfahrtrecht desjenigen unberührt lasse, der sich einer bevorrechtigten Kreuzung oder Einmündung auf einer Straße nähere, deren natürliche Fortsetzung nicht geradeaus, sondern in einer Linkskrümmung weiterführt. Er biege, wenn er dieser Krümmung folge, nicht nach links in eine andere Straße ein, sondern bleibe auf derselben Straße. Andererseits sei eine Nebenstraße, auch wenn sie das von ihm vor der Linkskrümmung befahrene Straßenstück in gerade Linie weiterführe, für ihn eine „andere" Straße. Das setze allerdings voraus, daß die von dem Vorfahrtberechtigten befahrenen Straßenteile offensichtlich, d. h. nachdem für jedermann ohne weiteres erkennbaren äußeren Gepräge (Breite, Belag und sonstige Beschaffenheit der Fahrbahn, etwaige Mittellinie) — unbeschadet der Linkskrümmung — einen einheitlichen Straßenzug bilden. „Natürlich" im Sinne von naturgegeben ist zwar eine Straßenführung nie. Auch die Baugeschichte einer Straße kann für den Verkehrsteilnehmer keine geeignete Unterscheidungsgrundlage sein. Unter „natürlichem" Straßenverlauf ist vielmehr derjenige zu verstehen, der nach seinem äußeren Bild einen einheitlichen Straßenzug ergibt. Im Einzelfall kann diese Feststellung sdiwierig sein. So müssen Straßenteile, die an einer Kreuzung über Eck zusammenstoßen, nicht schon deshalb einen einheitlichen Straßenzug bilden, weil sie durch eine über die Kreuzung verlaufende unterbrochene Mittellinie miteinander verbunden sind259) oder den gleichen Namen tragen. In Zweifelsfällen ist davon auszugehen, daß die gerade Fortsetzung eines Straßenteils die Vermutung für sich hat, auch seine „natürliche" Fortsetzung zu sein, nicht die im Winkel abknickende.
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Inhalt der Vorschrift In § 41 ist zu Z. 206 und in § 42 zu Z. 306 übereinstimmend ausgeführt, der Verlauf der Vorfahrtstraße könne durdi das Zusatzschild „bekanntgegeben" werden. Die sprachliche Fassung ist im Vergleich zu § 13 Abs. 2 Satz 3 a. F. ungenau. Durch die Beschilderung mit Vorfahrtzeichen und Zusatzsdiildern wird der Verlauf der abknickenden Vorfahrtstraße in der Regel nicht nur „bekanntgegeben", sondern erst geschaffen. Andernfalls müßte man die Regelung aus den gleichen Gründen für unwirksam ansehen, aus denen der BGH die allgemeine Verfügung des BMV vom 26. 2. 59 für unwirksam erklärt hat (oben RNr. 24, Fußnoten 256, 257). Das gleiche Zeichen erscheint als Zusatzschild zu den Z. 205, 206 und umgekehrt zu Z. 306 deshalb, weil dies nach Ansicht der amtlichen Begründung in einem volkstümlichen Gesetz „ratsam" sei. Neu gegenüber der bisherigen Regelung ist die bei Z. 306 stehende Vorschrift, wer dem durch das Zeichen bekanntgegebenen Verlauf folgen wolle, habe dies anzuzeigen (hierzu unten RNr. 27). Die Regelung der abknickenden Vorfahrtstraße berührt (wie die des früheren § 13 Abs. 2 Satz 3) nicht den Vorrang entgegenkommender Fahrzeuge nach § 9 Abs. 3. Sie umschreibt vielmehr nur näher, was unter „Straße" im Sinne des Verkehrsrechts zu verstehen ist. Der Gesetzgeber gibt zu erkennen, daß für ihn der sog. „natürliche Straßenverlauf" nicht unantastbar ist, daß vielmehr eine einheitliche Straße künstlich durch Vorfahrtzeidien zusammen mit den Zusatzschildern geschaffen werden könne, für die dann die gleichen Vorschriften gelten wie für einen „natürlichen" Straßenzug. An der Befugnis des Gesetzgebers zur Ausweitung des Begriffs „Straße" in diesem Sinne kann kein Zweifel sein. In den „Cemt"-Regeln wird man allerdings vergeblich nadi einer vergleich2S8) BayObLG 4. 4. 62, 1 St 139/1962.
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Abknickende V o r f a h r t
S t V O
§ 8
baren V o r f a h r t r e g e l u n g suchen. Für Ausländer werden die Zusatzschilder deshalb meist unverständlich sein. D i e Zusatzschilder k ö n n e n nur im Z u s a m m e n h a n g m i t den Vorfahrtzeichen 205, 206 bzw. 306 angebracht werden. O h n e diese, etwa bei Z. 301, wären sie ohne rechtliche Bedeutung. D i e Z u s a m m e n f a s s u n g zweier aufeinanderstoßender Straßenteile entgegen ihrem natürlichen Verlauf, jedoch entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung zu einem bevorrechtigten Straßenzug steht i m Ermessen der Verkehrsbehörde 2 6 0 ). Sind aber zwei an einer unübersichtlichen Stelle innerhalb einer geschlossenen Ortschaft im rechten Winkel aufeinanderstoßende, wechselseitig nicht einsehbare Straßenteile in gleicher Weise als Vorfahrtstraßen — aber ohne Zusatzschilder — bestimmt worden, so bedeutet das grundsätzlich eine Verletzung der der Straßenverkehrsbehörde obliegenden allgemeinen Amtspflicht, eine m ö g lichst gefahrlose Abwicklung des Verkehrs zu ermöglichen und deshalb irreführende Verkehrsregelungen zu vermeiden 2 6 1 ). Rechtsfolgen Wer d e m Knick der zusammengefaßten Straßenteile folgt, hat gegenüber d e m auf der „natürlichen" Verlängerung seiner ursprünglichen Fahrtrichtung „ E n t g e g e n k o m m e n d e n " die V o r f a h r t . D e r v o n ihm befahrene Straßenzug gilt als eine Straße, er biegt nicht im Sinne des § 9 ab, wenn er i h m folgt. D e r „ E n t g e g e n k o m m e n d e " ist entsprechend wartepflichtig. Das ergibt sich z w a r nicht aus den Vorfahrtzeichen 205, 206 bzw. 306 allein, wohl aber aus diesen Zeichen im Z u s a m m e n h a l t m i t dem Zusatzsdiild, das die V o r f a h r t des Einbiegenden f ü r die Beteiligten einprägsam und leicht verständlich darstellt. Ebensowenig wie die Wartepflicht nach § 9 Abs. 3 Satz 1 gegenüber E n t g e g e n k o m m e n d e n aus der geradlinigen F o r t s e t z u n g der Vorfahrtstraße gilt f ü r den Benutzer des abknickenden Straßenzuges die Pflicht, sich v o r dem Abbiegen nach links zur Mitte einzuordnen. Vielmehr m u ß er in der K u r v e nach § 2 Abs. 2 möglichst weit rechts fahren. D e m Benutzer der abknickenden Vorfahrtstraße steht die V o r f a h r t gegenüber Fahrzeugen aus einmündenden untergeordneten Straßen im gleidien U m f a n g zu wie d e m Benutzer einer „natürlichen" Vorfahrtstraße. D e r Benutzer einer nach rechts abknickenden V o r f a h r t s t r a ß e bleibt deshalb, auch wenn er am Knick n a d i links in eine Nebenstraße abbiegt, gegenüber einem ihm auf der geradlinigen Verlängerung seiner bisherigen F a h r b a h n entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer v o r fahrtberechtigt 2 8 2 ). O b w o h l durch das Zusatzschild z u s a m m e n m i t den Vorfahrtzeichen eine z w a r künstliche, aber einheitliche Straße geschaffen wird, f ü r deren B e n u t z u n g im übrigen die Regeln f ü r das Befahren einer „natürlichen" abknickenden Straße gelten, hat sich der Gesetzgeber nach einigem Schwanken in zwei wichtigen P u n k t e n doch nicht dazu entschließen können, die so bezeichnete Straße als einheitliche Straße anzuerkennen: In § 42, Z. 306 wird bei den Erläuterungen z u m Zusatzschild vorgeschrieben, daß derjenige, der d e m Verlauf der d u r d i das Zeidien 306 m i t d e m Zusatzschild gekennzeichneten abknickenden V o r f a h r t s t r a ß e folgen will, dies wie beim Abbiegen rechtzeitig u n d deutlich ankündigen muß, wobei die F a h r t richtungsanzeiger zu benutzen sind. A u ß e r d e m wird ihm wie beim Abbiegen (§ 9 Abs. 3 S. 2) auferlegt, auf Fußgänger bes. Rückscht zu nehmen u n d wenn nötig, zu warten. D a m i t ist eine alte Streitfrage 2 6 3 ) geklärt, allerdings nicht befriedigend. Es ist nicht unbedenklich, einen Straßenzug einmal als eine Straße u n d dann wieder als zwei Straßen zu behandeln. D e r Verkehrsteilnehmer wird ü b e r f o r d e r t , wenn er sich teils so verhalten muß, als ob er 26
°) BGH(Z) 4. 11. 63, VersR 64 (Erg. Heft 11),
261 262
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) BGH(Z) 18. 10. 62, DAR 63, 130. ) Hamm 22. 5. 64, VkBl. 64, 455 = VerkMitt. 65, 6 = VRS 28, 54 = DRspr. II (292) 67 d.
«3) Möhl, N J W 63, 1096; zust. Düsseldorf 8. 4. 64, N J W 64, 1430 = VRS 27, 465 = VerkMitt. 65, 5; a. M. Hamburg 3. 3. 64, MDR 64, 845; Hamm 8. 1. 65, N J W 65, 645 = VerkMitt. 65, 56 = VkBl. 65, 380 = VRS 28, 289; vgl. BayObLGSt. 64, 177 s. Fußn. 258.
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abbiege (Riditungszeichen, V o r t r i t t der Fußgänger), teils als ob er nicht abbiege (nicht einordnen, V o r f a h r t gegenüber d e m aus der geraden Fortsetzung der Straße E n t g e g e n k o m menden). Auch werden sich daraus Schwierigkeiten ergeben, daß beim Knick eines natürlichen Straßenverlaufs weder Richtungszeichen zu geben sind, noch den Fußgängern ein Vorrecht eingeräumt wird. Wie ist zu entscheiden, wenn Zusatzschilder nur deshalb angebracht sind, u m dem Benutzer der abknickenden Vorfahrtstraße deren natürlichen Verlauf deutlich zu machen, wenn sie also keine rechtsbegründende, sondern nur die der Leichtigkeit des Verkehrs dienende Bedeutung eines Hinweises haben? Wie sich aus II 4 b der V w v zu § 306 ergibt, scheint der Gesetzgeber an diesen Fall nicht gedacht zu haben, obwohl solche Fälle bisher in der Praxis nicht selten waren. D i e V e r w e n d u n g des Zeichens f ü r die abknickende V o r f a h r t war in diesen Fällen zwar nicht streng logisch, wohl aber praktisch sehr vernünftig, z u m a l in Fällen, in denen der „natürliche" weitere Verlauf der Straße zweifelh a f t sein konnte. Auch die A n w e n d u n g der den Abbiegern gegenüber Fußgängern auferlegten besonderen Pflichten im Fall der abknickenden V o r f a h r t ist nicht unbedenklich. Der Fußgänger beachtet im allgemeinen die f ü r den Fahrzeugverkehr geltenden Verkehrszeichen nicht. Dagegen sieht er den normalerweise stärkeren Verkehrsfluß auf der abknickenden Vorfahrtstraße. E r wird sidi scheuen, diesem gegenüber ein Vorrecht geltend zu machen, selbst wenn es ihm b e k a n n t sein sollte. Mit Recht schreibt deshalb II 4 c der V w v zu Z. 306 v o r , daß der Fußgängerquerverkehr über eine Vorfahrtstraße an der K r e u z u n g oder E i n m ü n d u n g mit abknickender V o r f a h r t m i t Stangen- oder Kettengeländern zu unterbinden sei. Das Vorrecht des Fußgängers kann also nur dann in Erscheinung treten, wenn die Straßenverkehrsbehörde entgegen der V w v den Fußgängerverkehr nicht unterbindet. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Nachteil liegt darin, daß offenbleibt, wieweit sich der aus der geraden Fortsetzung der abknickenden Vorfahrtstraße K o m m e n d e auf den Vertrauensgrundsatz berufen darf, wenn es der Vorfahrtberechtigte versäumt, ein R i d i tungszeichen zu geben. M a n wird davon auszugehen haben, daß es sich hier u m einen jener Fälle handelt, in dem m i t einem verkehrswidrigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer allgemein zu rechnen ist 2 6 4 ). Es ist mit Sicherheit vorauszusehen, daß sich das G e b o t , Richtungszeichen zu geben, auf verkehrsreichen Vorfahrtstraßen nicht durchsetzen wird. Der aus der untergeordneten Straße Einfahrende wird sich deshalb nicht darauf verlassen dürfen, daß der der abknickenden Vorfahrtstraße Folgende pflichtgemäß ein Richtungszeichen gibt. Eine Folge der nunmehrigen Regelung ist wohl die, daß derjenige, der v o r dem Knick die V o r f a h r t s t r a ß e verläßt, indem er geradeaus weiterfährt, kein Riditungszeichen zu geben hat. D a s ist insofern ein Vorteil gegenüber der in früheren E n t w ü r f e n vorgesehenen R e g e lung, als die Anzeige des Geradeausfahrens durch das rechte Richtungszeichen unnatürlich wäre. Z u beachten ist, daß den Fußgängern, welche die geradlinige Fortsetzung der V o r fahrtstraße überqueren, der besondere Schutz des § 9 Abs. 3 S. 2 nicht zugute k o m m t . Bei einer nach links abknickenden V o r f a h r t s t r a ß e wird also durch das rechte Richtungszeichen das Rechtsabbiegen angekündigt, wie u m g e k e h r t bei einer nach rechts abknickenden durch das linke Richtungszeichen das Linksabbiegen. D e r aus der Vorfahrtstraße am Knick geradeaus Weiterfahrende ist gegenüber dem aus der abknickenden V o r f a h r t s t r a ß e E n t g e g e n k o m m e n d e n nach § 9 Abs. 3 S. 1 wartepflichtig. Insoweit gilt die abknickende Vorfahrtstraße als einheitliche Straße 2 6 5 ). Dagegen bleibt er gegenüber Verkehrsteilnehmern, die am Knick aus einer untergeordneten Straße in die abknickende Vorfahrtstraße einfahren wollen, auch dann vorfahrtberechtigt, wenn er diese selbst verläßt 2 6 6 ). D a s gilt auch dann, wenn der Kreuzungsbereich platzartig oder triditer) So für die früh. Rechtslage: Celle 9. 10. 67, VRS 34, 390; vgl. Hamm 19. 7. 65, VkBl. 66, 183. 5 2« ) Celle 26. 4. 65, VerkMi«. 66, 39 = VRS 29, 145. 2M
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) Hamm wie Fußn. 262; Hamburg 6. 3. 68, VRS 35, 220 = DAR 68, 250 = DRspr. II (292) 86 c.
Abknickende V o r f a h r t ; Autobahnen u. K r a f t f a h r s t r a ß e n
StVO
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f ö r m i g erweitert ist 2 6 7 ). Der Vorfahrtbereich ist der gleiche wie im N o r m a l f a l l . Solange der Vorfahrtberechtigte sich noch m i t einem Teil seines Fahrzeugs auf der abknickenden V o r fahrtstraße befindet, ist er gegenüber einem Wartepflichtigen aus der untergeordneten Straße vorfahrtberechtigt 2 6 8 ). 2. V o r f a h r t auf A u t o b a h n e n und K r a f t f a h r s t r a ß e n
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Nach § 18 Abs. 3 hat auf A u t o b a h n e n und K r a f t f a h r s t r a ß e n (Z. 330, 331) der Verkehr auf der durchgehenden F a h r b a h n die V o r f a h r t gegenüber Einfahrenden. D i e f r ü h e r in § 13 Abs. 5 S t V O 1937 enthaltene Vorschrift w u r d e auf die K r a f t f a h r s t r a ß e n ausgedehnt, im übrigen nur redaktionell geändert. Die V o r f a h r t gilt gegenüber allen v o n außen her in die durchgehende F a h r b a h n Gelangenden, sei es, daß sie über die Anschlußstellen in die A u t o bahn (Z. 330) oder an K r e u z u n g e n u n d E i n m ü n d u n g e n in die K r a f t f a h r s t r a ß e n einfahren. Gegenüber den aus einem P a r k p l a t z ausfahrenden Fahrzeugen besteht das gleiche Vorrecht wie gegenüber den aus Anschlußstellen Einfahrenden 2 6 9 ). H i e r ergäbe sich schon aus § 10 S. 1 die Pflicht, jede G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Die aus den Z u f a h r t e n in die A u t o b a h n Einfahrenden sind schon gegenüber den Benutzern der Beschleunigungs- u n d Verzögerungsspuren wartepflichtig, da diese z u m durchgehenden Verkehr zählen 2 7 6 ). V o n dem aus einer Anschlußstelle Einfahrenden wird ein hohes Maß von S o r g f a l t verlangt. E r m u ß m i t erheblichen Geschwindigkeiten der Vorfahrtberechtigten rechnen und die Länge und Beschleunigungsunfähigkeit des eigenen Fahrzeugs in Betracht ziehen. Deshalb darf der Führer eines langen Lastzuges schon dann nicht in die A u t o b a h n einfahren, wenn sich ein schnelleres Fahrzeug auf der normalen Fahrbahn auf 350 m genähert hat. D i e V o r f a h r t ist schon verletzt, wenn der Führer eines schnellen Fahrzeuges zu einer weitgehenden H e r a b s e t z u n g seiner Geschwindigkeit oder z u m Ausweichen auf die Ü b e r h o l f a h r b a h n genötigt wird 2 7 1 ). Allerdings k a n n sich aus dem G r u n d s a t z der gegenseitigen Rücksichtnahme f ü r den V o r fahrtberechtigten die Pflicht ergeben, seinerseits dem Wartepflichtigen das gefahrlose Einfahren dadurch zu ermöglichen, daß er rechtzeitig v o r der Anschlußstelle auf die Ü b e r h o l fahrbahn ausbiegt (falls dies ohne G e f ä h r d u n g nachfolgender Fahrzeuge möglich ist). D e r Wartepflichtige darf sich aber nicht darauf verlassen, daß der Vorfahrtberechtigte dieser Pflicht nachkommt 2 7 2 ). V o r f a h r t v e r l e t z u n g e n bei der E i n f a h r t in eine A u t o b a h n können leicht das Gewicht einer Verkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 2 a S t G B haben. Wer m i t hoher Geschwindigkeit derart in die A u t o b a h n einfährt, daß er k u r z hinter einem L a n g s a m f a h r e r auf der rechten Spur und k u r z v o r einem Schnellfahrer auf der Ü b e r h o l s p u r s o f o r t auf die Ü b e r holspur hinüberlenkt, u m rascher v o r w ä r t s zu k o m m e n , handelt im Sinne des § 315 a Abs. 1 2. a grob verkehrswidrig u n d rücksichtslos 2 7 3 ). E. Bußgeldvorschrift und K o n k u r r e n z e n
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Wer die V o r f a h r t verletzt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 8 ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G . Wird der Vorfahrtberechtigte dabei nur gefährdet, behindert oder belästigt, so ist neben § 8 nicht auch § 1 verletzt 2 7 4 ). Die V o r f a h r t wird ja gerade dadurch verletzt, daß einer dieser drei Folgen verursacht wird, dagegen gehört die Schädigung des Bevorrechtigten nicht z u m Tatbestand der V o r f a h r t v e r l e t z u n g . F ü h r t die Verletzung des Vorfahrtsrechts zu ) BGH(Z) 9. 3. 71, Betrieb 71, 720 = DAR 71, 129 = J Z 71, 338 = MDR 71, 471 = N J W 71, 843 = VRS 40, 328 = DRspr. II (292) 102 e. 2 6 8 ) Hamm 16. 1. 69, JMB1NRW 70, 10. 26 ») Vgl. für die früh. Rechtslage: Schl.-Holst. 1. 3. 61, VerkMitt. 61, 84. 2 7 °) Hamm 18. 12. 69, VRS 39, 298 = VkBl. 70, 188.
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) BayObLG 1. 7. 64, 1 St 200/1964. ) Vgl. zur früh. Rechtslage: Köln 25. 8. 64, VRS 28, 143 = VerkMitt. 65, 23. 2 7 3 ) Köln 30. 4. 63, VRS 25, 201 = VerkMitt. 63, 70. 2 7 4 ) Schleswig 12. 8. 64, VerkMitt. 64, 80; Düsseldorf 26. 5. 59, VerkMitt. 60, 10; Frankfurt 13. 10. 65, VRS 29, 465.
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Möhl
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einer Schädigung des Bevorrechtigten, dann kann sich der Wartepflichtige auch einer Verletzung des § 1 schuldig gemacht haben, die mit der Verletzung des § 8 in Tateinheit stünde. Fraglich könnte sein, ob der Wartepflichtige schon ordnungswidrig handelt, wenn er weiterfährt, obwohl er nicht übersehen kann, ob er einen Vorfahrtberechtigten gefährdet oder wesentlich behindert. Bei § 5 wurde hier die Meinung vertreten, es komme darauf, ob tatsächlich Gegenverkehr stattfindet nicht an. Man könnte wegen des Gleichlauts der Formulierung daran denken, daß der leichtsinnig in eine unübersichtliche Kreuzung einfahrende Wartepflichtige, auch wenn kein Vorfahrtberechtigter auftaucht schon wegen der abstrakten Gefährdung zur Verantwortung gezogen werden muß. Das dürfte aber zu weit gehen. § 8 Abs. 2 S. 2 spricht von „dem, der die Vorfahrt hat", womit wohl ein konkreter Vorfahrtberechtigter bezeichnet werden soll. Ein Verstoß gegen § 8 setzt also voraus, daß tatsächlich ein Vorfahrtberechtigter mindestens wesentlich behindert wird. Die Mißachtung des negativen Vorfahrtzeichens 205 geht in der Ordnungswidrigkeit des § 8 auf 2 7 5 ). Dagegen macht sich der Wartepflichtige, der das Stopschild 206 nicht beachtet, einer Ordnungswidrigkeit nach § 44 und wenn er gleichzeitig die Vorfahrt verletzt, zweier tateinheitlich zusammentreffender Ordnungswidrigkeiten nach §§ 8, 41 schuldig. Wer zwar anhält, aber bei der Einfahrt in die Vorfahrtstraße dann seine Wartepflicht verletzt (ohne Schaden anzurichten), handelt nur nach § 8 ordnungswidrig 2 7 '). Für die Entscheidung ist von Bedeutung: 1. Die Vorfahrtberechtigung ist ein Rechtsbegriff; eine sie begründende — positive und negative — Kennzeichnung von Straßen muß daher im Urteil des Tatrichters festgestellt werden. 2. Wer die Vorfahrt hat, kann nicht wegen Verstoßes gegen § 8 bestraft werden 2 7 7 ), doch kann sein Fahrverhalten andere Vorschriften verletzen, z. B. § 1—§ 5. Der Vorfahrtberechtigte verliert zwar sein Vorrecht nicht durch mißbräuchliche Ausübung, sein Mitverschulden muß aber bei der Strafzumessung zu Gunsten des Verletzers der Vorfahrt berücksichtigt werden, wenn es für den Unfall mitursächlich war. Die Frage, ob den V o r fahrtberechtigten eine Mitschuld trifft, muß deshalb geprüft werden 2 7 9 ). 3. Stößt der Vorfahrtberechtigte mit dem Wartepflichtigen in der Kreuzung zusammen, so wird nach bürgerlichem Recht häufig auf Grund des Beweises des ersten Anscheins schuldhafte Verletzung des Vorfahrtrechts anzunehmen sein. Im Bußgeldverfahren muß dagegen dem Wartepflichtigen eine Schuld nachgewiesen werden. Allerdings rechtfertigt die Verletzung des Vorfahrtrechts in der Regel den Schluß auf die Voraussehbarkeit des Unfalles. Ein besonders grobes Verschulden des Vorfahrtberechtigten kann aber in Ausnahmefällen die Voraussehbarkeit beim Wartepflichtigen ausschließen 27 »). Da die Behinderung des Wartepflichtigen zum Wesen der Wartepflicht gehört, handelt der Vorfahrtberechtigte nicht ordnungswidrig, wenn er auf seinem Vorrecht besteht und den Wartepflichtigen zum Anhalten nötigt. Das gilt auch dann, wenn wegen eines zu befürchtenden verkehrswidrigen Verhaltens des Wartepflichtigen die Vorfahrt besser nicht in Anspruch genommen worden wäre 2 8 0 ). Die Vorfahrtverletzung setzt eine Absicht des Wartepflichtigen, die Fahrbahn des Berechtigten vor diesem zu kreuzen, nicht voraus 2 8 1 ). Für den Irrtum des Wartepflichtigen über die Vorfahrt gelten die allgemeinen Regeln: Unkenntnis der Vorfahrtbestimmungen ist Verbotsirrtum und in der Regel nicht entschuldbar. Irrtum über die tatsächlichen U m ' ) Celle 21. 10. 63, DAR 64, 50 = VerkMitt. 64, 7; BayObLGSt. 58, 195 (19. 8. 58) = DAR 59, 50; KG 17. 10. 63, VRS 26, 132; Düsseldorf 3. 2. 65, VerkMitt. 65, 53 (Lts.); Frankfurt 13. 10. 65, VRS 29, 465. 27 «) Hamm 21. 6. 55, NJW 55, 1768.
27
?74
277) "8) 27») 280)
BayObLG 49-51/273 (24. 1. 51). KG 24. 5. 56, VRS 11, 370. BGH 6. 2. 58, VRS 16, 124. BayObLGSt. 66, 118 (11. 10. 66) = 32, 148. 281) Düsseldorf 26. 11. 51, VRS 4, 277.
VRS
Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren
StVO
§ § 8,
9
stände, aus denen sich die Vorfahrt ergibt, ist Tatbestandsirrtum und führt zur Verurteilung wegen fahrlässiger Tat, w e n n der Irrtum vermeidbar war. War ein Verbotsirrtum aus besonderen Gründen entschuldbar, dann dürfen an die Sorgfaltspflicht des Irrenden keine anderen Anforderungen gestellt werden als an die eines wirklich Vorfahrtberechtigten 2 8 2 ). Für die A n n a h m e eines beachtlichen Irrtums wird die Neuregelung des § 8 w e n i g Möglichkeiten geben. D i e zahlreichen zur Irrtumsfrage bei V o r fahrtverletzungen ergangenen Entscheidungen betreffen hauptsächlich Fälle des sog. vereinsamten Dreieckzeichens, bei dem die Rechtslage nach der Neuregelung eindeutig ist; vgl. oben R N r . 22. Wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sadien v o n bedeutendem Wert gefährdet, wird nach § 315 c Abs. 1 2. a StGB wegen Verkehrsgefährdung mit Gefängnis bestraft. „Vorfahrt" in diesem Sinne ist weiter z u fassen als nach § 8 StVO 28 ®). § 8 wird v o n § 315 c Abs. 1 2. a StGB als der spezielleren Vorschrift konsumiert. Soweit mit dem Vergehen nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 a Ordnungswidrigkeiten tateinheitlitii zusammentreffen, wird nach § 17 Abs. 1 O W i G nur das Strafgesetz angewendet.
SO
Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren (1) Wer abbiegen will, muß dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen f ü r eine Richtung möglichst weit links einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn er kein Schienenfahrzeug behindert. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. (2) Radfahrer, die abbiegen wollen, müssen an der rechten Seite der in gleicher Richtung abbiegenden Kraftfahrzeuge bleiben. (3) Wer abbiegen will, muß entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge und Radfahrer auch dann, wenn sie neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Auf Fußgänger muß er besondere Rücksicht nehmen; wenn nötig, muß er warten. (4) Wer nach links abbiegen will, muß entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. (5) Beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren muß sich der Fahrzeugführer darüber hinaus so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen. Vwv zu $ 9: Zu Absatz 1: I. Wo erforderlich und möglich, sind für Linksabbieger besondere Fahrstreifen zu markieren. Auf Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften mit auch nur tageszeitlidi starkem Verkehr und auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften sollte dann der Beginn der Linksabbiegestreifen so markiert werden, daß Fahrer, die nicht abbiegen wollen, an dem Linksabbiegestreifen vorbeigeleitet werden. Dazu eignen sich vor allem Sperrflächen; auf langsamer befahrenen Straßen genügen Leitlinien. 282
) BGH 22. 5. 58, VerkMitt. 59, 28 = 15, 123.
VRS
283
) BGHSt. 13, 129, 134 (13. 5. 59) = 59, 245.
DAR
375
§9
Möhl
StVO
I I . Es k a n n sich empfehlen, a n Kreuzungen Abbiegestreifen f ü r Linksabbieger aus entgegengesetzten Richtungen nach links abbiegende Fahrzeuge v o r e i n a n d e r (tangentiales Abbiegen). Es ist d a n n aber immer zu p r ü f e n , ob durch den auf den nach links abbiegenden Gegenverkehr W a r t e n d e n nicht die Sicht auf den deckt w i r d . Zu Absatz
so zu markieren, d a ß vorbeigeführt werden dem Fahrstreifen f ü r übrigen Verkehr v e r -
3:
I. O b R a d f a h r e r noch neben der F a h r b a h n f a h r e n , w e n n ein R a d w e g erheblich v o n der Straße abgesetzt ist, d a r ü b e r entscheidet der optische Gesamteindrude. K ö n n e n Zweifel a u f k o m m e n oder ist der abgesetzte R a d w e g nicht eindeutig erkennbar, so ist den R a d f a h r e r n d u r d i ein verkleinertes Zeichen 205 eine Wartepflicht aufzuerlegen. I I . Über S t r a ß e n b a h n e n neben der F a h r b a h n vgl. I X zu Zeichen 201. Schrifttum Dietz: „Das W e n d e n von K r a f t f a h r z e u g e n " , D A R 59, 225. Fromm: „ Z u m V o r r a n g der S t r a ß e n b a h n " , D A R 62, 356. Göhler: „Sorgfaltspflicht des Linksabbiegers gegenüber nachfolgendem V e r k e h r " , D A R 59, 94. Koch: „ D e r ü b e r f o r d e r t e Linksabbieger", D A R 65, 40. Krumme: „Abbieger" u n d „ V o r r a n g der Schienenbahnen" in K V R . Mause: „Die Rücksichtnahme auf den S t r a ß e n b a h n v e r k e h r nach § 8 Abs. 6 S t V O (1937)", D A R 54, 100; „Linksabbiegen auf A m p e l k r e u z u n g e n " , D A R 67, 212. Matthiessen: Mittelbach: Möhl:
„Beschränkung des § 17 S t V O auf p r i v a t e Grundstücksein- u n d - a u s f a h r t e n ? " , N J W 6 4 , 581. „Der Linkseinbieger", D A R 55, 102; „ D e r Rechtseinbieger", D A R 58, 117.
„Sorgfaltspflicht des Linksabbiegers gegenüber dem nachfolgenden V e r k e h r " , D A R 59, 120 u n d
D A R 61, 129; „Richtungszeichen nach geltendem u n d k ü n f t i g e m Recht", D A R 65, 197; „Das Abbiegen nach geltendem u n d k ü n f t i g e m Recht", D A R 66, 197, 225. Mühlhaus: „Linksabbiegen in engem oder weitem Bogen?", k v r 62, 11. Schmedes: „Vorfahrtsrecht der S t r a ß e n b a h n ? " , D A R 60, 129. Wimmer: „ Ü b e r f ü h r t e S t r a ß e n e i n m ü n d u n g e n , eingeschnittene Grundstückseinfahrt", D A R 67, 182. Übersicht A . Entstehungsgeschichte I. Bis zur S t V O 1937 I I . Vergleich des § 9 mit der f r ü h e r e n Rechtslage I I I . Amtliche Begründung B. Allgemeine Vorschriften f ü r das Abbiegen
RNr.
RNr.
1-3
Richtungsanzeiger (15), A n k ü n d i g u n g des Anhaltens? (16) 4. Bedeutung der Richtungszeichen f ü r die übrigen Verkehrsteilnehmer 17-18 Ü b e r h o l v e r b o t (17), W o r a u f d ü r f e n Nachfolgende vertrauen? (18)
1 2 3 4-49
I. Begriff des Abbiegens 4-7 Allgemeines (4), Abknickende Vorf a h r t s t r a ß e (5), Besondere Straßengestaltung (6), Abbiegen in G r u n d stücke (7) I I . Ankündigungspflicht des Abbiegers (Abs. 1 S. 1) 8-18 1. W e r m u ß ankündigen? 8-10 Allgemeines (8), Abbiegende Fußgänger (9), Fußgänger mit Fahrzeugen (10) 2. Richtungszeichen u n d allgemeine Sorgfaltspflicht 11 3. A r t der Zeichengebung 12-16 a) W a n n ist ein Zeichen zu geben? 12 b) Wie ist das Zeichen zu geben? 13 c) D i e Betriebsvorschrift (S. 1 H a l b s . 2) 14-16 Allgemeines (14), Mängel der
376
I I I . Einordnungspflicht des Abbiegers (Abs. 1 S. 2) 19-30 1. Allgemeines 19 2. Einordnungspflicht beim Abbiegen nach rechts 20-22 Allgemeines (20), A u s n a h m e n (21), Paarweises Abbiegen? (22) 3. beim Abbiegen nach links 23-27 Allgemeines (23), A u s n a h m e n (24), „Rechtzeitiges" Einordnen (25), W o h i n einordnen? (26), P a a r weises Abbiegen? (27) 4. E i n o r d n e n auf Gleisen (Abs. 1 S. 3) 28 5 Besondere Vorschrift f ü r R a d f a h r e r (Abs. 2) 29 6. Besondere Vorschrift f ü r F u ß gänger m i t Fahrzeugen (§ 25 Abs. 2 S. 2 H a l b s . 2) 30
Entstehungsgeschichte
StVO RNr.
IV. Rücksdiaupflidit des Abbiegers (Abs. 2 S. 4) 31-39 1. Vorgeschichte 31 2. Grundsatz 32-36 a) Rückschau vor dem Einordnen 32 b) Rückschau vor dem Abbiegen 33 c) Frühere Rechtsprechung 34-36 Abbiegen in Straße (34), Abbiegen in Grundstück (35), Inhalt der Rückschaupflicht (36) 3. Ausnahmen 37-38 Nach dem Gesetz (37), Für großstädtischen Massenverkehr (38) V. Wartepflicht des Abbiegers 39-44 1. gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen 39-42 a) die ihre Richtung beibehalten (Abs. 3 S. 1 Teil 1) 39-41 Allgemeines (39), Bei abknickender Vorfahrtstraße (40), Bereich der Wartepflicht (41) I . Bis z u r S t V O 1937
A
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§ 9
RNr. b) die ihrerseits abbiegen (Abs. 4) 42 2. gegenüber Schienenfahrzeugen und Radfahrern in gleicher Richtung (Abs. 3 S. 1 Teil 2) 43-44 a) Schienenfahrzeuge 43 b) Radfahrer 44 VI. Rücksicht auf Fußgänger (Abs. 3 S. 2) 45-46 Vorgeschichte (45), Umfang der gebotenen Rücksicht (46) VII. Sonstige Pflichten des Abbiegers 47-48 Allgemeines (47), Welcher Bogen? (48) V I I I . Rechtslage für Entgegenkommende und Nachfolgende 49 C. Besondere Vorschriften für das Abbiegen in Grundstücke, für das Wenden und das Rückwärtsfahren 50-53 I. Allgemeines 50-52 1. Abbiegen in Grundstücke 50 2. Wenden 51 3. Rückwärtsfahren 52 II. Einweisung durch Warnposten 53 D. Bußgeldvorschriften und Konkurrenzen
54
Entstehungsgeschichte
§ 21 Abs. 3 V ü K V e r k (Fassung 2 8 . 7 . 2 6 u. 10. 5. 32) b e s t i m m t e : „Beim E i n b i e g e n in einen anderen W e g h a t der F ü h r e r nach rechts in k u r z e r W e n d u n g , nach links in w e i t e m Bogen zu f a h r e n . " D i e Neufassung in § 2 6 Abs. 2 Z i f f . 2 R S t V O 1934 bezweckte sachliche Ä n d e r u n g nur insoweit die V o r s c h r i f t auf alle V e r k e h r s t e i l n e h m e r ausgedehnt werden m u ß t e . M i t V O v o m 14. 3. 5 6 w u r d e die f r ü h e r in § 13 Abs. 4 (Fassung v o m 24. 8. 53) stehende V o r s c h r i f t , nach der der Linkseinbieger e n t g e g e n k o m m e n d e F a h r zeuge „ v o r b e i f a h r e n " zu lassen h a t , als S a t z 3 in den § 8 Abs. 3 eingefügt. Als Satz 4 wurde m i t V O v o m 30. 4. 64 w e i t e r die f r ü h e r in § 2 Abs. 4 stehende V o r s c h r i f t ü b e r das V e r h a l t e n des Einbiegers gegenüber F u ß g ä n g e r n eingeschoben. Aus der Vorgeschichte dieser V o r s c h r i f t ergibt sich das B e s t r e b e n , den Schutz der F u ß g ä n g e r zu verbessern. In der S t V O 1 9 3 7 (Fassung v o m 14. 3. 56) w a r b e s t i m m t , daß einbiegende Fahrzeuge auf Fußgänger, diese auf die einbiegenden F a h r z e u g e besondere Rücksicht zu n e h m e n h a b e n . D u r c h die N e u r e g e l u n g in der V O v o m 7. 7. 6 0 w u r d e die H a u p t v e r a n t w o r t u n g eindeutig dem F a h r z e u g f ü h r e r auferlegt. D u r c h die Ü b e r n a h m e der V o r s c h r i f t in den § 8 w u r d e schließlich das V o r r e c h t der F u ß g ä n g e r gegenüber E i n b i e g e n d e n auf alle E i n b i e g e vorgänge ausgedehnt, w ä h r e n d es f r ü h e r n u r an K r e u z u n g e n galt, an denen der V e r k e h r durch Farbzeichen oder P o l i z e i b e a m t e geregelt war. Auch die Pflicht, R i c h t u n g s ä n d e r u n g e n anzuzeigen, h a t eine Vorgeschichte: F r ü h e r besagte § 2 6 V ü K V e r k (Fassung 10. 5. 3 2 ) : D e r F ü h r e r h a t anderen Personen die Absicht des A n h a l t e n s durch senkrechtes H o c h h a l t e n des A r m e s , die Absicht des U m w e n d e n s und des Verlassens der bisher v e r f o l g t e n F a h r t r i c h t u n g durch waagrechtes H a l t e n des A r m e s in der R i c h t u n g des Wechsels rechtzeitig zu e r k e n n e n zu geben. D i e Zeichen k ö n n e n auch m i t einer mechanischen E i n r i c h t u n g abgegeben w e r d e n , die nach E r f ü l l u n g ihres Zweckes wieder ausgeschaltet werden m u ß . Ist das A b g e b e n v o n Armzeichen wegen der B a u a r t des K r a f t f a h r z e u g e s nicht möglich und eine medianische E i n r i c h t u n g nicht v o r h a n d e n oder nicht betriebsfähig, so k a n n das A b g e b e n v o n Zeichen u n t e r b l e i b e n ; in diesem Falle ist der F ü h r e r beim A n h a l t e n ,
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§9
Möhl
StVO
Umwenden und Verlassen der bisher verfolgten Fahrtrichtung zu besonderer Vorsicht und Rücksicht gegenüber dem sonstigen Verkehr verpflichtet. Die Fassung des § 27 III R S t V O 1934 hatte im wesentlichen schon den Wortlaut des § 11 I S . 1 StVO 1937; nur fehlten die Worte „rechtzeitig und deutlich"; ihr Zusatz bedeutet aber nichts Neues; die gesamte Rechtsprechung hatte den § 27 III bereits im Sinn dieses Zusatzes angewendet; er stellt also nur klar, was bereits Rechtens war. Die reichsrechtliche Regelung der VüKVerk betraf nur die Führer von Kraftfahrzeugen, die ihr entsprechende landesrechtliche der alten StrVOn nur die Führer von Fuhrwerken. Die StVO 1937 wandte sich, wie schon die R S t V O 1934, grundsätzlich an alle VerkTeilnehmer. II. Vergleich des § 9 mit der früheren Regelung Jetzige Regelung
frühere Regelung (StVO 1937)
§ § § § § § § § §
§ § § §
9 9 9 9 9 9 9 9 9
Abs. Abs. Abs. Abs. Abs. Abs. Abs. Abs. Abs.
1 1 1 2 1 3 3 4 5
Satz 1 Satz 2 Satz 3 Satz 4 Satz 1 Satz 2
11 8 Abs. 3 Satz 2 8 Abs. 6 27 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2
§ 8 Abs. 3 Satz 3 § 8 Abs. 3 Satz 4 § 17 Abs. 1
Eine Zusammenstellung der Vorschriften des § 8 StVO 1937, die nicht in § 9 aufgegangen sind, findet sich bei § 2 R N r . 1. Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem früheren Recht: 1) § 9 bezieht sich nur mehr auf den Fahrzeugverkehr. 2) Das ausdrückliche Gebot des § 8 Abs. 3 Satz 1 StVO, beim Einbiegen in eine andere Straße nach rechts einen engen, nach links einen weiten Bogen auszuführen, wurde gestrichen; vergl. dazu unten R N r . 48. 3) Das Verbot, sich auf Gleisen einzuordnen, wenn sich ein Schienenfahrzeug nähert, wurde früher dem § 8 Abs. 6 StVO 1937 entnommen; vergl. unten R N r . 28. 4) Das Gebot an Radfahrer, die links abbiegen wollen, an der rechten der in gleicher Richtung abbiegenden Kraftfahrzeuge zu bleiben, ist neu. In § 27 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 StVO 1937 war nur vorgeschrieben, daß sie sich rechtzeitig nach links einzuordnen haben; vergl. unten R N r . 29. 5) Daß sich Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, vor dem Abbiegen nach links nicht einzuordnen brauchen, ergibt sich nun aus § 25 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2; vergl. unten R N r . 30. 6) Neu ist das Gebot des § 9 Abs. 3 Satz 1, Schienenfahrz. und Radfahrer durchfahren zu lassen, wenn sie neben der Fahrbahn in gleicher Richtung (wie der Abbieger) fahren. Bisher wurde eine Sorgfaltspflicht des Abbiegers nur aus § 1 StVO hergeleitet; vergl. unten R N r . 43, 44. 7) Abs. 4 klärt eine Streitfrage. Nach überwiegender Meinung ergab sich die gleiche Pflicht schon bisher aus § 8 Abs. 3 Satz 3 StVO 1937; vergl. unten R N r . 42. 8) Die doppelte Rückschaupflicht ergab sich schon bisher aus § 1 StVO. Der B G H hatte sie früher „grundsätzlich" verneint, später aber wenigstens außerorts bejaht; vergl. unten R N r . 33. 9) Neu ist die Aufnahme besonderer Vorschriften für das Wenden und Rückwärtsfahren in Abs. 5; sie entsprechen im wesentlichen den bisher von der Rechtsprechung aus § 1 StVO hergeleiteten Grundsätzen; vergl. unten R N r . 51, 52. 378
Vergleich mit der früheren Regelung; Amtl. Begründung
StVO
§ 9
10) D i e bisher in § 17 S t V O 1937 zusammengefaßten Vorschriften über das Einund Ausfahren wurden unter die §§ 9 und 10 aufgeteilt. In § 9 Abs. 5 wird das Abbiegen in ein Grundstück, in § 10 das Ausfahren behandelt.
3
III. Amtliche Begründung Während sidi die §§ 2 bis 7 im wesentlichen mit dem Längsverkehr befassen und § 8 das Verhalten von Querverkehr zu Längsverkehr an Kreuzungen und Einmündungen behandelt, folgen nun zwei Paragraphen, die sich mit dem gefährlichen Fahrmanöver der Riditungsänderung des Längsverkehrs selbst (§ 9) und mit, wie man im Gegensatz dazu sagen kann, Gefahren für diesen Längsverkehr von außen (§ 10) befassen. Auch § 9 wendet sich nur an den Fahrverkehr. § 11 der geltenden StVO verwendet den Begriff der Fahrtrichtungsänderung als eine Zusammenfassung dessen, was sie in § 8 Abs. 3 unter „Einbiegen in eine andere Straße", und unter „Einfahren (in ein Grundstück)" (§ 17 Abs. 1) versteht. An Stelle dieser drei Begriffe (Fahrtrichtungsänderung, Einbiegen, Einfahren), von denen sich keiner umfassender verwenden läßt, wird der des „Abbiegens" gesetzt. Zu Absatz 1: Der Absatz bringt im wesentlichen geltendes Recht. Allerdings verlangt er, abweichend von § 11 Abs. 1 StVO (alt), das Blinken auch dann, wenn weit und breit niemand im Weg ist. Das wird von umsichtigen Fahrern schon heute so geübt und hat den Vorzug, den Fahrer an automatische Betätigung des Blinkers zu gewöhnen. Eine gewisse sachliche Änderung liegt ferner darin, daß Linksabbiegern das Ausfahren eines weiten Bogens nicht mehr ausdrücklich befohlen wird. Das war in Deutschland seit mehr als 50 Jahren scheinbar unumstößliches Gesetz. Dennoch darf das Gebot nicht ausdrücklich aufrechterhalten werden. Der weite Bogen ist schon mit dem Gebot des Einordnens zur Mitte einigermaßen problematisch geworden. Die derzeitige Verkehrspraxis, auch in umliegenden Ländern, ist z. T. darüber hinweggegangen, und zwar in einem Umfang, daß es sich nicht einmal mehr verantworten ließe, das Gebot auch nur als Grundsatzregel zu belassen. Die Entwicklung geht andere Wege. Das Ausfahren des weiten Bogens würde stärkeren Verkehr selbst auf großräumigen Kreuzungen hemmen; auf engen Kreuzungen kämen die Fahrzeuge überhaupt nicht aneinander vorbei, so daß der einzelne, in Zeiten des Spitzenverkehrs eine ganze Reihe von Fahrzeugen, warten müßte. Der Verkehr muß eben in solchen Fällen das Minus an gesetzlicher Regelung durch größere Vorsicht ausgleichen und tut es auch. Straßenbauer und Verkehrsbehörden gehen immer mehr dazu über, durch bauliche Maßnahmen oder durch Markierung von Leitlinien den Abbiegeverkehr in flachen Bogen über Kreuzungen zu lenken. Auch das wird je länger je mehr Einfluß auf die Fahrweise der Linksabbieger haben. Für den Gesetzgeber besteht danach Anlaß, die weitere Entwicklung abzuwarten. Satz 3 will das Problem lösen, wie sich die Vorschrift des § 2 Abs. 3 zu dem Gebot des Einordnens „bis zur Mitte" verhält. Die Rücksicht auf die Schienenbahn soll danach dann zurücktreten, wenn eine Schienenbahn noch nidit sichtbar herankommt. Der letzte Satz dient dem Schutz des nachfolgenden Verkehrs. Während die Pflicht zur Rückschau vor dem Einordnen heute schon völlig unbestritten ist und eine nochmalige Rückschau (vor dem Abbiegen) nur für den Fall gefordert wird, daß die Verkehrslage sie erfordert (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Floegel-Hartung 18. Aufl. 16 b zu § 8 StVO), befreit die Verordnung nun, im Sidierheitsinteresse weitgehend, von der zweiten Rückschau nur für den Fall, daß eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, z. B. beim Einordnen an den linken Fahrbahnrand. Zu Absatz 2: Der Absatz übernimmt die bisherige Regelung. Zu Absatz J.Satz 1 übernimmt im wesentlichen die bisherige Regelung. Satz 2 erweitert sachgerecht die Pflicht zu besonderer Rücksicht auf Fußgänger auf alle Abbieger. Zu Absatz 4: Der Absatz legt eine bereits durch allgemeine Anerkennung sanktionierte Übung der Fahrpraxis nun auch ausdrücklich in der Verordnung fest. Zu Absatz 5: Die Worte „darüber hinaus" verweisen auf die in den vorhergehenden Absätzen begründeten Pflichten und machen deutlich, daß bei diesen besonders gefährlichen Fahrmanövern ein Übriges zu tun ist. Wie weit die „darüber hinaus" bestehenden Pflichten je nach den Umständen gehen können, wird durch die ausdrücklich erwähnte Pflicht, sidi erforderlichenfalls einweisen zu lassen, aufgezeigt. Während das Gefährdungsverbot hier erwähnt werden muß, weil dafür strengere Anforderungen an Vorsicht und Aufmerksamkeit des Wartepflichtigen gestellt werden, als § 1 Abs. 2 verlangt („ausge-
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§9
StVO
Möhl
schlössen ist", vgl. zu § 5 zu Absatz 2), kann von der Wiedergabe der übrigen in § 1 Abs. 2 enthaltenen Verbote abgesehen werden.
B. Allgemeine Vorschriften für das Abbiegen I. Begriff des Abbiegens 4
Allgemeines Während §§ 8 Abs. 3 StVO 1937 vom „Einbiegen" in eine andere Straße u n d § 17 Abs. 1 StVO 1937 v o m „Fahren in ein Grundstück" sprach, benützt § 9 einheitlich den Ausdruck „Abbiegen". Eine sachliche Änderung wurde damit nicht beabsichtigt. Was unter „Abbiegen" zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Sprachlich bezeichnet das W o r t „Abbiegen" eine bogenförmige Änderung der Fahrtrichtung, die aus der bisher benutzten Fahrbahn hinausführt. Wer einem Straßenbogen folgt, biegt nicht im Sinne des § 9 „ab". Fraglich k ö n n t e sein, ob derjenige, der „abbiegt", um am Straßenrand zu parken, unter § 9 fällt. Da es beim Verkehrsrecht nicht darum geht, ein möglichst fehlerloses begriffliches System, sondern eine den Bedürfnissen des Verkehrs entsprechende praktische Regelung zu finden, wird man Verkehrsvorgänge, die in ihrer Wirkung auf den übrigen Verkehr gleich sind, möglichst auch gleich behandeln, mögen sie auch nicht in ein System passen. Deshalb werden alle Fahrmanöver, die dazu führen, daß die Fahrspur des nachfolgenden oder entgegenkommenden Verkehrs quer durchschnitten wird, als Abbiegen zu behandeln sein, also auch solche, die nicht aus der Straße hinausführen, sondern nur bis zum Rand der Fahrbahn. D e m Wortsinn nach m u ß allerdings dabei in einem Bogen gefahren werden. Wer im spitzen Winkel an den rechten Fahrbahnrand hinausfährt, ohne seine bisherige Fahrtrichtung wesentlich zu ändern, biegt nicht ab 1 ). Er zerschneidet auch nicht die gerade Fahrspur Nachfolgender, wenn er der Vorschrift des § 2 Abs. 2 entsprechend schon vorher möglichst weit rechts gefahren war. Deshalb wird ein „Abbiegen" in erster Linie beim Fahren z u m linken Fahrbahnrand in Frage kommen, bei dem sowohl die Fahrspur des nachfolgenden wie die des entgegenkommenden Verkehrs durchschnitten wird. Auch wer in eine Tankstelle einfährt, biegt ab, gleichgültig, ob der Tankstellenbereich öffentlicher Verkehrsgrund oder Grundstück im Sinne des § 9 Abs. 5 ist 2 ). Ebenso biegt ab, wer von einem Straßenteil in einen anderen einfährt, z. B. von der durchgehenden Straße in eine platzartige Ausbuchtung oder einen öffentlichen Parkplatz 3 ) oder wer von der befestigten Fahrbahn nach links auf einen „Sommerweg" fährt 4 ).
5
Abknickende Vorfahrtstraße Durch Z. 205, 206 — 306 mit Zusatzschild kann der Verlauf einer bevorrechtigten Straße angezeigt werden (abknickende Vorfahrt). Die so beschilderten Straßenteile werden künstlich zu einem Straßenzug vereinigt. Wer diesem Straßenzug folgt, biegt daher nicht ab, wenn er durch den Knidc f ä h r t . Trotzdem m u ß er sich teilweise so verhalten, als ob er abböge. Die Probleme der abknickenden V o r f a h r t werden bei § 8 erläutert; vergl. d o r t R N r . 24 — 27 u. unten R N r . 40. Sind die genannten Zeichen nicht angebracht, dann k o m m t es darauf an, ob die abknickende Straße als natürliche Einheit erkennbar ist, und zwar m u ß die Einheitlichkeit des Straßenzuges f ü r jedermann, auch f ü r ortsunkundige Personen ohne weiteres erkennbar sein. (Breite der Fahrbahn, deutlich wahrnehmbare Markierung u. dergl.) Es k o m m t darauf an, ob die Summe der besonderen Umstände deutlich die Einheit des Straßenzuges ergibt, nicht ob jeder Umstand f ü r sich allein betrachtet dazu ausreichen würde 5 ). Entspricht der Knick nicht dem natürlichen Verlauf der ') Vgl. zum früheren Recht BGH(Z) 8. 1. VerkMitt. 65, 19. ) Früher war streitig, ob § 17 StVO 1937 zuwenden sei: verneinend BayObLGSt. 249 (24. 10. 62) = VRS 24, 69 = VkBl. 52 = VerkMitt. 63, 13 = JR 63, 193
2
380
65, an62, 63, mit
ablehnender Anmerkung von Martin; Hamm 14. 10. 63, VRS 26, 457. ••>) Hamburg 13. 6. 62, VerkMitt. 63, 7. ") Hamm 25. 1. 62, VRS 23, 227. 5 ) BGHSt. 14, 366, 374 (15. 6. 60) = VRS 19, 220; BayObLG 17. 5. 61, VkBl. 61, 696.
StVO
B e g r i f f des Abbiegens
§ 9
Straße, so gilt die geradeaus verlaufende S t r a ß e als einheitliche Straße, während die im W i n k e l darauf stoßende S t r a ß e als „ a n d e r e " S t r a ß e b e h a n d e l t wird, auch wenn es sich bei der über E c k verlaufenden S t r a ß e um eine Bundesstraße handelt, oder w e n n die ü b e r Eck verlaufenden beiden S t r a ß e n t e i l e die gleiche Bezeichnung tragen. W e r in diesem Fall der im W i n k e l abbiegenden S t r a ß e folgt, biegt im S i n n e des § 9 ab. D e r auf der geraden F o r t s e t z u n g e n t g e g e n k o m m e n d e V e r k e h r s t e i l n e h m e r ist dann nach § 9 Abs. 3 gegenüber dem A b b i e g e r b e v o r r e c h t i g t .
Besondere
Straßengestaltung
Besondere G r u n d s ä t z e hat die Rechtsprechung f ü r den Fall aufgestellt, daß die F a h r bahn der Straße, aus der abgebogen wird, durch einen breiten, nicht b e f a h r b a r e n M i t t e l streifen oder durch V e r k e h r s i n s e l n in zwei F a h r b a h n e n geteilt ist. H i e r gilt zwar für das Abbiegen die R e g e l des § 9, sobald der Abbieger aber in die kreuzende F a h r b a h n v o l l eingebogen ist u n d d a m i t als B e n u t z e r der Q u e r s t r a ß e erscheint, wird er als B e n u t z e r dieser S t r a ß e behandelt. G e g e n ü b e r V e r k e h r s t e i l n e h m e r n , die i h m auf der u r sprünglich b e f a h r e n e n S t r a ß e e n t g e g e n k o m m e n , ist er daher nicht m e h r nach § 9 Abs. 3 wartepflichtig, sondern seine Rechtstellung ergibt sich aus den V o r s c h r i f t e n über die V o r f a h r t . Ist die kreuzende Straße, in die er abgebogen ist, bevorrechtigt, so ist er gegenüber den auf der ursprünglich b e f a h r e n e n S t r a ß e e n t g e g e n g e k o m m e n d e n bevorrechtigt, ist sie u n t e r g e o r d n e t , dann m u ß er nach § 8 Abs. 1 w a r t e n ; (vergl. § 8 R N r . 5) 6 ). Ähnlich ist die Rechtslage, w e n n die F o r t s e t z u n g einer S t r a ß e jenseits einer kreuzenden S t r a ß e soweit versetzt ist, daß nicht m e h r v o n einer einheitlichen S t r a ß e gesprochen werden kann. Auch hier gelten für das V e r h ä l t n i s „ e n t g e g e n k o m m e n d e r " Fahrzeuge zueinander die V o r f a h r t r e g e l n . Ist die kreuzende S t r a ß e bevorrechtigt, dann h a t derjenige, der sich voll in sie eingeordnet hat gegenüber den aus den einmündenden S t r a ß e n K o m m e n d e n die V o r f a h r t . E r wird nicht als Abieger behandelt, w e n n er ihren Weg k r e u z t 7 ) . Zweifel sind möglich, w e n n bei einer Straßengabel u n k l a r ist, welcher Gabelschenkel die S t r a ß e f o r t s e t z t . In diesem Fall biegt der B e n u t z e r der auf die G a b e l z u f ü h r e n d e n S t r a ß e in j e d e m Fall ab, er m u ß sich also, wenn er seine F a h r t auf der für ihn rechts w e i t e r f ü h r e n d e n S t r a ß e f o r t s e t z t , so v e r h a l t e n , als o b er nach rechts u n d entsprechend bei F o r t s e t z u n g seiner F a h r t auf der linken Straße, als o b er nach links „ a b b ö g e " 8 ) . Dagegen soll nicht „abbiegen", w e r aus einer in spitzem W i n k e l in eine durchgehende S t r a ß e m ü n d e n d e n Straße der R i c h t u n g der e i n m ü n d e n d e n S t r a ß e folgend w e i t e r f ä h r t . W e r innerhalb der F a h r b a h n n u r seine F a h r s p u r wechselt, ohne auch nur an den F a h r b a h n r a n d abzubiegen oder zu wenden, biegt nicht ab. W i e w e i t er t r o t z d e m zur Anzeige der Richtungsänderung verpflichtet sein k a n n , wird bei § 7 ( R N r . 8) e r ö r t e r t .
Abbiegen in Grundstücke Das A b b i e g e n in ein Grundstück und das Abbiegen in eine Seitenstraße w u r d e nicht i m m e r gleich behandelt. D o c h h a t t e die Rechtsprechung die A n f o r d e r u n g e n beim Abbiegen in ein G r u n d s t ü c k den A n f o r d e r u n g e n b e i m Abbiegen in eine Seitenstraße weitgehend angeglichen. N a c h dem W o r t l a u t des § 17 S t V O 1937 bestand f ü r den, der in ein G r u n d s t ü c k abbog, allerdings eine e r h ö h t e Sorgfaltspflicht, doch wurde dieser Unterschied m e h r und m e h r verwischt. Schließlich h a t t e der B G H entgegen der w e i t überwiegenden M e i n u n g v o n S c h r i f t t u m und Rechtsprechung sogar die doppelte Rückschaupflicht beim Abbiegen in ein Grundstück grundsätzlich v e r n e i n t . Dadurch daß § 9 für alle Abbiegevorgänge die gleichen R e g e l n aufstellt, h a t die frühere Rechtsprechung zur Unterscheidung v o n ö f f e n t «) BGH(Z) 23. 2. 60, N J W 60, 816 = VRS 18, 252 = VerkMitt. 60, 44; BGHSt. 16, 19 (15. 3. 61) = VRS 20, 372; Hamburg 30. 5. 62, VRS 24, 234; Hamm 26. 2. 65, VRS 29, 231; s. auch BayObLGSt. 63, 67 (5. 3. 63) = VkBl. 63, 218 = VerkMitt. 63, 67 = VRS 25, 468.
7)
Celle 22. 8. 63, VRS 26, 303. «3) A. M. Mühlhaus StVO § 9 Anm. 7 a. lis
408
) So schon für die frühere Rechtslage KG 13. 9. 56, DAR 56, 338. >«5) München 25. 11. 66, VersR 67, 236 = VRS 32, 249 = DAR 67, 244 = DRspr. II (291) 157 e. 1M
Rücksicht auf Fußgänger
StVO
§ 9
verlangt wird wie bei Annäherungen an einen Fußgängerüberweg (§ 26 Abs. 1) bleibt offen. Doch wird man davon ausgehen können, daß der Einbiegende den bevorrechtigten Fußgängern wie dort das Überqueren zu ermöglichen hat, wenn sie die Fahrbahn „erkennbar überschreiten wollen"1®9). Es wäre bedenklich, darauf abzustellen, ob die Fußgänger bei Annäherung des einbiegenden Fahrzeugs die Fahrbahn bereits tatsächlich betreten haben. Seiner Pflicht, auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen, die sich gerade anschicken, die Straße zu überqueren, kann der Abbieger in der Regel nur genügen, wenn er in Schrittgeschwindigkeit fährt1®7). Zwar besteht die besondere Rücksichtspflicht gegenüber Fußgängern aus beiden Richtungen 158 ). Darauf, ob sich Fußgänger anschicken, die Fahrbahn zu betreten, ist aber besonders bei solchen Fußgängern zu achten, die sich in der gleichen Richtung wie der Einbieger vor dem Einbiegen auf die Fahrbahn der einmündenden Straße zu bewegen. Von ihnen kann nicht verlangt werden, daß sie sich umschauen, ob sich von hinten her ein Fahrzeug nähert, das einbiegen will1®9). Dagegen wird vom entgegenkommenden Fußgänger erwartet werden können, daß er nicht blindlings in den Weg eines gerade einbiegenden Fahrzeuges läuft. Das Vorrecht des Fußgängers ist durch das allgemeine Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme eingeschränkt. Von ihm wird allgemein verlangt werden können, daß er seine Überquerungsabsicht möglichst frühzeitig zu erkennen gibt, wozu auch Handzeichen dienlich sein können. Er darf das Einbiegen durch sein Verhalten nicht unnötig erschweren. Vor allem muß er die Straße nach § 25 Abs. 3 in angemessener Eile auf dem kürzesten Wege quer zur Fahrtrichtung überschreiten. Seiner Pflicht, wenn nötig zu warten, genügt der Einbieger nur, wenn er rechtzeitig anhält. Er darf nicht etwa im Vertrauen auf seine guten Bremsen bis hart an den Fußgänger heranfahren und dann erst scharf bremsen. Damit würde der Fußgäger mehr als zumutbar belästigt und erschreckt, die Pflicht besonderer Rücksicht wäre verletzt. Das Vorrecht der Fußgänger beim Überschreiten der einmündenden Straße gilt gegenüber einbiegenden Fahrzeugen. Auf der Straße, aus der heraus abgebogen wird, gelten dagegen die allgemeinen Vorschriften. Hier muß sich der Fußgänger dem Fahrverkehr unterordnen, f ü r den die Fahrbahn in erster Linie bestimmt ist. N u r gegenüber einbiegenden, nicht gegenüber abbiegenden Fahrzeugen sind die Fußgänger also bevorrechtigt. Allerdings wird der Kraftfahrer nicht darauf vertrauen dürfen, daß jedem Fußgänger diese Unterscheidung geläufig ist. Er wird damit rechnen müssen, daß Fußgänger sich ihm gegenüber auch dann für bevorrechtigt halten, wenn sie die Straße, aus der heraus er abbiegen will, an ihrer Einmündung überschreiten. VII. Sonstige Pfliditen des Abbiegers Allgemeines § 9 stellt an die Sorgfaltspflicht des Abbiegens Anforderungen, die über die normalen Sorgfaltspflichten hinausgehen. Er befreit ihn aber keineswegs von den aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht abzuleitenden Anforderungen. Vor allem gilt f ü r den Abbieger was für jeden Verkehrsteilnehmer gilt: Ist er gezwungen, von den im Gesetz enthaltenen Abbiegeregeln oder auch nur vom normalen Fahrverhalten abzuweichen, dann trifft ihn die besondere Pflicht, die durch den Ausfall der vorgesehenen Sicherung verursachte Gefährdung des übrigen Verkehrs durch zusätzliche Vorsicht nach Kräften auszugleichen. Wer aus technischen Gründen gezwungen ist, vor dem Rechtsabbiegen links auszuholen, verstößt zwar nicht gegen § 9 Abs. 1 S. 2, weil ihm dieser nur vorschreibt, sein Fahrzeug „möglichst" weit rechts einzuordnen, wobei „möglichst" wie beim Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern soviel wie „soweit zumutbar" bedeutet. Er schafft aber eine vom Normalfall abweichende Verkehrslage, weil er Nach166
) A. M. Booß StVO § 9 Anm. 7. ">') KG 11. 9. 69, VRS 37, 445 = (291) 184 d. 169 ) Celle 18. 3. 70, VRS 39, 344.
199
DRspr. II
) So schon für die frühere Rechtslage H a m burg 25. 1. 56, VkBl. 56, 252 = VRS 10, 466.
§9
Möhl
StVO
folgenden vorübergehend das Rechtsüberholen ermöglicht, (mag es auch verboten sein). Deshalb ist hier die Pflicht, unmittelbar vor und während des Abbiegens auf den rechts von hinten her nachfolgenden Verkehr zu achten, gegenüber dem Normalfall erhöht; (s. oben R N r . 21). Der Rechtsabbieger muß in diesem Fall aber auch auf den links nachfolgenden Verkehr achten, der zum Überholen ansetzt. Für diesen schafft er dadurch, daß er gleichzeitig nach links ausschert und das rechte Richtungszeichen setzt, eine unklare Verkehrslage. Allerdings braucht er im allgemeinen nicht damit zu rechnen, daß ein nachfolgender Kraftfahrer, der im Begriffe ist, ihn links zu überholen, durch das Ausscheren nach links bis zur Straßenmitte erschreckt wird 1 7 0 ). Was für den Rechtsabbieger, der sich nicht am rechten Fahrbahnrand einordnet, gilt, gilt entsprechend für den Linksabbieger, der sich nicht bis zur Mitte einordnet; (s. oben R N r . 24). Wenn in § 9 im Gegensatz zu § 8 Abs. 3 StVO 1937 auch keine ausdrückliche Vorschrift mehr enthalten ist, die den Verlauf des beim Abbiegen zu durchfahrenden Bogens vorschreibt, so wird man doch (auch wenn man der weiter unten (RNr. 48) vertretenen Ansicht, es solle in der Regel nach wie vor in weitem Bogen abgebogen werden, nicht beipflichtet) von einem Abbieger, der frühzeitig nach links über die Straßenmitte fährt und den Bogen schneidet, eine der für Nachfolgende und Entgegenkommende erhöhten Gefahr entsprechende zusätzliche Sorgfalt verlangen dürfen 1 7 1 ). Beim paarweisen Abbiegen nach rechts oder links, wie es im städtischen Verkehr oft unvermeidlich ist (s. oben R N r . 22 und 27), müssen beide Abbieger ihr Verhalten aufeinander abstimmen. Vor allem darf der den äußeren Bogen Befahrende, der in seiner Bewegung freier ist, den inneren nicht dadurch in Bedrängnis bringen, daß er den Bogen zu eng nimmt. Der Rechtsabbieger, der sich vor dem Abbiegen rechts eingeordnet hat und in engem Bogen nach rechts abbiegt, braucht zwar im allgemeinen auf den nachfolgenden Verkehr nicht zu achten (es sei denn, daß in gleicher Richtung neben der Fahrbahn eine Schienenbahn oder ein Radweg verläuft; Abs. 3). Ragt aber seine Ladung nach hinten hinaus mit der Folge, daß sie beim Abbiegen in den Fahrraum der linken Fahrspur ausschert, dann muß er Vorsorge treffen, daß auf dieser Spur Nachkommende nicht in Gefahr gebracht werden 171 ). Soweit nicht die Vorfahrt in der untergeordneten Straße durch ein Stopschild (Z. 206) geregelt ist, wird dem Wartepflichtigen nicht grundsätzlich auferlegt, vor der Kreuzung mit der Vorfahrtstraße anzuhalten. Allerdings darf er nach § 8 Abs. 2 S. 2 nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, daß er den Vorfahrtberechtigten weder gefährdet noch wesentlich behindert. Der Abbieger muß sich entgegenkommenden Fahrzeugen gegenüber ähnlich verhalten. Auch er muß vor dem Abbiegen anhalten, wenn er nicht sicher sein kann, daß er beim Abbiegen den Gegenverkehr nicht gefährdet oder wesentlich behindert. Dabei muß er auch prüfen, ob er nicht durch Fußgänger, welche die Straße, in die er abbiegen will, überqueren, an der rechtzeitigen Räumung der Kreuzung gehindert werden kann. Daß allerdings am Straßenrand vor der Einmündung in Gegenrichtung stehende Fahrzeuge während seines Abbiegens anfahren könnten, braucht er nicht ohne weiteres in Betracht zu ziehen 173 ). Auf einer Straße mit zwei durch einen bewachsenen Mittelstreifen getrennten Fahrbahn muß der Linksabbieger unter Umständen vor der Einfahrt in die Gegenfahrbahn halten, wenn er diese vorher nicht überblicken kann 1 7 4 ). Kann der Abbieger sicher sein, daß mit Gegenverkehr zu rechnen ist, dann soll er möglichts zügig abbiegen, um die Kreuzung so bald als möglich zu räumen. Er darf nidit plötzlich ohne triftigen Grund während des Abbiegens anhalten. Der nachfolgende Verkehr soll allerdings nicht darauf vertrauen dürfen, daß er in einem Zuge abbiegt 175 ). °) Stuttgart 20. 3. 64, DAR 64, 252. ) Vgl. für die frühere Rechtslage Koblenz 27. 2. 62, DAR 62, 341. 172 ) BayObLG 17. 2. 70, VRS 39, 230 = VerkMitt. 70, 66.
17
171
410
') Hamm 6. 11. 69, VRS 39, 233 = DRspr. II (291) 194 b. ) KG 16. 12. 65, VerkMitt. 66, 41. 17ä ) BayObLG 3. 5. 66, 1 a St 106/1966. 17
174
Sonstige Pflichten? welcher Bogen?
StVO
§ 9
Der nachfolgende Verkehr hat normalerweise gegenüber einem Abbieger kein Vorrecht. Wenn diesem vom Gesetz auferlegt wird, auf den nachfolgenden Verkehr zu „achten" dann bedeutet das nur, daß der Abbieger einen nachfolgenden im Überholen begriffenen Verkehrsteilnehmer nicht in Gefahr bringen darf. Er muß ihn also (ebenso wie Entgegenkommende) „durchfahren" lassen, wenn der Nachfolgende sich dem Abbiegen nicht mehr ohne Schwierigkeiten anpassen kann, (sei es, daß er ihn rechts überholt oder anhält). Erkennt der Abbieger, daß sich ein Nachfolgender nicht verkehrsgerecht verhält, so z. B. links überholt, obwohl der Abbieger rechtzeitig das linke Richtungszeichen gesetzt hat, dann muß er sich auf dieses verkehrswidrige Verhalten einstellen. Auch hier ist das Gebot, jede konkrete Gefährdung nach Möglichkeit zu vermeiden, dem Recht des Abbiegers gegenüber Nachfolgenden, nach rechtzeitiger Ankündigung des Abbiegens und ordnungsgemäßer Einordnung abzubiegen, übergeordnet. Der allgemeine Grundsatz, daß nicht darauf vertraut werden darf, daß sich ein pflichtwidrig Handelnder noch im letzten Augenblick auf seine Pflicht besinnt, gilt auch hier. Gewinnt der Abbieger den Eindruck, ein Nachfolgender wolle ihn noch (verbotenerweise) links überholen, dann darf er deshalb nicht darauf vertrauen, dieser werde den Überholvorgang wieder abbrechen 17 '). Wird der Verkehr an einer Kreuzung durch einen Polizeibeamten geregelt, so wird der Kraftfahrer grundsätzlich von eigener Verantwortung nicht befreit. So muß der Rechtsabbieger, dem der Polizeibeamte freie Fahrt gibt, darauf achten, daß er keinen Radfahrer gefährdet, der rechts neben ihm fahrend die Kreuzung überqueren will 177 ). Gibt an einer Ampelkreuzung ein grüner Pfeil dem Linksabbieger die Fahrt frei, dann darf er zwar darauf vertrauen, daß dem Gegenverkehr gleichzeitig die Durchfahrt durch Rotlicht versperrt ist (vgl. X der Vwv zu § 36). Er muß aber wie jeder Vorfahrtberechtigte an Ampelkreuzungen auf Nachzügler achten. Auch muß er, falls er längere Zeit im Kreuzungsbereich festgehalten wird, damit rechnen, daß inzwischen dem Gegenverkehr wieder freie Fahrt gegeben sein kann. Zwar ist er diesem gegenüber bevorrechtigt, der Gegenverkehr muß ihn als Nachzügler die Kreuzung räumen lassen178). Darauf, daß der Gegenverkehr dieser Pflicht genügt, darf er aber nicht vertrauen 179 ). Wenn auch die Pflicht, sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen, im Gesetz nur bei § 9 Abs. 5 und § 10 ausdrücklich erwähnt ist, gibt es doch auch beim normalen Abbiegen in eine Straße Fälle, in denen die Einweisung durch einen Warnposten geboten ist. So muß sich der Lastzugführer, der bei starkem Nebel in eine Vorfahrtstraße einbiegt und dabei längere Zeit die Fahrbahn der Vorfahrtstraße blockiert, eines Einweisers bedienen oder wenigstens (falls er keinen zur Verfügung hat), durch sonstige zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Warnblinkanlage) der Gefahr begegnen 180 ). Welcher Bogen? Alle bisherigen Straßenverkehrsordnungen enthielten das Gebot, nach rechts in engem, nach links in weitem Bogen abzubiegen. Die neue StVO meint, ohne eine entsprechende Bestimmung auskommen zu können. Die amtliche Begründung (oben R N r . 3) weist darauf hin, daß die derzeitige Praxis auch der umliegenden Länder über den alten Grundsatz hinweggegangen sei. Das t r i f f t sicher zu, soweit sich Linksabbieger aus entgegengesetzten Richtungen in einer Kreuzung begegnen. Zwar müssen diese in der Regel auch dann warten, wenn sie auf amerikanische Art voreinander also nicht in weitem Bogen abbiegen. Denn sie müssen den Gegenverkehr durchfahren lassen. Aber die Abbiegeschlangen fahren sich nicht fest; ist der Gegenverkehr durchgefahren, dann können sie unbehindert aneinander vorbeifahren. In diesen Fällen wird das Gebot, in weitem Bogen abzubiegen, mit Recht als antiquiert fallengelassen. Allerdings muß dabei auf die beim „amerikanischen" "«) Oldenburg 25. 10. 67, VerkMitt. 68, 13. 177 ) BayObLG 28. 4. 66, 1 b St 80/1966. 17s ) A. M. Hamburg 20. 1. 65, VRS 28 , 447 = VerkMitt. 65, 51.
178 18
) Vgl. für die frühere Rechtslage Hamm 14. 4. 59, VRS 17, 443. °) Vgl. für die frühere Rechtslage Düsseldorf 28. 5. 62, VerkMitt. 62, 57.
§9
MÖhl
StVO
Abbiegen erhöhte Schwierigkeit, den Gegenverkehr rechtzeitig wahrzunehmen, sen werden.
hingewie-
Fraglich ist aber, ob auch in allen anderen Fällen d e m Abbieger freigestellt sein soll, wie er den Bogen n i m m t . Zunächst ist daran festzuhalten, daß sich der Abbieger nach wie v o r auf Straßen m i t Gegenverkehr nicht über die Straßenmitte hinaus nach links einordnen darf. D a s hat zur Folge, daß er bei der E i n f a h r t in die K r e u z u n g noch rechts der Straßenmitte bleiben muß. E r darf keinesfalls schon v o r h e r m i t dem Abbiegen beginnen. Auch die bisherige Rechtsprechung zur Frage, wie bei einer trichterförmigen E r w e i t e r u n g der E i n m ü n d u n g zu f a h ren ist, k a n n ü b e r n o m m e n w e r d e n : D i e Mitte des Trichters ist, sofern nicht Verkehrszeichen oder F a h r b a h n m a r k i e r u n g e n etwas anderes bestimmen, rechts zu u m f a h r e n u n d zwar sowohl dann, w e n n in eine trichterförmige E i n m ü n d u n g eingebogen 1 8 1 ) oder aus einer trichterförmigen abgebogen wird 1 8 2 ). D a s G e b o t , den Schnittpunkt der Mittellinien der sich kreuzenden Straßen, also die Mitte der K r e u z u n g rechts zu u m f a h r e n , ist allerdings überholt 1 8 3 ). Denn dieses G e b o t ergab sich aus d e m G e b o t , nach links in weitem B o g e n einzubiegen, das nicht mehr besteht. Es der Willkür des Verkehrsteilnehmers zu überlassen, wie er im Kreuzungsbereich abbiegen soll, erscheint nicht unbedenklich. D i e Rechtsprechung wird deshalb G r u n d s ä t z e erarbeiten müssen, nach denen er sich zu richten hat. Dabei m u ß bedacht werden, daß das bisherige G e b o t sowohl dem Schutz des e n t g e g e n k o m m e n d e n wie dem des nachfolgenden Verkehrs diente 1 8 4 ). D e r in weitem B o g e n Abbiegende schneidet die G e g e n f a h r b a h n später an als der in flachem Fahrende. Sein Weg quer über die G e g e n f a h r b a h n ist dabei kürzer. D i e G e g e n f a h r b a h n ist deshalb beim Abbiegen in weitem Bogen kürzere Zeit b l o k kiert. Besonders deutlich zeigt sich der Vorteil des weiten Bogens, wenn die Straße, aus der abgebogen wird, v o r oder nach der K r e u z u n g unübersichtlich ist. D e r Abbiegende kann E n t g e g e n k o m m e n d e beim weiten B o g e n noch rechtzeitig wahrnehmen, die er beim Schneiden der K u r v e zu spät w a h r n i m m t . D e r nachfolgende Verkehr hat entsprechend länger Zeit u n d R a u m , sich auf das Abbiegen einzurichten. E s wäre deshalb erwünscht, wenn das G e b o t des weiten Bogens als G r u n d s a t z erhalten bliebe, der allerdings v o n Fall zu Fall eine A u s n a h m e verträgt, falls sich Linksabbieger aus entgegengesetzter Richtung in einer K r e u z u n g treffen. E i n solcher G r u n d s a t z ließe sich wohl ohne besondere G e w a l t s a m k e i t aus d e m Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 herleiten: D a s G e b o t , möglichst weit rechts zu fahren, gilt auch f ü r K u r v e n . D a s Schneiden v o n K u r ven über die Straßenmitte hinaus ist verboten. Wer abbiegt, f ä h r t in einer K u r v e , die v o n der Straßenmitte der Straße, aus der er k o m m t , z u m rechten Teil der Straße in die er einbiegt, f ü h r t . In dieser K u r v e m u ß der Abbieger möglichst weit rechts fahren, d. h. er darf im N o r m a l f a l l nicht anders fahren, als durchfahre er eine Straßenkurve. G i n g e man v o n einem solchen G r u n d s a t z aus, dann k ö n n t e zwanglos f ü r das voreinander Abbiegen von Linksabbiegern aus entgegengesetzten Richtungen eine A u s n a h m e zugelassen werden. Bei ihnen w ä r e ein Ausfahren der K u r v e nicht z u m u t b a r , weil dadurch der V e r k e h r s f l u ß unnötig g e h e m m t w ü r d e ; eine solche L ö s u n g w ä r e u m so erwünschter, als d a m i t der Anschluß an die bisherige Rechtsprechung zu dieser F r a g e gefunden würde. D e n n es ist keineswegs so, daß die Rechtsprechung nicht schon bisher A u s n a h m e n v o m weiten B o g e n durch sinnvolle Auslegung des Gesetzes legalisiert hätte 1 8 5 ). A u s n a h m e n w u r d e n v o r allem f ü r das ) BGHSt. 16, 255 (13. 9. 61) = VRS 21, 455 = DAR 62, 25 = MDR 62, 68 = N J W 61, 2358 = DRspr. II (291) 91 d. 1 8 2 ) BGH(Z) 10. 7. 64, DAR 64, 321 = MDR 64, 1000 = VerkMitt. 64, 77 = VkBl. 64, 561 = VRS 27, 255 = DRspr. II (291) 120 a. 1 8 S ) Vgl. für die frühere Rechtslage K G 7. 6. 62, VRS 23, 133. 181
412
184 185
) Hamm 16. 7. 70, VRS 40, 68. ) Hamm 28. 1. 63, VRS 24, 463 = DAR 63, 252 = VerkMitt. 63, 48; 3. 8. 64, VRS 28, 456; Celle 22. 8. 63, NdsRpfl. 64, 68; K G 6. 6. 66, VerkMitt. 66, 59; Sdii. Holst. 20. 8. 69, VerkMitt. 70, 7 = DRspr. II (291) 184 c.
Welcher Bogen? Entgegenkommende, Nachfolgende
StVO
§ 9
Einbiegen in Einbahnstraßen zugelassen, weil hier mit keinem Gegenverkehr zu rechnen ist 18 «). Audi die besondere Gestaltung der Kreuzung wurde als Rechtfertigung einer Abweichung vom Gebot des weiten Bogens anerkannt. So wurde dem Linksabbieger an einer spitzwinklig zusammenlaufenden Straßengabel gestattet, beim Abbiegen von einem Ast nach links in den anderen Straßenast bereits vor dem gedachten Schnittpunkt der Fahrbahnmitten abzubiegen. Es wurde als genügend angesehen, wenn der Abbieger zum linken Fahrbahnrand durchwegs einen Abstand von einer halben Fahrbahnbreite einhielt 1 8 7 ). Daß nach rechts in engem Bogen abgebogen werden muß, ergibt sich ohne weiteres aus § 2 Abs. 2. D e r Abbieger muß auch während des Abbiegens stets möglichst weit rechts fahren. Aber auch hier sind Ausnahmen möglich, wenn die Gestaltung der Straßeneinmündung dazu nötigt 1 8 8 ). Ein Linksabbieger soll in seinem Vertrauen, daß ein ihm entgegenkommender Rechtsabbieger in die am weitesten rechts liegende Fahrspur der neuen Richtung einfahren werde, nicht geschützt sein18®). Allgemein wird zu sagen sein, daß die Neuregelung trotz mancher Vorteile hinter der früheren Regelung an Klarheit zurücksteht und daß dementsprechend das Vertrauen aller Beteiligten auf verkehrsgemäßes Verhalten der Abbieger eingeschränkt wurde. Auch wo es offensichtlich geboten wäre, nach links in weitem, nach rechts in engem Bogen abzubiegen, wird niemand mehr darauf vertrauen dürfen, daß der Abbieger seiner Pflicht genügt. Es ist zu hoffen, daß dieser Nachteil durch besseres Zusammenarbeiten der Beteiligten und beiderseits „defensives" Fahren ausgeglichen wird. VIII. Rechtslage für Entgegenkommende und Nachfolgende Die Frage, wie weit Nachfolgende darauf vertrauen dürfen, daß sich ein Vorausfahrender, der durch Richtungszeichen angezeigten Abbiegeabsicht entsprechend verhalten werde, wurde oben bei R N r . 18 erörtert. Allgemein dürfen Entgegenkommende und Nachfolgende darauf vertrauen, daß sich der Abbieger verkehrsgerecht verhält, solange nicht das Gegenteil erkennbar ist. Das bedeutet: Der Entgegenkommende darf auf die Beachtung seines Vorrechts vertrauen, auch wenn sich der Linksabbieger unter Zeichengebung zur Mitte eingeordnet hat 1 9 0 ). Überfährt allerdings der Linksabbieger die Mittellinie einer 6 m breiten Straße um 1 m, dann ist die Besorgnis eines Entgegenkommenden begründet, der Abbieger wolle noch vor ihm abbiegen 1 9 1 ). Das gleiche gilt, wenn der Abbieger erkennbar mit dem Abbiegen beginnt 1 9 2 ). Wer allerdings trotz Beleuchtungspflicht ohne Licht fährt, muß damit rechnen, daß ein Entgegenkommender vor ihm abbiegt, weil er ihn nicht rechtzeitig wahrnimmt 1 9 3 ). Während der Entgegenkommende gegenüber dem Abbieger ein Vorrecht hat, auf dessen Beachtung er vertrauen darf, ist die Rechtslage des Nachfolgenden weniger stark. E r hat gegenüber dem Abbieger kein Vorrecht, vielmehr ist dieser ihm gegenüber bevorrechtigt, sobald er seine Abbiegeabsicht angezeigt und sich eingeordnet hat. Der Nachfolgende muß in diesem Falle nach § 5 Abs. 7 S. 1 den Linksabbieger rechts überholen (s. § 5 R N r . 42). Ist das wegen der geringen Straßenbreite oder bei der gegebenen Verkehrslage nicht möglich, dann muß er anhalten. Keinesfalls darf er links überholen, sobald der Abbieger das linke Richtungszeichen gesetzt hat. Das gilt in gleicher Weise im Verhältnis zu einem nach links in eine andere Straße oder in ein Grundstück Abbiegenden 1 9 4 ). Eine Ausnahme gilt 18«) Hamburg 27. 8. 65, VerkMitt. 65, 80 = DRspr. II (291) 146 c. 1 8 7 ) Celle 24. 2. 70, VRS 39, 319; ähnlich BayObLGSt. 63, 93 (3. 4. 63) = VRS 25, 465; vgl. auch Sdii. Holst. 20. 8. 69, VerkMitt. 70, 7 = DRspr. II (291) 184 c. 1 8 8 ) KG 5. 4. 62, VRS 22, 469. 18 ») Hamburg 18. 10. 67, VerkMitt. 68, 45.
°) ) ) 193)
BGH 11. 6. 65, VRS 29, 423. Hamm 2. 6. 58, DAR 59, 51. BGH(Z) 11. 6. 65, VersR 65, 811. Köln 25. 3. 66, VRS 31, 229; BayObLG 21. 9. 66, 1 a St 152/1966. 194) BGH 23. 4. 69, VRS 37, 351; Hamm 7. 12. 59, VRS 19, 216. 19
191
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nur dann, wenn er in diesem Zeitpunkt bereits im Überholen begriffen ist oder wenn er sidi mit dem Abbieger verständigt hat. Zeigt der Vorausfahrende das rechte Richtungszeichen und ordnet er sich gleichzeitig zur Straßenmittc ein, dann ist die Verkehrslage f ü r den Nachfolgenden unklar. Er darf keinesfalls rechts überholen 195 ), links aber nur, wenn er sicher sein kann, daß der Vorausfahrende wirklich nach rechts abbiegt. Ordnet sich der Vordermann zur Straßenmitte ein ohne ein Richtungszeichen zu geben, dann darf ihn ein Nachfolgender in der Regel links überholen. Er darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß der Vorausfahrende nicht ohne rechtzeitige Ankündigung durch das Richtungszeichen nach links ausschert, um abzubiegen 196 ). N u r dann, wenn das Verhalten des zur Mitte Eingeordneten klar darauf hindeutet, daß er abbiegen wolle, wenn er z. B. in Höhe einer nach links führenden Straße offensichtlich wegen Gegenverkehrs in der Fahrbahnmitte wartet, soll der Nachfolgende doch mit einem Abbiegen auch dann rechnen müssen, wenn der Abbieger kein Richtungszeichen gegeben hat 197 ). Zeigt dagegen der Vorausfahrende das linke Richtungszeichen ohne sich zur Fahrbahnmitte einzuordnen, dann ist die Verkehrslage f ü r den Nachfolgenden unklar, er darf nicht überholen (§ 5 Abs. 3 Nr. 1, s. dort R N r . 14)108). § 5 Abs. 5 gestattet zwar außerhalb geschlossener Ortschaften die Ankündigung des Überholens durch kurze Schall- und Leuchtzeichen. Sie schreibt sie aber nicht vor (vgl. § 5 R N r . 29). Die Pflicht, Warnzeichen zu geben, kann sich aber aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ergeben. Andernteils kann ein Warnzeichen unangebracht sein, wenn der zu Warnende daraus falsche Schlüsse ziehen kann. So kann derjenige, der an einem zur Mitte eingeordneten Linksabbieger rechts vorbeifahren will den Abbieger unter Umständen durch ein Hupzeichen irritieren und zum Ausbiegen nadi rechts veranlassen 1 ' 9 ). Der nachfolgende Verkehr darf zwar darauf vertrauen, daß ein zur Mitte eingeordneter Linksabbieger nicht nach rechts ausschert. Er darf aber nicht darauf vertrauen, daß er zügig und ohne Unterbrechung nach links abbiegen werde 175 ). Wenn ein Fahrzeug zum Linksabbiegen in eine andere Straße links eingeordnet ist, darf ein nachfolgender Kraftfahrer, der ebenfalls links abbiegen will, nicht unter Inanspruchnahme der Einmündung links überholen 200 ). Besondere Vorsicht gegenüber Linksabbiegern ist bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen in verkehrsarmen ländlichen Gegenden geboten 201 ). In solchen Fällen wird häufig die Ankündigung der Überholung durch ein Hupzeichen geboten sein. Die Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme kann bei besonderer Verkehrslage Entgegenkommende und Nachfolgende verpflichten, dem Abbieger das Abbiegen zu erleichtern. Das gilt sogar f ü r den Fall der Einfahrt in ein Grundstück 202 ). C. Besondere Vorschriften für das Abbiegen in Grundstücke, für das Wenden und das Rückwärtsfahren I. Allgemeines 1. Abbiegen in Grundstücke Während die StVO 1937 das Abbiegen in andere Straßen und das Abbiegen in Grundstücke an verschiedenen Stellen regelte (§§ 8 Abs. 3, 17), werden nun in § 9 alle Abbiegevorgänge behandelt. Da die f ü r das Abbiegen in Straßen geltenden Regeln auch bisher schon auf das Abbiegen in Grundstücke entsprechend angewandt wurden, hat sich dadurch im Ergebnis nichts geändert. Aus der früheren Regelung wurde auch die Verschärfung der Sorgfaltspflichten beim Abbiegen in Grundstücke übernommen 2 0 9 ): In Grundstücke darf 195
) ) 197 ) 198 ) 19 °) 00 * ) 1M
K G 21. 6. 62, VRS 23, 303. B G H 4. 11. 58, N J W 59, 250. BayObLG 8. 5. 68, 1 a St 57/1968. Celle 31. 1. 63, VRS 25, 356. Hamm 19. 2. 60, DAR 61, 24. Köln 13. 2. 62, VRS 23, 58.
201
) BGH 17. 5. 63, VRS 25, 52. ) Düsseldorf 5. 1. 67, VerkMitt. 67, 39; ähnlich BayObLG 3. 8. 65, 2 b St 87/1965 bei Rüth, DAR 66, 257: 10. c). 203) Vgl. für die frühere Rechtslage: Braunschweig 3. 4. 64j NdsRpfl. 64, 185. 202
Abbiegen in Grundstücke
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n u r abgebogen werden, wenn eine G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. N e u ist die A u f t e i l u n g der Regeln f ü r das A b - und Einbiegen auf zwei Paragraphen (§§ 9, 10), während sie früher in § 17 zusammengefaßt waren. Insofern überschneidet sidi Abs. 5 m i t Abs. 1 S. 4, als v o n der doppelten Rückschau nur dann abgesehen werden darf, wenn eine G e f ä h r d u n g des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Abs. 1 S. 4 gilt also in gleicher Weise f ü r das Abbiegen in Straßen wie in Grundstücke. I m übrigen m u ß der in ein Grundstück Abbiegende zwar die allgemeinen Vorschriften f ü r das Abbiegen beachten, darüber hinaus aber noch eine zusätzliche Vorsicht aufwenden. Wie an anderer Stelle bedeutet auch hier das verschärfte G e b o t , jede G e f ä h r d u n g zu vermeiden, nicht, daß auch jede Behinderung vermieden werden muß. D e r nach links in ein Grundstück Abbiegende darf und m u ß sich wie der nach links in eine Straße Abbiegende zur Mitte einordnen und seine Abbiegeabsicht ankündigen 2 0 4 ). Nachfolgende d ü r f e n ihn nicht links überholen und müssen warten, wenn z u m Rechtsüberholen nicht genügend Platz ist. D a ß sie dabei behindert werden, ist u n v e r m e i d b a r . Die erhöhte Sorgfaltspflicht wird sich hier nur insofern auswirken, als der in ein Grundstück Abbiegende berücksichtigen muß, daß ein solcher A b biegevorgang außerhalb der normalen F a h r v o r g ä n g e liegt und daß deshalb Nachfolgende leicht zu spät oder falsch reagieren. Gegenüber E n t g e g e n k o m m e n d e n besteht die gleiche Wartepflicht wie beim Abbiegen in eine Straße. D e r Abbieger wird hier lediglich angehalten, besonders genau zu p r ü f e n , ob eine G e f ä h r d u n g oder auch nur Behinderung des G e genverkehrs „ausgeschlossen" ist. D e r „defensive" Fahrer wird beim Abbiegen in eine Straße und beim Abbiegen in ein Grundstück die gleiche S o r g f a l t aufwenden, nämlidi die nach der Verkehrslage notwendige. D e r leichtsinnige Fahrer wird sich vielleicht durch das G e b o t zusätzlicher Vorsicht veranlaßt fühlen, beim Abbiegen in ein Grundstück „defensiv e r " als sonst zu fahren. A u d i durch das in H a l b s a t z 2 enthaltene G e b o t , sich „erforderlichenfalls" einweisen zu lassen, unterscheidet sidi das Abbiegen in Grundstücke nicht grundsätzlich von d e m A b biegen in Straßen. D e n n auch d o r t kann in besonderen Fällen die gleiche Pflicht bestehen (s. oben R N r . 47). Die f r ü h e r e Rechtsprechung zu § 17 S t V O k a n n bei der Auslegung der neuen V o r schrift m i t herangezogen werden. Z u h o f f e n ist, daß das strenge G e b o t , jede G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden, k ü n f t i g ernstgenommen wird. T r o t z dieses G e b o t s war f r ü h e r selbst beim Abbiegen nach links in ein Grundstück die Pflicht, u n m i t telbar v o r dem Abbiegen auf den nachfolgenden V e r k e h r zu achten, nicht allgemein anerkannt worden. D a die R e g e l n f ü r das Abbiegen in Straßen und in Grundstücke n u n m e h r die gleichen sind, hat die rechtliche Unterscheidung v o n Grundstücken u n d öffentlichen Verkehrsgrund an Bedeutung verloren 8 0 5 ). K a n n darüber Zweifel bestehen, ob eine E i n f a h r t als Straße oder als Grundstückseinfahrt zu gelten hat, ergibt sidi f ü r den Abbieger auf alle Fälle die erhöhte Sorgfaltspflicht des Abs. 5 2 0 6 ). A u f f a l l e n d ist, daß im § 9 nur v o m Abbiegen in Grundstücke, in § 10 aber neben dem E i n f a h r e n aus einem Grundstück auf eine Straße auch v o m E i n f a h r e n v o n anderen Straßenteilen auf die F a h r b a h n die R e d e ist. Gemeint ist w o h l in beiden Fällen das gleiche. Auch das Abbiegen v o n der F a h r b a h n auf andere Straßenteile unterliegt den Regeln des § 9 Abs. 5 2 0 7 ). Wer also nach links in einen öffentlichen P a r k p l a t z oder eine Tankstelle abbiegt, hat die erhöhte Sorgfaltspflicht des Abs. 5, auch wenn öffentlicher P a r k p l a t z und Tankstelle keine „ G r u n d s t ü c k e " sind. Eine andere Aus204) Vgl. für die frühere Rechtslage: Hamburg 24. 10. 67, VersR 68, 504. 205) Vgl. für die frühere Rechtslage: Stuttgart 30. 6. 70, N J W 71, 66 = MDR 70, 950 = VersR 70, 846 = DRspr. II (293) 96 a; Oldenburg 11. 10. 66, VRS 33, 90; Hamm 12. 5. 60, JMB1. NRW 60, 202; BayObLGSt. 59, 277 (22. 9. 59) = VRS 18, 315.
2M 207
) Hamm 29. 2. 68, VerkMitt. 68, 85. ) So für die frühere Rechtslage Braunschweig 12. 3. 65, N J W 65, 1095 = NdsRpfl. 65, 142 = VRS 29, 146 = DRspr. II (293) 72 a; Hamm 17. 12. 59, VRS 19, 143; Schleswig 29. 7. 64; VerkMitt. 64, 72; Hamburg 13. 6. 62, VerkMitt. 63, 7.
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legung wäre sinnwidrig. Es wäre vor allem nicht einzusehen, warum zwar der aus dem Parkplatz oder der Tankstelle Ausfahrende die erhöhte Sorgfaltspflicht hätte, nicht aber der in diese Einfahrende. Die strittige Frage, ob und wann der in ein Grundstück Abbiegende unmittelbar vor dem Abbiegen noch einmal zurückschauen muß, ist durch die Neuregelung gegenstandslos geworden. Er muß nunmehr nur dann nicht zum zweiten Mal zurückschauen, wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist (oben R N r . 37). Die für das Linksabbiegen in andere Straßen im großstädtischen Verkehr kaum zu vermeidende Ausnahme von der doppelten Rückschau sollte auf keinen Fall auf das Abbiegen in Grundstücke ausgedehnt werden. Denn hier handelt es sich immer um einen v o m Normalfall abweichenden Verkehrsvorgang, der erfahrungsgemäß von nachfolgenden Verkehrsteilnehmern häufig zu spät wahrgenommen oder falsch ausgelegt wird. Der Nachfolgende kann vor allem dann, wenn bald nach der Grundstückseinfahrt links eine Straße einmündet, Richtungszeichen und Einordnung des Vorausfahrenden auf diese Straße beziehen. Die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, daß hier das Gebot, daß unmittelbar vor dem Abbiegen nochmals auf den nachfolgenden Verkehr geachtet wird, streng ausgelegt wird 2 0 8 ). Darauf, daß sich nachfolgende Verkehrsteilnehmer an ein bestehendes Überholverbot halten, wird sich der Linksabbieger auch dann nicht verlassen dürfen, wenn er sich selbst ordnungsgemäß eingeordnet und die Fahrtriditungsänderungsabsicht rechtzeitig angezeigt hat 2 0 9 ). Wer nach rechts in ein Grundstück abbiegt, ist dagegen (soweit nicht der Sonderfall des Abs. 3 vorliegt), nach Abs. 1 S. 4 von der nochmaligen Rückschau entbunden, wenn er vor dem Abbiegen so weit rechts fährt, daß kein anderer Verkehrsteilnehmer, auch kein Zweiradfahrzeug sich zwischen ihm und dem rechten Fahrbahnrand bewegen kann 2 1 0 ). Denn in diesem Fall ist eine Gefährdung Nachfolgender durch das Abbiegen ausgeschlossen. Die Pflicht, diese nicht durch starkes Bremsen zu gefährden, ergibt sich schon aus § 4 Abs. 1 S. 2, wird aber audi dem § 9 Abs. 5 zu entnehmen sein 211 ). Wer vor dem Einbiegen nach rechts links ausschwenkt, hat dagegen eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber Nachfolgenden und muß deshalb auf den nachfolgenden Verkehr unmittelbar vor dem Abbiegen sorgfältig achten 212 ). Wer beim Abbiegen nach rechts oder links über die Gleise einer neben der Fahrbahn verlaufenden Schienenbahn fährt, biegt zwar deshalb noch nicht in ein „Grundstück" ab; er muß aber nach Abs. 3 S. 1 Schienenfahrzeuge aus beiden Richtungen „durchfahren" lassen. E r darf sie also nicht nur nicht gefährden, sondern auch nicht behindern. Überquert er die Gleise einer Schienenbahn, um jenseits des Bahnkörpers in ein Grundstück einzubiegen, unterliegt aber der gesamte Abbiegevorgang den Abbiegevorschriften des Abs. 5 2 1 3 ). Zur Frage, inwiefern sich die erhöhte Sorgfaltspflicht dessen, der in ein Grundstück abbiegt, von der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Abbiegers unterscheidet, seien noch folgende frühere, auch heute noch verwertbare Entscheidungen erwähnt: Wer nach links in eine Grundstückseinfahrt abzubiegen beabsichtigt, hat bereits bei Beginn des Abbiegevorganges, zu dem schon die Abgabe des Abbiegezeichens und das Abbremsen des K f z gehören, die durch § 17 Abs. 1 S t V O 1937 geforderte besondere Sorgfalt anzuwenden 2 1 4 ). Wer mit einem L K W in einen Speditionshof einbiegen will, muß auch darauf achten, daß er nicht während des Einbiegens durch ein Hindernis in der Einfahrt zum Anhalten gezwungen wird mit der Folge, daß er den übrigen Verkehr blockiert 2 1 5 ). Wer bei Dunkelheit nach links in ein ) So für die frühere Rechtslage Hamburg 14. 10. 61, VerkMitt. 62, 22; Saarbrücken 15. 10. 59, VRS 19, 74; a. M. Saarbrücken 19. 6. 69, VRS 38, 232; Celle 13. 4. 67, DAR 67, 310. 20B ) A. M. für die frühere Rechtslage Düsseldorf 20. 4. 67, VerkMitt. 67, 95. 210 ) Vgl. für die frühere Rechtslage: Köln 26. 2. 60, JMB1. NRW 60, 116. 208
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) So für die frühere Rechtslage Schleswig 26. 11. 64, VerkMitt. 65, 16. ) Vgl. für die frühere Rechtslage: Hamm 15. 12. 65, VRS 31, 303; KG 5. 10. 67, DAR 68, 23. 2 1 3 ) BGH 3. 11. 61, DAR 62, 53 = VRS 22, 17. 2 1 4 ) BGH(Z) 10. 3. 64, VersR 64, 681. 215 } Köln 19. 4. 66, DAR 66, 306 = VRS 31, 230 = DRspr. II (293) 77 b. 2n
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Abbiegen in G r u n d s t ü c k e ; Wenden
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Grundstück einbiegt, hat im R a h m e n der i h m durch § 17 S t V O 1937 auferlegten erhöhten Sorgfaltspflicht auch m i t der U n a u f m e r k s a m k e i t nachfolgender Verkehrsteilnehmer zu rechnen 2 1 6 ). V o r d e m Einbiegen in den H o f r a u m eines Grundstücks m u ß ein L K W - F a h r e r auch den rechts v o n seinem F a h r z e u g liegenden, beim Rechtseinbiegen zu durchfahrenden R a u m beachten, in den er v o n seinem Führersitz aus keinen Einblick hat. E r m u ß zu diesem Zweck erforderlichenfalls anhalten u n d durch das rechte Fenster sich den nötigen Einblick beschaffen 2 1 7 ). Wenn auch Sdiienenbahnen, die nach rechts abbiegen, gegenüber d e m nachfolgenden Verkehr nach § 2 Abs. 3 bevorrechtigt sind, weil sie dieser „ d u r c h f a h r e n " lassen m u ß (vgl. § 2 R N r . 27), m u ß der F ü h r e r einer Schienenbahn doch wie andere Abbieger beim Abbiegen in ein Grundstück jede G e f ä h r d u n g des übrigen Verkehrs vermeiden 2 1 8 ). 2. Wenden Das Wenden unterscheidet sich v o n den sonstigen Abbiegefällen dadurch, daß die F a h r bahn nicht verlassen wird. Durch das Wenden wird das Fahrzeug auf der gleichen F a h r bahn in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzten Fahrtrichtung gebracht. Während bisher keine besondere Wendevorschrift bestand u n d der W e n d e v o r g a n g deshalb n u r nach den allgemeinen G r u n d s ä t z e n des § 1 durchzuführen war, enthält n u n m e h r § 9 Abs. 5 eine besondere Wenderegel. Auf das Wenden sind, wie sich aus d e m Z u s a m m e n h a n g ergibt, zunächst die Abbiegeregeln des § 9 Abs. 1-4 anzuwenden, v o r allem: rechtzeitige A n k ü n digung, E i n o r d n e n zur Mitte, Rücksicht auf Schienenfahrzeuge, achten auf den nachfolgenden Verkehr, Wartepflicht gegenüber E n t g e g e n k o m m e n d e n . Wie beim Abbiegen in G r u n d stücke m u ß darüber hinaus eine G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein. Diese besonderen Sicherheitsvorschriften sind wohlbegründet. D a s Wenden gehört zu den gefährlichen Fahrbewegungen. Erstrebenswert ist die D u r c h f ü h r u n g in einem Zuge. D a s ist aber nur möglich, wenn die Straße breit genug ist. Wenn das Abbiegen in einem Z u g e n u r v o m rechten F a h r b a h n r a n d aus möglich ist, wird das G e b o t , sich v o r d e m Abbiegen zur Mitte einzuordnen, zurücktreten müssen. D e r Wendende m u ß dann aber berücksichtigen, daß f ü r Nachfolgende die Verkehrslage u n k l a r wird, wenn er m i t eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger v o m rechten F a h r b a h n r a n d aus abbiegt. Besondere zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen sind bei Dunkelheit erforderlidi 2 1 9 ). D i e V e r w e n d u n g des Warnblinklichts (§ 16 A b s . 2 N r . 1) k a n n geboten sein. D i e besonderen Wenderegeln treten zurück, wenn der Wendende dabei vorübergehend in eine andere Straße oder in ein Grundstück abbiegt oder auch, wenn er auf einer Straße m i t getrennten Fahrbahnen v o n seiner F a h r bahn auf die G e g e n f a h r b a h n überwechselt. D a n n gelten die Abbiegeregeln 2 2 0 ). Stößt er dabei zurück, so m u ß er die G r u n d s ä t z e f ü r das R ü c k w ä r t s f a h r e n beachten. Grundsätzlich verboten ist das Wenden auf A u t o b a h n e n u n d K r a f t f a h r s t r a ß e n . A b e r auch auf anderen Straßen kann das Wenden unter U m s t ä n d e n v e r b o t e n sein, dann nämlich, wenn die Straßenstelle wegen des Straßenverlaufes oder auch wegen sonstiger Sichtbehinderung z. B. wegen Nebels so unübersichtlich ist, daß sich nicht überblicken läßt, ob nicht entgegenkomm e n d e oder nachfolgende Fahrzeuge durch den Wendevorgang gefährdet werden 2 2 1 ). D i e Sorgfaltspflichten des Wendenden sind gegenüber der f r ü h e r e n Rechtslage insofern v e r schärft w o r d e n , als er nur mehr dann wenden darf, wenn die G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dabei k a n n auch die Beschaffenheit des wendenden Fahrzeugs v o n Bedeutung sein. A n einer Stelle, an der ein P K W in einem Z u g e wenden
«) Hamburg 24. 10. 67, VersR 68, 504. " ) BayObLG 25. 3. 64, 1 St 729/1963 bei Rüth, DAR 65, 257: 10. a). 218) Fü r d; e frühere Rechtslage: Düsseldorf 8. 12. 60, VerkMitt. 61, 78 = DRspr. II (293) 54 e. 2 1 9 ) Vgl. für die frühere Rechtslage: BGH 8. 5. 64, VRS 27, 117; Schleswig 25. 4. 63, VerkMitt. 63, 88.
21 2
°) BGH 8. 12. 61, VRS 62, 131; Celle 9. 8.62, VRS 24, 306; BayObLG 7. 6. 66, 2 b St 23/1966 bei Rüth, DAR 67, 287: 4 e. 221) Vgl für die frühere Rechtslage: Hamm 25. 5. 62, VRS 24, 230 = VerkMitt. 62, 90. 22
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StVO + S t G B
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kann, ist der Führer eines Lastzuges unter Umständen genötigt, im Verlaufe schwieriger und zeitraubender Fahrmanöver die Fahrbahn in beiden Richtungen zu blockieren. Audi im großstädtischen Massenverkehr kann eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch das Wenden unter Umständen nicht ausgeschlossen werden. Kann der Zweck, in entgegengesetzter Richtung weiterzufahren, auf andere Weise gefahrloser erreicht werden, als durch Wenden (z. B. dadurch, daß nach rechts abgebogen und um einen Häuserblock gefahren wird), dann muß diese Möglichkeit ausgenutzt werden. Fraglich ist, ob der Wendende den nachfolgenden Verkehr behindern darf, soweit dies unvermeidbar ist. Die Frage wird zu bejahen sein. Soweit das Wenden erlaubt ist, muß sich der nachfolgende Verkehr darauf einstellen. Betätigt der Wendende den linken Fahrtrichtungsanzeiger, dann dürfen ihn Nachfolgende ebensowenig links überholen, wie wenn er nach links in eine Straße oder ein Grundstück einbiegen wollte. Fährt der Wendende vor dem Beginn des Abbiegens am rechten Fahrbahnrand, dann ist die Verkehrslage für Nachfolgende unklar und eine Überholung aus diesem Grunde nicht erlaubt. Notfalls müssen Nachfolgende anhalten, um das Wenden des Vorausfahrenden zu ermöglichen, es sei denn, daß sie sicher sein können, der zum Wenden Entschlossene werde das Wenden solange zurückstellen, bis sie durchgefahren sind. Auf alle Fälle muß der Wendende wie der Abbiegende unmittelbar vor dem Beginn des Wendens nochmals auf den nachfolgenden Verkehr achten. Fälle, in denen er nach Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 von dieser Pflicht befreit ist, weil eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, sind beim Wenden kaum denkbar 222 ). Hält der Wendende vor dem Abbiegen am rechten Fahrbahnrand, dann können f ü r ihn die Anfahrregeln des § 10 gelten. Während beim Wenden eine gewisse Behinderung des nachfolgenden Verkehrs unvermeidbar und deshalb zulässig sein kann, ist der Wendende gegenüber Entgegenkommenden nach Abs. 3 wartepflichtig. Er darf den Gegenverkehr auch nicht behindern. Wer in der Mitte einer Kreuzung wendet, muß auch auf den Verkehr in der kreuzenden Straße aus beiden Richtungen achten und ihm den Vortritt lassen223). 3. Rückwärtsfahren Das Rückwärtsfahren hat mit dem Abbiegen nur das eine gemein, daß es gefährlich ist. Daß sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren „darüber hinaus", nämlich über die f ü r das Abbiegen geltenden Pflichten hinaus, so zu verhalten hat, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, gibt keinen rechten Sinn. Die Abbiegeregeln können auf den Rückwärtsfahrenden nicht, auch nicht analog angewendet werden (es sei denn, daß der Rückwärtsfahrende abbiegt). Es bleibt deshalb f ü r das Rückwärtsfahren das allgemeine Gebot, besondere Sorgfalt aufzuwenden, um die durch den ungewöhnlichen und schwer erkennbaren Verkehrsvorgang verursachten Gefahren zu vermindern. Häufig wird er dieser Pflicht nur dadurch genügen können, daß er sich eines Einweisers bedient (unten R N r . 53). Auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist das Rückwärtsfahren verboten (§ 18 Abs. 7)224). Im übrigen ist es insoweit zulässig, als es unvermeidlich ist. Kann der Kraftfahrer sein Ziel ohne Schwierigkeit durch Vorwärtsfahren erreichen, dann darf er nicht rückwärts fahren; das Rückwärtsfahren bringt notwendig eine erhebliche Sichtbehinderung mit sich, f ü r die der Fahrzeugführer nach § 23 Abs. 1 S. 1 verantwortlich ist. Audi f ü r den Rückwärtsfahrenden gilt der Grundsatz, daß niemand auf gut Glück über eine Straßenstelle fahren darf, die er selbst nicht einsehen und auch nicht durch eine zuverlässige Hilfsperson beobachten lassen kann 225 ). 222
) Vgl. für die frühere Rechtslage: Hamm 26. 11. 64, VerkMitt. 66, 22; 9. 9. 65, VerkMitt. 66, 22. 223 ) BayObLG 23. 6. 65, 1 b St 93/1965. 224) Vgl. für die frühere Rechtslage: Düsseldorf
16. 2. 66, VerkMitt. 66, 71 = DRspr. II (291) 152 e. 225 ) BGH 20. 8. 65, VerkMitt. 65, 83 = VRS 29, 275; Düsseldorf 8. 3. 62, VerkMitt. 62, 47; Hamm 28. 11. 69, DAR 70, 103.
Rückwärtsfahren
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§ 9
Fraglich k ö n n t e sein, auf welcher Seite der Straße zurückgestoßen werden soll. D a der Wechsel der F a h r s p u r gerade beim R ü c k w ä r t s f a h r e n besonders gefährlich ist, wird m a n der h. M. zustimmen können, daß grundsätzlich auf der f ü r das V o r w ä r t s f a h r e n rechten (also in der Fahrtrichtung der R ü c k w ä r t s f a h r t linken) Seite zurückzufahren ist 2 2 8 ). D a b e i k o m m t der Rückwärtsfahrende nachfolgenden Verkehrsteilnehmern auf deren Fahrbahnseite entgegen, ein ungewöhnlicher u n d erst spät erkennbarer V o r g a n g . Sieht der R ü c k w ä r t s f a h rende von hinten ein F a h r z e u g h e r a n k o m m e n , wird er deshalb in der Regel s o f o r t anhalten müssen. D i e Einschaltung des Warnblinklichtes kann geboten sein. Wer beim Abbiegen in eine andere Straße oder in ein Grundstück oder beim Wenden rückwärts fährt, m u ß einesteils die S o r g f a l t aufwenden, die ein V o r w ä r t s f a h r e n d e r bei diesen F a h r m a n ö v e r n beachten muß, darüber hinaus aber auch noch die zusätzliche Sorgfalt, die z u m Ausgleich der beim R ü c k w ä r t s f a h r e n auftretenden besonderen G e f a h r e n nötig ist 2 2 7 ). Z w a r sind andere Verkehrsteilnehmer verpflichtet, auf den Zurückstoßenden Rücksicht zu nehmen und ihm sein schwieriges F a h r m a n ö v e r zu erleichtern, dieser darf aber nicht darauf vertrauen, daß sie ihrer Pflicht nachkommen. So darf ein K r a f t f a h r e r , der beim Zurücksetzen aus einer E i n f a h r t quer über den Bürgersteigweg auf diesem z u m Stehen g e k o m m e n ist, nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß Fußgänger v o r seinem Fahrzeug vorbeigehen und nicht unter Verlassen des Bürgersteigs hinter diesem 2 2 8 ). Wer bei N a c h t auf einer B u n desstraße wendet, muß, wenn er dabei zurückstößt, berücksichtigen, daß brennende Rückfahrscheinwerfer bei Dunkelheit mißdeutet werden k ö n n e n . 0 9 ) . O b in Einbahnstraßen rückwärts der zugelassenen Fahrtrichtung gefahren werden darf, ist fraglich. D a das R ü c k w ä r t s f a h r e n kein eigentliches „ R i c h t u n g s f a h r e n " ist, wird m a n es zulassen können 2 3 0 ). Allerdings darf ein K r a f t f a h r e r , der auf einer Einbahnstraße zurückstößt, ohne die G e w ä h r zu haben, daß er das Geschehen auf der F a h r b a h n und an den F a h r b a h n r ä n d e r n allseitig übersehen kann, keinesfalls darauf vertrauen, daß keine Fußgänger u n v e r h o f f t die F a h r b a h n betreten. E r m u ß bedenken, daß diese im Vertrauen auf den Richtungsverkehr v o r dem Betreten der F a h r b a h n möglicherweise nicht in die Richtung blicken, aus der er k o m m t , weil sie v o n dorther keinen V e r k e h r erwarten 2 * 1 ). Wer auf der V o r f a h r t s t r a ß e rückwärts in eine K r e u z u n g einfährt, m u ß die daraus f ü r Wartepflichtige gegenüber der normalen Verkehrslage entstehenden Nachteile durch zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ausgleichen 2 3 2 ). II. Einweisung durch W a r n p o s t e n (Abs. 5 H a l b s a t z 2) Vgl. § 1 R N r . 162 D i e Pflicht, sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen, erscheint erstmals im T e x t der S t V O 1970. D e r G e d a n k e ist aber nicht neu. A u d i bisher schon w u r d e in besonders schwierigen Verkehrslagen die Aufstellung eines Warnpostens f ü r erforderlich gehalten 2 3 '). Beispiele: Zurücksetzen in einen „ t o t e n W i n k e l " 2 3 4 ) ; Wenden bei dichtem Nebel 2 3 5 ). D i e H i l f s p e r s o n hat meist eine D o p p e l f u n k t i o n : F ü r den R ü c k w ä r t s f a h r e n d e n dient sie als Einweiser, f ü r den übrigen Verkehr als Warner 2 3 6 ). E i n e Sichtverbindung zwischen d e m
U7
)
) ) 23 ») 2S1) 22S
229
BayObLGSt. 66, 68 (5. 7. 66) = VkBl. 66, 581 = VerkMitt. 66, 65 = VRS 31, 374. Vgl. für die frühere Rechtslage: Köln 1. 3. 63, JMB1. NRW 63, 157 = VRS 25, 312; Hamburg 26. 10. 65, VerkMitt. 66, 39. Hamm 1. 9. 65, VRS 30, 233. Schleswig 21. 2. 61, VerkMitt. 62, 12. So Mühlhaus StVO § 9 Anm. 13. Köln 30. 1. 68, VerkMitt. 68, 44 = VRS 35, 181.
) BGH(Z) 4. 2. 58, VRS 14, 346; BGHSt. 13, 368 (13. 11. 59) = VRS 18, 136. 2 3 3 ) BGH 30. 9. 66, VRS 31, 440. 2 3 4 ) Hamburg 12. 10. 65, VerkMitt. 66, 27. 2 3 5 ) BayObLG 19. 8. 64, 1 b St 340/1964; vgl. aber für leichteren Nebel Hamm 14. 11. 63, VRS 27, 59. 23 «) BayObLG 21. 6. 61, 1 St 169/1961. 232
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§9
StVO
Möhl
Fahrer u n d Einweiser ist n u r dann unerläßlich, wenn Z u r u f e an den Fahrer nicht genügen, u m das beabsichtigte F a h r m a n ö v e r sicher und schnell ausführen zu können 2 3 7 ). Bei der A b grenzung der Fälle, in denen ein Warnposten erwünscht u n d in denen er notwendig ist, wird man v o r allem v o n zwei Gesichtspunkten ausgehen m ü s s e n : K a n n der F a h r z e u g f ü h r e r nicht überblicken, ob die von ihm befahrene F a h r b a h n frei ist, wird es unumgänglich sein, daß er sich einweisen läßt. Das gleiche gilt, wenn der F a h r z e u g f ü h r e r wegen der Beschaffenheit seines Fahrzeugs die F a h r b a h n bei einem V e r k e h r s v o r g a n g längere Zeit blockiert und diese so unübersichtlich ist, daß nicht überblickt werden kann, ob nicht plötzlich auftauchender Verkehr gefährdet wird. Solche Verkehrslagen k ö n n e n besonders beim Wenden und Rückwärtsfahren, aber auch beim E i n f a h r e n aus einem Grundstück auf die Fahrbahn gegeben sein. Deshalb wird in § 9 Abs. 5 u n d in § 10 auf diese Möglichkeit hingewiesen. D a s bedeutet aber nicht, daß nicht audi in anderen Fällen der Einsatz eines Warnpostens erforderlich sein kann. So z. B. beim E i n f a h r e n aus einem unbedeutenden N e b e n w e g in eine verkehrsreiche D u r d i g a n g s s t r a ß e bei Nebel. D i e A u f g a b e des Einweisers kann teilweise durch die B e n u t z u n g des Warnblinklichts ersetzt werden. D e r Warnposten oder Einweiser ist ein Gehilfe des Fahrzeugführers. Wieweit sich dieser auf den Gehilfen verlassen darf, hängt v o n den U m s t ä n d e n des Einzelfalles ab. Dabei gelten folgende G r u n d s ä t z e : Soweit der F a h r z e u g f ü h r e r selbst in der L a g e ist, Beobachtungen zu machen, darf er seine Beobachtungspflicht nicht auf eine H i l f s p e r s o n abschieben. Doch steht es ihm natürlich frei, sich dessen zusätzlicher H i l f e zu bedienen. Ist der F a h r z e u g f ü h r e r auf die H i l f e angewiesen, dann m u ß er prüfen, ob der Gehilfe seiner Person nach f ü r seine A u f gabe geeignet ist u n d m u ß ihn erforderlichenfalls auf seine A u f g a b e hinweisen 2 3 8 ). Mit der A u f g a b e , den übrigen Verkehr durch Warnzeichen auf eine schwierige Verkehrslage aufm e r k s a m zu machen, kann nicht jeder Beliebige betraut werden. Überall dort, w o E n t f e r nungen und Geschwindigkeiten geschätzt werden müssen, bedarf es einer gewissen Verkehrserfahrung. N u r wenn der F a h r z e u g f ü h r e r keinen Anlaß hat, an der E i g n u n g der Hilfsperson zu zweifeln, wird er selbst v o n seiner V e r a n t w o r t u n g befreit. Was zu geschehen hat, wenn der F a h r z e u g f ü h r e r in Fällen, in denen er ohne die H i l f e eines Einweisers nicht a u s k o m m t , über keinen geeigneten Gehilfen v e r f ü g t , m u ß von Fall zu Fall entschieden werden. U n t e r U m s t ä n d e n m u ß der beabsichtigte Verkehrsvorgang, z. B. das Wenden oder R ü c k w ä r t s f a h r e n unterlassen werden 2 3 9 ). V o n d e m Einweiser oder Warnposten z u unterscheiden ist der Beifahrer und Wageninsasse, der d e m F a h r z e u g f ü h r e r gelegentlich aus eigenem A n t r i e b Hinweise g i b t ; (zur F r a ge, wieweit Beifahrer und Insassen Verkehrsteilnehmer sind vgl. § 1 R N r . 29). Auf solche gelegentlichen Hinweise seines Beifahrers darf sich der F a h r z e u g f ü h r e r i m allgemeinen nicht verlassen 2 4 0 ). (Doch k a n n dieser durch seine Betätigung Verkehrsteilnehmer werden u n d als solcher f ü r falsche oder irreführende Ratschläge verantwortlich sein). D e r „ E i n w e i s e r " trägt insoweit die alleinige V e r a n t w o r t u n g , als der F a h r z e u g f ü h r e r auf seine H i l f e angewiesen ist 2 4 1 ). Diesen t r i f f t nur die Pflicht, bei der Auswahl seines Gehilfen dessen E i g n u n g zu p r ü f e n u n d ihn soweit möglich, in seine A u f g a b e einzuführen u n d zu überwachen. Wer z u m F a h r z e u g f ü h r e r in keiner persönlichen Beziehung steht und diesem als Außenstehender Ratschläge erteilt, k a n n den F a h r z e u g f ü h r e r v o n seiner V e r a n t w o r t u n g nicht entlasten. So darf sich der hinter einem L K W H e r f a h r e n d e auf Blinkzeichen des L K W Fahrers, die ihm die Möglichkeit einer gefahrlosen Ü b e r h o l u n g anzeigen, nicht verlassen. Dies gilt selbst v o n Winkzeichen eines Polizeibeamten, der den Verkehr in einer bestimmten Richtung freigibt. " ) Hamm 5. 2. 60, DAR 61, 61. 8) Saarbrücken 14. 10. 65, VRS 30, 378 = DRspr. II (291) 146 b. 23 ») BGH 20. 8. 65, VerkMitt. 65, 83 = VRS 2
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29, 275; Hamburg 26. 10. 65, VerkMitt. 66, 39 = DRspr. II (293) 74 c. °) BayObLG 13. 11. 62, 2 St 459/1962. 2 4 1 ) Düsseldorf 11. 1. 61, VerkMitt. 66, 12. 24
Warnposten; Bußgeldvorschriften
StVO
§ 9
D . Bußgeldvorsdiriften und K o n k u r r e n z e n Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über das Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren nach § 9 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 9 ordnungswidrig i m Sinne des § 24 S t V G . Die in § 9 enthaltenen Vorschriften sind teils reine Ordnungsvorschriften, teils sind sie erfolgsbedingt. Soweit es sich u m erfolgsunabhängige Verhaltensregeln handelt (Abs. 1 S. 1, 2, 4 ; Abs. 2) gehört z u m Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 9, daß der z u m Abbiegen E n t schlossene m i t d e m Abbiegen tatsächlich begonnen hat 2 4 2 ). K o m m t es etwa zu einem A u f fahrunfall, b e v o r der Abbieger m i t dem Abbiegen beginnt, so liegt darin kein Verstoß gegen § 9, daß er seine Absicht nicht angekündigt u n d sich nicht zur Mitte eingeordnet hatte. Allerdings k a n n darin unter U m s t ä n d e n ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 oder gegen § 1 liegen, wenn er nämlich Nachfolgende mehr als u n v e r m e i d b a r behindert oder durch scharfes Bremsen gefährdet. Verstöße gegen mehrere der in § 9 enthaltenen Abbiegevorschriften stehen in Tateinheit 2 4 3 ). Wer sich nach links einordnet u m abzubiegen, verstößt nicht gegen § 2 Abs. 2 S. 1, auch wenn er sich dabei verkehrswidrig verhält. Gegen Abs. 1 S. 3 verstößt nur, wer ein Schienenfahrzeug tatsächlich behindert. Wer sich einordnet und abbiegt, ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, handelt nach Abs. 1 S. 4 auch dann ordnungswidrig, wenn es keinen nachfolgenden Verkehr gibt. Z u m T a t b e s t a n d des Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 gehört die Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge bzw. von Schienenfahrzeugen u n d R a d f a h r e r n , die neben der F a h r b a h n in der gleichen R i c h t u n g fahren. Auch bei G e f ä h r d u n g anderer wird § 1 wie bei V o r f a h r t v e r letzung nach § 8 (s. d o r t R N r . 29) zurüdstreten 2 4 4 ). T r i t t eine Schädigung ein, so t r i f f t mit der Ordnungswidrigkeit nach § 9 eine O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 1 tateinheitlich zusammen. Gegen das G e b o t des Abs. 3 S. 2, auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen, k a n n nur verstoßen, w e r Fußgänger beim Überschreiten der F a h r b a h n behindert oder gefährdet. O b z u m Tatbestand des Abs. 5 eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g anderer Verkehrsteilnehmer gehört, k ö n n t e nach d e m W o r t l a u t der Vorschrift fraglich sein. Ähnlich wie der Wartepflichtige gegenüber dem Vorfahrtberechtigten (s. § 8 R N r . 29) wird auch der in ein Grundstück Abbiegende, der Wendende u n d der R ü c k w ä r t s f a h r e n d e nach § 9 Abs. 5 n u r dann ordnungswidrig handeln, wenn andere Verkehrsteilnehmer tatsächlich v o r h a n d e n sind, die gefährdet werden können 2 4 5 ). Wenn auch das Vorrecht entgegenkommender Fahrzeuge (sowie der Schienenfahrzeuge und R a d f a h r e r , die neben der F a h r b a h n in der gleichen Richtung fahren), kein V o r f a h r t recht im engeren Sinne ist, w i r d es doch gleich behandelt (s. S t G B § 315 c R N r . 32 f). Wer also unter den erschwerenden U m s t ä n d e n des § 315 c e n t g e g e n k o m m e n d e Fahrzeuge nicht „ d u r c h f a h r e n " läßt, macht sich eines Vergehens der Straßenverkehrsgefährdung schuldig, hinter dem die O r d n u n g s w i d r i g k e i t zurücktritt. Verbotenes Wenden k a n n nur auf A u t o bahnen (§ 18 Abs. 7 m i t § 315 c Abs. 1 N r . 2 f), den T a t b e s t a n d einer Verkehrsgefährdung erfüllen. Zivilrechtlich kann sich das Schwergewicht der V e r a n t w o r t u n g bei dem nach links in ein Grundstück Abbiegenden dahin auswirken, daß ein in etwas überhöhter Geschwindigkeit liegendes Mitverschulden des Nachfolgenden völlig zurücktritt 2 4 6 ). ) BayObLGSt. 52, 129 (9. 7. 52) = VRS 4, 625. 2 4 3 ) So für die frühere Rechtslage BayObLG 20. 12. 66, VerkMitt. 67, 17 = VkBl. 67, 433 = VRS 33, 56. 242
) Fiir die frühere Rechtslage a. M. Hamburg 18. 10. 67, VerkMitt. 68, 45. ) So Mühlhaus § 9 Anm. 11 a im Anschluß an Hamburg 19. 10. 65, VerkMitt. 66, 40. - 1 «) München 6. 11. 62, VersR 63, 739.
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§ 10 stvo
Möhl
§ 10 Einfahren und Anfahren Wer aus einem Grundstück auf eine Straße oder von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen. Er hat seine Absicht rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Übersicht I. Amtliche Begründung II. Anwendungsgebiet
RNr. 1 2
III. Inhalt der Vorschrift 3-14 1. Pflichten des Einfahrenden 3-8 a) Ankündigung 3 b) Vermeidung jeder Gefährdung 4-7 Sinn des Gebots (4), Worauf darf der Einfahrende vertrauen? (5), „Hineintasten in die Fahrbahn" (6), Sorgfaltspflicht in besonderen Fällen (7) c) Einweisung 8
RNr. 2. Pflichten des Anfahrenden 9-14 Allgemeines (9), Ankündigung der Anfahrabsicht (10), Abgrenzung von Gefährdung und Behinderung (11), Ausnahme für Omnibusse des Linienverkehrs (12), Anfahren ohne Ausbiegen (13), Anfahren nach Rückwärts (14) IV. Pflichten der anderen Verkehrsteilnehmer 15-16 Allgemeines (15), Pflichten gegenüber Anfahrenden (16) V. Bußgeld Vorschrift und Konkurrenzen 17
I. Amtliche Begründung Die geltende StVO fordert in ihrem § 17 mit Recht für das Ausfahren aus Grundstücken das Äußerste an Sorgfalt. Schon der Vorentwurf (DAR 1963 S. 29 ff.) sah vor, man dürfe nicht weniger von denen verlangen, die von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren. Das sind Fahrzeuge, die auf Gehwegen, Seitenstreifen oder von der Fahrbahnabgesetzten Parkplätzen gehalten haben oder die auf Straßen mit mehr als zwei Fahrbahnen einen Fahrbahnwechsel vornehmen. Auch ihnen ist im Interesse der Sicherheit des Verkehrs anzusinnen, sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen; man kann heute schon häufig beobachten, daß sich die Fahrzeugführer von Mitfahrern, aber auch von Hoteldienern oder Gastgebern einwinken lassen. Zu den von anderen Straßenteilen Einfahrenden gehören schließlich auch die Radfahrer, die von Radwegen oder Seitenstreifen auf die Fahrbahn einbiegen. Audi sie müssen mehr als besondere Rücksicht, wie sie bisher § 27 Abs. 3 StVO verlangt, nämlich das Äußerste an Sorgfalt aufbieten. Sie werden sich zwar kaum je einweisen lassen müssen; dafür haben sie dann eben bei Unübersichtlichkeit abzusitzen. Die Verordnung geht noch weiter. Sie fordert dieses Äußerste an Sorgfalt auch von dem, der vom Fahrbahnrand anfahren will. Auch diese verschärften Anforderungen an den Fahrverkehr sind geboten, weil ein Schwerpunkt unfallträchtiger Fahrstreifenänderungen im plötzlichen Ausscheren nach links beim Anfahren liegt (Meyer-Jacobi-Stiefel, Band I S. 38: „Offenbar halten es viele Kraftfahrer . . . für überflüssig, sich beim Starten erst zu überzeugen, ob sie sich gefahrlos in den Verkehrsstrom einordnen können; sie fahren sofort drauflos"). Daß die Gefährlichkeit dieser Verkehrsvorgänge häufig dazu verpflichtet, sie durdi Blinken anzukündigen, weiß der Vernünftige und Verantwortungsbewußte schon heute und tut es auch. Es ist daher nur noch ein kleiner Schritt, der sich verantworten läßt, die Weltregel aufzunehmen, die solches Blinken allgemein vorschreibt. Die Verkehrserziehung wird auch hier nachhelfen müssen.
II. Anwendungsgebiet Das
Einfahren
§ 10 behandelt drei Fahrvorgänge gleich: Das Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße, das Einfahren v o n anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn und das Anfahren v o m Fahrbahnrand. D i e Unterscheidung v o n „Grundstücken" und öffenlichem Verkehrsraum hat an Bedeutung verloren. D a es vernünftig ist, beide Vorgänge gleich zu behandeln, hat m a n sich früher damit geholfen, beim Einfahren aus Teilen des öffentlichen Verkehrsgrundes auf die Fahrbahn die strengen Regeln des § 17 S t V O 1937 mit H i l f e des § 1 ent-
m
stvo § 10
Einfahren
sprechend anzuwenden 1 ). (Gelegentlich wurde auch § 17 direkt angewendet 2 ). Zu den „ander e n " Straßenteilen gehören alle mit der Fahrbahn in Zusammenhang stehenden Teile des öffentlichen Verkehrsgrundes, die nicht zur Fahrbahn gehören, z. B. Parkplätze, Tankstellen usw. (vgl. § 1 R N r . 8—23). Die Unterscheidung von „privaten" Grundstücken und Grundstücken, auf denen öffentlicher Verkehr stattfindet, hat nur mehr insofern Bedeutung, als zu unterscheiden ist zwischen Grundstücksausfahrten und einmündenden Straßen. Dabei handelt es sich um die Abgrenzung der Vorfahrtfälle des § 8 von den Fällen des § 10. Grundstück ist jede Fläche, deren Benutzung nur dem Eigentümer oder einem genau festgelegten, engen Personenkreis gestattet ist. So wurden die Ausfahrt aus einem Omnibusbahnhof 3 ), die Einmündung einer Ladestraße der Bundesbahn in eine öffentliche Straße 4 ) als Grundstücksausfahrten im Sinne des § 17 S t V O 1937 behandelt. Ist zweifelhaft, ob es sich um eine Straßeneinmündung oder um eine Grundstücksausfahrt handelt, dann müssen die Beteiligten von der für sie ungünstigeren Annahme ausgehen, der in die Fahrbahn Einfahrende also von der Annahme, daß es sich um eine Grundstücksausfahrt handelt 5 ). Die besondere Sorgfaltspflicht des Einfahrenden dauert solange, bis er sich voll in den fließenden Verkehr eingeordnet hat. Biegt der aus einem Grundstück ausfahrende Kraftfahrer in eine dem Grundstück gegenüberliegende Seitenstraße ein, so endet die besondere Sorgfaltspflicht erst in dem Augenblick, in dem sich sein Fahrzeug in seiner ganzen Länge in der Seitenstraße befindet 6 ). K o m m t in einem solchen Fall aus der Seitenstraße ein Fahrzeug entgegen, das von dort nach links einbiegen will, dann muß der aus dem Grundstück Ausfahrende dem Einbiegenden ohne Rücksicht auf die an der Einmündung bestehende Vorfahrtregelung den V o r t r i t t lassen 7 ). Früher wurde aus dem Umstand, daß die Einfahrt aus einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Grundstück (z. B. Tankstelle) nicht direkt, sondern nur mit Hilfe des § 1 den verschärften Anforderungen des § 17 S t V O 1937 unterstellt werden konnte, gelegentlich die Ansicht hergeleitet, die Anforderungen seien in diesem Falle etwas geringer als bei einer Grundstücksausfahrt 8 ). Eine solche Einschränkung ist nicht mehr möglich; die Anforderungen sind nun die gleichen. Allerdings besteht für die Ausfahrt aus einem Grundstück gegenüber der Ausfahrt aus anderen Straßenteilen insofern ein Unterschied, als dem aus dem Grundstück Ausfahrenden die besondere Sorgfaltspflicht bei der Einfahrt auf eine Straße, dem von anderen Straßenteilen, so z. B. von einem öffentlichen Parkplatz Ausfahrenden aber bei der Einfahrt auf die Fahrbahn auferlegt wurde. Wer also aus einem Hinterhof auf einen für den öffentlichen Verkehr freigegebenen Vorplatz einfährt, hat die erhöhte Sorgfaltspflicht, weil er aus einem Grundstück auf die „Straße" ausfährt 9 ). Fährt er von dem Vorplatz dann weiter in die Fahrbahn ein, kann ihn die erhöhte Sorgfaltspflicht nochmals treffen, weil er „von anderen Straßenteilen" auf die Fahrbahn einfährt. Das Gebot des § 10 wendet sich an alle Fahrzeugführer. Die amtliche Begründung ( R N r . 1) weist besonders darauf hin, daß zu den von anderen Straßenteilen Einfahrenden auch die Radfahrer gehören, die von Radwegen oder Seitenstreifen auf die Fahrbahn einbiegen. Ihnen war früher in § 27 Abs. 3 S t V O 1937 auferlegt, auf den übrigen Verkehr „besondere Rücksicht" zu nehmen. O b Fußgänger, die Fahrzeuge ziehen oder schieben (z. B . abgesessene Radfahrer ihr Rad) darunter fallen, könnte zweifelhaft sein. Man wird ') BayObLGSt. 62, 249 (24. 10. 62) = J R 63, 192 = VerkMitt. 63, 13 = VkBl. 63, 52 = VRS 24, 69 = DRspr. II (291) 104 a; Hamm 14. 2. 63, VRS 25, 354; Düsseldorf 5. 5. 66, VerkMitt. 66, 47; 17. 7. 69, VerkMitt. 70, 69. 2 ) Braunschweig 12. 3. 65, NdsRpfl. 65, 142 = NJW 65, 1095 = VRS 29, 146 = DRspr. II (293) 72 a. 3 ) Stuttgart 30. 6. 70, MDR 70, 950 = NJW 71, 66 = VersR 70, 846 = DRspr. II (293) 96 a.
) Frankfurt 30. 5. 61, VerkMitt. 61, 62 = DRspr. II (293) 51 c. ) Köln 8. 11. 63, DAR 64, 49 = VerkMitt. 64, 31; Hamm 29. 2. 68, VerkMitt. 68, 85 = VRS 35, 307 = DRspr. II (293) 87 b; Oldenburg 17. 5. 67, VerkMitt. 67, 52. «) Hamm 25. 9. 59, DAR 60, 122; München 15. 2. 66, VersR 66, 1082 = DRspr. II (293) 78 a. ') BayObLGSt. 69, 60 (23. 4. 69) = VRS 38, 74 = VerkMitt. 69, 58. 8 ) Hamm 8. 12. 67, VRS 35, 147. 9 ) Vgl. München 21. 11. 69, VersR 70, 232. 4
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aber davon auszugehen haben, daß der Fußgänger in diesem Falle nicht aus dem G r u n d stück „fährt" 1 0 ). Eine Änderung gegenüber der f r ü h e r e n Rechtslage liegt darin, daß nach § 10 die Gefährdung „anderer Verkehrsteilnehmer" ausgeschlossen sein muß, während § 17 StVO 1937 ein Verhalten förderte, das eine G e f ä h r d u n g des „Straßenverkehrs" ausschloß 11 ). Durch die Neufassung wurde die Sorgfaltspflicht also ausgedehnt: Audi Fußgänger d ü r f e n nidit gefährdet werden. Sind andere Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen, die gefährdet werden könnten, dann darf zwar in der Regel eingefahren werden. Ist die Straße aber n u r auf eine kurze Strecke einzusehen, dann kann sich vor allem f ü r den, der sie überqueren muß, u m nach links einzubiegen, die Pflicht ergeben, sich eines Warnpostens zu bedienen (unten R N r . 8). Das
Anfahren
Das A n f a h r e n unterscheidet sich v o m Einfahren in mehrfacher Beziehung; es ist ein k a u m vergleichbarer Vorgang. Vor allem befindet sich der v o m Fahrbahnrand Anfahrende bereits auf der Fahrbahn, er überquert sie nicht. Das A n f a h r e n ist deshalb weniger gefährlich wie das Einfahren. Nachfolgende müssen sich schon auf den zunächst am Fahrbahnrand Haltenden einrichten, sie müssen ihre Fahrspur nach links verlegen, u m an ihm in angemessenem Abstand vorbeifahren zu können. Vom Anfahren werden sie im allgemeinen n u r berührt, soweit der Einfahrende nach links ausschert. F ä h r t er geradeaus am Fahrbahnrand weiter, kann dies f ü r sie n u r insofern von Bedeutung sein, als sie sich nicht ohne weiteres so vor ihn setzen können, wie dies bei einem haltenden Fahrzeug möglich wäre. Zu beachten ist, daß sich die Vorschrift n u r an „Haltende" u n d nicht an „Wartende" richtet. Wer auf G r u n d der Verkehrslage vorübergehend anhalten muß, braucht also beim Wiederanfahren weder auf den nachfolgenden Verkehr zu achten noch seine Absicht anzukündigen. Wer allerdings beim Abbiegen in eine andere Straße nach links zunächst an den rechten Straßenrand h e r a n f ä h r t u n d d o r t anhält, u m den fließenden Verkehr vorbeizulassen, f ä h r t aus dem ruhenden Verkehr in den fließenden neu ein, wenn er n u n die Fahrbahn nadi links überquert. Sein Anhalten k a n n wohl nicht m e h r als verkehrsbedingt gewertet werden 1 2 ).
III. Inhalt der Vorschrift 1. Pflichten des „Einfahrenden" 3
a. Ankündigung (S. 2) Nach S. 2 m u ß die Absicht, auf eine Straße bzw. auf die Fahrbahn einzufahren, rechtzeitig u n d deutlich angekündigt werden. Die Ankündigung der Absicht, seine Fahrtrichtung zu ändern, h a t im allgemeinen (§ 5 Abs. 4 S. 2, § 6, § 7 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 1) zwar nicht ausschließlich, aber vorwiegend den Zweck, Nachfolgende auf den bevorstehenden Verkehrsvorgang aufmerksam zu machen. Beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße u n d audi von anderen Straßenteilen in die Fahrbahn gibt es in der Regel keine nachfolgenden Verkehrsteilnehmer, die aufmerksam gemacht werden könnten. Audi gibt es kein Zeichen, durch das die Absicht, in die Straße oder Fahrbahn einzufahren, angekündigt werden kann. Durch die Fahrtrichtungsanzeiger kann n u r angekündigt werden, wohin der Einfahrende dann abzubiegen gedenkt. Das kann zwar f ü r den Verkehr auf der Fahrbahn v o n Bedeutung sein, hier aber ergibt sich der Nachteil, daß das Rithtungszeidien gerade f ü r die Verkehrsteilnehmer, f ü r die es interessant wäre, nicht sichtbar ist. Wer nadi rechts abbiegt, ist in erster Linie f ü r den von links k o m m e n d e n Verkehr ein Hindernis. Die v o n links K o m m e n d e n sehen aber das rechte Richtungszeichen nicht. U m g e k e h r t ist das linke Richtungszeichen f ü r die von rechts K o m m e n d e n nicht wahrnehmbar. 10
) So für die frühere Reditslage: Schleswig 21. 1. 65, VerkMitt. 65, 29; vgl. auch BGH (Z) 28. 11. 67, VersR 68, 256.
424
'«) ) 18)
Düsseldorf 13. 3. 66, VerkMitt. 66, 48. Hamburg 16. 1. 63, VerkMitt. 63, 71. BayObLG 13. 12. 61, 1 St 635/1961. Celle 18. 12. 67, VRS 35, 54 = NdsRpfl. 68, 114 = DRspr. II (293) 84 a. " ) Hamm 11. 9. 67, VRS 34, 227. 15
17
426
'-") Vgl. aber Hamm 7. 10. 63, VerkMitt. 64, 15. 2 1 ) Köln 16. 9. 60, JMB1. N R W 60, 271 = VRS 20, 230. Hamm 22. 6. 67, VRS 33, 467; ähnlich sdion Hamm 27. 6. 61, DAR 62, 90.
stvo § 10
Vertrauen? Hineintasten; besondere Fälle
wird zu verneinen sein, wenn vom Fahrbahnrand keine oder n u r eine sehr geringe Sicht auf den fließenden Verkehr möglich ist, dagegen zu bejahen, wenn d o r t die Sicht immerhin soweit reicht, daß sich der fließende Verkehr auf das vorsichtige Hineintasten des Einfahrenden ohne Schwierigkeit einstellen kann 2 3 ). Wer allerdings aus einer unübersichtlichen Grundstücksausfahrt rückwärts herausfährt u n d dadurch später als beim Vorwärtsherausfahren ausreichenden Überblick über die Fahrbahn erhält, wird sich in der Regel nicht in die Fahrbahn hineintasten dürfen 2 4 ). In Fällen, in denen schon das Hineintasten in die Fahrbahn f ü r den fließenden Verkehr gefährlich ist, m u ß sich der Einfahrende einweisen lassen; (unten R N r . 8). Sorgfaltspflicbt
in besonderen
Fällen
Wer m i t seinem P K W aus einer Tankstelle nach rechts in die Fahrbahn einfahren will, m u ß zwar darauf aditen, ob die Fahrbahn nicht durch einen Überholer besetzt ist. Kommen ihm zwei hintereinander fahrende Fahrzeuge entgegen, braucht er sich aber auf das Ü b e r holen des hinteren Fahrzeugs n u r dann einzurichten, wenn dies die Überholabsicht anzeigt oder zum Überholen ausschert 25 ). Wer sich ohne Gefährdung des fließenden Verkehrs in diesen eingeordnet hat und sich nach einer Weiterfahrt v o n 14 sec einer unübersichtlichen Kurve nähert, verstößt weder gegen § 10 noch gegen § 1, wenn ein in der gleichen Richtung hinter ihm herfahrendes Fahrzeug vor der Kurve seine Geschwindigkeit der des v o r her Eingefahrenen anpassen muß, weil es nicht überholen darf 2 6 ). Der aus einem Grundstück bei Nacht nach links in eine Bundesstraße einfahrende Lastzugführer m u ß Vorkehrungen treffen, u m den von links zu erwartenden Verkehr rechtzeitig auf den unbeleuchteten Anhänger aufmerksam zu machen 27 ). Der Führer eines Lastzuges, der beim Verlassen eines Grundstücks gezwungen ist, einen nicht zur gekennzeichneten Grundstücksausfahrt gehörenden R a u m mitzubenutzen, m u ß besonders darauf achten, daß er nicht Personen gefährdet, die sich sorglos in diesem R a u m aufhalten 2 8 ). Sperrt ein aus einer Grundstücksausfahrt fahrender Lastzug dadurdi einen Radweg, daß er vor dem Einfahren in die Bundesstraße an deren R a n d ein bis zwei Minuten lang anhält, so m u ß der Führer des Lastzuges sich v o r dem Wiederanfahren davon überzeugen, daß sich in dem toten Winkel vor dem Zugwagen kein Radfahrer befindet, der an der Frontseite des Fahrzeugs vorbei über die Fahrbahn der Bundesstraße die jenseitige Fortsetzung des Radwegs zu erreichen sucht 29 ). Wer durch eine Lücke im wartenden Fahrzeugstrom hindurch auf die Fahrbahn einfahren will, m u ß mit Fahrzeugen rechnen, die an der wartenden Fahrzeugreihe entlang fahren 3 0 ). In allen Fällen, in denen zusätzliche Umstände, die beim Ausfahren aus einem Grundstück normalerweise bestehenden Gefahren noch erhöhen, m u ß die Sorgfaltspflicht nochmals gesteigert werden. So vor allem beim Rückwärtsfahren aus einem Grundstück 3 1 ) u n d bei Dunkelheit 3 2 ). In solchen Fällen ist meist die Zuziehung einer Hilfsperson unvermeidlich. c)
Einweisung
Wie beim Abbiegen in ein Grundstück (§ 9 Abs. 5) wird beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße oder auf anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn das Gebot, sich so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, durch den Hinweis ergänzt, daß sich der Einfahrende erforderlichenfalls „einweisen" lassen muß. Was über die Aufgabe u n d Bedeutung des Einweisers zu § 9 Abs. 5 ausgeführt wurde 23
) So Hamm 22. 6. 67, VRS 33, 467; 13. 3. 69, JMB1. NRW 70, 45 = VRS 38, 222 = DRspr. II (293) 92 a; Mühlhaus StVO § 10 Anm. 3 a; Jagusch StVO § 10 Anm. 3 gegen Hamm 27. 11. 67, VRS 35, 64; Schleswig 20. 2. 63, VerkMitt. 63, 72; Booß StVO, Kommentar zu § 10. 24 ) Vgl. Hamm 28. 3. 68, VerkMitt. 68, 94. 25 ) BayObLGSt. 67, 182 (15. 12. 67) = DAR 68, 189 = VerkMitt. 68, 25 = VRS 34, 471. 2 «) Hamm 18. 5. 67, VRS 33, 454.
27
) Zweibrücken 6. 7. 67, VRS 34, 111. ) BGH(Z) 12. 7. 66, VersR 66, 980 = VRS 31, 401. 29 ) BayObLG 4. 3. 70, 1 b St 184/1969 bei Rüth DAR 70, 258 (10 d). KG 20. 5. 65, VerkMitt. 65, 63; vgl. aber auch Hamm 20. 2. 67, VkBl. 67, 480. 31 ) Hamburg 26. 10. 65, VerkMitt. 66, 39. 32 ) BGH(Z) 24. 9. 68, DAR 69, 19 = Betrieb 68, 2126 = MDR 69, 129 = NJW 69, 95 = VersR 68, 1162 = DRspr. II (293) 87 a. 28
§ 10 stvo
Möhl
(s. d o r t R N r . 53), gilt auch hier. Fälle, in denen ein Einweiser nicht entbehrlich ist, werden gerade b e i m E i n f a h r e n aus sichtbeschränkten Grundstücksausfahrten besonders häufig sein. D i e Rechtsprechung h a t h i e r schon bisher die Pflicht, sich eines „ W a r n p o s t e n s " zu bedienen, in zahlreichen Fällen b e j a h t . W i e schon bei § 9 Abs. 5 dargelegt wurde, k o m m t dem E i n weiser dabei eine doppelte A u f g a b e z u : E r m u ß den E i n f a h r e n d e n einweisen, soweit dieser in seiner Sicht b e h i n d e r t ist u n d m u ß den übrigen V e r k e h r w a r n e n , w e n n die F a h r b a h n f ü r diesen überraschend f ü r längere Z e i t blockiert w i r d . W e r b e i m H i n a u s f a h r e n aus einem G r u n d s t ü c k in seiner Sicht w e i t g e h e n d b e h i n d e r t ist, m u ß sich grundsätzlich durch einen W a r n p o s t e n einweisen lassen 3 3 ). D i e Tatsache allein, d a ß bei der A u s f a h r t aus einem G r u n d stück die Sichtverhältnisse etwas beschränkt sind, z w i n g t dagegen normalerweise noch nicht z u r Zuziehung eines Einweisers. In diesem Fall m u ß dazu k o m m e n , daß der V o r g a n g der E i n f a h r t wegen der Länge und Schwerfälligkeit des Fahrzeugs längere Z e i t in Anspruch n i m m t und f ü r den fließenden V e r k e h r wegen der ungünstigen Sicht- und S t r a ß e n v e r h ä l t nisse n u r schwer e r k e n n b a r ist 3 4 ). H a t ein K r a f t f a h r e r , der m i t e i n e m P K W m i t A n h ä n g e r v o n einem P a r k s t r e i f e n aus die F a h r b a h n ü b e r q u e r e n will, u m nach links abzubiegen, d o r t hin n u r eine Sicht v o n 30 m und k a n n er wegen S t r a ß e n g l ä t t e n u r sehr langsam f a h r e n , dann jedenfalls m u ß er sich durch eine H i l f s p e r s o n in die F a h r b a h n einweisen lassen 3 5 ). B e f i n d e t sich 80 m e n t f e r n t v o n der E i n f a h r s t e l l e eine unübersichtliche K u r v e , dann ist der E i n f a h r e n d e aber nicht verpflichtet, d o r t einen W a r n p o s t e n aufzustellen 8 6 ). B e i m E i n f a h r e n v o n G r u n d s t ü c k e n o d e r P a r k p l ä t z e n auf F e r n v e r k e h r s s t r a ß e n bei N a c h t w i r d dagegen ein m i t einer L a m p e ausgerüsteter Einweiser in der R e g e l nicht zu e n t b e h r e n sein 3 7 ). Auch dann, w e n n die Sicht durch N e b e l beeinträchtigt ist, m u ß sich der F ü h r e r eines langsamen Wagenzuges b e i m Ü b e r q u e r e n der S t r a ß e eines W a r n p o s t e n s bedienen 3 8 ). D a s gleiche gilt in der R e g e l f ü r den, der rückwärts aus einer unübersichtlichen G r u n d s t ü c k s a u s f a h r t in die S t r a ß e e i n f ä h r t 3 9 ) . Ist die F a h r b a h n durch parkende F a h r z e u g e v e r e n g t u n d ist deshalb d a m i t zu rechnen, daß T e i l n e h m e r des fließenden V e r k e h r s auch den T e i l der F a h r b a h n b e f a h r e n w e r d e n , in den sich der E i n f a h r e n d e z u r Sichterlangung v o r t a s t e n m ü ß t e , wird ebenfalls die Z u z i e h u n g eines Einweisers g e b o t e n sein 4 0 ). D i e bei der A u s w a h l des „Einweisers" zu beachtende V o r s i c h t w u r d e bei § 9 Abs. 5 n ä h e r e r ö r t e r t ; ( d o r t R N r . 53). W e r sich v o n einem i h m u n b e k a n n t e n Passanten aus einer G r u n d s t ü c k s a u s f a h r t in die S t r a ß e einweisen läßt, m u ß sich darauf einstellen, s o f o r t reagieren zu k ö n n e n , sobald er Sichtmöglichkeit erhält. E r darf auf die V e r k e h r s r i c h t i g k e i t einer solchen Einweisung nicht v e r t r a u e n 4 1 ) . 2 . Pflichten des v o m F a h r b a h n r a n d A n f a h r e n d e n
Allgemeines D i e V o r s c h r i f t w e n d e t sich an den, der am F a h r b a h n r a n d h ä l t u n d d o r t a n f ä h r t . ( Ü b e r den B e g r i f f des H a l t e n s s. § 12 R N r . 4). W e r n u r durch die V e r k e h r s l a g e o d e r eine p l ö t z liche A n o r d n u n g gezwungen ist, v o r ü b e r g e h e n d anzuhalten, h ä l t nicht im Sinne des § 10 ( V w v zu § 12 Abs. 1). D i e besondere Sorgfaltspflicht des § 10 w i r d nicht dem auferlegt, der m i t dem übrigen fließenden V e r k e h r zu einem k u r z e n A n h a l t e n genötigt wird, sondern der i m Gegensatz zu diesem aus persönlichen G r ü n d e n angehalten hat. D i e S t V O 1937 e n t h i e l t f ü r das A n f a h r e n v o m F a h r b a h n r a n d k e i n e ausdrückliche V o r s c h r i f t . D i e Pflichten
33) 34)
35) 38)
")
BGH(Z) 12. 10. 65, VerkMitt. 66, 1; Celle 7. 11. 68, VRS 37, 70 = VerkMitt. 69, 32. Hamm 16. 5. 66, VRS 32, 67; 13. 3. 69, VRS 38, 222 = JMB1. NRW 70, 45 = DRspr. II (293) 92 a. Hamm 16. 4. 70, DAR 70, 333. BayObLGSt. 29. 4. 64, wie Fußn. 14. Vgl. BGH(Z) 24. 9. 68, wie Fußn. 32; Stuttgart 8. 8. 58, DAR 59, 77; Celle 7. 11. 60, DAR 61, 279; Hamm 10. 1. 63, VRS 25, 372; Düsseldorf 22. 12. 67, VerkMitt. 68, 95.
38)
München 15. 2. 66, VersR 66, 1082 = DRspr. II (293) 78 b. Hamburg 26. 10. 65, VerkMitt. 66, 39 = DRspr. II (293) 74 c. 4») BayObLG 26. 11. 69, 1 b St 188/1969 bei Rüth DAR 70, 258 (10 c). 4 1 ) Köln 13. 11. 62, JMB1. NRW 63, 85 = VRS 24, 398 = VerkMitt. 63, 39. M)
stvo § 10
Einweisung; Pflichten des Anfahrenden
des Anfahrenden wurden dem § 1 entnommen. Die dabei von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze entsprachen im wesentlichen den jetzt ausdrücklich gestellten Anforderungen. Sie wurden aber etwas verschärft: Einmal wurde die Ankündigung der Anfahrabsicht durch die Fahrtrichtungsanzeiger vorgeschrieben und dann dem Anfahrenden ein Höchstmaß von Sorgfalt zur Pflicht gemacht, indem es dem Einfahren von Grundstücken auf die Straße und von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn gleichgestellt wurde. Wenn das „Einfahren" von einem Grundstück auf die Straße und das „Anfahren" vom Fahrbahnrand auch sehr verschiedene Verkehrsvorgänge sind und das Anfahren im allgemeinen weit weniger gefährlich ist als das Einfahren, läßt sich die gemeinsame Regelung in § 10 doch insofern vertreten, als die Stellung des Anfahrenden gegenüber dem fließenden Verkehr der des Einfahrenden nicht unähnlich ist. Der fließende Verkehr hat in beiden Fällen zwar nicht die Vorfahrt, aber doch einen deutlichen Vorrang. Der Anfahrende muß wie der Wartepflichtige jede Gefährdung des fließenden Verkehrs vermeiden, doch muß dieser eine gewisse Behinderung hinnehmen (vgl. oben R N r . 4). Kann der fließende Verkehr durdi leichtes Abbremsen oder durch Ausweichen dem Anfahrenden das Einordnen ohne Gefahr ermöglichen, dann ist die mit dem Einordnen verbundene Behinderung und Belästigung des fließenden Verkehrs im Sinne des § 1 Abs. 2 nach den Umständen unvermeidbar 42 ). Da § 10 zwar die Gefährdung, nicht aber die Behinderung verbietet, handelt der Anfahrende dann nicht ordnungswidrig. Nach § 12 Abs. 4 ist zum Halten wie zum Parken der rechte Seitenstreifen zu benutzen, wenn er ausreichend befestigt ist. Wer dort anfährt und in die Fahrbahn einbiegt, gehört zu den Fahrzeugführern, die von „anderen Straßenteilen" in die Fahrbahn einfahren. Ist kein geeigneter Seitenstreifen vorhanden, dann ist zum Halten und Parken in der Regel an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Wer von dort anfährt, hat mit einem aus einem Grundstück Einfahrenden wenig gemein. Er befindet sich bereits auf der Fahrbahn und quert sie nicht, sondern verlegt allenfalls seine Fahrspur etwas nach links. Muß er stark ausscheren, um an einem Hindernis in die Fahrbahn, etwa an einem parkenden Wagen vorbeifahren zu können, dann muß er nur die Regeln des § 6 beachten. Fällt dieses stärkere Ausscheren allerdings mit dem Anfahren unmittelbar zusammen, dann gelten für den ganzen Vorgang die Pflichten aus § 10 43 ). Da der an einem Hindernis Vorbeifahrende nach § 6 auf den nachfolgenden Verkehr nur zu „achten" hat, während der Anfahrende sich so zu verhalten hat, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer „ausgeschlossen" ist, ist es also nicht ohne Bedeutung, ob der Anfahrende unmittelbar beim Anfahren oder erst später zum Vorbeifahren ausscheren muß. Wie der aus einem Grundstück Einfahrende muß sich der Anfahrende so verhalten, daß eine Gefährdung aller anderen Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, nidit nur Nachfolgender, sondern auch vor dem Anfahrenden befindlicher. Läßt die Bauart des Fahrzeugs (z. B. eines LKW's) eine Beobachtung des unmittelbar vor dem Fahrzeug liegenden Raumes nicht zu, dann muß sich der Anfahrende auf andere Weise Einblick verschaffen. Unter Umständen muß er sich einer Hilfsperson bedienen, während sonst Fälle, in denen sich der Anfahrende eines Einweisers bedienen muß, kaum denkbar sind. § 12 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 gestattet ausnahmsweise, nicht am Fahrbahnrand (wenn auch „auf der rechten Seite rechts") zu halten. Da sich § 10 nur an den wendet, der vom Fahrbahnrand anfährt, kann diese Bestimmung auf den, der nidit am Fahrbahnrand hält, nicht direkt angewendet werden. Man wird aber die aus § 1 Abs. 2 zu entnehmenden Sorgfaltspflichten entsprechend dem Grundgedanken des § 10 bemessen können. Auf das Anfahren bei Farbwechsel an einer Ampelkreuzung ist § 10 nicht anzuwenden, weil der auf den Farbwechsel Wartende nicht im Sinne des § 10 hält. 42
) Vgl. für die frühere Rechtslage: BayObLGSt. 56, 9 (17. 1. 56); 58, 164 (8. 7. 58); Celle 21. 10. 53, D A R 54, 93; Hamburg 6. 3. 68, VerkMitt. 69, 14.
43
) Vgl. für die frühere Rechtslage: K G 31. 1. 63, V R S 25, 143.
429
§ 10 stvo 10
Ankündigung
der
Möhl Anfahrabsicht
Muß der ausnahmsweise nicht am Fahrbahnrand Haltende nach dem Anfahren nach rechts lenken, um seiner Pflicht, möglichst weit rechts zu fahren (§ 2 Abs. 2) nachzukommen, so muß er das rechte Richtungszeichen setzen. In allen übrigen Fällen ist aber der linke Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Das versteht sich für den, der nach dem Anfahren sich nach links in den fließenden Verkehr einordnet von selbst, gilt aber wohl auch für den, der ohne seine Fahrspur wesentlich zu verändern, geradeaus anfährt 44 ). § 10 Abs. 2 Halbsatz 2 schreibt die Benutzung des Fahrrichtungsanzeigers zur Ankündigung der Anfahrabsicht ohne Ausnahme vor. Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, daß nur eine mit dem Anfahren verbundene Richtungsänderung anzuzeigen ist. Es ist auch sinnvoll, wenn der Anfahrende in allen Fällen seine Absicht durch den Fahrtrichtungsanzeiger ankündigt. Nachfolgende haben ein Interesse, rechtzeitig über die Anfahrabsicht eines Haltenden informiert zu werden, weil sie nicht nur weiter nadi links ausscheren müssen, sondern auch im übrigen ihr weiteres Fahrverhalten auf den Anfahrenden einstellen müssen. Besonders deutlich wird dies bei Gegenverkehr, der den an einem haltenden Fahrzeug Vorbeifahrenden nötigt, alsbald wieder nach rechts zu lenken. Fährt der Haltende an, dann kann die Möglichkeit baldigen Einschwenkens nach rechts entfallen. Wenn der geradeaus Anfahrende also auch seine Richtung tatsächlich nicht ändert, ist das Richtungszeichen doch notwendig, weil die Anfahrabsicht anders nicht angekündigt werden kann. Darauf kommt es nicht an, ob andere Verkehrsteilnehmer vorhanden sind, die das Zeichen wahrnehmen können. Hier wie an anderer Stelle wird die Ankündigung auch dann verlangt, wenn sie im Einzelfall entbehrlich wäre 45 ). Es soll der nützliche Automatismus gefördert werden. 11
Abgrenzung
von Gefährdung
und
Behinderung
Wie oben dargelegt (RNr. 9), muß der fließende Verkehr eine gewisse Behinderung durch den Anfahrenden hinnehmen. Die Abgrenzung ist hier leichter möglich, als beim Einfahrenden (Nr. 4), denn durch das Anfahren eines am Fahrbahnrand Haltenden werden die anderen Verkehrsteilnehmer nicht im gleichen Maße überrascht. Sind sie im Zeitpunkt des Anfahrens noch so weit entfernt, daß sie sich bei der von ihnen eingehaltenen Geschwindigkeit auf das Einordnen des Anfahrenden in den fließenden Verkehr ohne Schwierigkeit einstellen können, dann werden sie durch das Anfahren nicht gefährdet. Wenn die Verkehrslage dies zuläßt, können sie den Anfahrenden links überholen, andernfalls müssen sie ihre Geschwindigkeit der seinen anpassen. Ob eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann, hängt also vor allem von der Entfernung des Hintermannes und von seiner Geschwindigkeit ab. Hier wie überall gehen Schätzfehler dessen, der jede Gefährdung vermeiden muß, zu seinen Lasten. Ist ein Hintermann beim Anfahren noch nicht zu sehen, weil er erst später kurz hinter dem Anfahrenden in dessen Straße einbiegt, dann trifft den Anfahrenden normalerweise kein Schuldvorwurf, wenn der Hintermann auf ihn auffährt. Sind die Sichtverhältnisse schlecht und die Fahrbahn glatt, dann darf sich der Anfahrende nidit darauf verlassen, ein von hinten Herankommender werde sich auf das Anfahren gefahrlos einstellen können. Auch darauf kann es ankommen, ob Gegenverkehr herrscht, der es einem Hintermann unmöglich macht, den Anfahrenden links zu überholen. Deshalb wurde von einem bei Dunkelheit am Fahrbahnrand einer regennassen Bundesstraße haltenden PKW-Fahrer verlangt, daß er bei Gegenverkehr ein 50—60 m entferntes, mit etwa 70 km/h herankommendes Fahrzeug vor dem Anfahren durchfahren lasse46). Eine Gefährdung ist in diesem Falle wegen des Zusammentreffens gefahrerhöhender Umstände nicht ausgeschlossen. Im Zweifel muß der Anfahrende von einer möglichen Gefährdung ausge44
) So wohl auch Booß, StVO Kommentar zu § 10; a. M. Mühlhaus StVO § 10 Anm. 5 ; vgl. für die frühere Reditslage: BayObLGSt. 67, 36 (8. 3. 67) = VerkMitt. 67, 68 = N J W 67, 1769 = V R S 33, 134.
430
) Anders nadi ObLGSt. 51, = VkBl. 51, 4 9 ) Zweibrücken 45
der früheren Reditslage: Bay404 (21. 5. 51) = V R S 3, 274 307. 1. 12. 65, V R S 30, 317.
stvo § 10
Pflichten des Anfahrenden
hen, nur bei ganz klaren Verhältnissen darf er eine geringfügige Behinderung des Hintermannes riskieren. Ausnahme für Omnibusse des
Linienverkehrs
Nadi § 20 Abs. 2 ist Omnibussen des Linienverkehrs das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten. Für solche Omnibusse gilt also § 10 nicht. Ihnen gegenüber hat der fließende Verkehr kein Vorrecht, sondern unter Umständen sogar eine Wartepflicht. Dabei ist gleichgültig, ob sich die Haltestelle am Fahrbahnrand oder auf einer von der Fahrbahn abgegrenzten Haltestellenbucht befindet, die sonst als „anderer Straßenteil" im Sinne des § 10 zu gelten hätte. Das dem Omnibus eingeräumte beschränkte Vorrecht befreit natürlich den Omnibusfahrer nicht von seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht; (s. § 20 RNr. 5). Anfahren
ohne
Ausbiegen
Die Gefahr beim Anfahren liegt normalerweise darin, daß der Anfahrende, um sich in den fließenden Verkehr einzuordnen, nach links ausbiegt und dabei die Fahrlinie nachfolgender Fahrzeuge anschneidet. Wer dagegen nach dem Anfahren knapp am Fahrbahnrand geradeaus weiterfährt, ohne seine Fahrspur nach links zu verlegen, wird einen Überholer meist nicht in Bedrängnis bringen. Trotzdem muß ein Fahrzeugführer, der vom rechten Fahrbahnrand aus anfährt, sich grundsätzlich auch dann, wenn er seine Fahrlinie nicht nach links verlegt, vorher nach rückwärts sichern und hierbei berücksichtigen, daß ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer vor ihm nach rechts lenken und anhalten könne 47 ). Sicher muß die Vorbeifahrt eines nachfolgenden Fahrzeugs dann abgewartet werden, wenn dieses Fahrzeug etwa wegen Gegenverkehrs alsbald zum Ausweichen nach rechts genötigt werden kann oder wenn es in dem Augenblick, in dem sich das haltende Fahrzeug in Bewegung setzt, bereits so nahe herangekommen ist, daß befürchtet werden muß, der Führer des nachfolgenden Fahrzeugs werde das Anfahren nicht mehr bemerken. In anderen Fällen kann die Rückschau auch entbehrlich sein: Fährt z. B. ein Linienomnibus von einer Haltestelle ab, ohne seine Fahrspur nach links zu verlegen, dann wäre das Verhalten eines Fahrzeugführers, der sich zu nahe vor dem Linienomnibus nach rechts vor diesen setzen würde, grob verkehrswidrig. In diesem Fall wird der Führer des Linienomnibusses darauf vertrauen dürfen, daß sich kein anderer Verkehrsteilnehmer so verkehrswidrig verhalten werde. Anfahren
nach
rückwärts
Wer nach rückwärts anfährt, hat in doppelter Hinsicht eine erhöhte Sorgfaltspflicht: Einmal weil er anfährt, des anderen weil er zurücksetzt. Er muß sich vergewissern, daß die hinter seinem Fahrzeug liegende Fahrbahn frei von Hindernissen ist. Soweit er durch einen Blick in den Rückspiegel oder durch das Fenster sich keine Gewißheit verschaffen kann, muß er andere geeignete Maßnahmen ergreifen (Aussteigen, Inanspruchnahme eines Einweisers) 48 ); (s. § 9 RNr. 52, 53). IV. Pflichten der anderen Verkehrsteilnehmer Allgemeines Die übrigen Verkehrsteilnehmer dürfen solange darauf vertrauen, daß die aus Grundstücken oder von anderen Straßenteilen Einfahrenden und die vom Straßenrand Anfahrenden sich pflichtgemäß verhalten und ihr Vorrecht beachten, als sie nichts Gegenteiliges 47
) BayObLGSt. 67, 36 (8. 3. 67) = VerkMitt. 67, 68 = NJW 67, 1769 = VRS 33, 134 (abw. von BayObLGSt. 58, 164 (8. 7. 58) = VerkMitt. 59, 37 = NJW 59, 59 = VRS 15, 457 = DRspr. II (291) 50 b); a. M. Neustadt 18. 12. 63, VRS 26, 452.
48
) BayObLGSt. 52, 141 (16. 7. 52) = VRS 4, 605; Celle 12. 3. 55; VRS 9, 140 = VkBl. 55, 482; Hamm 16. 12. 54, VRS 8, 142.
431
§ 10 stvo
Möhl
wahrnehmen können. Gegenüber den v o m Fahrbahnrand Anfahrenden wird ihnen dies dadurch erleichtert, daß diese ihre Absicht durch den Fahrtrichtungsanzeiger ankündigen müssen. Solange die Anfahrabsicht nicht angekündigt wird, darf der fließende Verkehr darauf vertrauen, daß der Haltende nicht anfährt. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, wieweit der fließende Verkehr verpflichtet ist, den Einfahrenden u n d Anfahrenden die Einordnung zu ermöglichen. Der fundamentale Grundsatz des Straßenverkehrsrechts, daß jeder Vorrang durch die Pflicht gegenseitiger Rücksicht eingeschränkt ist, wird hier besonders deutlich. Nicht n u r die Höflichkeit gebietet es, dem, der sich in den fließenden Verkehr eingliedern will, dabei zu helfen, wenn es ohne erhebliche eigene Behinderung möglich ist, sondern aus dem Grundgedanken des § 1 Abs. 1 und des § 11 Abs. 2 ergibt sich eine rechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme. Besonders mit dem Problem, wie weit der fließende Verkehr den v o m Fahrbahnrand Anfahrenden die Einordnung ermöglichen muß, hat sich die frühere Rechtsprechung eingehend befaßt, (s. unten R N r . 16). In geringerem Umfang, aber grundsätzlich doch auch, m u ß den aus Grundstücken oder anderen Straßenteilen Einfahrenden gegenüber eine geringfügige eigene Behinderung in Kauf genommen werden, u m ihnen das Einordnen zu erleichtern 40 ). Pflichten
gegenüber
Anfahrenden
Wenn auch durch den neuen § 10 die Pflichten des A n f a h r e n d e n verschärft wurden, so bedeutet dies doch nicht, daß die Pflichten der anderen Verkehrsteilnehmer dem A n f a h renden gegenüber beseitigt wurden. Die f r ü h e r e Rechtsprechung zu dieser Frage kann deshalb auch heute noch weitgehend ü b e r n o m m e n werden. Darnach darf bei starkem Verkehr dann angefahren werden, wenn der nächstfolgende Verkehrsteilnehmer in der vom A n f a h renden gewählten Fahrspur noch so weit e n t f e r n t ist, daß er sich unschwer auf die Fahrweise des A n f a h r e n d e n einstellen kann 5 0 ). O h n e die dem fließenden Verkehr auferlegte Pflicht zur Rücksichtnahme k ö n n t e insbesondere im großstädtischen Verkehr ein parkender K r a f t f a h r e r k a u m wieder in den Verkehrsfluß zurückgelangen. Zwar darf der Anfahrende, als der gegenüber dem fließenden Verkehr z u m Warten Verpflichtete, nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß nachfolgende Verkehrsteilnehmer immer pflichtgemäß handeln, er darf aber doch wenigstens darauf vertrauen, daß ein f ü r ihn verdeckter H i n t e r m a n n aus dem f ü r den A n f a h r e n d e n nicht einsehbaren R a u m nicht erst so spät herausfährt, daß sich der Anfahrende, der ja auch der vor ihm liegenden Fahrbahn seine Aufmerksamkeit schenken muß, nicht mehr auf ihn einrichten kann 5 1 ). Der fließende Verkehr darf seinerseits darauf vertrauen, daß ein v o m Fahrbahnrand A n f a h r e n d e r ihm nicht u n v e r m u t e t die Fahrspur blockiert. Kann er aber die Absicht des Anfahrenden, sich in den fließenden Verkehr einzuordnen, auf so weite E n t f e r n u n g erkennen, daß er sich seinerseits ohne Schwierigkeit und ohne erhebliche Verminderung seiner Geschwindigkeit auf dieses Fahrmanöver einstellen kann, dann m u ß er sich darauf einstellen 52 ). Für die Frage, ob das von hinten herankommende Fahrzeug sich auf das A n f a h r e n einstellen muß, ist deshalb von entscheidender Bedeutung, wieweit es sich dem anfahrenden Verkehrsteilnehmer genähert hatte, als dessen Absicht erkennbar wurde. Außerdem k o m m t es auf die Geschwindigkeit des H e r ankommenden an. V o m fließenden Verkehr kann kein scharfes Bremsen verlangt werden. Der fließende Verkehr hat aber gegenüber dem vom Straßenrand Anfahrenden keinen Anspruch auf zügige, völlig ungebremste Weiterfahrt 5 3 ). Deshalb t r i f f t auch den A n f a h renden kein Verschulden, wenn sich der fließende Verkehr mühelos und rechtzeitig auf die durch das Anfahren geänderte Verkehrslage einstellen kann und sei es auch durch mäßige Verringerung der gefahrenen Geschwindigkeit 54 ). Damit wird sich der Anfahrende freilich 4
») Düsseldorf 30. 10. 63, VerkMitt. 64, 39. '») Hamburg 6. 3. 68, VerkMitt. 69, 14. 51 ) Oldenburg 20. 10. 60, DAR 61, 202 = NdsRpfl. 61, 21 = VRS 20, 357. 52 ) Köln 4. 1. 55, VRS 8, 223; Oldenburg 27. 9. 55, DAR 55, 285; BayObLGSt. 56, 9 (17. 1.
56) = DAR 56, 133 = VkBl. 56, 230 = NJW 56, 720 = VRS 10, 303; KG 13. 3. 61, DAR 61, 172. 5S ) Hamm 2. 4. 64, VerkMitt. 64, 51. 54 ) BayObLG 20. 5. 66, 1 a St 88/1966.
Pflichten des fließenden Verkehrs
stvo § 10
in der Regel nicht entschuldigen können, er habe die Geschwindigkeit eines für ihn sichtbaren Hintermannes unterschätzt. Im Zweifel muß er ihn durchfahren lassen. Eine erhöhte Rücksichtspflicht besteht für den fließenden Verkehr gegenüber Fahrzeugen des öffentlichen Massenverkehrs. Zwar hat der Linienverkehr mit Omnibussen nicht in dem Umfang wie der Schienenverkehr eine bevorzugte Stellung. Wenn ein Linienomnibus an einer Haltestelle anhält, ist aber für die nachfolgenden Fahrzeuge ohne weiteres voraussehbar, daß er sich alsbald wieder in den fließenden Verkehr einordnen wird. Dem mußte der fließende Verkehr früher nach § 1 Rechnung tragen. Ein von hinten Herankommender durfte nicht darauf vertrauen, der Omnibusfahrer werde ihn erst vorbeilassen, ehe er die Weiterfahrt antrat 5 5 ). Nunmehr ist in § 20 Abs. 2 Omnibussen beim Anfahren ausdrücklich ein Vorrecht eingeräumt; (s. oben R N r . 12). Damit ist freilich nicht gesagt, daß der Omnibusfahrer ohne Rücksicht auf den fließenden Verkehr anfahren darf. Sein Verschulden schließt aber ein Mitverschulden des Hintermannes nicht aus. D e r Grundsatz, daß sich der nachfolgende Verkehrsteilnehmer auf die Fahrweise des Linienbusses einzustellen habe, gilt in noch verstärktem Maße für einen Entgegenkommenden, der, um zu überholen oder an einem seine Fahrbahn sperrenden Hindernis vorbeifahren zu können, die linke Fahrbahnseite, also eben jene in Anspruch nehmen muß, auf welcher mit dem jederzeitigen Wiederanfahren des Autobusses zu rechnen ist. E r muß deshalb seine Geschwindigkeit so weit herabsetzen, daß er die Überholung oder die Umfahrung des in seiner Fahrbahn befindlichen Hindernisses notfalls zurückstellen kann 5 6 ). Wer die Absicht hat, sein Fahrzeug vor ein am Fahrbahnrand haltendes Fahrzeug zu setzen und dort zu halten, muß das haltende Fahrzeug daraufhin beobachten, ob es etwa im Anfahren begriffen ist. Der Vorrang des fließenden Verkehrs gegenüber dem aus dem Stand Anfahrenden gilt nicht für den, der an den Straßenrand heranfährt, um zu halten 5 7 ). V . Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Da sich § 10 nur an Verkehrsteilnehmer wendet, kommen Vorgänge, die außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes stattfinden, nicht in Betracht. Wer bei der Ausfahrt aus einem Grundstück, bevor er den öffentlichen Verkehrsgrund erreicht hat, sich fehlerhaft verhält, handelt nicht ordnungswidrig im Sinne des § 10. Fälle, in denen mangelnde Sorgfalt beim Fahren auf öffentlichem Verkehrsgrund einen Unfall auf Privatgrund zur Folge hat, sind hier nicht denkbar; (vgl. § 1 R N r . 24). Wer gegen eine Vorschrift über das Einfahren oder Anfahren nadi J 10 vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 10 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Zum Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 10 Satz 1 gehört die konkrete Gefährdung eines anderen. § 1 Abs. 2 t r i t t insoweit hinter der speziellen Vorschrift zurück. Tritt eine Schädigung oder eine vermeidbare Behinderung oder Belästigung ein, dann steht die Ordnungswidrigkeit nach § 10 mit der nach § 1 Abs. 2 in Tateinheit. Tritt nur eine Behinderung oder Belästigung ein, dann ist nach § 1 Abs. 2 zu entscheiden, ob sie vermeidbar war. § 10 Satz 2 enthält eine reine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung auch dann ordnungswidrig ist, wenn niemand gefährdet wird. Obwohl der fließende Verkehr gegenüber den Einfahrenden und Anfahrenden ein V o r recht hat, das dem Vorfahrtrecht ähnlich ist, kann der Tatbestand eines Vergehens der Verkehrsgefährdung nach § 315 Abs. 1 N r . 2 a doch auch bei grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Mißachtung der Vorschriften des § 10 nicht erfüllt werden. ) BayObLGSt. 51, 404 (21. 1. 51) = VRS 3, 274 = VkBl. 51, 307; Düsseldorf 22. 1. 64, VerkMitt. 64, 26. 5 6 ) Köln 27. 6. 61, VRS 21, 301 = DRspr. II (291) 87 c.
55
" ) BayObLG 13. 5. 58, DAR 58, 278 = DRspr. II (291) 49 c; einschränkend BayObLGSt. 67, 36 s. Fußn. 47.
433 28 Stvo + StGB
§ 11 stvo
Möhl § 11 Besondere Verkehrslagen
(1) Stockt der Verkehr, so darf trotz Vorfahrt oder grünem Lichtzeichen niemand in die Kreuzung oder Einmündung einfahren, wenn er auf ihr warten müßte. (2) Auch wer sonst nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat, muß darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert; auf einen Verzicht darf der andere nur vertrauen, wenn er sich mit dem Verzichtenden verständigt hat. Übersicht RNr. I. Amtliche Begründung I I . Sinn der Vorschrift Defensives Fahren? (2), Ziel des Gesetzgebers? (3) I I I . Inhalt der Vorschrift 1. Allgemeines 2. Verbot der Einfahrt in Kreuzung (Abs. 1)
1 2-3
4-8 4 5-6
RNr. Wann stockt der Verkehr? (5), Wer muß warten? (6) 3. Verzicht auf Vorrang in anderen Fällen (Abs. 2) 4. Kein Vertrauen auf Verzicht IV. Bußgeldvorschrift und Folgen einer Verletzung des Abs. 2
7 8 9
I. Amtliche Begründung Den modernen Massenverkehr in Fluß zu halten, ist nur möglich, wenn jeder einzelne sich auf die jeweilige Verkehrslage einstellt. Jedem ist daher aufgegeben, sein Augenmerk auch darauf zu richten, ob er nicht durch sein Verhalten dazu beitragen kann und muß, verwickelte Verkehrslagen zu entwirren. Da sich der Massenverkehr auf die Dauer nur durch Mithilfe aller aufrechterhalten läßt, bedarf es auch der Möglichkeit, grobe Störenfriede zur Rechenschaft zu ziehen. Bisher konnte lediglich auf Grund des allgemeinen Verbots vermeidbarer Behinderung eingeschritten werden. Richtig gesehen ist diese Regelung lückenhaft. Denn es ist jedenfalls zweifelhaft, ob Verkehrsteilnehmer, denen die Verordnung ausdrücklich Vorrang einräumt, dieses Verbot verletzen können. Die Rechtsprechung hat zwar Vorfahrtsberechtigte, die, auf ihr „Recht" pochend, einen Unfall herbeigeführt haben, wegen Verletzung des bisherigen § 1 bestraft. Dabei ging es aber jeweils um Schädigungstatbestände. Es ist schwerlich aus § 1 zu entnehmen, daß die Beanspruchung eines Vorrangs, welche die Behinderung Wartepflichtiger zur Folge hat, etwa verboten sein könnte. Denn der, dem der Vorrang im Interesse der Flüssigkeit des Verkehrs eingeräumt ist, behindert zwangsläufig den Wartepflichtigen, und zwar nach den Umständen durchaus vermeidbar. Er s o 11 im Regelfall sogar behindern; denn der Verkehrsfluß würde schon in bedenklichem Maße gehemmt, wenn auch nur ein erheblicher Teil der mit Vorrang Ausgestatteten davon keinen Gebrauch machte. § 1 paßt insoweit für Vorrangfälle nicht. Es ist daher notwendig, ausdrücklich zu normieren, daß auch Verkehrsteilnehmer, denen Vorrang eingeräumt ist, u. U. darauf verzichten müssen. Da die hier aufzustellende Regel wegen ihres weiten Anwendungsbereichs notgedrungen abstrakt gefaßt werden muß, greift der Gesetzgeber wieder einmal im Interesse der Lesbarkeit zu dem Hilfsmittel, zunächst in A b s a t z 1 ein einprägsames, drastisches Beispiel einer besonders lästigen Verkehrsbehinderung vorauszuschicken, nämlich das für verantwortungsbewußte Fahrzeugführer selbstverständliche Verbot der Einfahrt in eine verstopfte Kreuzung. A b s a t z 2 konkretisiert in gewissem Umfang den § 1 Abs. 1. Er ist, wie jener, nidit bußgeldbewehrt. Sein Anwendungsbereich ist groß. Er soll dazu beitragen, in Fällen des Nebeneinanderfahrens (§ 7) denjenigen, der seine „Fahrspur hält", dazu zu bringen, anderen, die ihren Fahrstreifen verlassen müssen, zu helfen; er soll das amerikanische Verkehrsschild „merging traffic" ersetzen, das den auf der durchgehenden Bahn (z. B. von Autobahnen) Fahrenden dazu verpflichtet, dem Einfahrenden das Einfädeln zu ermöglichen. Beispielhaft sind auch folgende Verkehrssituationen: Ein an sich wartepflichtiger Lastzug ist auf eine nach beiden Seiten nur auf kurze Strecken übersehbare Straße bis zur Mitte eingefahren, um dann auf diese Straße nach links einzubiegen. Auf der von ihm blockierten Straßenseite sammelt sich eine Reihe von Fahrzeugen; wenn in diesem Augenblick einzelne Fahrzeuge von rechts herankommen, so haben sie zu warten, bis dieser Zug die Kreuzung freigemacht hat. Dasselbe gilt, wenn auf einer schmalen Straße ein Linksabbieger auf einzelne entgegenkommende, geradeaus fahrende Fahrzeuge warten müßte, und sich hinter ihm schon eine Fahrzeugschlange gebildet hat; dann haben die entgegenkommenden Fahrzeuge gegebenenfalls zu warten. Dasselbe gilt an Straßenengpässen. Aber auch Fußgänger oder Radfahrer, auf die von abbiegenden Fahrzeugen ja besondere Rücksicht zu nehmen ist, haben stehen zu bleiben, wenn die abbiegenden Fahrzeuge durdi das ihnen vorgeschriebene Warten den Verkehrsfluß auf der anderen Straße behindern würden. Fußgänger müssen auch davon abgehalten werden, einen Fußgängerüberweg gerade dann zu betreten, wenn ein ganzer Pulk von Kraftfahrzeugen herankommt.
434
stvo § 11
Besondere Verkehrslagen
Ohne gegenseitige Rücksicht geht es in solchen Fällen nicht. Die Norm ist freilich in anderer Richtung gewollt eng gefaßt. Die Formel „wenn die Verkehrslage es erfordert" will Fälle ausnehmen, in denen es nur zweckmäßig und nicht eindeutig geboten ist, auf den Vorrang zu verzichten. Nur wirklidie Störenfriede werden erfaßt. Der zweite Halbsatz des Absatzes 2 ist notwendig. Fehlte er, so wäre jedenfalls problematisch, inwieweit der Vertrauensgrundsatz hier Geltung hat. Ihn in den hier behandelten Fällen einzuschränken, ist im Interesse der Sicherheit geboten. Im übrigen zeigt der halbe Satz ausdrücklich, daß die Verordnung den Vertrauensgrundsatz im Prinzip nicht antasten will.
II. Sinn der Vorschrift Defensives
Fahren?
In der amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 4 wird § 11 als die Normierung des Grundprinzips des „defensiven Fahrens" bezeichnet. Bode hat in einem Referat auf dem 9. Verkehrsgerichtstag in Goslar1) darauf hingewiesen, daß § 11 in Wahrheit mit dem Prinzip des defensiven Fahrens nichts zu tun hat. Versteht man unter defensivem Fahren dem Wortsinn entsprechend ein Verhalten, bei dem eine Rechtsposition um der eigenen Sicherheit willen nicht voll ausgenützt wird (vgl. § 1 RNr. 41), so ist die Ansicht Bodes zutreffend. Der dem militärischen Wortschatz entnommene Begriff der Defensive bezeichnet nichts weniger als ein Verhalten, das einem anderen zum Vorteil gereicht. Mit der eigenen Sicherheit hat der Verzicht auf Vorrechte in der Regel nichts zu tun. Er dient in erster Linie der Flüssigkeit des Verkehrs und ergibt sich aus der Pflicht, auf andere Rücksicht zu nehmen. Wer einem Wartepflichtigen das Einfahren in den bevorrechtigten Verkehr ermöglicht, handelt dabei nicht im Interesse der eigenen Sicherheit, sondern im Interesse des Wartepflichtigen. Daß es besser ist, auf ein Vorrecht zu verzichten, wenn zu befürchten ist, daß es ein anderer verletzen wird, liegt auf einem anderen Gebiet. Dieser Verzicht kann dem defensiven Verhalten zugerechnet werden2). Damit befaßt sich aber § 11 nicht. Ebensowenig befaßt er sich mit der Pflicht, auf einen Vorrang zu verzichten, wenn sonst andere gefährdet werden können. Diese Pflicht ergibt sich aus § 1 Abs. 2. Welches Ziel verfolgt
§ 11?
§ 11 Abs. 1 befaßt sich mit einer bestimmten abgrenzbaren Verkehrslage, Abs. 2 erweitert den in Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Gedanken, indem es ähnliche Fälle ohne nähere Abgrenzung einbezieht. Der Sinn beider Bestimmungen ist aber der gleiche. Sie wollen das fördern, was in der Präambel zur StVO 1937 etwas überschwenglich als eine „echte Gemeinschaft aller Verkehrsteilnehmer" bezeichnet worden war. Sie wollen vor allem die durch das übermäßige Anwachsen des Fahrzeugbestandes bedrohte Flüssigkeit des Verkehrs sichern, ein Ziel, dem weniger durch Reglementierung als durch gegenseitige Rücksichtnahme beizukommen ist. Der Versuch des Gesetzgebers, in dieser Richtung auf die Verkehrsteilnehmer einzuwirken, ist zu begrüßen. In dem Gebot kommt schön zum Ausdruck, daß die StVO niemandem Rechte verleiht, die nicht durch das höher stehende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme beschränkt wären. III. Inhalt der Vorschrift 1. Allgemeines Daß auch der Bevorrechtigte keinen anderen gefährden oder gar schädigen darf, ergibt sich aus § 1 Abs. 2. Dagegen bringen es alle Vorrechte mit sich, daß ihre Ausübung diejenigen, die das Vorrecht zu beachten haben, behindert. Der Verzicht auf ein Vorrecht hat die Folge, daß diese Behinderung vermieden wird, selbst um den Preis eigener Behinderung. Da der Verkehr klare Regeln verlangt, dürfen die Grenzen der Vorrechte nicht verBode: Vertrauensgrundsatz, defensives Fahren und Vorrangverzicht nach der StVO 1970, kvr 71, 15; vgl. neuerdings Schmitt: „Verhalten bei Verkehrsstockungen", V O R 72, 42.
2)
Zur Frage des „defensiven Fahrens" Wimmer in D A R 64, 37; Wimmer und Mühlhaus 2. D V e r k G T S. 67, 8 9 ; Martin DAR 64, 299; Baumann S. 242, 254; Möhl, V O R 72, 73.
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§ 11
stvo
Möhl
wischt werden. Es wäre bedenklich, etwa mit dem unklaren und über den Wortsinn hinaus unzulässig ausgeweiteten Begriff des „defensiven Fahrens" diese Grenzen aufzuweichen. Grundsätzlich darf der Bevorrechtigte sein Vorrecht auch dann in Anspruch nehmen, wenn es f ü r den Wartepflichtigen angenehmer wäre, er würde darauf verzichten. N u r in ganz besonderen Fällen, dann nämlich, wenn die rücksichtslose Durchsetzung des eigenen Vorrechts gegenüber berechtigten Interessen der übrigen Verkehrsteilnehmer grob unbillig wäre, ist es vertretbar, daß von diesem Grundsatz abgewichen wird. 2. Verbot der Einfahrt in Kreuzung (Abs. 1) 5
Wann „stockt" der Verkehr? Abs. 1 verlangt vom Vorfahrtberechtigten den Verzicht auf sein Vorrecht in einem wichtigen Fall: Stockt der Verkehr auf einer Kreuzung oder Einmündung, dann darf der Vorfahrtberechtigte nicht einfahren, wenn er auf ihr warten müßte. Der Grund ist einleuchtend: Fahren trotz einer sich anbahnenden Verstopfung der Kreuzung noch weitere Fahrzeuge in die Kreuzung ein, dann wird die Entwirrung des Knäuels schwieriger, alle Beteiligten (auch der nachträglich noch in die Kreuzung Einfahrende) werden länger aufgehalten. Der Gedanke, daß in solchen Fällen auf die Vorfahrt verzichtet werden sollte, ist nicht neu. Ob aus § 1 eine Pflicht zum Verzicht hergeleitet werden könnte, erschien aber fraglich 3 ). Sinn und Zweck der Vorschrift sind also durchaus zu begrüßen. Die Formulierung ist allerdings etwas unklar. Wann stockt der Verkehr im Sinne des Abs. 1? Sicher ist nicht jede vorübergehende Stockung gemeint, die z. B. dadurch eintritt, daß Linksabbieger den Gegenverkehr durchfahren lassen oder Rechtsabbieger auf Fußgänger Rücksicht nehmen müssen 4 ). Das Abbiegen wäre unmöglich, wenn jede dabei auftretende Stockung bereits die Einfahrt in die Kreuzung unzulässig machen würde. Gemeint sind offensichtlich nur solche Stockungen, die den Verkehrsfluß auf längere Zeit empfindlich stören können. Vor allem dann, wenn bei Ampelkreuzungen damit zu rechnen ist, daß der Querverkehr bei Farbwechsel nicht mehr in die Kreuzung einfahren kann, wird eine Stockung im Sinne des § 11 Abs. 1 anzunehmen sein.
6
Wer muß warten? Die Vorschrift wendet sich an alle Vorfahrtberechtigten, also auch an Abbieger. Ist die Kreuzung verstopft, dann dürfen auch sie nicht mehr einfahren. Das Verbot ist nicht auf solche Vorfahrtberechtigten beschränkt, die über die Kreuzung geradeaus weiterfahren wollen 5 ). Gerade bei starkem Abbiegeverkehr tritt nicht selten der Fall ein, den § 11 Abs. 1 im Auge hat, dann nämlich, wenn nicht alle Abbieger die Kreuzung rechtzeitig räumen können und mit dem neu einsetzenden Querverkehr in Kollision geraten. Kann ein Abbieger voraussehen, daß er die Kreuzung vor einsetzendem Querverkehr nicht mehr räumen kann, dann muß also auch er vor der Kreuzung warten. Das Gebot gilt dann übrigens audi f ü r den Querverkehr. Auch dieser darf in die Kreuzung erst einfahren, wenn sich der Knäuel der Abbieger entwirrt hat. Mag sein, daß durch das jetzt erlaubte Abbiegen auf „amerikanische Art" (§ 9 R N r . 48) die Gefahr gemindert wird, daß sich Abbiegerschlangen festfahren. Das Gebot wendet sich an Vorfahrtberechtigte, die sich noch vor der Kreuzung befinden. Wird die Stockung erst erkennbar, wenn der Vorfahrtberechtigte bereits in die Kreuzung eingefahren ist, dann muß er zwar, soweit ihm das möglich ist, zur Entwirrung beitragen, er braucht aber nicht etwa wieder zurückzustoßen.
7
3. Verzicht auf Vorrang in anderen Fällen (Abs. 2) Während Abs. 1 das Einfahren in eine Kreuzung oder Einmündung unter bestimmten Voraussetzungen verbietet, enthält Abs. 2 einen allgemeinen Grundsatz: Wenn die Verkehrslage es erfordert, muß, wer nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder ander3) Vgl. BayObLGSt. 70, 166 (7. 8. 70) = VerkMitt. 70, 93 = VRS 39, 457; a. M. Stuttgart 7. 5. 69, VRS 38, 378.
436
5)
So auch JagusA, StVO, § 11 Anm. 1. M. Mühlhaus, StVO, § 11 Anm. 2.
A.
Einfahrt in Kreuzung; Verzicht auf Vorrang
stvo § 11
weitig Vorrang hat, darauf verziditen. Abs. 1 ist ein spezieller Fall im Verhältnis zur Grundregel des Abs. 2. Er präzisiert gleichzeitig den an der Spitze der StVO stehenden „Leitsatz" des § 1 Abs. 1. Die Schwierigkeit besteht darin, darüber zu einheitlichen, von allen Verkehrsteilnehmern anerkannten Grundsätzen zu gelangen, wann die Verkehrslage den Verzicht erfordert. Die amtliche Begründung bietet mehrere anschauliche Beispiele (RNr. 1). Dabei handelt es sich teils um Verkehrslagen, in denen nur einem einzelnen geholfen wird, sith in den fließenden Verkehr einzuordnen und solchen, in denen eine Mehrzahl von Verkehrsteilnehmern übermäßig behindert würde, wenn der Bevorrechtigte auf seinem Vorrecht bestünde. In der amtlichen Begründung kommt zu wenig zum Ausdruck, daß es vor allem Billigkeitserwägungen sind, die in bestimmten Verkehrslagen den Verzicht auf einen Vorrang gebieten. Die Interessen der Beteiligten müssen gegeneinander abgewogen werden. Ist es ganz unbillig, wenn der Bevorrechtigte sich mit der Behauptung seines Vorranges über die Interessen anderer hinwegsetzt, dann forderte die Verkehrslage, daß er vorübergehend auf seinen Vorrang verzichtet. Die amtliche Begründung stellt Fälle, in denen der Verzicht „zweckmäßig" ist, solchen gegenüber, in denen er „eindeutig geboten" ist. Diese Gegenüberstellung erscheint weniger fruchtbar. Denn das ist gerade die Frage, wann ein Verzicht eindeutig geboten ist. Immerhin wird dabei aber klargestellt, daß nicht in jedem Falle, in dem ein Verzicht im Interesse eines einzelnen oder mehrerer anderer zweckmäßig wäre, auf das Vorrecht verzichtet werden muß. P r ü f t man die einzelnen in der amtlichen Begründung aufgeführten Beispiele, dann zeigt sich übrigens, daß bei zweien der Bevorrechtigte ohnedies die Interessen der anderen in gewissem Umfang berücksichtigen m u ß ; nach § 7 Satz 2 darf zwar ein Fahrtstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist; eine gewisse Behinderung muß aber von dem, der den Fahrstreifen beibehält, hingenommen werden. Das gleiche gilt im Verhältnis des fließenden Verkehrs zum Einfahrenden nach § 10. 4. Kein Vertrauen auf Verzicht Da man über die Frage, ob die Verkehrslage im Einzelfall einen Verzicht fordert, häufig verschiedener Meinung sein wird, wäre es gefährlich, dem durch Abs. 2 Begünstigten zuzubilligen, daß er auf den (von ihm als angebracht angesehenen) Verzicht des anderen vertrauen darf. Darin liegt eine Ausnahme vom Vertrauensgrundsatz. In der Regel darf jeder Verkehrsteilnehmer solange darauf vertrauen, daß sich die anderen Verkehrsteilnehmer verkehrsgerecht verhalten, als nicht das Gegenteil erkennbar ist. N u r wenn er sich mit dem Verzichtenden verständigt hat, wenn ihm dieser also z. B. durch ein Winkzeichen das Einscheren erlaubt, darf er darauf vertrauen, daß der Bevorrechtigte tatsächlich verzichtet. Die Verständigung gilt aber nur zwischen den unmittelbar an der Verständigung Beteiligten. Winkt der Vorfahrtberechtigte dem Vordersten einer Schlange von Wartepflichtigen zu, vor ihm einzuscheren, dann dürfen sich die Nachfolgenden nicht ohne weiteres anschließen. Das Vertrauen des Bevorrechtigten in verkehrsgerechtes Verhalten des Wartepflichtigen wird von Abs. 2 nicht berührt. Der zum Verzicht auf sein Vorrecht Verpflichtete braucht also nicht in Betracht zu ziehen, daß der Wartepflichtige mit seinem Verzicht rechnet. IV. Bußgeldvorsdirift und Folgen einer Verletzung des Abs. 2 Nach § 49 Abs. 1 Nr. 11 ist eine Verletzung der Vorschrift über das Verhalten in besonderer Verkehrslage nur dann eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24 StVG, wenn Abs. 1 verletzt wird. Das bedeutet aber nicht, daß die Verletzung des Abs. 2 f ü r ihn keine nachteiligen Folgen haben kann: Wer auf seinen Vorrang nicht verzichtet, obwohl dies nach der Verkehrslage eindeutig geboten wäre, beobachtet jedenfalls nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt. Ist sein Fehlverhalten f ü r einen Unfall mitursächlich, dann kann er sich von seiner Haftpflicht nach § 7 Abs. 2 StVG nicht exkulpieren.
§ 12
Möhl
StVO § 12 Halten und Parken
1. 2. 3. 4. 5. 6.
(1) Das Halten ist unzulässig an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen, im Bereich von scharfen Kurven, auf Beschleunigungsstreifen und auf Verzögerungsstreifen, auf Fußgängerüberwegen sowie bis zu 5 m davor, auf Bahnübergängen und soweit es durch folgende Verkehrszeichen verboten ist: a) Haltverbot (Zeichen 283), b) eingeschränktes Haltverbot (Zeichen 286), c) Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295), d) Richtungspfeile auf der Fahrbahn (Zeichen 297) und e) rotes Dauerlicht (§ 37 Abs. 3). (2) Wer sein Fahrzeug verläßt oder länger als drei Minuten hält, der parkt.
(3) Das Parken ist unzulässig 1. vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten, 2. bis zu 10 m vor Lichtzeichen und den Zeichen „Vorfahrt gewähren!" (Zeichen 205) und „Halt! Vorfahrt gewähren!" (Zeichen 206), wenn sie dadurch verdeckt werden, 3. vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber, 4. bis zu je 15 m vor und hinter Haltestellenschildern (Zeichen 224 und 226), 5. an Taxenständen (Zeichen 229), 6. vor und hinter Andreaskreuzen (Zeichen 201) a) innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 310 und 311) bis zu je 5 m, b) außerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 50 m, 7. über Schachtdeckeln und anderen Verschlüssen, wo durch Zeichen 315 oder eine Parkflächenmarkierung (§ 41 Abs. 3 Nr. 7) das Parken auf Gehewegen erlaubt ist und 8. soweit es durch folgende Verkehrszeichen verboten ist: a) Vorfahrtstraße (Zeichen 306), b) Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295 und 296), c) Parken auf Gehwegen (Zeichen 315), d) Grenzmarkierung f ü r Parkverbote (Zeichen 299) und e) Parkplatz (Zeichen 314) mit Zusatzschild. (4) Zum Parken ist der rechte Seitenstreifen zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Das gilt in der Regel auch f ü r den, der nur halten will; jedenfalls muß auch er dazu auf der rechten Seite rechts bleiben. Soweit auf der rechten Seite Schienen liegen sowie in Einbahnstraßen (Zeichen 220) darf links gehalten und geparkt werden. (5) Es ist platzsparend zu parken; das gilt in der Regel auch f ü r das Halten. Vwv zu S 12: Zu Absatz 1 Halten ist eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nitfat durii die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßt ist.
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StVO
Halten und Parken
§ 12
Zu Absatz 3 Nr. 1 und Nr. 8 Budist. d) Wo an einer Kreuzung oder Einmündung die 5 m-Zone ausreichende Sicht in die andere Straße nicht schafft oder das Abbiegen erschwert, ist die Parkverbotsstrecke z. B. durch die Grenzmarkierung (Zeichen 299) angemessen zu verlängern. Da und dort wird auch die bloße Markierung der 5 m-Zonc zur Unterstreichung des Verbots ratsam sein. Zu Absatz 4 Wo es nach dem äußeren Anschein zweifelhaft ist, ob der Seitenstreifen für ein auf der Fahrbahn parkendes Fahrzeug fest genug ist, darf wegen Nichtbenutzung des Seitenstreifens nicht eingeschritten werden. Ober die Kennzeichnung unzureichend befestigter Seitenstreifen vgl. zu Zeichen 388. S&rifttum Eulert-Grehn: „Das Parkverbot als doppelseitiger Hoheitsakt", DAR 62, 285. Evers: „Wegerecht contra Verkehrsrecht", N J W 62, 1033. Haberkorn: „Parken, Be- und Entladen", DAR 67, 321. Hartbun: „Einzelfragen zur neuen StVO", DAR 71, 253. Hohenester: „Läßt die StVO auf öffentlichen Straßen die Bereitstellung von Parkraum für bestimmte Verkehrsteilnehmer zu?", DAR 66, 295. Koch: „Das Parken auf nichtgekennzeichneten Gehwegen", DAR 59, 149. Lamberg: „Die Sonderparkerlaubnis für Behörden", N J W 67, 96. Möllers: „Kampf um die Parklücke", DAR 71, 7. Schmidt: „Verkehrshinderndes Parken", DAR 68, 259. Schölten: „Parken an Fußgängerüberwegen", DAR 60, 255. Zeitler: „Das Parkproblem in Wohnstraßen der Großstädte", DAR 62, 259. Übersicht A.
I. Vergleich der neuen mit den alten H a l t - und Parkvorschriften 1. Obersicht 2. Was ist neu? II. Amtliche Begründung
B. Inhalt der Vorschriften I. Begriff (Abs. 2) 1. Begriff des „Haltens" 2. Begriff des „Parkens" 3. Wann wird das Fahrzeug „verlassen" ?
RNr. 1-2 1 2 3 4 4-6 4 5 6
II. Wo ist das Halten unzulässig? (Abs. 1) 7-22 1. an engen und unübersichtlichen 7-8 Straßenstellen (Abs. 1 N r . 1) Enge Straßenstellen (7), Unübersichtliche Straßenstellen (8) 2. im Bereich von scharfen Kurven (Abs. 1 N r . 2) 3. auf Beschleunigungs- und auf Verzögerungsstreifen (Abs. 1 N r . 3) 10 4. auf Fußgängerüberwegen sowie bis zu 5 m davor (Abs. 1 N r . 4) 11 5. auf Bahnübergängen (Abs. 1 N r . 5) 12 6. soweit es durch Verkehrszeichen verboten ist (Abs. 1 N r . 6) 13-20 a) Z. 283 — Haltverbot 13 b) Z. 286 — eingeschränktes Haltverbot 14-17 Allgemeines (14), Das Ein- und Aussteigen (15), Das Be- und Entladen (16), Nebenverrichtungen (17)
RNr. c) Z. 295 — Fahrstreifenbegrenzung 18 d) Z. 297 — Richtungspfeile auf der Fahrbahn 19 e) § 37 Abs. 3 — rotes Dauerlicht 20 7. Wann ist das Halten nach § 1 unzulässig, wann ausnahmsweise zulässig? 21-22 Unzulässiges Halten (21), Zulässiges Halten (22) III. Wo ist das Parken unzulässig? (Abs. 3) 23-37 1. je 5 m vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen (Abs. 3 N r . 1) 23 2. bis zu 10 m vor Lichtzeichen — Z. 205, 206, wenn sie dadurch 24 verdeckt werden (Abs. 3 N r . 2) 3. vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber (Abs. 3 N r . 3) 25-26 Parken vor Grundstüdesein- und -ausfahrten (25), Parken gegenüber Grundstüdesein- und -ausfahrten (26) 4. bis zu 15 m vor und hinter Haltestellenschildern (Z. 224 und 226) 27 (Abs. 3 N r . 4) 5. an Taxenständen (Z. 229) 28 (Abs. 3 N r . 5) 6. vor und hinter Andreaskreuzen (Z. 201) 29-30 a) innerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 5 m (Abs. 3 N r . 6 a) 29
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§ 12
StVO b) außerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 10 m (Abs. 3 Nr. 6 b)
Möhl
30
7. Uber Schachtdeckeln und anderen Verschlüssen (Abs. 3 Nr. 7) 31 8. wo es durch folgende Verkehrszeichen verboten ist: 32-36 a) Vorfahrtstraßen (Z. 306) (Abs. I I I Nr. 8 b) 33 b) Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295 u. 296) (Abs. I I I Nr. 8 b) c) Parken auf Gehwegen (Z. 315) (Abs. 3 Nr. 8 c) 34 d) Grenzmarkierungen für Parkverbote (Z. 299) (Abs. 3 Nr. 8 d) 35 e) Parkplatz (Z. 314) mit Zusatzschild (Abs. 3 Nr. 8 e) 36
A 1
9. Wann ist das Parken nach § 1 unzulässig?
37
IV. Wo ist zu parken und zu halten? (Abs. 4)
38-42
1. Parken 38-39 auf dem rechten Seitenstreifen (38), am rechten Fahrbahnrand (39) 2. Halten 40 3. Links Halten und Parken (Abs. 4 S. 3) 41 4. Das Einparken 42 V. Wie ist zu parken und zu halten? (Abs. 5) C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
43 44
I. Vergleich der neuen mit den alten Halt- und Parkvorschriften
1. Überblick Während sidi die §§ 2—11 mit dem fließenden Verkehr befassen, enthalten die §§ 12— 15 die wesentlichen Regeln für den sog. „ruhenden" Verkehr. Die StVO 1937 enthielt in § 15 Vorschriften über das Halten und in § 16 über das Parken. Beide Vorschriften sind nun in § 12 vereinigt. Dabei wurde Vollständigkeit angestrebt, aber nicht ganz erreicht. Das Haltverbot des § 18 Abs. 8 auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist im Katalog der Haltverbote nicht aufgeführt. Auch das Verbot des § 17 Abs. 4 S. 3, Kleinkrafträder usw. auf der Fahrbahn „stehen zu lassen", kommt einem Parkverbot gleich. Die amtliche Begründung weist auf beide Vorschriften hin. Weiter enthalten Halt- und Parkverbote die §§ 13 und 33. Wie früher haben die Haltevorschriften nur das gewillkürte Anhalten, nicht das technisch- oder verkehrsbedingte zum Gegenstand. Das wird zwar im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt, doch weist die Vwv zu § 12 Abs. 1 darauf hin. In der Vwv zu § 5 und 6 wird entsprechend dargelegt, daß an Teilnehmern des Fahrbahnverkehrs, die „warten" müssen, nicht „vorbeigefahren" wird; sie werden überholt, werden also auch dort dem fließenden Verkehr zugerechnet. (Dort wird auch erläutert, daß „wartet", wer durch die Verkehrslage oder durch eine Anordnung aufgehalten ist). Für den, der warten muß, gelten also auch nach der neuen StVO die Haltverbote nicht. Allerdings enthält die StVO 1970 einige Vorschriften, die das Warten an bestimmten Stellen verbieten: Nach § 11 Abs. 1 darf trotz Vorfahrt nicht in eine Kreuzung einfahren, wer auf ihr „warten" müßte. Auf einem Bahnübergang darf nicht nur nicht „gehalten", sondern nach § 19 Abs. 2—4 auch nicht „gewartet" werden. Das gleiche gilt für Fußgängerüberwege nach § 26 Abs. 2. Für das Liegenbleiben gelten die besonderen Vorschriften des § 15. Da derjenige, der mit seinem Fahrzeug auf der Fahrbahn „liegenbleibt", dort gegen seinen Willen festgehalten wird, wären auf ihn die Halte- und Parkvorschriften nicht anwendbar. Während der Begriff des „Haltens" nicht geändert wurde, ist die Abgrenzung dieses Begriffes von dem Begriff „Parken" neu vorgenommen worden; (s. unten R N r . 2). Die gesetzlichen Halte- und Parkverbote der StVO 1937 wurden zwar im wesentlichen übernommen, durch die Neubestimmung der Begriffe „Halten" und „Parken" sind aber tatsächlich manche Änderungen eingetreten. Auch wurde die Zahl der gesetzlichen Haltund Parkverbote erheblich erweitert; (s. unten R N r . 2). Auch soweit das Halten und Parken durch Verkehrszeichen verboten ist, sind bedeutsame Änderungen eingetreten. Vor allem gibt es das bisherige Parkverbotszeichen nicht mehr; das Parkverbot an Verkehrsinseln ist entfallen. Besondere Bestimmungen über das „Dauerparken" enthält auch die neue StVO nicht. Dauerparken an ungeeigneter Stelle kann nach § 1 Abs. 2 als nach den Umständen ver-
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Überblick; was ist neu?
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meidbare Behinderung oder Belästigung geahndet werden. Zu verkehrsfremden Zwecken abgestellte Fahrzeuge können auch als „Gegenstand" im Sinne des § 32 Abs. 1 angesehen werden. 2. Was ist neu? Von wesentlicher Bedeutung ist die neue Abgrenzung des Begriffes „Halten" vom Begriff „Parken". Während früher (§ 16 Abs. 1 StVO 1937) der Zweck des Anhaltens f ü r die Abgrenzung entscheidend war, indem das Aufstellen von Fahrzeugen zum Ein- oder Aussteigen und Be- oder Entladen nicht als Parken behandelt wurde, wird nunmehr auf äußere Merkmale abgestellt: Das Halten wird zum Parken, wenn der Fahrer sein Fahrzeug verläßt oder länger als drei Minuten hält. Die früheren, auf die Zweckbestimmung abgestellten Abgrenzungsmerkmale haben nur insofern ihre Bedeutung behalten, als das sog. eingeschränkte Haltverbot des Z. 286 das Halten auf der Fahrbahn gestattet, wenn es zum Ein- und Aussteigen oder zum Be- und Entladen geschieht. Soweit das eingeschränkte Haltverbot nach Z. 286 besteht, ist die früher beim Parkverbot nach Bild 23 der Anlage zur StVO 1937 bestehende Rechtslage unverändert geblieben. Ein dem früheren Parkverbotszeichen entsprechendes Zeichen gibt es nicht mehr. Es gibt also kein Zeichen, das allgemein zwar das Parken, nicht aber das Halten verbietet. Auch die Bedeutung aller übrigen Parkverbote hat sich gewandelt: Bei ihnen gibt es die frühere Ausnahme f ü r das Aus- und Einsteigen und das Be- und Entladen nicht mehr. N u r an Parkuhren darf nach § 13 ebenfalls noch zu diesem Zweck gehalten werden. Im übrigen darf an Stellen, an denen nur das Parken verboten ist, zwar gehalten werden, jedoch nur unter der Bedingung, daß der Fahrer das Fahrzeug nicht verläßt und daß die Drei-Minuten-Grenze nicht überschritten wird. Dagegen gibt es von den Haltverboten außer der genannten keine Ausnahme. Soweit das Halten verboten ist, darf auch nicht drei Minuten gehalten werden. Das f ü h r t zu dem eigenartigen Ergebnis, daß das „eingeschränkte" Haltverbot des Z. 286 zwar das längerdauernde „Parken" zum Aus- oder Einsteigen und Be- oder Entladen gestattet, nicht aber das Halten zu anderen Zwecken, auch wenn es nicht länger als drei Minuten dauert. Ob sich der schlichte Leser des neuen Textes ohne weiteres über den Sinn dieser doch recht komplizierten Regelung klar wird, erscheint fraglich, um so mehr, als die wichtige Ausnahme von dem Halteverbot nach Z. 286 nicht im Text des § 12 zu finden ist, sondern erst im Text zu Z. 286. Im übrigen ergibt der Vergleich der früheren mit den neuen Halt- und Parkverboten folgendes Abs. 1 Haltverbot: 1. An engen und unübersichtlichen Straßenstellen war früher (§ 16 Abs. 1 N r . 2 StVO 1937) nur das Parken verboten. Das Verbot wurde zu einem Haltverbot verschärft. 2. Das Gleiche gilt f ü r das Haltverbot im Bereich von scharfen Kurven. 3. Das Haltverbot auf Beschleunigungsstreifen und auf Verzögerungsstreifen ist neu. 4. Das Haltverbot auf Fußgängerüberwegen sowie bis zu 5 m davor entspricht dem früheren (§ 15 Abs. 4 StVO 1937). Auf Fußgängerüberwegen ist jetzt nach § 26 Abs. 2 sogar das „Warten" verboten. 5. Früher war innerhalb des Fahrraums von Schienenbahnen das Parken (§ 16 Abs. 1 N r . 7 StVO 1937), nunmehr ist auf Bahnübergängen das Halten verboten. 6. Die Haltverbote durch Verkehrszeichen: a) Unverändert ist die Bedeutung des Haltverbots Z. 283 (früher Bild 22 der Anlage zur StVO 1937), wenn auch das äußere Bild des Verkehrszeichens dem Weltabkommen über Straßenverkehr und über Verkehrszeichen entsprechend geändert wurde, b) das „eingeschränkte Haltverbot" (Z. 286) ist neu (s. oben); c) dient die Linie nach Z. 295 als Fahrbahnbegrenzung, dann darf links von ihr nur dann gehalten werden, wenn rechts (also auf dem Seitenstreifen) kein ausreichender Platz
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zum Halten ist. Die Vorschrift ist neu, der Gedanke des § 16 Abs. 1 a StVO 1957 wurde weiterentwickelt; d) nach Z. 297 ist das Halten auf einer mit Pfeilen zwischen den Leitlinien markierten Strecke verboten. Das Verbot ist neu, e) die in § 37 Abs. 3 vorgesehenen Dauerlichtzeichen und das Haltverbot vor ihnen sind neu. Abs. 3 Parkverbot: Während ein Haltverbot naturgemäß ein Parkverbot miteinschließt, ist an Stellen, an denen lediglich das Parken verboten ist, das Halten (bis zu 3 Minuten) allgemein zulässig. 1. Das Parkverbot vor und hinter Kreuzungen entspricht dem bisherigen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 StVO 1937). 2. Das Verbot, bis zu 10 m vor Lichtzeichen und Vorfahrtzeichen zu halten, wenn sie dadurch verdeckt werden, ist neu. Es ist in abgeschwächter Form dem Weltabkommen entnommen. 3. Das Parkverbot vor Grundstücksein- und -ausfahrten entspricht der bisherigen Regelung (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO 1937), wurde aber insofern erweitert, als nunmehr auf schmalen Straßen auch das Parken gegenüber Grundstücksausfahrten untersagt wird. 4. Das Parkverbot bis zu 15 m vor und hinter Haltestellenschildern entspricht der bisherigen Regelung (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 StVO 1937). 5. Das Parkverbot an „Taxenständen" entspricht der bisherigen Regelung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 mit Bild 31 der Anlage zur StVO 1937). 6. Das Parkverbot vor und hinter Andreaskreuzen an Bahnübergängen war bisher an eine konkrete Sichtbehinderung geknüpft; (§ 16 Abs. 1 Nr. 3). Nun ist es konkretisiert und für Bahnübergänge innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften verschieden ausgestaltet. 7. Das Parken auf Gehwegen ist grundsätzlich verboten, weil nach § 2 Abs. 1 Fahrzeuge die Fahrbahn benutzen müssen. Durch Z. 315 kann aber ausnahmsweise das Parken auf Gehwegen erlaubt werden. Aber auch in diesem Falle ist das Parken über Schachtdeckeln und anderen Verschlüssen unzulässig. Das entspricht der früheren Regelung (§ 16 Abs. 2 S. 3). Die neue Fassung der Vorschrift ist klarer. 8. Die Parkverbote durch Verkehrszeichen wurden gegenüber früher (insb. § 16 Abs. 1 a) erweitert. a) Neu ist das Parkverbot auf „Vorfahrtstraßen" (Z. 306). Es ist nicht auf Bundesstraßen beschränkt. Auf Vorfahrtstraßen darf nur geparkt werden, wenn ein zum Parken ausreichender Seitenstreifen vorhanden ist. b) Bei Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295, 296) kann über das Haltverbot nach Abs. 1 Nr. 6 c hinaus auch ein Parkverbot bestehen, das natürlich nur in Frage kommt, soweit das Halten erlaubt ist. Das ist der Fall, wenn der Seitenstreifen zum Parken ungeeignet ist. In diesem Fall ist die Zulässigkeit des Parkens an die Voraussetzung geknüpft, daß zwischen dem parkenden Fahrzeug und der Trennlinie ein Fahrstreifen von mindestens 3 m Breite verbleibt. Die Vorschrift ist neu und recht kompliziert, besonders wenn man bedenkt, daß diese Sonderregelung nur für Straßen mit Fahrstreifenbegrenzung gilt, die nicht gleichzeitig Vorfahrstraßen sind. Denn auf Vorfahrtstraßen ist zwar das Halten erlaubt (falls es nicht wegen einer Fahrstreifenbegrenzung verboten ist), das Parken ist aber ausnahmslos, also unabhängig von der Breite der verbleibenden Durchfahrt, verboten. Das bisherige Verbot des Parkens auf der mittleren von drei baulich getrennten Fahrbahnen (§ 16 Abs. 1 Nr. 6 StVO 1937) ist entfallen, doch wird sich das Verbot, aus § 2 Abs. 1 mit § 12 Abs. 4 herleiten lassen. c) Das Parken auf Gehwegen war auch bisher nur unter besonderen Voraussetzungen gestattet; (§ 16 Abs. 2 S. 2 StVO 1937).
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Wast ist neu? A m t l . Begründung
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d) D i e Grenzmarkierung für Parkverbotszonen geschah früher durch Bild 30 d der Anlage zur S t V O 1937, das inhaltlich mit Z. 299 übereinstimmte. e) Da Parken überall da erlaubt ist, w o es nicht verboten ist, bedurfte es an sich keines Zeichens, durch das Parken erlaubt wird. Parkplatzzeichen (Z. 314) k ö n n e n aber zusammen mit Zusatzschildern die Bedeutung v o n Parkverboten gewinnen. D i e Parkerlaubnis kann hierdurch auf eine bestimmte Dauer oder bestimmte Fahrzeugarten beschränkt werden. Das war auch bisher schon möglich. In Abs. 4 sind nähere Anweisungen enthalten, w o gehalten und geparkt werden muß. D i e Neuregelung entspricht zwar im wesentlichen den bisher v o n der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen, sie bringt aber doch klarer z u m Ausdruck, was erlaubt ist und was nicht. V o n besonderer Wichtigkeit ist das Gebot, z u m Parken immer den rechten Seitenstreifen zu benutzen, w e n n er ausreichend befestigt ist, sonst an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. D a das H a l t e n z u m Zwecke des Be- und Entladens nunmehr als Parken gilt, wird damit das H a l t e n in zweiter Reihe z u m Zwedte des Be- oder Entladens ausdrücklich und eindeutig verboten. N u r ein kurzes H a l t e n (bis zu 3 Minuten) ist in zweiter Reihe zulässig, soweit dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Daß, soweit auf der rechten Seite Schienen liegen sowie in Einbahnstraßen auch links gehalten und geparkt werden darf, entspricht der bisherigen Regelung. N e u ist der ausdrückliche Hinweis, daß platzsparend geparkt und in der Regel auch gehalten werden muß. Dieser Grundsatz wurde bisher dem § 1 e n t n o m m e n .
II. Amtliche Begründung Nachdem die Paragraphen 2 bis 11 sich mit dem fließenden Verkehr befaßt haben, folgt nun eine Zusammenfassung fast aller Regeln für den sogenannten ruhenden Verkehr in drei Paragraphen. Ergänzend ist auf § 17 Abs. 4 letzter Satz, und auf § 18 Abs. 8 hinzuweisen. Zu Absatz 1: Was unter Halten zu verstehen ist, steht schon in den Leitgedanken (unter 3). Die unter 1 bis 6 aufgezählten Haltverbote sind Weltregeln, sie bedürfen im einzelnen keiner Begründung. Daß das geltende Recht in den Fällen der Nummern 1 und 2 (nur) Parkverbote erlassen hat, ist sdiwer verständlich. Zu Absatz 2: Die Definition des Parkens in § 16 der bisherigen StVO („Aufstellen von Fahrzeugen, soweit es nicht nur zum Ein- oder Aussteigen und Be- und Entladen geschieht") ist falsch. Sie widerstreitet nicht nur der Volksauffassung, sondern auch dem, was § 16 selbst will. Die Definition ist ausschließlich auf das Parkverbotszeichen zugeschnitten und paßt für alle anderen Parkverbote desselben Paragraphen schlechterdings nicht. Abgesehen davon, daß in den meisten Fällen, in denen die StVO (alt) nur das Parken verbietet, sogar ein striktes Haltverbot erlassen werden muß, hat der frühere Gesetzgeber nidit deutlich genug erkannt und nicht unterschieden in Fälle, in denen eine zweckbeschränkte Halteerlaubnis am Platze ist, und Fälle, in denen sich eine zeitlich beschränkte Halteerlaubnis empfiehlt. Es gibt örtlichkeiten, an denen das Be- und Entladen ohne Rücksicht auf die Dauer dieser Verrichtung gestattet werden muß, und es gibt andererseits örtlichkeiten, an denen nur kurzfristiges Halten mit stets abfahrbereitem Führer gestattet werden kann. Beispiele mögen das verdeutlichen. Im geltenden Recht und in Absatz 3 dieses Paragraphen ist das Parken vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten verboten. Jedes Halten dort zu verbieten, würde zu weit führen. Zu gestatten, dort einen Möbelwagen zu entladen, wäre unsinnig. Dasselbe gilt für das Verbot des Parkens 15 m vor und hinter Haltestellenschildern der öffentlichen Verkehrsmittel. Nebenbei ist auch nicht einzusehen, daß in solchen Fällen ein abfahrtbereiter Führer dort nur zum Aus- und Einsteigenlassen oder zum Be- oder Entladenlassen kurze Zeit halten dürfte und nicht etwa auch zu kurzer Fahrtunterbrechung, zum Kartenstudium, zum Entnehmen von Zigaretten aus einem Automaten usw. Wo dagegen das Be- und Entladen ohne Zeitgrenze gestattet werden muß, dort ist das Zeichen 286 aufzustellen, das konsequent nunmehr den Namen „Eingeschränktes Haltverbot" bekommen soll; d. h. an diesen Stellen darf nur zu ganz bestimmten Zwecken gehalten werden. Was auf einer Parkverbotsstrecke unbedenklich gestattet werden kann, ist in Absatz 2 gesagt. Der Gesetzgeber darf sich, wenn er eine sachgerechte Lösung finden will, nicht darauf beschränken, bei der Parkdefinition eine obere zeitliche Grenze des Haltens zu ziehen. Denn auch das Verlassen des Fahrzeugs ist von Bedeutung. Überall, wo das Parken verboten ist, verlangt das Verkehrsinteresse auch bei kürzerem Halten einen jederzeit abfahrtbereiten Fahrzeugführer. Daß dieser, sobald das haltende
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Fahrzeug zum Hindernis wird, dann audi wirklich wegfahren muß, gehört zu jenen Selbstverständlichkeiten, die der Verkehrsgesetzgeber nicht aussprechen darf. Das ergibt sich aus § 1. Die Verordnung zieht die Zeitgrenze, bei der das Halten zum Parken wird, strikt bei 3 Minuten. Der Vorentwurf hatte flexibler von „wenigen Minuten" gesprochen. Mag solche Regelung auch eine der jeweiligen örtlichkeit besser angepaßte Handhabung der Vorschrift gestatten, so liegt es doch wohl im Interesse der Verkehrsteilnehmer, eine klare Regelung zu erhalten. Da die Verordnung damit von der bisherigen Definition abgehen muß, läßt es sich nicht vermeiden, im Text sachgerecht neu zu definieren. Hierbei bemüht sich die Verordnung, sich besonders volkstümlich und einprägsam auszudrücken. Was der Leser in Absatz 2 vorfindet, versteht er heute schon — trotz der bisherigen Legaldefinition — in Wirklichkeit unter Parken. Auch für Verwaltung und Gericht kann es dabei Zweifel nicht geben. Was unter dem Verlassen des Kraftfahrzeugs zu verstehen ist, das ist der ausgedehnten, sachlich zutreffenden Rechtsprechung zu § 35 StVO (alt) allgemein verständlich zu entnehmen. Zu Absatz 3: Zu Nrn. 1, 4 und 5: Geltendes Recht wird übernommen. Zu Nr. 2: Dieses Verbot ist, stark abgeschwächt, dem Weltabkommen entnommen worden. Danach [Artikel 23 Abs. 3 Buchst, c) v)] soll das Parken an jeder Stelle verboten sein, wo das parkende Fahrzeug ein Verkehrszeichen oder ein Lichtzeichen der Sicht anderer Verkehrsteilnehmer entziehen würde. Ein so weitgehendes Parkverbot kann nicht übernommen werden. Dafür ist bei uns der Parkraum zu knapp und die Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen und Lichtzeichen zu weit fortgeschritten. Das Verbot wird deshalb sachgerecht eingeschränkt. Zu Nr. 3: Das bisherige Verbot wird, weil unerläßlich, erweitert. Es braucht in der Verordnung nicht gesagt zu werden, was unter einer schmalen Fahrbahn zu verstehen ist, weil der Zweck der Norm auf der Hand liegt. Zu Nr. 6: Das bisher in § 16 Abs. 1 Nr. 3 enthaltene Verbot wird sachgerecht konkretisiert. Die Bundesbahn strebt an Übergängen ein freies Sichtdreieck vom 50-m-Punkt an. Innerhalb geschlossener Ortschaften läßt sich wegen der Parkraumnot das Parkverbot nicht aufrechterhalten; erforderlichenfalls ist dort durch Verkehrszeichen abzuhelfen. Zu Nr. 7 : Das bisherige Verbot (§ 16 Abs. 2 letzter Halbsatz) war mißverständlich gefaßt; vgl. Hamm 10. 9. 1968 VerkMitt. 1969 Nr. 13. Die Neufassung will das Mißverständnis ausschließen. Zu Nr. 8: Die Verbote bedürfen hier keiner Begründung. Zu Absatz 4: Der Absatz bringt in Übereinstimmung mit dem Weltabkommen Vorschriften darüber, wo auf der Straße und wie dort zu parken und zu halten ist. Ob ein Seitenstreifen zum Parken geeignet ist, kann für den Verkehrsteilnehmer zweifelhaft sein. In solchen Fällen kann durch Aufstellung des Unterrichtungszeichens 388 das Notwendige gesagt werden. Es liegt im Interesse der Verkehrssicherheit, Fahrzeuge auch zu kurzem Halten, wie es der zweite Satz verlangt, an den Fahrbahnrand zu verweisen; das Halten „in zweiter Reihe" wird damit untersagt. Die Vorschrift darf freilich nur als Regelsatz aufgestellt werden, der Ausnahmen duldet. Wenn Verkehrslage und örtlichkeit es zulassen, genügt es durchaus, „auf der rechten Seite" zu halten; dadurch wird zugleich häufig schwieriges Einordnen zwischen parkenden Fahrzeugen und stets das nicht ungefährliche Anfahren vom Fahrbahnrand (vgl. § 10) vermieden. Satz 3 übernimmt geltendes Recht; es dient lediglich der Klarstellung, wenn neben dem Halten auch das Parken ausdrücklich erwähnt wird. Zu Absatz 5: Diese Vorschrift ist durch die herrschende Parkraumnot diktiert. Wie man vom Verkehr verlangen muß, daß er sich in den Verkehrsfluß einfügt, so kann und muß man ihn dazu verpflichten, auch beim Parken das Allgemeininteresse nicht zu vernachlässigen und nicht mit dem knappen Parkraum verschwenderisch umzugehen. Der Satz ist kein Programmsatz, sondern enthält ein durch § 24 StVG bußgeldbewehrtes Gebot (§ 49 Abs. 1 Nr. 12). Daß er sich nicht mehr konkretisieren läßt, braucht kaum gesagt zu werden. Der Pflichtbewußte weiß sehr wohl, wie er sich zu verhalten hat, derjenige, dem die erforderliche Verkehrsgesittung fehlt, bedarf der Erziehung. Es ist sachgemäß, für den, der nicht parken (sondern nur halten) will, die Vorschrift nur als Regelsatz aufzustellen.
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Begriff des „Haltens"
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B Inhalt der Halt- und Parkvorsdiriften I. Begriff des Haltens und Parkens Die S t V O 1937 gab noch Anlaß zu komplizierten Erörterungen über die Begriffe „Halten", „Anhalten", „Aufstellen", „Abstellen" und „Parken"; (vgl. Vorbemerkung zu § 15 in der 21. Auflage). Nun wird nur unterschieden zwischen Halten und Parken. 1. Begriff des »Haltens" „Halten" hat einen doppelten Sinn: Einmal bezeichnet es eine Tätigkeit, nämlich das Anhalten des Fahrzeugs; andernteils einen Zustand, nämlich das Verweilen an der Stelle, an der das Fahrzeug angehalten wurde. In Abs. 1 ist das „dynamische" Halten gemeint, in Abs. 2 das „statische". Nach der Vwv zu § 12 Abs. 1 ist Halten „eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durdi die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßt ist". Unter „Anordnung" ist dabei die Weisung eines Polizeibeamten oder auch der Rechtsbefehl eines Verkehrszeichens oder eines Lichtzeichens 1 ) zu verstehen. Nach dem allgemeinen Wortgebrauch hält auch, wer zum Halten genötigt wird. D e r Wortsinn wird also durdi die „Legaldefinition" der Vwv eingeengt. O b diese dem Laien nicht ohne weiteres verständliche Einengung nicht in den Gesetzestext hätte aufgenommen werden sollen, ist fraglich. Man wird sich aber mit der Ungenauigkeit abfinden können, weil auch nach bisherigem Rechtsgebrauch die Halte- und Parkvorsdiriften nur auf die „gewollte" Fahrtunterbrechung angewendet wurden. So klar und einfach die Definition klingt, vermag sie doch nicht alle Fragen eindeutig zu lösen, die sich bei der Anwendung des Begriffes „Halten" ergeben können: Einfach ist der Fall, wenn ein Fahrzeug ohne oder gegen den Willen des Fahrers zum Halten k o m m t 2 ) : Der Tank ist leer, der Motor streikt, ein Reifen ist platt. In solchen Fällen kommt das Fahrzeug von selbst zum Halten oder muß angehalten werden, um einen U n fall zu vermeiden. Die S t V O kennt den Begriff des „Liegenbleibens" (§ 15), sie legt dem Liegengebliebenen gewisse Pflichten auf. Die Halt- und Parkvorsdiriften des § 12 gelten aber für ihn nicht. Gleidizubehandeln werden Fälle sein, bei denen das Halten vom Standpunkt des Fahrers aus immerhin zweckmäßig erscheint, weil am Fahrzeug möglicherweise ein Mangel aufgetreten ist, der nur am stehenden Fahrzeug festgestellt werden kann. Hier ist die Fahrtunterbrechung gewollt, sie wird aber durch die Verkehrslage „veranlaßt", wenn das Halten vertretbar ist. Dabei spielt für die Frage, ob das Halten noch als „ungewollt" angesehen werden kann, der Umstand keine Rolle, ob der Fahrer durch fehlerhaftes Verhalten dazu beigetragen hat, daß er in die zum Halten Anlaß gebende Lage geriet. K o m m t ein Fahrzeug zum Halten, weil der Benzintank leer ist, dann wird den Fahrer häufig der Vorwurf treffen, daß er nidit rechtzeitig getankt hat. Muß er halten, um den Hahn des Reservetanks zu öffnen, soll ihn kein Vorwurf treffen, falls er keinen Benzinstandsanzeiger besitzt 3 ). Auch der Wechsel der Schaublätter gehört hierher. Von diesen Fällen zu unterscheiden sind jene, in denen ein an sich zulässiger Erfolg nicht anders als durch kurzes Anhalten erreicht werden kann: Wer vom Vorwärts- auf den Rückwärtsgang umschaltet, muß naturgemäß zwischen dem Vorwärts- und Rückwärtsfahren kurz anhalten. Das Umschalten auf den Rückwärtsgang ist freiwillig und „gewollt", aber das Anhalten nach der Verkehrslage nidit vermeidbar 4 ). Ähnlich muß derjenige, der vor dem geschlossenen T o r seiner Grundstückszufahrt anlangt, notwendig kurz anhalten, um das T o r aufzuschließen, bevor er in sein Grundstück einfahren kann. Audi hier ist ») BGHSt. 14, 149 (19. 2. 60) = Betrieb 60, 551 = DAR 60, 149 = MDR 60, 598 = NJW 60, 926 = VerkMitt. 60, 50 = VRS 18, 313 = DRspr. II (293) 42 a. 2 ) Köln 5. 4. 55, JMB1. NRW 55, 155 = VRS 8, 460.
3 4
) BayObLG 21. 6. 68, bei Rüth, DAR 69, 226 (II 1 c). ) BGHSt. 18, 314 (3. 4. 63) = MDR 63, 610 NJW 63, 1213 = VkBl. 63, 387 = VRS 24, 451 = DRspr. II (293) 65 a; ähnlidi Celle 24. 6. 60, VRS 20, 158 = DRspr. II (293)
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das Einfahren „gewollt", das Anhalten aber unvermeidbare Voraussetzung 5 ). In allen diesen Fällen wird man nicht kleinlich verfahren dürfen. Das Halten wird noch als durch die Verkehrslage bedingt angesehen werden können. N u n gibt es aber andere Fälle, in denen eine vernünftige Abgrenzung schwieriger erscheint: Wer sein Fahrzeug anhält, um aus Höflichkeit einem anderen das Einordnen zu ermöglichen, hält gewollt. Die Verkehrslage nötigt ihn nicht zu halten. (Es sei denn, es läge ein Fall des § 11 Abs. 2 vor). Es ist sein eigener freier Entschluß, von seinem Vorrecht keinen Gebrauch zu machen. Trotzdem wird man auch hier das Halten nodi als durch die Verkehrslage veranlaßt anerkennen können. Anders wenn jemand sein Fahrzeug anhält, um einen Nachfolgenden aus irgendwelchen Gründen am Weiterfahren zu hindern. Auch hier wird zwar das Halten dazu benutzt, um auf das Verkehrsgeschehen einzuwirken, man wird aber nicht mehr sagen können, das Halten sei durch die Verkehrslage veranlaßt. Der „defensive" Fahrer wird öfter halten, um nicht in Gefahr zu geraten, obwohl das Halten durch die Verkehrslage nicht veranlaßt wäre. Trotzdem wird man auch ihm zubilligen, daß aus seiner Sicht jedenfalls Anlaß bestand, anzuhalten. Man kann vielleicht sagen: Wer sein Fahrzeug im Verkehrsinteresse anhält, wird auch dann so behandelt, als sei das Halten durch die Verkehrslage „veranlaßt", wenn die Verkehrslage in Wahrheit nicht zum Halten nötigen würde 9 ). Die Vwv hat offensichtlich nur die Fälle im Auge, in denen der Haltende aus Verkehrsgründen oder auf plötzliche Anordnung hin im Sinne der StVO „wartet". Hierzu sagt die Vwv zu §§ 5 und 6, wer durch die Verkehrslage oder durch eine Anordnung aufgehalten sei, „warte". Der Wartende wird auch dort dem fließenden Verkehr zugeordnet, er wird „überholt", an ihm wird nicht „vorbeigefahren". Wie oben dargelegt, gibt es aber auch zahlreiche Fälle, in denen gehalten wird, ohne daß der Haltende „wartet" und in denen doch kein Halten im Sinne des § 12 anzunehmen ist. Zu beachten ist, daß in allen Fällen, in denen die Halt- und Parkvorschriften auf ein haltendes Fahrzeug nicht anzuwenden sind, sich aus der jeweiligen Verkehrslage besondere Pflichten aus § 1 ergeben können 7 ). Da sich die StVO nur an die Verkehrsteilnehmer wendet, beziehen sich die Halte- und Parkverbote auch nur auf den „ruhenden Verkehr", d. h. auf Fahrzeuge im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Ob auf einem Privatgrundstück (auf dem kein öffentlicher Verkehr eröffnet wurde) gehalten und geparkt werden darf, sagt nicht die StVO, sondern z. B. § 368 N r . 9 StGB und verwandte Bestimmungen. Auch dem § 2 Abs. 1 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Diese Vorschrift regelt die Benutzung der Fahrbahn im Bereich der Straße, also im Verhältnis zu anderen Straßenteilen, z. B. Gehwegen; (vgl. § 2 R N r . 4). Ihm kann deshalb auch nicht entnommen werden, ob außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes gehalten und geparkt werden dürfe. Er verbietet allerdings das Parken auf Gehwegen etc. Eine Ausnahme gegenüber der Pflicht, die Fahrbahn zu benutzen, bildet § 12 Abs. 4, der die Benutzung des rechten Seitenstreifens zum Parken vorschreibt, wenn er dazu ausreichend befestigt ist. Zusammenfassend ist also zu sagen: nur wer auf öffentlichem Verkehrsgrund die Fahrt gewollt unterbricht, hält im Sinne des § 12. Was der Haltende zu beachten hat, sagt § 12 nicht erschöpfend. Vielmehr können sich aus § 1 von Fall zu Fall zusätzliche Pflichten ergeben; (vgl. § 1 R N r . 75—77). 2. Begriff des „Parkens" Der Begriff des Parkens wird in der StVO 1970 einfach und klar entwickelt. Verläßt der Fahrzeugführer nach dem Halten das Fahrzeug oder hält er länger als 3 Minuten, dann wird aus dem „Halten" ein „Parken". Zu welchem Zwedc gehalten wird, ist dabei gleichgültig. Allerdings muß das Verbleiben an der Stelle, an der gehalten wurde, frei5 ) A. M. Köln 13. 7. 56, DAR 57, 111. «) Vgl. BayObLG 23. 12. 59, VkBl. 60, 214 = VRS 18, 376 = DRspr. II (293) 42 c; s. auch BGH(Z) 21. 11. 67, VersR 68, 196; Düsseldorf 3. 9. 64, JMB1. N R W 64, 248 =
7
VerkMitt. 66, 7 = VRS 28, 57 = DRspr. II (293) 67 b. ) Vgl. z. B. Schleswig 28. 1. 65, VerkMitt. 65, 24.
StVO
Begriff des „Parkens"
§ 12
willig sein. Wer durdi die Verkehrsverhältnisse gehindert wird, nachdem er „gewollt" angehalten hatte, innerhalb der Dreiminutenfrist weiterzufahren, parkt nicht, sondern sein „Halten" geht ins „Warten" über. Das Parken ist normalerweise an keine Zeit gebunden. Auch „Dauerparken" ist Parken im Sinne des § 12 8 ). Welche Zwecke mit dem Parken verbunden werden, ist in der Regel gleichgültig, sie müssen nur verkehrsbezogen sein. Wird mit dem Aufstellen eines Fahrzeugs ein verkehrsfremder Zweck verfolgt, dann kann zwar der zulässige Gemeingebrauch überschritten sein, auch können landes- und ortsreditliche Vorschriften, die eine über den Gemeingebraudi hinausgehende Benutzung der Straßen regeln, verletzt sein. Denn durch Landes- und Ortsrecht kann zwar der nach Bundesrecht zulässige Gemeingebrauch der Straßen zum Parken nicht eingeschränkt werden 9 ); soweit aber der Gemeingebrauch überschritten wird, sind örtliche Regelungen zulässig. In diesen Fällen nimmt der Fahrer trotz der Überschreitung des zulässigen Gemeingebrauches noch am Verkehr teil; für ihn gelten die Halt- und Parkvorschriften des § 12 wie für alle übrigen Verkehrsteilnehmer 10 ). Nur dann, wenn ein Fahrzeug „aus dem Verkehr gezogen wird", weil es nicht mehr zugelassen oder nicht mehr betriebsfähig ist, verliert es den Charakter eines am Verkehr teilnehmenden Fahrzeugs 11 ); ein Fahrzeug, das nicht mehr betrieben wird, kann auch nicht am „ruhenden Verkehr" teilnehmen. Es kann als „Gegenstand" im Sinne des § 32 behandelt werden (s. dort R N r . 2). Nimmt ein Fahrzeug nicht mehr am ruhenden Verkehr teil, dann muß es von der Fahrbahn entfernt werden. Ein Sonderfall ist die Verwendung eines parkenden Fahrzeugs nur zum Zwecke der Werbung. Diese Verwendung ist nach § 33 Abs. 1 S. 3 schlechthin verboten. Das Parken ist also in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn es nach den allgemeinen Vorschriften erlaubt wäre. Andere Fälle, in denen das Parken wegen des damit verfolgten Zwecks verboten wäre, sind nicht ersichtlich. Frühere Entscheidungen, die bei der Abgrenzung des „Haltens" vom „Parken" auf den Zweck abgestellt waren, können bei der Auslegung der Vorschrift nicht mehr herangezogen werden. Ob jemand, der kurzfristig anhält, um vom Wagen aus nach dem Weiterweg zu fragen, parkt, entscheidet sich nunmehr allein nach dem Zeitbedarf. Hält er länger als drei Minuten, dann parkt er 12 ). Freilich werden geringfügige Überschreitungen der Dreiminuten-Grenze normalerweise nicht festgestellt werden können, und wenn sie festgestellt werden, wird in der Regel kein Interesse an der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bestehen; (§ 47 OWiG). 3. Wann wird das Fahrzeug „verlassen"? Wann der Führer das Fahrzeug im Sinne des Abs. 2 „verläßt", sagt das Gesetz nicht. Die amtliche Begründung dazu meint, was unter dem Verlassen des Fahrzeugs zu verstehen ist, sei der ausgedehnten, sachlich zutreffenden Rechtsprechung zu § 35 StVO 1937 zu entnehmen. Cramer 13 ) weist mit Recht darauf hin, daß die Verweisung auf diese Rechtsprechung insofern nicht ganz unbedenklich ist, als der Normzweck des § 12 Abs. 2 ein anderer ist, als der des früheren § 35 StVO. § 35 StVO 1937 (nunmehr § 14 Abs. 2) diente dazu, der mit dem Verlassen des Fahrzeugs verbundenen Gefahr einer mißbräuchlichen Benutzung entgegenzuwirken, § 12 Abs. 2 dagegen knüpft die Bevorrechtigung des bloß Haltenden gegenüber dem Parkenden an die Bedingung, daß eine Behinderung des Ver8) BVerwG 12. 12. 69, DAR 70, 165 = DVB1. 70, 586 = MDR 70, 535 = N J W 70, 962; 71, 397 mit zust. Anmerkung von Schmeding = VerkMitt. 70, 43 = VRS 38, 391 = DRspr. II (293) 93 a in Weiterführung von BVerwG 4. 3. 66, DVB1. 66, 406 = MDR 66, 615 = N J W 66, 1190 = VRS 30, 468 = DRspr. II (293) 73 d; Hamm 18. 3. 60, VRS 14, 465; a. M. OVG Hamburg 6. 8. 64, VerkMitt. 65, 93. ») Bremen 18. 6. 62, N J W 62, 1582 = VerkMitt. 62, 81 = VRS 23, 39; Köln 14. 9. 6 2 ;
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)
11) 12
)
13
)
N J W 62, 2073 = VerkMitt. 62, 83 = VRS 24, 316; Düsseldorf 15. 11. 61, VerkMitt. 62, 82. So auch Mühlhaus StVO § 12 Anm. 4 b und Booß StVO § 12 Anm. 3. BVerwG 12. 12. 69 wie Fußn. 8; Hamm 20. 11. 70, VRS 41, 74. Zur früheren Rechtslage vgl.: BayObLGSt. 59, 363 (23. 12. 59) = N J W 60, 833 (L) = VerkMitt. 60, 16; Bremen 25. 9. 62, VerkMitt. 63, 24. Cramer StVO § 12 RNr. 42.
§ 12 StVO
Möhl
kehrs durch R ä u m e n des besetzten Platzes jederzeit vermieden werden kann. T r o t z d e m wird die bezeichnete f r ü h e r e Rechtsprechung weitgehend herangezogen werden k ö n n e n ; (s. § 14 R N r . 10). Denn in Fällen, in denen der Fahrzeugführer noch in der Lage ist, einen Mißbrauch des Fahrzeugs sofort zu verhindern, wird er auch in der Regel imstande sein, den Halteplatz erforderlichenfalls sogleich zu räumen. Im übrigen besteht f ü r den Haltenden nicht ohne weiteres die Pflicht, seinen Platz zu räumen, wenn andere durch das Halten vorübergehend behindert werden. Wer an einer Stelle hält, an der das Halten erlaubt ist, und an der der andere nicht mehr als unvermeidbar behindert wird, wird im allgemeinen nicht verpflichtet sein, vor Ablauf der ihm zum Halten gewährten Frist von drei Minuten wegzufahren. Das gilt besonders, wenn er sein Fahrzeug pflichtgemäß am Fahrbahnrand angehalten hatte. Soweit er v o n der in Abs. 4 S. 2 Halbsatz 2 vorgesehenen Ausnahme Gebrauch macht, nicht am Fahrbahnrand (sondern n u r auf der rechten Seite rechts) zu halten, sind allerdings Fälle denkbar, in denen er z u r Vermeidung einer größeren Verkehrsstockung wegfahren muß. Das gilt vor allem f ü r das Halten in zweiter Reihe; (s. unten R N r . 40). Der Fahrer „verläßt" das Fahrzeug nach dem Wortlaut, sobald er aussteigt. Man wird aber bei großzügiger Auslegung auch Fälle, in denen der Fahrer zwar aussteigt, aber sidi so nahe beim Fahrzeug aufhält, daß er jederzeit wieder den Führersitz einnehmen und wegfahren kann, noch einbeziehen können, denn mehr ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich, u m die Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Auch kann sich der Fahrzeugführer durch einen anderen am Steuer vertreten lassen, der zur Lenkung eines Kraftfahrzeugs berechtigt und in der Lage ist. Im Hinblick auf die überaus kurze Frist v o n drei Minuten wird ein Fall, in dem das H a l t e n n u r deshalb in das Parken übergeht, weil der Fahrer das Fahrzeug „verlassen" hat, selten sein. Die Dreiminutenfrist beginnt m i t dem „Halten" oder genauer mit dem Zeitpunkt, in dem das Fahrzeug zum Halten k o m m t . II. W o ist das H a l t e n unzulässig? 1. A n engen u n d an unübersichtlichen Straßenstellen (Abs. 1 N r . 1) „An" geht weiter als „in": Nicht n u r der e i g e n t l i c h e Bereich der engen und unübersichtlichen Stellen ist gemeint, sondern auch die unmittelbar vor und nach diesen Stellen liegenden Straßenstrecken, soweit sich dort die Straßenenge und Straßenunübersichtlidikeit auf den Verkehr auswirkt. Enge
Straßenstellen
Wann Straßenstellen „eng" sind, sagt die neue Vorschrift so wenig wie die f r ü h e r e (§ 16 Abs. 1 N r . 2 StVO 1937). Der Begriff der „engen Straßenstelle" m u ß aus dem Zweck der Vorschrift hergeleitet werden. Diese will verhindern, daß durch parkende Fahrzeuge der f ü r den fließenden Verkehr freibleibende R a u m unerträglich eingeengt wird. Genügend breit ist die offenbleibende Durchfahrt in der Regel dann, wenn ein Fahrzeug mit zulässiger Höchstbreite (nach § 32 Abs. 1 StVZO 2,50 m) unter Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zu dem haltenden Fahrzeug ohne Schwierigkeit vorbeifahren kann 1 4 ). Regelmäßig m u ß daher f ü r die Vorbeifahrt eine Durchfahrt von mindestens 3 m zuzüglich eines zur gegenüberliegenden Fahrbahnbegrenzung etwa erforderlichen Sicherheitsabstandes verbleiben. Diese Regel stellt aber keine starre Vorschrift dar, sie m u ß unter Berücksichtigung der jeweiligen besonderen Verkehrslage angewendet werden. Ist etwa die Fahrbahn f ü r den Durchgangsverkehr gesperrt u n d ist nicht damit zu redinen, daß im Anliegerverkehr ein Lastkraftwagen mit der zulässigen Höchstbreite sie befahren wird, dann k a n n eine geringere Durchfahrt ausreichen 15 ). Ist in der Straßenmitte eine Fahrstreifenbegrenzungslinie (Z. 295) angebracht, dann m u ß der Zwischenraum zwischen dieser " ) BayObLGSt. 60. 84 (30. 3. 60) = DAR 60, 268 = JR 60, 269 = NJW 60, 1484 = VRS 19, 154 = DRspr. II (293) 43 d; KG 16. 1. 69, VRS 37, 232.
15
) BayObLGSt. 64, 27 (26. 2. 64) = VerkMitt. 64, 37 = VRS 27, 232 = DRspr. II (293) 67 c.
StVO
Enge und unübersichtliche Straßenstellen
§ 12
Linie und dem haltenden Fahrzeug ausreichend sein16). Nach Abs. 3 N r . 8 b mit Z. 295 ist übrigens in diesem Fall das Parken an die Voraussetzung geknüpft, daß zwischen dem parkenden Fahrzeug und der Linie ein Fahrstreifen von mindestens 3 m verbleibt. Da schon das Halten unter dieser Voraussetzung erlaubt ist, ist dieses Parkverbot überflüssig. Ob es sidi um eine längere oder kürzere Engstelle handelt, ja ob die Straße in ihrem gesamten Verlauf so schmal ist, daß ein parkendes Fahrzeug den Durchgangsverkehr blockiert, ist ohne Bedeutung 17 ). Wenn auch der Begriff der „engen Straßenstelle" zunächst wohl in erster Linie die durch die natürliche Beschaffenheit der Straße bedingte Enge im Auge hat, ist es doch auch möglich, daß eine Straßenstelle durch vorübergehende Hindernisse, etwa Schneehaufen oder parkende Fahrzeuge, so eingeengt wird, daß durch das Halten die Durchfahrt gesperrt würde18). Das kann besonders von Bedeutung sein f ü r das Halten in zweiter Reihe, (das nach Abs. 4 u. Umst. zulässig ist, s. unten R N r . 40). Wird hierdurch der Durchgangsverkehr gestört, dann ist das Halten in zweiter Reihe nach Abs. 1 N r . 1 verboten, auch wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben wären. Ob ein Kraftfahrer, der sein Fahrzeug vorschriftsmäßig geparkt hat, die Parkstelle nach § 1 räumen muß, wenn die Fahrbahn dadurch f ü r den fließenden Verkehr gesperrt wird, wenn später ein anderer Kraftwagen auf der gegenüberliegenden Seite (vorschriftswidrig) geparkt wird, hängt von den Umständen des Falles ab. Dabei kommt der Frage der Zumutbarkeit Bedeutung zu 19 ). Die Frage, ob an enger Stelle gehalten werden darf, hängt von der Breite der freibleibenden Durchfahrt ab, diese wieder von der Breite des haltenden Fahrzeugs. Es kann also sein, daß ein schmales Fahrzeug noch halten darf, wo es einem breiten nicht mehr gestattet ist. Dagegen kommt es darauf nicht entscheidend an, welche Fahrzeuge tatsächlich die Durchfahrt benützen. Hier ist in der Regel von der höchstzulässigen Breite auszugehen. Auf schmaler Fahrbahn besteht gegenüber Grundstücksaus- und -einfahrten ein zusätzliches Parkverbot (Abs. 3 N r . 3), das weitergeht als das Haltverbot nach Abs. 2 N r . 1. Schmal im Sinne jener Vorschrift ist die Fahrbahn schon dann, wenn ein aus dem Grundstück Ausfahrender oder in das Grundstück Einfahrender durch das parkende Fahrzeug erheblich behindert wird (s. unten R N r . 26). Unübersichtliche Straßenstellen Der Schutzzweck der Vorschrift ist es, an Straßenstellen, die wegen ihrer Unübersichtlichkeit f ü r den Verkehr schwierig und gefährlich sind, zusätzliche Erschwerungen und Gefahren durch haltende Fahrzeuge zu vermeiden 20 ). „Unübersichtlich" sind Straßenstellen, an denen der Fahrzeugführer wegen sichtbehindernder Umstände nicht zuverlässig beurteilen kann, ob seine Fahrbahn auf der vor ihm liegenden Fahrstrecke frei sein wird; (vgl. § 3 R N r . 57, § 5 R N r . 8)21). Darauf, ob von der Seite her, sei es aus Nebenstraßen oder Grundstücken, andere Verkehrsteilnehmer überraschend in die Fahrbahn geraten können, kommt es dagegen nicht an. Wieweit mit solchen zu rechnen ist, ist eine Frage des Vertrauensgrundsatzes. Unübersichtlich wird eine Straßenstelle nicht deshalb, weil eine andere Straße kreuzt, in die die Sicht behindert ist22). Daß an Kreuzungen einbiegende Fahrzeuge nicht durch Fahrzeuge in ihrer Sicht oder beim Einbiegen in ihrer Weiterfahrt übermäßig behindert werden, wird durch das Verbot des Abs. 3 N r . 1, bis je 5 m vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen zu parken, gewährleistet. Daraus, daß sich der Gesetzgeber nicht wie früher mit einem Parkverbot begnügte, kann nicht geschlossen werden, daß der Begriff der unübersichtlichen Straßenstellen hier ein anderer sein soll als der von der '») H a m m 7. 8. 56, D A R 57, 165 = DRspr. I I (293) 24 d. " ) Oldenburg 18. 2. 66, VerkMitt. 66, 32. 18 ) Vgl. f ü r die frühere Rechtslage Düsseldorf 11. 2. 65, VerkMitt. 65, 48. « ) B a y O b L G 18. 1. 56, VRS 11, 66 = J R 56, 385 mit Anm. von H ä r t u n g . 2 °) H a m m 15. 8. 58, VRS 16, 218.
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) BayObLGSt. 68, 20 (14. 2. 68) = VerkMitt. 68, 51 = VRS 35, 392 = DRspr. I I (293) 85 a; Stuttgart 11. 5. 62, D A R 63, 225 = VRS 27, 269. 22 ) A. M. f ü r die frühere Rechtslage o f f e n b a r Celle 19. 1. 67, VerkMitt. 67, 53 = VRS 32, 474 = DRspr. II (293) 76 d.
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Rechtsprechung vor allem zu § 10 Abs. 1 StVO 1937 erarbeitete 23 ). Selbstverständlich darf auch im Bereich von Kreuzungen dann nicht gehalten werden, wenn der Überblick auf die vor dem Haltenden liegende Fahrbahn behindert ist. Es kommt darauf an, ob die Straßenstelle für die Benutzer der Straße unübersichtlich ist, auf der der Fahrzeugführer halten will. Ob das haltende Fahrzeug gut sichtbar ist, ist nicht entscheidend. Deshalb ist das Halten auf einer sichtbehindernden Kuppe auch dann verboten, wenn das haltende Fahrzeug von beiden Seiten aus auf größere Entfernung sichtbar ist 24 ). (Wer an dem haltenden Fahrzeug vorbeifahren will, kann wegen der Unübersichtlichkeit der Stelle nicht rechtzeitig erkennen, ob mit Gegenverkehr zu rechnen ist). Umgekehrt verbietet eine Sichtbehinderung, die lediglich von dem haltenden Fahrzeug ausgeht, bei sonst übersichtlicher Fahrbahn nicht das Halten 2 5 ). 9
2. Das Halten ist unzulässig im Bereich von scharfen Kurven (Abs. 1 Nr. 2) Während früher das Parken „in" scharfen Straßenkrümmungen verboten war, ist nun das Halten „im Bereich" von scharfen Kurven unzulässig. Die redaktionelle Änderung ist nicht ohne Bedeutung: „Im Bereich" ist mehr als „in". Ähnlich wie bei engen und unübersichtlichen Straßenstellen ist das Verbot nicht auf die eigentliche Kurve beschränkt, sondern bezieht sich auf ihren „Bereich", d. h. auch auf die vor und nach der Kurve liegenden Strecken, soweit sich die Kurve dort auf den Verkehr auswirkt. „Straßenkrümmung" und „Kurve" besagt das Gleiche: Es ist die Abweichung von der geraden Linie. „Scharf" ist sie, wenn sich die Straße schnell von der Geraden entfernt, so daß die Sicherheit des Fahrers wegen der Gefahr des Abweichens aus der; Richtung (Schleuderns) besonders bedroht wird. Es kommt also auf den Kurvenradius an 26 ). Ob die Kurve übersichtlich oder unübersichtlich ist, spielt keine Rolle 2 7 ). Auch im Bereich von übersichtlichen scharfen Kurven darf nicht gehalten werden. Das Verbot gilt, gleichgültig ob an der Innen- oder Außenseite der Kurve gehalten wird 28 ).
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3. Das Halten ist unzulässig auf Besdileunigungsstreifen und auf Verzögerungsstreifen (Abs. 1 Nr. 3) Was Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen sind, sagt die StVO nicht; es ergibt sich aber aus ihrer Benennung. Es sind meist durch Leitlinien von den durchgehenden Fahrstreifen abgetrennte Fahrstreifen, die es dem Einfahrenden ermöglichen, seine Geschwindigkeit der des durchgehenden Verkehrs anzupassen, dem Ausfahrenden, die beim Ausfahren erforderliche Herabsetzung der Geschwindigkeit außerhalb der für den durchgehenden Verkehr bestimmten Fahrbahn vorzunehmen. Bei Z. 340 sind die Beschleunigungsstreifen, in der Vwv dazu die Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen erwähnt und bestimmt, daß sie durch Leitlinien zu markieren sind, die als Breitstriche auszuführen sind. Theoretisch können Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen bei allen Straßen angebracht werden, praktisch werden sie hauptsächlich bei Autobahnen und Kraftfahrstraßen in Frage kommen, auf denen das Halten schon nach § 18 Abs. 8 verboten ist. Die Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen gehören zur Fahrbahn, auch wenn sie nicht für den durchgehenden Verkehr bestimmt sind 29 ). Ob auch die für Linksabbieger bestimmten, vor Kreuzungen angelegten Fahrstreifen „Verzögerungs"-Streifen in diesem Sinne sind, könnte auf Straßen mit Gegenverkehr dahingestellt bleiben, da auf ihnen nach Abs. 4 dort auf keinen Fall gehalten werden darf. Auf Einbahnstraßen allerdings, auf denen links gehalten werden darf, kommt es auf die Auslegung des Abs. 1 Nr. 3 an: Nach dem Sinn und ) Gleicher Meinung Mühlhaus StVO § 12 Anm. 6 a; a. M. Cramer R N r . 57 und Jagusch Anm. 2 a. 2 4 ) BayObLGSt. 68, 20 wie Fußn. 21. 2 5 ) BayObLG 15. 9. 69 bei Rüth, D A R 70, 257 (9 d); Saarbrücken 28. 8. 58, D A R 59, 136. 2 «) Celle 11. 2. 60, NdsRpfl. 60, 186 = NJW 60, 1485 = VerkMitt. 60, 55 = V R S 19, 387. 23
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2'} A. M. Jagusch StVO § 12 Anm. 2 b. ) So für die frühere Rechtslage B G H S t . 24, 51 (17. 12. 70) = Betrieb 71, 192 = D A R 71, 137 = M D R 71, 315 = N J W 71, 474 = V R S 40, 299 = DRspr. I I (293) 95 b gegen BayObLG 23. 7. 70, V R S 39, 377. 2 ») So auch Booß StVO § 12 Anm. 2 c. 28
Besdileunigungs-, Verzögerungsstreifen; Fußgängerüberwege
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Zweck der Vorschrift wird man dort das Halten auf den für Linksabbieger bestimmten Fahrstreifen für unzulässig ansehen müssen, sie also den „Verzögerungsstreifen" gleichsetzen. 4. Das Halten ist unzulässig auf Fußgängerüberwegen sowie bis zu 5 m davor (Abs. 1 Nr. 4)
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Das Haltverbot des Abs. 1 Nr. 4 entspricht dem früheren nach § 15 Abs. 4 StVO 1937. Was ein Fußgängerüberweg ist, ergibt sich aus § 26 mit Z. 293 (Zebrastreifen); (s. § 26 R N r . 3). Auf Fußgängerüberwege wird in angemessener Entfernung vorher (Z. 134) und unmittelbar am Uberweg (Z. 350) hingewiesen. Nach der Systematik der StVO genügen die Z. 134 und 350 nicht, um einen Uberweg zu einem bevorrechtigten zu machen, da diese Zeichen nur Gefahren- bzw. hinweisende Richtzeichen sind 30 ), sondern es muß das Vorschriftszeichen 293 angebracht sein. Auch wenn die anderen Zeichen fehlen, hat der Zebrastreifen die rechtsbegründende Wirkung 31 ). Der Zebrastreifen muß deutlich sichtbar sein. Ist er stark abgenutzt, so soll er seine rechtliche Qualifikation als Überweg verlieren 52 ). Auch wenn der Zebrastreifen deshalb nicht sichtbar ist, weil er mit Schnee oder Schmutz bedeckt ist, kann er nicht die rechtliche Wirkung eines bezeichneten Fußgängerüberweges haben. Das ist mißlich. Es fragt sich, ob nicht besser einem jederzeit sichtbaren Zeichen wie den Z. 134 u. 350 die Bedeutung des Vorschriftszeichens gegeben werden sollte. Auf andere als die durch Z. 293 bezeichneten Fußgängerüberwege ist die Vorschrift nicht anzuwenden, also weder auf die markierten Streifen (Fußgängerfurten) an Straßenkreuzungen noch allgemein auf beampelte Übergänge 83 ). Das ist auch sinnvoll 34 ). Das Haltverbot dient in erster Linie der Freihaltung von Fußgängerüberwegen von sichtbehindernden Fahrzeugen. Bei Ampelkreuzungen ist die Sicht auf den Überweg von untergeordneter Bedeutung, weil die Fahrerlaubnis durch Lichtzeichen geregelt wird. Soweit diese durch zu nahes Parken vor dem Überweg verdeckt werden können, ist dort übrigens das Parken nach Abs. 3 Nr. 2 verboten. Das Halten ist auf und bis zu 5 m vor dem Uberweg verboten. Zu beachten ist, daß es sich beim „Halten" im Sinne der Vorschrift nur immer um ein freiwilliges, nicht um ein durch die Verkehrslage veranlaßtes Halten handelt. Das Verbot verbietet also keineswegs, unmittelbar vor dem Überweg zu halten, um den Fußgängern das Überschreiten der Fahrbahn zu ermöglichen. Denn dabei handelt es sich nach dem Wortgebrauch der StVO nicht um „Halten", sondern um „Warten". Damit der zum Überschreiten benötigte Weg nicht durch wartende Fahrzeuge blockiert wird, wird in § 26 das Fahren über den Uberweg schon dann verboten, wenn wegen einer Verkehrsstockung damit zu rechnen ist, daß auf dem Überweg gewartet werden müßte. In anderen Fällen kann das Warten auf dem Überweg nach § 1 unzulässig sein, weil Fußgänger mehr als unvermeidlich behindert werden. Eine solche Behinderung wird immer dann anzunehmen sein, wenn der Kraftfahrer das Anhalten seines Fahrzeugs auf dem Zebrastreifen ohne Schwierigkeit vermeiden könnte. 5. Das Halten ist unzulässig auf Bahnübergängen (Abs. 1 Nr. 5)
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Das Halten, Parken und Warten an Bahnübergängen wird in der StVO an verschiedenen Stellen geregelt: Das Halten ist auf allen Bahnübergängen unzulässig, gleichgültig ob es sich um Bahnübergänge mit Vorrang der Schienenfahrzeuge handelt oder nicht (Abs. 1 Nr. 5). °) BayObLG 7. 10. 64, D A R 65, 53 = V R S 28, 227 = VkBl. 65, 140; Düsseldorf 7. 4. 66, VerkMitt. 66, 56 (L). « ) Düsseldorf 7. 4. 66, VerkMitt. 66, 56. 3 2 ) BayObLG 7. 10. 64, wie Fußn. 30; Hamm 23. 4. 70, V R S 39, 340. s
o 3 ) BayObLGSt. 62, 128 (6. 6. 62) = V R S 23, 468 = DRspr. I I (293) 63 a. 3 4 ) Die allgemeinen Bedenken von Schölten in D A R 60, 255 gegen die Beschränkung des damaligen Parkverbotes auf bezeichnete Fußgängerüberwege dürfte durch die Entwicklung der Oberwege überholt sein.
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Das Parken vor und hinter Andreaskreuzen ist innerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 5 m, außerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 50 m untersagt (Abs. 3 Nr. 6). Vorschriften darüber, wann und wo vor Bahnübergängen zu warten ist, finden sich in § 19. Während das Haltverbot klar und einfach ist, überschneiden sich die Park- und Wartevorschriften. Es ist deshalb darauf zu achten, daß an Bahnübergängen an Stellen, an denen gehalten werden dürfte, weil nur ein Parkverbot besteht, auch noch die Vorschriften über das Warten zu beachten sind. Wo das Warten unzulässig ist, z. B. weil sich ein Schienenfahrzeug nähert, darf auch nicht gehalten werden. Die Unterscheidung von Halten und Warten ist in diesem Bereich wenig sinnvoll, weil Halten in Warten übergeht, sobald der Übergang wegen Annäherung eines Schienenfahrzeugs nicht zügig überfahren werden kann. Das Nebeneinander der Warte- und der Halt- und Parkvorschriften führt zu seltsamen Ergebnissen: So darf z . B . nach Abs. 1 Nr. 5 überall gehalten werden, nur nicht auf dem Bahnübergang; außerhalb geschlossener Ortschaften darf sogar allgemein bis zu 50 m vor dem Andreaskreuz nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 geparkt werden, bei Annäherung eines Schienenfahrzeugs haben aber schwere Lastzüge bereits unmittelbar nach der einstreifigen Bake (Z. 162) zu warten. (Diese Bake ist etwa 80 m vor dem Bahnübergang angebracht!). (Näheres s. § 19 R N r . 14). Soweit Schienenbahnen nicht auf eigenem Bahnkörper, sondern auf Fahrbahnen verkehren, die dem allgemeinen Verkehr dienen (Straßenbahnen), gilt das Haltverbot des Abs. 1 nicht, wohl aber u. Umst. ein Halt- und Warteverbot nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 3, 9 Abs. 1 S. 3, Abs. 3. 6. Das Halten ist unzulässig, soweit es durch Verkehrszeichen verboten ist: 13
a) Z. 283 — Haltverbot (Abs. 1 Nr. 6 a) Z. 283 entspricht seiner rechtlichen Bedeutung nach dem früheren Bild 22 der Anlage zur StVO 1937, ist aber seinem Aussehen nach insofern geändert, als auf ihm dem Weltabkommen entsprechend zwei gekreuzte rote Streifen angebracht sind. (Äußerlich entspricht Z. 286 dem früheren Bild 22, doch ist die Bedeutung des Z. 286 eine andere). Z. 283 verbietet jedes Halten auf der Fahrbahn. Auf Seitenstreifen ist das Halten aber erlaubt, es sei denn, es wird durch das bei Z. 283 abgebildete Zusatzschild ausdrücklich verboten. Näheres über die Aufstellung der Zeichen und ihren Geltungsbereich sowie über die Bedeutung der Zusatzschilder und im Schild angebrachten weißen Pfeile s. die Erläuterungen zu Z. 283, sowie die Vwv zu Z. 283 und 286. Die Rechtsprechung zu dem früheren Haltverbot kann im wesentlichen auch der Auslegung der neuen Vorschrift dienen. Dabei können die allgemeinen Grundsätze zu dem früheren Parkverbotszeichen hier mitbehandelt werden. Ein wichtiger, für die Rechtswirksamkeit aller Verkehrszeichen geltender Grundsatz ist der Grundsatz, daß nur solche Verkehrszeichen wirksam sind, die von einem aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ohne Schwierigkeit wahrgenommen werden können. Kann ein Kraftfahrer ein Parkverbotszeichen nicht erkennen, weil es nicht gut sichtbar in etwa rechtem Winkel zu seiner Fahrtrichtung angebracht ist, so braucht er nicht 65 m zurückzugehen, um sich über die Bedeutung des Zeichens zu unterrichten 35 ). Liegt es aber nahe, daß ein Haltverbot besteht, etwa weil eine Großstadtstraße frei von parkenden Fahrzeugen ist, dann muß, wer dort parken will, sich sorgfältig nach etwaigen Halt- oder Parkverboten umsehen 39 ). Sieht ein aus einer Grundstüdcsausfahrt herausfahrender Kraftfahrer die Rückseite von Verbotsschildern, dann muß er sich von dem Inhalt der Verbote Kenntnis verschafften, wenn er auf der Straße parken will 37 ). Zusatztafeln zu Haltverbotsschildern, die eine Ausnahme von dem Haltverbot zulassen, müssen klar und eindeutig gefaßt sein: Wird an einer Baustelle eine Ausnahme von dem dort angebrachten Haltverbot für „Baustellenfahrzeuge" zugelassen, dann darf auch
35 36
) Schleswig 4. 4. 62, VerkMitt. 62, 52. ) Hamm 5. 11. 64, VerkMitt. 65, 40.
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) Hamm 12. 6. 64, V R S 28, 387.
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Haltverbot; eingeschränktes Haltverbot
§ 12
der bauleitende Architekt und ein an der Baustelle beschäftigter Bauführer die Ausnahme auf sidi beziehen 38 ). Ausnahmen von Haltverboten (und Parkverboten) sind nur zulässig, soweit sie der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs zu dienen geeignet sind. Deshalb wurde eine Ausnahmeregelung, die den Zweck verfolgte, Parkraum für Behördenfahrzeuge, Dienstfahr— zeuge eines Ministeriums, Mitglieder diplomatischer Missionen, Konsulatsfahrzeuge zu schaffen, für unzulässig angesehen39). Dagegen wurde ein Parkverbot, das die jederzeitige Einsatzbereitschaft von Polizeifahrzeugen gewährleistet, für zulässig erachtet 40 ). Auch eine Ausnahme für Dienstfahrzeuge des Stadtbauamts wurde zugelassen41). Die Einrichtung bewachter Parkplätze auf öffentlichem Verkehrsgrund zur Regelung des ruhenden Verkehrs ist nach Ansicht des BVerwG unzulässig42). Strittig ist, ob ein mit unzulässiger Ausnahme versehenes Halt- und Parkverbot nichtig ist oder nur anfechtbar 43 ). Das ist von Bedeutung für den, der es übertritt. Denn ein nur anfechtbares Verbot muß der Verkehrsteilnehmer solange beachten, bis es aufgehoben wird. Dagegen verhält er sich nicht ordnungswidrig, wenn das Verbot nichtig ist. Eine eindeutige Nichtigkeit kann bei den mit unzulässigen Ausnahmen eingeschränkten Haltverboten in der Regel wohl kaum angenommen werden. Die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Ausnahmen ist oft nicht leicht zu ziehen. Die Ausnahmen sind von einem höheren staatlichen Standpunkt aus durchaus sinnvoll, es sind keine Willkürentsdieidungen, die den Stempel des Mißbrauchs auf der Stirne tragen. Haltverbote sind Verwaltungsakte in Gestalt der Allgemeinverfügung. Sie sind zu beachten, solange sie nicht aufgehoben sind. Auf bloße Rechtsmängel sind behördliche Anordnungen vom Strafrichter nicht zu überprüfen 44 ). Die Besatzungsbehörden können in Berlin auf Grund Besatzungsrechts die Verwaltungsbehörden verbindlich anweisen, das Parken fremder Fahrzeuge vor einer ihrer Dienststellen zu verhindern 45 ). Die Haltverbotszone beginnt an der Stelle, an der das Haltverbotszeidien aufgestellt ist. Durch Pfeile kann der Beginn der Verbotszone nicht vorverlegt werden 48 ). Der Geltungsbereich des Verbotes muß klar und zweifelsfrei sein47). Nach b) hinter Z. 286 gelten Haltverbote nur bis zur nächsten Straßenkreuzung oder bis zur nächsten Einmündung von der gleichen Straßenseite. b) Eingeschränktes Haltverbot (Abs. 1 N r . 6 b) Allgemeines Die Bedeutung des eingeschränkten Haltverbotes nach Z. 286 entspricht im wesentlichen dem des früheren Bildes 23 der Anlage zur StVO 1937. Das frühere Zeichen darf deshalb nach § 53 Nr. 1 bis 1. 1. 1973 noch weiter benutzt werden. Z. 286 verbietet nicht nur das Parken, sondern auch das Halten auf der Fahrbahn zu anderen Zwecken als zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen. Die Frage, wieweit das frühere „Parkverbot" ein kurzfristiges Halten zu anderen Zwecken zuließ, ist gegenstandslos geworden 48 ). Das Zei38
) Celle 4. 11. 65, VerkMitt. 66, 16 = VRS 30, 232; BayObLG 9. 7. 69 bei Rüth DAR 70, 255 (2 d). » ) BVerwG 9. 6. 67, N J W 67, 1627 = VerkMitt. 68, 1 = VRS 33, 149 = DAR 67, 226; 22. 1. 71, N J W 71, 1419; V G H Stuttgart 3. 12. 65, VRS 30, 144 = DAR 66, 108; Frankfurt 20. 6. 69, N J W 69, 1917 = VerkMitt. 69, 79; a. M. BayObLG 15. 12. 65, N J W 66, 682; vgl. auch Hohenester in DAR 66, 295 und Lemberg in N J W 67, 96. 4 °) BVerwG 22. 1. 71, MDR 71, 517. « ) Celle 26. 1. 67, VerkMitt. 67, 54. « ) BVerwG 28. 11. 69, VRS 38, 386 = MDR 70, 533 = DVB1. 70, 584 = VkBl. 70, 351. 43 ) Für Nichtigkeit: Frankfurt 20. 6. 69,
44
)
45
) «) 47
)
48
)
N J W 69, 1917; 70, 208 mit Anm. von Boergen, gegen Nichtigkeit: BVerwG 9. 6. 67 wie Fußn. 39; OVG Münster 22. 1. 70, Betrieb 70, 1972. Karlsruhe 15. 6. 67, VRS 33, 458; B G H 23. 7. 69, VerkMitt. 69, 89. KG 26. 10. 67, VRS 34, 307. Hamm 16. 10. 59, VRS 18, 467; Celle 27. 6. 63, VerkMitt. 63, 78; Düsseldorf 26. 1. 66, VerkMitt. 66, 56. Hamm 19. 9. 63, JMB1.NRW 63, 292; Köln 22. 10. 68, VerkMitt. 69, 23 - VRS 36, 462. Vgl. für die frühere Rechtslage: BayObLG 23. 12. 59, VkBl. 60, 214 = VerkMitt. 60, 16 = N J W 60, 833 = VRS 18, 376; Bremen 29. 9. 62, VerkMitt. 63, 24.
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dien entspricht dem Weltabkommen, deshalb muß man sidi damit abfinden, wenngleich es wohl sinnvoller gewesen wäre, das „eingeschränkte Haltverbot" als „eingeschränktes Parkverbot" auszugestalten und das kurzfristige Halten auch zu anderen als den angegebenen Zwecken zuzulassen. Die frühere Rechtsprechung zur Frage, was begrifflich zum „Ein- oder Aussteigen" und was zum „Be- oder Entladen" zu rechnen ist, kann voll übernommen werden. Daß nunmehr das Halten zu diesen Zwecken zum Parken wird, wenn es länger als drei Minuten dauert, während es früher nicht zum Parken gerechnet wurde, ist im Ergebnis ohne Bedeutung. 15
Das Ein- ur,d Aussteigen Während in der Erklärung zu Z. 286 ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß Ladegeschäfte ohne Verzögerung durchgeführt werden müssen, fehlt zum Ein- und Aussteigen eine entsprechende Anordnung. Aber auch hier wird natürlich nur der normalerweise zum Ein- und Aussteigen erforderliche Zeitaufwand zugelassen. Zweifel können entstehen, ob and wie lange auf Fahrgäste gewartet werden darf. Das Warten gehört nicht zum normalen Aus- und Einsteigen, doch sollte man nicht allzu kleinlich verfahren, wenn sich der Zeitaufwand im ganzen in erträglichen Grenzen hält 4 9 ). Eine Wartezeit von 3 Minuten wurde hingenommen, wenn das Eintreffen des Mitfahrers feststand und mit großer Wahrscheinlichkeit alsbald zu erwarten war 5 0 ). Dagegen wurde ein achtminütiges Warten vor einem Bahnhof, um einen Reisenden abzuholen, schon nicht mehr als zulässig angesehen 51 ). D e r zum „Aussteigen" benötigten Zeit eines gegen Entgelt beförderten Fahrgastes ist aber die Zeit hinzuzurechnen, die zum Bezahlen nötig ist; dafür reichen 3 — 4 Minuten nicht immer aus 52 ).
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Das Be- und Entladen Die Frage, welche rechtliche Bedeutung diese Ausnahme vom Parkverbot hat und welche Nebenverrichtungen noch zum eigentlichen Be- und Entladen gerechnet werden dürfen, hat die frühere Rechtsprechung stark beschäftigt. Unklar war zunächst, ob der Umstand, daß das Halten zum Be- und Entladen nicht als Parken behandelt wurde, zur Folge hatte, daß an Stellen, an denen das Parken verboten war, beliebig zum Be- und Entladen gehalten werden durfte oder ob die Ausnahme vom Parkverbot nur dort galt, wo ein Halten außerhalb der Parkverbotszone zu einer unzumutbaren Erschwerung des Ladegeschäfts führen würde. Nach § 18 S t V O 1937 durften Ladegeschäfte auf der Straße überhaupt nur dann vorgenommen werden, wenn dies ohne besondere Erschwernis sonst nicht möglich war. Das besagte aber nichts darüber, wo auf der Straße in diesem Fall be- und entladen werden durfte. Nach überwiegender Meinung brauchte der Führer des zum Be- oder Entladen haltenden Fahrzeugs nicht zu prüfen, ob außerhalb des Parkverbotes ein für das Ladegeschäft geeigneter Platz vorhanden war, an dem es ohne besondere Erschwernis durchgeführt werden konnte 5 3 ). Die durch das Ladegeschäft notwendig verursachte Behinderung muß der übrige Verkehr im allgemeinen hinnehmen 5 4 ). Allerdings sind Fälle denkbar, in denen die Behinderung über das zumutbare Maß hinausgeht. In solchen Fällen kann sich für den Kraftfahrer aus § 1 die Pflicht ergeben, an einer Stelle zu halten, an der die Behinderung zumutbar ist; (s. unten R N r . 37). Von der Frage, wo innerhalb des Haltverbotsraumes zum Be- und Entladen gehalten werden darf, zu trennen ist die Frage, wann eine Tätigkeit als Be- oder Entladen im Sinne der ») Frankfurt 21. 6. 61, VerkMitt. 61, 90. ») Hamm 5. 4. 68, VRS 3, 77 = DRspr. II (293) 86 a. « ) Hamm 6. 5. 65, VRS 29, 235 = JMB1.NRW 65, 271 = DRspr. II (293) 74 a. 5 2 ) Hamm 12. 2. 67, VerkMitt. 68, 31 = DRspr. II (293) 82 b, c. M ) BayObLGSt. 66, 92 (20. 9. 66) = NJW 67, 4
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120 = VerkMitt. 66, 81 = VRS 32, 59 DRspr. II (293) 76 a; KG 2. 3. 67, DAR 67, 254 = J R 67, 194 = VRS 33, 144 = DRspr. II (293) 76 b, 80 c; a. M. Bremen 21. 10. 59, VRS 19, 151 = DAR 60, 185 =» BB 60, 578 = DRspr. II (293) 42 d; 6. 9. 61, VRS 23, 60. 54> Bremen 9. 8. 61, VRS 22, 309.
StVO
Ein- und Aussteigen; Be- u n d Entladen
§ 12
Vorschrift anzusehen ist. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung zwischen dem geschäftlichen Lieferverkehr u n d dem „privaten" Ladegeschäft. Im Lieferverkehr stellt auch die Ablieferung kleiner u n d leichter Gegenstände ein Entladen dar. Denn hier dient das Fahrzeug in erster Linie der beschleunigten D u r c h f ü h r u n g des Warentransportes. A u d i das letzte Stück darf noch innerhalb des Haltverbotsraumes entladen werden 5 5 ). Ähnlich wurde dem Eil- und Telegrammzusteller der Bundespost wegen des öffentlichen Interesses an einer rasdien Zustellung die Ausnahme vom P a r k v e r b o t zugebilligt 58 ); (s. n u n m e h r § 35 Abs. 7). Handelt es sich nicht u m geschäftlichen Lieferverkehr, dann k o m m t es grundsätzlich auf die Größe und das Gewicht des zu ladenden Gegenstandes an. Nach h. M. liegt ein Beoder Entladevorgang regelmäßig vor, wenn das Transportgut wegen seiner Größe u n d seines Gewichts die Beförderung durch ein Fahrzeug erforderlich und üblich macht, wenn es sich also u m Gegenstände handelt, die zu tragen einem Menschen auf weite Strecken nicht zuzumuten ist. Dies wurde bei Ablieferung eines in einer Aktentasche mitgeführten Bargeldbetrages u n d von Schecks bei einer Bank verneint 5 7 ), dagegen bei der Abholung eines Korbes mit Obst und Gemüse in Betracht gezogen 58 ). Dagegen wurde die Abstellung eines Werkstattwagens in der Parkverbotszone auch dann nicht f ü r zulässig erachtet, wenn aus dem Werkstattwagen Material u n d Arbeitsgerät zur A u s f ü h r u n g von Arbeiten aus einem nahegelegenen H a u s geholt und zurückgebracht werden 5 9 ). Nebenverrichtungen Wird ein Ladevorgang bejaht, dann kann fraglich sein, welche mit dem Ladegeschäft verbundenen Nebenverriditungen n o d i z u m Ladegeschäft geredinet werden können. Wie dies in der A n o r d n u n g zu Z. 286 ausdrücklich a u f g e f ü h r t ist, müssen Ladegeschäfte „ohne Verzögerung" durchgeführt werden. Geschieht dies, dann k o m m t es auf die Dauer des Ladegeschäftes nicht an. Auch das Be- oder Entladen eines Möbelwagens, das ohne Verzögerung durchgeführt, mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann, ist in der Parkverbotszone zulässig. Allerdings m u ß der Zeitraum dem Ladegeschäft angemessen sein. Eine Zeit von 20 Minuten f ü r das Auffüllen eines Zigarettenautomats steht in solchem Mißverhältnis zu der Zeit, welche notwendig ist, u m die d a f ü r benötigte Ware auszuladen, daß das Auffüllen des A u t o m a t e n nicht mehr als zulässige Nebenverrichtung des eigentlichen Ladegeschäftes angesehen werden kann 6 0 ). Das Aussortieren v o n Zeitungen, die als Rückgang verpackt u n d verladen werden sollen, wurde nicht mehr als zulässige Nebenverrichtung des Beiadens anerkannt 8 1 ). Wer erst einen größeren Bestand leerer Kartons daraufhin u n t e r suchen m u ß , ob sich d a r u n t e r f ü r ihn geeignete Stücke befinden, ehe er mit dem Beladen beginnen kann, hält nicht z u m Beladen 82 ). U m in einem Geschäft 2 kg Kaffee abzuliefern, ist ein Zeitraum v o n mehr als 10 Minuten nicht mehr angemessen 63 ). Auspacken u n d Auslegen von Waren ist regelmäßig nicht notwendiger Teil des Ladegeschäfts 64 ). Ebensowenig der Transport u n d die Bereitstellung des Ladegutes im Innern des Hauses, die dem eigentlichen Beladen vorausgehen 6 5 ). Dagegen w u r d e der T r a n s p o r t eines Fernsehgerätes v o m K r a f t f a h r z e u g durch das Treppenhaus eines Gebäudes in ein höhergelegenes Stockwerk noch dem Entladegeschäft zugerechnet 66 ). Die Frage, ob beim Entladen eines Lastzuges unter räumlicher T r e n n u n g der Zugteile das Ladegeschäft grundsätzlich n u r den Teil u m f a ß t , an dem es jeweils stattfindet oder ob 55
) BGH 3. 7. 59, NJW 60, 54 = VRS 17, 395; Hamm 10. 5. 60, VRS 20, 314; Bremen 25. 9. 62, VerkMitt. 63, 24. M ) KG 29. 7. 60, VRS 19, 385 = DRspr. II (293) 45 a. 57 ) KG 20. 7. 67, VRS 33, 314; a. M. Köln 14. 3. 61, VRS 21, 381. 58 ) Bremen 21. 10. 59, VRS 19, 151. » ) Köln 21. 7. 64, JMB1.NRW 64, 258 VerkMitt. 64, 80 = VRS 28, 59 = DRspr. II (293) 67 a.
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) Köln 30. 6. 61, DAR 61, 346 = VerkMitt. 62, 27. «') Saarbrücken 8. 2. 68, VRS 36, 229. 62 ) Hamm 8. 12. 61, VRS 23, 75. 63 ) Hamm 10. 5. 61, VRS 20, 314. 94 ) Hamm 9. 2. 68, VRS 35, 394. 65 ) Düsseldorf 28. 6. 68, VRS 36, 312 = VerkMitt. 68, 86 = DRspr. II (293) 86 b. « ) Köln 29. 4. 69, MDR 69, 866 = JR 69, 432 = VerkMitt. 69, 64 = VRS 38, 23 = DRspr. II (293) 91 f.
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auch noch das Abstellen eines bereits entladenen Anhängers dem Ladegeschäft als Nebenverrichtung zuzurechnen ist, kann zweifelhaft sein67). Da eine dem früheren § 18 entsprechende Vorschrift fehlt, die das Be- und Entladen auf der Straße nur dann gestattete, wenn es „sonst", d. h. außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes, nicht möglich war, wird man gegen das Ladegeschäft auf der Straße im allgemeinen nicht mehr einwenden können, es hätte ohne besondere Erschwernis außerhalb der Straße vorgenommen werden können. Doch kann sich die Pflicht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Einzelfall aus § 1 ergeben. Lassen sich Nebenverrichtungen ohne unzumutbare Erschwerung vom Ladegeschäft trennen, dann kann sich f ü r den Entlader die Pflicht ergeben, unmittelbar nach Beendigung des eigentlichen Ladevorgangs sein Fahrzeug in eine nahegelegene Parkzone zu fahren, und dann erst die weiteren Nebenverrichtungen vorzunehmen 68 ). Wenn sdiwerbeweglidie Güter, die üblicherweise bei der Entladung von einem Fahrzeug sofort an den vom Empfänger bezeichneten Platz gestellt werden (z. B. Klavier, Geldschrank, Kohlen), dann wird der räumliche Bereich des Empfängers in der Regel erst erreicht, wenn das Ladegut seinen endgültigen Aufstellungsplatz erreicht hat. Von diesen Fällen abgesehen ist das Ladegeschäft aber in der Regel beendet, wenn die Ware in den Geschäftsräumen des Empfängers abgestellt wird, während das weitere Verbringen an den vom Empfänger bestimmten Platz (z. B. in den Keller) nicht mehr als notwendige Nebenverrichtung angesehen werden kann 69 ). Allgemein ist zu sagen, daß es nicht vom guten Willen des Empfängers der Ware abhängen kann, wie lange der Straßenverkehr durch ein zum Entladen geparktes Fahrzeug behindert wird. Verzögert er die Annahme und Abfertigung des Entladers, dann muß dieser den Platz räumen, wenn dort das Parken verboten ist. Deshalb kann das Abrechnen und Bezahlen nach Entladung der Waren nicht mehr als zulässige Nebenverrichtung des Ladegeschäfts angesehen werden, wenn es eine ganze Stunde dauert 70 ). Auch halbstündiges Warten darauf, daß weiteres Ladegut verpackt wird, fällt nicht mehr unter das „Beladen" 71 ). Das gleiche gilt f ü r die Ablieferung von Waren bei einem Arzt, der 20 Minuten lang nicht annahmebereit ist, weil er mit der Untersuchung eines Patienten befaßt ist 72 ). Werden im Rahmen eines geschäftlichen Lieferverkehrs aus verschiedenen Geschäften Waren abgeholt, so ist für die Frage, ob die Nebenverrichtungen einen im Verhältnis zur eigentlichen Ladetätigkeit übermäßigen Zeitaufwand erfordern, auf die Zeit des Aufenthalts in den einzelnen Geschäften abzustellen, auch wenn die Waren nicht nach dem Besuch jedes Einzelgeschäfts gesondert zum Fahrzeug gebracht werden 73 ). Ist der Zeitaufwand f ü r eine Ladetätigkeit angemessen, dann kommt es nicht darauf an, ob der Entlader ursprünglich die Absicht hatte, das Fahrzeug unzulässigerweise länger in der Parkverbotszone stehen zu lassen, um Arbeiten zu erledigen, die über den Rahmen zulässiger Nebenverrichtungen hinausgegangen wären 74 ). Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung s. Haberkorn, D A R 67, 321. c) Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295) (Abs. 1 N r . 6 c) Die Bezeichnung „Fahrstreifenbegrenzung" ist irreführend. Gemeint ist die Fahrbahnbegrenzung nach Z. 295 (s. dort b). Die Fahrbahnbegrenzungslinie nach Z. 295 ist eine ununterbrochen weiße Linie, die im Gegensatz zu den Fahrstreifenbegrenzungslinien überfahren werden darf. Ein Haltverbot besteht links von solchen Fahrbahnbegrenzungslinien. Der Zweck ist klar: Der durchgehende Verkehr soll nicht behindert werden; deshalb wer«7) B G H ( Z ) 1. 12. 70, VRS 40, 180 = BB 71, 199 = Betrieb 71, 672 = D A R 71, 77 = M D R 71, 289 = VersR 71, 255 = VkBl. 71, 534 = DRspr. II (293) 95 c; s. aber auch Köln 30. 6. 67, VerkMitt. 67, 96 = VRS 33, 465 = DRspr. II (293) 82 e-f verneinend. 8 « ) K G 2. 3. 67 wie Fußn. 53.
«») ™) 71 ) 72 ) 73 ) 74 )
Bremen 13. 4. 66, VRS 31, 132. Düsseldorf 22. 2. 62, VRS 23, 389. Düsseldorf 9. 3. 67, VerkMitt. 68, 16. Düsseldorf 22. 3. 68, VerkMitt. 69, 96. BayObLGSt. 66, 92 wie Fußn. 53. Stuttgart 20. 4. 67, VerkMitt. 67, 95 DRspr. II (293) 82 d.
=
Fahrstreifenbegrenzung; Riditungspfeile; Dauerlicht
StVO § 12
den haltende und parkende Fahrzeuge auf den rechts von der Begrenzung liegenden Seitenstreifen bzw. die dort befindliche Mehrzweckfahrbahn verwiesen. Das Haltverbot gilt aber nur dann, wenn rechts von der Begrenzungslinie „ausreichender" Straßenraum freibleibt. Wieweit dort geparkt werden darf, wird in Abs. 3 Nr. 8 a und b geregelt, wobei zu beachten ist, daß für Autobahnen und Kraftfahrstraßen nach § 18 Abs. 8 ein uneingeschränktes Haltverbot besteht. Dort darf also weder links noch auch rechts der Fahrbahnbegrenzungslinie gehalten werden. d) Richtungspfeile auf der Fahrbahn (Z. 297) (Abs. 1 Nr. 6 d)
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Nach § 41 Abs. 3 Nr. 5 empfehlen Pfeile, die nebeneinander angebracht sind und in verschiedene Richtungen weisen, sich frühzeitig einzuordnen und in Fahrstreifen nebeneinanderzufahren. Solche Richtungspfeile gewinnen die Bedeutung von Vorschriftszeichen, wenn zwischen den Pfeilen Leitlinien (Z. 340) oder Fahrstreifenbegrenzungen (Z. 295) markiert sind. Dann schreiben sie die Fahrtrichtungen auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung vor. Nur auf der so markierten Strecke der Fahrbahn ist das Halten verboten. Das Halten wird deshalb genauer nicht durch das Z. 297 (allein), sondern durch die Kombination der Z. 297 und 340 bzw. 295 verboten. Entsprechend beginnt es dort, wo beide Zeichen erstmals angebracht sind und endet an der Kreuzung, auf der die Fahrtrichtung durdi die Pfeile vorgeschrieben wird. Die Aufwertung der Richtungspfeile zu Vorschriftszeichen ist aus praktischen Gründen nicht unbedenklich, weil solche Pfeile im diditen Verkehr und bei Verschmutzung der Fahrbahn oder bei Schneefällen leicht übersehen werden können. Auch hier gilt der allgemeine Grundsatz, daß ordnungswidrig nur handelt, wer bei angemessener Aufmerksamkeit die Markierung erkennen kann. e) rotes Dauerlicht (§ 37 Abs. 3) (Abs. 1 Nr. 6 e)
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Die dem Wiener Weltabkommen über Straßenverkehrszeichen vom 8. November 1968 entnommenen „Dauerlichtzeichen" sind für die Bundesrepublik neu. Sie sollen vor allem die Einrichtung von sog. „Umkehrstreifen" ermöglichen, auf denen zu bestimmten Tageszeiten wechselnd der Verkehr nur in einer Richtung zugelassen wird. Das Dauerlichtzeichen besteht entweder aus roten gekreuzten Schrägbalken, die den Verkehr in der bezeichneten Richtung verbieten oder aus einem grünen, nach unten gerichteten Pfeil, der bedeutet, daß der Verkehr freigegeben ist. Die Dauerlichtzeichen werden über der Fahrbahn angebracht und zwar über sämtlichen Fahrstreifen. Die roten gekreuzten Schrägbalken verbieten nicht nur die Benutzung des Fahrstreifens, über dem sie angebracht sind, sondern auch das Halten vor dem Dauerlichtzeichen. Ist mit einem Wechsel des roten Dauerlichtzeichens nach grün zu rechnen, dann darf aber natürlich vor dem Zeichen „gewartet" werden. 7. Wann ist das Halten, wo es grundsätzlich erlaubt ist, ausnahmsweise nach § 1 unzulässig, wann, wo es grundsätzlich verboten ist, ausnahmsweise zulässig? Unzulässiges Halten
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Die Regelung des Verkehrs kommt ohne klare Gebote und Verbote nicht aus. Das gilt auch für den „ruhenden" Verkehr. Dem Kraftfahrer wird gesagt, wo das Halten unzulässig ist. An anderen Stellen ist es in der Regel erlaubt. Die Eigenart des Verkehrs bringt es aber mit sich, daß in besonderen Fällen die klaren Gebote und Verbote nicht ausreichen, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu gelangen. Die Grundregel des § 1 Abs. 2 steht deshalb nicht nur neben, sondern über den Verhaltensvorschriften. Soweit nach der besonderen Sachlage „vorschriftsmäßiges" Verhalten erkennbar zu einer Schädigung oder auch nur zu einer Gefährdung anderer führen kann, treten Rechte zurück; (s. § 1 RNr. 6). Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, wieweit schon die Möglichkeit einer Behinderung anderer zur Aufgabe einer durch die Verhaltensvorschriften der StVO zugebilligten Rechtsstellung nötigen kann. Die Ausübung eines Vorrechts bringt in der Regel für andere eine gewisse Behinderung mit sich. Aber auch wo es sich nicht um ausdrücklich zugeteilte Vorrechte handelt, sondern nur um ein erlaubtes Verhalten, sind Behinderungen anderer häufig unvermeidlich. So wird der übrige Verkehr durch das Halten eines Fahrzeugs sehr oft behindert.
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Möhl
Wenn der Gesetzgeber eine Materie wie das Halten und Parken „erschöpfend" geregelt hat, dann gibt er damit zu erkennen, daß er die mit dem erlaubten Halten und Parken verbundene Behinderung des Verkehrs mit in Betracht gezogen hat. Wer an einer erlaubten Stelle hält, darf deshalb in der Regel davon ausgehen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die damit verbundene Behinderung als unvermeidlich hingenommen wird. Es gibt aber Grenzfälle, in denen diese Behinderung über das normale Maß so weit hinausgeht, daß sie dem übrigen Verkehr nicht mehr zugemutet werden kann. Diese Grenzfälle können nur nadi Billigkeitsgrundsätzen gelöst werden. Das Interesse des fließenden Verkehrs und das Interesse des haltenden müssen dann gegeneinander abgewogen werden. Ist die Behinderung unerträglich und kann sie der Haltende ohne Schwierigkeit vermeiden, dann ist er nach § 1 Abs. 2 verpflichtet, den Interessen des fließenden Verkehrs Rechnung zu tragen. Ein solcher Fall wird angenommen, wenn der fließende Verkehr durch das haltende Fahrzeug in einer Richtung zum Erliegen gebracht wird 75 ). Aber selbst die vorübergehende Blockierung eines Fahrstreifens im dichten Großstadtverkehr wird als unvermeidbar hingenommen, wenn nur 20 sec gehalten wird, um in eine Parklücke einfahren zu können, aus der ein parkendes Fahrzeug gerade ausfährt 76 ). (Andere Fälle, in denen nach der früheren Rechtsprechung ein Parkverbot aus § 1 hergeleitet wurde: § 1 R N r . 76). 22
Zulässiges Halten Umgekehrt kann das Halten in Notfällen ausnahmsweise erlaubt sein, wo es normalerweise verboten ist. Dabei wird es sich freilich nicht um ein „Halten" im Sinne des § 12 handeln, soweit das Halten durch technische Vorgänge im Kraftfahrzeug erzwungen wird; (vgl. oben R N r . 4). Hier kann ein Verstoß darin liegen, daß nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, das Fahrzeug an geeigneter Stelle zum Halten zu bringen. So, wenn der Fahrer es unterläßt, das Fahrzeug unter Ausnutzung eines vorhandenen Gefälles bis zu einer im toten Winkel der Fahrbahn gelegenen Überleitungsstelle der Autobahn rollen zu lassen77). Ein Notfall, der das Halten auf der Autobahn zulassen würde, wurde in einem Fall verneint, in dem nach einem offensichtlich unerheblichen Verkehrsunfall die Fahrer der beteiligten Fahrzeuge ausstiegen, um sich den Schaden zu besehen 78 ). Dagegen wäre eine Ausnahme von dem Haltverbot gerechtfertigt, wenn gehalten würde, um sich über die Folgen eines schwereren Unfalls zu unterrichten und gegebenenfalls Hilfe zu bringen. Ein Halt, der an sonst verbotener Stelle ausnahmsweise erlaubt ist, muß auf die unbedingt notwendige Zeit beschränkt werden. Wird diese überschritten, dann wird das Halten ordnungswidrig 79 ).
23
III. Wo ist das Parken unzulässig? (Abs. 3) 1. Vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis zu je 5 m von den Sdinittpunkten der Fahrbahnkanten (Abs. 3 Nr. 1) Das gleiche Parkverbot war in § 16 Abs. 1 Nr. 3 StVO 1957 enthalten. (Die früher auf 10 m bemessene Verbotszone wurde durch VO vom 30. 4. 1964 auf 5 m verringert). Der Zweck der Vorschrift ist, das Abbiegen und Einbiegen zu erleichtern und die Sicht an der Kreuzung freizuhalten. Die Parkverbotszone kann durch eine Zickzacklinie auf der Fahrbahn (Z. 299) bezeichnet und erforderlichenfalls verlängert werden (Vwv zu § 12 Abs. III Nr. 1). Aus dem Zweck der Vorschrift ergibt sich, daß sie nicht für die einer Einmündung gegenüberliegenden Straßenstrecke gilt 90 ) und daß die Verbotszone auf jeder Fahrbahnseite gesondert von dem dortigen Schnittpunkt der Fahrbahnkanten aus berechnet wird. Würde das Einbiegen in eine enge Straße durch Fahrzeuge, die gegenüber der Einmündung parken, erheblich behindert, dann müßte dort mit einem Haltverbot nach Z. 283 abgehol) Düsseldorf 4. 4. 63, VerkMitt. 64, 3 0 ; 29. 8. 6 8 ; VerkMitt. 69, 14 vgl. BayObLGSt. 66, 92 wie Fußn. 53). n ) Köln 29. 1. 63, VRS 24, 458 = D A R 63, 252 = VerkMitt. 64, 52. 75
458
"j 78) '») 80)
BGH(Z) 3. 4. 62, VersR 62, 634. Köln 3. 11. 65, N J W 66, 933. Hamm 28. 2. 64, VRS 28, 145. KG 17. 5. 56, VerkMitt. 57, 2 ; Koblenz 25. 10. 56, VerkMitt. 57, 24 = DAR 57, 276.
StVO § 12
P a r k v e r b o t an Kreuzungen; v o r Zeichen
fen werden, wenn es sich nicht u m eine enge Straßenstelle im Sinne des Abs. 1 N r . 1 (oben R N r . 7) handelt, an der sdion das H a l t e n verboten ist. Ist dies nicht der Fall u n d fehlt ein H a l t v e r b o t d u r d i Z. 283, dann wird die f ü r Einbiegende bestehende Behinderung nicht u n t e r § 1 Abs. 2 fallen, weil sie v o m Gesetzgeber offensichtlich als unvermeidlich angesehen w u r de. Andernfalls hätte dieser das Parken gegenüber einer E i n m ü n d u n g auf engen Straßen ebenso f ü r unzulässig erklärt wie dies f ü r das Parken gegenüber Grundstücksausfahrten geschehen ist (Abs. III N r . 3) 81 ). Die 5 m-Grenze ist nach der Bestimmung v o n den Schnittpunkten der F a h r b a h n k a n t e n aus zu bemessen. Ist die Ecke abgerundet, dann wird von der fiktiven Ecke aus gerechnet 82 ). Beginnt der Bogen bereits vor der so errechneten Fünfmetergrenze, dann steht Abs. 3 N r . 1 dem Parken in dem jenseits der Fünfmetergrenze verlaufenden Bogenteil nicht entgegen. Wird ein Straßenteil außerhalb der abgegrenzten Fahrbahn, z. B. ein Gehweg z u m Parken freigegeben, dann wird damit eine Ausnahme v o n § 2 Abs. 1 StVO zugelassen. Die in Abs. 3 N r . 1 vorgeschriebenen Abstände müssen dort ebenso eingehalten werden wie auf der Fahrbahn 8 8 ). Ist allerdings der P a r k r a u m durch eine Parkflächenmarkierung abgegrenzt, dann wird auf dem so gekennzeichneten R a u m das Parken auch dann erlaubt sein, wenn die Markierung die Grenzen des Abs. 3 N r . 1 nicht beachtet. Das wird sich aus § 39 Abs. 4 ergeben, der den Vorrang der Regelungen durch Verkehrszeichen gegenüber den allgemeinen Verkehrsregeln begründet 8 4 ). 2. Das Parken ist unzulässig bis zu 10 m vor Lichtzeichen und den Zeichen „Vorfahrt gewähren!" (Z. 205) und »Halt"! Vorfahrt gewähren!" (Z. 206), wenn sie dadurdi verdeckt werden (Abs. 3 Nr. 2) Dieses Verbot entspricht in abgeschwächter Form dem Art. 23 Abs. 3 c des Weltabkommens. Das Parken ist bis zu 10 m vor Lichtzeidien und den Zeichen 205 u n d 206 n u r dann verboten, wenn sie dadurch verdeckt werden. O b dies der Fall ist, ist von der H ö h e abhängig, in der die Zeichen angebracht sind u n d von der H ö h e der Fahrzeuge. In erster Linie wird es f ü r Lastkraftwagen u n d Omnibusse in Betracht k o m m e n . Außerhalb der 10 m-Grenze brauchen auch die Führer großer Fahrzeuge nicht darüber Untersuchungen anzustellen, ob sie Nachfolgenden den Blick auf die Zeichen verdecken. Verdeckt sind die Zeichen, wenn sie nicht mehr klar erkennbar sind. V o r allen anderen Verkehrszeichen als den Z. 205 u. 206 braucht nicht darauf geachtet zu werden, ob durch das Parken die Sidit auf das Zeichen behindert wird. Man wird auch nicht m i t Hilfe des § 1 die Sorgfaltspflicht des Parkenden darauf ausdehnen können. D e n n nachdem der Gesetzgeber die Materie geregelt hat, ist davon auszugehen, daß in allen anderen als den in der Vorschrift erwähnten Fällen die Verdeckung v o n Verkehrszeichen in Kauf genommen werden m u ß . Dies u m so mehr, als der deutsche Gesetzgeber das weitergehende Verbot des Weltabkommens bewußt im Hinblick auf den Mangel an Parkplätzen eingeschränkt hat 85 ). Besondere Vorsdiriften gelten f ü r das Parken v o r u n d hinter A n dreaskreuzen (Abs. 3 N r . 6, u n t e n R N r . 29, 30). 3. Unzulässig ist das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf sdimalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber (Abs. 3 Nr. 3) Das P a r k v e r b o t nach Abs. 3 N r . 3 entspricht im wesentlichen dem f r ü h e r e n Verbot nach § 16 Abs. 1 N r . 5 StVO 1957. Es wurde insofern erweitert, als n u n auf sdimalen Fahrbahnen audi gegenüber Grundstücksein- u n d -ausfahrten das Parken unzulässig ist. 81
M.
82
23,
) Ebenso Booß StVO § 12 Anm. 4 a; a. Cramer StVO $ 12 RNr. 68. ) BayObLGSt. 62, 128 (6. 6. 62) = VRS 468; Hamm 10. 5. 54, VRS 7, 227. » ) Celle 10. 12. 58, NJW 59, 687 = VRS 391 = VerkMitt. 59, 60; Hamm 10. 9.
16, 68,
DAR 69, 25 = VerkMitt. 69, 8 = VRS 37, 69 = VkBl. 69, 516; Düsseldorf 28. 6. 68, VerkMitt. 68, 86 = DRspr. II (293) 86 b. 84 ) So Booß StVO § 12 Anm. 4 a. 85 ) Näheres über Vorgeschichte und Regelung in Nachbarländern vgl. Booß a. a. O. Anm. 4 b.
§ 12
StVO
Parken vor Grundstüdesein-
Möhl und
-ausfahrten
Eine Grundstüdesein- und -ausfahrt hat den Zweck, die Fahrt von einem außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes gelegenen Grundstück auf die Fahrbahn zu ermöglichen86). Audi private Parkplätze sind „Grundstücke" 87 ). (Zur Abgrenzung des öffentlichen Verkehrsgrundes von privaten Grundstücken vgl. § 1 RNr. 8—23). Ob zwischen dem Grundstück und der Fahrbahn ein Gehweg oder sonst ein Zwischenraum liegt oder ob das Grundstück unmittelbar an die Fahrbahn grenzt, ist für den Rechtsbegriff der Grundstücksein- und -ausfahrt ohne Bedeutung. Auch wenn vom Garagentor ein Zufahrtsweg über eine dem Grundeigentümer gehörende Freifläche zur Fahrbahn führt, handelt es sich um eine Grundstücksausfahrt88). Was eine Grundstücksein- und -ausfahrt ist, sagt das Gesetz nicht. Der Begriff setzt nidit eine bestimmte Ausgestaltung der Zufahrt voraus, auch nicht die Absenkung der Bordsteine des Gehwegs über den die Ausfahrt verläuft. Nachdem Zweck der Vorschrift ist, die Anlieger vor einer Behinderung in der Benutzung der Einfahrt zu ihrem Grundstück zu schützen, kann es nur darauf ankommen, ob es möglich ist, von der öffentlichen Verkehrsfläche auf das in Frage kommende Grundstück zu fahren, ob nach den gegebenen Umständen ein Fahrverkehr zwischen Grundstück und öffentlicher Fahrbahn in Betracht kommen kann und ob beides für jedermann ohne weiteres erkennbar ist 89 ). Der Umstand, daß der Anlieger auch über ein Nachbargrundstück auf sein Grundstück gelangen könnte, ist ohne Bedeutung90). Auch die Breite der freizuhaltenden Grundstückseinfahrt ergibt sich aus den örtlichen Verhältnissen z. B., wenn ein Tor vorhanden ist, aus der Breite des Tores. Auf die Art der die Einfahrt benutzenden Fahrzeuge muß, soweit sie erkennbar ist, Rücksicht genommen werden (Pkw — Lkw) 91 ). Ist allerdings das Grundstück ein längerer privater Parkplatz neben der Fahrbahn oder liegen mehrere Garagen nebeneinander, so daß sie die gesamte Hausfront durch die Zufahrten in Anspruch nehmen würden, dann muß ein Weg gefunden werden, um die Interessen der Ausund Einfahrenden und der auf einen Parkplatz Angewiesenen aufeinander abzustimmen. Das kann in der Weise geschehen, daß für den ganzen Parkplatz bzw. für die sämtlichen nebeneinander gelegenen Garagen nur eine Zufahrt zur Fahrbahn geschaffen wird, die einer normalen Grundstückseinfahrt entspricht92). Freigehalten muß ein der Zufahrt entsprechender Raum auf der Fahrbahn werden. Neben diesem Raum darf auch dann geparkt werden, wenn dadurch die Sicht und Bewegungsmöglidikeit der Ein- und Ausfahrenden eingeengt wird 93 ). Verfehlt wäre es, das Verbot weit auszulegen oder mit Hilfe des § 1 die Pflicht zu konstruieren, auch noch neben der eigentlichen Einfahrt das Parken zu unterlassen. Das Verbot bezieht sich auf die Fahrbahn. Auf dem Gehsteig darf, soweit nicht von der Behörde eine Ausnahme zugelassen •wird, überhaupt nicht geparkt werden. Wer vor einer Grundstückseinfahrt auf dem Gehsteig parkt, verstößt gegen § 2 Abs. 1, event. gegen § 1 Abs. 2. Eine Ausnahme von dem Parkverbot gilt nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift für den, der die Grundstückseinfahrt berechtigterweise benutzt und außerdem für jeden, dem dieser das Parken dort erlaubt. Dagegen kann die früher vertretene Ansicht94), daß vor einer Grundstücksausfahrt parken darf, wer jederzeit ohne weiteres bereit und in der Lage ist, die Ein- und Ausfahrt freizumachen, nicht aufrechterhalten werden95). Wer länger als 3 Minuten hält, der parkt. Das Parken vor Grundstückseinfahrten ist verboten. Es kommt M) Düsseldorf 30. 3. 61, VerkMitt. 62, 20 = VRS 21, 464 = DRspr. I I (293) 54 c. " ) Köln 11. 12. 62, JMB1.NRW 63, 84 = VRS 25, 151 = DRspr. II (293) 65 c. 8 8 ) Saarbrücken 5. 10. 67, VRS 34, 391. 8 8 ) BGHSt. 24, 111 (4. 3. 71) = Betrieb 71, 1109 = DAR 71, 222 = MDR 71, 505 = N J W 71, 851 = VerkMitt. 71, 36 = VRS 40, 467 = DRspr. II (293) 97 a gegen Celle 6. 2. 69, VerkMitt. 69, 38 = NdsRpfl. 69, 167 = DRspr. II (293) 89 a.
9 ») Saarbrücken 5. 10. 67, VRS 34, 391. »•) Oldenburg 8. 11. 66, VRS 32, 153 = VRS 21, 464. 8 2 ) Köln 11. 12. 62, JMB1.NRW 63, 84 = VRS 25, 151 = DRspr. II (293) 65 c; Frankfurt 27. 11. 68, N J W 69, 1074 = DRspr. I I (293) 89 c 9 3 ) Köln 19. 2. 60, DAR 60, 184. 01) Koblenz 19. 3. 59, DAR 59, 251. 9 5 ) A. M. Mühlhaus, StVO § 12 Anm. 8 c, Cramer StVO S 12 RNr. 75.
StVO
Grundstücksausfahrten; Haltestellen
§ 12
ja auch nicht darauf an, ob die Einfahrt tatsächlich während der Parkdauer benutzt wird, ja ob nach Sachlage mit einer Benutzung zu rechnen ist. Audi wenn der Grundstückseigentümer verreist ist, darf vor der Grundstückseinfahrt nicht geparkt werden. Nur wenn auf die Ein- und Ausfahrt eindeutig verzichtet wird, indem z. B. ein Tor mit Brettern vernagelt wird, verliert die Zufahrt den Charakter einer geschützten Zufahrt 96 ). Natürlich wird in Fällen, in denen durch das ordnungswidrige Parken vor einer Grundstückseinfahrt niemand behindert wird, häufig kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bestehen (§ 47 Abs. 1 OWiG). Nicht verboten ist, vor einem fremden Hausgrundstück dauerzuparken, selbst wenn dem Bewohner des Hauses die Möglichkeit genommen wird, selbst vor dem Grundstück zu parken oder vorzufahren 97 ). Nur vor der Grundstüdesein- und -ausfahrt darf nicht geparkt werden. Parken gegenüber Grundstückseinund-ausfahrten61*) Befindet sich eine Grundstücksein- und -ausfahrt an einer „engen Straßenstelle" im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 (oben RNr. 7), dann darf schon nach dieser Vorschrift auch gegenüber nicht geparkt werden. Abs. 3 Nr. 3 kann sich also nur auf die Fahrbahnen beziehen, auf denen das Parken nach Abs. 1 Nr. 1 noch erlaubt wäre, bei denen aber die Ein- und Ausfahrt aus dem Grundstück durch ein gegenüber parkendes Fahrzeug wesentlich erschwert würde. Ob eine Fahrbahn in diesem Sinne schmal ist, hängt also davon ab, welchen Raum die ein- und ausfahrenden Fahrzeuge benötigen. Dieser Raum kann bei größeren Fahrzeugen (Lkw) erheblich größer sein als bei kleineren. Daß der Benutzer der Ausfahrt in einem Zug ausfahren kann, wird nicht verlangt werden können. Das ist auch ohne parkende Fahrzeuge oft nicht möglich. Nur dann, wenn durch ein parkendes Fahrzeug die Ein- und Ausfahrt schwierig wird, kann dessen Führer zugemutet werden, an anderer Stelle zu parken 98 ). Die Interessen des Benutzers der Ausfahrt und des Parkenden müssen gegeneinander abgewogen werden. Ist genügend Parkraum vorhanden, dann kann dem Parkenden eher zugemutet werden, das Parken gegenüber der Ausfahrt zu unterlassen, als wenn er wegen Parkraumnot dazu veranlaßt wird, gerade an dieser Stelle zu parken. 4. Das Parken ist unzulässig bis zu je 15 m vor und hinter Haltestellensdiildern (Z. 224 und 226) (Abs. 3 Nr. 4) Das früher in § 16 Abs. 1 Nr. 3 StVO 1937 enthaltene Verbot wurde unverändert übernommen. Allerdings ergibt sich aus der Tatsache, daß nunmehr das Halten zum Einund Aussteigen und zum Be- und Entladen als Parken gilt, wenn es länger als drei Minuten dauert, eine erhebliche Verschärfung gerade dieses Verbotes. Das Haltestellenschild Z. 224 gilt für Straßenbahnen, das Z. 226 für Kraftfahrlinien. Für Doppelhaltestellen der Straßenbahn gilt nichts besonderes. Soweit erforderlich, kann die Parkverbotsstrecke durch Z. 299 (Grenzmarkierung für Parkverbote) verkürzt oder verlängert werden (vgl. Vwv zu Ziff. 224 u. 226). Soweit für Straßenbahnenhaltestellen Inseln bestehen, soll das Z. 224 nach III der Vwv auf diesen angebracht werden. Das hat dann zur Folge, daß auf der rechts von der Insel gelegenen Fahrbahn kein Parkverbot nach Abs. 3 Nr. 4 besteht. Auf einmündende Straßen erstreckt sich die Parkverbotszone nicht, auch wenn sie innerhalb der 15 m-Grenze einmünden. Dort gilt nur das Parkverbot nach Abs. 3 Nr. 1. Befindet sich eine Omnibushaltestelle in einer Haltestellenbucht, dann ist die 15 m-Grenze auch dann zu beachten, wenn sie außerhalb der Bucht endet. 5. Das Parken ist unzulässig an Taxenständen (Z. 229) (Abs, 3 Nr. 5) Das Verbot, an Taxenständen zu parken, entspricht dem bisherigen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 StVO 1937 mit Bild 31 der Anlage. Das Verkehrszeichen wurde unwesentlich ver• 8 ) K G 16. 9. 54, VerkMitt. 55, 3. • 7 ) Köln 19. 2. 60, D A R 60, 184. 9 7 ' ) Zur früheren Rechtslage: BVerwG 22. 1. 71, D O V 71, 461.
®) Ähnlich Cramer a. a. O. R N r . 76. A. Mühlhaus a. a. O.
9
M.
§ 12
StVO
Möhl
ändert. Das alte Zeichen kann nadi § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 1. 1. 1973 weiterverwendet werden. Das auf § 47 Abs. 3 PBefG (s. III/l in Bd. II) fußende Z. 229 gestattet Taxen, dort auf Fahrgäste zu warten. Anderen Kraftfahrzeugen ist dort das Parken verboten. Das Verbot gilt auch für eine als Kraftdroschkc und Mietwagen zugelassenes Kraftfahrzeug, wenn dessen Führer keinen Taxiführerschein besitzt"). Audi ein Taxichauffeur darf sein Fahrzeug dort nur zu dem Zweck parken, auf Fahrgäste zu warten. Parkt er zu anderen Zwecken, so verletzt er das Parkverbot 1 0 0 ). Stellt ein Taxiunternehmen auf einem nidit zum öffentlichen Verkehrsgrund gehörenden privaten Parkplatz ein dem Z. 229 entsprechendes Zeichen auf, dann kann ein nidit zu diesem Unternehmen gehörender Taxifahrer daraus nicht das Recht herleiten, dort sein Fahrzeug für Fahrgäste bereitzustellen 101 ). Nach der Vwv zu Z. 229 stehen die Zeichen am Ende der Verbotsstrecke, die normalerweise für 5 Taxen (ä 5 m) vorgesehen sind. Die Strecke kann verlängert werden durch Aufstellung eines gleichen Zeichens mit Pfeil am Beginn der Verbotsstrecke und allenfalls durdi eine Markierung (Z. 229). Auch kann die Zahl der vorgesehenen Taxen auf einem Zusatzschild angegeben werden. Vor dem Parken in der Nähe eines solchen Zeichens muß sidi der Kraftfahrer sorgfältig über das Vorhandensein einer solchen Markierung vergewissern 102 ). 29
6. Das Parken ist unzulässig vor und hinter Andreaskreuzen (Z. 201) a) innerhalb geschlossener Ortschaften (Z. 310 u. 311) bis zu je 5 m (Abs. 3 N r . 6 a) Nach § 16 Abs. 1 N r . 3 StVO 1937 war das Parken vor und hinter Bahnübergängen verboten, wenn dadurch die Sicht auf die Bahnstrecke und die Sicherheitseinrichtung des Bahnüberganges behindert wurde. Diese Vorschrift wurde nun konkretisiert: Innerhalb geschlossener Ortschaften ist das Parken nur bis zu je 5 m vor und hinter dem Übergang unzulässig. Die Konkretisierung erleichtert die Anwendung der Vorschrift und gibt dem Kraftfahrer klare Anweisungen. Allerdings sind Fälle denkbar, in denen ein großes Fahrzeug 5 m vor oder hinter dem Übergang abgestellt die Sicht auf die Bahnstrecke und die Sicherheitseinrichtungen des Bahnüberganges empfindlich stört. Die Beschränkung des Verbotes innerhalb geschlossener Ortschaften erklärt sich nach der amtlichen Begründung aus der Parkraumnot. Soweit erforderlich kann durdi Geschwindigkeitsbeschränkungen, Fahrbahnmarkierungen, Überholverbote etc. geholfen werden (s. Vwv zu Z. 201). Anfang und Ende einer geschlossenen Ortschaft wird durch die Z. 310 und 311 bezeichnet. Dodi setzt der Begriff „geschlossene Ortschaft" keine solche Kennzeichnung voraus (vgl. § 3 R N r . 67, 68).
30
b) außerhalb geschlossener Ortschaften bis zu je 50 m (Abs. 3 N r . 6 b) Zu beachten ist, daß nach § 19 Abs. 3 schwere Lastwagen und Züge in gewissen Fällen schon unmittelbar nach der einstreifigen Bake (Z. 162) zu „warten" haben. Diese Bake ist etwa 80 m vor dem Übergang angebracht. Diese Fahrzeuge dürfen also zwar nach Abs. 3 N r . 6 50 m vor dem Andreaskreuz parken, müssen aber in den besonderen Fällen bereits 80 m vor dem Bahnübergang „warten". Das stimmt nicht zusammen; (vgl. § 19 R N r . 14).
31
7. Das Parken ist unzulässig über Schachtdeckeln und anderen Verschlüssen, wo durdi Z. 315 oder eine Parkflächenmarkierung (§ 41 Abs. 3 N r . 7) das Parken auf Gehwegen erlaubt ist (Abs. 3 N r . 7) Das Verbot bezieht sich nur auf Schachtdeckel und andere Versdilüsse, die sich auf Gehwegen befinden. Dort war auch schon bisher das Parken verboten ( § 1 6 Abs. 2 StVO 1937). Ob die früher gelegentlich vertretene Ansicht, es handle sich insoweit nidit um ein ••) Hamm 3. 3. 61, VRS 21, 465 = DRspr. II (293) 54 b. 10 °) Hamburg 25. 5. 66, VerkMitt. 66, 64. 462
) BGH(Z) 21. 1. 69, VerkMitt. 69, 33 = VkBl. 69, 737 = DAR 69, 134 = NJW 69, 791 = VRS 36, 329. 102 ) Hamm 25. 9. 61, VRS 23, 73.
1M
StVO
Andreaskreuz; Schachtdeckel; Verkehrszeichen
§ 12
Parkverbot, sondern u m eine Weisung an die Verkehrsbehörden 1 0 8 ), zutreffend war, kann n u n dahingestellt bleiben. Die Frage ist jetzt eindeutig geklärt: Das Verbot richtet sich an den K r a f t f a h r e r . Der Zweck der Vorschrift wurde in der früheren Fassung angegeben: Der Zugang zu Wasser-, Gas-, Elektrizitäts-, Fernmelde- und sonstige Anlagen soll freigehalten werden. 8. Das Parken ist unzulässig, wo es durch folgende Verkehrszeichen verboten ist: a) Vorfahrtstraßen (Z. 306) (Abs. 3 N r . 8 a)
32
Z. 306 begründet die V o r f a h r t bis z u m nächsten Wartezeichen 205 oder 206. Das Ende der Vorfahrtstraße wird zusätzlich durch Z. 307 angezeigt; (Näheres s. § 8 R N r . 22). Auf der Fahrbahn der Vorfahrtstraße ist außerhalb geschlossener Ortschaften das Parken ausnahmslos untersagt, dagegen das Halten (bis zu 3 Minuten) gestattet, wenn nicht Abs. 1 N r . 6 entgegensteht, wonach das H a l t e n auf der Fahrbahn unzulässig ist, wenn rechts von einer Fahrbahnbegrenzungslinie (Z. 295) auf einem Seitenstreifen oder auf einer Mehrzweckfahrbahn ausreichender Straßenraum frei ist, s. oben R N r . 18). Auf Seitenstreifen ist nicht nur das Halten, sondern auch das Parken erlaubt u n d zwar auch wenn der Seitenstreifen zu einer Vorfahrtstraße gehört. Auf Autobahnen u n d K r a f t f a h r s t r a ß e n allerdings darf weder auf der Fahrbahn noch auf einem Seitenstreifen geparkt werden (ja nicht einmal gehalten!). Für andere als Autobahnen und Kraftfahrstraßen sowie Vorfahrtstraßen wird die Parkfrage weiter kompliziert durch das beschränkte Parkverbot bei Fahrstreifenbegrenzung (Abs. 3 N r . 8 b). Zu beachten ist, daß das f r ü h e r e P a r k v e r b o t auf Bundesstraßen (§ 16 Abs. 1 a StVO 1937) als solches nicht ü b e r n o m m e n w u r d e ; doch wird es weitgehend durch das neue Verbot auf Vorfahrtstraßen ersetzt, weil Bundesstraßen meist auch Vorfahrtstraßen sind. b) Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295 u. 296) (Abs. III N r . 8 b)
33
Durch die Markierung Z. 295 wird die Fahrbahn insofern eingeengt, als die Fahrstreifenbegrenzung nicht überfahren werden darf. Das gleiche gilt f ü r die Markierung Z. 296 auf der Seite der „einseitigen" Fahrstreifenbegrenzung. Hier ist das Parken ähnlich wie an engen Straßenstellen nach Abs. 1 N r . 1 das Halten, n u r dann erlaubt, wenn zwischen dem parkenden Fahrzeug und der Linie ein Fahrstreifen von mindestens 3 m verbleibt. Zu beachten ist, daß dann, wenn die Fahrbahn rechts durch eine Fahrbahnbegrenzungslinie abgegrenzt wird, schon das Halten, also auch das Parken auf der Fahrbahn allgemein untersagt ist, falls ein ausreichender Seitenstreifen vorhanden ist. Überblick Halten
(und Parken)
unzulässig
Halten
erlaubt — Parken
unzulässig
l a Auf Autobahnen u n d Kraftfahrstraßen ( § 1 8 Abs. 8) sowohl auf der Fahrbahn wie auf Seitenstreifen
2a Auf der Fahrbahn von Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften, jedoch Parken auf Seitenstreifen erlaubt
l b Auf anderen Straßen: links von Fahrbahnbegrenzung (Z. 295), falls rechts der Linie ausreichender R a u m zum Halten
2b Auf anderen Straßen mit Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295, 296) rechts von Fahrstreifenbegrenzung, falls zwischen parkendem Fahrzeug u n d Linie weniger als 3 m Zwischenraum. Auch wenn nach 2 a u. 2 b das Parken erlaubt ist, m u ß geprüft werden, ob es nicht nach 1 b auf der Fahrbahn untersagt ist.
103
) Hamm 10. 9. 68, DAR 69, 25 = VerkMitt. 69, 8 = DRspr. II (293) 86 d.
463
§ 12
StVO
Möhl
c) Parken auf Gehwegen (Z. 315) (Abs. 3 Nr. 8 c) Die allgemeine Vorschrift für die Straßenbenutzung durch Fahrzeuge findet sich in § 2 Abs. 1. Diese Vorschrift gilt auch für den „ruhenden" Verkehr, soweit nicht in § 12 Abs. 4 gewisse abweichende Spezialbestimmungen enthalten sind. Die wichtigste Spezialbestimmung ist das Gebot, zum Parken den rechten Seitenstreifen zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist. Denn der fließende Verkehr mit Kraftfahrzeugen darf die Seitenstreifen gerade nicht benutzen. Auf Gehwegen ist das Parken dagegen nach § 2 Abs. 1 untersagt, soweit nicht das allgemeine Verbot durch eine Ausnahmegenehmigung durchbrochen wird. Das Parken auf Gehwegen kann durch das Z. 315 oder durch eine Parkflächenmarkierung nach § 42 Abs. 3 Nr. 7 zugelassen werden, jedoch nur für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht (§ 34 Abs. 2 StVZO) bis zu 2,8 t. Wer auf dem Gehweg an einer Stelle parkt, an der es nicht erlaubt ist, verstößt deshalb nicht gegen § 12, sondern gegen § 2 1 0 5 ). Allerdings kann Z. 315 ein Gebot enthalten, dessen Nichtbeachtung nach § 12 Abs. 3 Nr. 8 c ordnungswidrig ist. Nach 2. zu Z. 315 kann im Z. 315 bildlich angeordnet werden, wie die Fahrzeuge in dem für das Parken auf dem Gehweg freigegebenen Raum aufzustellen sind. Werden sie anders aufgestellt, dann handelt der Parkende nach § 12 Abs. 3 Nr. 8 c mit § 49 Abs. 2 Nr. 5 ordnungswidrig. Da an dieser Stelle Zusatzsdiilder zu Z. 315 nicht erwähnt sind (im Gegensatz zu den Zusatzschildern zu Z. 314), ist dagegen ein Verstoß gegen die nach Anordnung 3. zu Z. 315 zulässige Beschränkung der Parkerlaubnis durdi Zusatzschild für eine bestimmte Dauer nidit bußgeldbewehrt 104 ). Allerdings wird derjenige, der über die zulässige Dauer hinaus parkt, nicht mehr durch die Parkerlaubnis gedeckt sein, und deshalb gegen § 2 Abs. 1 verstoßen. Der Umfang der Parkzone wird auf dem Gehweg gekennzeichnet. Geschieht dies durch Parkflächenmarkierung nach § 42 Abs. 3 Nr. 7, dann gilt die Erlaubnis dort uneingeschränkt. Etwaige gesetzliche Parkverbote treten nadi § 39 Abs. 4 gegenüber der Anordnung durch Verkehrszeichen zurück, z. B. das Verbot nach Abs. 3 Nr. 1, 5 m vor und hinter der Kreuzung und Einmündung zu parken; (s. oben R N r . 23). Außerhalb der zugelassenen Parkzonen darf auf Gehwegen auch nicht mit einem Teil des Fahrzeugs geparkt werden. Das allgemein übliche Parken mit den beiden rechten Rädern auf dem Gehsteig verstößt gegen § 2 Abs. I 1 0 6 ). Allerdings kann dies verkehrsgerecht und vernünftig sein, vor allem, wenn der Fußgänger wegen der Breite des Gehweges nicht behindert wird, die Fahrbahn aber zu schmal ist, um auf ihr zu parken. Gegenüber der klaren gesetzlichen Regelung kann aber dem Kraftfahrer hier ebensowenig wie in anderen Fällen überlassen werden, zu entscheiden, ob eine Ausnahme vernünftig wäre. Allerdings wird die Polizei in solchen Fällen keinen Anlaß haben, die Ordnungswidrigkeit zu verfolgen; § 47 Abs. 1 OWiG. Die Parkflächen werden auf verschiedene Weise markiert. Soweit nicht durch Linien auf der Fahrbahn die Art des Parkens vorgeschrieben ist, darf schräg geparkt werden, wenn dies eine bessere Ausnützung des Parkraumes ermöglicht; (vgl. Vwv zu § 42 Abs. 3 Nr. 7). Auf einem durchkreuzten Raum (Z. 299) in der Parkzone darf nicht geparkt werden 107 ). Wird eine Parkzone auf dem Gehweg aufgehoben, so ist es Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde, die frühere Markierung zu beseitigen 108 ). Ist die Kennzeichnung eines Parkstreifens auf dem Gehweg nicht mehr erkennbar, dann erlischt die Ausnahmegenehmigung. Es kommt auf die den Kraftfahrern sich äußerlich darbietende Sachlage an, nicht darauf, ob die Behörde das Löschen des Parkstreifens angeordnet hat 109 ). ) So audi Booß StVO § 42 Kommentar zu § 42 (S. 387). ) Vgl. für die frühere Rechtslage: B G H 17. 5. 60, VkBl. 60, 628 = N J W 60, 474 = MDR 60, 779 = DAR 60, 267 = VRS 19, 139. 10 «) So auch Booß StVO § 49 Anm. d; a. M. Mühlhaus StVO § 12 Anm. 9 c und Cramer StVO § 12 R N r . 101. 104 105
107) Vgl. für die frühere Rechtslage: Hamm 12. 5. 67, VerkMitt. 67, 55 = VkBl. 68, 139 = VRS 33, 464 = DRspr. II (293) 80 a. ) Frankfurt 2. 6. 65, N J W 65, 1776. °) Köln 29. 3. 66, VRS 31, 305.
108 10
StVO
Gehwege; Markierungen; Zusatzschild
§ 12
Für den Benutzer einer Grundstücksausfahrt gelten auf dem von ihm zu überquerenden Gehweg keine Besonderheiten. Wenn er vor seiner Ausfahrt auf dem Gehweg parkt, obwohl d o r t das Parken nicht zugelassen ist, verstößt er gegen § 2 Abs. I 110 ). Die Zulassung des Parkens auf einem Gehweg ist f ü r die Frage ohne Bedeutung, ob auf der anschließenden Fahrbahn geparkt werden darf. Der Hinweis in Abs. 3 N r . 8 c auf Z. 315 besagt hierüber nichts. Wie in anderen Fällen verweist § 12 lediglich auf das Verkehrszeichen, aus dem sich nach den näheren A n o r d n u n g e n zu diesem Zeichen ein P a r k verbot ergeben kann 1 1 1 ). d) Grenzmarkierung für Parkverbote (Z. 299) (Abs. 3 N r . 8 d) Diese Markierung bezeichnet, verlängert oder v e r k ü r z t vorgeschriebene Parkverbote, setzt also ein P a r k v e r b o t voraus. Auf die Möglichkeit, von einer solchen Modifizierung eines bestehenden Parkverbots Gebrauch zu machen, wird in der Vwv zu § 12 Abs. 3, IV u. V zu Z. 224 u. 226 und II zu Z. 229 ausdrücklich hingewiesen. Soweit durch die Grenzmarkierung Parkverbote verlängert werden, begründet die Markierung das weiterreichende Verbot, soweit es die Verbotsstrecke verkürzt, schränkt sie das Verbot wirksam ein. Soweit die Grenzmarkierung die Verbotszone „bezeichnet", hat sie n u r hinweisenden Charakter. Zulässig ist es auch, eine im übrigen f ü r das Parken freigegebene Fläche durch die Grenzmarkierung zu begrenzen. e) Parkplatz (Z. 314) mit Zusatzschild (Abs. 3 N r . 8 e) Das Z. 314 (Parkplatz) wird sowohl an Stellen angebracht, an denen das Parken erlaubt, wie an denen es verboten ist. N u r im zweiten Fall hat es eine rechtserhebliche Wirkung. Da es aber nicht verbietet, sondern erlaubt, kann es nicht übertreten werden. Es hat auch nidit etwa die Bedeutung, daß es an Stellen, an denen kein P a r k v e r b o t besteht, die Grenzen des zulässigen Parkens absteckt. Folgerichtig verweist Abs. 3 N r . 8 e auf die in 2. zu Z. 314 vorgesehenen Zusatzschilder, durch die die Parkerlaubnis beschränkt werden kann, namentlich f ü r eine bestimmte Dauer oder f ü r bestimmte Fahrzeugarten. Erst durch ein solches Zusatzschild gewinnt das Z. 314 den Charakter eines Parkverbots. Wer sich an die A n o r d n u n g des Zusatzschildes nicht hält, verhält sich nach § 49 Abs. 3 N r . 5 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Auf Parkplätzen kann mit Hilfe einer Parkflächenmarkierung angeordnet werden, wie Fahrzeuge aufzustellen sind. Auf öffentlichem Verkehrsgrund soll die Einrichtung gebührenpflichtiger Parkplätze u n zulässig sein, weil das Parken zum Gemeingebrauch gehört 1 1 2 ). Nach § 13 Abs. 2 kann das Parken aber d u r d i ein Zusatzschild von der Benutzung einer Parkscheibe abhängig gemacht werden. 9. Wann ist das Parken nach § 1 unzulässig? Mehr noch als das bloße Halten w i r k t sich das Parken auf den Verkehrsfluß aus. Wenn der fließende Verkehr auch die normalerweise mit dem Parken verbundene Behinderung hinnehmen muß, so gibt es hier doch ö f t e r als beim bloßen H a l t e n Fälle, in denen die Behinderung u n z u m u t b a r ist u n d w o deshalb der Parkende das Parken unterlassen muß, obwohl weder ein gesetzliches P a r k v e r b o t noch ein durch Verkehrszeichen angeordnetes entgegensteht 113 ). Eine u n z u m u t b a r e Behinderung oder Belästigung w u r d e von der Rechtsprechung in folgenden Fällen angenommen: Dauerparken v o r fremden H ä u s e r n ; durch die hohen A u f b a u t e n eines Lkw wird den Bewohnern dauernd die Sicht auf die Straße versperrt, Fenster und W o h n u n g e n werden durch den Staub der parkenden Lkws verschmutzt, durch das Warmlaufenlassen des Motors bei Nacht wird der Sdilaf der A n w o h 110
) Koblenz 19. 12. 68, DAR 69, 138 = DRspr. II (293) 89 d. nl ) Ähnlich Harthun, DAR 71, 253, 256; a. M. Cramer StVO Erl. zu Z. 315.
112
) BVerwG 28. 11. 69, wie Fußn. 42. BGH(Z) 10. 7. 61, VersR 61, 851; Düsseldorf 3. 5. 62, VerkMitt. 62, 91.
465 30 StVO + S t G B
§ 12 StVO
Möhl
ner gestört, der Benzingeruch der Fahrzeuge dringt durch die geschlossenen Fenster in die Wohnungen etc. 1 1 4 ). Ist die F a h r b a h n durch besondere Straßenverhältnisse, z. B. d u r d i Schneehaufen eingeengt, dann k a n n das Parken eines K r a f t f a h r z e u g s am F a h r b a h n r a n d audi an einer Stelle, an der es unter normalen Bedingungen ohne weiteres gestattet ist, verkehrswidrig sein 1 1 5 ). Wer an einer Straße p a r k t , an der ein P a r k v e r b o t nur f ü r bestimmte Stunden angeordnet ist, m u ß außerhalb der Verbotszeit p r ü f e n , ob nicht durch sein Parken der Verkehrsfluß u n z u m u t b a r behindert wird 1 1 8 ). D a s E n t l a d e g e s d i ä f t durch die geöffnete linke T ü r eines am Bordstein haltenden P k w k a n n in einer engen, v o n der Straßenbahn befahrenen Straße im Sinne des § 1 gefährden 1 1 7 ). Wenn besondere U m s t ä n d e das Parken an einer normalerweise verbotenen Stelle rechtfertigen, m u ß der K r a f t f a h r e r doch die hierdurch herbeigeführte Behinderung des Verkehrs möglichst abkürzen 1 1 8 ). I V . Wo ist zu p a r k e n u n d zu halten? (Abs. 4) 38
X. P a r k e n « # / dem rechten
Seitenstreifen
Ist rechts ein Seitenstreifen vorhanden, der z u m Parken ausreichend befestigt ist, dann m u ß normalerweise auf diesem geparkt werden. Z w a r müssen nach § 2 Abs. 4 S. 2 R a d fahrer rechte Seitenstreifen benutzen, wenn sie Fußgänger nicht behindern und Fußgänger müssen Seitenstreifen nach § 25 Abs. 1 benutzen, wenn kein Gehweg v o r h a n d e n ist. D a ß Fußgänger u n d R a d f a h r e r durch das P a r k e n v o n Fahrzeugen behindert werden können, n i m m t der Gesetzgeber o f f e n b a r in K a u f . D e r p a r k e n d e K r a f t f a h r e r m u ß sich also nicht erst vergewissern, ob der Seitenstreifen frei v o n Fußgängern u n d R a d f a h r e r n ist. E r m u ß nur beim H a l t e n darauf achten, daß er niemanden gefährdet oder v e r m e i d b a r behindert. Ist allerdings der Seitenstreifen m i t Fußgängern oder R a d f a h r e r n voll besetzt, dann wird m a n vernünftigerweise dem K r a f t f a h r e r das Parken am F a h r b a h n r a n d gestatten müssen 1 1 8 ). Z u beachten ist, daß auf A u t o b a h n e n und K r a f t f a h r s t r a ß e n das Parken auch auf dem Seitenstreifen untersagt ist. Seitenstreifen gehören nicht zur Fahrbahn, w o h l aber zur Straße (s. § 1 R N r . 78). Ist ein Seitenstreifen als Gehweg ausgebaut, dann gilt er nicht mehr als Seitenstreifen, sondern als Gehweg. O b Seitenstreifen ausreichend befestigt sind, m u ß der K r a f t f a h r e r nadi dem äußeren Anschein beurteilen 1 2 0 ). D a b e i k a n n die Befestigung des Seitenstreifens f ü r einen leichten P k w ausreichen, während ein schwerer L k w einsinken w ü r d e ; (zur Frage der Verkehrssicherheitspflicht vgl. Bd. I S t V G § 5 a R N r . 51). Durch Z. 388 k a n n auf die m a n gelnde E i g n u n g des Seitenstreifens z u m Parken hingewiesen werden, wobei die Warnung auf L k w ' s beschränkt werden kann. I m übrigen braucht der K r a f t f a h r e r in Zweifelsfällen das Parken auf d e m Seitenstreifen nicht zu riskieren; (vgl. V w v zu § 12 Abs. 4). Soweit das Parken auf d e m Seitenstreifen möglich ist, darf nicht a m F a h r b a h n r a n d geparkt werden. D a s wird auch gelten müssen, wenn der Seitenstreifen bereits d u r d i parkende F a h r zeuge besetzt ist, denn Abs. 4 stellt nicht darauf ab, ob der Seitenstreifen frei ist, sondern nur, ob er ausreichend befestigt ist. Voraussetzung ist allerdings auch, daß der Seitenstreifen nicht u n b e n u t z b a r ist, etwa wegen Schneehaufen oder tiefen Löchern. E r m u ß ausreichend befestigt u n d z u m P a r k e n geeignet sein. > 14 ) Vgl. KG 27. 3. 58, VerkMitt. 58, 31; Oldenburg 19. 11. 57, VerkMitt. 58, 16; Frankfurt 30. 4. 58, VerkMitt. 58, 53; Hamm 18. 9. 62, DAR 63, 281; Karlsruhe 20. 4. 61; DAR 61, 257; Saarbrücken 20. 4. 61, VRS 22, 62. »5) Mündien 5. 1. 60, VersR 60, 569; vgl. audi BayObLG 19. 1. 66, VRS 31, 129 = VkBl. 66, 184; 11. 12. 69, VRS 39, 74 = VkBl. 71, 340. 466
) ) ) 118) 12 °) 116 m
118
Hamm 12. 2. 60, DAR 60, 239. KG 5. 4. 62, VRS 22, 467. BGH(Z) 22. 12. 64, VersR 65, 362. So audi Cramer StVO § 12 RNr. 89. Köln 10. 11. 54, VRS 8, 81; BGH 8. 7. 57, N J W 57, 1396 = VkBl. 57, 606 = VRS 13, 172.
Wo ist zu parken? Wo zu halten?
StVO
§ 12
Mit der Frage, ob und wo außerhalb der Straße geparkt werden darf, befaßt sich die StVO nicht. Allerdings kann sich aus einer besonderen Verkehrslage die Pflicht ergeben, beim Anhalten über die Fahrbahn rechts hinauszufahren 121 ). Parken am rechten Fahrbahnrand
39
Ist kein zum Parken geeigneter rechter Seitenstreifen vorhanden, dann ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Die Vorschrift ist klar und enthält gegenüber der früheren Regelung eine merkliche Verschärfung. Die neue Vorschrift kann keinesfalls so ausgelegt werden, daß ein Parken in zweiter Reihe unter Umständen zulässig sei. Die schwankende Rechtsprechung zu dieser Frage ist überholt, auch soweit sie sich nur mit dem „Halten" befaßte, weil früher das Be- und Entladen dem „Halten" zugerechnet wurde, während es jetzt als „Parken" gilt 122 ). Der Formulierung der Vorschrift kann entnommen werden, daß in der Fahrtrichtung geparkt werden muß und daß das Fahrzeug hart am Rand der Fahrbahn stehen muß, wobei natürlich ein technisch bedingter geringer Abstand nicht schadet123). Fraglich ist aber, ob parallel zum Fahrbahnrand geparkt werden muß oder ob Parken schräg oder sogar senkrecht zum Fahrbahnrand zulässig ist. Die Frage kann nicht einheitlich beantwortet werden; es kommt auf die besondere Verkehrslage an. Auf genügend breiter Fahrbahn wird gegen das platzsparende (s. Abs. 5!) Schrägparken nichts einzuwenden sein, während es auf schmaler Fahrbahn ausgeschlossen ist. Im großstädtischen Verkehr wird die Verkehrsbehörde notfalls von der Möglichkeit der Parkflächenmarkierung Gebrauch machen. Parkbuchten, die von der Fahrbahn nicht deutlich abgegrenzt sind, gehören zur Fahrbahn. Neben den in einer Parkbucht parkenden Fahrzeugen darf deshalb nicht auf der Fahrbahn geparkt werden. 2. Halten
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Die Regeln für das Parken gelten in der Regel auch für den, der nur halten will. Auch dieser muß also vorhandene rechte Seitenstreifen benutzen, wenn sie dazu ausreichend befestigt sind, andernfalls muß er zum Halten an den rechten Fahrbahnrand heranfahren. Da es sich insoweit nur um eine Regelvorschrift handelt, kann in besonderen Fällen eine Ausnahme gestattet sein. Man wird davon auszugehen haben, daß eine Ausnahme nur dann zugelassen wird, wenn dem für den Regelfall vorgeschriebenen Verhalten ein Hindernis entgegensteht, wenn also weder der rechte Seitenstreifen noch ein Platz am rechten Fahrbahnrand frei ist. Der wichtigste Ausnahmefall wird deshalb das Halten in zweiter Reihe sein. Obwohl der Text der Vorschrift nicht erkennen läßt, wann eine Ausnahme von der Regel zuzulassen ist, wird man darauf abstellen können, ob Verkehrslage und örtlichkeit ein Halten an anderer Stelle gestatten 124 ); es wird also darauf ankommen, ob der übrige Verkehr durch das Halten erheblich behindert wird und ob der Haltende ein zu billigendes Interesse daran hat, an der von ihm gewählten Stelle zu halten 125 ). Das Halten in zweiter Reihe wird deshalb geduldet werden können, wenn der fließende Verkehr nicht blockiert wird und wenn sich kein geeigneterer Platz zum Halten in der Nähe befindet. Fraglich ist, ob dem Umstand Bedeutung zukommt, daß der an dem Haltenden vorbeifließende Verkehr genötigt wird, Fahrstreifenbegrenzungslinien (Z. 295) oder Leitlinien nach c) zu Z. 340 zu ) BayObLGSt. 64, 123 (11. 8. 64) = N J W 65, 59 = VerkMitt. 64, 89. > ) Für die frühere Rechtslage: B G H S t . 17, 240 (9. 5. 62) = V R S 23, 70 = DRspr. II (293) 60 a ; B G H S t . 23, 195 (10. 12. 69) = D A R 70, 110 = J R 70, 187 = M D R 70, 433 = N J W 70, 619 = VerkMitt. 70, 27 = V R S 38, 228 = LM § 15 StVO 1937 Nr. 5 mit Anm. von Martin; BayObLG 10. 2. 60, D A R 60, 148; BayObLGSt. 69, 3 ; 20. 1. 69 = D A R 69, 138 = VerkMitt. 69, 35 = V R S 37, 218; 26. 3. 69, V R S 36, 460; K G 13. 5. 65, D A R 65, 247 = V R S 29, 137 = DRspr. I I (293) 73 b c; Hamm 6. 4. 62, V R S 23, 121
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464; 12. 9. 68, VerkMitt. 69, 21 = D A R 69, 166; Düsseldorf 10. 1. 62, D A R 62, 272; 5. 4. 62; VerkMitt. 62, 90; 15. 3. 67, VerkMitt. 68, 14; 19. 7. 68, VerkMitt. 69, 55; Saarbrücken 23. 8. 62, D A R 63, 196; Schleswig 20. 9. 61, SchlHA 61, 350 = V R S 23, 30 = D A R 62, 213. 1 2 3 ) Vgl. Düsseldorf 4. 6. 64, VerkMitt. 65, 93 = DRspr. I I (293) 73 a. 1 2 4 ) Darauf weist die amtliche Begründung hin (RNr. 3). 12 5) B G H S t . 17, 240 und BayObLG 20. 1. 69 wie Fußn. 122.
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§ 12
StVO
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überfahren. Die Frage dürfte zu verneinen sein, weil nach dem Willen des Gesetzgebers auch sonst das Halten zulässig ist (und nur das Parken verboten), wenn der Zwischenraum zwischen dem Haltenden und der Fahrstreifenbegrenzung eine Vorbeifahrt ausschließt; (oben R N r . 33) 12 »). Die Ausnahme von den strengen Parkvorsdiriften für das Halten wird in Abs. 4 S. 2, Halbsatz 2 eingeschränkt: Der Haltende muß auf alle Fälle „auf der rechten Seite rechts bleiben". Diese etwas unklare Formulierung wurde aus § 8 Abs. 2 StVO 1937 übernommen. Sie wurde früher großzügig so ausgelegt, daß die Einhaltung eines geringfügigen Abstandes zur Fahrbahnmitte ausreicht, um dem Erfordernis zu genügen, auf der rechten Seite der Fahrbahn rechts zu fahren. Die Frage, ob sich eine solche Auslegung mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbaren läßt, kann insoweit jetzt dahingestellt bleiben, als in § 2 Abs. 2 nunmehr das Rechtsfahrgebot neu formuliert wurde. Hier bei der Frage, wo auf der rechten Seite gehalten werden soll, wird man die frühere Auslegung des § 8 Abs. 2 ohne Schaden zugrunde legen können, auch wenn gegen sie sprachliche Bedenken bestehen. Man wird deshalb davon auszugehen haben, daß die Ausnahme von dem Gebot, am Fahrbahnrand zu halten, auf den Raum rechts von der Mitte der Fahrbahn abzüglich eines gewissen Sicherheitsabstandes zu dieser beschränkt ist. Allerdings steht dem Haltenden, die Wahl des Halteplatzes nicht frei, er muß, da es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, immer so weit rechts halten, als dies nach der Verkehrslage möglich ist. Abgesehen von dem Fall, daß auf der rechten Seite Schienen liegen und von Einbahnstraßen (unten R N r . 41) ist das Halten auf der linken Fahrbahnseite ausnahmslos verboten 127 ).
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3. Links Halten und Parken (Abs. 4 S. 3) Abs. 4 S. 3 entspricht der früher in § 15 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 StVO 1937 enthaltenen Bestimmung. Er gestattet in den beiden aufgeführten Fällen das Linkshalten und -parken. Soweit auf der rechten Seite „Schienen liegen" will sagen, soweit dort Schienenbahnen verkehren. Ein totes Gleis hindert nicht das Parken und gibt deshalb auch kein Recht zum Linksparken. Aber auch wenn zwischen den rechts verlaufenden Gleisen und dem rechten Fahrbahnrand ein ausreichender Zwischenraum zum Halten und Parken ist, besteht kein Anlaß, vom normalen Rechtshalte- und Parkgebot abzuweichen. Einbahnstraßen werden durch Z. 220 gekennzeichnet. Gelegentlich spricht die StVO von „Fahrbahnen für eine Fahrtrichtung", z. B. in § 5 Abs. 7, § 9 Abs. 1 S. 2. Für diese Fahrbahnen wird das Gleiche zu gelten haben wie für die Einbahnstraßen, weil bei ihnen die gleichen Gründe für die Zulassung des Linkshaltens und -parkens sprechen. Während dann, wenn rechts Schienenverkehr stattfindet, das Rechtshalten und -parken nach § 1 Abs. 2 unzulässig sein kann und der Haltende oder Parkende deshalb gezwungen ist, links zu parken, steht es ihm auf Einbahnstraßen frei, die Seite zu wählen, auf der er halten oder parken will. Fraglich könnte sein, ob das Linksparken und -halten auch in sog. unechten Einbahnstraßen erlaubt ist, d. h. in Straßen, in denen zwar der übrige Verkehr nur in einer Richtung fließen darf, Straßenbahnen aber in beiden Richtungen verkehren 128 ). Doch wird die Frage nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bejahen sein. Wo links zu halten und zu parken ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Man wird aber davon ausgehen können, daß sich aus dem Zusammenhang ohne weiteres ergibt, daß dort entsprechend in erster Linie auf links verlaufenden Seitenstreifen oder bei deren Fehlen am linken Fahrbahnrand geparkt und gehalten werden soll 129 ). Auch die Lockerung des Gebotes für Haltende wir dentsprediend angewandt werden können.
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4. Das Einparken
Die Grundsätze für das Einparken ergeben sich aus § 1 Abs. 2. Der zunehmende Mangel an Parkraum hat dazu geführt, daß es zu einem „Kampf" um die Parklücken gekommen ist. Wo sich ein Parkender anschickt anzufahren, warten häufig mehrere andere, ) So auch Harthun in D A R 71, 253, 255. 127) F ü r die frühere Rechtslage: Oldenburg 2. 7. 59, D A R 59, 308 = NdsRpfl. 59, 233. 12>
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) Vgl. B G H S t . 16, 133 (21. 6. 61) = D A R 61, 287 = VerkMitt. 61, 73 = V R S 21, 228. 12®) BGHSt. 17, 240 wie Fußn. 122. ,2e
StVO
Links Parken; Einparken; „platzsparend" Parken
§ 12
um die Parklücke für sich zu gewinnen. Ausgangspunkt der Untersuchung, wer ein V o r recht auf Besetzung der Parklücke hat, ist die Tatsache, daß die Benutzung der Fahrbahn zum Parken dem Gemeingebrauch der Straße zuzurechnen ist, der jedem Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise zusteht. Es muß also ein anderes Merkmal gefunden werden, aus dem der Parkende „Rechte" herleiten kann. Nach h. M. ist dies der allgemeine Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" 1 8 0 ). So einleuchtend dieser Grundsatz ist, so ist seine Anwendung doch nicht ganz so problemlos. Ein Wettlauf der Anwärter muß im Interesse der Sicherheit des Verkehrs vermieden werden. Der V o r t r i t t muß dem gebühren, der sich an der Parklücke oder einer Stelle, an der alsbald mit einer Parklücke zu rechnen ist, zuerst einfahrtbereit aufgestellt hat. Wartet bereits ein anderer erkennbar auf das Freiwerden der Einfahrt, dann ist es nicht nur unhöflich, wenn sich ein später Ankommender vordrängt, sondern dieser verstößt gegen § 1 Abs. 2, weil er den auf das Freiwerden der Lücke Wartenden vermeidbar behindert 1 3 1 ). Wer vor der Lücke nicht mit seinem K r a f t fahrzeug wartet, scheidet als Anwärter aus. Das gelegentlich geübte „Belegen" einer Lücke durch einen Fußgänger ist unzulässig. (Zur Frage der Nötigung und N o t w e h r vgl. § 1 R N r . 184). V. Wie ist zu parken und zu halten? (Abs. 5)
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Das Gebot, „platzsparend" zu parken, ist neu. Es will mithelfen, die allgemeine Parkraumnot zu lindern. „Platzsparend" parkt, wer nicht mehr Platz in Anspruch nimmt, als nach Sachlage notwendig ist. Notwendig ist die Einhaltung gewisser Abstände nach vorn und hinten, aber audi nach der Seite. Diese Abstände müssen so groß sein, daß der Parkende selbst, aber auch die neben ihm Parkenden ohne Schwierigkeit ausparken können. Ein gewisses Maß von Geschicklichkeit wird dabei allerdings vorausgesetzt, mehrmaliges V o r und Zurückstoßen muß in Kauf genommen werden 1 3 2 ). Es darf aber nicht so eng geparkt werden, daß ein durchschnittlicher Fahrer beim Ausparken überfordert wäre 1 3 3 ). Auf der anderen Seite darf nicht Platz verschwendet werden. Auch wenn eine Parklücke breiter als nötig ist, aber nicht breit genug, um zwei Fahrzeuge aufzunehmen, muß nahe an dem einen, die Lücke begrenzenden Fahrzeug geparkt werden, damit evtl. später auf der entgegengesetzten Seite eine weitere Parklücke gewonnen wird. Bestimmte Mindest- und Höchstabstände können nicht festgelegt werden, weil es auf die jeweilige Verkehrslage und auf die A r t der beteiligten Fahrzeuge ankommt. Wichtig ist, daß nun zur Rechenschaft gezogen werden kann, wer ohne auf die allgemeine Parkraumnot zu achten, sein Fahrzeug so aufstellt, daß offensichtlich Parkraum verlorengeht. Für das Halten gilt die Vorschrift nur als Regelvorschrift. Für das Halten ist sie auch ohne große Bedeutung, einmal weil der „Haltende" erforderlichenfalls sogleich wegfahren kann, dann aber auch, weil ein Halten, das andere vermeidbar behindert, schon nach § 1 Abs. 2 ordnungswidrig ist. C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
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Ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 12, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über das Halten oder Parken nach § 12 Abs. 1, 3, 4 S. 1, S. 2 — Halbs. 2, oder Abs. 5 verstößt, nach § 49 Abs. 3 N r . 5, entgegen § 42 eine durch Zusatzschild zu Z. 314 oder durch Z. 315 gegebene Anordnung nicht befolgt. Wer beim Halten § 12 Abs. 4 S. 2 — Halbs. 1 nicht beachtet, wird dagegen nicht mit Bußgeld bedroht. Warum dies so ist, ist nicht recht verständlich, besonders wenn man bedenkt, daß die „Regelvorschrift" des Abs. 5 bußgeldbewehrt ist. °) Z. B. BayObLG 6. 9. 61 = VerkMitt. 61, 80 = NJW 61, 2074 = DAR 61, 342 VRS 21, 360. 1 3 1 ) A. M. Hamm 15. 8. 69, DAR 69, 274 = VRS 37, 360 = VerkMitt. 69, 83 mit ablehnender Anmerkung von Booß; vgl. audi 13
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die Kritik von Möllers in DAR 71, 7. ) KG 28. 4. 66, DAR 66, 305 = VerkMitt. 67, 20.
) Hamm 22. 2. 62, DAR 62, 303; vgl. Düsseldorf 23. 4. 59, VRS 17, 226.
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Möhl
Die Halt- und Parkvorschriften sind reine Ordnungsvorschriften. Zu ihrem Tatbestand gehört kein „Erfolg" 134 ). Wer z. B. an enger Straßenstelle hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit auch, wenn durch das Halten niemand behindert oder auch nur belästigt wird. Wird durch das verbotene Halten oder Parken ein „Erfolg" im Sinne des § 1 Abs. 2 verursacht, dann kann mit der Ordnungswidrigkeit nach § 12 eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 in Tateinheit stehen. Die mit dem Halten natürlicherweise verbundene Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer muß aber hingenommen werden, soweit sie nicht aus besonderen Gründen unzumutbar und vermeidbar ist; (s. oben R N r . 21). Wer „wartet" oder wer gegen seinen Willen „liegenbleibt" oder gezwungenermaßen, um ein erlaubtes Verkehrsmanöver durchzuführen (s. oben R N r . 4) kurz hält, unterliegt nicht den Haltvorschriften des § 12. Er kann aber gegen § 1 Abs. 2 verstoßen. Verkehrszeichen sind zu beachten, auch wenn sie anfechtbar sind. Der Richter hat zwar zu prüfen, ob ein Verkehrszeichen nichtig, nicht aber, ob es anfechtbar ist135). Diese Frage entscheidet das Verwaltungsgericht. Auch wenn dieses die Anordnung der Aufstellung des Verkehrszeichens nachträglich aufhebt, wird die in der Mißachtung des Zeichens liegende Ordnungswidrigkeit nicht nachträglich beseitigt 136 ); (s. § 39 R N r . 4). Duldet die Polizei längere Zeit verbotswidriges Parken, so wird dadurch das Parkverbot nicht aufgehoben. Ein Irrtum hierüber ist Verbotsirrtum 1 3 7 ). Täter der Ordnungswidrigkeit ist normalerweise derjenige, der das Fahrzeug beim Anhalten führt. Er nimmt am öffentlichen Verkehr teil, solange er das Fahrzeug auf der Fahrbahn stehen läßt; (vgl. § 1 R N r . 24). Übergibt der Fahrer anschließend die Fahrzeugschlüssel einem anderen, z. B. dem Fahrzeughalter, dann wird dieser f ü r das verbotene Parken mitverantwortlich 138 ). Der Halter kann auch als Auftraggeber des Fahrers Teilnehmer des ordnungswidrigen Parkens sein, wenn er jederzeit die ordnungsgemäße Abstellung des Fahrzeugs herbeiführen kann 139 ). Zwischen § 2 und § 12 Abs. 4 besteht Gesetzeskonkurrenz. § 12 Abs. 4 geht als das speziellere Gesetz vor 140 ). Wird durch ein falsch haltendes oder geparktes Fahrzeug ein Unfall verursacht, so kann die Feststellung der Ursächlichkeit des Fehlverhaltens zweifelhaft sein. Stellt z. B. ein Kraftfahrer sein Fahrzeug verkehrswidrig vor einem Fußgängerüberweg ab und fährt ein anderer auf dem Überweg einen Fußgänger an, so ist f ü r die Frage der Mitursächlichkeit seines Verhaltens von entscheidender Bedeutung, ob der andere Kraftfahrer den Überweg ohne die Sichtbehinderung rechtzeitig erkannt hätte 141 ). Fährt auf den falsch Geparkten ein anderer auf, dann ist zu prüfen, ob der Nachfolgende bei richtiger Aufstellung des parkenden Fahrzeugs mit Sicherheit auf diesen nicht aufgefahren wäre 142 ). Die Ursächlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der andere den Unfall bei größerer Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Auch setzt der falsch Parkende im zivilrechtlichen Sinn eine adäquate Bedingung f ü r das Auffahren 1 4 3 ). Verstöße gegen § 12 können, auch wenn der Täter rücksichtslos handelt und eine Gefährdung im Sinne des § 315 c verursacht, nicht als Verkehrsgefährdung bestraft werden. Anders, wer gegen die besonderen Vorschriften über die Sicherung eines haltenden oder liegengebliebenen Fahrzeugs verstößt; § 315 c Abs. 1 N r . 2 g StGB. Der Nötigung kann sidi schuldig machen, wer im Kampf um die Parklücke sich verwerflicher Mittel bedient, z. B. der Bedrohung mit einer Körperverletzung. 134
) Celle 11. 2. 60, N J W 60, 1485 = NdsRpfl. 60, 186 = DRspr. II (293) 43 a; 21. 5. 64, VRS 28, 32. 135 ) Stuttgart 7. 9. 66, N J W 67, 122, 744 mit Anm. v. Baldauf und Hagedorn; Hamm 14. 1. 66, VRS 30, 478. 13e ) Zur Frage eines Irrtums über die Bedeutung der Anfechtbarkeit: Celle 26. 1. 67, VRS 33, 69.
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137
) Hamburg 26. 1. 66, VRS 31, 136 = VerkMitt. 66, 36. ) BayObLGSt. 62, 278 (14. 11. 62) = VRS 24, 460 = VkBl. 63, 452 = VerkMitt. 63, 15. 13 ») Stuttgart 13. 9. 65, DAR 66, 165 = VRS 30, 78. 14 °) Düsseldorf 13. 3. 69, VRS 38, 312. 141 ) Hamm 12. 12. 68, DAR 69, 216. 142 ) BayObLG 17. 2. 65, 1 a St 657/1964. 143 ) BGH(Z) 4. 11. 60, VersR 61, 150. 1S8
StVO § 13
Parkuhr und Parksdieibe
§ 13 Parkuhr und Parksdieibe (1) An Parkuhren darf nur gehalten werden 1. zum Ein- und Aussteigen, 2. zum Be- und Entladen oder 3. während des Laufes der Uhr. Die längste auf der Uhr angegebene Parkzeit darf nicht überschritten werden. Das Haltverbot kann durch Aufschrift auf der Uhr auf bestimmte Stunden oder Tage beschränkt sein. (2) Im Bereich eines Zonenhaltverbots (Zeichen 290 und 292) oder wo durch ein Zusatzschild zum Zeichen 314 die Benutzung einer Parkscheibe (Bild 291) vorgeschrieben ist, ist das Parken (§ 12 Abs. 2) nur erlaubt 1. für die Zeit, die auf dem Zeichen 290 oder dem Zusatzschild zum Zeichen 314 angegeben ist und 2. wenn das Fahrzeug eine von aufien gut lesbare Parkscheibe hat und wenn der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt ist, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt. Wo in der Haltverbotszone Parkuhren aufgestellt sind, gelten deren Anordnungen. Vwv
zu § 13:
Zu Absatz 1 I. Wo Parkuhren aufgestellt sind, braucht das Zeichen 286 nicht angebracht zu werden. II. Parkuhren sind vor allem dort aufzustellen, wo der Parkraum besonders kostbar ist und daher erreicht werden muß, daß möglidist viele Fahrzeuge nacheinander für möglichst kurze, nadi oben genau begrenzte Zeit, parken können. Die Parkzeiten sind dort nach den örtlichen Bedürfnissen festzulegen. Vor Postämtern kann z. B. eine Höchstparkdauer von 15 Minuten genügen, vor anderen öffentlichen Gebäuden und Kaufhäusern je nach Art der dort geleisteten Dienste oder der Art der Warenangebote eine solche von 30 Minuten bis zu 1 Stunde. Wo das Parken für längere Zeit erlaubt werden kann oder nur das Dauerparken unterbunden werden muß, können Parkuhren mit einer Höchstparkdauer von mehr als einer Stunde aufgestellt werden. III. Vor dem Aufstellen von Parkuhren sind die Auswirkungen auf den fließenden Verkehr und auf benachbarte Straßen zu prüfen. IV. Parkuhren sind wirksam zu überwachen. Es empfiehlt sich, dafür Hilfskräfte einzusetzen. V. Unerlaubt haltende Fahrzeuge können nadi Maßgabe der polizeilichen Vorschriften kostenpflichtig abgeschleppt werden. VI. Ober Parkuhren in Halteverbotszonen vgl. III zu den Zeichen 290 und 292. Zu Absatz 2 I. Parken mit Parkscheibe darf nur in Haltverbotszonen oder dort erlaubt werden, wo das Zeichen 314 aufgestellt ist. II. Die höchstzulässige Parkdauer darf nicht niedriger als auf eine Stunde angesetzt werden. III. Auf der Vorderseite der Parkscheibe sind Zusätze, auch solche zum Zwecke der Werbung, nicht zulässig. Übtrsi&t A. Amtlidie Begründung
RNr. 1
B. Inhalt der Vorschrift 2-9 TAU r'rL Li*J * I. Allgemeiner Oberblick 2 II. Halten an Parkuhren (Abs. 1) 3-6 1. Rechtliche Bedeutung der Parkuhr 3 2. Geltungsbereich ^ 3. Das Halten zum Ein- oder Aussteigen und zum Be- und Entladen (Abs. 1 N r . 1, 2) 5
RNr. 4. Das Halten während des Laufes d e r U h r (Abs -, 1 N r " 3) III. Halten im Bereich eines Zonenhaltverbots (Abs. 2) i . Rechtliche Bedeutung des Verbots 2. Die Parkscheibe IV. Halten auf Parkplätzen mit Parkch h s ei e C. Bußgeldvorschrift
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§ 13 StVO •|
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A. Amtliche Begründung Z« Absatz 1: Durch die Neufassung sollen zunächst zwei Streitfragen gelöst werden. Da die Parkzeit auf die Dauer des Laufs der Uhr beschränkt wird, ist die Ausnutzung der Restparkzeit erlaubt. Wenn der zweite Satz sagt, daß die längste auf der Uhr angegebene Parkzeit nicht überschritten werden dürfe, so ist es damit erlaubt, dann nachzuwerfen, wenn bei einer Uhr, die für mehrere Parkzeiten eingerichtet ist, die höchstzulässige Parkzeit noch nicht ausgenutzt worden ist. Wie beim eingeschränkten Haltverbotszeichen 286 darf auch hier das allgemeine Haltverbot nicht gelten, wenn nur zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen gehalten wird. Zu Absatz 2: Die Parkscheibe soll legalisiert werden. Ein Bedürfnis dazu ist anzuerkennen. N u r darf sie die Parkuhr, die sich bewährt hat, nicht verdrängen. Dort, wo der Parkraum so knapp ist, daß für einen kurzfristigen Umschlag der parkenden Fahrzeuge gesorgt werden muß, ist die Parkscheibe nicht verwendbar. Gewollt oder ungewollt ungenaue Einstellung der Scheibe auf den Zeiger — es geht um Millimeter — würde das auskalkulierte Parkumsdilagprogramm durcheinanderbringen. Eine wirksame Überwachung wäre in solchen Fällen nicht möglich. Wo nur eine Parkdauer von einer viertel oder einer halben Stunde erlaubt werden kann, läßt sich das Ziel bloß mit Hilfe der Parkuhr erreichen. Nur dort, wo man großzügig sein kann, und etwa nur das sogenannte Dauerparken, vor allem von Beschäftigten, die ihre Wagen von Geschäftsbeginn am Morgen bis zum Gesthäftsschluß am Abend vor ihrer Arbeitsstätte stehen lassen, unterbunden werden muß, genügt die Parkscheibe, um diesen Zweck zu erfüllen. Es ist audi gerecht, in diesen Fällen von der Erhebung einer Parkgebühr abzusehen und diese dort zu erheben, wo der Parkraum besonders knapp, besonders „teuer" ist. Die Grenze, von der ab statt der Parkuhr die Parkscheibe zugelassen werden soll, wird die Vwv ziehen. Ohne solche Grenzziehung entstünde eine Zeitzone, in der den Behörden die Wahl zwischen Parkuhr und Parkscheibe bliebe. Das ist deshalb nicht unbedenklich, weil die Zulässigkeit der Erhebung der Parkgebühr, mag man sie rechtlich wie auch immer qualifizieren, in solchen Fällen problematisch wäre. Außer im Bereich eines Zonenhaltverbots wird die Verpflichtung zur Verwendung der Parkscheibe auf Parkplätzen zugelassen, die durdi Zeichen 314 mit entsprechendem Zusatzschild gekennzeichnet sind. B. I n h a l t d e r V o r s c h r i f t
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I. A l l g e m e i n e r Ü b e r b l i c k D i e Vorschrift regelt in Abs. 1 das früher in § 16 Abs. 3 S t V O 1937 behandelte H a l t e n an Parkuhren, in Abs. 2 das H a l t e n im Bereich eines Z o n e n h a l t v e r b o t e s (Z. 290, 292) u n d auf Parkplätzen (Z. 314), auf d e n e n durch Zusatzschild die B e n u t z u n g einer Parkscheibe (Bild 291) vorgeschrieben ist. N a d i Abs. 1 N r . 1 u n d 2 besteht an P a r k u h r e n ein eingeschränktes H a l t v e r b o t , das d e m nach Z. 2 8 6 entspridit, nach N r . 3 die A u s n a h m e v o m H a l t - (und Parkverbot) w ä h rend des Laufes der Parkuhr. Z w e i f e l h a f t k ö n n t e sein, o b sich S. 2 des Abs. 1, nach d e m die längste auf der U h r angegebene Parkzeit nicht überschritten w e r d e n darf, auf N r . 1 — 3 des S. 1 b e z i e h t oder n u r auf N r . 3. N a c h d e m Inhalt des S. 2 wird m a n d a v o n ausg e h e n k ö n n e n , daß er sich n u r auf die N r . 3 beziehen soll, die sich m i t d e m Lauf der U h r befaßt, daß also f ü r das Parken z u m Zwecke des Be- u n d Entladens keine Zeitbeschränk u n g gilt (außer der A n o r d n u n g z u Z. 286, daß Ladegeschäfte o h n e V e r z ö g e r u n g durchzuf ü h r e n sind) 1 ). Für diese A u s l e g u n g spricht auch die amtliche B e g r ü n d u n g z u Abs. 1 ( o b e n R N r . 1). Abs. 2 e n t h ä l t kein H a l t v e r b o t , ( o b w o h l Z. 290 irreführend als Z o n e n h a l t v e r b o t bezeichnet wird), sondern nur ein Parkverbot. Darnach darf also i m Bereich eines Z o n e n h a l t v e r b o t s bis z u 3 M i n u t e n gehalten w e r d e n . D a g e g e n e n t h ä l t dieser Abs. i m Gegensatz z u Abs. 1 k e i n eingeschränktes H a l t v e r b o t , das H a l t e n z u m Be- u n d E n t l a d e n w i r d nicht a u s g e n o m m e n . W e r z u m Be- u n d Entladen i m Bereich eines Z o n e n h a l t v e r b o t e s parkt, m u ß die Parkscheibe v e r w e n d e n u n d darf nicht länger parken als auf d e m Z. 2 9 0 angegeben ist 2 ). D i e unterschiedliche R e g e l u n g des H a l t e n s z u m Be- u n d E n t l a d e n in Abs. 1 u n d 2 läßt sich vielleicht d a m i t rechtfertigen, daß die Parkuhrzeiten in der R e g e l kürzer sind als die Parkscheibenzeiten, weshalb an Parkuhren eine A u s n a h m e für das Be- u n d E n t l a d e n erforderlich !) So im Ergebnis audi Cramer StVO § 13 R N r . 13.
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) A. M. Cramer a. a. O., R N r . 25.
Überblick; H a l t e n an P a r k u h r e n
StVO § 13
ist, während die Parkscheibenzeiten meist f ü r das Ladegeschäft ausreichen. Notfalls m u ß eine Ausnahmegenehmigung nadi § 46 Abs. 1 N r . 11 erwirkt werden. II. Halten an P a r k u h r e n (Abs. 1) 1. Rechtliche Bedeutung der P a r k u h r Nach § 43 Abs. 1 gehören die P a r k u h r e n zu den „Verkehrseinrichtungen", nadi § 43 Abs. 2 gehen Regelungen durch Verkehrseinrichtungen den allgemeinen Verkehrsregeln vor. Nach § 13 Abs. 2 S. 2 gelten die A n o r d n u n g e n der P a r k u h r e n auch in Haltverbotszonen, gehen also d o r t der Regelung nach § 13 Abs. 2 vor. Die Zulässigkeit von Parkverboten durch Aufstellen von P a r k u h r e n war f r ü h e r bestritten. Das BVerfG hat im Anschluß an die Rechtsprechung des BGH 3 ) die Verfassungsmäßigkeit solcher Parkverbote als Verwaltungsakten in der Form der Allgemeinverfügung bejaht 4 ). Auch wenn die Eichung oder eichamtliche Beglaubigung der P a r k u h r fehlt, ist ihre Aufstellung rechtswirksam 5 ). Z u r Kostendeckung ist die Erhebung einer Parkuhrgebühr zulässig, allerdings wohl nur, wenn ein Bedürfnis nadi Aufstellung von Parku h r e n besteht u n d nicht die (gebührenfreie) Verwendung der Parkscheibe den gleichen Zweck erfüllen könnte 6 ); (vgl. die amtliche Begründung zu Abs. 2, oben R N r . 1). (Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Verwendung der Parkscheibe nadi Abs. 2 beschränkt ist auf den Bereich von Zonenhaltverboten u n d auf Parkplätze). Gegen die E r h ö h u n g der Gebühren über den zur Kostendeckung erforderlichen Betrag hinaus bestünden verfassungsrechtliche Bedenken 7 ). Während das Zonenhaltverbot in Abs. 2 das H a l t e n erlaubt, verbietet es die „ P a r k u h r " des Abs. 1. An P a r k u h r e n ist grundsätzlich nicht n u r Parken verboten, sondern auch Halten. Erlaubt ist n u r das H a l t e n (Parken) zum Zwecke des Aus- und Einsteigens sowie des Be- u n d Entladens u n d das Parken während des Laufes der P a r k u h r . Die Höchstdauer des nach Abs. 1 N r . 3 zulässigen Parkens ist auf der U h r angegeben. O b diese Höchstdauer audi f ü r das nach N r . 1 und 2 zulässige zweckbestimmte H a l t e n gilt, ist fraglich; (vgl. oben R N r . 2). Das Parken nadi N r . 3 ist n u r zulässig, w e n n u n d solange die U h r l ä u f t ; (s. unten R N r . 6). Das eingeschränkte H a l t v e r b o t nach N r . 1 und 2 entspricht dem durch Z. 286 angeordneten; (vgl. § 12 R N r . 14—17). Nach Abs. 1 S. 3 kann das H a l t v e r b o t durch Aufschrift auf der U h r auf bestimmte Stunden oder Tage beschränkt sein. 2.
Geltungsbereich
Nach § 41 Abs. 3 N r . 7 wird an P a r k u h r e n durch eine Parkflädienmarkierung angeordnet, wie Fahrzeuge aufzustellen sind. Die hierzu verwendeten ununterbrochenen Linien d ü r f e n zwar überquert, sie müssen aber beim Parken beachtet werden. Fraglich kann sein, ob der zwisdien den so markierten Flächen bestehende R a u m v o m P a r k v e r b o t erfaßt wird, Das ist zu bejahen, soweit es sich u m kleinere Zwischenräume handelt, die den Zugang zu den markierten Parkflächen ermöglidien 8 ). Die Kennzeichnung der Parkfläche ist zwar üblidi u n d zweckmäßig aber nicht Voraussetzung der Rechtswirksamkeit des Parkverbotes. Fehlt eine Markierung oder ist sie wegen A b n u t z u n g nicht m e h r klar erkennbar, dann bezieht sich das P a r k v e r b o t auf den vor der P a r k u h r gelegenen, f ü r ein normales Fahrzeug erforderlichen Raum"). Fahrzeuge, die größer sind als die durch die Parkflädienmarkierung 3
) BGH 4. 12. 64, VerkMitt. 65, 10 = NJW 65, 308; vgl. audi Oldenburg 24. 3. 60, NJW 60, 2018 = NdsRpfl. 60, 140 = DAR 60, 240 = DRspr. II (293) 44 b-d. 4 ) BVerfG 24. 2. 65, NJW 65, 2395; mit abl. Anmerkungen von Hohenester und Hoffmann in NJW 66, 539 und 875; ablehnend audi Jagusch StVO § 13 Anm. 1 b. 5 ) Hamburg 22. 6. 66, DAR 67, 114 = VerkMitt. 66, 88 = VRS 31, 384 = DRspr. II (293) 77 a.
«) Ähnlidi Cramer a. a. O. RNr. 11. ') Marschall in DAR 71, 1; vgl. audi Roth in NJW 61, 2192 und Kodal in NJW 62, 480. 8 ) BayObLGSt. 62, 130 (20. 6. 62) = NJW 62, 1686 = VRS 23, 308 = VerkMitt. 62, 87 = DRspr. II (293) 64 a b; Düsseldorf 13. 3. 69, VerkMitt. 70, 48 = DRspr. II (293) 94 a; vgl. aber Oldenburg 24. 3. 60, wie Fußn. 3. ») Celle 16. 1. 70, VRS 38, 361 = DRspr. II (293) 94 b.
§ 13
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bezeichneten Räume dürfen an der Parkuhr nicht parken, denn die Parkflächenmarkierungslinien sind bußgeldbewehrte Vorschriftszeichen 10 ). Dagegen wird nidits einzuwenden sein, daß auf einem markierten Parkplatz zwei kleinere Fahrzeuge parken, wenn der Platz f ü r sie ausreicht. 3. Halten zum Ein- oder Aussteigen und zum Be- oder Entladen (Abs. 1 Nr. 1 und 2) Da zum Ein- und Aussteigen einige Minuten ausreichen, ist insoweit die Frage ohne Bedeutung, ob die längste auf der Uhr angegebene Parkzeit dabei überschritten werden darf. Diese Frage ist aber von wesentlicher Bedeutung beim Halten zum Be- oder Entladen. Nach der oben (RNr. 2) vertretenen Ansicht ist das Halten zu diesem Zweck an keine Zeit gebunden. Nach der unklaren Formulierung ist aber auch die gegenteilige Ansicht möglich11). In diesem Fall müßte f ü r das Ladegeschäft eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 erwirkt werden, wenn die auf der Parkuhr angegebene Zeit dazu nicht ausreicht. Das wäre unerfreulich. Wenn hier schon das allgemeine Haltverbot wie beim eingeschränkten Haltverbotszeichen 286 nicht gelten soll (amtliche Begründung zu § 13 Abs. 1, oben R N r . 1), dann sollte die Ausnahme nicht wiederum durch eine Ausnahme, nämlich durch die Beschränkung der zulässigen Parkzeit auf die auf der Uhr angegebene Höchstdauer eingeschränkt werden. Zur Frage, was unter „Ein- und Aussteigen" und was unter „Be- und Entladen" zu verstehen ist s. § 12 R N r . 15—17. 4. Das Halten während des Laufes der Uhr (Abs. 1 N r . 3) Während des Laufes der Uhr darf gehalten und vor allem geparkt werden. Geht die U h r zu schnell, dann kann dies nicht zu Lasten des Parkenden gehen, da er damit nicht zu rechnen braucht; (Tatbestandsirrtum, § 6 OWiG). N r . 3 des S. 1 ist also wie früher so auszulegen, daß es nicht auf das tatsächliche Laufen der Uhr ankommt, sondern auf den Zeitraum, den die Uhr laufen müßte, wenn sie richtig ginge 12 ). Läuft die U h r zu langsam, dann wird allerdings dem Parkenden daraus kein Vorwurf gemacht werden können, daß er sich darnach richtet. Läuft die Uhr überhaupt nicht, weil sie schadhaft ist, dann wird man das Parken innerhalb der vorgesehenen Höchstdauer trotzdem zulassen müssen, weil der vorhandene Parkraum ausgenutzt werden muß 13 ). Zwei Fragen, die früher strittig waren, wurden durch die Neufassung geklärt: 1. Darf die Restparkzeit von einem später Kommenden ausgenutzt werden 14 )? 2. Darf nachgeworfen werden, wenn bei einer Uhr, die f ü r mehrere Parkzeiten eingerichtet ist, die höchstzulässige Parkzeit noch nicht ausgenutzt ist15)? Nach der neuen Formulierung der Vorschrift kann darüber kein Zweifel bestehen, daß die Restparkzeit ausgenutzt werden darf, denn während des Laufes der U h r ist das Parken schlechthin erlaubt. Auch gegen das Nachwerfen von Münzen für den Fall, daß die höchstzulässige Parkzeit nicht ausgenutzt ist, bestehen keine Bedenken mehr. Wer an einer Parkuhr parkt, an der die Uhr noch nicht abgelaufen ist, darf entsprechend nachwerfen, falls die höchstzulässige Parkzeit vom Vorgänger noch nicht voll ausgenutzt ist. Legt jemand auf die höchstzulässige Dauer Wert, dann wird er allerdings die Uhr bei Beginn seines Parkens neu anlaufen lassen und auf die Ausnutzung der Restparkzeit verzichten. Ist die Höchstzeit abgelaufen, dann darf die Parkzeit durch Nachwerfen einer Münze nicht mehr weiter ausgedehnt werden. Dagegen besteht kein Hinderungsgrund, einen be10
) A. M. für die frühere Rechtslage: MaierHärtung, D A R 64, 247. " ) So Booß StVO § 13 Anm. 1 u. Harthun, D A R 71, 177, 179. 12 ) Hamburg 5. 11. 68, VerkMitt. 69, 31 = DRspr. II (293) 90 a; a. M. Booß a. a. O. 13 ) Vgl. für die frühere Rechtslage: H a m m 29. 5. 58, N J W 58, 1312 = D A R 58, 251 = VerkMitt. 58, 71.
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) Köln 9. 5. 61, N J W 61, 1546 = D A R 61, 262 = DRspr. II (293) 51 a; Frankfurt 12. 7. 61, N J W 61, 1547 = D A R 61, 262 = VerkMitt. 62, 14 = DRspr. II (293) 51 b; Hohenester in D A R 59, 230 und BB 62, 1401; Illing in D A R 59, 292; Schäfer in BB 63, 66. 15 j Hamburg 29. 9. 60, D A R 61, 26 = VkBl. 61, 71 = N J W 61, 283 (L) = DRspr. II (293) 48 a.
StVO
Parkuhren; Zonenhaltverbot
§ 13
nachbarten freien Parkplatz aufzusuchen und dort wiederum eine Parkuhr in Lauf zu setzen. Auch der früher besetzte Platz darf alsbald wieder aufgesudit werden, wenn nur zwischendurch anderen Parkanwärtern die Möglichkeit gegeben wurde, dort zu parken. Denn der Zweck der Einrichtung ist der, möglichst vielen Kraftfahrern das Parken zu ermöglichen. Ist f ü r den Platz an einer Parkuhr kein Interesse vorhanden, dann steht dem nichts im Wege, daß der erste Benutzer den Platz wiederum aufsucht. Auch dagegen wird nidits einzuwenden sein, daß zwei an benachbarten Parkuhren Parkende nach Ablauf der zulässigen Parkzeit ihre Plätze austauschen, vorausgesetzt, daß sie anderen Kraftfahrern beim Räumen ihres alten Platzes dessen Benutzung ermöglichen 18 ). III. Halten im Bereich eines Zonenhaltverbotes 1. Rechtliche Bedeutung des Verbots „Das Zonenhaltverbot f ü r einen Stadtbezirk" (Z. 290) wird an allen Zufahrtstraßen zu einem Stadtbezirk angebracht, das Ende der Verbotszone wird jeweils durch Z. 292 angezeigt. (Ausnahme vom „Sichtbarkeitsgrundsatz"; S. Begr. zu Z. 290 u. 292). Die Dauer des zugelassenen Parkens wird auf Z. 290 angegeben. Innerhalb der Zone ist zwar entgegen dem Wortlaut das „Halten" allgemein erlaubt, das Parken aber nur zeitlich beschränkt und mit der besonderen Auflage, durch eine Parkscheibe die Kontrolle der Beachtung der Zeitschranken zu ermöglichen. Während an Parkuhren das Parken zum Be- und Entladen unbeschränkt erlaubt ist, enthält Abs. 2 keine entsprechende Ausnahme f ü r das Ladegeschäft, mit der Folge, daß auch hier die f ü r das Parken allgemein vorgesehenen Einschränkungen gelten; (s. oben R N r . 2). Obwohl Z. 290 ein Vorschriftszeichen ist und nach § 39 Abs. 4 Regelungen durch Verkehrszeichen den allgemeinen Verkehrsregeln vorgehen, kann dieser Satz im Bereich eines Zonenhaltverbotes nicht gelten. Denn der Sinn dieses Verbotes ist der, zusätzlich zu den übrigen Beschränkungen des Haltens und Parkens eine allgemeine Beschränkung der Parkzeit anzuordnen. Wo nach § 12 nicht gehalten oder geparkt werden darf, da darf auch im Bereich des Zonenhaltverbotes nicht gehalten und geparkt werden. Auch zusätzliche Halt- und Parkverbote durch Verkehrszeichen sind möglich und gehen der allgemeinen Regelung durch das Zonenhaltverbot vor. Aus dem Umstand, daß in Abs. 2 letzter Satz nur auf den Vorrang der innerhalb der Haltverbotszone durch Parkuhren getroffenen Anordnungen ausdrücklich hingewiesen wird, darf nicht „e contrario" auf den Vorrang der durch Z. 292 getroffenen Anordnungen in allen übrigen Fällen geschlossen werden. Soll allerdings auf Parkplätzen innerhalb der Haltverbotszone das Parken ohne Parkscheibe erlaubt werden, so muß vor ihnen Z. 292 aufgestellt werden; (BMV 18. 3. 71, VkBl. 71, 167). 2. Die „Parkscheibe" Die Parkscheibe ist ein zulässiges Hilfsmittel, um die Einhaltung der vorgeschriebenen Parkhöchstzeiten zu ermöglichen, aber weder ein Verkehrszeichen noch eine Verkehrseinrichtung 17 ). Deshalb wird die Parkscheibe in § 41 nicht als „Zeichen", sondern als „Bild" 291 aufgeführt. (Näheres über die Beschaffenheit der Parkscheibe s. VkBl. 70, 870). Die vorgeschriebene standardisierte Parkscheibe muß im Fahrzeug so angebracht werden, daß sie von außen gut lesbar ist. Geschieht dies nicht, dann ist das Parken ordnungswidrig. Der Zeiger ist auf den Strich der halben Stunde einzustellen, die dem Zeitpunkt des Anhaltern folgt. Dadurch kann der Parkende unter Umständen beinahe eine zusätzliche halbe Stunde Parkzeit gewinnen, wenn er nämlich kurz nach Beginn der halben Stunde mit dem Parken beginnt, die bis zu dem Strich läuft, auf den er die Scheibe einstellen muß. Dieser 1B
) So auch Cramer a. a. O. R N r . 23, a. M. Hamburg 11. 12. 68, N J W 69, 626 mit Kritik von Rutkowsky = VerkMitt. 69, 31 = DAR 69, 139 = VRS 36, 464.
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) So schon für die frühere Rechtslage: BVerwG 20. 6. 69, MDR 69, 870 = DAR 69, 306 = N J W 69, 1684 = VerkMitt. 69, 76 = VRS 37, 313; vgl. Celle 25. 2. 63, NdsRpfl. 63, 212 = VerkMitt. 63, 71.
§§13,14
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zusätzliche Gewinn bleibt bei der Berechnung der zulässigen Höchstdauer außer Betracht, wie überhaupt beim Parken mit Parkscheibe, das ja für längere Parkzeiten vorgesehen ist, als das Parken an Parkuhren, eine gewisse Großzügigkeit unschädlich ist; (§ 47 OWiG). Fraglid» ist, ob das Zonenhaltverbot die Parkdauer für die ganze Zone beschränkt oder nur für den gewählten Parkplatz, ob also nadi Ablauf der zugelassenen Zeit an einer anderen Stelle wieder von neuem mit dem Parken begonnen werden darf. Man wird aus den gleichen Gründen, aus denen das Parken an verschiedenen Parkuhren zugelassen werden muß, auch das Parken an verschiedenen Stellen im Bereich des Zonenhaltverbotes zulassen müssen, obwohl dadurch der eigentliche Zweck, Ballungsgebiete von Dauerparkern freizuhalten, weitgehend illusorisch gemacht wird 18 ). 9
IV. Halten auf Parkplätzen mit Parkscheibe Außer für das Parken in Haltverbotszonen findet die Parkscheibe Verwendung auf Parkplätzen (Z. 314). Dort wird die Beschränkung auf bestimmte Parkzeiten und die Verwendung der Parkscheibe durch Zusatzschild zu dem Z. 314 angeordnet. Für das Parken auf Parkplätzen mit Parkscheibe gilt das gleiche wie für das Parken in der Haltverbotszone. Allerdings wird die Verlängerung der Parkzeit innerhalb des Parkplatzes etwa dadurch, daß man dort an anderer Stelle parkt, nicht zulässig sein. Dagegen ist der Kraftfahrer nicht gehindert, auf einem benachbarten Parkplatz neu mit dem Parken zu beginnen.
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c . Bußgeldvorschrift Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über Parkuhren und Parkscheiben verstößt, handelt nach § 42 Abs. 1 Nr. 13, wer entgegen § 42 eine durch Zusatzschild zu Z. 314 gegebene Anordnung nicht befolgt, nach § 42 Abs. 3 Nr. 5 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Wer im Bereich eines Zonenhaltverbotes ohne Parkscheibe parkt, handelt auch dann ordnungswidrig nach § 13, wenn er die vorgeschriebene Höchstdauer nicht überschreitet 19 ).
§ 14 Sorgfaltspflichten b e i m Ein- und A u s s t e i g e n (1) Wer ein- oder aussteigt, muß sich so verhalten, daß eine G e f ä h r d u n g a n d e rer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. (2) Verläßt d e r F ü h r e r sein F a h r z e u g , so muß er die nötigen Maßnahmen treffen, u m U n f ä l l e oder Verkehrsstörungen zu vermeiden. K r a f t f a h r z e u g e sind auch gegen
unbefugte Benutzung zu sichern. Vwv zu § 14: Zu Absatz
2:
I. Wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs sich in solcher N ä h e des Fahrzeugs aufhält, daß er jederzeit eingreifen kann, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn eine besondere Maßnahme gegen unbefugte Benutzung nicht getroffen wird. Andernfalls ist darauf zu achten, daß jede vorhandene Sicherung verwendet, insbesondere auch bei abgeschlossenem Lenkradschloß das Fahrzeug selbst abgeschlossen wird; wenn die Fenster einen Spalt offen bleiben oder wenn das Verdeck geöffnet bleibt, ist das nicht zu beanstanden. II. Wird ein bespanntes Fuhrwerk unbeaufsichtigt stehen gelassen, so ist es zu beanstanden, wenn die Zugtiere nicht abgesträngt und kurz angebunden sind. Bei zweispännigen Fuhrwerken braucht nur innen abgesträngt zu sein. 1S 19
) So auch Cramer a. a. O . R N r . 31. ) Für die frühere Rechtslage: B a y O b L G S t . 64, 137 (21. 10. 64) = N J W 65, 60 = VkBl.
476
65, 115 = D A R 65, 26 = V R S 28, 235.
M D R 65, 223
=
StVO § 14
Sorgfalt beim Ein- und Aussteigen Übersicht A. Amtliche Begründung
RNr. 1
B. Inhalt der Vorschrift 2-15 I. Sorgfaltspflicht beim Ein- und 2-8 Aussteigen (Abs. 1) 1. Vermeidung jeder Gefährdung Anderer 2-6 Allgemeines (2), Sorgfalstpflicht bei Aussteigen nach links (3), nach rechts (4), bei Einsteigen (5), Haftung des Führers für Fahrgäste? (6) 2. Vermeidung jeder Behinderung? 3. Die Pflichten der Vorbeifahrenden II. Sorgfaltspflidit beim Verlassen des Fahrzeugs (Abs. 2) 9-15
RNr. 1. Oberblick 9 2. Allgemeine Sorgfaltspflidit (Abs. 2 S. 1) 10-11 „Verlassen" des Fahrzeugs (10), Bespanntes Fuhrwerk (11), 3. Sicherung von Kraftfahrzeugen gegen unbefugte Benutzung (Abs. 2 S. 2) 12-15 Entstehungsgeschichte (2), Verhältnis von S. 2 zu S. 1 (13), örtlicher und sachlicher Geltungsbereich (14), Üblicherweise zur Verhinderung unbefugter Benutzung bestimmte Vorrichtungen (15) C. Bußgeld Vorschrift und Konkurrenzen
16
A. Amtliche Begründung Zu Absatz 1: Der Satz ist neu. Meyer-Jacobi-Stiefel, die Unfälle durch unachtsames Offnen der Tür untersucht haben, teilen in Band I S. 38 mit, daß durch solche Unachtsamkeit 6,9 % der durch fehlerhafte Richtungsänderung im weiteren Sinne verursachten Unfälle entstehen. Mit Recht bemerken jene Autoren, daß Unfälle dieser Art, durch die nicht selten schwere Personenschäden ausgelöst werden, sich ausnahmslos vermeiden lassen. Der Gesetzgeber hält es daher für geboten, dem Einsteigenden wie dem Aussteigendem die höchste Stufe an Sorgfalt aufzuerlegen; das Verbot vermeidbarer Behinderung (S 1 Abt. 2) bleibt daneben bestehen. Zu Absatz 2: Die Vorschriften sind bereits geltendes Recht. Daß zur Sicherung gegen unbefugte Benutzung die Betätigung aller hierfür am Fahrzeug vorhandener Einrichtungen gehört, hat die Rechtsprechung geklärt.
B. Inhalt der Vorschrift I. Sorgfaltspflidit beim Ein- u n d Aussteigen (Abs. 1) 1. Vermeidung jeder G e f ä h r d u n g Anderer Allgemeines Abs. 1 wendet sich an alle Insassen v o n Fahrzeugen jeder A r t u n d sinngemäß auch an auf- u n d absitzende Reiter (§ 28 Abs. 2). Welches Maß an Sorgfalt beim Ein- u n d Aussteigen aufzuwenden ist, wurde bisher dem § 1 StVO e n t n o m m e n . D a die E r f a h r u n g lehrte, daß durch unvorsichtiges ö f f n e n insbesondere der der Fahrbahn zugekehrten Wagentür zahlreiche, leicht vermeidbare U n fälle verursacht werden, hat schon die f r ü h e r e Rechtsprechung die Anforderungen zunehmend verschärft. Es ist zu begrüßen, daß n u n m e h r eine ausdrückliche Vorschrift auf die besondere Sorgfaltspflicht hinweist und die Anforderungen nochmals deutlich e r h ö h t : Der Ein- u n d Aussteigende m u ß sich so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer „ausgeschlossen" ist. Diese von dem Gesetzgeber auch an anderer Stelle der StVO gewählte Formulierung bezeichnet das Höchstmaß an Sorgfalt, das v o n einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer erwartet werden k a n n ; (zur Skala der Sorgfältigkeitsgrade vgl. § 10 R N r . 4; zur Frage, ob auch eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer vermieden werden muß, vgl. u n t e n R N r . 6). Wegen der Verschärfung der Anforderungen ist die f r ü h e r e Rechtsprechung großenteils überholt. Sorgfaltspflicbt
beim Aussteigen
nach links
Das ö f f n e n der linken T ü r ist zwar auch nach der neuen Vorschrift nicht schlechthin verboten, der Aussteigende darf die Türe aber n u r dann öffnen, wenn er sicher sein kann, daß andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Die Bedeutung der Verschärfung
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§ 14
StVO
Möhl
erweist sich vor allem bei der Abgrenzung berechtigten Vertrauens. Wer die Türe öffnet, darf nidit darauf vertrauen, daß die anderen Verkehrsteilnehmer bei der Vorbeifahrt an dem haltenden Fahrzeug einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten, obwohl sie dazu verpflichtet wären 1 ). Ganz grob verkehrswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, das nach Sachlage nicht voraussehbar ist, braucht er allerdings nicht in Betracht zu ziehen, so z. B., daß ein von hinten her kommender Radfahrer, der bei gerade Fahrt in weitem Abstand an dem haltenden Fahrzeug vorbeifahren würde, im letzten Augenblick ohne vernünftigen Grund plötzlich nach rechts lenkt und deshalb beim Vorbeifahren dann einen ungenügenden Abstand einhält. Das sind aber seltene Ausnahmefälle. I m allgemeinen darf die T ü r nicht geöffnet werden, wenn von hinten ein anderer Verkehrsteilnehmer herankommt 2 ). Die früher vertretene Ansicht, auch bei stärkerer Verkehrsdichte dürfe die Wagentür behutsam Zentimeter für Zentimeter geöffnet werden, wird gegenüber der neuen Formulierung nicht bestehen können 3 ). Soweit ein genügender Überblick über den nachfolgenden Verkehr bereits durch den Blick in den Außen- und Innenspiegel eventl. durch ein Fenster gewonnen werden kann, darf die T ü r nicht zu dem Zweck geöffnet werden, sich über diesen Verkehr zu vergewissern 4 ). Gewährt eine Straßenstelle keinen genügenden Uberblick über die rückwärtige Fahrbahn, dann kann verlangt werden, daß der Kraftfahrer an eine (in der Nähe gelegene) Stelle weiterfährt, wo er diesen Uberblick hat 5 ). Auch wenn wegen der Bauart des Fahrzeugs oder aus besonderen anderen Gründen eine sichere Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs nur durch ein ö f f n e n der T ü r ermöglicht würde, darf die Türe nicht geöffnet werden 6 ). Vielmehr muß dann nach rechts ausgestiegen werden. Der Grundsatz, daß vor dem ö f f n e n der Türe alle anderen Möglichkeiten einer Beobachtung nach rückwärts ausgeschöpft werden müssen, galt schon früher 7 ); ebenso der Grundsatz, daß der Kraftfahrer durch einen kurzen Blidc in den Rückspiegel seiner besonderen Sorgfaltspflicht nicht genügt 8 ). Steht das haltende Fahrzeug schräg zur Fahrbahn, dann darf zwar die Türe soweit geöffnet werden, als das Heck in die Fahrbahn ragt, aber nicht weiter"). Auch auf den Gegenverkehr ist zu achten, falls dieser gezwungen ist, nahe an dem haltenden Fahrzeug vorbeizufahren, aber auch insofern, als von hinten k o m mende Fahrzeuge durch den Gegenverkehr am Ausweichen nach links gehindert werden können. Sorgfaltspflicht
beim
Aussteigen
nach
rechts
Auch von dem, der nach rechts aussteigt, wird eine erhöhte Sorgfalt verlangt. Soweit am Fahrbahnrand gehalten wird und sidi neben der Fahrbahn kein Radweg befindet, ist allerdings das Aussteigen nach redits meist problemlos, doch darf auch in diesem Falle die Tür nidit so sdinell geöffnet werden, daß Fußgänger dadurch gefährdet werden können. Grenzt an die Fahrbahn ein Radweg oder hält ein Fahrzeug so weit vom Fahrbahnrand entfernt, daß redits davon nodi Platz für andere Fahrzeuge, (vor allem Zweiradfahrzeuge) bleibt, dann gilt für das Aussteigen nach rechts die gleiche Sorgfaltspflidit wie für das Aussteigen nach links. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Radwege meist so schmal sind, daß Radfahrer von haltenden Fahrzeugen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten können 1 0 ). ') So schon für die frühere Rechtslage: KG 6. 9. 62, VRS 24, 51 ; a. M. Hamm 5. 12. 69, DAR 70, 212; Saarbrücken 17. 12. 68, VRS 37, 274. *) BGH 11. 3. 71, NJW 71, 1095 = DAR 71, 221 = VerkMitt. 71, 66 = VRS 40, 463 = DRspr. II (291) 199 b. *) So z. B. Hamm 22. 1. 62, VerkMitt. 62, 47; Frankfurt 15. 11. 62, VerkMitt. 63, 54. 4 ) So schon für die frühere Rechtslage: Hamm 5. U . 65, VRS 30, 215 = DRspr. II (291) 138 d; vgl. aber Köln 24. 4. 64, VRS 27, 293.
) So schon für die frühere Rechtslage: KG 26. 1. 59, VRS 16, 361; Hamm 16. 7. 69, VerkMitt. 69, 86 = DRspr. II (291) 182 a. •) Anders für die frühere Rechtslage: Celle 7. 12. 61, VRS 23, 140 = NdsRpfl. 62, 162. 7 ) Hamm 13. 10. 70, VRS 40, 60. 8 ) KG 6. 10. 66, VRS 32, 138. •) BayObLGSt. 69, 117 (23. 7. 69) = VRS 38, 216 = VerkMitt. 69, 94 = DRspr. II (291) 187 a. 10 ) Schleswig 8. 5. 57, VerkMitt. 57, 42; Hamm 6. 11. 69, DAR 70, 101 = VerkMitt. 70, 15 = DRspr. II (291) 186 b. 5
StVO
Aus- und Einsteigen; Behinderung? Sorgfaltspflicht
beim
§ 14
Einsteigen
Beim Einsteigen ist die Gefährdung des fließenden Verkehrs im allgemeinen gering, denn der Einsteigende ist neben dem Fahrzeug sichtbar und er selbst hat einen besseren Überblick. Immerhin m u ß auch der Einsteigende das Einsteigen zurückstellen, wenn dadurch der übrige Verkehr gefährdet werden kann 1 1 ). Vor allem das ö f f n e n der T ü r zum Einsteigen kann gefährlich sein, weil dabei mehr R a u m benötigt wird als f ü r das unmittelbar-neben-dem-Fahrzeug-stehen. Haftung
des Führers für
Fahrgäste
Wer ein- oder aussteigt, ist in erster Linie f ü r seine eigene Person verantwortlich. Die Vorschrift wendet sich nicht n u r an den Führer des Fahrzeugs, sondern auch an die Insassen. In besonderen Fällen kann aber der Führer mit d a f ü r verantwortlich sein, wenn die Fahrgäste beim ö f f n e n der T ü r den fließenden Verkehr gefährden. Das ist besonders dann der Fall, wenn es sich u m verkehrsunerfahrene Personen handelt, z. B. u m Kinder 1 2 ). Überläßt der Führer einer Kraftdroschke einem austeigenden Fahrgast das ö f f n e n der Wagentüre, so m u ß er jedenfalls dann, wenn sich die Türe in den Verkehrsraum eines Radweges hinein öffnet, den Fahrgast auf die Gefahr hinweisen 13 ). Entsprechendes gilt, wenn der Fahrer eines Kraftfahrzeugs beim Anhalten des Wagens wegen einer Verkehrsstauung einen Mitfahrenden veranlaßt, die rechte T ü r des Wagens zu öffnen, um auszusteigen 14 ). 2. Vermeidung jeder Behinderung? Das Gebot, sich so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, besagt nicht, daß diese auch nicht behindert werden dürfen. Allerdings wird es häufig schwierig sein, die Grenze richtig zu ziehen. In Fällen, in denen mit einer gewissen Behinderung des fließenden Verkehrs zu rechnen ist, wird häufig nicht auszuschließen sein, daß dieser auch gefährdet wird. Denn die erhöhte Sorgfaltspflicht bringt eine Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes mit sich: Wer die Türe öffnet, darf in der Regel nicht darauf vertrauen, daß die Teilnehmer am fließenden Verkehr mit ausreichendem Abstand vorbeifahren, ja daß sie die nötige Aufmerksamkeit aufwenden und notfalls ausweichen. N u r wenn erkennbar ist, daß sie sich auf das ö f f n e n der Wagentür einrichten, darf er die damit verbundene Behinderung in Kauf nehmen. Dies wird besonders beim Einsteigen in Frage kommen, w o das Überraschungsmoment f ü r den fließenden Verkehr wegfällt. 3. Pflichten Vorbeifahrender Wer an einem stehenden Fahrzeug vorbeifährt, hat die Pflicht, zu diesem einen ausreichenden Abstand einzuhalten. Dieser kann je nach der Verkehrslage verschieden groß sein; (vgl. § 1 R N r . 69). Der Abstand soll in der Regel so bemessen sein, daß auch ein geringfügiges ö f f n e n der Wagentür noch möglicht bleibt 15 ). An diesem von der f r ü h e r e n Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz hat sich nichts geändert. Die Verschärfung der Sorgfaltspflicht bei dem einen Verkehrsteilnehmer f ü h r t nicht automatisch zur Verminderung der Sorgfaltspflicht bei den übrigen. Zwar dürfen die an einem stehenden Fahrzeug Vorbeifahrenden darauf vertrauen, daß die Wagentür nicht plötzlich weit geöffnet wird. Sie müssen aber damit rechnen, daß sie vorsichtig etwas geöffnet wird. Ist erkennbar, daß die Türe zum Aussteigen geöffnet wird oder steht eine Person neben dem Fahrzeug, von " ) Bremen 21. 5. 63, DAR 63, 329. i 2 ) Hamm 20. 11. 62, DAR 63, 306. 1S ) BayObLGSt. 60, 314 (21. 12. 60) = VerkMitt. 61, 18 = N J W 61, 615 = VRS 21, 58 = J R 61, 187 m. zust. Anm. von H ä r tung = DRspr. II (291) 80 c. '*) BayObLG 6. 11. 68, 1 b St 267/1968.
lä
) Für die frühere Rechtslage: BGH(Z) 23. 9. 60, VersR 60, 1079 = VRS 19, 404 = DRspr. II (291) 74 c; Celle 13. 10. 60, NdsRpfl. 62, 46 = DRsrp. II (291) 92 c, d ; Frankfurt 15. 11. 62, VerkMitt. 63, 54; LG Düsseldorf 23. 1. 63, VersR 63, 985.
§ 14
StVO
Möhl
der anzunehmen ist, daß sie einsteigen will, dann ist der fließende Verkehr verpflichtet, entsprechend auszuweichen oder, falls dies nicht möglich ist, anzuhalten. Keinesfalls darf er auf seinem V o r t r i t t bestehen, wenn er damit den anderen gefährdet. I L Sorgfaltspflicht beim Verlassen des Fahrzeugs (Abs. 2) 1.
Überblick
Die in Abs. 2 zusammengefaßten Vorschriften sind alt. S. 1 übernimmt wörtlich den § 20 Abs. 1, S. 2 sinngemäß den § 35 der S t V O 1937. D o r t war ein besonderer Paragraph (§ 32) den Fuhrwerken gewidmet. Diese werden jetzt im allgemeinen von S. 1 mitbetroffen, während die Sondervorschrift für unbeleuchtete unversperrte Fahrzeuge (früher § 32 Abs. 2) nunmehr in der Beleuchtungsvorschrift des § 17 Abs. 4 S. 3 zu finden ist. S. 1 enthält die für alle Arten von Fahrzeugen geltende allgemeine Regel, S. 2 die besonderen Vorschriften für die Sicherheit unbemannter Kraftfahrzeuge gegen unbefugte Benutzung. Gemeinsam ist beiden Bestimmungen, daß sie sich mit Maßnahmen befassen, die vom Fahrzeugführer beim Verlassen des Fahrzeugs zu treffen sind. Die früher in § 32 Abs. 1 enthaltenen besonderen Vorschriften für bespanntes Fuhrwerk können bei der Auslegung des S. 1 der neuen Vorschrift mitherangezogen werden; (vgl. Vwv II zu § 14 Abs. 2). „Verlassen" wird ein Fahrzeug von seinem Führer, wenn sich dieser räumlich so weit von dem Fahrzeug entfernt, daß er nicht mehr ohne weiteres auf das Fahrzeug einwirken kann, falls es nötig wird, irgendwelchen von dem Fahrzeug drohenden Gefahren zu begegnen (S. 1), oder dessen unbefugte Benutzung durch Dritte zu verhindern (S. 2 ) " ) . Wer sich z. B. die Haare schneiden läßt, kann nicht durch sofortiges Eingreifen eine unbefugte Benutzung seines auf der anderen Straßenseite stehenden Fahrzeugs verhindern 1 7 ). Das bloße Aussteigen ist noch kein Verlassen; (vgl. § 12 R N r . 6 u. Vwv I zu § 14 Abs. 2). Die beim Aussteigen erforderliche Sorgfalt ergibt sich aus § 14 Abs. 1 (oben R N r . 2 u. 3), verkehrsgefährdendes Halten und Parken wird durdi § 12 (eventl. auch § 1) verboten; § 14 Abs. 2 S. 1 will nur den Gefahren begegnen, die durch das abgestellte Fahrzeug verursacht werden können. Den besonderen Gefahren, die von unbeleuchteten, auf der Fahrbahn abgestellten Fahrzeugen ausgehen, begegnet die Beleuchtungsvorschrift des § 17. 2. Allgemeine Sorgfaltspflicht (Abs. 2 S. 1) beim Verlassen des Fahrzeugs Die Sicherungspflidit des S. 1 gilt für Fahrzeuge aller Art. Unfälle und Verkehrsstörungen können bei einem vom Führer verlassenen Fahrzeug aus verschiedenen Gründen zu befürchten sein. Das Fahrzeug kann z. B., sich selbst überlassen, in Bewegung geraten. Als Gegenvorkehrungen kommen in Frage: Anziehen der Handbremse, Einlegen des ersten bzw. des Rückwärtsganges, eventl. zusätzliches Einschlagen der Räder gegen den Straßenrand, Unterlegen von Stöcken und Unterlagkeilen (wie sie für Kraftfahrzeuge von mehr als 4 1 und Anhänger von über 750 kg vorgeschrieben sind: § 41 Abs. 14 S t V Z O , Bd. I/II R N r . 29). Das Maß der notwendigen Vorkehrungen ergibt sidi jeweils aus den Umständen. Bei stark abschüssigem Gelände kann eine dreifache Sicherung geboten sein 18 ). Dagegen werden beim Abstellen auf ebener Fahrbahn normalerweise geringere Sicherheitsmaßnahmen ausreichen. O b die Abstellung des Motors zu den zur Vermeidung von Unfällen und Verkehrsstörungen notwendigen Maßnahmen zu zählen ist, könnte fraglich sein 1 *). Da die Abstellung des Motors auf alle Fälle zu den Maß) BGH(Z) 3. 11. 60, DAR 61, 53 = MDR 61, 123 = VerkMitt. 61, 10 = VRS 20, 25 = VersR 61, 42 = VkBl. 61, 87 = DRspr. II (293) 48 d. " ) Schleswig 25. 5. 66, VerkMitt. 66, 64. ">) BGHSt. 17, 181 (23. 3. 62) = NJW 62, 1164, 1971 mit Kritik von Isenbeck = DAR M
62, 186 = BB 62, 578 = Betrieb 62, 737 = MDR 62, 493 = VRS 22, 351 = DRspr. II (293) 58 b; Hamm 6. 12. 54, VRS 8, 155; Celle 12. 12. 60, VRS 21, 253. '•) Bejahend Hamburg 27. 6. 62, VerkMitt. 63, 8.
StVO
Verlassen des Fahrzeugs
§ 14
nahmen zu zählen ist, die der Sicherheit des Fahrzeugs gegen unbefugte Benutzung dienen, kann die Frage auf sich beruhen. Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, daß im Einzelfall die richtigen Vorkehrungen getroffen werden. Dabei muß er alle an seinem Fahrzeug gegen eine mögliche Verkehrsgefahr vorgesehenen Sicherheitseinrichtungen gebrauchen, auch wenn er deren Notwendigkeit im einzelnen nicht durchschaut20). Er wird im allgemeinen seiner Sorgfaltspflicht dadurch genügen können, daß er eine fachkundige Person mit der Beaufsichtigung des Fahrzeugs beauftragt. Die Pflicht, beim Verlassen des Fahrzeugs die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, endet zwar nicht mit dem Verlassen des Fahrzeugs. Betrinkt sich der Fahrzeugführer später und setzt er sich dann in das abgestellte Fahrzeug, um seinen Rausch auszuschlafen, kann er aber nicht nach § 316 StGB bestraft werden, wenn sich nun das Fahrzeug infolge ungenügender Sicherung in Bewegung setzt 21 ). Bespanntes
Fuhrwerk
Zu den „Fahrzeugen" gehören auch die „Fuhrwerke", denen in der StVO 1937 noch ein eigener Paragraph gewidmet war. II der Vwv zu Abs. 2 übernimmt inhaltlich den Abs. 1 des § 32 StVO 1937. Fuhrwerk ist ein für Fortbewegung durch Zugtiere eingerichtetes, nicht an Bahngeleise gebundenes Landfahrzeug. Solange ein bespanntes Fuhrwerk beaufsichtigt ist, gelten die allgemeinen Vorschriften. Beaufsichtigt ist das Fuhrwerk nur, wenn der Beaufsichtigende jederzeit auf die Zugtiere einwirken kann. Wird auf offener Straße ein bespanntes Fuhrwerk unbeaufsichtigt stehengelassen, dann wird es im Sinne des S. 1 „verlassen". Darüber, wo Fuhrwerke abgestellt werden, enthält § 14 nichts. Dies ist in § 12 geregelt. Ergreift der Fahrzeugführer die in der Vwv aufgezeigten Sicherheitsmaßnahmen (Absträngen, Kurzanbinden), dann darf er im allgemeinen das bespannte Fuhrwerk für längere Zeit unbeaufsichtigt stehen lassen. Doch können aus besonderen Gründen (feurige Pferde) zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein22). Zweispänner sind nach innen abzusträngen, um ein Ausbrechen der Tiere in die Fahrbahn zu verhindern 23 ). Da die Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 1 bei Tag und Nacht gilt, darf ein bespanntes Fuhrwerk, wenn es entsprechend gesichert und beleuchtet ist (§ 17 Abs. 4 mit § 66 a Abs. 3 StVZO) oder wenn die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar macht auch bei Nacht auf der Fahrbahn stehengelassen werden, während unbeleuchtete, unbespannte Fahrzeuge nach § 17 Abs. 4 S. 3 wie unbeleuchtete Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Handfahrzeuge überhaupt nicht auf der Fahrbahn stehengelassen werden dürfen (selbst wenn sie durch die Straßenbeleuchtung ausreichend sichtbar gemacht würden). 3. Sicherung von Kraftfahrzeugen gegen unbefugte Benutzung (Abs. 2 S. 2) Entstehungsgeschichte Da die Entstehungsgeschichte der Vorschrift für die Auslegung von Nutzen sein kann, soll sie hier kurz dargestellt werden: § 28 II VüKVerk bestimmte: „Der Führer darf von dem Kraftfahrzeuge nicht absteigen, so lange es in Bewegung ist. Er darf sich von ihm erst entfernen, nachdem er die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um Unfälle und Verkehrsstörungen zu vermeiden; insbesondere hat er vorher den Motor oder die Maschine abzustellen und die Vorrichtung in Wirksamkeit zu setzen, die verhindern soll, daß ein Unbefugter das Kraftafhrzeug in Betrieb setzt." ) BGHSt. 17, 181 wie Fußn. 18. ) BayObLG 6. 5. 70, VerkMitt. 70, 65 = DAR 70, 331 = VRS 39, 206.
20 ll
« ) RG 13. 10. 42, VAE 43, 32. s») KG 7. 11. 38, VAE 39, 77.
481 31 S t V O + S t G B
§ 14
StVO
Möhl
Die Vorschrift enthielt also zwei selbständige Tatbestände: a) Absteigen vom in gung befindlichen Fahrzeug, b) Sichentfernen ohne Sicherheitsvorkehrungen; und waren zwei Fälle hervorgehoben: 1. Laufenlassen des Motors, 2. Niditbetätigung der rungsvorrichtung; es war also z. B. das Sichentfernen bei laufendem M o t o r selbst strafbar, wenn die Sicherungsvorrichtung in Tätigkeit war. In der geltenden Fassung des § 14 Abs. 2 S. 2 wird das Absteigen wegung befindlichen Fahrzeug und das Verlassen eines Fahrzeugs bei wie schon in § 35 S t V O 1937 nicht mehr ausdrücklich verboten. O b der Fällen ordnungswidrig handelt, ergibt sich nicht aus § 14 Abs. 2 S. 2, eventl. aus § 1.
Bewezu b) Sichedann
von dem in Belaufendem Motor Fahrer in solchen sondern aus S. 1,
Eine Ausrüstungsvorschrift über die A r t der, eine unbefugte Benutzung verhindernden Vorrichtung enthält die durch die V O vom 7. 7. 1960 eingefügte Bestimmung des § 38 a S t V Z O ; Bd. I R N r . 1, 2 zu II § 38 a. Darnadi ist für Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen und Krafträder eine „hinreichend wirkende" Sicherungseinriditung gegen unbefugte Benutzung der Fahrzeuge vorgeschrieben. Ausdrücklich wurde klargestellt, daß das Abschließen und das Abziehen des Schalterschlüssels nicht als hinreichend wirkende Sicherung gelten. Vorgeschrieben ist daher für die genannten Fahrzeuge eine zusätzliche Sicherungsvorriditung, z. B. ein Lenkrad- oder Schaltschloß. 13
Verhältnis
des Abs. 2 S. 2 zum S. 1
Die Grundregel enthält S. 1, wonach der Fahrzeugführer beim Verlassen des Fahrzeugs die nötigen Maßnahmen zu treffen hat, um Unfälle und Verkehrsstörungen zu vermeiden. S. 2 enthält eine Sondervorschrift für Kraftfahrzeuge 2 4 ). Ein generelles Gebot, daß die Türen sonstiger Fahrzeuge beim Verlassen zu schließen sind, kennt die S t V O nicht 2 5 ). S. 2 hat die Verhinderung der Benutzung des Kraftfahrzeugs durch einen Unbefugten zum Ziel. Die unbefugte Benutzung soll hier im Interesse des Straßenverkehrs, nicht im Interesse des Gebrauchsberechtigten verhindert werden. D e r Zusammenhang beider Vorschriften läßt erkennen, daß der Führer beim Verlassen seines Kraftfahrzeugs die Maßnahmen zu treffen hat, die den in beiden Vorschriften angestrebten Zwecken genügen, also geeignet sind, sowohl Unfälle und Verkehrsstörungen zu vermeiden, als auch eine unbefugte Benutzung des Fahrzeugs zu verhindern. Zwar würden von S. 1 wohl die Fälle miterfaßt, in denen durch unbefugte Benutzer Unfälle und Verkehrsstörungen verursacht werden. S. 2 ist insoweit Spezialvorschrift gegenüber S. 1. Im übrigen reicht aber S. 1 viel weiter. E r will allen Gefahren begegnen, die von einem abgestellten Fahrzeug drohen. 14
Örtlicher
und sachlicher
Geltungsbereich
Schrifttum Schmidt: „Sicherung des verlassenen Kfz.", DAR 66, 124.
O b S. 2 nur für das Verlassen von Fahrzeugen gilt, die sich auf öffentlichem Verkehrsgrund befinden oder ob auch Fahrzeuge, die auf einem Privatgrundstück verlassen werden, gesichert werden müssen, war bestritten 2 6 ). Nach nunmehr wohl h. M. handelt auch der Kraftfahrzeugführer ordnungswidrig, der sein Fahrzeug auf einem Privatgrundstück ungenügend gesichert verläßt, sofern er damit rechnen muß, daß ein unbefugter Benutzer das Fahrzeug in den öffentlichen Verkehr bringt 2 7 ). ) Für die frühere Rechtslage vgl. Hamburg 27. 6. 62, VerkMitt. 63, 8. *>) Hamm 5. 11. 68, VRS 37, 307. 2fl ) S. Anm. 1 zu § 35 in früheren Auflagen, ferner Braunschweig 14. 10. 60, VRS 19, 472 gegen Stuttgart 27. 5. 60, VRS 19, 476; 24
482
Hamburg 29. 9. 60, DAR 61, 28 = VkBl. 60, 680 = VerkMitt. 61, 14. " ) BGHSt. 15, 357 (3. 2. 61) = DAR 61, 149 = MDR 61, 526 = NJW 61, 686 = VerkMitt. 61, 33 = VRS 20, 315 = Betrieb 61, 672 = DRspr. II (293) 50 a.
StVO
Sicherung gegen unbefugte Benutzung
§ 14
Die Sicherungspflicht besteht also in diesem Falle grundsätzlich auch dann, wenn ein Fahrzeug außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes verlassen wird 2 8 ). Deshalb müssen auch an einem in verschlossenem Hofraum abgestellten Kraftfahrzeug die üblichen Sicherungsvorrichtungen in Wirksamkeit gesetzt werden, wenn zu befürchten ist, daß Personen, die zu dem Hofraum Zutritt haben, das Fahrzeug unbefugt benützen 2 9 ). Wird ein Fahrzeug in einer Garage abgestellt, so können die Anforderungen an die am Fahrzeug zu treffenden Maßnahmen geringer sein; denn ein solches Fahrzeug ist den Blicken von Leuten entzogen, bei denen schon der Anblick des Fahrzeugs den entscheidenden Anstoß zu einer unbefugten Inbetriebnahme geben kann. Wird durch Sidierungsvorrichtungen außerhalb des Fahrzeugs z. B. eine Garagentüre mit Sicherheitsschloß eine gleichwertige Sicherung gegen die Inbetriebnahme des Fahrzeugs durch Unbefugte erreicht, dann kann die Pflicht, die am Fahrzeug angebrachten Sidierungsvorrichtungen in Wirksamkeit zu setzen, entfallen 3 »). Auch wenn die notwendigen Maßnahmen ordnungsgemäß getroffen wurden, wirkt die Sicherungspflicht fort. Der Verpflichtete muß auch dafür sorgen, daß sich kein Unbefugter der Schlüssel bemächtigt 3 1 ). Gegenüber Personen seines bereditigten Vertrauens freilich braucht der Fahrzeugführer nicht ständig darauf Bedacht nehmen, daß sie das Fahrzeug nicht unbefugt in Gebrauch nehmen 3 2 ). Bleiben im Kraftfahrzeug Betrunkene zurück, so muß der Fahrer die Zündschlüssel mitnehmen 3 3 ). S. 2 ist eine Sondervorschrift für Kraftfahrzeuge, gilt aber für Kraftfahrzeuge aller Art. Audi soweit nach § 38 a S t V Z O für einzelne Gruppen von Kraftfahrzeugen keine besonderen Sicherungseinrichtungen vorgeschrieben sind, müssen die üblicherweise für die Verhinderung einer unbefugten Benutzung bestimmten Vorrichtungen in Wirksamkeit gesetzt werden. Das gilt z. B. für Lastkraftwagen. Anhänger von Kraftfahrzeugen sind keine Kraftfahrzeuge; also gilt für sie nur S. 1, u. Umst. in Verbindung mit § 1. Auch für Krafträder ist nunmehr nach § 38 a S t V Z O eine besondere Sicherungseinrichtung vorgeschrieben. Daneben wird außer dem Abziehen des Zündschlüssels keine weitere Maßnahme gefordert werden können. Früher war bei Krafträdern, die nur durch das Zündschloß gesichert waren, eine zusätzliche Sicherung mit Kette und Schloß notwendig 3 4 ). Auf Fahrräder mit Hilfsmotor und einer Höchstgeschwindigkeit bis zu 25 km/h ist nach § 67 a Abs. 4 S t V Z O § 38 a S t V Z O nicht anzuwenden. Unberührt bleiben Vorschriften, die für den öffentlichen Fuhrbetrieb weitergehende Bestimmungen treffen, z. B. Polizeiverordnungen, wonach Droschkenführer sich von ihrem am Halteplatz befindlichen Fahrzeug überhaupt nicht oder nur entfernen dürfen, nachdem sie die Droschke als „außer Betrieb" befindlich gekennzeichnet haben. S. 2 wendet sich an den Führer des Kraftfahrzeugs. Führer ist auch hier, wer das Fahrzeug tatsächlich führt oder bisher geführt hat, verantwortlich also auch der Führer, der sich entfernt, nachdem er einem anderen, aber U n geeigneten, die Aufsicht über das Fahrzeug übergeben hat 3 5 ). Grundsätzlich genügt es, wenn ein vertrauenswürdiger Beauftragter beim Fahrzeug bleibt, während der eigentliche Führer sich entfernt 3 6 ). Wird der Führer so abgelöst, daß nunmehr der andere in vollem Umfang an seine Stelle tritt, so ist weiterhin dieser verantwortlich. Stellt der Kraftfahrzeugführer (der nicht der Halter des Fahrzeugs ist) das Fahrzeug unverschlossen und ohne ) BGH 12. 11. 63, VerkMitt. 64, 20. ) BayObLGSt. 62, 47 (28. 2. 62) = VkBl. 62, 323 = VerkMitt. 62, 44 = VRS 23, 76 = DRspr. II (293) 60 d; vgl. BGH(Z) 22. 6. 71, VerkMitt. 71, 75. 3 °) Hamburg 29. 9. 60, DAR 61, 28 = VkBl. 60, 680 = VerkMitt. 61. 14. 3 1 ) BGH(Z) 12. 4. 60, VerkMitt. 60, 71; Nürnberg 8. 6. 55, NJW 55, 1757; München 24. 28 29
11. 59, VersR 60, 862. ) BGH(Z) 11. 11. 69, VerkMitt. 70, 9 = DAR 70, 45. 3 3 ) BGH 16. 1. 58, VRS 14, 197. 3 4 ) Nürnberg 8. 6. 55, NJW 55, 1757 mit zustimmender Anmerkung von Härtung. 55) Vgl. Köln 24. 7. 56, DAR 57, 83. 3 8 ) Stuttgart 4. 11. 58, VkBl. 59, 275.
32
483 31
§ 14
Möhl
StVO
Abziehung des Zündschlüssels vor der Einfahrt in das Grundstück des Halters ab, dann geht damit allein die Verantwortung nicht auf den Halter über"). Üblicherweise
zur Verhinderung
der unbefugten
Benutzung
bestimmte
Vorrichtungen
In § 35 StVO 1937 war dem Führer ausdrücklich aufgegeben, die »üblicherweise zur Verhinderung der unbefugten Benutzung bestimmten Vorrichtungen" zu benutzen. Wenn dieser Hinweis auch im S. 2 des § 14 Abs. 2 der neuen StVO fehlt, so gilt er doch sinngemäß weiter. Ausrüstung mit einer, die unbefugte Benutzung verhindernden Vorrichtung ist nach § 38 a StVZO für bestimmte Kraftfahrzeuge vorgeschrieben; (s. oben RNr. 12). Wie diese Vorrichtung beschaffen sein muß sagt das Gesetz selbst nicht, wohl aber die Richtlinien des BMV für die Ausführung und Anbringung von Sicherheitseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen vom 12. 7. 61 (abgedruckt bei § 38 a StVZO — II § 38 a RNr. 5 in Bd. I). Als geeignet sind nach der amtl. Begründung zu § 38 a StVZO alle Sicherungseinrichtungen anzusehen, nach deren Beseitigung oder Zerstörung die Fahrzeuge nicht in Betrieb gesetzt werden können, aber auch solche, deren Beseitigung oder Zerstörung einen längeren Zeitaufwand erfordert. Die vorgeschriebene Vorrichtung ist nur eine unter den „üblicherweise" zur Verhinderung der unbefugten Benutzung bestimmten Vorrichtungen im Sinne des Abs. 2 S. 2. Im übrigen ist von Fall zu Fall zu entscheiden, welche weiteren Sidierungsvorrichtungen üblich sind38). Das Maß der Sicherungspflicht richtet sich nach dem Maß der Wahrscheinlichkeit einer unbefugten Benutzung 30 ). Qblidi ist, was im Verkehr allgemein angewendet wird, ohne daß der Vorwurf sdiuldhafter Nachlässigkeit erhoben werden könnte. Bei Personenkraftwagen müssen in der Regel der Zündschlüssel abgezogen, die Wagentüren abgesperrt 40 ), die Bremsen angezogen oder ein Gang eingelegt und die Wagenfenster geschlossen werden. Daneben ist die nach § 38 a StVZO vorgeschriebene besondere Sicherungsvorrichtung in Wirksamkeit zu setzen. Die üblichen Sicherungsvorrichtungen ändern sich im Lauf der technischen Entwicklung. Durch die Einschaltung eines Lenkradschlosses wird der Führer nicht von der Pflicht befreit, die Wagentüren abzuschließen41). Das galt auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 38 a StVZO, als die Anbringung eines Lenkradschlosses noch nicht vorgeschrieben war. Die Türen sind beim Verlassen des Fahrzeugs selbst dann zu verschließen, wenn das mit Unbequemlichkeiten verbunden ist 42 ). Der Fahrzeugführer muß alle technischen Einrichtungen seines Fahrzeugs ausnutzen, die geeignet sind, die Gefahren von Unfällen im Verkehr herabzumindern, selbst wenn er deren Notwendigkeit nicht durchschaut43). Dieser Grundsatz gilt auch für die Ausnutzung aller üblichen Vorrichtungen zur Verhinderung der unbefugten Benutzung eines Kraftfahrzeugs. Zu den üblichen Sicherungsmitteln gehört auch das Schließen der Fenster und des Schiebedachs44). Frage ist, ob bei einem Cabriolett das Dach geschlossen werden muß. Falls das Dach nur leicht geöffnet ist, also ohne weiteres geschlossen werden kann, ist die Frage jedenfalls zu bejahen 45 ). Der Umstand, daß bei offenen Fahrzeugen das Abschließen der Türen keinen Sinn hat, wenn die Türen von außen
« ) Köln 3. 9. 68, VRS 36, 228. >) Oldenburg 5. 11. 63, NdsRpfl. 63, 287 = VRS 26, 317 = D A R 64, 27 = DRspr. II (293) 70 c. 3 ») Hamm 21. 4. 66, VRS 31, 283 = DRspr. II (293) 78 f. 4 0 ) B G H 1. 4. 58, D A R 58, 191 = MDR 58, 503 = VerkMitt. 59, 1 = VRS 14, 417. « ) BGHSt. 17, 289 (30. 5. 62) = DAR 62, 247 = VerkMitt. 62, 54 = N J W 62, 1579 = MDR 62, 837 = VRS 23, 236 = DRspr. II (293) 62 b; BGH(Z) 17. 4. 62, VersR 62, 639 = VerkMitt. 62, 67 = VRS 23, 89 = DRspr. II (293) 60 c ; Hamm 6. 10. 59,
3f
42 43
) )
«) «)
N J W 60, 495 (m. ablehnender Kritik von Hokfort) = VRS 19, 179; 4. 12. 64, VRS 28, 464; a. M. BayObLG, Vorlegungsbeschluß vom 11. 1. 62, DAR 62, 91 = VRS 22, 155; Schuegraf in N J W 62, 1949. Köln 29. 4. 69, VerkMitt. 69, 64. BGHSt. 15, 386 (3. 2. 61) = D A R 61, 170 = MDR 61, 520 = N J W 61, 888 = VRS 20, 348. Schleswig 25. 5. 66, VerkMitt. 66, 56. Oldenburg 14. 12. 65, N J W 66, 942 = NdsRpfl. 66, 91 = DAR 66, 138 = VRS 30, 235 = DRspr. II (293) 74 d.
Vorrichtungen
StVO § 14
ohne weiteres geöffnet werden können, f ü h r t nicht dazu, daß auch bei geschlossenen K r a f t fahrzeugen die T ü r e n nicht abgeschlossen zu werden brauchen. Der BGH 4 1 ) stellt darauf ab, ob durch die Lenkradsperre eine gleich große Sicherung gegen Unfälle und Verkehrsstörungen, (denen S. 1 vorbeugen will), u n d gegen unbefugte Benutzung des Fahrzeugs, (die durch Betätigung der üblichen Vorrichtungen nach S. 2 verhindert werden soll), ohne gleichzeitiges Abschließen der T ü r e erreicht werden kann. Er k o m m t in dem v o n ihm entschiedenen Fall zu dem Ergebnis, daß das Lenkradschloß nach dem jetzigen Stand der Technik nicht verhindern könne, daß ein damit ausgestattetes Kraftfahrzeug über eine kurze Strecke im Bogen bei eingeschlagenen Vorderrädern oder eine möglicherweise erhebliche Strecke bei geradeaus gestellten Vorderrädern fortbewegt wird. Deshalb hält er das Abschließen der T ü r e n neben der Einschaltung des Lenkradschlosses f ü r nötig. O b diese Überlegung auch gilt, wenn die Räder vor der Einschaltung der Lenkradsperre nach rechts eingeschlagen werden u n d ein Weiterrollen des Wagens nach dieser Seite etwa durch den Randstein verhindert wird, erscheint zweifelhaft. Das gleiche gilt f ü r Schlösser, die in die Schaltung eingreifen. Kann durch ein solches Schaltschloß bei eingeschaltetem Gang ein Schalten zuverlässig verhindert werden, dann kann das Kraftfahrzeug ohne besondere K r a f t a n w e n d u n g nicht fortbewegt werden. Man w i r d aber sagen müssen, daß auch in diesen Fällen das Absperren der T ü r e n eine zusätzliche Sicherheit schafft, weil dem unbefugten Benutzer der Zugriff zu dem Lenkrad- oder Schaltschloß erschwert wird 4 6 ). Die hinteren T ü r e n brauchen allerdings dann nicht abgeschlossen zu werden, wenn bei einer vorschriftsmäßig m i t Trennscheibe ausgerüsteten Taxe die vorderen Türen und die Trennscheibe versperrt sind 47 ). Kann ein Fahrzeug n u r mit Hilfe einer A n d r e h k u r b e l in Betrieb gesetzt werden (z. B. ein Trecker), so m u ß beim Verlassen des Fahrzeugs diese Kurbel weggenommen werden 4 8 ). Ausreichend ist die Sicherung, wenn sie die Inbetriebsetzung durch Personen, denen die Hilfsmittel (Schlüssel) zur Ausschaltung der Sicherung nicht zur Verfügung stehen, wesentlich erschwert; danach k a n n insbesondere nicht gefordert werden, daß das Fahrzeug auch durch einen Fachmann u n t e r keinen Umständen in Betrieb gesetzt werden kann 4 9 ). Z u m Einbau zusätzlicher Sicherungen über die üblichen hinaus ist der H a l t e r n u r unter ganz besonderen Umständen verpflichtet 5 0 ). Da zu den üblichen Sicherungsmaßnahmen auch das Abziehen des Zündschlüssels gehört, wird ein K r a f t f a h r z e u g in der Regel nicht bei laufendem M o t o r verlassen werden dürfen. Fahrzeuge m i t laufendem M o t o r sind, auch wenn sie abgeschlossen sind, der Diebstahlsgefahr ganz besonders ausgesetzt®1). W e n n der Führer oder eine andere zum Eingreifen bereite u n d geeignete Person so nahe ist, daß unbefugtes Eingreifen verhindert w e r den kann, bestehen gegen das Laufenlassen des Motors allerdings keine Bedenken. D a n n ist das Kraftfahrzeug aber auch nicht „verlassen" i. S. des S. 2. C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer die ihm nach Abs. 1 u. 2 auferlegten Sorgfaltspflichten verletzt, handelt n a d i § 49 Abs. 1 N r . 14 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Eine Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 setzt voraus, daß andere Verkehrsteilnehmer vorhanden sind, die gefährdet werden können. Werden sie gefährdet, dann geht die Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 in der spezielleren Vorschrift des § 14 Abs. 1 auf. Abs. 2 dagegen ist eine reine Verhaltensvorschrift. Auch wenn keine Verkehrsstörungen eintreten u n d das Fahrzeug nicht u n befugt benutzt wird, ist der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfüllt, w e n n die vorge4 «) KG 2. 3. 67, VRS 33, 144. " ) Oldenburg 3. 12. 68, NdsRpfl. 69, 142 = VRS 36, 316 = VerkMitt. 69, 39 = DRspr. II (293) 90 d. *») BGH(Z) 4. 10. 60, VerkMitt. 61, 33 = VRS 19, 411.
*») So schon KG 1. 3. 37, VAE 37, 302. 50) BGH(Z) 6. 12. 63, VRS 26, 98 = NJW 64, 404 = VerkMitt. 64, 20 = DRspr. II (293) 70 b. " ) BGH 26. 11. 69, VerkMitt. 70, 15 mit Nadiweisungen = Martin, DAR 70, 118 (Nr. 7).
§§ 14, 15
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schriebenen Sicherheitsmaßnahmen unterlassen werden. Täter nach Abs. 1 kann nicht n u r der Fahrzeugführer, sondern k ö n n e n auch die Fahrzeuginsassen sein. Abs. 2 dagegen wendet sich ausschließlich an den Fahrzeugführer. Das schließt aber nicht aus, daß andere, z. B. der H a l t e r als Beteiligte nach O W i G § 9 in Frage k o m m e n . Abs. 2 S. 2 kann auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes begangen werden (oben R N r . 14), wenn wegen der mangelnden Sicherung eine unbefugte Benutzung des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsr a u m zu befürchten ist. Die Verletzung der Sicherheitspflicht nach Abs. 2 kann zu schweren Folgen führen, f ü r die der ordnungswidrig Handelnde strafrechtlich und zivilrechtlich einstehen muß. Er m u ß in aller Regel damit rechnen, daß ein U n b e f u g t e r das Fahrzeug in Betrieb setzt und bei einer Fahrt einen schweren Unfall verursacht 5 2 ). Abs. 2 S. 2 ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB. Der K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r und auch eventl. der H a l t e r haften, wenn sie die unbefugte Benutzung des Kraftfahrzeugs ermöglichen 53 ); (Näheres I § 7 R N r . 225 in Bd. I). Allerdings kann eine Verletzung der dem Fahrer nach § 14 Abs. 2 S. 2 obliegenden Pflicht, beim Verlassen des Fahrzeugs den Zündschlüssel abzuziehen u n d das Führerhaus zu verschließen, gegenüber dem Verschulden eines Unbefugten, der das Fahrzeug in Gang setzt u n d beschädigt, völlig zurücktreten 5 4 ). Der Mieter eines Kraftfahrzeugs kann gegenüber dem Vermieter h a f t b a r sein, wenn er die ihm obliegende Obhutspflicht dadurch verletzt, daß er das Fahrzeug ohne ausreichende Sicherung verläßt 5 5 ).
§ IS Liegenbleiben von Fahrzeugen B l e i b t e i n m e h r s p u r i g e s F a h r z e u g a n e i n e r S t e l l e liegen, a n der e s nicht rechtzeitig als s t e h e n d e s H i n d e r n i s erkannt w e r d e n kann, so ist sofort Warnblinklicht einzuschalten. D a n a c h ist m i n d e s t e n s e i n a u f f ä l l i g w a r n e n d e s Zeichen gut sichtbar in ausreichender E n t f e r n u n g a u f z u s t e l l e n , u n d z w a r bei s c h n e l l e m V e r k e h r in e t w a 100 m E n t f e r n u n g ; v o r g e s c h r i e b e n e Sicherungsmittel, w i e Warndreiecke, sind z u v e r w e n d e n . D a r ü b e r h i n a u s g e l t e n d i e Vorschriften ü b e r d i e B e l e u c h t u n g h a l t e n der Fahrzeuge. Übersicht RNr. 1
I. Amtliche Begründung II. Inhalt der Vorschrift 1. Allgemeines 2. „Liegenbleiben" von Fahrzeugen 3. Wann sind Sidierungsmaßnahmen zu ergreifen?
2-7 2 3 4
RNr. 4. Welche Maßnahmen sind zu erirw^rnblinfelidit b) Warnzeichen Welche Warnzeichen? (6), W o aufzustellen? (7) III. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
?
5 6-7 8
I. Amtliche Begründung Die Vorschrift modernisiert und verschärft sachgerecht die bisherigen Vorschriften über die Sicherung liegengebliebener Fahrzeuge, da die mangelnde Sicherung solcher Fahrzeuge ungewöhnlich gefährlich ist; mit Recht hat der Strafgesetzgeber den Tatbestand unter qualifizierenden Umständen unter die Verkehrsgefährdungstatbestände aufgenommen. Es ist eine leidige Erfahrung, daß viele Fahrzeugführer nicht erfassen, in -welchem Abstand Warndreiecke aufgestellt werden müssen, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen. Meist stehen sie sinnloser52
) BGH 13. 1. 61, VRS 20, 282 = VerkMitt. 61, 78; 26. 11. 69, wie Fußn. 51. 5S ) BGH(Z) 1. 4. 58, VersR 58, 413; 28. 2. 61, VersR 61, 446; 17. 4. 62, VRS 23, 89.
486
51 55
) BGH(Z) 7. 7. 64, VersR 64, 1045. ) Frankfurt 16. 6. 66, VersR 67, 877.
Liegenbleiben von Fahrzeugen
StVO
§ 15
weise nur wenige Meter hinter dem Fahrzeug. Deshalb wird hier eine Zahl genannt, die klar machen wird, daß nur eine Aufstellung in erheblidier Entfernung wirklich sichern kann.
II. Inhalt der Vorschrift 1. Allgemeines Die früher in § 23 Abs. 2 StVO 1937 enthaltenen Sicherungsvorsdiriften wurden teilweise konkretisiert und verschärft, teilweise aufgehoben: Bei liegengebliebenen mehrspurigen Fahrzeugen wird nunmehr konkreter gesagt, welche Maßregeln zu ergreifen sind. Die Anforderungen wurden insofern verschärft, als sie nicht nur bei Dunkelheit, sondern auch bei Tage ergriffen werden müssen. Allerdings ist die Notwendigkeit, Sicherungsmaßregeln zu ergreifen, wenigstens nadi dem Wortlaut nur zu bejahen, wenn das liegengebliebene Fahrzeug nidit rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden kann, während früher nur Voraussetzung war, daß diese Maßregel zur Sicherung des Verkehrs erforderlich war. Die alte Formulierung war gewiß nicht besonders glücklich, weil bekanntlich darüber, wann die Verkehrslage eine Maßnahme erfordert, die Meinungen häufig geteilt sind. Aber die neue Formulierung ist auch nicht eindeutig: Nach ihrem Wortlaut kommt es auf die objektive Erkennbarkeit an, nach der früheren Fassung durfte und mußte berücksichtigt werden, daß liegengebliebene Fahrzeuge zwar häufig als stehende Hindernisse erkennbar sind, aber trotzdem von anderen Verkehrsteilnehmern nicht als solche erkannt werden. Man sollte im Interesse der Sicherheit des Verkehrs auch die neue Fassung so auslegen, daß schon die naheliegende Möglichkeit genügt, daß ein liegengebliebenes Fahrzeug nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt wird, um die zusätzliche Sicherungspflicht zu begründen. Eine wesentliche und im Hinblick auf die sonstige Tendenz der neuen StVO nicht recht verständliche Einschränkung der früheren Sicherungsgebote liegt darin, daß sich die neue Bestimmung nur noch auf liegengebliebene Fahrzeuge bezieht, während früher gleiche Anforderungen auch an die Führer haltender Fahrzeuge gestellt worden waren. Würde sich die neue Vorschrift auf die Fälle beschränken, in denen das liegengebliebene Fahrzeug objektiv als stehendes Hindernis nicht erkannt werden kann, dann könnte man eine besondere Sicherungspflicht f ü r haltende Fahrzeuge vielleicht deshalb f ü r entbehrlich halten, weil das Halten an Stellen, an denen das haltende Fahrzeug nicht rechtzeitig als solches erkannt werden kann, nach § 12 Abs. 1 N r . 1 verboten sei. Folgt man aber der oben vorgeschlagenen Auslegung, stellt man also nicht darauf ab, ob das liegengebliebene Fahrzeug objektiv rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden kann, sondern darauf, ob damit zu rechnen ist, daß es nicht erkannt wird, dann wäre bei abgestellten Fahrzeugen eine zusätzliche Sicherung ebenso erforderlich wie bei liegengebliebenen. Die Gefahr ist die gleiche, ob sie von einem liegengebliebenen Fahrzeug ausgeht oder von einem parkenden. Ob mit Hilfe des § 1 Abs. 2 eine zusätzliche Sicherungspflicht bei parkenden Fahrzeugen konstruiert werden darf, ist fraglich, selbst wenn eine Gefährdung des übrigen Verkehrs durch das stehende Fahrzeug naheliegt. Nachdem sich der Gesetzgeber mit der Materie befaßt hat, wird man wohl davon ausgehen müssen, daß er die Frage, wann zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, abschließend geregelt hat. Durch die Neuregelung ist also eine Lücke entstanden, die in allen Fällen eine merkliche Herabsetzung der Verkehrssicherheit zur Folge haben wird, in denen ein Fahrzeug an einer Stelle angehalten wird, an der das Halten zwar erlaubt ist, es aber naheliegt, daß das haltende Fahrzeug von anderen Verkehrsteilnehmern nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt wird. Diese Lücke ist um so befremdender, als nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 g StGB derjenige, der ein haltendes Fahrzeug nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, u. Umst. wegen Verkehrsgefährdung verurteilt werden kann. Daß haltende Fahrzeuge nach § 17 Abs. 4 außerhalb geschlossener O r t schaften mit eigener Lichtquelle zu beleuchten sind, macht die zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen nicht entbehrlich. Auch liegengebliebene Fahrzeuge müssen beleuchtet werden;
§ 15
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(§ 15 S. 3). Die Erfahrung lehrt, daß die Fahrzeugbelcuditung allein keine sichere Unterscheidung von fahrenden und haltenden Fahrzeugen gewährleistet. Nach einem Unfall besteht neben den Pflichten aus § 15 für alle Beteiligten eine Verkehrssicherungspflicht; § 34 Abs. 1. Da nach Art. 8 Abs. 1 Int. Abk. (s. V I I 1 a in Bd. 2) der Führer eines Kraftfahrzeuges gehalten ist, sich nach den in diesem Land für den Verkehr geltenden Gesetzen und Bestimmungen zu richten, sind auch ausländische Kraftfahrer verpflichtet, ihr liegengebliebenes Fahrzeug nach § 15 zu sichern 1 ). Verantwortlich für die Sicherungsmaßnahmen ist der Fahrzeugführer. Das ist selbstverständlich. Daneben können audi von ihm Beauftragte eine Mitverantwortung übernehmen 2 ). Ein als Beifahrer eingesetzter Berufskraftfahrer kann neben dem Fahrzeugführer selbständige Verantwortung tragen; (vgl. § 1 R N r . 29). 2. „Liegenbleiben" von Fahrzeugen Ein Fahrzeug bleibt liegen, wenn es gegen den Willen des Fahrzeugführers zum Halten k o m m t und nicht sogleich wieder in Gang gesetzt werden kann. Kann mit Sicherheit damit gerechnet werden, daß der Aufenthalt nicht länger dauern wird, als die zum Aufstellen der Sicherungsmittel erforderliche Zeit, dann kann die Aufstellung unterbleiben'). Solche Fälle werden aber selten sein, weil meist nicht voraussehbar ist, wann weitergefahren werden kann. Die Gründe für das Liegenbleiben können verschiedener A r t sein: Sie können vom Fahrzeug ausgehen (Unfallfolgen, Motor-, Reifenschaden, Benzinmangel etc.) oder von der Fahrbahn (starke Steigung, (Glatteis) oder von der körperlichen Verfassung der Insassen (Plötzliche schwere Erkrankung). Wer mit seinem Fahrzeug liegenbleibt, hält nicht im Sinne des § 12 (dort R N r . 4). E r kann deshalb auch nicht wegen Verstoßes gegen ein Haltverbot belangt werden. Allerdings muß er, soweit ihm dies möglich ist, sein Fahrzeug vor dem Liegenbleiben an eine Stelle lenken, an der er den übrigen Verkehr möglichst wenig behindert, z. B. auf den Seitenstreifen. § 15 S. 1 spricht von „mehrspurigen Fahrzeugen". Einspurige Fahrzeuge wie Fahrräder, Motorräder, wohl auch Motorräder mit Beiwagen (die nach § 54 Abs. 4 N r . 2 b S t V Z O zu den Motorrädern zählen), werden nicht erfaßt. Für diese gilt u. Umst. § 17 Abs. 4 S. 3. oder § 23 Abs. 2. Die Vorschrift bezieht sich aber auf mehrspurige Fahrzeuge aller Art. Daß sofort Warnblinklicht einzuschalten ist, bedeutet nicht, daß die Vorschrift nur für mehrspurige Fahrzeuge gilt, die mit Warnblinklicht ausgestattet sein müssen 4 ). Als selbstverständlich ist hinter „Warnblinklicht" einzuschalten: „soweit vorhanden". Wie oben ( R N r . 2) näher dargelegt wurde, bezieht sich die Vorschrift nicht auf Fahrzeuge, die nach dem freien Willen des Fahrzeugführers auf die Fahrbahn abgestellt wurden, auch nicht auf Anhänger. Die frühere Rechtsprechung zur Frage der notwendigen Sicherungen beim Anhalten des Fahrzeugs und beim Abstellen von Fahrzeugen und Anhängern auf der Fahrbahn bei Nacht ist überholt 5 ). Wird ein an erlaubter Stelle abgestelltes Fahrzeug ausreichend beleuchtet (§ 17 Abs. 4), so trifft den Fahrzeugführer in der Regel kein Schuldvorwurf, wenn ein anderes Fahrzeug auf das abgestellte Fahrzeug auffährt. 3. Wann sind Sidierungsmaßnahmen zu ergreifen? Da ein liegengebliebenes Fahrzeug für den fließenden Verkehr nur dann ein Hindernis bilden kann, wenn es auf der Fahrbahn liegenbleibt, bezieht sich die Vorschrift nicht auf Fälle, in denen ein Fahrzeug außerhalb der Fahrbahn, etwa auf einem Parkstreifen, zum !) BGH(Z) 26. 3. 68, VerkMitt. 68, 89. *) BGH 5. 8. 59, VRS 17, 424. 3 ) Stuttgart 25. 7. 58, VRS 16, 74; Celle 6. 5. 55, DAR 56, 16. 2) BGH(Z) 4. 1. 63, VerkMitt. 63, 51 = VersR 63, 342 = DRspr. II (293) 68 d; 15. 12. 70, N J W 71, 431 = VRS 40, 177. 13 ) BGH(Z) 4. 1. 63 wie Fußn. 12. 14 ) BGH 23. 8. 63, VRS 25, 340; Stuttgart 15. 11. 57, DAR 58, 222. 490
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) Ähnlich für die frühere Rechtslage: BGHSt. 16, 89 wie Fußn. 5; a. M. Cramer a . a . O . RNr. 18 mit berechtigter Kritik an der Neufassung.
Warnblinklicht; Warnzeichen
StVO
§ 15
schaffenheit nicht gesetzlich festgelegt ist, muß es nur geeignet sein, seinen Zweck zu erfüllen. Audi ein Warnposten mit einer Taschenlampe kann in diesem Fall vorübergehend die Sicherung übernehmen. Soweit bestimmte Sicherungsmittel vorgeschrieben sind, hat der Fahrzeugführer aber nicht die Wahl, er muß sie sämtlich einsetzen und kann sie nicht durch andere ersetzen. Wichtig ist, daß die vorgeschriebenen Sicherungsmittel (Warndreieck, Warnleuchte) immer griffbereit sind, damit sie im Bedarfsfall sogleich nach der Einschaltung des Warnblinklichtes aufgestellt werden können. Die in §§ 17, 22 Abs. 4, 5 vorgeschriebene Beleuchtung von Fahrzeugen und Ladung berührt die besondere Sicherungspflicht liegengebliebener Fahrzeuge nicht. Beleuchtungspflicht und Sicherungspflicht bestehen nebeneinander. (§ 15 S. 3). Wo sind Warnzeichen aufzustellen? Es ist zu begrüßen, daß der Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschrift hier eine klare Anweisung gegeben hat, in weldier Entfernung bei schnellem Verkehr die Sicherungsmittel aufzustellen sind. Die Erfahrung lehrt, daß sie im allgemeinen viel zu nahe bei dem liegengebliebenen Fahrzeug aufgestellt werden, mit der Folge, daß die zu warnenden Fahrzeugführer zu spät gewarnt werden, um sich auf das liegengebliebene Fahrzeug gefahrlos einrichten zu können; (vgl. die amtliche Begründung, oben R N r . 1). Wenn bei schnellem Verkehr eine Entfernung von etwa 100 m vorgesehen wird, dann bedeutet das, daß bei weniger schnellem, z. B. innerhalb geschlossener Ortschaften ein geringerer Abstand ausreicht. Alle Warnzeichen müssen, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, gut sichtbar aufgestellt werden, d. h. an Stellen, an denen sie bereits auf weitere Entfernung erkennbar sind, in der Regel auf der Fahrbahn in dem Fahrstreifen, auf dem das Fahrzeug liegengeblieben ist. Auch bei guter Sicht darf das Warnzeichen keinesfalls unmittelbar hinter dem Fahrzeug aufgestellt werden 1 '). Werden mehrere Warnzeichen benutzt, dann werden sie zweckmäßigerweise gestaffelt aufgestellt entsprechend der Fahrlinie, die sich für einen von hinten Kommenden ergibt, wenn er dem liegengebliebenen Fahrzeug ausweicht17). III. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Die in § 15 enthaltenen Sicherungsgebote sind Ordnungsvorschriften. Wer sie verletzt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 15 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, ohne daß es einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bedürfte. Tritt eine solche ein, dann trifft die Ordnungswidrigkeit nach § 15 mit einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 tateinheitlich zusammen. Auch mit Verstößen gegen § 17 (Beleuchtungsvorschriften) und gegen § 34 (Verhalten nach einem Unfall) kann ein Verstoß gegen § 15 zusammentreffen. Kommt es zu einem Unfall, dann muß geprüft werden, ob ein Verstoß gegen Sicherungsvorschriften für den Unfall ursächlich war, d. h. ob mit Sicherheit auszuschließen ist, daß es auch bei vorschriftsmäßiger Absicherung des liegengebliebenen Fahrzeugs zu dem gleichen Unfall gekommen wäre. Wer grob verkehrswidrig und rücksichtlos haltende und liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sidierung des Verkehrs erforderlich ist und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sadien von bedeutendem Wert gefährdet, wird wegen eines Vergehens der Verkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g bestraft. Da nach der Neufassung der Vorschrift sich § 15 nur mehr auf liegengebliebene, nicht aber auf haltende Fahrzeuge bezieht, wird der dem Tatbestand der Verkehrsgefährdung zugrunde liegende Verkehrsverstoß nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet; (vgl. oben RNr. 2). Ein Vergehen nach § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB kommt nur dann in Frage, wenn der Täter sein Fahrzeug absichtlich auf der Fahrbahn liegen läßt, um den übrigen Verkehr zu behindern; über das Verhältnis des 5 315 b zu § 315 c s. dort. '•) B G H 25. 9. 58, VerkMitt. 59, 21 = V R S 15, 468 hält dies in Ausnahmefällen für zulässig.
" ) Vgl. B G H 11. 12. 59, V R S 18, 220 = D A R 60, 81 = VkBl. 61, 107 = VerkMitt. 60, 55.
491
§ 16
StVO
Möhl § 16 Warnzeichen
(1) Schall- und Leuchtzeichen darf nur geben 1. wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt (§ 5 Abs. 5) oder 2. wer sich oder andere gefährdet sieht. (2) Warnblinklicht darf außer beim Liegenbleiben (§ 15) nur einschalten 1. wer andere durch sein Fahrzeug gefährdet oder 2. der Führer eines Schulbusses, solange Kinder ein- oder aussteigen. (3) Schallzeichen dürfen nicht aus einer Folge verschieden hoher Töne bestehen. Vwv zu § 16: Zu Absatz 2 Nr. 1: Gegen mißbräuchliche Benutzung des Warnblinklidits ist stets einzuschreiten. Das ist immer der Fall, wenn d u r d i ein Fahrzeug der Verkehr nicht gefährdet, sondern n u r behindert wird, z. B. ein Fahrzeug an übersichtlicher Stelle be- oder entladen wird. Übersicht RNr. 1-4 1 2
A. Entstehungsgeschichte 1. Bis zur S t V O 1937 2. S 12 S t V O 1937 3. Vergleich der neuen mit der alten Vorschrift 4. Amtliche Begründung
3 4
B. Inhalt der Vorschrift I. Schall- und Leuchtzeichen (Abs. 1) 1. W a n n sind Schall- und Leuchtzeichen erlaubt? 2. W a n n sind sie unzulässig? 3. W a n n sind sie geboten? Allgemeines (7), Bedeutung der
1. bis zur StVO 1937:
5-16 5-15 5 6 7-13
RNr. örtlichen Verhältnisse (8), W a r n p f l i d i t gegenüber F u ß gängern (9), gegenüber K i n dern (10), in besonderen Verkehrslagen (11), W a n n k a n n Warnung unterbleiben? (12), Warnpflicht im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflidit (13) 4. Wie ist zu warnen? 14-15 Mit welchen Warnzeichen? (14), Wie sind diese anzuwenden? (15) II. Das Warnblinklicht (Abs. 2) 16 C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
17
A. Entstehungsgeschichte
Frühere Regelung. Für die nichtmotorisdien Fahrzeuge bestimmte das Muster der (landesrechtlichen) aStrVO: Der Führer hat Personen, die sich in gefährlicher N ä h e des Fuhrwerks befinden, rechtzeitig durch Zuruf oder in sonst geeigneter Weise zu warnen. Der Gebrauch von H u p e n ist verboten. Nach § 21 R S t V O 1934 mußten Kraftfahrzeuge mit Schall Vorrichtung ausgerüstet sein; das galt auch schon nach § 4 V ü K V e r k ; diese enthielt aber weiter in 5 19 Einzelvorschriften über das A b geben der Warnzeichen: Der Führer hat rechtzeitig deutlich hörbare Warnungszeichen abzugeben, wenn durch das H e r a n nahen seines K r a f t f a h r z e u g s Wegebenutzer oder Fußgänger gefährdet werden. Verboten ist, Warnungszeichen abzugeben, um dem K r a f t f a h r z e u g ein rascheres Vorwärtskommen zu ermöglichen. Soweit ein Überholen zulässig ist, darf die Absicht hierzu durcb Warnungszeichen kundgegeben werden. (2) Das Abgeben von Warnungszeichen ist sofort einzustellen, wenn Pferde oder andere Tiere dadurch unruhig oder scheu werden. (3) Innerhalb geschlossener Ortsteile dürfen Warnungszeichen nur mit der im $ 4 Abs. 1 N r . 4 vorgeschriebenen H u p e abgegeben werden; die Warnungszeichen müssen kurz, ihre K l a n g f a r b e u n d Klangstärke so beschaffen sein, d a ß im Gefahrenbereich befindliche Personen gewarnt, im weiteren Umkreis befindliche Personen aber nicht belästigt werden. Außerhalb geschlossener Ortsteile darf auch eine Pfeife benutzt werden. Die Benutzung von Signalinstrumenten zur Abgabe von anderen Zeichen als unbedingt notwendigen Warnungszeichen, insbesondere von Rufzeichen, ist innerhalb geschlossener Ortsteile verboten. (4) Das Abgeben langgezogener Warnungszeichen, die Ähnlichkeit mit Feuersignalen haben, u n d die Anbringung und Verwendung anderer als der im Abs. 3 genannten Signalinstrumente ist verboten. Abs. 1 dieser (vor der Umgestaltung 1934 letzten) Fassung stellte den Versuch einer Zusammenfassung der noch f r ü h e r aufgezählten Einzelfälle d a r ; die Fassung 1910 nämlich hatte gelautet:
492
Entstehungsgeschichte
StVO § 16
Der Führer hat entgegenkommende, zu überholende, in der Fahrtrichtung stehende oder die Fahrtrichtung kreuzende Menschen sowie die Führer von Fuhrwerken, Reiter, Radfahrer, Viehtreiber usw. durdi deutlich hörbares Warnungszeichen rechtzeitig auf das Nahen des Kraftfahrzeugs aufmerksam zu machen; auf die Notwendigkeit, das Warnungszeichen abzugeben, ist in besonderem Maße an unübersichtlichen Stellen zu achten. An diese Fassung hatte sich die Streitfrage geknüpft, ob sie eine unbedingte Pflicht zum Geben von Zeichen an unübersichtlichen Stellen, insbesondere an jeder Straßenkreuzung, festlegte, eine Frage, die bei zutreffender Würdigung insbesondere der Entstehungsgeschichte zu verneinen gewesen wäre, und die auch für die spätere (s. oben) und die heutige Rechtslage noch Bedeutung hat. Die Grundzüge nämlich enthielten in § 18 II eine das Geben von Zeichen positiv vorschreibende Bestimmung: „Auch an unübersichtlichen Stellen ist Warnzeichen zu geben." Dies hatte zur Belästigung durch vielfach zweckloses Abgeben von Warnzeichen geführt. Die Verordnung 1910 änderte daher, indem sie an die Stelle der positiven Pflicht, ohne Rücksicht auf den Verkehr immer an den festgesetzten Stellen Zeichen zu geben, den Hinweis setzte, daß an unübersichtlichen Stellen in besonderem Maße auf die Notwendigkeit, Zeichen zu geben, zu achten sei. Der Zwang zum unbedingten Abgeben von Zeichen wurde dadurch beseitigt. Dieser Rechtszustand war durch die Fassung 1923 (Art. I N r . 26 der Verordnung vom 15. 3. 23) aufrechterhalten worden. Die Pflicht zum Abgeben von Warnzeichen war schon damals nicht von der Unübersichtlichkeit der Fahrbahn abhängig, sondern vom Erfordernis der Verkehrssicherheit, also bei Gefährdung von Personen oder Sachen. Die Fassung 1923 lautete: „Der Führer hat überall dort, wo es die Sicherheit des Verkehrs erfordert, durch deutlich hörbare Warnungszeichen rechtzeitig auf das Nahen des Kfzs aufmerksam zu machen." Die Auslegung dieser Vorschrift in der Rechtsprechung wurde dem wachsenden Verkehr nicht immer gerecht; nur zögernd brach sich die Erkenntnis Bahn, dem Führer könne nicht schon aus der bloßen Tatsache, daß er an unübersichtlicher Stelle keine Zeichen gegeben habe, zivilrechtlich oder strafrechtlich ein Vorwurf gemacht werden; es müsse festgestellt werden, ob die Sicherheit des Verkehrs im Einzelfall Zeichen forderte, also zu besorgen war, daß sonst Personen oder Sachen geschädigt oder auch Personen beschmutzt werden konnten (Nachweisung der Rechtsprechung siehe 15. Auflage); Zeichen seien zu geben vor Straßenkreuzungen und -einmündungen, wenn der Führer nach Ortlichkeit und Zeit damit rechnen mußte, daß andere Verkehrsteilnehmer anwesend sein oder sich nähern und ohne Zeichen zu Schaden kommen könnten. Unübersichtlichkeit allein erfordere nicht Warnzeichen; z. B. wenn kein weiterer Verkehr stattfand oder der Führer entsprechend langsam fuhr. Der Frage, ob Warnzeichen gegeben waren, legten die Gerichte vielfach übergroße Bedeutung bei, und die Führer fühlten sich dadurch zu vorsorglichem Abgeben von Zeichen veranlaßt; dies war lt. Begründung ein Anlaß zur Änderung 10. 5. 32, die als „Abschwächung" der Vorschrift bezeichnet wird. Sie forderte Zeichengeben nur (siehe den Zusatz „unbedingt notwendigen" im oben wiedergegebenen Abs. 3), wenn Gefährdung vorliegt, das heißt wenn eine auf Tatsachen beruhende Wahrscheinlichkeit einer Schädigung naheliegt; das muß der Führer erkannt haben oder bei erforderlicher Sorgfalt haben erkennen können. Zwisdienregelung: Die RStVO 1934 enthielt selbst keine Sondervorschrift mehr über die Pflicht zum Abgeben von Warnzeichen; daß sie unter Umständen erforderlich sind, ergab der oben erwähnte S 21 i. V. mit S 25. 2.
§ 12 S t V O 1937
D i e neue Vorschrift w o l l t e , w i e auch die amtliche B e g r ü n d u n g e r k e n n e n läßt, die frühere R e g e l u n g nicht ändern, s o n d e r n nur erweitern u n d knapper f o r m u l i e r e n . D i e ersten Absätze des Abs. 1 u n d 2 des § 12 S t V O 1937 lauteten: „Der F a h r z e u g f ü h r e r hat gefährdete V e r k e h r s t e i l n e h m e r durch Warnzeichen auf das H e r a n n a h e n seines Fahrzeugs a u f m e r k s a m z u machen. Es ist v e r b o t e n , Warnzeichen z u anderen Zwecken, insbesondere z u m Zwecke des eigenen rücksichtslosen Fahrens, u n d m e h r als n o t w e n d i g abzugeben. D i e Abgabe v o n Warnzeichen ist einzustellen, w e n n Tiere dadurch u n r u h i g werden.
3. V e r g l e i c h d e r n e u e n m i t d e r a l t e n V o r s c h r i f t Zunächst fällt auf, daß § 16 der n e u e n S t V O kein G e b o t z u r A b g a b e v o n Warnzeichen enthält, w ä h r e n d bei der f r ü h e r e n Fassung dieses G e b o t als wichtigster Teil der Vorschrift über Warnzeichen am A n f a n g stand. D i e Pflicht, Warnzeichen z u geben, w e n n andere V e r k e h r s t e i l n e h m e r durch das H e r a n n a h e n des Fahrzeugs gefährdet w e r d e n , besteht aber nach w i e v o r . D i e B e g r ü n d u n g w e i s t darauf hin, daß zur A b g a b e eines Warnzeichens schon § 1 Abs. 2 verpflichtet, w e n n ein Warnzeichen g e b o t e n ist. D i e Regierungsvorlage
§ 16
StVO
Möhl
sah (im Anschluß an § 12 StVO 1937) in der objektiven Gefährdung anderer durch das Fahrzeug die Voraussetzung f ü r die Zulässigkeit eines Warnzeichens. Die geltende Fassung geht auf einen Beschluß des Bundesrats zurück. Diese etwas unklare Fassung unterscheidet sich von der früheren einmal dadurch, daß sie nicht mehr eine Gefährdung des zu Warnenden durch den Warner voraussetzt. Jede Gefahr, der durch Abgabe eines Warnzeichens begegnet werden kann, also auch die Gefährdung des stehenden Fahrzeugs durch einen anderen oder die Gefährdung eines anderen durch einen Dritten kann die Abgabe eines Warnzeichens rechtfertigen. Diese Erweiterung der Zulässigkeit von Warnzeichen ist zu begrüßen. Dagegen bestehen gegen die Abstellung auf die subjektive Vorstellung des Warners Bedenken. Früher war derjenige, der auf Grund eines Irrtums eine Gefahrenlage annahm, zwar auch entschuldigt, wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Nach der nun gewählten Fassung wird aber wohl auch der geschützt, der fahrlässigerweise eine Gefahrenlage annimmt, wenn er also ein Warnzeichen gibt, obwohl in Wirklichkeit dafür kein Anlaß besteht und dies bei genügender Aufmerksamkeit auch erkennbar ist. Es genügt, daß er eine Gefahr „sieht". Zu beachten ist, daß zwar bei jeder Gefährdung eines anderen durch das Fahrzeug des Warners Warnzeichen nicht nur zulässig, sondern nach § 1 Abs. 2 geboten sind, sofern nur damit zu rechnen ist, daß sie ihren Zweck erfüllen. Wird dagegen ein anderer als der Warner durch einen Dritten gefährdet, soll das Zeichen also dazu dienen, daß der Dritte auf die von ihm verursachte Gefährdung des anderen hingewiesen wird, dann steht der Zulässigkeit eines Warnzeichens in der Regel kein Gebot gegenüber. Die früher in § 12 Abs. 4 StVO 1937 enthaltenen Vorschriften über die Abgabe von Warnzeichen beim Überholen finden sich nunmehr in § 5 Abs. 5; (s. dort R N r . 29). § 16 Abs. 1 weist auf diese Vorschrift der Vollständigkeit halber ausdrücklich hin. Neu sind die Vorschriften über das Warnblinklicht in § 16 Abs. 2. Die Vorschriften über die Einschaltung des Warnblinklichts beim Liegenbleiben sind in § 15 enthalten; (s. dort RNr. 5). Zu Abs. 3 vgl. die amtliche Begründung.
4
4. Amtliche Begründung
2k Absatz 1: Der Absatz begnügt sich damit, aus § 12 StVO (alt) den Rechtsgedanken zu übernehmen, daß jede Abgabe von Warnzeichen als mißbräuchlich verboten ist, die nicht zur (erlaubten) Ankündigung des Oberholens gestattet ist oder zur Warnung konkret gefährdeter Verkehrsteilnehmer geschieht. Dabei ist nicht mehr von der Gefahr durch das herannahende Fahrzeug die Rede, weil Warnzeichen u. U. auch aus einem haltenden Fahrzeug geboten sind, z. B. dann, wenn ein unachtsamer anderer Verkehrsteilnehmer aufzufahren droht. Alle übrigen Vorschriften des § 12 StVO (alt), soweit sie nicht in § 5 Abs. 5 übernommen sind, erscheinen als entbehrlich. Während für den Fall des Oberholens dort im einzelnen geregelt ist, weldie Art von Warnzeichen und wie diese zu geben sind, wäre dies hier, wo es sich nur noch um die Warnung gefährdeter Verkehrsteilnehmer handelt, nicht sachgerecht; in solchen Fällen wird sich die Wahl und die Art der Abgabe der Warnzeichen danach zu richten haben, wie die Gefahr am besten abgewendet werden kann. Gestrichen wurde auch das ausdrückliche Gebot, gefährdete Verkehrsteilnehmer auf das herannahende Fahrzeug aufmerksam zu machen. Dieses Gebot ist nur in Grenzen sachgerecht. Die Abgabe eines Warnzeichens genügt nur dann und ist geboten, wenn damit gerechnet werden darf, daß der Gewarnte auch sachgerecht reagieren wird oder wenn die Gefahr durch andere Mittel, wie Verlangsamung der Fahrt oder Halten, nicht mehr gebannt werden kann und die Abgabe eines Warnzeichens noch Erfolg verspricht. Zum anderen darf ein Warnzeichen dann nicht gegeben werden und ist statt dessen zu bremsen, wenn das Warnzeichen die Gefahr vergrößern (der Gefährdete könnte erschrecken und um so unsicherer werden) oder andere Gefahren heraufbeschwören würde (andere Verkehrsteilnehmer könnten unsidier werden, nicht bloß Tiere, von denen in § 12 Abs. 2 StVO (alt) die Rede ist). An der Rechtslage ändert die Streichung nichts; denn zur Abgabe eines Warnzeichens, wenn das wirklich geboten ist, verpflichtet schon § 1 Abs. 2. Zu Absatz 2: Fahrzeugführer, deren Fahrzeuge mit Warnblinkanlage (§ 53 a Abs. 4, § 72 Abs. 2 — zu § 53 a Abs. 4 — StVZO) ausgerüstet sind, neigen zu deren übertriebenen Benutzung; deshalb sind eingehende Benutzungsvorschriften geboten.
494
W a n n sind Sdiall- und Leuchtzeichen erlaubt? 2 » Absatz
StVO § 16
3:
Das Verbot muß bestehen bleiben, weil die Ausrüstungs Vorschriften (hier: § 55 StVZO) nicht für Ausländer im internationalen Verkehr gelten, die deshalb mit ihren Mehrklanghupen zu uns einreisen
dürfen.
B. Inhalt der V o r s d i r i f t I.
Schall- und Leuchtzeichen (Abs. 1)
1.
W a n n sind Schall- und Leuchtzeichen erlaubt?
I n N r . 1 w i r d auf die Zulässigkeit v o n Sdiall- und Leuchtzeichen b e i m Ü b e r h o l e n außerhalb geschlossener O r t s c h a f t e n verwiesen. Dieser H i n w e i s dient n u r der D e u t l i c h k e i t . Rechtsquelle ist § 5 Abs. 5. W e r gegen die dortige R e g e l u n g v e r s t ö ß t , handelt o r d n u n g s widrig nach § 5, nicht nach § 1 6 ; (vgl. § 5 R N r . 29). N r . 2 b r i n g t in etwas abgewandelter F o r m das f r ü h e r in § 12 Abs. 1 e n t h a l t e n e V e r b o t . W ä h r e n d die neue S t V O m e i s t b e s t r e b t ist, als „Volkslesebuch" d e m V e r k e h r s t e i l n e h m e r genau zu sagen, wie er sich z u v e r h a l t e n h a t , ist hier die V e r h a l t e n s v o r s c h r i f t auf eine sehr k n a p p e F o r m e l reduziert, die der A u f f ü l l u n g durch die G r u n d g e d a n k e n des § 1 Abs. 2 b e d a r f . D i e Fassung ist aber nicht n u r k n a p p , sondern auch nicht ganz eindeutig: Sie e n t h ä l t nicht n u r k e i n e H i n w e i s e darauf, w a n n Schall- u n d Leuchtzeichen nicht n u r e r l a u b t , sondern g e b o t e n sind, sie stellt audi noch darauf ab, o b der W a r n e r sich o d e r andere gefährdet sieht. W a n n k a n n sich ein K r a f t f a h r e r gefährdet sehen? G e n ü g t eine a b s t r a k t e , (wenn auch naheliegende) G e f a h r oder reicht n u r eine k o n k r e t e G e f a h r aus? Welche B e deutung k o m m t einem v e r m e i d b a r e n I r r t u m des W a r n e r s zu? M a n w i r d d e m W o r t l a u t der V o r s c h r i f t e n t n e h m e n k ö n n e n , d a ß grundsätzlich n u r Fälle g e m e i n t sind, in denen der W a r n e r eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g f ü r gegeben ansieht, nicht b l o ß die M ö g l i c h k e i t einer späteren G e f ä h r d u n g 1 ) , so auch die amtliche B e g r ü n d u n g ( o b e n R N r . 4 ) . D i e Rechtsprechung zu § 12 S t V O 1937 h a t die W a r n p f l i c h t t r o t z des noch deutlich entgegenstehenden W o r t l a u t e s der damaligen V o r s c h r i f t vorsichtig auf Fälle ausgedehnt, in denen ein unabweichliches B e d ü r f n i s zu einer p r ä v e n t i v e n W a r n u n g besteht. E s w i r d i m Interesse der V e r k e h r s s i c h e r h e i t gut sein, an den Ergebnissen dieser R e c h t sprechung festzuhalten. D a in solchen Fällen, in denen W a r n z e i c h e n zugelassen w e r d e n sollten, auch w e n n k e i n e k o n k r e t e G e f ä h r d u n g e r k e n n b a r ist, Rechtsgrundlage n u r die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 sein k a n n u n d aus dieser sich gleichzeitig m i t der Erlaubnis z u r A b g a b e eines Warnzeichens in der R e g e l auch das G e b o t hierzu herleiten l ä ß t , w i r d diese Frage u n t e n i m Z u s a m m e n h a n g m i t der F r a g e des W a r n g e b o t e s ( R N r . 7 — 1 1 ) b e handelt w e r d e n . Fraglich k a n n w e i t e r sein, welche F o l g e n ein I r r t u m ü b e r die N o t w e n d i g k e i t und Z u lässigkeit eines Warnzeichens h a t . I r r t der W a r n e r ü b e r die tatsächlichen Voraussetzungen, sieht er also f ü r sich o d e r andere eine G e f a h r , w o keine b e s t e h t , dann wird i h m dieser I r r t u m zugute gehalten w e r d e n müssen, selbst w e n n er auf Fahrlässigkeit b e r u h t . D e n n die V o r s c h r i f t geht eindeutig v o n der s u b j e k t i v e r e n V o r s t e l l u n g des W a r n e r s aus u n d nicht v o n der o b j e k t i v e n V e r k e h r s l a g e . W e n n dagegen der I r r t u m nicht die tatsächlichen V o r a u s setzungen b e t r i f f t , sondern die aus diesen hergeleitete M e i n u n g über die Zulässigkeit des Warnzeichens, dann sind die R e g e l n ü b e r den V e r b o t s i r r t u m anzuwenden (§ 6 Abs. 3 O W i G ) , d. h . es ist zu p r ü f e n , o b der I r r t u m v o r w e r f b a r ist. Beispiele: a) A n i m m t i r r i gerweise an, ein v o r i h m in einer R e c h t s k u r v e a m F a h r b a h n r a n d gehender Fußgänger gehe auf der F a h r b a h n . A (der wegen G e g e n v e r k e h r s nicht nach links ausweichen k a n n ) sieht den F u ß g ä n g e r durch sein F a h r z e u g gefährdet. Sein W a r n z e i c h e n ist t r o t z seines I r r t u m s nicht ordnungswidrig, b) A f ä h r t auf einer b r e i t e n S t r a ß e in eine unübersichtliche K u r v e ein. E r h u p t „auf alle F ä l l e " , o h n e daß ein A n h a l t s p u n k t f ü r die G e f ä h r d u n g anderer gegeben ist. H i e r handelt A ordnungswidrig. D i e i h m b e k a n n t e n Tatsachen rechtfertigen das H u p e n nicht. D a s m u ß t e er wissen, sein I r r t u m b e r u h t auf v o r w e r f b a r e r R e c h t s u n k e n n t n i s . So Booß S t V O S 16 Anm. 1 ; Jagusch § 16 Anm. 3, 4 ; a. M. Cramer § 16 R N r . 21.
§ 16
StVO
Möhl
Die Fälle, in denen Schall- und Leuchtzeichen erlaubt sind, wurden gegenüber der früheren Regelung insofern erweitert, als ein Fahrzeugführer nicht nur zur Abwendung einer von seinem eigenen Fahrzeug ausgehenden Gefahr warnen darf, sondern auch zur Abwendung einer durch einen Dritten drohenden. Wo immer eine Gefahr erkennbar wird, der durch ein Warnzeichen begegnet werden kann, darf gewarnt werden. Zwar gelangte man früher in manchen Fällen mit Hilfe des Notstandsgedankens zum gleichen Ziel, doch ist die Aufnahme dieses besonderen Falles in die Vorschrift der S t V O zu begrüßen. Selbstverständliche Voraussetzung ist bei allen Warnzeichen, daß sie Erfolg versprechen. Kann die Gefahr auf andere Weise (Ausweichen, Halten) sicherer und besser abgewandt werden, dann sind Warnzeichen nicht erlaubt. Häufig ist aber das Warnzeichen eines von mehreren Mitteln, die der Beseitigung einer Gefährdung dienlich sein können, z . B . : Herabsetzung der Geschwindigkeit + Warnzeichen. Bei der Entscheidung über die zu währende Maßnahme ist dem Fahrzeugführer ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Man wird ihm nicht kleinlich nachrechnen, ob diese oder jene Maßnahme im Einzelfall mehr Erfolg versprach; doch muß er es sich entgegenhalten lassen, wenn in einer bestimmten Verkehrslage ein Warnzeichen offensichtlich unzweckmäßig und deshalb unzulässig ist; (s. unten R N r . 6). Von der Frage, ob ein Warnzeichen erlaubt ist, muß zwar die Frage, ob es geboten ist, systematisch getrennt werden. Meist wird es aber in Fällen, in denen es erlaubt ist, auch geboten sein. Wenn Verkehrsteilnehmer durch ein Fahrzeug gefährdet werden und wenn die Gefahr durch ein Warnzeichen möglicherweise abgewendet werden kann, ist der Führer dieses Fahrzeugs nicht nur berechtigt, sondern nach § 1 Abs. 2 verpflichtet, ein Warnzeichen zu geben; (s. unten R N r . 7 f). g
2. Wann sind Warnzeichen unzulässig? Zu anderen als den in Abs. 1 des § 16 genannten Zwecken sind Warnzeichen unzulässig. Es ist z. B . verboten, im Hause befindliche Personen von der Ankunft des Kraftfahrzeugs durch Hupzeichen in Kenntnis zu setzen, den Führer eines den Weg versperrenden Fahrzeugs oder einen Verkehrspolizisten durch ein Schallzeichen auf sich aufmerksam zu machen oder seinen Unwillen über die Fahrweise eines anderen durch Hupen zum Ausdruck zu bringen. In § 12 Abs. 1 S. 2 S t V O 1937 war nodi näher ausgeführt, daß es verboten sei, Warnzeichen zu anderen Zwecken (als zur Warnung), insbes. zum Zwecke des eigenen rücksichtslosen Fahrens zu geben. Daran hat sich nichts geändert. So einfach und klar der Grundsatz des § 16 Abs. 1 scheint, so ist die Frage doch komplexer Art. Die Feststellung, daß der Warner sich oder einen anderen gefährdet sah, genügt nämlich nicht, um die Frage der Zulässigkeit des Warnzeichens abschließend zu entscheiden. Es muß vielmehr noch weiter geprüft werden, ob das Zeichen geeignet war, der Gefährdung zu begegnen. Ist dies nicht der Fall, dann tritt auch hier der Grundgedanke des § 1 Abs. 2 in den Vordergrund. Niemand darf von einer Befugnis Gebrauch machen, wenn er dabei erkennbar einen anderen gefährdet oder auch nur vermeidbar belästigt. Durch Schall- und Leuchtzeichen können andere Verkehrsteilnehmer in verschiedener Weise gefährdet oder wenigstens belästigt werden: Übertriebene Schallzeichen sind als unnötiger Lärm verwerflich. Durch scharfe Hupsignale auf nahe Entfernung können andere Verkehrsteilnehmer, vor allem alte Leute unter Umst. erschreckt und zu falschen Reaktionen getrieben werden 2 ). Bevor Hupzeichen gegeben werden, muß deshalb geprüft werden, ob solche unerwünschte Folgen zu erwarten sind. Das hängt hauptsächlich von der Entfernung ab, auf die gewarnt wird. Auch Leuchtzeichen, obwohl im ganzen weniger gefährlich, können unerwünschte Folgen haben, vor allem die Blendung Entgegenkommender. Diese Blendung muß vermieden werden. In § 5 Abs. 5 S. 2 wird darauf ausdrücklich hingewiesen. D e r Satz, daß Warnzeichen geben darf, wer sich oder andere gefährdet sieht, muß also l
) BGH(Z) 30. 1. 62, VRS 22, 425; vgl. audi BGH 3. 11. 55, VerkMitt. 56, 10; 19. 1. 56, VerkMitt. 56, 13.
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Wann sind Warnzeichen unzulässig, wann geboten?
StVO
§ 16
erheblich eingeschränkt werden: N u r wenn Warnzeichen sinnvoll sind und durch sie niemand gefährdet werden kann, darf von dem in § 16 Abs. 1 eingeräumten Redit Gebrauch gemacht werden. Früher war auch noch ausdrücklich verboten, Warnzeichen mehr als notwendig zu geben. Audi dieses Verbot wird man dem § 1 Abs. 2 entnehmen können. Ubertrieben lange oder häufige Hupzeichen sind mindestens eine vermeidbare Belästigung der übrigen Verkehrsteilnehmer. Nach § 12 Abs. 2 StVO 1937 war die Abgabe von Warnzeichen einzustellen, wenn Tiere dadurdi „unruhig werden". Wenn auch vor allem Zugtiere im Straßenverkehr seltener werden, so kommen doch nodi immer Tiere im Straßenverkehr vor. Audi heute muß der Kraftfahrer nach § 1 Abs. 2 darauf achten, daß er z. B. Pferde durch scharfe Hupzeidien nicht zum Scheuen bringt. Die frühere Vorschrift wurde so ausgelegt, daß Warnzeichen von vornherein zu unterlassen wären, wenn die Tiere schon unruhig sind oder damit zu redinen ist, daß sie unruhig werden. Deshalb waren Warnzeichen beim Überholen von Pferden u. Umst. zu unterlassen 3 ). Das gilt audi heute noch. Als „Tiere" im Sinne der früheren Vorschrift galten nur solche, bei denen man von „Unruhigwerden" sprechen kann, also Haustiere und zur Landwirtschaft gehöriges Vieh, nicht aber Wild, das gerade durch Hupzeichen von der Fahrbahn vertrieben werden soll. Daran hat sich nichts geändert. 3. Wann sind Schall- oder Leuchtzeichen geboten? Allgemeines
f
Die in der neuen Formulierung allein beantwortete Frage, wann Warnzeichen zulässig sind, hängt eng mit der anderen Frage zusammen, wann sie durch § 1 Abs. 2 geboten sind. In allen Fällen, in denen von einem Fahrzeug eine Gefahr ausgeht, die durch ein Warnzeichen behoben oder wenigstens gemindert werden kann, ist der Fahrzeugführer verpflichtet, sich des Warnzeichens zu bedienen. Ebenso wie f ü r die Frage der Zulässigkeir der Warnzeichen ist auch f ü r die Frage der Pflicht zu Warnzeichen von Bedeutung, ob eine Gefahrenlage gegeben ist und ob ein Warnzeichen Erfolg verspricht. Die Zulässigkeit der Verwendung kurzer Schall- oder Leuchtzeichen zur Ankündigung der Überholung nach § 5 Abs. 5 ist nicht von einer Gefährdung des Überholten abhängig. Kann der Uberholer mit einem ungestörten Ablauf des Uberholvorganges rechnen, dann darf er zwar trotzdem nach § 5 Abs. 5 die Überholung ankündigen, er ist aber nicht verpflichtet (nach § 1 Abs. 2), ein Warnzeichen zu geben 4 ). Wird während einer Überholung ein anderer Verkehrsteilnehmer (sei es der Überholte oder ein Entgegenkommender oder ein am Fahrbahnrand gehender Fußgänger etc.) gefährdet, dann gelten die Regeln des § 16 mit § 1 Abs. 2 5 ). Das ist deshalb von Bedeutung, weil diese Regeln innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften gelten. Zu Warnzwecken darf deshalb während einer Überholung auch innerhalb von Ortschaften mit Schall- und Leuchtzeichen gewarnt werden, während die bloße Ankündigung einer Überholung dort verboten ist. Da die Regeln über die Warnpflicht nach der neuen StVO die gleichen sind wie früher, mögen sie jetzt auch dem § 1 Abs. 2 zu entnehmen sein, kann die frühere Rechtsprechung mit zur Auslegung des § 16 Abs. 1 herangezogen werden. Mißlich ist bei der Neuregelung allerdings, daß nur bei einer konkreten Gefährdung im Sinne des § 1 Abs. 2 in der Unterlassung eines gebotenen Warnzeichens eine Ordnungswidrigkeit liegt, während, wie sich im einzelnen aus dem folgenden ergibt, in gewissen Grenzfällen schon bei einer erheblichen abstrakten Gefahr Warnzeichen erlaubt und auch geboten sind. ' ) R G 28. 3. 29, D A R 29, 219; 19. 2. 38, V A E 38, 158. ) BGH(Z) 9. 2. 61, VRS 20, 405. BayObLG 16. 6. 61, 1 St 123/1961. 3 2 ) BayObLG 22. 8. 62, 1 St 376/1962. Oldenburg 28. 1. 58, VRS 15, 353. S 4 ) BGH 3. 11. 55, VerkMitt. 56, 10. ' 5 ) BGHSt. 13, 176 (27. 5. 59) = DAR 59, 248.
§ 16 13
D'e
Möhl
StVO
Warnpflicht
im Rahmen
der allgemeinen
Sorgjaltspflicht
Die Abgabe von Warnzeichen befreit nicht von der gebotenen Sorgfalt. Dieser Grundsatz ergibt sich aus § 1. Soll ein Verkehrsteilnehmer durch das Zeichen veranlaßt werden, sich aus der Fahrbahn des Warners zu entfernen oder in diese Fahrbahn nicht einzutreten, dann kann sich der Warner auf die Wirkung seines Warnzeichens in der Regel nur verlassen, wenn er sicher sein kann, daß sein Warnzeichen zur Kenntnis genommen wurde. Sonst muß der Führer damit redinen, daß sein Warnzeichen überhört bzw. nicht gesehen w u r d e " ) . Es besteht kein Erfahrungssatz, daß ein die Fahrbahn überquerender Fußgänger auf das Hupzeichen eines herrannahenden Kraftfahrzeugs stehenbleibt oder zurückweicht 37 ). Neben der Warnpflicht kann die Pflicht bestehen, die Geschwindigkeit herabzusetzen, auszuweichen, in besonderen Fällen einen Warnposten aufzustellen. Das gleichzeitige Hupen, Bremsen und Ausweichen verlangt zwar Geistesgegenwart. Von einem geistesgegenwärtigen Kraftfahrzeugführer können aber im Augenblick der Gefahr diese Maßnahmen, automatisch miteinander verbunden, erwartet werden®8). Bestehen solche Pflichten, dann wird der Fahrzeugführer von ihnen nicht durch die Abgabe eines Warnzeichens befreit. Das gilt besonders dann, wenn der Gewarnte selbst nichts zur Abwendung der drohenden Gefahr tun kann. Die bloße Abgabe eines Hupzeichens genügt nicht, um von dem Vorausfahrenden eine bestimmte Fahrweise erwarten zu dürfen 3 9 ). Beginnt ein Fußgänger die Fahrbahn blindlings zu überschreiten, dann darf sich der Führer eines herannahenden Kraftfahrzeugs nicht mit der Abgabe von Warnzeichen begnügen, sondern muß seine Fahrt so einrichten, daß er noch vor dem Fußgänger anhalten kann, falls dieser auf die Warnzeichen nicht oder falsch reagiert 4 0 ). Andernteils begründet nicht jede Verkehrslage, die Warnzeichen erfordert, gleichzeitig die Pflicht, die Geschwindigkeit herabzusetzen. Das muß erst recht dann gelten, wenn die vom unbemerkt nahenden Fahrzeug drohende Gefahr als durch Warnzeichen ausgeschaltet angesehen werden darf 4 1 ). 4. Wie ist zu warnen? 14
Mit welchen
Warnzeichen?
Zu unterscheiden ist nach § 16 Abs. 1 die Ankündigung der Überholung (Nr. 1) und das Warnen bei Gefahr (Nr. 2). Die Ankündigung der Überholung ist innerhalb geschlossener Ortschaften nicht zulässig (§ 5 Abs. 5); außerhalb geschlossener Ortschaften sind kurze Schall- oder Leuchtzeichen zu geben, wobei mit Fernlicht nur geblinkt werden darf, wenn entgegenkommende Fahrzeugführer nicht geblendet werden. Warnzeichen durch Schall- und Leuchtzeichen dürfen auch innerhalb geschlossener Ortschaften gegeben werden. Auch sind Leuchtzeichen im Gegensatz zu früher (§ 12 Abs. 3 S t V O 1937) nicht nur bei Dunkelheit, sondern auch am hellen Tage erlaubt 4 1 ). D e r Warner darf die A r t des Zeichens wählen, wobei er allerdings dessen Wirksamkeit berücksichtigen muß. Deshalb werden bei Tag im allgemeinen die Schallzeichen zur Warnung geeigneter sein als die Leuchtzeichen. Doch gibt es Fälle, in denen auch bei Tage Leuchtzeichen mehr Erfolg versprechen, so wenn ein entgegenkommender Überholer gewarnt werden soll, der noch so weit entfernt ist, daß ihn Schallzeichen nicht erreichen. Bei der Wahl des Warnmittels muß der Warner auch bedenken, wie er seinen Zweck mit möglichst geringer Belästigung anderer erreichen kann. Auch das kann für Leuchtzeichen sprechen. Wie Schallzeichen für Kraftfahrzeuge beschaffen sein müssen, ergibt sich aus § 55 S t V Z O , für Fahrräder und Schlitten aus § 64 a S t V Z O . Nach § 16 Abs. 3 dürfen Schallzeichen nicht aus einer Folge verschieden hoher T ö n e bestehen. Solche Warnvorrichtungen ) «) M) 3») 40) M
502
BGH 18. 10. 51, DAR 52, 10. BGH 14. 8. 64, VRS 27, 346. BGH 2. 11. 65, VerkMitt. 66, 35. BayObLG 11. 11. 59, 1 St 421/1959. Hamm 8. 9. 61, VRS 23, 35.
) BayObLGSt. 54, 20 (16. 3. 54) = VkBl. 54, 419 = VRS 6, 394; Braunschweig 3. 12. 65, VRS 30, 447. « ) Vgl. zur früh. Rechtslage: Hamburg 6. 5. 64, NJW 64, 1431 = VerkMitt. 64, 54 = VRS 27, 473.
41
Welche Warnzeichen? Warnblinklicht
StVO
§ 16
sind nach § 55 Abs. 4 StVZO den Fahrzeugen vorbehalten, die auf Grund des § 52 Abs. 3 Kennleuchten führen, also z. B. Kraftfahrzeuge, die dem Vollzugsdienst der Polizei dienen. Für sonstige Fahrzeuge, z. B. Pferdefuhrwerke gibt es keine besonderen Vorschriften. Die Führer solcher Fahrzeuge dürfen sich durch beliebige Schallzeichen, z. B. durch Peitschenknallen bemerkbar machen. Soweit die StVZO bestimmte Einrichtungen vorschreibt, dürfen aber andere Signaleinrichtungen am Fahrzeug nicht angebracht werden. Für die „Lichthupe", d. h. f ü r das kurze Einschalten des Fernlichts zu Warnzwecken gibt es keine Ausrüstungsvorschrift: (vgl. aber II § 49 a R N r . 14 in Bd. 1). Wie sind Warnzeichen anzuwenden? Die Art der Anwendung wird einesteils durch den Zweck der Warnzeichen, andernteils von der notwendigen Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer bestimmt. Es muß möglichst frühzeitig gewarnt werden, die Schall- und Leuchtzeichen müssen möglichst kurz gegeben werden. In § 12 StVO 1937 war noch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß es verboten ist, Warnzeichen mehr als notwendig zu geben und durch Aufblenden der Scheinwerfer zu warnen, wenn dadurch andere Verkehrsteilnehmer geblendet werden können. Diese Einschränkungen gelten auch heute noch, sie sind dem § 1 Abs. 2 zu entnehmen.
15
II. Das Warnblinklicht (Abs. 2)
16
Nach § 53 a Abs. 4 sind mehrspurige Fahrzeuge, die mit Fahrtrichtungsanzeiger ausgerüstet sein müssen, mit einer Warnblinkanlage zu versehen. Das sind nach § 54 Abs. 1 alle Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger (mit Ausnahme der in § 54 Abs. 5 genannten). Warnblinklicht muß nach § 15 sofort eingeschaltet werden, wenn ein mehrspuriges Fahrzeug an einer Stelle liegenbleibt, an der es nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden kann; (s. § 15 R N r . 5). Außer diesem Fall nennt § 16 Abs. 2 noch zwei Fälle, in denen es eingeschaltet werden darf, wobei wie bei Abs. 1 offenbleibt, ob es eingeschaltet werden muß. Das Warnblinklicht ist ein sehr wirksames Warnmittel und muß deshalb auf die Fälle erheblicher Gefahr beschränkt werden, damit es nicht durch häufigen Gebrauch seine besondere Wirkung einbüßt; (vgl. die Vwv zu Abs. 2 Nr. 1 und die amtliche Begründung zu Abs. 2 — oben R N r . 4). Der Umstand, daß in § 15 die Einschaltung bei liegengebliebenen Fahrzeugen vorgeschrieben ist, während sie in § 16 nur zugelassen wird, und sich ein Gebot zu ihrem Gebrauch bei haltenden Fahrzeugen nur aus 5 1 Abs. 2 herleiten läßt, f ü h r t zu dem eigenartigen Ergebnis, daß bei gleicher Gefährlichkeit der Führer eines liegengebliebenen Fahrzeugs, der pflichtwidrig die Einschaltung des Warnblinklichts unterläßt, ordnungswidrig handelt, auch wenn niemand gefährdet wird, der Haltende aber nur bei konkreter Gefährdung eines anderen. Zu beachten ist, daß in Abs. 2 auf die objektive Gefährdung abgestellt wird, während in Abs. 1 die subiektive Vorstellung des Warners den Ausschlag gibt (s. oben R N r . 5). Wer Warnblinklicht einschaltet, weil er irrigerweise annimmt, daß ein anderer durch sein Fahrzeug gefährdet wird, macht sich einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 16 Abs. 2 schuldig, wenn er bei genügender Aufmerksamkeit seinen Irrtum erkennen konnte, während im gleichen Fall das unnötige Geben von Schall- und Leuchtzeichen nur dann ordnungswidrig ist, wenn es eine konkrete Gefährdung oder eine Belästigung anderer bewirkt. Zu begrüßen ist, daß nach Abs. 2 N r . 2 der Führer eines Schulbusses, solange Kinder ein- oder aussteigen, Warnblinklicht einschalten darf. Man sollte die Zeit, in der in diesem Fall das Warnblinklicht leuchten darf, nicht zu eng bemessen, da gerade unmittelbar nach dem Aussteigen von Kindern aus einem Schulbus in dessen Nähe mit Kindern zu rechnen ist, die durch den Schulbus verdeckt werden. Man sollte deshalb die Vorschrift so auslegen, daß das Warnblinklicht erst abzuschalten ist, wenn die ausgestiegenen Kinder in Sicherheit sind. Auch wäre hier ein Gebot der bloßen Erlaubnis vorzuziehen gewesen. Man wird dem Führer eines Schulbusses (mindestens im Zivilprozeß) zur Last legen, daß er nicht alles getan habe, was zur Abwendung einer Gefährdung der Kinder erforderlich und möglich war, wenn er das Warnblinklicht nicht einschaltete. Der übrige Verkehrs ist ver503
§§16,17
Möhl
StVO
pflichtet, beim Vorbeifahren an einem Schulbus (auffällige Kennzeichnung s. VkBl. 69, 743), an dem die Warnblinkanlage in Gang ist, besondere Vorsicht walten zu lassen. Die normalerweise bei der Vorbeifahrt an haltenden Linienomnibussen gebotene Sorgfalt (vgl. § 1 R N r . 69) reicht nicht aus. Auch bei Einhaltung eines angemessenen Abstandes (2 m) darf auf alle Fälle nur mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren werden.
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die Abgabe v o n Warnzeichen nadi § 16 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 16 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Da § 16 nur Verbote enthält, kann gegen ihn nur dadurch verstoßen werden, daß Schall- und Leuchtzeichen gegeben werden oder die Warnblinkanlage eingeschaltet wird, obwohl es § 16 nicht gestattet. Wer es dagegen unterläßt, Warnzeichen zu geben, obwohl es geboten ist, verstößt gegen § 1 Abs. 2. Das hat zur Folge, daß er nur dann ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG handelt, wenn durch die unterlassene Warnung ein anderer gefährdet wird. Auch wer sich nicht auf die notwendigen Warnzeichen beschränkt, also zu o f t und zu lange hupt oder blinkt, kann nur belangt werden, wenn durch sein verkehrswidriges Verhalten andere gefährdet oder belästigt werden. Wer ein Mehrklanghorn benutzt, verstößt gegen § 16 Abs. 3. Die Ausrüsturgsvorschrift des § 55 Abs. 3 StVZO tritt gegenüber der Betriebsvorschrift des § 16 Abs. 3 zurück, mag diese auch nur den Zweck verfolgen, auch Ausländer im internationalen Verkehr an das Verbot zu binden; (s. amtliche Begründung zu Abs. 3, oben RNr. 4). Wer die Vorschriften über die Ankündigung der Überholung verletzt, handelt ordnungswidrig nach § 5.
§ 17 Beleuchtung (1) Während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, sind die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen zu benutzen. Die Beleuchtungseinrichtungen dürfen nicht verdeckt oder verschmutzt sein. (2) Mit Begrenzungsleuchten (Standlicht) allein darf nicht gefahren werden. Auf Straßen mit durchgehender, ausreichender Beleuchtung darf auch nicht mit Fernlicht gefahren werden. Es ist rechtzeitig abzublenden, wenn ein Fahrzeug entgegenkommt oder mit geringem Abstand vorausfährt oder wenn es sonst die Sicherheit des Verkehrs auf oder neben der Straße erfordert. Wenn nötig, ist entsprechend langsamer zu fahren. (3) Behindert Nebel, Schneefall oder Regen die Sicht erheblich, dann ist auch am Tage mit Abblendlicht (Fahrlicht) zu fahren. Nur bei solcher Witterung dürfen Nebelscheinwerfer eingeschaltet sein. Bei zwei Nebelscheinwerfern genügt statt des Abblendlichts die zusätzliche Benutzung der Begrenzungsleuchten. An Krafträdern ohne Beiwagen braucht nur der Nebelscheinwerfer benutzt zu werden. Nebelschlußleuchten dürfen nur außerhalb geschlossener Ortschaften benutzt werden und nur dann, wenn durch Nebel die Sichtweite weniger als 50 m beträgt. (4) Haltende Fahrzeuge sind außerhalb geschlossener Ortschaften mit eigener Lichtquelle zu beleuchten. Innerhalb geschlossener Ortschaften genügt es, nur die der Fahrbahn zugewandte Fahrzeugseite durch Parkleuchten oder auf andere zugelassene Weise kenntlich zu machen; eigene Beleuchtung ist entbehrlich, wenn die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar macht. Unbeleuchtete Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder, Handfahrzeuge und unbespannte Furhwerke dürfen auf der Fahrbahn nicht stehen gelassen werden. 504
StVO
Beleuchtung
§ 17
(5) Führen Fußgänger einachsige Zug- oder Arbeitsmaschinen an Holmen oder Handfahrzeuge mit, so ist mindestens eine nach vorn und hinten gut sichtbare, nicht blendende Leuchte mit weißem Licht auf der linken Seite anzubringen oder zu tragen. (6) Suchscheinwerfer dürfen nur kurz und nicht zum Beleuchten der Fahrbahn benutzt werden. Vwv zu § 17: Zu Absatz 1: Es ist zu beanstanden, wenn ein Fuhrmann oder der, weldaer sein Fahrzeug sdiiebt, Beleuditungseinriditungen durdi seinen Körper verdeckt; zu den Beleuchtungseinriditungen zählen auch die Rückstrahler (§ 49 a StVZO). Zu Absatz 2: I. Es ist darauf hinzuwirken, daß der Abblendpflidit auch gegenüber Radfahrern auf Radwegen sowie bei der Begegnung mit Schienenfahrzeugen und gegenüber dem Schiffsverkehr, falls die Führer dieser Fahrzeuge geblendet werden können, genügt wird. Einzelner entgegenkommender Fußgänger wegen muß dann abgeblendet werden, wenn sie sonst gefährdet wären (§ 1 Abs. 2). II. Nicht nur die rechtzeitige Erfüllung der Abblendpflicht und die daraus folgende Pflicht zur Mäßigung der Fahrgeschwindigkeit sind streng zu überwachen, vielmehr ist auch darauf zu achten, daß nicht 1. Standlicht vorschriftswidrig verwendet wird, 2. Blendwirkung trotz Abblendens bestehen bleibt, 3. die vordere Beleuchtung ungleichmäßig ist, 4. Nebelscheinwerfer, Nebelschlußleuchten oder andere zusätzliche Scheinwerfer oder Leuchten vorschriftswidrig verwendet werden. Übersicht A. Allgemeines 1. Amtliche Begründung 2. Vergleich der neuen mit der alten Vorschrift 3. Überblick über die Beleuchtungsvorschriften
RNr. 1-3 1
B. Inhalt der Vorschrift 4-23 I. Beleuchtungspflicht (Abs. 1-5) 4-22 1. Wann ist zu beleuchten? (Abs. 1 S. 1) 4-7 Allgemeines (4), Dämmerung (5), Dunkelheit (6), sonstige Sichtverhältnisse (7) 2. Zustand der Beleuchtungseinrichtungen (Abs. 1 S. 2) 3. Welche Beleuchtungseinrichtungen? (Abs. 2 S. 1, 2) 9-12 Standlicht (9), Fernlicht (10), Abblendlicht (11), sonstige Beleuchtungsmittel (12)
„, , 1. Amtliche Begründung
RNr. 4. Pflicht zum Abblenden (Abs. 2 S. 3, 4) 13-15 Schutz Entgegenkommender (13), Vorausfahrender (14), Sicherheit des Verkehrs auf und neben der Straße (15) 5. Beleuchtung bei Nebel — Schneefall — Regen (Abs. 3) 16-18 Allgemeines (16), Nebelscheinwerfer (17), Nebelschlußleuchten (18) 6. Haltende Fahrzeuge (Abs. 4) 19-21 Außerhalb geschlossener Ortschaften (19), innerhalb (20), unbeleuchtete Kleinkrafträder etc. (21) 7. Beleuchtung von Handfahrzeugen (Abs. 5) 22 II. Suchscheinwerfer (Abs. 6) 23 C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
24
A. Allgemeines
Zu Absatz 1: Der Absatz wendet sich an den fließenden wie an den ruhenden Verkehr und an alle Arten von Verkehrsteilnehmern, denen Beleuchtungseinriditungen vorgeschrieben sind. Welche Beleuchtungseinriditungen das sind, erfahren die Kraftfahrer, Radfahrer und Fuhrleute aus der StVZO, die Führer geschlossener Verbände aus § 27 und die Viehtreiber aus § 28. Wenn die Verordnung an der bisherigen Formel der StVO (alt) (z. B. § 23 Abs. 1) »vom Hereinbrechen der Dunkelheit* nicht festhält und statt dessen .während der Dämmerung, bei Dunkelheit..
505
§ 17
StVO
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sagt, so soll damit nur deutlich gemacht werden, für welche Zeiten die Beleuchtung vorgeschrieben ist. Da die Dunkelheit in unseren Breitengraden nicht hereinbricht, sondern allmählich eintritt und weicht, erscheint eine solche Klarstellung als notwendig. Eine Rechtsänderung ist damit nicht beabsichtigt. In Anlehnung an die Weltregeln wird die Vorschrift der Beleuchtung bei Tage („wenn die Witterung es erfordert" § 23 Abs. 1 alt) sachgerecht erweitert. Nicht nur die Witterung kann das erfordern, sondern auch sonstige Beeinträchtigung der Sicht, so z. B. örtliche Gegebenheiten, wie ein unbeleuchteter Tunnel. Zu Absatz 2: Der erste Satz verlangt von den Kraftfahrern außerhalb wie innerhalb geschlossener Ortschaften unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 beim Fahren stets die Benutzung mindestens des Abblendlichts. Zunächst konnte das nicht verlangt werden, weil die CEMT-Regeln entgegenstanden. Die Verkehrsübung war in den europäischen Ländern so verschieden, daß es in einigen Ländern freigestellt wurde, ob man während der Dämmerung oder auf beleuchteten Straßen mit Abblendlicht oder nur mit Standlicht fährt. Gerade das aber ist unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit fast unerträglich. Fährt ein Kraftfahrzeug mit Abblendlicht und ein anderes in der Nähe mit Standlicht, so besteht die Gefahr, daß das letztere von anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere von querenden Fußgängern, gar nicht wahrgenommen wird. Ein solches Verkehrsbild verleitet auch zu Fehlschätzungen über die Fahrgeschwindigkeit der verschieden beleuchteten Fahrzeuge. Nun eröffnet die Weltkonvention die Möglichkeit, auf nationaler Ebene zu entscheiden, ob innerhalb geschlossener Ortschaften allgemein Standlicht oder Abblendlicht vorgeschrieben wird. Die Verordnung verlangt das aus Sidierheitsgründen vorzuziehende Abblendlicht. Die folgenden Sätze bringen Weltregeln und bedürfen keiner Begründung. Der letzte Satz enthält den mahnenden Hinweis auf das Gebot des Fahrens auf Sicht. Zu Absatz 3: Auch dieser Absatz wendet sich nur an Kraftfahrer. Er bringt im wesentlichen das, was heute schon gilt. Das Weltabkommen erlaubt die Benutzung der Nebelscheinwerfer nicht bloß bei Nebel und Schneefall, sondern auch bei „starkem Regen". Da der Begriff „starker Nebel" in § 33 Abs. 4 StVO (alt) der Rechtsprechung Schwierigkeiten bereitet hat, wählt die Verordnung sachgerecht für alle drei Niederschlagsarten das praktikablere Kriterium der erheblichen Sichtbehinderung. Die Benutzungsvorschrift für Nebelschlußleuchten (zugelassen durch § 1 der 13. Ausnahmeverordnung zur StVZO) ist ähnlich motiviert wie die für Warnblinklicht (§ 16 Abs. 2). Bei der Nebelschlußleuchte kommen überzeugende Sicherheitsgründe hinzu. Ihre Lichtstärke liegt an der Blendstörgrenze. Sie darf deshalb nur außerhalb geschlossener Ortschaften und nur dann benutzt werden, wenn der Nebel so stark ist, daß der Führer eines in gebotenem Sicherheitsabstand hinterherfahrenden Fahrzeugs durch die Nebelschlußleuchte nicht belästigt wird. Deshalb wird die durch Nebel gezogene Grenze der Sichtweite auf 50 m festgesetzt. Zu Absatz 4: Der Schlußsatz mutet den Führern kleinerer Fahrzeuge das zu, was die Sicherheit verlangt, und übernimmt, soweit wie nötig, § 32 Abs. 2 (alt). Zu Absatz 5: Der Inhalt des Paragraphen 24 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 StVO (alt) über die Beleuchtung von Fuhrwerken wird in die StVZO verwiesen und in Ausrüstungsvorschriften umformuliert. Das ist deshalb gerechtfertigt, weil die Stellmacher und Wagner jedenfalls die Halterungen für die dort vorgeschriebenen Leuchten anbringen und heute schon fast regelmäßig fest angebrachte Leuchten mitliefern. Dabei wird auch darüber zu entscheiden sein, ob die Erleichterung für landwirtschaftliche Fahrzeuge (§ 24 Abs. 3 alt) beibehalten werden kann. Was der Absatz regelt, ist bereits geltendes Recht. Zu Absatz 6: Der Absatz bedarf keiner Begründung (vgl. § 33 Abs. 3 alt). 2
2. Vergleich der neuen mit der alten Vorschrift § 17 faßt einen Teil der früher in verschiedene Vorschriften (§ 23 S t V O 1937: Beleuchtung v o n Fahrzeugen, § 24: Leuchten und Rückstrahler für nicht maschinell angetriebene Fahrzeuge — aus g e n o m m e n Fahrräder — und ihre Anhänger, § 25: Beleuchtung v o n Fahrrädern, § 32: unbespannte Fuhrwerke, § 33: Vorschriften über die Benutzung der Beleuchtungseinrichtungen), aufgeschlüsselten Beleuchtungsvorschriften übersichtlich zusammen. Doch enthält auch die neue Vorschrift nicht alles über Beleuchtung; (vgl. unten R N r . 3). N e u ist das im Anschluß an die W e l t k o n v e n t i o n geschaffene V e r b o t des Fahrens m i t Standlicht und der Benutzung des Fernlichts bei durchgehender, ausreichender Straßenbeleuchtung. N e u ist auch das ausdrückliche Gebot, rechtzeitig abzublenden, w e n n ein
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Vergleich mit früherer Regelung; Uberblick
StVO
§ 17
Fahrzeug in geringem Abstand vorausfährt. Dieses Gebot wurde bisher teils dem § 33, teils dem § 1 entnommen, doch war die Rechtsprechung schwankend. Innerhalb geschlossener Ortschaften genügt es nach der neuen Vorsdirift, beim Parken nur die der Fahrbahn zugewandte Fahrzeugseite durch Warnleuchten oder auf andere Weise kenntlich zu machen. Eine Änderung der Bestimmungen über den Beginn der Beleuchtungspflicht ist nadi der amtlichen Begründung nicht beabsichtigt. Doch wird der Deutlichkeit halber nunmehr auf die Dämmerung abgestellt, während früher das „Hereinbrechen der Dunkelheit" den Beginn der Beleuditungspflidit bezeichnete. Wenn auch die von der früheren Rechtsprechung angenommene Zeit „Hereinbrechen der Dunkelheit" weitgehend mit dem Begriff der „Dämmerung" übereinstimmt, paßt sidi der neue Begriff doch den klimatisch und örtlich bedingten Verschiedenheiten besser an. (Zum Begriff der Dämmerung s. unten R N r . 4). 3. Überblick über die Beleuditungsvorschriften Außer in § 17 finden sich in der StVO Beleuchtungsvorschriften im weiteren Sinne an folgenden Stellen: Leuchtzeichen zur Ankündigung der Überholung Zusätzliche Beleuchtungsmittel bei liegengebliebenen Fahrzeugen Leuditzeidien als Warnzeichen und Warnblinklicht Scheinwerfer wartender Fahrzeuge an Bahnübergängen Kenntlichmachung überragender Ladung Mitführen vorgeschriebener Beleuditungseinrichtungen Beleuchtung von Verbänden Treiben von Vieh und Führen von Tieren Kenntlichmachung von Verkehrshindernissen Blaues und gelbes Blinklicht
— — — — — — — — — —
§ 5 § 15 § 16 § 19 § 22 § 23 §27 § 28 §32 § 38
Abs. 5
Abs. Abs. Abs. Abs. Abs. Abs.
7 5 1 4 2 1
Die StVZO enthält die Ausriistungsvorschriften, die sich teilweise mit den Betriebsvorschriften der StVO überschneiden. Sie finden sich an folgenden Stellen: Allgemeine Grundsätze über Beleuchtungseinrichtungen — § 49a StVZO Vorgeschriebene Beleuchtungseinrichtungen für Kraftfahrzeuge — SS 50 — 53, 67a Abs. 4 StVZO Warnleuchten, Warnblinkanlage — § 53a StVZO Kenntlichmachung von „Anbaugeräten" — § 53b StVZO Fahrräder - § 67 StVZO Beleuchtung anderer Fahrzeuge — § 6 6 1 StVZO Zu beachten ist, daß nach § 49a Abs. 1 S. 1 auch die Rückstrahler als „Beleuchtungseinrichtungen" gelten. Die Einzelvorschriften über die Beleuchtungspflicht überschneiden sidi vielfach mit der Grundregel des § 1 Abs. 2 ; vgl. hierzu § 1 R N r . 86 (Beleuditungsvorschriften und allgemeine Sorgfaltspflicht), R N r . 87 (Abblenden beim Überholen), R N r . 88 (wechselnde Beleuchtung und Sehfähigkeit), R N r . 89 (Vertrauen auf richtige Beleuchtung). B. Inhalt der Vorschrift r» I. Beleuditungspflidit (Abs. 1—5) 1. Wann ist zu beleuchten? (Abs. 1 S. 1) Allgemeines Die Beleuchtung der im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeuge ist aus einem doppelten Grund erforderlich: Das Fahrzeug muß von anderen gesehen werden und der Fahrer muß die Fahrbahn überblicken können. Beim ruhenden Verkehr kommt nur der erste Grund in Frage. Die Beleuchtungsvorschriften des Abs. 1 gelten nicht nur für den fließen-
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§ 17
StVO
Möhl
den Verkehr, sondern auch, allerdings mit den Abweichungen nach Abs. 3, für den ruhenden. Nadi dem Sinn und Zweck der Vorschrift besteht die Beleuditungspflidit überall da, wo mit fließendem Verkehr zu rechnen ist, deshalb auch auf Autobahnparkplätzen, wenn der Parkplatz die Form eines von der Autobahn abzweigenden und dann wieder in sie einmündenden Weges hat, deren Ränder zum Abstellen von Fahrzeugen bestimmt sind 1 ). Dagegen braudien Fahrzeuge, die auf geschlossenen Parkplätzen oder in Parkhäusern geparkt werden, nicht beleuchtet zu werden 2 ). Wer bei Dunkelheit auf dem Gehweg parkt, gefährdet zwar nicht den fließenden Verkehr, wohl aber u. Umst. Fußgänger. Man wird von ihm verlangen können, daß er sein Fahrzeug beleuchtet. Audi wer sein Fahrzeug auf dem Verbindungsweg von Anschlußstellen der Autobahn abstellt, hat es bei Dunkelheit zu beleuchten®). O b das Parken an der gewählten Stelle erlaubt ist, spielt für die Beleuditungspflidit keine Rolle 4 ). Das früher in § 23 Abs. 2 S t V O 1937 enthaltene Gebot, haltende Fahrzeuge mit zusätzlichen Warnleuchten abzusichern 5 ), besteht nicht mehr; (vgl. § 15 R N r . 2). Dagegen kann sich aus § 1 Abs. 2 auch nach dem geltenden Recht die Pflicht ergeben, in besonderer Verkehrslage zusätzliche Warnleuditen anzubringen. Das wurde früher z. B. in einem Fall angenommne, in dem der Fahrer eines Traktors mit zwei Anhängern bei N a d i t in eine Landstraße einbog 6 ). Für die Beleuchtung des Fahrzeugs ist dessen Führer verantwortlich. Der Halter kann mitverantwortlich sein, wenn er Fahrzeuginsasse ist. Auch Personen, die nidit Führer oder Halter eines Fahrzeugs sind, können mitverantwortlich sein, wenn sie auf die Durchführung der Fahrt bestimmenden Einfluß haben. Die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des Führers schließen die Verantwortlichkeit anderer nach den allgemeinen Bestimmungen des O W i G über die Beteiligung (§ 9 O W i G ) nidit aus 7 ). So ist der von einer Baufirma mit der Führung und Beaufsichtigung einer Straßenbaukolonne beauftragte Sdiachtmeister dafür mitverantwortlich, daß der von ihm geführte Bauzug (Straßenwalze, Wohnwagen, Teerkodier, Straßenbesen) vorschriftsmäßig beleuchtet wird, wenn er sich im öffentlichen Verkehr bewegt 8 ). D e r Beifahrer hat als solcher keine Beleuditungspflidit. Obernimmt er aber den Auftrag des verantwortlichen Fahrzeugführers, die Sidierheitsmaßnahmne vorzunehmen, dann tritt er in eine Garantenstellung ein, die ihm die gleiche Pflicht auferlegt wie dem Führer der § 17 Abs. I 6 ) . § 17 Abs. 1 schreibt die Benutzung der vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen vor, „Während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern." Es hätte genügt, sich auf den dritten Fall zu beschränken, der die beiden ersten einschließt, doch k o m m t die konkrete Aufführung der wichtigsten Fälle dem Verständnis des Lesers entgegen. Dämmerung Wann die Dämmerung beginnt, sagt das Gesetz so wenig wie früher, wann die D u n kelheit „hereinbricht". U m klare Begriffe zu schaffen, half man sich früher mit bestimmten Zeitspannen nach und vor Sonnenaufgang. In § 1 VükVerk, zugefügt am 28. 7. 26, wurde für das ganze Reichsgebiet bestimmt, daß in den Monaten April bis September in der Zeit von 1 Stunde nach Sonnenuntergang bis 1 Stunde vor Sonnenaufgang, im übrigen in der Zeit von Vi Stunde nadi Sonnenuntergang bzw. vor Sonnenaufgang die Beleuditungspflidit bestand. Eine solche Regelung hatte zwar den Vorteil, daß die im Einzelfall oft BayObLGSt. 61, 297 (13. 12. 61) = NJW 62, 407 = VerkMitt. 62, 10 = MDR 62, 236 = VkBl. 62, 130 = VRS 22, 382 = DRspr. II (293) 58 c; Hamburg 17. 8. 66, DAR 67, 196 = VerkMitt. 67, 15 = VRS 32, 121; vgl. aber Lütkes in MDR 63, 184. *) So auch Cramer StVO § 17 RNr. 11, Mühlham § 17 Anm. 2 a. s ) Hamm 5. 7. 63, VRS 26, 317.
) Düsseldorf 12. 9. 57, VRS 14, 376 = NJW 57, 1685 = DRspr. II (293) 27 a. ' ) Vgl. für die früh. Rechtslage z. B.: BGH 12. 5. 61, MDR 61, 784 = N J W 61, 1590 = DRspr. II (293) 52 d. ») Köln 23. 10. 62, DAR 63, 301. 7 ) Vgl. für die früh. Rechtslage: Braunschweig 18. 6. 55, VRS 10, 384. 8 ) Hamm 14. 4. 61, VRS 22, 72. •) BGH 5. 8. 59, VRS 17, 424. 4
Wann ist zu beleuchten? „Dämmerung"
StVO § 17
schwierige Feststellung der tatsächlichen Sichtverhältnisse entfiel, doch war die Lösung deshalb unbefriedigend, weil die Sichtverhältnisse eben nicht allein vom Z e i t p u n k t des Sonnenuntergangs u n d Sonnenaufgangs abhängen. Es gibt keine astronomische Dämmerung, sondern n u r eine metereologisch u n d örtlich bedingte 10 ). Die in jedem Einzelfall zu lösende Frage ist also, ob die Sichtverhältnisse durch den Untergang der Sonne im Zusammenhalt mit den meteorologischen u n d örtlichen Verhältnissen so stark beeinträchtigt sind, daß die Verkehrssicherheit durch ein unbeleuchtetes Fahrzeug beeinträchtigt würde. Das ist der Fall, wenn andere u n d zwar auch schnell fahrende Verkehrsteilnehmer infolge der Lichtverhältnisse die seitliche Begrenzung des Fahrzeugs und sein Ende nicht mehr deutlich erkennen können 1 1 ), u n d zwar auf eine Entfernung, auf die sie erkennbar sein müssen. Wird das Uberholen unzulässig, weil der Uberholer die Strecke, die er selbst zur Ü b e r holung benötigt, zuzüglich der während der gleichen Zeit von einem Entgegenkommenden durchfahrene Strecke wegen der dämmerungsbedingten Sichtbehinderung nicht mehr überblicken kann, dann sollen die Sichtverhältnisse bereits die Beleuchtung aller Fahrzeuge verlangen 12 ). Kann aber ein Pferd auf 150 m noch als ein bestimmtes Pferd e r k a n n t werden, dann ist die D ä m m e r u n g noch nicht so weit fortgeschritten, daß Beleuchtung erforderlich wäre 13 ). „Dämmerung" im Sinne des § 17 kann nicht gleichgesetzt werden m i t „Beginn der D ä m m e r u n g " . Das würde dem Sinn u n d Zweck der Vorschrift widersprechen. T r o t z einer Minderung des „Tageslichts" kann die Sicht noch gut sein. Allerdings sollte im Zweifel lieber zu f r ü h als zu spät beleuchtet werden. Wichtig ist vor allem, daß dann, wenn ein Teil der Fahrzeuge beleuchtet ist, auch alle übrigen beleuchtet sein sollten, weil ein unbeleuchtetes Fahrzeug u n t e r beleuchteten Fahrzeugen schwerer zu erkennen ist als unter unbeleuchteten. Allerdings darf in der Ubergangszeit, solange erkennbar ein Teil der Fahrzeuge beleuchtet wird, nicht darauf v e r t r a u t werden, daß sich dazwischen nicht auch unbeleuchtete befinden 1 4 ). Durch atmosphärische Einflüsse kann die durch den Untergang der Sonne verursachte Minderung des Lichtes und damit der Sichtverhältnisse erheblich beeinflußt werden. U n t e r besonderen Umständen kann sich sogar ein starkes A b e n d r o t wegen der damit verbundenen Kontrastwirkung auf die Sichtweite ungünstig auswirken u n d die Beleuchtung notwendig machen 15 ). „ D ä m m e r u n g " ist ein Rechtsbegriff. Die tatsächlichen Feststellungen einer Entscheidung müssen deshalb die N a c h p r ü f u n g ermöglichen, ob der Begriff richtig angewandt wurde. Dunkelheit Wenn schon bei D ä m m e r u n g beleuchtet werden muß, scheint es selbstverständlich, daß dies um so mehr bei Dunkelheit gilt. T r o t z d e m hat die ausdrückliche E r w ä h n u n g der D u n kelheit einen Sinn: Fahrzeuge, die sich auf öffentlichem Verkehrsgrund in Bewegung befinden, sind bei Dunkelheit immer zu beleuchten, auch wenn die Straße durch Straßenbeleuchtung erhellt ist oder wenn der Mond scheint. Sonstige
Sichtverhältnisse
Die Sichtverhältnisse k ö n n e n auch bei Tage infolge besonderer Umstände so schlecht werden, daß Beleuchtung erforderlich wird. Zu denken ist vor allem an metereologische Einflüsse. Soweit die Sicht durch Nebel, Schneefall oder Regen erheblich behindert wird, 10
) Vgl. dazu Maas, DAR 69, 29. » ) BayObLGSt. 53, 155 (25. 8. 53) = VRS 5, 637 = VkBl. 53, 597; BGH 22. 10. 55, VRS 9, 427; BGH(Z) 13. 1. 59, VersR 59, 613; Karlsruhe 13. 1. 56, VersR 56, 556; Neustadt 13. 4. 56, VerkMitt. 57, 6. " ) Hamm 30. 10. 64, VRS 28, 303 = VkBl. 65, 314; BayObLGSt. 62, 244 (24. 10. 62) = VRS 24, 72.
BGH(Z) 15. 11. 66, VersR 67, 178, 740 mit Anm. von Gaisbauer = DRspr. II (293) 80 d. u ) Hamm wie Fußn. 12; BayObLGSt. 62, 244 (24. 10. 62) = VRS 24, 72. «) Celle 18. 12. 57, VRS 15, 140 = DRspr. II (293) 34 f.
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sind zusätzlich die in Abs. 3 enthaltenen Verhaltensvorschriften zu beachten; (s. unten R N r . 16). Die Sicht kann auch durch die örtlichen Verhältnisse (Schlucht) oder die Gestaltung der Fahrbahn (Tunnel) erheblich beeinträchtigt werden. In allen diesen Fällen ist, gleichgültig, ob die Fahrbahn durch Lampen erleuchtet wird, die Fahrzeugbeleuchtung einzuschalten. Zu beachten ist, daß beim Abstellen eines Fahrzeugs u. Umst. auch in Betracht zu ziehen ist, daß sich die Sichtverhältnisse während der Dauer des Abstellens erheblich verschlechtern k ö n n e n " ) . 2. Zustand der Beleuditungseinriditungen (Abs. 1 S. 2) Das in Abs. 1 S. 2 enthaltene Gebot, die Beleuchtungseinrichtungen nicht zu verdecken und sauber zu halten, entspricht dem gleichlautenden Gebot in § 49a S t V Z O . Als Betriebsvorschrift ist sie mit Recht in die S t V O aufgenommen worden. Eine Pflicht zur Überprüfung der Beleuchtungseinrichtungen besteht bei A n t r i t t der Fahrt, u. Umst. auch unterwegs; (vgl. § 23 R N r . 1 2 , 1 8 ) . Die Vwv zu Abs. 1 weist ausdrücklich darauf hin, daß es zu beanstanden ist, wenn ein Fuhrmann oder der, welcher sein Fahrzeug schiebt, die Beleuchtungseinrichtungen durch seinen Körper verdeckt. 3. Welche Beleuchtungseinrichtungen? (Abs. 2 S. 1 u. 2) Standlicht Die S t V O unterscheidet dreierlei Beleuchtungstypen: Standlicht, Fernlicht und Abblendlicht. (Der auf Wunsch des Verkehrsausschusses des Bundestags in Klammern zu Abblendlicht hinzugefügte Begriff „Fahrlicht" ist ungebräuchlich und irreführend, weil auch mit Fernlicht gefahren werden darf, während ein Zweifel über den Begriff »Abblendlicht" nicht möglich ist). U n t e r „Standlicht" versteht man die Beleuchtung allein mit Begrenzungsleuchten (§ 51 S t V Z O ) . Nach § 33 Abs. 2 S t V O 1937 war das Fahren mit Standlicht erlaubt, „wenn die Fahrbahn durch andere Lichtquellen ausreichend beleuchtet ist". Da die Meinungen darüber, wann die Beleuchtung durch andere Lichtquellen ausreicht, häufig auseinandergehen, ist das uneingeschränkte V e r b o t des Fahrens mit Standlicht zu begrüßen, zumal sich ein Unterschied in der Beleuchtung der Fahrzeuge — teils Standlicht, teils Abblendlicht — besonders ungünstig auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Denn wie beim Einbruch der Dämmerung unbeleuchtete Fahrzeuge neben beleuchteten leicht übersehen werden können, ist auch im städtischen Verkehr der Wechsel von stark und schwach beleuchteten Fahrzeugen unerfreulich und gefährlich; (vgl. die amtliche Begründung). Während § 17 die Verwendung des Standlichts beim Fahren verbietet, enthält es darüber keine Vorschrift, ob es beim ruhenden Verkehr geboten ist. Zwar wird der Fahrer in der Regel schon deshalb Standlicht dem Abblendlicht vorziehen, weil das Standlidit erheblich weniger Strom verbraucht. Auch kann ein mit Abblendlicht parkendes Fahrzeug andere belästigen und irreführen. D a sich der Gesetzgeber aber mit der Frage, welche Beleuditungsmittel bei bestimmten Verkehrslagen erlaubt und welche verboten sind, befaßt hat, muß angenommen werden, daß er gegen die Verwendung von Abblendlicht beim Halten und Parken grundsätzlich nichts einzuwenden hat 1 7 ). Fernlicht Soweit § 17 Abs. 2 u. 3 nicht die Benutzung bestimmter Leuchtmittel vorschreibt oder verbietet, hat der Fahrzeugführer die Wahl. E r darf deshalb zwar auf Straßen mit „durchgehender, ausreichender Beleuchtung" und bei erheblicher Sichtbehinderung durch Nebel, Schneefall oder Regen nur mit Abblendlicht fahren, im übrigen darf er aber zwischen Fernlicht und Abblendlicht wählen. Fährt er mit Fernlicht, dann muß er allerdings nach Abs. 2 S. 2 abblenden, wenn jemand geblendet werden kann; (unten R N r . 13—15). Die ">) Hamburg 21. 3. 61, VersR 62, 387.
510
" ) Vgl. für die früh. Rechtslage: Hamm 15. 1. 62, DAR 63, 23 = VkBl. 63, 279.
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Standlicht; Fernlicht; Abblendlicht
§ 17
neue Vorschrift enthält aber so wenig wie die f r ü h e r e ein Gebot, Fernlicht zu benutzen, wenn seiner Verwendung nichts entgegensteht 1 8 ). Allerdings m u ß der m i t Abblendlicht Fahrende die Geschwindigkeit seiner Sichtweite anpassen. Man wird nicht etwa aus § 3 Abs. 2, der das Langsamfahren ohne triftigen G r u n d verbietet, wenn dadurch der Verkehrsfluß behindert wird, die Verpflichtung herleiten können, bei Nacht mit Fernlicht zu fahren, u m schneller fahren zu können. Bei starkem Verkehr kann sowieso in der Regel n u r mit Abblendlicht gefahren werden, weil Entgegenkommende u n d Vorausfahrende d u r d i das Fernlicht geblendet würden. Das neu eingeführte, aus der Weltregel abgeleitete Verbot, auf Straßen mit durchgehender, ausreichender Beleuchtung mit Fernlicht zu fahren, gilt innerhalb u n d außerhalb geschlossener Ortschaften. Das Verbot setzt voraus, daß die bei zulässiger Geschwindigkeit erforderliche Sicht durch die Straßenbeleuchtung gewährleistet ist. Daraus ergibt sich, daß innerhalb geschlossener Ortschaften eine Sicht ausreicht, weldie die d o r t vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von normalerweise 50 k m / h zuläßt, während außerhalb geschlossener Ortschaften die Sicht infolge der Straßenbeleuchtung ebensoweit reichen m u ß wie sie bei Fernlicht reichen würde. Sind die Straßenlampen so weit voneinander entfernt, daß zwischen ihnen dunkle Stellen liegen, dann darf mit Fernlicht gefahren werden. Aus der Fassung der Vorschrift (durchgehende, ausreichende Beleuchtung) ergibt sich, daß eine Beleuchtung durch Mondlicht keinesfalls ausreicht. Auf einer mondbeschienenen, aber sonst unbeleuchteten Straße darf also immer m i t Fernlicht gefahren werden. Das Gebot, bei erheblicher Sichtbehinderung durch Nebel, Schneefall oder Regen (auch bei Tage), mit Abblendlicht zu fahren, enthält gleichzeitig das Verbot, in diesem Fall mit Fernlicht zu fahren. Zwar ist die Fassung, die insoweit dem f r ü h e r e n § 33 Abs. 4 entspricht, nicht sehr glücklich, doch kann darüber kaum ein Zweifel bestehen, daß das Gebot, bei Nebel „auch" bei Tage m i t Abblendlicht zu fahren, das selbstverständliche Gebot enthält, „auch" bei Nacht m i t Abblendlicht zu fahren 1 9 ). Das empfiehlt sich übrigens schon aus G r ü n d e n der eigenen Sicherheit, weil Fernlicht v o m Nebel geschluckt wird. Abblendlidit Mit Abblendlidit darf immer gefahren und in der Regel auch gehalten werden; (s. oben R N r . 9). Zur technischen Gestaltung der Scheinwerfer f ü r Abblendlidit u n d f ü r asymmetrisches Abblendlidit vgl. § 50 Abs. 6 StVZO. Zur Frage der Leuchtweite von Abblendlidit und der damit zusammenhängenden Frage der zulässigen Geschwindigkeit vgl. § 3 R N r . 69. Zwar kann auch von abgeblendeten Scheinwerfern eine gewisse Blendwirkung ausgehen (vor allem bei nasser Fahrbahn), eine solche Blendung m u ß aber in Kauf genommen werden. Wer mit abgeblendeten Scheinwerfern fährt, kann deshalb nicht d a f ü r v e r a n t w o r t lich gemacht werden, daß ein Entgegenkommender geblendet wird. Vielmehr m u ß sich dieser auf die unvermeidliche Blendung entsprechend einstellen 20 ). Der Fahrzeugführer ist aber verpflichtet, sich zu vergewissern, daß die Abbiendung vorschriftsmäßig ist; vgl. Vwv II 2. zu Abs. 2. Sonstige
Beleuchtungsmittel
Für andere als Kraftfahrzeuge gelten die Beleuchtungsvorsdiriften des § 66a StVZO. Der Verwalter eines landwirtschaftlichen Gutes ist verpflichtet, die Ausrüstung eines Ackerwagens m i t Rückstrahlern u n d das M i t f ü h r e n von Lampen zu überwachen 21 ). In besonderen Verkehrslagen kann es erforderlich sein, ein langsam fahrendes, ungewöhnlich langes Fahrzeug oder einen langen Zug auch seitlich zu beleuchten 2 2 ); (s. § 51 Abs. 4 StVZO). Nach § 52 StVZO sind gewisse zusätzliche Scheinwerfer und Leuchten erlaubt, « ) Für die früh. Rechtslage: BGH(Z) 17. 9. 64, VersR 64, 1173. i») A. M. BayObLGSt. 64, 68 (6. 5. 64) = VRS 27, 389 = VerkMitt. 64, 50 = NJW 64, 1912 = DRspr. II (293) 70 a.
20
) Hamm 10. 9. 53, VRS 5, 629. BayObLG 26. 10. 60, 1 St 518/1960. ) Hamburg 12. 4. 60, VerkMitt. 61, 37; 31. 3. 64, VerkMitt. 65, 4.
21 ) 22
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wenn auch nicht vorgeschrieben: Nebelscheinwerfer, Suchscheinwerfer, Rückfahrscheinwerfer. Bestimmte Fahrzeuge dürfen mit Kennleuchten für blaues oder gelbes Blinklicht (Rundumlicht) ausgestattet sein. Deren Einsatz wird in § 38 geregelt. 4. Pflicht zum Abblenden (Abs. 2 S. 3 u. 4) 13
Schutz Entgegenkommender Das Gebot, rechtzeitig abzublenden, wenn Entgegenkommende geblendet werden können oder wenn sonst die Sicherheit des Verkehrs auf oder neben der Straße es erfordert, wurde mit unbedeutenden redaktionellen Änderungen aus § 33 Abs. 1 StVO 1937 übernommen. Die frühere Rechtsprechung kann deshalb zur Auslegung der Vorschrift herangezogen werden. Der Hinweis in S. 4, nach dem Abblenden müsse, „wenn nötig", langsamer gefahren werden, ist überflüssig, weil sich dies bereits aus § 3 Abs. 1 ergibt. Geschützt wird die Sicherheit des ganzen Verkehrs auf der Straße, nicht bloß des Gegenverkehrs. Durch rechtzeitiges Abblenden soll das reibungslose Ineinandergreifen der Verkehrsvorgänge gewährleistet werden. Die wichtigste Gruppe der gegen Blendung zu schützenden Verkehrsteilnehmer sind die Entgegenkommenden. Ihnen gegenüber ist auf allen Straßen, grundsätzlich auch auf der Autobahn, abzublenden. Nur bei gradlinigem Verlauf der Autobahn kann dann, wenn der Mittelstreifen bepflanzt ist, die Blendungsgefahr behoben sein23). Die Pflicht besteht auch dann, wenn der Entgegenkommende seinerseits mit Fernlicht fährt. Allerdings darf er dann durch kurzes Aufblinken des Fernlichts zum Abblenden aufgefordert werden. Nicht aber darf „zur Strafe" auf längere Zeit aufgeblendet werden 24 ). Blendet der Entgegenkommende nicht ab, dann muß notfalls angehalten werden 25 ). Die Pflicht abzublenden besteht, sobald der Entgegenkommende geblendet wird. (Zur Frage, wann mit Blendung zu rechnen ist, vgl. § 1 RNr. 91). Blendung tritt ein, wenn lichtstarke Strahlen das Auge unmittelbar treffen, nicht wenn sie am Auge vorbeiführen. Durch das Abblenden werden die Strahlen nach unten gerichtet, treffen deshalb nicht unmittelbar in das Auge des Entgegenkommenden. Nach § 51 Abs. 6 gilt die Blendung als behoben, wenn die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 25 m vor jedem einzelnen Scheinwerfer auf einer Fläche senkrecht zur Fahrbahn in Höhe der Scheinwerfermitte und darüber nicht mehr als 1 Lux beträgt. Bei Scheinwerfern für asymmetrisches Abblendlicht darf die 1-Lux-Grenze von dem der Scheinwerfermitte entsprechenden Punkt unter einem Winkel von 15° nach rechts ansteigen. Auf welche Entfernung abzublenden ist, ist Tatfrage. Es muß „rechtzeitig" abgeblendet werden, das heißt, es muß vermieden werden, daß andere geblendet werden. Allerdings ist nicht jede geringfügige Blendung vermeidbar. Es muß aber so frühzeitig abgeblendet werden, daß andere durch die Blendung in der Beobachtung ihrer Fahrbahn und der Lenkung ihrer Fahrzeuge nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere muß sich der entgegenkommende Verkehrsteilnehmer auf die Begegnung rechtzeitig einrichten können. Auch darf erst aufgeblendet werden, wenn eine Blendung nicht mehr zu befürchten ist. Abgeblendet muß bereits vor dem Zeitpunkt werden, in dem mit Blendung zu rechnen ist, wenn wegen der örtlichen Verhältnisse damit zu rechnen ist, daß die Blendung schlagartig einsetzt und deshalb besonders gefährlich ist. Das ist z. B. auf kurvenreichen Straßen der Fall, auf denen eine Blendung solange nicht eintritt als der Scheinwerferkegel den Entgegenkommenden nicht trifft; ähnlich bei Straßenkuppen.
14
Schutz Vor aus jährender Neu ist der ausdrückliche Hinweis, daß auch dann abzublenden ist, wenn ein Fahrzeug in geringem Abstand vorausfährt. Zwar konnte es auch dem § 33 Abs. 1 StVO entnommen 23) Düsseldorf 10. 12. 64, VerkMitt. 65, 46. " ) Oldenburg 1. 9. 53, D A R 54, 24 = VkBl. 54, 312.
512
" ) Oldenburg 24. 5. 55, D A R 55, 302.
Schutz Entgegenkommender, Vorausfahrender
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werden, der das Abblenden allgemein vorschrieb, wenn es die Sicherheit des Verkehrs auf oder neben der Straße erforderte. Aber darüber waren Zweifel möglich, ob es sich bei der Einwirkung auf den von hinten Geblendeten nicht nur um eine Belästigung handelt, durdi die die Sicherheit des Verkehrs noch nicht berührt wird. Deshalb wurde auf § 1 zurückgegriffen, wenn eine vermeidbare Belästigung verursacht wurde 2 6 ). Eine solche wurde schon dann angenommen, wenn der Vorausfahrende gezwungen war, der Blendung von rückwärts durch Verstellung des Innenspiegels zu begegnen. Nun muß auf alle Fälle abgeblendet werden, wenn in einem geringen Abstand ein längeres Straßenstück hinter einem anderen Fahrzeug hergefahren wird. Von welcher Entfernung zu dem vorausfahrenden Fahrzeug ab die Abblendpflicht besteht, sagt das Gesetz nicht. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift k o m m t es darauf an, ob der Vorausfahrende geblendet wird. Wann das der Fall ist, kann nicht ziffernmäßig mit Anspruch auf allgemeine Gültigkeit angegeben werden, weil die Stärke der Scheinwerfer verschieden ist und audi Witterungseinflüsse die Blendwirkung des Fernlichts beeinflussen. Man wird aber wohl im allgemeinen von einem Abstand auszugehen haben, bei dem Abblendlicht zur Beleuchtung der Fahrbahn bis zum Vorausfahrenden genügt. D a bei höherer Geschwindigkeit der einzuhaltende Sicherheitsabstand die Leuchtweite des Abblendlichts übersteigt, wird u. Umst. Fernlicht erforderlich sein, während bei geringerer Geschwindigkeit (etwa bis 70 km/h) auch bei Einhaltung des erforderlichen Abstandes noch mit Abblendlicht gefahren werden kann und muß. Die Abblendpflicht hängt aber nicht nur von dem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug ab, sondern auch von der Dauer des Hintereinanderfahrens. Fraglich ist deshalb, ob der rasch aufholende Uberholer vor der Überholung und der Überholte nach der Überholung abblenden muß, wenn der Zeitraum der Blendung jeweils nur kurz ist, weil der Überholer nur kurze Zeit in einer Entfernung hinter dem zu Überholenden fährt, die das Abblenden erfordern könnte und ebenso der Überholte nach der Überholung hinter dem sich rasch entfernenden Uberholer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Überholer auf der Überholbahn fahrend den Vorausfahrenden bei seiner Annäherung alsbald nicht mehr im Innenspiegel blendet. V o r allem aber kann beim Überholer die Notwendigkeit, während der Überholung möglichst weit zu sehen, mit der Pflicht, den Überholten nicht durch Blendung zu belästigen, in Widerstreit geraten. Da das Überholen bei Nacht nicht verboten ist, wird man dem Sicherheitsgedanken hier das größere Gewicht zubilligen müssen 27 ). Dem Fahrer des überholten Fahrzeugs wird deshalb die Unbequemlichkeit zuzumuten sein, gegen die vorübergehende Blendung von hinten Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Fährt allerdings der zu Überholende mit Fernlicht, dann wird vom Uberholer verlangt werden können, daß er seinerseits beim Überholen abblendet. Denn dann kann er die Überholmöglichkeit ohne eigenes Fernlicht prüfen. Etwas anders ist die Lage für den Überholten. Zwar wird er den sich rasch auf der Überholbahn Entfernenden in der Regel nur kurz und unerheblich blenden 2 8 ). Ordnet sich der Uberholer aber vor den Überholten ein und ist seine Geschwindigkeit nicht erheblich höher als die des überholten, dann ist dieser um so mehr zum Abblenden verpflichtet, als er im Gegensatz zum Überholer nicht aus Sicherheitsgründen auf das Fernlicht angewiesen ist, solange der Abstand zum Uberholer den Leuchtbereich seines Abblendlichts nicht erheblich übersteigt. Sicherheit
des Verkehrs
auf oder neben
der
Straße
Wie früher in § 33 Abs. 1 S t V O 1937 ist auch im neuen § 17 Abs. 2 S. 2 die Abblendpflicht nicht auf den Schutz bestimmter Gruppen von Verkehrsteilnehmern beschränkt, sondern gilt allgemein, wenn es die Sicherheit des Verkehrs auf oder neben der Straße M) Düsseldorf 7. 9. 61, VRS 22, 310 = VerkMitt. 62, 70. " ) Hamm 14. 11. 60, DAR 61, 148 = VRS 20, 297 = VerkMitt. 61, 28; vgl. auch Maase in DAR 61, 9.
28) Vgl. für die früh. Rechtslage: BayObLGSt. 63, 203 (9. 10. 63) = NJW 64, 213 = VRS 26, 226 = VerkMitt. 64, 1 = MDR 64, 169; Harbauer in DAR 65, 11. 513
33 StVO + StGB
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erfordert. Auch auf „Verkehrsteilnehmer" ist der Sdiutz nicht beschränkt. Zu den Fällen, in denen die Sicherheit des Verkehrs auf der Straße das Abblenden erfordert, gehört z. B. der Verkehr auf Radwegen im Bereich der Straße oder auf Seitenstreifen, beim Verkehr „neben" der Straße ist an Eisenbahnstrecken, Wasserstraßen, Flugplätze zu denken. An Bahnübergängen dürfen nach § 19 Abs. 7 die Scheinwerfer wartender Kraftfahrzeuge niemand blenden. Gegenüber Fußgängern besteht eine Abblendpflicht, wenn zu befürchten ist, daß sie durch die Blendung verwirrt und zu gefährlichen Reaktionen veranlaßt werden; (vgl. I S. 2 der Vwv zu Abs. 2). Da sich Fußgänger dadurch unschwer der Blendung entziehen können, daß sie nicht in die Scheinwerfer schauen, wird man eine „Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs" in der Regel verneinen müssen, wenn Fußgänger geblendet werden. Wieweit die in der Blendung liegende Belästigung vermeidbar ist, hängt vom Einzelfall ab. Der höfliche Fahrer wird eine Belästigung von Fußgängern tunlichst vermeiden. In § 33 Abs. 1 StVO 1937 waren Fußgänger ausdrücklich vom Schutz vor Blendung ausgenommen, dagegen die Abblendpflicht gegenüber Fußgängern, die in geschlossenen Abteilungen marschieren, bejaht. Die Abblendpflicht in diesem letzten Fall gilt nach wie vor. 5. Beleuchtung bei Nebel — Schneefall — Regen (Abs. 3) Allgemeines
(Abs. 3 S. 1)
§ 33 Abs. 4 StVO 1937 gebot die Einschaltung von Abblendlicht bei starkem Nebel oder Schneefall „auch am Tag." Die Vorschrift wurde nur redaktionell geändert, indem statt „starkem" Nebel „erhebliche Sichtbehinderung durch Nebel" gesetzt wurde. Fraglich könnte auch nach der neuen Fassung sein, ob auch mit Fernlicht gefahren werden darf, doch dürfte die Frage zu verneinen sein; (s. oben RNr. 10 a. Ende). Sehr viel wird durch die Neufassung nicht gewonnen, weil ebenso wie früher fraglich sein konnte, ob ein Nebel „stark" ist, nun die Meinungen darüber auseinandergehen können, ob die Sicht durch den Nebel „erheblich" behindert wird. Da sich sachlich nichts geändert hat, kann die frühere Rechtsprechung übernommen werden. Danach kommt es weniger auf die Sichtbehinderung des Fahrers, als auf die Sichtbarkeit des Fahrzeugs für den Gegenverkehr an 29 ). Auch die auf der Straße übliche Geschwindigkeit ist von Bedeutung. Deshalb behindert auf Bundesstraßen ein Nebel, der nur Sicht auf 120 m zuläßt, die Sicht erheblich 30 ). Das Sicherheitsbedürfnis findet seine Grenze dort, wo im Nebel fahrende Kraftfahrzeuge auch ohne Beleuchtung bereits auf eine Entfernung erkennbar werden, die anderen Verkehrsteilnehmern gestattet, sich auf solche Fahrzeuge rechtzeitig einzustellen31). Deshalb braucht bei Nebel, der eine Sicht auf 150 m erlaubt bei Tage kein Abblendlicht eingeschaltet zu werden 32 ). Irrtum über die Sichtweite ist Tatbestandsirrtum 33 ). Wenn auch bei Nebel von besonderer Bedeutung die Sichtbarmachung des Fahrzeugs für den Gegenverkehr ist, muß doch auch auf Fahrbahnen ohne Gegenverkehr wie auf der Autobahn mit Abblendlicht gefahren werden 34 ). Ist die Sicht nicht mehr erheblich durch Nebel behindert, muß bei Tage das Abblendlicht wieder ausgeschaltet, bei Nacht darf Fernlicht eingeschaltet werden. Doch muß dem Fahrzeugführer eine gewisse Strecke zugebilligt werden zur Feststellung, ob der Nebel wirklich aufgehört hat oder ob mit neuen Nebelbänken zu rechnen ist 34 ). ) Celle 19. 11. 55, VerkMitt. 56, 18; vgl. Weigelt in D A R 55, 158. 3 0 ) Düsseldorf 3. 9. 56, D A R 57, 166; ähnlich Karlsruhe (Sichtweite 100 m) 26. 10. 64, N J W 65, 119 = V R S 28, 237 = DRspr. I I (293) 72 b; Schleswig 1. 2. 62, VerkMitt. 62, 52; vgl. audi Celle (innerhalb geschlossener Ortschaften: 70 m) 23. 5. 66, V R S 31, 387 = NdsRpfl. 66, 224 = DRspr. I I (293) 78 d, e. 29
) ) 33) 34)
Schleswig 29. 10. 58, VerkMitt. 59, 40. Neustadt 9. 10. 56, D A R 57, 166. Stuttgart 15. 3. 57, D A R 57, 167. BayObLG 20. 1. 70, VerkMitt. 70, 34 = N J W 70, 1141 = DRspr. I I (293) 94 d. 35) Karlsruhe 25. 10. 56, D A R 57, 249; Saarbrücken 27. 4. 61, D A R 62, 26 = JB1. Saarl. 61, 200 = DRspr. I I (293) 55 e; Schleswig 8. 7. 70, VerkMitt. 70, 88.
31
32
Nebel; Nebelscheinwerfer, -Schlußleuchten
StVO § 17
Eine Pflicht, auch beim Halten Abblendlicht einzuschalten, wenn die Sicht durch Nebel erheblich behindert wird, enthält § 17 nicht. Er spricht ausdrücklich vom „Fahren" mit Abblendlicht88). In § 33 Abs. 4 wurde die Einschaltung von Abblendlicht auch am Tage nur bei starkem Nebel oder Schneefällen angeordnet; nun wird auch starker Regen gleichbehandelt. Die Voraussetzung ist hier wie dort, daß die Sicht erheblich behindert wird. Die für das Fahren bei Nebel bestehenden Grundsätze können übernommen werden. Da nach Abs. 1 die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen auch bei Tage zu benutzen sind, wenn die Sichtverhältnisse „sonst" es fordern, kann, soweit die Sichtbehinderung nicht durch Nebel, Schneefälle oder Regen verursacht werden, in diesem Falle auch mit Fernlicht gefahren werden. Nebelscheinwerfer (Abs. 3 S. 2—4) Nebelsdieinwerfer sind nach § 52 Abs. 1 StVZO zwar nicht vorgeschrieben aber als zusätzliche Scheinwerfer gestattet. § 17 Abs. 3 S. 2 StVO bestimmt, wann Nebelscheinwerfer eingeschaltet sein dürfen, nämlich dann, wenn wegen Nebel, Schneefällen oder Regen die Sicht erheblich behindert wird. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß Nebelscheinwerfer in diesem Falle auch bei Tag eingeschaltet werden dürfen. Neu ist dabei, daß sie auch bei starkem Regen benutzt werden dürfen. Die Frage, ob Nebelsdieinwerfer allein oder nur zusammen mit anderen Scheinwerfern oder Leuchten eingeschaltet werden dürfen, ist etwas kompliziert geregelt: An Krafträdern ohne Beiwagen darf nach Abs. 3 S. 4 der Nebelscheinwerfer allein benutzt werden. Bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen ist zu unterscheiden: Haben sie nur 1 Nebelscheinwerfer, dann darf dieser nur zusammen mit den beiden abgeblendeten Scheinwerfern eingeschaltet werden. Haben sie zwei Nebelscheinwerfer, dann genügt nach S. 3 statt des Abblendlichts die zusätzliche Benutzung der Begrenzungsleuchten. Dies gilt aber auch wieder nicht uneingeschränkt: Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift bestimmt § 52 Abs. 1 S. 3 StVZO, daß bei mehrspurigen, mit zwei Nebelscheinwerfern ausgerüsteten Kraftfahrzeugen dann, wenn der äußere Rand der Liditaustrittsfläche der Nebelscheinwerfer mehr als 400 mm von der breitesten Stelle des Fahrzeugumrisses entfernt ist, diese so geschaltet sein müssen, daß sie nur zusammen mit dem Abblendlicht brennen können. Nur dann, wenn der äußere Rand der Lichtaustrittsfläche nicht mehr als 400 mm von der breitesten Stelle des Fahrzeugumrisses entfernt ist, können also neben den Nebelscheinwerfern die Begrenzungsleuchten (Standlicht) benutzt werden. Die Regelung trägt der technischen Erfahrung Rechnung, daß die Wirkung der Nebelscheinwerfer im Abblendlicht untergeht, daß dagegen durch Benutzung der Nebelscheinwerfer in Verbindung mit den Begrenzungsleuchten die Sichtweite verbessert werden kann. Da andernteils die Warnwirkung der Nebelscheinwerfer für entgegenkommende Fahrzeuge die gleiche ist wie die des Abblendlichts, konnte auf die Verwendung dieses Lichts neben den Nebelscheinwerfern verzichtet werden, wenn die Fahrzeugbreite durch die Nebelscheinwerfer genügend gekennzeichnet wird. Daß statt Abblendlicht Standlicht benutzt werden darf, bedeutet nicht, daß nicht in allen Fällen neben den Nebelscheinwerfern auch Abblendlicht zulässig ist. Nebelscblu ßleuchten Nebelschlußleuchten wurden durch § 1 der 13. VO über Ausnahmen von Vorschriften der StVZO vom 27. 7. 66 (BGBl. I S. 456) zugelassen; (abgedruckt in Bd. I bei § 53, 86
) Vgl. für die früh. Rechtslage: Schleswig 25. 10. 61, VerkMitt. 62, 75 = DRspr. I I (293)
62 a.
515 33*
§ 17
Möhl
StVO
StVZO). Da von Nebelschlußleuchten eine gewisse Blendwirkung ausgehen kann, ist ihre Verwendung gegenüber den Nebelscheinwerfern eingeschränkt; sie dürfen nur außerhalb geschlossener Ortschaften und nur dann benutzt werden, wenn durch Nebel die Sichtweite weniger als 50 m beträgt, bei Schneefällen oder Regen dürfen sie auch bei dieser Sichtweite nicht benutzt werden; warum ist nicht ersichtlich. Man ist vielleicht in dem berechtigten Bestreben, eine mißbräuchliche Verwendung dieser nützlichen Einrichtung zu verhindern, etwas zu weit gegangen. Nicht nur fahrende, sondern auch haltende Fahrzeuge dürfen sich bei starkem Nebel nach hinten mit der Nebelschlußleuchte absichern. (Daneben kommt nach § 16 Abs. 2 N r . 1 auch noch das Warnblinklicht in Frage). 6. Haltende Fahrzeuge (Abs. 4) Außerhalb
geschlossener
Ortschaften
Außerhalb geschlossener Ortschaften sind haltende Fahrzeuge nach S. 1 mit eigener 'Lichtquelle zu beleuchten. Damit wird klargestellt, daß die innerhalb geschlossener Ortschaften geltende Ausnahme von der Beleuchtungspflicht für den Fall, daß die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar madit, außerhalb geschlossener Ortschaften nicht besteht. Dort müssen haltende Fahrzeuge also auch dann beleuchtet werden, wenn die Straßenbeleuchtung ausreichen würde, sie sichtbar zu machen. Daß auch liegengebliebene Fahrzeuge, abgesehen von den für sie geltenden zusätzlichen Sicherungspflichten der allgemeinen Beleuchtungsvorschrift unterliegen, wird in § 15 S. 3 ausdrücklich hervorgehoben. Welche eigenen Lichtquellen vorgeschrieben oder wenigstens zulässig sind, ergibt sich aus Abs. 1—3. Darnach ist normalerweise das Standlicht einzuschalten, doch ist Abblendlicht nicht ausgeschlossen. Da sich Abs. 3 S. 1 nur auf fahrende Fahrzeuge bezieht, kann er nicht unmittelbar auf haltende angewendet werden. Doch wird man, nachdem Abblendlicht nicht verboten ist, in Fällen, in denen das haltende Fahrzeug durch das Standlicht nicht auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar gemacht wird, aus § 1 Abs. 2 eine Pflicht zur Benutzung des Abblendlichts herleiten können. Auch Warnblinklicht und Nebelschlußleuchten dürfen und sollen erforderlichenfalls benutzt werden. Dagegen bestehen gegen die Anwendung der für liegengebliebene Fahrzeuge geltenden Sondervorschriften über zusätzliche Sicherungsmittel bei haltenden Fahrzeugen Bedenken; (vgl. § 15 R N r . 2). Auch wer an einer Stelle hält, an der das Halten verboten ist, bleibt deshalb noch nicht im Sinne des § 15 liegen. Man könnte aber vielleicht aus dem Grundsatz, daß, wer durch verkehrswidriges Verhalten andere gefährdet, alles tun muß, um der Gefahr zu begegnen, für den, der an verbotener Stelle hält, die Pflicht herleiten, die normalerweise nur dem Führer eines liegengebliebenen Fahrzeugs aufgegebenen zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, daß die rückwärtige Beleuchtung seines Fahrzeugs in Ordnung ist 37 ), aber auch, daß die Eigenbeleuchtung solange brennt, als er das Fahrzeug bei Nacht auf der Fahrbahn abstellt. Er muß deshalb prüfen, ob die Batterie genügend geladen ist, damit die Begrenzungsleuchten während der ganzen Dauer des Parkens ausreichend leuchten. Die Beleuchtung nadi rückwärts ist besonders wichtig,, weil die Gefahr besteht, daß in der Fahrspur des haltenden Fahrzeugs nachfolgende Verkehrsteilnehmer auf dies auffahren. Einzuschalten sind die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen, fallen diese aus, dann sind sonstige Leuchten anzubringen. Für Fuhrwerke gilt § 66 a StVZO. (Zur Frage des räumlichen Geltungsbereiches der Beleuchtungsvorschriften, insbes. zur Frage, ob auf Parkplätzen abgestellte Fahrzeuge beleuchtet werden müssen vgl. oben R N r . 4). *?) BGH 25. 9. 58, VRS 15, 468 = VerkMitt. 59, 21.
516
S1V0
Haltende Fahrzeuge Haltende
Fahrzeuge
innerhalb
geschlossener
Ortschaften
§ 17
(Abs. 4 S. 2)
Während nach § 23 Abs. 1 S t V O 1937 eine Ausnahme von der Beleuchtungspflicht für alle abgestellten Fahrzeuge galt, die durch andere Lichtquellen ausreichend beleuchtet sind, kennt die neue Vorschrift eine entsprechende Ausnahme nur für Fahrzeuge, die innerhalb von geschlossenen Ortschaften abgestellt werden. D o r t genügt es allgemein, die der Fahrbahn zugewandte Fahrzeugseite durch Parkleuchten oder auf andere zugelassene Weise (§§ 51 Abs. 3, 66 a S t V Z O ) kenntlich zu machen. Jede eigene Beleuchtung darf unterbleiben, wenn die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar macht. Während nach § 23 Abs. 1 S t V O 1937 jede „andere Lichtquelle", durch die das Fahrzeug ausreichend beleuchtet wurde, die Ausnahme von der Beleuchtungspflicht rechtfertigte, wird nun einschränkend und konkret nur der Straßenbeleuchtung diese Wirkung zugesprochen. Die Innenbeleuchtung des abgestellten Fahrzeugs vermag darnach die Außenbeleuchtung keinesfalls mehr zu ersetzen 3 8 ). Auch sonstige Zweifel über die A r t der „anderen" Lichtquellen sind beseitigt 3 9 ). An die Pflicht, abgestellte Fahrzeuge zu beleuchten, sind im Interesse der Sicherheit des Verkehrs strenge Anforderungen zu stellen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Fahrzeug durch die Straßenbeleuchtung ausreichend beleuchtet ist, sind alle für die Wahrnehmung des abgestellten Fahrzeugs wesentlichen Umstände zu berücksichtigen, einmal die W i r k samkeit der Lichtquellen, die sich aus ihrer Stärke, Entfernung und Lage ergibt, dann atmosphärische Erscheinungen wie Nebel und Regen, Umstände, die die Sicht auf das Fahrzeug behindern oder die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer ablenken, die Größe und Erkennbarkeit des Fahrzeugs usw.. „Ausreichend" ist die Beleuchtung durch andere Lichtquellen nur, wenn sie in ihrer Wirkung der sonst vorgeschriebenen Eigenbeleuchtung des Fahrzeugs gleichkommt und das abgestellte Fahrzeug so deutlich erkennbar macht, daß es für andere Verkehrsteilnehmer keine Gefahr bildet 4 0 ). An sog. „Laternengaragen" dürfen zwar keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden 41 ). Doch muß sicher sein, daß die Laternen auch während der ganzen Dauer der Abstellung des Fahrzeugs brennen. Gelegentliche Störungen gehen freilich nicht zu Lasten des Fahrzeugführers. Sind an Laternen nicht die Z. 394 angebracht, so darf sich der Fahrzeugführer in der Regel darauf verlassen, daß sie die ganze Nacht brennen 4 2 ). Bei der wechselnden Parkraumnot sind zahlreiche Kraftwagenbesitzer gezwungen, ihre Fahrzeuge nachts unter Laternen zu parken. Es hieße die Sorgfaltspflicht des Fahrzeugführers überspannen, wollte man von ihm verlangen, daß er sich trotz Fehlens der Kennzeichnung durch Z. 394 vergewissern müßte, ob die Laternen bei Einbrechen der Dunkelheit angezündet werden und die ganze Nacht durch brennen. Dagegen darf er nicht darauf vertrauen, daß die Witterungsverhältnisse gleich bleiben (in der Nacht aufkommender Nebel, der die Beleuchtung des Fahrzeugs unzureichend macht) 1 3 ). Die Laterne muß nahe genug sein, um die Umrisse des Fahrzeugs genügend kenntlich zu machen, ihre Wirkung darf nicht durch belaubte Bäume beeinträchtigt werden. Es muß insbesondere sichergestellt sein, daß die Rückwand des Fahrzeugs während der Dunkelheit in jedem Augenblick durch die Straßenlaternen ausreichend beleuchtet ist 4 4 ). ) Früher bestritten. Bejahend: Hamm 8. 10. 54, VRS 7, 390; verneinend BGH 26. 4. 54, VRS 6, 338. 3») Vgl. für die frühere Rechtslage: BGHSt. 11, 389 (11. 6. 58) = NJW 58, 1358 = DAR 58, 279 = MDR 58, 787 = VkBl. 59, 109 = DRspr. II (293) 31 d. 4 0 ) Hamm 3. 12. 56, VkBl. 57, 78; 28. 6. 57, VRS 13, 306; 10. 4. 61, VRS 22, 56; KG 13. 8. 59, VRS 17, 285; BGH 10. 7. 61, VersR 61, 851; BGHSt. 11, 389 (11. 6. 58) = VRS 15, 222 = DAR 58, 279.
3S
) Hamm 19. 5. 52, DAR 52, 127 = NJW 52, 950. « ) BGH(Z) 21. 12. 61, NJW 62, 484 = MDR 62, 284 = VRS 22, 174 = VerkMitt. 62, 23 = DAR 62, 125; BayObLGSt. 51, 498 (12. 9. 51); a. M. Braunsdiweig 25. 5. 57, NJW 57, 1848 = VRS 14, 133. 4 3 ) BGHSt. 4, 140 (30. 4. 53) = DAR 53, 133 = NJW 53, 996 = VkBl. 53, 241 = VRS 5, 376. 4 4 ) BGH 22. 7. 60, VRS 19, 280.
41
§ 21
17
Möhl
StVO
Unbeleuchtete
Kleinkrafträder
etc. (Abs. 4 S. 3)
Während alle anderen Fahrzeuge bei ausreichender Straßenbeleuchtung innerhalb geschlossener Ortschaften unbeleuchtet stehen gelassen werden dürfen, gilt dies nach S. 3 für Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder, Handfahrzeuge und unbespannte Fuhrwerke nicht. Sie müssen von der Fahrbahn entfernt werden. S. 3 enthält also eine Ausnahme von S. 2 Deshalb wird man trotz der spradilichen Mehrdeutigkeit davon ausgehen müssen, daß sich „unbeleuchtete" auch auf „unbespannte Fuhrwerke" bezieht. Soweit Fahrzeuge nicht ausnahmsweise unbeleuchtet abgestellt werden dürfen, müssen alle unbeleuchteten Fahrzeuge von der Fahrbahn entfernt werden, nicht nur die in S. 3 näher bezeichneten. Dagegen dürfen die in S. 3 bezeichneten Fahrzeuge, wenn sie beleuchtet sind, wie alle anderen Fahrzeuge auf der Fahrbahn geparkt werden. Das war früher anders, soweit es sich um unbespannte Fuhrwerke handelte. Diese durften nach § 32 Abs. 2 vom Hereinbrechen der Dunkelheit an auch dann nicht auf der Straße belassen werden, wenn sie beleuchtet waren. Das Verbot, die in S. 3 näher bezeichneten Fahrzeuge auf der „Fahrbahn" stehen zu lassen, kann nicht so ausgelegt werden, als dürften diese Fahrzeuge sonstwo im Bereich des öffentlichen Verkehrsgrundes unbeleuchtet abgestellt werden. Es begründet lediglich eine Ausnahme von der Ausnahmevorschrift des S. 2 Halbsatz 2. Das Verbot, Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder unbeleuchtet auf der Fahrbahn stehen zu lassen, schließt nicht aus, daß sie dort geschoben werden dürfen (§ 23 Abs. 2, vgl. § 23 R N r . 16). 22
7. Beleuchtung von Handfahrzeugen (Abs. 5) Abs. 5 befaßt sich mit der Beleuchtung von Handfahrzeugen, die von Fußgängern mitgeführt werden, nämlich einachsigen Zug- oder Arbeitsmaschinen an Holmen und sonstigen Handfahrzeugen. Die für Fuhrwerke geltenden Ausrüstungsvorschriften (früher § 24 S t V O 1937) finden sich nunmehr in § 66 a S t V Z O . Während Fahrräder beim Ausgehen der Beleuchtungseinrichtungen nach § 23 Abs. 2 geschoben werden dürfen, ist das gleichzeitige Mitführen eines unbeleuchteten, mit dem Fahrrad verbundenen Anhängers nach § 17 Abs. 5 untersagt 4 5 ). Zu den Handfahrzeugen gehören auch die geschobenen Krankenfahrstühle, während die maschinell angetriebenen Kraftfahrzeuge sind, für die besondere Beleuchtungsvorschriften gelten (§§ 50 Abs. 2 S. 2, 53 Abs. 2 S. 2).
23
n . Suchscheinwerfer (Abs. 6) Abs. 6 entspricht wörtlich dem § 33 Abs. 3 der S t V O 1937. Die Beschaffenheitsvorschrift für Suchscheinwerfer findet sich in § 52 Abs. 2 S t V Z O . Wie der Name sagt, ist der Zweck der Suchscheinwerfer, auf der Fahrbahn oder in ihrer Umgebung Gegenstände zu suchen, die mit den Scheinwerfern nicht ohne weiteres erreichbar sind. U m unnötige Blendung anderer zu vermeiden, dürfen die Suchscheinwerfer nur kurz und nicht zum Beleuchten der Fahrbahn benutzt werden, mag auch beim Suchen auf der Fahrbahn eine gewisse vorübergehende Beleuchtung der Fahrbahn und auch eine Blendung anderer Verkehrsteilnehmer nicht ganz zu vermeiden sein. Ein Taxifahrer, der während der Fahrt mit dem an seiner Kraftdroschke befindlichen Suchscheinwerfer einen auf der anderen Straßenseite stehenden Radarwagen anstrahlt, um diesen seinem Fahrgast zu zeigen, überschreitet die Grenzen einer zulässigen Benutzung des Suchscheinwerfers4®).
24
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen W e r vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die Beleuchtung nach § 17 •verstößt, handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G ; zum Tatbestand dieser Ord« ) Vgl. für die frühere Rechtslage: Oldenburg 12. 3. 63, NdsRpfl. 63, 143.
518
4a
) KG 5. 9. 68, VRS 36, 374 = (293) 90 c.
DRspr. II
Kleinkrafträder; H a n d f a h r z e u g e ; Suchscheinwerfer
StVO
§§17,18
nungswidrigkeit gehört keine k o n k r e t e Gefährdung, ja nicht einmal eine Belästigung anderer. Wer zum Abblenden verpflichtet ist u n d nicht abblendet, verstößt gegen § 17 Abs. 2 S. 3, auch wenn niemand geblendet wird. Wer nach dem Abblenden nicht entsprechend langsamer fährt, obwohl es nötig wäre, verstößt gegen § 3 Abs. 1 S. 3 u n d nicht gegen § 1 7 Abs. 2 S. 4, der n u r einen Hinweis enthält. Wird durch den Verstoß gegen die Beleuchtungs Vorschrift ein „Erfolg" im Sinne des § 1 Abs. 2 verursacht, dann steht die Ordnungswidrigkeit nach § 17 mit der Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 in Tateinheit. Mängel an den vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen begründen zwar den Vorwurf ordnungswidrigen Handelns nach § 23, nicht aber nach § 17, falls die Beleuchtungseinrichtungen nicht in Betrieb gesetzt werden müssen. Wer während der Dunkelheit ein nicht mit den vorgeschriebenen Schlußleuchten ausgestattetes Kraftfahrzeug f ü h r t , begeht zwei tateinheitlich zusammentreffende Zuwiderhandlungen gegen § 23 Abs. 1 und § 17 Abs. I 47 ). Wird durch den Verstoß eine Körperverletzung oder der Tod eines anderen verursacht, dann t r i t t die Ordnungswidrigkeit nach § 17 hinter das Vergehen zurück (§ 17 Abs. 1 OWiG 4 8 ). Ein Mitverschulden des Verletzten ber ü h r t die Ursächlichkeit mangelnder Fahrzeugbeleuditung f ü r den Unfall nicht. Im übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze über die Ursächlichkeit fehlerhaften Verhaltens f ü r einen Unfall. Es ist zu prüfen, ob der Unfall mit Sicherheit vermieden worden wäre, wenn sich der Fahrer verkehrsrichtig verhalten hätte 4 ').
818 Autobahnen und Kraftfahrstrafien (1) Autobahnen (Zeichen 330) und Kraftfahrstraßen (Zeichen 331) dürfen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, die auf ebener Strecke schneller als 60 km/h fahren können; werden Anhänger mitgeführt, so gilt das gleiche für den Zug. Fahrzeug und Ladung dürfen zusammen nicht höher als 4 m und nicht breiter als 2,5 m sein. Fahrräder mit Hilfsmotor dürfen diese Straßen nicht benutzen. 2) Auf Autobahnen darf nur an gekennzeichneten Anschlußstellen (Zeichen 330) eingefahren werden, auf Kraftfahrstraßen nur an Kreuzungen oder Einmündungen. (3) Der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn hat die Vorfahrt. (4) Beim Überholen muß eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen sein. (5) Auf Autobahnen darf innerhalb geschlossener Ortschaften schneller als 50 km/h gefahren werden. Auf ihnen beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch unter günstigen Umständen 1. für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t, ausgenommen Personenkraftwagen, für Personenkraftwagen mit Anhänger, Lastkraftwagen mit Anhänger und Zugmaschinen mit Anhänger sowie für Kraftomnibusse ohne Anhänger oder mit Gepäckanhänger 80 km/h, 2. für Krafträder mit Anhänger und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit Anhänger, " ) BayObLGSt. 63, 127 (7. 5. 63) = VkBl. 63, 679 = VRS 25, 464 = NJW 63, 1886 (L). « ) Vgl. neuerdings BGH(Z) 9. 2. 71, VersR 71, 473.
4
») Vgl. BGH(Z) 24. 10. 58, VRS 16, 96; 10. 7. 61, VersR 61, 851; 19. 9. 61, VRS 21, 328; 20. 3. 62, VersR 62, 566; München 7. 4. 59, VersR 59, 925; Hamburg 21. 3. 61, VersR 62, 387.
519
§ 18
StVO
Möhl
für Zugmaschinen mit zwei Anhängern sowie für Kraftomnibusse mit Anhänger oder Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen 60 km/h. (6) Wer auf der Autobahn mit Abblendlicht fährt, braucht seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts anzupassen, wenn 1. die Schlußleuchten des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird oder 2. der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig erkennbar sind. (7) Wenden und Rückwärtsfahren sind verboten. (8) Halten ist verboten. (9) Stockt der Verkehr auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen, so müssen die Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen in der Mitte der Fahrbahn eine freie Gasse bilden. (10) Fußgänger dürfen Autobahnen nicht betreten. Kraftfahrstraßen dürfen sie nur an Kreuzungen, Einmündungen oder sonstigen dafür vorgesehenen Stellen überschreiten; sonst ist jedes Betreten verboten. (11) Die Ausfahrt von Autobahnen ist nur an Stellen erlaubt, die durch die Ausfahrttafel (Zeichen 332) und durch das Pfeilschild (Zeichen 333) oder durdi eins dieser Zeichen gekennzeichnet sind. Die Ausfahrt von Kraftfahrstraßen ist nur an Kreuzungen oder Einmündungen erlaubt. Vwv zu § 18: Vgl. zu den Zeichen 330, 331, 332, 333, zu den Zeichen 332 und 333, zu den Zeichen 334, zu den Zeichen 330, 332 bis 334 und 448 bis 453, zu Zeichen 336 und zu den Zeichen 330, 331, 334 und 336. Übersicht A. Allgemeines 1. Amtliche Begründung 2. Überblick Autobahnen und KraftfahrStraßen (2), räumlicher Geltungsbereich (3), unterschiedliche Bestimmungen für Autobahnen und Kraftfahrstraßen (4) 3. Was ist neu? B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Wer darf auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen fahren? (Abs. 1) XI. Vorschriften für Kraftfahrzeuge 1. Einfahrt (Abs. 2) 2. Ausfahrt (Abs. 11)
1. Amtliche Begründung
RNr. 1-5 1 2-4
3. Vorfahrt (Abs. 3) 4. Oberholen (Abs. 4) 5 . Geschwindigkeit (Abs. 5) . „ • . .. . . , . _, 6 ' Geschwindigkeit beim Fahren mit Abblendlicht (Abs. 6) 7. Verbot des Wendens und Rückwärtsfahrens (Abs. 7) 8 . Hakverbot (Abs. 8)
5 6-17 6 7-16 7 8
9
f a s s e b e i Verkehrsstockung .„ . „ , , , Allgemeine Sorgfaltspflicht HI. Vorschrift für Fußgänger (Abs. 10) '
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
RNr. 9 10 11 12 13 14 ^ 16 17 18
A. Allgemeines
Nach dem Weltabkommen unterscheidet sich die Autobahn von den Kraftfahrstraßen im wesentlichen nur noch dadurch, daß jene kreuzungsfrei sein müssen, diese es nicht zu sein brauchen. Die Benutzungsvorsdiiiften für beide Arten von Autostraßen sind dieselben. Die nationalen Gesetzgebungen sind hinsichtlich gewisser Zulassungsvorschriften (bauartbedingte Mindestgeschwindigkeit) und bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten frei. Die Erhöhung der bauartbedingten Mindestgeschwindigkeit von 40 auf 60 km/h soll die Verkehrsflüssigkeit fördern. Zu Absatz 1: Satz 2 übernimmt § 19 Abs. 5 (alt) und beseitigt damit für die Autostraßen das Land- und Forstwirtschaftsprivileg in § 22 Abs. 2.
520
A u t o b a h n e n u n d Kraftfahrstraßen
StVO
§ 18
Zu Absatz 2: Hierdurch wird dem Verlangen des Weltabkommens genügt, daß Zufahrten aus anliegenden Grundstücken verboten sein müssen. Zu Absatz 3: Die Vorfahrtregel des § 13 Abs. 5 (alt) wird auf Kraftfahrstraßen ausgedehnt. Die „durchgehende Fahrbahn" umfaßt alle Fahrstreifen für den durchgehenden Verkehr einschließlich der sogenannten Kriechspuren, nicht aber die Beschleunigungsstreifen, die der zügigen Einfädelung des in die Autobahn einfahrenden Verkehrs dienen. Zu Absatz 4: Er enthält eine wesentliche Verschärfung der Zulässigkeit des Oberholens. Eine Gefährdung läßt sich natürlich nur ausschließen, solange sich andere Verkehrsteilnehmer nicht grob vorschriftswidrig verhalten. Eine gewisse Behinderung muß sich auch der nachfolgende schnellere Verkehr gefallen lassen. Die Grenze soll dort gezogen werden, wo ein Zurückstehen des Überholwilligen im Interesse der Abwicklung des Gesamtverkehrs liegt; je dichter der Verkehr ist, um so mehr müssen auch schnelle Fahrzeuge auf dem Überholstreifen ihre Geschwindigkeit drosseln. Zu Absatz 5: Die Differenzierung der Gesdvwindigkeitsvorsdiriften für Autobahnen einerseits und K r a f t f a h r straßen andererseits übernimmt geltendes Redit. Die Zahl der innerstädtischen Autobahnen nimmt zu, deshalb ist Satz 1 unerläßlich. Zu Absatz 6: Die Vorschrift lehnt sich an die bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Ausdehnung auf Kraftfahrstraßen wäre nicht zu verantworten. Zu Absatz 7: Auch Rückwärtsfahren muß auf diesen Massenverkehrsstraßen unterbunden werden. Das Verbot entspricht einer Weltregel. Zu Absatz X: Die Fassung des § 15 Abs. 3 (alt), es dürfe auf den über 2 m breiten Randstreifen der Autobahnen gehalten werden, ist irreführend; auch dort soll, wie die Rechtsprechung zutreffend meint, nur in Notfällen gehalten werden dürfen. Das braucht nicht ausdrücklich gesagt zu werden. D a ß auf den Parkplätzen und an den Tankstellen der Autobahnen gehalten werden darf, ist selbstverständlich. Übrigens gibt das Zeichen 314 die ausdrückliche Parkerlaubnis. Die Ausdehnung des Haltverbots auf Kraftfahrstraßen entspricht einer Weltregel. Zu Absatz 9: Der Zweck dieser möglichst volkstümlich gefaßten, neuen Vorschrift bedarf keiner Erläuterung. Verhielte sich der Verkehr nicht so, dann wäre es vielfach Fahrzeugen der Polizei, bei Unfällen auch Fahrzeugen von Ärzten sowie Krankenwagen nicht möglich, zur Erfüllung ihrer Pflichten durchzukommen. Die Vorschrift ist, wie bisherige Erfahrung lehrt, auch auf Fahrbahnen mit drei Fahrstreifen in einer Richtung unerläßlich und praktikabel; hier haben die Fahrzeuge des mittleren Fahrstreifens sich hinter dem Vordermann, d. h. zum rechten oder zum linken Fahrstreifen hin, einzuordnen. Zu Absatz 10: Geltendes Recht wird übernommen. Zu Absatz
11:
Zu Satz 2 gilt das zu Absatz 2 Gesagte entsprechend. 2.
Überblick
Autobahnen
und
Kraftfahrstraßen
A u t o b a h n e n sind Straßen, bei d e n e n an d e n Z u f a h r t e n der Anschlußstellen das Z. 330, Kraftfahrstraßen sind Straßen, an deren A n f a n g , w i e an jeder K r e u z u n g u n d E i n m ü n d u n g , das Z. 331 angebracht ist. A u f die W i d m u n g der Straße nach d e m Bundesfernstraßengesetz (XII § 1 Abs. 3 in Bd. 2) k o m m t es nicht an. N a c h III der V w v z u Z. 330 darf das Zeichen an Straßen, die nicht als B u n d e s a u t o b a h n e n n a d i d e m Bundesfernstraßengesetz gew i d m e t sind, nur aufgestellt werden, w e n n (entsprechend der B e g r i f f s b e s t i m m u n g dieses Gesetzes) diese Straßen f ü r den Schnellverkehr geeignet sind, frei v o n höhengleichen K r e u z u n g e n sind, getrennte Fahrbahnen für den R i d i t u n g s v e r k e h r haben u n d m i t b e s o n deren Anschlußstellen f ü r die Z u - u n d A u s f a h r t e n ausgestattet sind. D i e B e g r ü n d u n g z u 521
§ 18
StVO
Möhl
§ 18 (oben R N r . 1) weist darauf hin, daß sich nach dem Weltabkommen die Autobahnen von den Kraftfahrstraßen im wesentlichen nur nodi dadurch unterscheiden, daß jene kreuzungsfrei sein müssen, diese es nicht zu sein brauchen. Die Benutzungsvorschriften sind zwar im wesentlichen, aber (entgegen der amtlichen Begründung) nicht in allem die gleichen; (s. unten R N r . 4). Über die Aufstellung der Zeichen entscheidet die Straßenverkehrsbehörde, diese bedarf aber der Zustimmung der Obersten Landesbehörde; Vwv zu § 45 Abs. 1 III la. Nadi Vwv I I I zu § 2 Abs. 1 werden außerhalb geschlossener Ortschaften Straßen mit vier Fahrstreifen in der Regel als Kraftfahrstraßen zu kennzeichnen sein. Das schließt aber nicht aus, daß auch Schnellverkehrsstraßen mit nur zwei Fahrstreifen zu Kraftfahrstraßen erhoben werden. Nach Vwv III S. 2 zu Z. 330 ist Voraussetzung für die Kennzeichnung einer Straße als Autobahn, daß für den abgedrängten langsameren Verkehr andere Straßen, deren Benutzung zumutbar ist und für Anlieger anderweitige Ein- und Ausfahrten zur Verfügung stehen. § 42 Abs. 5 enthält die für Autobahnen geltenden Zeichen 330, 332—334. Außerdem beziehen sich noch folgende Zeichen auf die Autobahn: Z. 430 und 440 (Vorwegweiser), Z. 448—450, 453 (Wegweisung auf Autobahnen), Z. 460, 466 (nummerierte Bedarfsumleitung für den Autobahnverkehr), Z. 375—377 (Hinweise auf Autobahnhotel, Autobahngasthaus und Autobahnkiosk); das der Unterriditung über Namen von Ortschaften dienende Z. 385 wird auf Autobahnen in den Farben blau mit weißer Schrift ausgeführt. Für Kraftfahrstraßen gelten die Z. 331 (Anfang, Wiederholung mindestens an jeder Kreuzung und Einmündung) und Z. 336 (Ende).
3
Räumlicher Geltungsbereich Für den Bereich der Autobahnen und Kraftfahrstraßen gelten die allgemeinen V o r schriften, soweit sie nicht durch die Sondervorschriften des § 18 ersetzt sind. D e r Autobahn- und Kraftfahrstraßenbereich beginnt an der Stelle, an der das Z. 330, 331 angebracht ist und endet beim Z. 334 bzw. 336. Zum Autobahnbereich gehören deshalb auch die Zuund Abfahrtstraßen, soweit sie durch die genannten Zeichen gekennzeichnet sind, weiter die Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen, die Seitenstreifen, die Verbindungsstraßen zwischen den Aus- und Einfahrten 1 ) und die Verbindungswege zwischen zwei verschiedenen Autobahnstredcen vor einem Autobahnkreuz 4 ). Audi die Parkplätze und das zu Parkstellen, zu Rasthäusern und Kiosken gehörende Gelände gehört mit zur Autobahn, wenn sich dort auch gewisse Ausnahmen aus ihrer Zweckbestimmung ergeben.
4
Unterschiedliche Bestimmungen für Autobahnen und
Kraftfahrstraßen
Obwohl die Vorschriften für Autobahnen und Kraftfahrstraßen in einem Paragraphen zusammengefaßt sind, gelten diese Vorschriften doch nur zum Teil für beide Straßenarten. Für beide gelten folgende Vorschriften gemeinsam: Abs. 1 (Benutzung) Abs. 3 (Vorfahrt) Abs. 4 (Oberholen) Abs. 7 (Verbot des Wendens und Rückwärtsfahrens) Abs. 8 (Haltverbot) Abs. 9 (freie Gasse für Hilfsfahrzeuge). Gesonderte Vorschriften gelten nach Abs. 2 für das Einfahren und nach Abs. 11 für das Ausfahren, ferner nach Abs. 10 für das Betreten der Fahrbahn durch Fußgänger. N u r für Autobahnen gelten Abs. 5 (Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener O r t schaften) u. Abs. 6 (Ausnahme von der Pflicht, auf Sicht zu fahren). ') BGHSt. 18, 188 (9. 1. 63) = NJW 63, 597 =MDR 63, 428 = VkBl. 63, 217 = VerkMi«. 63, 51 = VRS 24, -= DAR 63, 199 = DRspr. II (293) 63 c.
522
2
) Celle 1. 10. 64, NdsRpfl. 64, 282 = VerkMitt. 64, 95 = DRspr. II (291) 120 ) A. M. Neustadt 21. 12. 55, DAR 56, 134 = DRspr. II (293) 19 a. 2 ) Oldenburg 14. 5. 57, DAR 57, 364.
552
) BGHSt 16, 160 (14. 6. 61) = DAR 61, 291 = MDR 61, 953 = VerkMitt. 61, 74 (gegen Neustadt, DAR 56, 134). 4 ) BRDrucks. 420/70.
3
Personenbeförderung
StVO
§ 21
tung erkennen läßt, daß der etwa vorhandene Laderaum in seiner wirtschaftlichen Bedeutung hinter der Zugleistung weit zurücksteht oder nur geringe Bedeutung hat 5 ). Auf Zugmaschinen ist (im Gegensatz zu den Ladeflächen des Lkw) die Beförderung von Personen grundsätzlich erlaubt, soweit „geeignete Sitzgelegenheit" vorhanden ist. Was darunter zu verstehen ist, sagt die Vwv zu Abs. 1 u. 2 : Geeignete Sitzgelegenheit ist jede Gelegenheit, worauf man sicher sitzen kann. Das werden in der Regel auch die Bodenbretter der Zuladeflädie sein. Nach der Vwv soll dies allerdings nur bei Zugmaschinen der Fall sein, die Anhänger für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke ziehen. Warum die Ladefläche nur bei solchen Zugmaschinen als Sitzgelegenheit geeignet sein soll, ist nicht erfindlich. Es wird vielmehr auf den einzelnen Fall, vor allem auf die Geschwindigkeit, ankommen, ob Bodenbretter der Zuladefläche als geeignete Sitzgelegenheit anzusehen sind. Nach § 35 a Abs. 2 S t V Z O müssen Zugmaschinen, ausgenommen Elektrozugkarren und einachsige Zugmaschinen mit einem fest angebrachten Sitz für mindestens einen Beifahrer ausgerüstet sein. c) Beförderung von Personen in Wohnwagen Wohnwagen hinter Kraftfahrzeugen sind Anhänger. Sie haben aber keine „Ladefläche" und werden offenbar deshalb vom Gesetzgeber nicht zu den Anhängern gerechnet, auf deren Ladefläche grundsätzlich niemand mitgenommen werden darf; (Abs. 2 S. 2). Eine nähere Begriffsbestimmung fehlt, doch ergibt sich aus der Bezeichnung Wohnwagen ohne weiteres, was gemeint ist. Da das Verbot, in Wohnwagen Personen mitzunehmen, ausdrücklich auf Wohnwagen mit einer Achse oder mit Doppelachse beschränkt ist, wäre das Mitnehmen von Personen in Wohnwagen mit zwei Achsen, die 2 m u. mehr auseinanderliegen, erlaubt, soweit nicht § 21 B O K r a f t (III/2 in Bd. II) entgegensteht, der die Beförderung von Personen mit Anhängern, die von Personenwagen gezogen werden, verbietet. (Als Doppelachse gelten nach § 34 Abs. 1 S. 3 StVZO zwei Achsen mit einem Abstand von mindestens 1 m und weniger als 2 m voneinander). 2. Beförderung von Personen auf der Ladefläche von Lastkraftwagen (Abs. 2) Allgemeines: Nach § 4 Abs. 4 P B e f G in der Fassung vom 21. 3. 1961 sind Kraftfahrzeuge Straßenfahrzeuge, die durch eigene Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Schienen oder eine Fahrleitung gebunden zu sein. Lastkraftwagen (Lkw) sind nach Nr. 3 a. a. O. Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Die Begriffsbestimmungen des PBefG sind hier verwendbar. Aufgesattelte Anhänger werden hinsichtlich der Personenbeförderung wohl wie Lkw zu behandeln sein, was früher in § 34 Abs. 5 S t V O 1937 ausdrücklich festgestellt war. Auf Kombiwagen erstreckt sich das Verbot nicht®). Die Ladefläche dient der Lagerung von Gütern und Gegenständen. Gegensatz: Führerhaus, Bremserhaus. „Auf der Ladefläche" bedeutet nicht nur auf den Bodenbrettern, sondern auch auf Sitzgelegenheiten, die sich auf den Bodenbrettern befinden. „Mitgenommen" werden im Sinne des § 21 alle mitgenommenen Personen, gleichgültig, ob die Beförderung der Zweck der Fahrt ist oder nur gelegentlich einer Fahrt stattfindet. Regel: Durdi V O vom 24. 8. 1953 wurde das Verbot der Personenbeförderung auf der Ladefläche von L k w und ihren Anhängern wegen der damit verbundenen Gefahren wesentlich verschärft. Die Beförderung ist seitdem grundsätzlich verboten. O b eine Beförderung im Führerhaus erlaubt ist, richtet sich darnach, ob die Mitfahrer nicht den Kraftfahrzeugführer in der Leitung und Bedienung des Fahrzeugs behindern. (§ 23 Abs. 1). Im übrigen 5) Begriffsbestimmung des BMV vom 6. 6. 62, VkBl. 62, 309; (s. RNr. 3 zu § 32 a StVZO, II in Bd. I.
«) Hamm 18. 3. 65, VRS 29, 302 = JMB1.NRW 65, 37 = VerkMitt. 65, 64 = VkBl. 65, 356.
§ 21
Möhl
StVO
ist sie erlaubt, soweit nicht Sondervorschriften entgegenstehen; (vgl. PBefG § 7, III/l in Bd. II). 8
Ausnahmen Das Verbot des Abs. 1 gilt nicht bis zu 8 Personen: 1. wenn die Beförderung von Personen zur Begleitung der aufgeladenen Güter erforderlicht ist, 2. wenn die Beförderung zur gleichzeitigen Vornahme von Arbeiten auf der Ladefläche geschieht, 3. wenn die Beförderung im Interesse des Arbeitgebers zur nachfolgenden Vornahme von Arbeiten geschieht, 4. wenn Arbeiter im gleichen Interesse von der Arbeitsstelle zurückbefördert werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist die Beförderung bis zum Ende der Fahrt zulässig. Daß für die Beförderten in diesem Falle geeignete Sitzgelegenheiten vorhanden sind, schreibt das Gesetz nicht vor, versteht sich aber von selbst, soweit die Beförderten nicht ausnahmsweise stehen dürfen (Abs. 2 S. 4). Rückbeförderung von der „Arbeitsstelle" ist audi die nach Abladung der Güter. Unter Arbeiten auf der Ladefläche ist z. B. das Streuen von Sand vom Lkw aus zu verstehen, aber auch Beaufsichtigung und Sicherung des Ladeguts. Daß die Arbeiten an der Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem beförderten Ladegut stehen müssen, sagt das Gesetz nicht 7 ). Es braucht überhaupt kein Ladegut befördert zu werden. Ein Bauunternehmer kann z. B. seine Arbeiter auf der Ladefläche seines Lkw von einer Baustelle auf eine andere befördern, ohne daß gleichzeitig Baumaterial verladen werden müßte. (So auch Vwv zu Abs. 2). Nur die regelmäßige Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte fällt darnach nicht unter die Ausnahme. Der Zweck der Vorschrift würde bei einer engen Auslegung verfehlt. Sie soll dem Gewerbetreibenden eine billige und rasche Beförderung seiner Arbeiter zu verschiedenen, weit auseinanderliegenden Arbeitsstellen ermöglichen 8 ). Eine Fahrt, die nur der Freizeitgestaltung der Arbeiter dient, fällt nicht unter die Ausnahme, weil sie nicht zur Vornahme von Arbeiten geschieht. Dagegen sollen Fahrschüler bei Übungs- und Prüfungsfahrten auf der Ladefläche des Lehrwagens mitgenommen werden dürfen 9 ). 3. Verbot der Beförderung von Personen auf Anhängern (Abs. 2 S. 2, 3)
9
Allgemeines Nach § 18 StVZO sind Anhänger hinter Kraftfahrzeugen mitgeführte Fahrzeuge mit Ausnahme von betriebsunfähigen Fahrzeugen, die abgeschleppt werden und von Abschleppachsen. Enger ist der internationale Begriff (Art. I 9 des Wiener Weltabkommens): „Anhänger" ist jedes Fahrzeug, das dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug gezogen zu werden. Die Vorschriften über Abmessungen von Anhängern sind in § 32 StVZO enthalten. Nach § 21 BOKraft (III/2 in Bd. II) ist die Beförderung von Personen mit Anhängern, die von Personenwagen gezogen werden, schlechthin verboten. Diese Vorschrift gilt nach § 1 a. a. O. für Kraftfahrunternehmen, die den Vorschriften des Gesetzes für die Beförderung von Personen zu Lande unterliegen. Auf Anhängern dürfen, soweit sie nicht für land- oder forstwirtschaftliche Zwedte eingesetzt sind (unten R N r . 10), Personen unter keinen Umständen mitgenommen werden, also auch nicht zur Begleitung der Ladung oder zu Arbeiten auf der Ladefläche. Damit wurde die Vorschrift gegenüber der früheren wesentlich verschärft. 7
) A. M. für die frühere, allerdings weniger klare Rechtslage: Koblenz 26. 6. 57, N J W 57, 1529 = DRspr. II (293) 27 c.
554
) So auch Brösicke, Anm. 7 zu § 34 StVO 1937. ®) AG Nabburg 2. 11. 54, R d K 55, 45.
8
Personenbeförderung Ausnahmen für (Abs. 2 S. 3)
StVO
Anhänger,
die für land-
und forstwirtschaftliche
Zwecke
eingesetzt
§ 21 sind
10
Durch die neue Formulierung kommt besser als früher in § 34 Abs. 4 S. 3 StVO 1937 zum Ausdruck, daß es darauf ankommt, ob der Anhänger im Einzelfall tatsächlich für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt wird. In diesem Fall dürfen „Personen" auf geeigneten Sitzgelegenheiten mitgenommen werden. Nach dem klaren Wortlaut gilt hier die Ausnahme vom Beförderungsverbot ohne Beschränkung auf Zahl und Art der beförderten Personen. Zwar sagte die amtliche Begründung zur früheren Vorschrift, der Landwirtschaft solle bei der Beförderung ihrer Arbeitskräfte eine zweckbegrenzte Ausnahme zugestanden werden. Eine Einschränkung auf Arbeitskräfte kommt aber in Satz 3 nicht zum Ausdrude. Die Beförderungserlaubnis ist daher nicht auf Arbeitskräfte dessen beschränkt, für den der Anhänger läuft 10 ). Während für die Beförderung von Personen auf der Ladefläche von Lkw, soweit sie zulässig ist, nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß Sitzgelegenheiten vorhanden sind, dürfen auf land- oder forstwirtschaftlichen Anhängern Personen nur auf „geeigneten Sitzgelegenheiten" mitgenommen werden. Geeignet ist eine Sitzgelegenheit, wenn die Gewähr besteht, daß man dort während der Fahrt ohne Gefahr sitzen kann. Nach der Vwv zu Abs. 1 u. 2 kann in diesem Fall auch die Ladefläche zum Sitzen geeignet sein. Welche Anforderungen an eine Sitzgelegenheit zu stellen sind, hängt vor allem von der Geschwindigkeit des Zuges ab. (Audi die Ladefläche von Zugmaschinen kann bei langsamer Fahrt eine geeignete Sitzgelegenheit sein; vgl. oben RNr. 4). 4. Verbot des Stehens (Abs. 2 S. 4) Während früher (§ 34 Abs. 3 S. 1) das Stehen während der Fahrt ausnahmslos verboten war, wird nunmehr eine Ausnahme von dem Verbot zugelassen, soweit das Stehen zur Begleitung der Ladung oder zur Arbeit auf der Ladefläche erforderlich ist. Wer nicht stehen darf, muß eine geeignete Sitzgelegenheit haben; (vgl. oben RNr. 8). Da das Stehen nur ausnahmsweise erlaubt ist, wenn es zur Begleitung der Ladung oder zur Arbeit auf der Ladefläche von Lastkraftwagen erforderlich ist, ist es beim Fahren auf Anhängern (die für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt sind) ausnahmslos verboten. Der Fahrzeugführer ist nach § 23 dafür verantwortlich, daß niemand unbefugt während des Fahrens steht 11 ), wie auch, daß die von den beförderten Personen eingenommenen Sitzgelegenheiten genügend Sicherheit gewährleisten. Stehen Begleitpersonen berechtigterweise auf der Ladefläche eines Lkw, dann muß dessen Führer entsprechend langsam fahren, damit sie nicht gefährdet werden.
11
5. Mitnahme von Kindern auf Fahrrädern (Abs. 3)
12
Die Neufassung der früher in § 30 Abs. 1 StVO 1937 enthaltenen Vorschrift hat einige Zweifelsfragen geklärt und die Anforderungen konkretisiert. Wie früher dürfen Kinder unter 7 Jahren auf Fahrrädern mitgenommen werden, ältere Personen also nicht. Früher wurde ausdrücklich von „einsitzigen" Fahrrädern gesprochen. Das versteht sich aber von selbst. Für zwei- oder mehrsitzige Fahrräder (Tandem) gibt es keine besonderen Vorschriften, Fahrräder mit Hilfsmotor gelten als Krafträder; (s. oben RNr. 3). Die Mitnahme von Kindern auf Fahrrädern mit Hilfsmotor regelt sich daher nicht nach Abs. 3, sondern nach Abs. 1. Während früher nur „Erwachsene" Kinder auf Fahrrädern mitnehmen durften, ist dies jetzt klarer und großzügiger bereits den „mindestens 16 Jahre alten" Personen gestattet. Dagegen wurden die Sicherheitsvorschriften für die mitgenommenen Kinder verschärft: Es genügt nicht mehr wie früher eine „Sitzgelegenheit", sondern erforderlich ist ein „besonderer Sitz". Zur Frage, was ein „besonderer Sitz" ist, kann auf das zu Abs. 1 Nr. 1 10
) Braunsdiweig 7. 5. VerkMitt. 57, 43.
57,
VRS
14,
137
=
" ) Für die frühere Rechtsl.: BayObLG 22. 2. 61, 1 St 769/1960.
555
§§21,22
Möhl
StVO
Gesagte verwiesen werden; (oben R N r . 3). Es genügt also nicht ein auf den Gepäckträger gelegtes Kissen 12 ). Während früher nur der Zweck der weiteren Sicherheitseinrichtungen genannt wurde, nämlich, zu gewährleisten, daß die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten, wird jetzt konkret angegeben, wie dies zu geschehen hat, nämlich durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen. Mit der Frage, wie die Vorkehrungen beschaffen sein sollen, durch die sichergestellt wird, daß die Füße der Kinder nicht in die Speidien geraten können, befaßten sich die Richtlinien für die Anbringung von Kindersitzen an Fahrrädern vom 14. 2. 1966 (VkBl. 66, 122), die auch für die Auslegung der neuen Rechtslage von Bedeutung sind. Darnach müssen die Radspeichen über ein Segment von je 45° beiderseits des Aufstützpunktes der Fußstützen abgedeckt sein, es sei denn, daß Vorrichtungen in den Fußstützen selbst oder Ergänzungsvorrichtungen an den Fußstützen vorhanden sind, die ein Abgleiten oder Abheben der Füße verhindern. Auch wenn die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen gegeben sind, darf ein Kind nur dann auf dem Fahrrad mitgenommen werden, wenn sichergestellt ist, daß es den Fahrer nicht in der Lenkung behindert; (§ 23). C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die Personenbeförderung nach § 21 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 20 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Die Vorschrift des Abs. 2 S. 4 (Verbot des Stehens) richtet sich an den Beförderten. Alle übrigen Bestimmungen des § 21 richten sich an den Fahrzeugführer. Die verbotenerweise Beförderten oder im Fall des Abs. 2 S. 4 der Fahrzeugführer kommen aber als Beteiligte im Sinne des § 9 Abs. 1 OWiG in Frage. Eine Gefährdung der unzulässigerweise Mitgenommenen gehört nicht zum Tatbestand der Ordnungswidrigkeit 13 ). Die Einwilligung des Verletzten in einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 beseitigt diese Ordnungswidrigkeit nicht; vgl. § 1 R N r . 186. Wer verbotswidrig Personen mitnimmt, hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß sie nicht zu Schaden kommen 1 4 ). Lassen sich Personen mitnehmen, obwohl die Voraussetzungen nach § 21 nicht vorliegen, dann kann aber darin u. Umst. eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung in eine Körperverletzung liegen, die auf die verbotene Beförderung zurückzuführen ist 15 ). Hat der Fahrzeugführer allerdings verbotenerweise betrunkene Personen mitgenommen, dann kann bei einem Unfall strafschärfend berücksichtigt werden, daß er bei ihnen mit verkehrswidrigem Verhalten rechnen mußte 16 ).
§ 22 Ladung (1) Die L a d u n g sowie Spannketten, Geräte und sonstige Ladeeinrichtungen sind verkehrssicher zu verstauen und gegen Herabfallen und vermeidbares L ä r m e n besonders zu sichern. (2) F a h r z e u g e und L a d u n g dürfen zusammen nicht höher als 4 m und nicht breiter als 2,5 m sein. Fahrzeuge, die für Iand- oder forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden, dürfen, wenn sie mit Iand- oder forstwirtschaftlichen E r z e u g nissen beladen sind, samt L a d u n g höher als 4 m, aber nicht breiter als 3 m sein. (3) Die L a d u n g darf nach v o r n nicht über das Fahrzeug, bei Zügen nicht über das ziehende F a h r z e u g hinausragen. ) A. M. für die frühere Rechtsl.: Neustadt wie Fußn. 1. 1 3 ) Hamm 6. 4. 54, V R S 7, 202. 1 4 ) Vgl. B G H 13. 12. 56, V R S 12, 208 = VerkMitt. 57, 39. 12
556
> J ) Oldenburg 14. 10. 58, D A R 59, 128; ähnlich B G H 13. 7. 59, V R S 17, 277 = D A R 59, 300. >«) B G H 17. 3. 61, V R S 20, 429.
Ladung
StVO
§ 22
(4) Nur bei Beförderungen über eine Wegstrecke bis zu 100 km darf die Ladung nach hinten hinausragen. Fahrzeug oder Zug samt Ladung darf nicht länger als 20 m sein. Ragt das äußerste Ende der Ladung mehr als 1 m über die Rückstrahler des Fahrzeugs nach hinten hinaus, so ist es kenntlich zu machen durch mindestens 1. eine hellrote, nicht unter 30 X 30 cm große, durch eine Querstange auseinandergehaltene Fahne, 2. ein gleich großes, hellrotes, quer zur Fahrtrichtung pendelnd aufgehängtes Schild oder 3. einen senkrecht angebrachten zylindrischen Körper gleicher Farbe und Höhe mit einem Durchmesser von mindestens 35 cm. Diese Sicherungsmittel dürfen nicht höher als 1,5 m über der Fahrbahn angebracht werden. Wenn nötig (§ 17 Abs. 1), ist mindestens eine Leuchte mit rotem Licht an gleicher Stelle anzubringen, außerdem ein roter Rückstrahler nicht höher als 90 cm. (5) Ragt die Ladung seitlich mehr als 40 cm über die Fahrzeugleuchten, bei Kraftfahrzeugen über den äußeren Rand der Lichtaustrittsflächen der Begrenzungsoder Schlußleuchten hinaus, so ist sie, wenn nötig (§ 17 Abs. 1), kenntlich zu machen, und zwar seitlich höchstens 40 cm von ihrem Rand und höchstens 1,5 m über der Fahrbahn nach vorn durch eine Leuchte mit weißem, nach hinten durch eine mit rotem Licht. Einzelne Stangen oder Pfähle, waagerecht liegende Platten und andere schlecht erkennbare Gegenstände dürfen seitlich nicht hinausragen. Vwv zu § 22 Zu Absatz 1: I. Zu verkehrssicherer Verstauung gehört sowohl eine die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht beeinträchtigende Verteilung der Ladung, als auch deren sidiere Verwahrung, wenn nötig Befestigung, die ein Verrutsdien oder gar Herabfallen unmöglich macht. II. Schüttgüter, wie Kies, Sand, aber auch gebündeltes Papier, die auf Lastkraftwagen befördert werden, sind in der Regel nur dann gegen Herabfallen besonders gesichert, wenn durch überhohe Bordwände, Planen oder ähnlidie Mittel sichergestellt ist, daß auch nur unwesentliche Teile der Ladung nicht herabfallen können. III. Es ist vor allem verboten, Kanister oder andere Blechbehälter ungesichert auf der Ladefläche zu befördern. IV. Vgl. auch § 32 Abs. 1. Übersicht A. Allgemeines I. Entstehungsgeschichte des § 19 StVO 1937 II. Amtliche Begründung der neuen Vorschrift III. Überblick — Vergleich mit der früheren Regelung
RNr. 1-3 1 2 3
B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 4-15 I. Unterbringung der Ladung (Abs. 1) 4-9 Ladung (4), Verstauen (5), Verkehrssicherheit (6), Herabfallen (7), Lärm (8), Wer ist für die Ladung verantwortlich? (9)
I. Entstehungsgeschichte:
RNr. II. Höhe und Breite von Fahrzeug und Ladung (Abs. 2) 10-11 Allgemeines (10), Ausnahmen (11) III. Hinausragen der Ladung (Abs. 3-5) 12-15 1. nach vorn (Abs. 3) 12 2. nach hinten (Abs. 4) 13-14 Ausnahme in der 100 kmZone (13), Sicherungsmittel (14) 3. nach der Seite (Abs. 5) 15 C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
16
A. Allgemeines
Nach § 4 XI VüKV v. 28. 7. 36 mußte die Ladung so verteilt, verwahrt oder befestigt «ein, daß sie weder Personen noch Sachen beschädigen oder verunreinigen, noch die Sicht des Führers nach vorne und nach der Seite behindern, noch hinausfallen, noch starkes Geräusch oder das Umschlagen des Fahrzeugs verursachen konnte. Durch die VO vom 21. 3.
557
§ 22
StVO
Möhl
56 wurde für Transporte über die Nahzone hinaus allgemein verboten, daß die Ladung über das Fahrzeug nadi hinten hinausragt. Im neuen Satz 2 des Abs. 3 wurden durch die VO vom 7. 7. 1960 einer Empfehlung des Unterausschusses Straßenverkehr der E C E vom 17. 9. 57 — Resolution N r . 85 — Trans/197/Anhang 3 — folgend Vorschriften über die Kenntlichmachung seitlichen Hinausragens der Ladung eingefügt, die der Verminderung der Gefahren des Verkehrs bei Nacht Rechnung tragen sollen. Das Ende der Ladung muß nach der gleichen V O nur mehr dann kenntlich gemacht werden, wenn es mehr als 1 m über das Fahrzeug hinausragt. Die Bezeichnung „Laternen" wurde durch „Leuchten" ersetzt. 2
II. Amtliche Begründung der neuen Vorschrift Hier ist zusammengefaßt, was über die Ladung von Verkehrsmitteln aller Art vorzuschreiben ist. Audi diese Vorschriften sind gefälliger gefaßt und gesondert; die Maße des Paragraphen sind in Anbetracht des angesprochenen Personenkreises von Millimeter auf Zentimeter umgestellt. Mit Millimetern rechnet der Techniker, nicht aber das Ladepersonal. Die sachlichen Änderungen sind geringfügig und entsprechen dem Weltabkommen. Zu Absatz 1: Die auf dem Beschluß des Bundesrates beruhende Fassung will wirksameres Einschreiten namentlich gegen Herabfallen von Ladungsteilen und gegen vermeidbares Lärmen der Ladung gewährleisten. Zu Absatz 2: Hier, wo von Höhe und Breite der Ladung die Rede ist, wird im Interesse der Verkehrssicherheit eine Einschränkung gegenüber dem § 19 Abs. 5 StVO (alt) für erforderlich gehalten. Bisher gelten diese Beschränkungen allgemein für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse nicht. Die gefährliche Ausnahme läßt sich in der nun eingeschränkten Fassung rechtfertigen; namentlich in Erntezeiten könnte die Vorschrift nicht eingehalten werden. Es läßt sich aber nicht verantworten, sie auch für Fuhrunternehmer oder Händler, die land- oder forstwirtschaftliche Erzeugnisse befördern, zuzulassen. Darüber hinaus muß diese Ausnahme auch in einem weiteren Punkt eingeschränkt werden. Breiter als 3 m dürfen künftig auch Land- und Forstleute nicht laden; diese Grenzziehung deckt sich mit der durch § 32 Abs. 1 StVZO gesetzten Höchstbreite für land- und forstwirtschaftliche Arbeitsgeräte. Sachverständige haben zugestimmt. Einschränkungen auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen sind § 18 Abs. 1 Satz 2 zu entnehmen. Zu Absatz 3: Er enthält geltendes Recht. Z» Absatz 4: Wenn man die Verordnung dem Publikum in die Hand geben will, so kann die bisherige Fassung des § 19 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz StVO (alt), wo von Beförderungen innerhalb der Nahzone die Rede ist und dazu in einem Klammervermerk auf § 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes mit Angabe des Datums der Verkündung und der Ausgabe des Bundesgesetzblatts verwiesen wird, nicht beibehalten werden. Zudem ist selbst für rechtskundige Spezialisten damit nicht jede Unklarheit ausgeräumt. Die Verordnung zieht deshalb die Grenze ausdrücklich bei 100 km. Verfassungsrechtliche Bedenken können dagegen nicht erhoben werden. Abgesehen davon, daß die Gefahren für den Verkehr mit der Länge der Wegstrecke ständig wachsen, zwingt auch der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu einer Grenzziehung. Von Fernverkehrsunternehmen kann sehr wohl verlangt werden, daß sie für überlange Ladungen Spezialfahrzeuge einsetzen; der Handwerker, der kaum je über seinen Bezirk hinaus beschäftigt ist, muß seine Leitern und Bretter auf normalen Fahrzeugen laden dürfen, ebenso wie der Mann ohne Gewerbebetrieb, der nur ausnahmsweise einmal ein sperriges Gut transportieren muß. Das seit Jahrzehnten vorgeschriebene Mindestmaß für die Warnfahne genügt heutigen Sicherheitsanforderungen nicht mehr. Es wird deshalb auf 30 x 30 cm erhöht. Die am Ende des letzten Satzes angefügte Vorschrift über das richtige Anbringen des Rückstrahlers dient zusätzlich der Sicherheit. Zu Absatz 5: Er übernimmt geltendes Recht.
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III. Überblick — Vergleich mit der früheren Regelung § 22 übernimmt im wesentlichen die früher in § 19 StVO 1937 enthaltenen Vorschriften über die Ladung von Fahrzeugen. Die Vorschriften über Beförderung und Unterbringung von Personen und ihr Verhalten während der Fahrt wurde gestrichen. Außer 558
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§ 22
dem Verbot in § 21 Abs. 2 S. 4, während der Fahrt auf der Ladefläche eines Lkw zu stehen, enthält die neue StVO keine Vorschriften, die sich speziell an die von einem Fahrzeug beförderten Personen wenden. § 23 Abs. 1 bürdet dem Fahrzeugführer dafür die Verantwortung auf, daß seine Sicht nicht durdi die „Besetzung" beeinträchtigt wird, daß die Besetzung vorschriftsmäßig ist und daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht durch die Besetzung leidet. Den Mitgliedern der „Besetzung" wurden aber keine entsprechenden Pflichten auferlegt. Abs. 1 enthält insofern gegenüber der früheren Rechtslage eine bedeutsame Änderung, als aus dem konkreten, ein abstraktes Gefährdungsdelikt wurde 1 ). Auch wenn niemand durch den Verstoß gegen Abs. 1 auch nur belästigt wird, ist die Verletzung der Vorschrift bußgeldbewehrt. Neu ist hier auch die Erstreckung der Verstauungspflicht auf Spannketten, Geräten und sonstige Ladeeinrichtungen. In Abs. 2 werden die früher unbeschränkt zugelassenen Ausnahmen von den Vorschriften über Höhe und Breite der Ladung bei landund forstwirtschaftlichen Erzeugnissen eingeschränkt. Fahrzeuge, die für den Transport dieser Erzeugnisse eingesetzt sind, dürfen mit ihrer Ladung zwar unbeschränkt höher als 4 m, aber nicht breiter als 3 m sein. In Abs. 4 wird die früher für die Beförderung innerhalb der „Nahzone" (§ 2 GüKG) geltende Ausnahme von der Vorschrift, daß die Ladung nicht nach hinten über das Fahrzeug herausragen darf, konkretisiert auf einen Umkreis von 100 km. Die Größe der zur Kenntlichmachung vorgeschriebenen Fahne wurde von 20/20 cm auf 30/30 cm erhöht. Anstelle des quer zur Fahrtrichtung aufgehängten Schildes wird ein senkrecht angebrachter zylindrischer Körper zugelassen. Unklar ist das Verhältnis zu § 23 Abs. 1 insofern, als § 23 sich mit „sonstigen" Pflichten des Fahrzeugführers befaßt, während § 22 die für die Ladung geltenden Pflichten bereits sämtlich enthält. Daß sich § 22 zwar nicht ausschließlich, aber doch in erster Linie an den Fahrzeugführer wendet, ist selbstverständlich, § 23 Abs. 1 kann also auch nicht die Bedeutung haben, daß durch ihn erst bestimmt würde, wer die Pflichten aus § 22 hat. Der Fahrzeugführer, der gegen eine der Ordnungsvorschriften des § 22 verstößt, macht sich damit immer gleichzeitig eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 schuldig, wenn man dieser Vorschrift gegenüber § 22 eine selbständige Bedeutung zumißt und nicht nur § 22 als das speziellere Gesetz anwendet (Näheres s. unten R N r . 15). § 22 dient, wie Abs. 1 klar ausdrückt, in erster Linie der Verkehrssicherheit, dann aber auch dem Lärmschutz. Wenn Waren während der Beförderung beschädigt werden, ohne daß dabei die Verkehrssicherheit leidet, können von den Geschädigten daraus höchstens zivilrechtliche Ansprüche hergeleitet werden. Der Tatbestand des § 22 ist nicht erfüllt. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Unterbringung der Ladung (Abs. 1) Ladung Die Vorschrift gilt für die Ladung von Fahrzeugen aller Arten. Ladung ist alles, was vom Fahrzeug an Sachen zur Beförderung übernommen worden ist, also nicht seine eigene Ausrüstung; auch nicht Personen. Ladung ist, was auf (oder sonstwie an) dem Fahrzeug zwecks Beförderung untergebracht ist, also was das Fahrzeug trägt; nicht, was es durch Zug fortbewegt (z. B. ein abgeschlepptes Fahrzeug) 2 ). Der nach vorn (über die Stoßstange) hinausragende Kranausleger des Kranwagens ist (weil nicht Ladung) nicht auf Grund des Abs. 3, unzulässig; hält er sich in den Abmessungen des § 32 I 3 StVZO, so kann er nur nach § 30 a. a. O. Satz 1, 1. Halbs, beanstandet werden. >) Für die frühere Rechtslage: BayObLGSt 61, 162 (5. 7. 61) = N J W 61, 2125 = VerkMitt. 61, 82 = VRS 21, 467 = VkBl. 62,
2
300; Hamm 14. 10. 63, VerkMitt. 64, 32 = VRS 27, 300. ) Frankfurt 29. 8. 56, DAR 57, 192.
§ 22
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Wird Kies verladen, so gehört das dem Kies anhaftende Wasser mit zur Ladung, muß also beim „Verstauen" berücksichtigt werden 3 ). Bei dem Wassergehalt einer Kiesladung handelt es sich nicht um eine „Beschaffenheit" der Ladung, sondern um einen Teil der Ladung, mag dieser auch unerwünscht und nebensächlich sein. Das dem Kies anhaftende Wasser tritt nach außen nur dann in Erscheinung, wenn die Kiesladung auf dem Fahrzeug so mangelhaft verstaut wird, daß ein Durchtropfen des Wassers nicht verhindert wird. Die unerwünschten Folgen sind daher nicht Folgen der Beschaffenheit des Kieses, sondern der unzureichenden Einrichtungen des Fahrzeugs, die ihrerseits der Beschaffenheit der Ladung Rechnung tragen müssen. Neu ist das Gebot, auch Spannketten, Geräte und sonstige Ladeeinrichtungen verkehrssicher zu verstauen. Diese gehören nicht zur Ladung, sondern zur Ausrüstung des Fahrzeugs 4 ). Es ist zu begrüßen, daß sie in das Gebot mit eingeschlossen wurden, zumal gerade von solchen Geräten häufig ein störender Lärm ausgeht, wenn sie nicht sorgfältig befestigt werden. 5
Verstauen Das „Verstauen" entspricht begrifflich dem früheren (s. oben R N r . 1) „Verteilen, Verwahren oder Befestigen"; (s. Vwv). Durch das „Verstauen" der Ladung muß auch gewährleistet sein, daß nicht Teile der Ladung während der Fahrt vom Fahrzeug herunterfallen können. Darauf weist die neue Fassung ausdrücklich hin. Wie der Forderung ordnungsmäßiger Verstauung genügt wird, hängt in erster Linie von der Beschaffenheit des Laderaums, insbesondere der Ladefläche und der Beschaffenheit des Ladegutes ab. Bei der Verstauung der Ladung sind die für die äußere Begrenzung der Ladung geltenden Vorschriften der Abs. 2 — 5 zu beachten. Dem Erfordernis des Satzes 1 genügt die Ladung nicht, wenn Teile davon durch verhältnismäßig geringfügigen Stoß vom Wagen herabgedrückt werden 5 ). Bei ungünstigen Witterungsverhältnissen kann besondere Befestigung veranlaßt sein 6 ). Besonders sperrige Ladung (Bierfässer) muß durch besondere Einrichtungen gesichert werden 7 ). Bei lehmhaltigen Kiestransporten soll die Beschaffenheit der Fahrzeugaufbauten ein Tropfen der Ladung während der Fahrt verhindern (s. oben R N r . 3) 8 ). Zur ordnungsmäßigen Verstauung gehört auch die Verteilung der Ladung auf der Ladefläche und bei Zügen auf die einzelnen Fahrzeuge (vgl. § 42 S t V Z O ) , da eine ungleichmäßige Verteilung schwerer Lasten nicht nur die Lenkfähigkeit des Fahrzeuges beeinträchtigt und die Schleudergefahr erhöht, sondern auch das gleichmäßige Abbremsen aller Räder erschwert oder unmöglich macht"). Die gegenteilige Meinung des B G H 1 0 ) begegnet Bedenken. In § 19 Abs. 1 Satz 2 war bestimmt, daß die Betriebssicherheit des Fahrzeuges durch die Ladung nicht leiden darf. Daran hat sich nichts geändert; Betriebssicherheit und Verkehrssicherheit lassen sich nicht trennen. Wird die Ladung zwischen Zugwagen und Anhänger nicht richtig verteilt, so leidet darunter die Betriebssicherheit der Fahrzeuge. Dem muß bei der „Verstauung" der Ladung auf den einzelnen Fahrzeugen Rechnung getragen werden. Langholzfuhren sollen zumindest durch eine Spannkette, möglichst auch durch Eisenklammern gesichert werden 1 1 ). Die Befestigung der Ladung muß auch die besonderen Verhältnisse berücksichtigen, die darin liegen, daß Holzstämme naß und glitschig sind 12 ).
«) Köln 21. 4. 53, VRS 5, 395; Hamm 11. 11. 60, VRS 21, 232; OVG Lüneburg 21. 3. 57, VRS 14, 224, 226; a. M. Düsseldorf 20. 9. 61, NJW 61, 2224; Celle 27. 10. 56, DAR 57, 245. 4 ) Düsseldorf 13. 5. 54, DAR 54, 191. 5 ) RG 21. 2. 28, J W 28, 2327. ') RG 12. 7. 39, VAE 39, 403.
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') 8) 9) >°)
RG 21. 11. 29, DAR 29, 426. Hamm 11. 11. 60, VRS 21, 232. Hamm 13. 6. 60, VRS 20, 462. BGH 26. 8. 60, VRS 19, 348 = VerkMitt. 61, 39. " ) Tübingen 20. 2. 49, VkBl. 51, 74. 1 2 ) BGH 18. 8. 55, VRS 10, 75.
Verstauung der L a d u n g
StVO
§ 22
Verkehrssicherheit Während in § 19 Abs. 1 S t V O 1937 unterschieden w u r d e zwischen d e m Schutz anderer u n d der Betriebssicherheit des Fahrzeugs, ist nun im G e b o t des A b s . 1, die L a d u n g etc. „verkehrssicher" z u verstauen, sowohl der Schutz anderer wie die Betriebssicherheit des Fahrzeugs mitinbegriffen. Ein Fahrzeug, das nicht betriebssicher ist, ist auch nicht verkehrssicher. D e r Unterschied liegt gegenüber f r ü h e r nur darin, daß n u n m e h r bereits die abstrakte G e f ä h r d u n g des übrigen Verkehrs ausreicht, u m den Tatbestand des § 22 zu erfüllen. Ist der Zweck des Verstauens allgemein die Verkehrssicherheit, dann m u ß dabei also auch darauf geachtet werden, daß die Betriebssicherheit des Fahrzeugs durch die L a d u n g nicht leidet. D i e Betriebssicherheit dient nicht nur d e m Schutz der außerhalb des Fahrzeugs befindlichen Verkehrsteilnehmer, sondern aller „ A n d e r e n " u n d auch der F a h r zeuginsassen, also der Beförderten 1 3 ). D e r f ü r das Verstauen der L a d u n g Verantwortliche m u ß deshalb auch d a f ü r sorgen, daß kein auf der Ladefläche befindlicher Arbeiter steht, (obwohl es nicht zur Begleitung der L a d u n g oder zur A r b e i t auf der Ladefläche e r f o r d e r licht ist) u n d sich an einem nicht genügend befestigten Teil der L a d u n g festhält 1 4 ). A n d e r n falls ist die L a d u n g nicht „verkehrssicher" verstaut. D i e Pflichten aus § 21 Abs. 2 u n d aus § 22 Abs. 1 überschneiden sich insoweit, als durch nicht verkehrssichere Beladung die Sicherheit der B e f ö r d e r t e n beeinträchtigt wird. Durch die L a d u n g darf weder das ordnungsmäßige Arbeiten der Vorrichtungen des Fahrzeugs noch die H a n d h a b u n g u n d B e n ü t z u n g der Einrichtungen des Fahrzeugs durch den F a h r z e u g f ü h r e r (z. B. Hebelbedienung, Rückspiegel) beeinträchtigt werden. D a die Verkehrssicherheit auch durch die A r t und Menge der L a d u n g in Frage gestellt werden kann, g e h ö r t z u m verkehrssicheren Verstauen der L a d u n g auch, daß mengenmäßig nicht zu viel Ware verladen wird. Die G r e n z e n des zulässigen Gesamtgewichts ergeben sich i m übrigen aus § 34 S t V Z O , die zulässige Anhängelast hinter K r a f t f a h r z e u g e n aus § 42 S t V Z O . In § 19 A b s . 1 S. 2 H a l b s a t z 2 S t V O 1937 war ausdrücklich bestimmt, daß die Betriebssicherheit auch nicht durch die U n t e r b r i n g u n g u n d das Verhalten v o n b e f ö r d e r t e n Personen leiden darf. Eine entsprechende Vorschrift fehlt in der neuen S t V O . M a n wird aber m i t H i l f e des § 23 Abs. 1 S t V O , 9 Abs. 1 O W i G zu d e m gleichen Ergebnis gelangen. Darnach ist der F a h r z e u g f ü h r e r u. a. d a f ü r verantwortlich, daß seine Sicht nicht durch die Besetzung leidet, daß die Besetzung „ v o r s c h r i f t s m ä ß i g " ist u n d daß die Verkehrssicherheit des F a h r zeugs nicht durch die Besetzung leidet. D i e B e f ö r d e r t e n k o m m e n als Beteiligte im Sinne des § 9 Abs. 1 O W i G in Frage, wenn durch sie die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs in Frage gestellt wird. Herabfallen D a z u m verkehrssicheren Verstauen der L a d u n g v o r allem die Sicherheit gegen das H e r a b f a l l e n v o n Teilen der L a d u n g auf die F a h r b a h n gehört, hätte es eines ausdrücklichen Hinweises im Gesetz nicht b e d u r f t . D i e seltenen und unwichtigen Fälle, in denen herabfallende Teile der L a d u n g die Verkehrssicherheit nicht berühren (z. B. Strohhalme), in denen also das G e b o t der „verkehrssicheren" Verstauung der L a d u n g das H e r a b f a l l e n nicht ausschließen würde, hatte der Gesetzgeber k a u m im Auge. D a s G e b o t bezieht sich auch auf die nicht seltenen Fälle, daß Wasser v o n der L a d u n g a b t r o p f t . Durch das a b t r o p f e n d e Wasser kann der übrige V e r k e h r in verschiedener Beziehung gefährdet werden, z. B. bei Frost, Glatteisstellen; f ü r Fahrzeuge, die hinter dem wasserversprühenden Fahrzeug herfahren, Beeinträchtigung der Sicht. D i e neue F o r m u l i e r u n g ermöglicht es hier, auch in Fällen einzuschreiten, in denen eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g nicht erweislich ist. N o c h gefährlicher ist das H e r a b f a l l e n v o n Sand und Kiesteilchen, durch die die Windschutzscheiben nachfolgender Fahrzeuge z e r t r ü m m e r t werden können. In diesen Fällen bedarf es nicht 13
) A. M. Köln 17. 6. 52, VkBl. 52, 432.
14
) BayObLG 22. 2. 61, RReg. 1 St 769/1960.
36 S t V O + S t G B
15
) So mit Recht Jagusch StVO § 22 Anm. 1 d.
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nur höherer Bordwände, worauf die Vwv hinweist, sondern vor allem auch dichter Auf bauten und weiter sorgfältiger Abdeckung15). Das Gebot, die Ladung gegen das Herabfallen besonders zu sichern, überschneidet sich mit dem Verbot des § 32 Abs. 1, die Straße zu beschmutzen oder zu benetzen oder Gegenstände auf die Straße zu bringen. 8
Lärm Das Gebot Ladung, sowie Spannketten, Geräte und sonstige Ladeeinrichtungen gegen vermeidbares Lärmen „besonders" zu sichern, überschneidet sich mit dem Verbot unnötigen Lärmens bei der Benutzung von Fahrzeugen nach § 30 Abs. 1. Das Gebot ist neu, bisher konnte höchstens mit Hilfe des § 1 wegen einer konkreten vermeidbaren Belästigung eingeschritten werden; (vgl. § 1 R N r . 179). Nun genügt die abstrakte Möglichkeit einer Belästigung. Während die „besondere" Sicherung gegen das Herabfallen mit zur vorschriftsmäßigen Verstauung der Ladung gehört, hat das Gebot, die Ladung etc. gegen vermeidbares Lärmen „besonders" zu sichern, einen guten Sinn. Denn dieser Lärmschutz gehört nicht notwendig zur verkehrssicheren Verstauung. Er ist etwas Zusätzliches. Vor allem klirrende Ketten 1 *) und ungesichert auf der Ladeflädie beförderte Kanister oder andere Blechbehälter (Vwv III zu Abs. 1) können vermeidbaren Lärm erzeugen.
9
Wer ist für die Ladung verantwortlich? Wer für die Verstauung der Ladung verantwortlich ist, sagt § 22 nicht. Nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 u. 2 StVO, ist in erster Linie der Führer des Fahrzeuges bzw. des Zuges für den vorschriftsmäßigen Zustand der Ladung verantwortlich. Er hat die Ladung grundsätzlich vor Antritt der Fahrt zu prüfen (s. § 23 RNr. 8), u. Umst. aber auch unterwegs (§ 23 RNr. 14). So wenn das Ladegut gegenüber Erschütterungen besonders empfindlich ist 17 ). Die Verantwortung trifft ihn auch dann, wenn er das Aufladegeschäft nicht selbst besorgt hatte, dies vielmehr von anderen, seiner Leitung und Beaufsichtigung nicht unterstellten Personen vorgenommen worden war 18 ). Allerdings findet seine Verantwortlichkeit ihre natürliche Grenze dort, wo der Fahrzeugführer auch bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen und von ihm zu erwartenden Sorgfalt Mängel in der Verstauung nicht erkennen kann. In diesem Fall darf er sich auf die ordnungsgemäße Verstauung durch Fachkräfte verlassen18). Wer der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verstauung zuwiderhandelt, trägt auch die Verantwortung für Schäden, die durch die mangelhafte Verstauung (etwa durdi Herabfallen eines Teiles der Ladung auf die Straße) verursacht werden, denn für ihn sind solche Schäden voraussehbar. Neben der Verantwortlichkeit des Führers kommt die des Fahrzeughalters, ferner die jedes für die ordnungsmäßige Beladung Verantwortlichen in Betracht 20 ), z. B. des Eigentümers, des Entleihers, des Betriebsunternehmers sowie des Betriebsleiters (§ 23 RNr. 17; § 10 OWiG). Ein Fuhrunternehmer, der unter Mißachtung der berechtigten Einwendungen seines Fahrers den Lastzug so beladen läßt, daß die Verkehrssicherheit des Zuges erheblich beeinträchtigt wird, handelt grob fahrlässig21). II. Höhe und Breite von Fahrzeug + Ladung (Abs. 2)
10
Allgemeines Die nadi Abs. 2 S. 1 zulässigen Maße (nicht höher als 4 m, nicht breiter als 2,50 m) entsprechen den für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger nach § 32 StVZO geltenden Maßen. ) Düsseldorf 2. 2. 61, VerkMitt. 62, 11. " ) BGH 23. 10. 59, VRS 17, 462 = DRspr. II (293) 40 a ; vgl. auch BGH 9. 4. 65, VRS 29, 26. 1 8 ) Düsseldorf 18. 1. 67, VerkMitt. 67, 87. 1 8 ) BayObLG J W 29, 2830 Nr. 7 = DAR 29, 18
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301; Köln 22. 3. 55, VRS 8, 381 = D A R 55, 118. ) BayObLGSt 62, 267 (14. 11. 62) = VRS 24, 300 = VerkMitt. 63, 28 = VkBl. 63, 219. 2 1 ) BGH(Z) 16. 5. 57, VRS 13, 94. 2C
Höhe und Breite von Fahrz. + Ladung, Hinausragen
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§ 22
Es sind die gleichen Maße, die früher nach § 19 Abs. 2 u. 4 StVO 1937 galten. Ausnahmen von den Vorschriften des § 22 Abs. 2—4 können nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 die Straßenverkehrsbehörden genehmigen und zwar in bestimmten Einzelfällen oder allgemein f ü r bestimmte Antragsteller. Ausnahmen Eine Ausnahme von den Vorschriften über Höhe und Breite von Fahrzeug und Ladung sieht das Gesetz selbst vor: Schon § 19 Abs. 5 StVO 1937 hatte „land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse" (außerhalb der Bundesautobahnen) von diesen Vorschriften ausgenommen. In § 22 wurde diese Ausnahme nunmehr konkretisiert und etwas eingeschränkt: Sie gilt nur für Fahrzeuge, die für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt und mit land- oder forstwirtschaftlichen Erzeugnissen beladen sind. Die Ausnahme gilt also nicht für die Beförderung von landwirtschaftlichem Bedarf oder für die Fahrten von Händlern landwirtschaftlicher Erzeugnisse (vgl. die amtliche Begründung). Die Pflichten aus § 22 Abs. 1 berührt die Ausnahmevorschrift nicht. Der Fahrzeugführer wird deshalb nicht durch Abs. 2 S. 2 entschuldigt, wenn der Rückspiegel durch die Breite der Ladung unwirksam wird 22 ). Während früher für die Breite der privilegierten Fahrzeuge kein Grenzwert galt, darf die Breite nunmehr 3 m nicht überschreiten, überschreitet die Breite der Ladung die im Regelfall geltende Grenze von 2,50 m zulässigerweise, so muß dies den Fahrzeugführer zu besonderer Vorsicht veranlassen, insbesondere zum Einhalten der äußersten rechten Fahrbahnseite 23 ). Das Höchstmaß von 3 m entspricht dem in § 32 Abs. 1 N r . 1 b StVZO angeordneten. Ausnahmen von den Vorschriften über die zulässige Länge von Fahrzeugen und Zügen (nach Abs. 4 20 m) sind im Gesetz nicht vorgesehen. (Notfalls Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5; dazu die Zusatzrichtlinien in VkBl. 69, 146). Zu beachten ist, daß die Ausnahmen von den Vorschriften über Höhe und Breite nach § 1 8 Abs. 1 für das Fahren auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen nicht gelten (während früher die gleiche Ausnahme von der Ausnahme im § 19 Abs. 5 StVO 1937 mitenthalten war). III. Hinausragen der Ladung (Abs. 3—5) 1. nach vorn (Abs. 3) Wie früher (§ 19 Abs. 3 StVO 1937) darf die Ladung keinesfalls nach vorne über das Fahrzeug, bei Zügen über das ziehende Fahrzeug hinausragen. Die Ladung eines Anhängers darf darnach über den Anhänger nach vorne hinausragen (soweit dadurch nicht die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird). Da Abs. 3 nur die Ladung erwähnt, muß angenommen werden, daß Geräte und sonstige Ladeeinrichtungen, wenn sie verkehrssicher verstaut sind, nach vorne über das Fahrzeug hinausragen dürfen (vgl. dazu was oben R N r . 4 zur Frage des Hinausragens eines Kranes über den vorderen Rand eines Kranwagens ausgeführt wurde). Eine Ausnahme für landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Fahrzeuge kennt das Gesetz hier nicht. 2. nach hinten (Abs. 4) Ausnahme in der 100 km-Zone Seit der VO vom 21. 3. 56 ist eine nach hinten hinausragende Ladung allgemein verboten 24 ). Eine Ausnahme gilt nur bei Beförderungen über eine Wegstrecke bis zu 100 km (früher Beförderungen innerhalb der „Nahzone" nach § 2 GüKG). Auch in diesem Falle gilt die Ausnahme nicht unbeschränkt: Fahrzeug oder Zug samt Ladung darf nicht länger als 20 m sein. Außerdem muß das äußerste Ende der Ladung kenntlich gemacht werden, wenn es nach hinten mehr als 1 m über den Rückstrahler des Fahrzeugs hinausragt. Das war auch schon bisher so (§ 19 Abs. 3 u. 4 StVO 1937). Wieweit die Ladung bei Beförde22 23
) Hamm 10. 12. 59, VRS 19, 69. ) KG 7. 2. 38, VAE 38, 313.
24
) Vgl. Runderl. des BMV vom VkBl. 56, 234.
16. 4. 56,
§ 22
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rungen über eine Wegstrecke bis zu 100 km nach hinten hinausragen darf, sagt das Gesetz nicht. Es darf nur die Länge von Fahrzeug (Zug) + Ladung die 20 m-Grenze nicht überschreiten. Eine gewisse Einschränkung ergibt sich aber aus Abs. 1, da eine stark überhängende Ladung die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Gegen die Beschränkung der Ausnahme auf Fahrten innerhalb der 100 km-Zone bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken 25 ). Auf die wirtschaftliche Bedeutung der Beförderung wie ihre rechtlidie Behandlung insbesondere nach dem GüKG k o m m t es hier nicht an, sondern lediglich auf dies mögliche Einwirkung der nadi hinten hinausragenden Ladung auf den allgemeinen Verkehr. Die Vorschrift bezieht sich wie der übrige § 22 auf Fahrzeuge aller Art, also auch auf einspurige wie Fahrräder und Krafträder. Ein Schornsteinfeger, der auf einem Kleinkraftrad fahrend seine Leiter über die Schulter gehängt mitführt, fällt unter die Vorschrift 26 ). Im Rahmen der zulässigen Länge (§ 32 Abs. 1 Nr. 3 StVZO) ist die Ausnutzung vorhandener Möglichkeiten zur Verlängerung der Laderaumfläche zulässig; deshalb ragt die Ladung (z. B. Baumstämme) nicht nach hinten hinaus, wenn sie mit der Hinterkante der waagrecht gestellten Rückwand abschneidet. Sicherungsmittel Während nach § 22 Abs. 4 bei Beförderungen über eine Wegstrecke von mehr als 100 km die Ladung nach hinten überhaupt nicht hinausragen darf, (auch nicht um 1 m), darf sie dies innerhalb der 100 km-Zone beliebig (soweit dadurch nicht andere Vorschriften verletzt werden). Es ist aber zu unterscheiden: Ragt die Ladung in diesem Fall nicht mehr als 1 m nach hinten hinaus, dann braucht sie nicht besonders abgesichert zu werden. Wenn das äußerste Ende der Ladung aber mehr als 1 m über die Rückstrahler des Fahrzeugs nach hinten hinausragt, ist es kenntlich zu machen. Die Sicherheitsmittel sind im Vergleich zu früher (§ 19 Abs. 3 StVO 1937) etwas modifiziert worden: Die am äußersten Ende der Ladung anzubringende rote Fahne m u ß nunmehr 30 X 30 cm messen (früher 20 X 20 cm). Neben Fahne und Schild wird jetzt auch noch ein senkrecht angebrachter zylindrischer Körper hellroter Farbe, 30 cm hoch und mindestens 35 cm im Durchmesser als Sicherheitsmittel zugelassen. Man wird davon ausgehen können, daß die drei in § 22 Abs. 4 mit Nr. 1—3 bezeichneten Sicherheitsmittel alternativ vorgesehen sind (obwohl sprachlich auch eine andere Auslegung möglich wäre). Bei Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern (§ 17 Abs. 1), ist nicht nur eine Leuchte mit rotem Licht anzubringen, sondern außerdem ein roter Rückstrahler. Daß die rote Leuchte „pendelnd" aufgehängt wird, ist nicht vorgeschrieben 27 ). Die Ladung selbst ist zu sichern; es genügt nicht, wenn eine Flagge (Leuchte) an der Rückwand des Wagens selbst angebracht ist 28 ). Von hinten oder von der Seite kommende Verkehrsteilnehmer sollen gewarnt werden. Das kann durch eine einzige Vorrichtung erzielt werden; nicht nötig sind je eine nach hinten und nach der Seite wirkende Vorrichtung. Die Kenntlichmachung m u ß so lange bestehen, wie sich das Fahrzeug im Verkehr befindet, also auch noch, wenn es auf öffentlicher Straße zum Entladen abgestellt ist 29 ). Pflicht zur Kenntlichmachung der Ladung besteht unabhängig von der zur rückwärtigen Kenntlichmachung des Fahrzeugs (§ 53 StVZO). Zufügung von Schrift- oder Farbzeichen, die den Charakter der Flagge als einer hellroten beeinträchtigen, ist unzulässig. Die Sicherheitsmittel dürfen nicht höher als 1,5 m über der Fahrbahn angebracht werden, der rote Rückstrahler nicht höher als 90 cm. Zu beachten ist, daß die ordnungsgemäße 25
) Vgl. für die frühere Rechtslage: BVerwG 25. 5. 62, VRS 23, 318. 2 «) Neustadt 6. 7. 55, VRS 9, 472. 27 ) Hamm 10. 8. 61, VRS 22, 381 = VkBl. 62, 107.
2
") KG 8. 6. 36, VAE 36, 445; Oldenburg 8. 11. 49, VkBl. 50, 70; BGH(Z) 8. 5. 56, DAR 56, 300. 2 ») BayObLGSt 50/51, 555 (7. 11. 51) = DAR 52, 168 = VRS 4, 146; vgl. auch Oldenburg 8. 11. 49, VRS 1, 120.
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Hinausragen der Ladung
§ 22
Absicherung der nach hinten hinausragenden Ladung den Fahrzeugführer nicht von der Pflicht entbindet, darauf zu achten, daß das beim Rechtsabbiegen nach links ausscherende Ende der Ladung keine nachkommenden Fahrzeuge gefährdet' 0 ). 3. Hinausragen der Ladung nach der Seite (Abs. 5) Nach der Seite darf die Ladung innerhalb der Grenze des Abs. 2 (2,50 m) beliebig hinausragen, soweit es sich nicht um schlecht erkennbare Gegenstände im Sinne des S. 2 handelt. Bei Tage ist insoweit keine besondere Kennzeichnung vorgeschrieben. Dagegen muß während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern (§ 17 Abs. 1) der überstehende Teil der Ladung nach vorne und hinten besonders kenntlich gemacht werden, wenn die Ladung mehr als 40 cm über die Fahrzeugleuchten, bei Kraftfahrzeugen über den äußeren Rand der Lichtaustrittsfläche der Begrenzungsleuchten des Fahrzeugs hinausragt. Diese Begrenzungsleuchten dürfen ihrerseits nicht weiter als 40 cm von der breitesten Stelle des Fahrzeugumrisses entfernt und höchstens 1,5 m über der Fahrbahn angebracht sein. Die zur Kennzeichnung vorgeschriebenen weißen Leuchten müssen nach vorne, die roten nach hinten wirken. In besonderen Fällen kann sich aus § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht ergeben, auch nach der Seite wirksame Leuchten anzubringen, dann etwa, wenn ein langer Zug bei Nacht aus einem Grundstück in eine verkehrsreiche Straße einbiegt. Vorgeschrieben ist die Kenntlichmachung des überstehenden Teiles der Ladung durch ein weißes und ein rotes Licht. Ragt die Ladung auf beiden Seiten mehr als 40 cm über den äußeren Rand der Lichtaustrittsfläche der Begrenzungsleuchten des Fahrzeugs hinaus, dann sind auf beiden Seiten entsprechende Leuchten anzubringen. Vorgeschrieben sind „Leuchten". Diese können nicht durch Rückstrahler ersetzt werden. Einzelne Stangen oder Pfähle, waagrecht liegende Platten oder andere schlecht erkennbare Gegenstände dürfen seitlich nicht hinausragen. Unter diese Vorschrift fallen auch Gegenstände, die aus dem Fenster eines Pkw oder auch aus einem von einem Fußgänger gezogenen Handwagen ragen. Solche schlecht erkennbare Gegenstände dürfen auch dann nicht nach der Seite hinausragen, wenn sie besonders kenntlich gemacht werden. C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die Ladung nach 5 22 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 21 ordnungswidrig im Sinne des § 24. Damit ist das Verhältnis des § 22 zu § 23 geklärt. § 23 ergänzt § 22 insofern, als er die Verantwortlichkeit des Fahrzeugführers herausstellt. Der Fahrzeugführer würde aber auch ohne § 23 f ü r die Einhaltung der Ladungsbestimmungen verantwortlich sein. Die früher vertretene Ansicht, bußgeldbewehrte Verhaltensnorm bei unvorschriftsmäßiger Ladung eines Kraftfahrzeuges (§ 19 Abs. 2—5 StVO 1937) sei (der dem jetzigen § 23 entsprechnede) § 7 StVO 1937 kann nicht aufrechterhalten werden 31 ). Aus § 49 Abs. 1 N r . 21 ergibt sich, daß alle Verhaltensnormen des § 22 nach dieser Vorschrift bußgeldbewehrt sind. Führt ein Verstoß gegen die Ladevorschriften zu einem der „Erfolge" des § 1 Abs. 2, dann steht die Ordnungswidrigkeit nach § 22 mit der nach § 1 Abs. 2 in Tateinheit. Fließt von einem mit Sand beladenen Fahrzeug Schmutzwasser auf die Straße, dann kann neben § 22 Abs. 1 auch § 32 verletzt sein, wenn sich auf der Straße ein verkehrsgefährdender oder -behindernder Schmutzbelag bildet 32 ). Führt der Verstoß gegen eine Ladevorschrift zur Verletzung oder zum Tod eines Menschen, dann trägt derjenige die strafrechtliche Verantwortung, der f ü r die Ladung verantwortlich ist. Da die Ladungsvorschriften der Sicherheit des übrigen Verkehrs dienen, ist voraussehbar, daß ein Schaden eintritt, wenn die Vorschriften verletzt werden. 3
°) BayObLG 17. 2. 70, VRS 39, 230 = VerkMitt. 70, 66. 31 ) A. M. Mühlhaus StVO § 22 Anm. 2.
32
) Für die frühere Rechtslage: BayObLGSt 55, 90 (11. 5. 55) VkBl. 56, 75 = VerkMitt. 55, 42 = JR 55, 350 = MDR 55, 693 = D A R 55, 231.
§ 23
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Möhl § 23 Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers
(1) Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, daß seine Sicht nicht durch die Besetzung, die Ladung oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt wird. Er muß dafür sorgen, daß das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet. Er muß auch dafür sorgen, daß die vorgeschriebenen Kennzeichen stets gut lesbar sind. Vorgeschriebene Beleuchtungseinrichtungen müssen an Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern sowie an Fahrrädern auch am Tage vorhanden und betriebsbereit sein, sonst jedoch nur, falls zu erwarten ist, daß sich das Fahrzeug noch im Verkehr befinden wird, wenn Beleuchtung nötig ist (§ 17 Abs. 1). (2) Der Fahrzeugführer muß das Fahrzeug, den Zug oder das Gespann auf dem kürzesten Weg aus dem Verkehr ziehen, falls unterwegs auftretende Mängel, welche die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigen, nicht alsbald beseitigt werden; dagegen dürfen Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder dann geschoben werden. (3) Radfahrer und Führer von Krafträdern dürfen sich nicht an Fahrzeuge anhängen. Sie dürfen nicht freihändig fahren. Die Füße dürfen sie nur dann von den Pedalen oder den Fußrasten nehmen, wenn der Straßenzustand das erfordert. Vwv zu j" 23 Zu Absatz 1: I. Bei Kraftwagen, die neben dem Inncnspiegel nur einen Außenspiegel haben, ist gegen sichtbehinderndes Bekleben und Verstellen der Rückfenster mit Gegenständen einzuschreiten. Zu beanstanden ist das Fehlen eines zweiten Außenspiegels auch dann, wenn ein mitgeführter Anhänger die Sicht beim Blick in den Außen- oder Innenspiegel wesentlich beeinträchtigt. Audi der sichtbehindernde Zustand der Fenster (z. B. durch Beschlagen oder Vereisung) ist zu beanstanden. II. Fußgänger, die Handfahrzeuge mitführen, sind keine Fahrzeugführer. Übersicht A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Überblick — Vergleich mit der früheren Regelung B. Pflichten des Fahrzeugführers im einzelnen I. Begriff des Fahrzeugführers Fahrzeuge und Zuge (3), „Fuhrer eines Fahrzeugs (4) II. Verantwortung für freie Sicht (ADS. 1 b. i ; III. Verantwortung für vorsAnftsmaßigen Zustand (Abs. 1 S. 2) 1. des Fahrzeugs - Zugs Gespanns Allgemeines (6), Einzelfälle (7) 2. der Ladung 3. der „Besetzung 4 des Kennzeichens (Abs. 1 S. 3) IV. Verantwortung für Verkehrssicherheit
RNr. 1-2 1 2 3-19 3-4
5 6-10 6-7 8 9 10 11
V. Verantwortung dafür, daß die Beleuchtungseinrichtungen vorhanden und betriebsbereit sind (Abs. 1 S. 4)
RNr.
12
VI. Umfang der Sorgfaltspflicht 13-18 i . Prüfung vor Antritt der Fahrt 13 2 Prüfung unterwegs 14 3 Pflichten des Führers be; unterwegs auftretenden Mängeln (Abs. 2) 15-16 Allgemeines (15), bes. Vorsdmft für Fahrräder etc. (16) v . _ . . _... 4 ' Entlastung des Fuhrers 17 5. Einzelfälle aus der älteren Rechtsprechung (aiphabet.) 18 V I I Verhaltensvorsdiriften für Radfahrer und Führer von Krafträdern (Abs. 3) 19 C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
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I. Amtliche Begründung Was der Paragraph bringt, ist in seinem Kernstück in § 7 StVO (alt) enthalten. Aufgenommen sind auch die Rechtsgedanken der §§ 22 und 24 Abs. 8 und des § 26 StVO (alt). All diesen Normen ist gemeinsam, daß sie mit dem Verkehrsverhalten allenfalls am Rande zu tun haben, daß sie viel-
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Sonstige Pflichten
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mehr dem Fahrzeugführer gewisse zusätzliche Pflichten auferlegen, die er neben der Pflicht zu richtigem Verhalten im Verkehr, zu vorschriftsmäßiger Fahrweise zu erfüllen hat. M a n würde die Bedeutung dieser Pfliditen abwerten, wenn man sie „ Neben pfliditen" nennen würde. Es t r i f f t wohl ihr Wesen am besten, wenn man sagt: Diese Normen machen aus dem Fahrer, aus dem Fahrzeuglenker erst den F a h r z e u g f ü h r e r , den für das Fahrunternehmen Verantwortlichen. E r hat einzustehen für sein Fahrzeug und für dessen Ladung und Besetzung. D a s dem Fahrzeugführer zu sagen, ist nunmehr, d a nicht bloß alle Verkehrsregeln, sondern auch alle Verhaltensvorschriften des gesamten Fahrverkehrs erörtert sind, am Platze. Diese Zurüdtverlegung der Vorschrift macht die Verordnung audi besser lesbar. Entsprechend dem Prinzip, in die S t V O nur das aufzunehmen, was den Verkehrsteilnehmer angeht, werden die Vorschriften über die teilweise Mitverantwortlichkeit des Halters in die S t V O verwiesen. D o r t steht heute schon zu Recht ein wesentlicher Teil dieser Normen. D o r t sind sie alle zusammenzufassen.
Zu Absatz 1: Der erste S a t z bringt das, was § 7 Abs. 3 S a t z 2 S t V O (alt) an sich sagen will, was aber dort in einer nur für Fuhrwerke und H a n d f a h r z e u g e passenden Form gesagt ist, nämlich, daß der Führer freie Sicht haben muß. Bei den wichtigsten Fahrzeugarten, den Kraftfahrzeugen und den Fahrrädern, hat der Führer gar nicht die Wahl des Platzes; er hat vielmehr d a f ü r zu sorgen, daß die Sicht von seinem festgelegten Führersitz aus nicht behindert ist. Wie notwendig es ist, dies ausdrücklich zu sagen, zeigt die tägliche Erfahrung. Es gilt vor allem d a f ü r zu sorgen, daß das rückwärtige Fenster nicht durch Waren verstellt und damit der Rückspiegel unbenutzbar ist ( „ L a d u n g . . . des Fahrzeugs"). Es ist auch dem U n f u g sichtbehindernden Beklebens von Scheiben mit Plaketten usw. zu steuern („Zustand . . . des Fahrzeugs"). Der zweite S a t z entspricht etwa dem des § 7 Abs. 1 S a t z 2 S t V O (alt). D a s Wort „vorschriftsmäßig" verweist auf die Normen der S t V Z O und die vorhergehenden über die L a d u n g und die Personenbeförderung. Auch wenn alle diese Normen eingehalten sind, kann doch die Verkehrssicherheit durch die Beladung und die Besetzung, vor allem auch durch das Verhalten der Beförderten, leiden. Auch das hat der Führer zu unterbinden. Der dritte S a t z entspricht dem § 22 (alt), der vierte in seinem zweiten Teil dem § 24 Abs. 8 (alt); in seinem ersten Teil wiederholt er Ausrüstungsvorschriften der S t V Z O .
Zu Absatz 2: Der erste H a l b s a t z übernimmt fast wörtlich § 7 Abs. 1 S a t z 4 S t V O (alt). Der zweite H a l b s a t z bringt die bereits bestehende Ausnahme für Fahrräder, deren Beleuchtung versagt, und erweitert sie sachgerecht auf Kleinkrafträder und Mopeds; sie müssen nicht auf kürzestem Wege aus dem Verkehr gezogen werden, sondern dürfen „mitgeführt", d. h. geschoben werden. Zu Absatz 3: D i e Vorschriften, die gefährlichem U n f u g von R a d f a h r e r n begegnen, müssen aufrechterhalten bleiben und auf die Führer von K r a f t r ä d e r n , insbesondere Kleinkrafträdern, ausgedehnt werden. II. Überblick — Vergleich m i t der bisherigen R e g e l u n g
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§ 2 3 b e f a ß t sich s e i n e r O b e r s c h r i f t n a d i m i t „ s o n s t i g e n " P f l i c h t e n d e s F a h r z e u g f ü h r e r s . H i e r w e r d e n d i e V o r s c h r i f t e n z u s a m m e n g e f a ß t , d i e sich n i c h t m i t d e r F a h r w e i s e b e f a s s e n , die G e g e n s t a n d der v o r a u s g e h e n d e n P a r a g r a p h e n w a r , s o n d e r n m i t Pflichten, die, wie die B e g r ü n d u n g sagt, m i t d e m V e r k e h r s v e r h a l t e n allenfalls „ a m R a n d e " z u t u n haben. Sie soll e n d e m F a h r z e u g f ü h r e r v o r A u g e n h a l t e n , d a ß sich s e i n e P f l i d i t e n n i c h t a u f d a s V e r h a l t e n i m V e r k e h r b e s c h r ä n k e n , s o n d e r n d a ß er a u c h f ü r d e n Z u s t a n d d e s F a h r z e u g s , s e i n e r L a d u n g u n d s e i n e r „ B e s e t z u n g " v e r a n t w o r t l i c h ist. Z u b e g r ü ß e n ist, d a ß d a s G e b o t , j e d e s F a h r z e u g u n d jeder Z u g müsse einen z u r selbständigen L e i t u n g geeigneten F ü h r e r h a b e n s o w i e d i e V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e H a l t e r p f l i c h t e n u n d ü b e r d a s F a h r t e n b u c h , d i e sich i m f r ü h e r e n § 7 S t V O 1937 b e f a n d e n , n u n systematisch richtig allein in d e r S t V Z O ( § 3 1 u n d § 31 a) z u f i n d e n s i n d , w ä h r e n d d o r t d i e g l e i c h l a u t e n d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e P f l i c h t e n des F a h r z e u g f ü h r e r s gestrichen w u r d e n . D a m i t ist die S t r e i t f r a g e , o b beide V o r s c h r i f t e n n e b e n e i n a n d e r o d e r n u r die eine o d e r a n d e r e a n z u w e n d e n sind, v e r n ü n f t i g gelöst. L e i d e r w u r d e a b e r n i c h t b e d a c h t , d a ß sich n u n d i e gleiche F r a g e f ü r d a s V e r h ä l t n i s d e s § 2 3 S t V O z u m § 69 a S t V Z O erhebt: N a c h § 23 S t V O m u ß der F a h r z e u g f ü h r e r u . a . d a f ü r sorgen, d a ß d a s F a h r z e u g „ v o r s c h r i f t s m ä ß i g " i s t . N a c h § 6 9 a v e r h ä l t sich u . a. o r d n u n g s w i d r i g , w e r ein F a h r z e u g u n t e r V e r s t o ß gegen die V o r s c h r i f t e n d e r S t V Z O ü b e r B a u u n d A u s s t a t t u n g , „in B e t r i e b n i m m t " . A l s o auch d o r t w i r d nicht die f e h l e r h a f t e A u s r ü s t u n g des F a h r z e u g s
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als solche, sondern die Inbetriebnahme des nicht vorschriftsmäßigen Fahrzeugs mit Bußgeld bedroht. Da sich beide Vorschriften insoweit decken und auch nicht gesagt werden kann, die eine Vorschrift sei gegenüber der anderen die speziellere, wird m a n sich damit abfinden müssen, daß wiederum das gleiche Fahrverhalten gegen zwei sich überschneidende Vorschriften verstößt, die zueinander in Gesetzeskonkurrenz stehen. Soweit § 23 sich mit anderen Vorschriften der StVO überschneidet, wird man allerdings diese als die spezielleren ansehen können. Denn wie schon die Überschrift besagt, will § 23 n u r solche neuen Gebote und Verbote aufstellen, die nicht schon in den vorausgehenden Vorschriften enthalten sind. So enthält § 22 die Vorschriften über die Beladung. Wenn in § 23 Abs. 1 dem Fahrzeugführer auferlegt wird, d a f ü r zu sorgen, daß die Ladung vorschriftsmäßig ist, dann liegt darin n u r ein Hinweis auf die Verhaltensvorschrift des § 22. Eine „sonstige" Pflicht enthält § 23 insoweit nicht. Richtigerweise wurde die f r ü h e r in § 7 Abs. 3 S. 1 StVO 1937 enthaltene Bestimmung, nach der der Fahrzeugführer z u r gehörigen Vorsicht in der Leitung u n d Bedienung des Fahrzeugs verpflichtet ist, als selbstverständlich gestrichen. Einige f r ü h e r an anderen Stellen der StVO verstreute „sonstige Pflichten" wurden in den neuen § 23 aufgenommen (§§ 19 Abs. 1, 22, 24 StVO 1937). Aus den früheren §§ 25, 26 wurden in den Abs. 2 Halbsatz 2 u n d Abs. 3 des neuen § 23 Vorschriften f ü r R a d fahrer ü b e r n o m m e n u n d teilweise auf die Führer v o n K r a f t r ä d e r n u n d Kleinkrafträdern ausgedehnt. Auch aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 ergibt sich, daß der K r a f t fahrer vor A n t r i t t der Fahrt und während der F a h r t auf den technisch einwandfreien Z u stand des Fahrzeugs zu achten h a t ; (s. § 1 R N r . 42, 53). B. Pflichten des Fahrzeugführers im einzelnen I. Begriff des Fahrzeugführers 3
Fahrzeuge and 2üge Fahrzeuge im Sinne des Verkehrsrechts sind nach Wortlaut, Sinn u n d Zweck der V o r schrift alle Gegenstände, die auf Fahrbahnen öffentlicher Straßen, Wege u n d Plätze z u m Fahren b e n ü t z t werden 1 ). D e r Begriff „Fahrzeuge" u m f a ß t daher Fahrzeuge aller Art, z. B. Kraftfahrzeuge, F a h r räder, Fuhrwerke, Handwagen, fahrbare Arbeitsgeräte. I m Sinne der StVO sind dagegen nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 24 keine Fahrzeuge Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller und ähnliche Fortbewegungsmittel; (zur Frage, was u n t e r „ähnlichen Fortbewegungsmitteln" zu verstehen ist, vgl. § 24 R N r . 4). Jedes einzeln fahrende Fahrzeug gilt als Fahrzeug im Sinne der Vorschrift, nicht aber jedes zu einem Zug gehörige. Zug im Sinne der Regelung des Kraftverkehrs ist die Zusammenstellung eines Kraftfahrzeuges mit einem oder mehreren anderen Fahrzeugen derart, daß die verbundenen Fahrzeuge eine technische u n d wirtschaftliche Einheit bilden 2 ). (Nach § 32 a StVZO darf in der Regel hinter K r a f t fahrzeugen n u r ein Anhänger m i t g e f ü h r t werden. H i n t e r Sattelfahrzeugen darf kein Anhänger m i t g e f ü h r t werden, hinter Kraftomnibussen in der Regel nur ein f ü r die Gepäckbeförderung bestimmter Anhänger). Zug im Sinne des übrigen Verkehrs ist dagegen jede Zusammenstellung nicht-motorischer Fahrzeuge, die von Zugtieren gezogen werden. D a ß solche Züge eine technische u n d wirtschaftliche Einheit bilden, wird nicht gefordert 5 ). D a r aus ergibt sich f ü r die Frage, ob abgeschleppte, betriebsunfähige Fahrzeuge mit dem ziehenden Fahrzeug einen Zug bilden: Ist das ziehende Fahrzeug kein Kraftfahrzeug, so bildet das abgeschleppte Fahrzeug mit ihm einen Zug, nicht aber, w e n n das ziehende Fahrzeug ein K r a f t f a h r z e u g ist. ') RGSt 71, 182, BayObLG 52, 230, vgl. StVZO § 30. 568
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) Vgl. StVZO § 5 RNr. 9 (II in Bd. I), Mül1er, DAR 54, 145. ' ) Braunschweig 18. 6. 55, VRS 10, 384.
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Fahrzeuge und Züge; Fahrzeugführer Führer eines
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Fahrzeugs
Fahrzeugführer ist, wer ein Fahrzeug u n t e r eigener V e r a n t w o r t u n g f ü h r t , d. h. wer die tatsächliche Herrschaft über ein Fahrzeug innehat, das am Straßenverkehr teilnimmt. Das „Führen" kann je nadi der A r t des Fahrzeugs auf verschiedene Weise geschehen. Der Bauer, der neben seinem P f e r d e f u h r w e r k hergeht u n d jederzeit auf die Pferde einwirken kann, f ü h r t das Fahrzeug ebenso wie der Kraftwagenfahrer, der sein Fahrzeug in Betrieb setzt u n d lenkt. A u d i der Fußgänger, der ein Fahrzeug hinter sich herzieht oder v o r sich herschiebt, f ü h r t ein Fahrzeug, mag er auch in der StVO meist einem Fußgänger gleichgesetzt werden. Z w a r sagt die Vwv II zu Abs. 1 das Gegenteil. Gegen die d o r t vertretene Ansicht bestehen aber Bedenken; (vgl. § 9 R N r . 10). Wird ein K r a f t f a h r z e u g nicht durch seine bestimmungsmäßigen Antriebskräfte bewegt, sondern rollt es ohne M o t o r k r a f t bergab oder wird es von Menschen geschoben, so ist Fahrzeugführer derjenige, der es lenkt 4 ). Z u m Begriff des Fahrzeugführers gehört aber nicht, daß der Führer in dem Fahrzeug f ä h r t u n d es von d o r t aus lenkt. Es k o m m t n u r darauf an, ob er durch Einwirkung auf das Fahrzeug oder bei Fuhrwerken auf die Zugtiere seinen Lauf bestimmt. Da es möglich ist, daß sich mehrere Personen planmäßig in Verrichtungen teilen, die f ü r den Lauf des Fahrzeugs bestimmend sind, ist es auch möglich, daß ein Fahrzeug mehrere Führer hat 5 ). Allerdings wird ein Beifahrer, der gegen den Willen des Fahrzeugführers eine Verrichtung ü b e r n i m m t , z. B. ins Steuer greift, damit noch nicht z u m Fahrzeugführer'). Die F ü h r u n g des Fahrzeugs ist ein tatsächlicher Vorgang. Es k o m m t also nicht darauf an, ob zwischen zwei sich abwechselnden Fahrern ein Verhältnis der Ü b e r - u n d U n t e r o r d n u n g besteht. Solange einer das Fahrzeug tatsächlich f ü h r t , ist er Fahrzeugführer. K o m m t es darauf an, wer der Führer eines Fahrzeugs war, müssen die Urteilsgründe die Tatsachen mitteilen, aus denen das Gericht die Führereigenschaft hergeleitet hat. Auch die nach § 35 von den Vorschriften der StVO unter bestimmten Voraussetzungen befreiten Fahrzeugführer haben grundsätzlich die Pflichten aus § 23 zu beachten'). Näheres z u m Begriff des K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r s s. StVG § 2 R N r . 7—19 (I Bd. I). Der Fahrer k a n n im allgemeinen die V e r a n t w o r t u n g nicht auf den Beifahrer abwälzen 8 ). Allerdings t r i f f t den Insassen, der Aufgaben des Führers ü b e r n o m m e n hat, eine Sorgfaltspflicht 9 ), audi wenn er nicht als zweiter Führer gelten kann. Bei Ubungs- u n d P r ü f u n g s f a h r t e n gilt nach § 3 Abs. 2 StVG der Begleiter des Führerscheinbewerbers als Fahrzeugführer; (s. § 3 StVG R N r . 33, 34 Bd. I/I). Die allgemeine Verantwortlichkeit des Fahrzeughalters ergibt sich aus § 31 Abs. 2 StVZO. Z u r Frage, wer bei parkenden Fahrzeugen f ü r deren ordnungsmäßigen Zustand verantwortlich ist, vgl. § 12 R N r . 44. II. V e r a n t w o r t u n g f ü r freie Sicht (Abs. 1 S. 1) Abs. 1 S. 1 wird ergänzt durch § 35 b Abs. 2 S. 1 StVZO u n d die Richtlinien hierzu v o m 4. 12. 62 (VkBl. 62, 669, abgedr. bei II § 35 b R N r . 2 in Bd. I). Während § 7 Abs. 4 S. 2 StVO 1937 dem Fahrzeugführer die Pflicht auferlegte, „auf oder neben dem Fahrzeug seinen Platz so zu wählen, daß er ausreichende Sicht hat", wird an der Spitze des neuen § 23 (Abs. 1 S. 1) dem Fahrzeugführer d a f ü r die V e r a n t w o r t u n g auferlegt, daß seine Sicht durch die Besetzung, die Ladung oder den Zustand des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Das ist nicht genau das Gleiche. Seinen Platz kann zwar in 4
) BGHSt 14, 185 (29. 3. 60) = NJW 60, 1211 = DAR 60, 211 = VerkMitt. 60, 42; Hamburg 18. 1. 67, VRS 32, 452 = VerkMitt. 67, 31. 5 ) BGHSt 13, 226 (9. 7. 59) = NJW 59, 1883 = DAR 59, 304 = VerkMitt. 60, 43. 6 ) Hamm 21. 4. 69, VerkMitt. 69, 85.
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) BGH 28. 9. 62, VRS 24, 47. ) BGHSt 1, 112 (12. 4. 51); Köln 21. 12. 56, VRS 12, 298; Hamm 15. 3. 55, VRS 9, 53; vgl. auch § 1 RNr. 29. ») RG 8. 12. 42, VAE 43, 75. 8
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der R e g e l der Fuhrwerklenker wählen, er kann auf d e m Bock sitzen oder neben d e m F a h r zeug hergehen. D e m K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r und auch d e m R a d f a h r e r bleibt dagegen keine Wahl. E r m u ß d o r t sitzen, w o er die f ü r die F o r t b e w e g u n g des Fahrzeugs notwendigen Einrichtungen bedienen kann. Seiner Pflicht, f ü r gute Sicht zu sorgen, k a n n er durch die Wahl seines Platzes nicht G e n ü g e leisten. D a g e g e n m u ß er d a f ü r sorgen, daß Besetzung, L a d u n g u n d Z u s t a n d des Fahrzeugs seine Sicht nicht beeinträchtigen. D i e Pflicht, d a f ü r zu sorgen, daß seine Sicht nicht beeinträchtigt wird, ergibt sich ohne weiteres aus dem G e b o t des S. 2, d a f ü r zu sorgen, daß das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die L a d u n g u n d Besetzung vorschriftsmäßig sind und durch die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die L a d u n g oder die Besetzung nicht leidet. In S. 1 w i r d nur ein U n t e r f a l l des S. 2 herausgegriffen u n d wegen seiner besonderen B e d e u t u n g an die Spitze des ganzen Absatzes gesetzt. „Sicht" ist nicht nur Sicht nach vorne, sondern auch nach hinten u n d in manchen Fällen nach der Seite. Durch die „ B e s e t z u n g " , d. h. durch die m i t f a h r e n d e n Personen u n d d u r d i die L a d u n g k a n n normalerweise nur die Sicht nach rückwärts beeinträchtigt werden. D i e Sicht in dieser Richtung ist beeinträchtigt, wenn der Innenrückspiegel keine ausreichende Rückschau zuläßt, weil das Rückfenster d u r d i Fahrzeuginsassen oder Gepäckstücke oder auch durch den a u f g e k l a p p t e n K o f f e r r a u m d e c k e l verdeckt ist. Falls die Beobachtung der F a h r b a h n nach rückwärts d u r d i den Innenspiegel nicht oder n u r bei unbeladenem F a h r z e u g möglich ist, müssen nach § 56 Abs. 1 N r . 2 S t V Z O zwei Außenspiegel angebracht sein 1 0 ). A u d i während der F a h r t m u ß der F a h r z e u g f ü h r e r d a f ü r sorgen, daß seine Sicht nicht d u r d i Mitfahrende oder durch Gepäckstücke behindert wird. Z u m „ Z u s t a n d " des Fahrzeugs gehört auch der Zustand der Fenstersdieiben. Diese m ü s sen durdisichtig sein, sie d ü r f e n nicht durch Wasserbeschlag, d u r d i Eis oder Schmutz getrübt sein. Wenn auch nicht verlangt werden kann, daß alle Scheiben in ihrem ganzen U m f a n g klar sind, so m u ß doch verlangt werden, daß überallhin ein ausreichender Ausblick frei ist. N a c h v o r n e m u ß mindestens der dem Bereich des Scheibenwischers entsprechende Teil der Windschutzscheibe frei sein 1 1 ). D i e B e g r ü n d u n g weist darauf hin, daß auch d e m U n f u g des siditbehindernden Beklebens v o n Scheiben mit Plaketten usw. gesteuert werden soll. O b die Sidit ausreichend war, k a n n das Gericht ohne Sachverständigen selbst feststellen 1 2 ). III. V e r a n t w o r t u n g f ü r vorschriftsmäßigen Z u s t a n d 1. des Fahrzeugs — Zugs — Gespanns Allgemeines Z u m Begriff des Fahrzeugs u n d Zuges s. oben R N r . 3. Ein „ G e s p a n n " ist ein F u h r werk, das v o n einem oder mehreren Zugtieren gezogen wird. Ausrüstungsvorschriften f ü r Gespanne finden sich in § 64 Abs. 2 S t V Z O . Vorschriftsmäßig ist ein Fahrzeug, das nach B a u a r t u n d A u s r ü s t u n g den gesetzlichen A n f o r d e r u n g e n (§ 30—67 S t V Z O ) entspricht und sich in einem Zustand befindet, wie er i m Hinblick auf die Verkehrssicherheit (§ 30 S t V Z O ) und die Pflicht, Schädigungen sowie Belästigungen anderer zu vermeiden, erforderlich ist 1 3 ). D i e an sidi vorschriftsmäßige Beschaffenheit der A u s r ü s t u n g darf nicht in verkehrsgefährdender Weise beeinträchtigt werd e n ; z. B. darf der Fahrtrichtungsanzeiger oder der Rückspiegel nicht d u r d i eine nicht o r d nungsgemäß befestigte Plane verdeckt werden 1 4 ). ">) Hamm 20. 5. 58, DAR 59, 55 = VRS 19, 69 = VerkMitt. 58, 53 (Nr. 135); Oldenburg 13. 1. 59, VRS 16, 297; vgl. Weigelt, DAR 59, 124. " ) Bremen 1. 12. 65, VRS 30, 226 = N J W 66, 266. 1 2 ) BGH 11. 12. 64, VRS 28, 362.
" ) Frankfurt 11. 5. 55, VerkMitt. 55, Hamm 20. 5. 58, VRS 16, 143. ) BayObLGSt 52, 119 (2. 7. 52); 5. 11. DAR 58, 244; Hamm 20. 5. 58, DAR 55 = VerkMitt. 58, 53; vgl. StVZO § u. 56 ferner VkBl. 55, 462.
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Vorschriftsmäßiger Zustand
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Vorsdiriftsmäßigkeit und Gesetzeslage: Gesetze gestalten nur die Zukunft, sofern sie nicht Rückwirkung vorschreiben; diese kann z . B . bestehen im Verbot eines bestimmten Bremssystems audi an schon zugelassenen Fahrzeugen. N e u e Bauvorschriften gelten f ü r das, was nach Inkrafttreten gebaut werden soll, falls nicht ausdrücklich anderes bestimmt, z. B. Änderung auch des schon Vorhandenen gefordert wird. Neue Ausrüstungsvorschriften gelten, sofern sie ihren Anwendungsbereich nicht anders festlegen — z. B. auf die nach einem Zeitpunkt zuzulassenden Fahrzeuge beschränken —, auch für alles schon Vorhandene. Solange ein Fahrzeug den bei seiner Inbetriebstellung gültig gewesenen und etwa nachträglich mit rückwirkender K r a f t erlassenen Bau- und den jeweils gültigen Ausrüstungsvorschriften entspricht, kann es bezüglich Bau und Ausrüstung nicht beanstandet werden. Dieser Grundsatz erleidet aber Einschränkungen: Verkehrsgesetze erstreben Verkehrssicherheit; w o bestehendes Recht sie nicht mehr gewährleistet, etwa weil technische oder Verkehrsentwicklung darüber hinweggegangen sind, setzt die Pflicht zu eigener, v o m geltenden Recht unabhängiger Prüfung ein. Anpassung der Gesetze an fortschreitende Entwicklung, neue Erkenntnisse (z. B. die Unzulänglichkeit der Schlußbeleuchtung) und den Stand der Technik erfordert gewisse Zeit. Zwar sind über den Rahmen der Prüfung ( § 3 1 II) hinausgehende technische und sonstige Fachkenntnisse in der Regel nicht anzusinnen; was sich aber jedem einsichtigen Verkehrsteilnehmer aufdrängt, darf der Fahrzeugführer, bei Vermeidung des Vorwurfs der Fahrlässigkeit nicht außer Acht lassen. Wie die Verkehrsregeln nicht starr anzuwenden sind, so müssen auch die tedinisdien unter Umständen geschmeidig gehandhabt werden, wo das der technischen Entwicklung entspricht und dem Geist des Gesetzes, insbesondere den Zielen des Gesetzgebers. Neuere Vorschriften enthalten mehrfach Hinweise auf den „jeweiligen Stand der Technik" (§ 27 S t V G a. F., §§ 43, 49 StVZO) und damit die Forderung, daß Einrichtungen diesem Stand entsprechen müßten; die Fortdauer ihrer Weiterbenutzung wird also eingeschränkt; sie ist zulässig nur bei Anpassung der Einrichtung an den geänderten Stand der Technik. Allein die Berufung auf Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs, auf seine unbeanstandete Zulassung oder auf die Erfüllung der gesetzlichen technischen Anforderungen, entlastet nicht immer schlechthin 15 ). Aber auch Verwendung gesetzlich nicht vorgeschriebener Ausrüstungsgegenstände kann im Interesse der Verkehrssicherheit gefordert werden; (Richtungszeichen mit Signalscheibe) 1 *). Auf die Zulassung, ja sogar auf eine besondere Fahrzeugabnahme durch den Technischen Oberwachungsverein kann sich bei Unzulänglichkeit des Richtungsanzeigers der Halter nach B G H 1 7 ) nicht berufen, wenn ihm nicht hätte entgehen dürfen, daß die Anzeiger offensichtlich ihren Zweck verfehlen. Das gilt in gleicher Weise für den Führer. Forderungen aus dem Bedürfnis der Verkehrssicherung sind, unabhängig von der Gesetzeslage, zu erfüllen, wenn sich ein andernfalls offensichtlich gefahrbringender Zustand jedem Einsichtigen unmittelbar aus der täglichen Lebenserfahrung oder aus der einfachsten Berufserfahrung aufdrängen muß. Das gilt nach B G H 1 8 ) selbst gegenüber einer die Notwendigkeit der Erfüllung solcher Forderungen verneinenden polizeilichen Auskunft dann, wenn der Halter „schon bei geringem Nachdenken einzusehen vermag, daß der vermeintliche Rechtszustand (nur ein Rückstrahler) schwere Gefahr für andere mit sich bringt". Kotflügel z. B. wurden in der Zeit vor dem Inkrafttreten der V O v o m 7. 7. 60 (BGBl. I 485) nicht vorgeschrieben; der einsichtige Fahrzeugführer mußte aber erkennen, daß bei der A r t der Verwendung seines Fahrzeugs ein Fehlen von Kotflügeln ihn nach § 1 StVO, § 823 B G B verantwortlich machen kann, insbesondere daß er 1) die Windschutzscheibe überholter Kraftfahrzeuge bis zur Undurchsichtigkeit beschmutzen, 2) Uberholte (Fußgänger, Radfahrer) durch Verschmutzung schädigen kann: daher war Fahrt ohne K o t flügel in der Regel fahrlässig. Mitführen von roten Fahnen oder Lampen, Fackeln, Sturmlaternen, nicht vorgeschriebenen Unterlegkeilen oder ähnlichen Sicherungsvorrichtungen für Karlsruhe 17. 11. 55, VRS 10, 330. '«) RG 23. 7. 41, VAE 41, 200.
17 18
) BGH 31. 8. 51, VkBl. 51, 472. ) BGH 1 1 . 3 . 52, VRS 4, 271, 274.
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den Fall des Liegenbleibens kann im Hinblick auf Verkehrsverhältnisse, Verkehrswege usw. nötig sein. Bei den Prüfungen nach § 29 S t V Z O wird der Prüfende auf etwaige, neuen Erkenntnissen nicht mehr entsprechende, also unzulängliche Einrichtungen hinzuweisen haben mit der Rechtswirkung, daß damit dem Halter die Pflicht zu eigener Prüfung und Entschließung auferlegt wird: er kann sich dann, mindestens bürgerlich-rechtlich (§ 7 StVG), nicht mit dem Hinweis entlasten, sein Fahrzeug entspreche noch den gesetzlichen Anforderungen. Ein solches Hinausgehen über ausdrückliche Forderungen des Gesetzes selbst ist audi der S t V O nicht unbekannt, wie § 1 als ergänzende Grundregel zeigt. Einzelfälle Zwar ist der Fahrzeugführer dafür verantwortlich, daß alle Bau- und Ausrüstungsvorsdiriften eingehalten werden. Wieweit er sich dabei der Hilfe anderer bedienen darf, um sich über die Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs zu vergewissern, wird unten R N r . 17 im Rahmen der Prüfung des Umfanges der Sorgfaltspflicht erörtert werden. Wenn audi alle der Verkehrssicherheit eines Fahrzeugs dienenden Einrichtungen in Ordnung sein müssen, gibt es doch einige besonders wichtige Einrichtungen, deren Prüfung deshalb notwendig ist, weil sie der Abnützung mehr ausgesetzt sind als andere. Dazu gehören vor allem die Reifen, deren Beschaffenheit den Bestimmungen des 5 36 S t V Z O entsprechen muß. O b die Reifen vorschriftsmäßig sind, kann auch der Laie beurteilen. Da der Zustand der Reifen bei hoher Beanspruchung sich schnell verschlechtern kann, wird vom Fahrzeugführer verlangt, daß er den Zustand der Reifen ständig überwacht 1 9 ). Stellt der Fahrzeugführer vor Antritt der Fahrt fest, daß die vorgeschriebene Profiltiefe nicht mehr vorhanden ist, dann muß der mangelhafte Reifen sogleich ausgewechselt werden. Es darf, da es sich um keinen plötzlich aufgetretenen, sondern um einen sich langsam entwickelnden und voraussehbaren Mangel handelt, mit dem mangelhaften Reifen auch nicht bis zur nächsten Reparaturwerkstätte oder bis zur Reifenfirma gefahren werden 2 0 ) (vgl. unten R N r . 15). Selbst wenn die Profiltiefe ausreicht, kann durch nichtfachmännisches Nadischneiden der Profile die Verkehrssicherheit der Reifen ungünstig beeinflußt werden. Dafür kann neben dem Halter auch der Fahrer verantwortlich sein 21 ). Die Benutzung von Reifen, die bis auf den Gewebeunterbau nachgeschnitten sind, verstößt gegen § 23 auch dann, wenn keine konkrete Gefährdung eingetreten ist 22 ). Reifen, die bis zu den „Stegen" (das sind in den Profilrillen angebrachte Querverstärkungen) abgefahren sind, verstoßen nicht schlechthin gegen § 36 Abs. 2 S. 3 u. 4 S t V Z O , sondern nur dann, wenn die „Stege" gegenüber den Vertiefungen derart überwiegen, daß der Reifen nicht mehr verkehrssicher ist 28 ). Die Lauffläche eines Reifens ist nur der Teil seiner Oberfläche, der normalerweise dazu dient, die Verbindung zwischen dem Kraftfahrzeug und der Straße herzustellen. Zu ihr gehören nicht die Teile des Reifens, die nur bei außergewöhnlichen Situationen mit der Straße in Berührung kommen können 2 4 ). D e r Fahrzeugführer wird dadurch nicht von seiner Verantwortung befreit, daß auch den Halter eine Verantwortung t r i f f t ; (§ 31 Abs. 2 StVZO). E r muß deshalb den Zustand der Reifen selbst dann prüfen, wenn der Halter ihm die allgemeine Versicherung gegeben hat, das Fahrzeug sei „in Ordnung" und wenn der Halter mitfährt und in näheren persönlichen Beziehungen zum Fahrer steht 2 5 ). D e r angestellte Kraftwagenführer, der den mangel) BGH 28. 10. 66, VRS 32, 37 = DAR 67, 51. 2 °) KG 5. 12. 68, VRS 37, 225 = DRspr. II (291) 177 g; Hamm 18. 2. 69, MDR 69, 782 = VerkMitt. 69, 40 = DRspr. II (291) 177 f. 2 1 ) BGH 26. 1. 62, VRS 22, 281 = VerkMitt. 62, 45. 19
) So für die frühere Rechtslage: BayObLGSt 67, 131 (26. 7. 67) = VRS 34, 75 = VerkMitt. 67, 74. 2 3 ) BayObLG 21. 3. 69, VRS 38, 76. 2 4 ) KG 27. 4. 67, VRS 33, 214. 2 5 ) BGHSt 17, 277 (18. 5. 62) = Betrieb 62, 1174 = MDR 62, 752 = VerkMitt. 62, 67 = VRS 23, 228 = DRspr. II (291) 101 c.
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Vorschriftsmäßiger Zustand: Einzelfälle
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§ 23
haften Zustand der Bereifung kennt, kann sich auch nicht damit entschuldigen, er habe dem Fahrauftrag seines Arbeitgebers nicht widersprechen wollen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden 26 ). Da § 23 (und auch § 69 a StVZO) nur den mit Bußgeld bedroht, der sich mit einem unvorschriftsmäßigen Fahrzeug im öffentlichen Verkehr bewegt, verstößt derjenige, der ein Fahrzeug mit profillosen Reifen auf öffentlicher Straße abstellt, nicht gegen diese Bestimmung 27 ). Ersatzreifen sind nicht vorgeschrieben. Wer keine oder nur unvorschriftsmäßige Ersatzreifen mitführt, handelt deshalb nicht ordnungswidrig 28 ). Neben den Reifen sind es vor allem die Bremsen, die einer dauernden Überprüfung bedürfen, der Fahrer ist neben dem Halter verpflichtet, sich vor Antritt der Fahrt von der vollen Wirksamkeit der Bremsen zu überzeugen 20 ). Die Wirksamkeit des Fahrtrichtungsanzeigers muß bei jeder Betätigung überwacht werden. Denn ein Fahrzeug, an dem der Fahrtrichtungsanzeiger schadhaft ist, ist nicht vorschriftsmäßig 30 ). Auch das Fahren mit einem Fahrzeug, bei dem der vorgeschriebene Fahrtschreiber (§ 57 a StVZO) nicht voll betriebsfähig ist, verstößt gegen § 23 31 ). Wenn das Schaublatt des Fahrtschreibers nicht rechtzeitig ausgewechselt wird, so daß es wegen Doppelbeschriftung nicht entziffert werden kann, ist das Fahrzeug nicht mehr vorschriftsmäßig 32 ). Ein Kraftfahrzeug befindet sich in nicht vorschriftsmäßigem Zustand, wenn nur die linke Hälfte der vereisten Windschutzscheibe in einer Breite von 40 cm freigekratzt worden ist 33 ). Wer eine steile, schneeglatte, nicht gestreute Bergstrecke ohne Schneeketten oder Winterreifen befährt und sie deshalb nicht bewältigen kann, so daß sein Wagen f ü r den übrigen Verkehr zu einem Hindernis wird, verstößt gegen § 23 (auch wenn das Z. 268 nicht angebracht ist)34). Wird ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen, an dem die Radkappen entfernt sind, dann ist es nicht mehr vorschriftsmäßig, falls die dabei freigelegten Teile (Achsabschluß, Radbefestigungsschrauben) so hervorragen, daß sie dadurch mit dem Fahrzeug in Berührung kommende Personen besonders gefährden 35 ). Der Kraftfahrer ist zwar dafür verantwortlich, daß das Fahrzeug ausreichend mit einem geeigneten Kraftstoff betankt ist 3 '). Ein ausländischer Kraftfahrer soll aber in der Regel nicht verpflichtet sein, den in seinem Heimatland allgemein verwendeten Kraftstoff darauf zu prüfen, ob dieser auch bei starker Kälte geeignet ist 37 ). Versäumt der Fahrzeughalter, das Fahrzeug rechtzeitig zur Untersuchung nach § 29 StVZO vorzufahren und wird deshalb die Prüfplakette ungültig, dann berührt dies nicht den vorschriftsmäßigen Zustand des Fahrzeugs 38 ). War dem Führer (oder Halter) eines Kraftfahrzeugs vor der technischen Untersuchung nach § 29 StVZO ein Mangel bekannt, der die Benutzung ausschloß oder hätte er ihn kennen müssen, so wird das Benutzungsverbot nicht dadurch vorübergehend aufgehoben, daß der Prüfer eine Frist zur Behebung des Mangels setzt 38 ). Wird ein Fahrzeug bei der Untersuchung beanstandet, ohne daß es als verkehrsunsicher im Sinne des § 29 Abs. 3 StVZO befunden wird, so verstößt der Fahr26
) BayObLG 19. 5. 65 bei Rüth, DAR 66, 258 (IV 5 b). 27 ) Stuttgart 10. 10. 67, VerkMitt. 68, 48; Hamm 30. 12. 69, VkBl. 70, 247 = DRspr. II (291) 189 b. 2S ) Hamburg 25. 3. 66, DAR 66, 222 = N J W 66, 1277 = VRS 31, 300 = DRspr. II (291) 145 d, e. 29 ) B G H 12. 1. 62, VRS 22, 211. 30 ) Düsseldorf 20. 3. 68, VerkMitt. 68, 47 = DRspr. II (291) 164 c. 31 ) BayObLG 31. 10. 62, 1 St 559/1962.
32
) Schleswig 22. 6. 66, VerkMitt. 67, 13. ) BayObLG 22. 8. 61, VRS 22, 64 = DRspr. II (291) 94 c. 34 ) BayObLG 19. 1. 66, 1 b St 345/1965. 35 ) BayObLG 29. 11. 71, VerkMitt. 72, 25. 3 «) Stuttgart 17. 1. 64, VRS 27, 269. •") BGH(Z) 26. 3. 68, VerkMitt. 68, 89. 38 ) Hamm 1. 2. 68, N J W 68, 1248 = VRS 35, 372 = DRspr. II (291) 170 f. 30 ) BGH 26. 7. 67, VRS 33, 384; BayObLG 18. 10. 67, N J W 68, 464; Hamm 1. 2. 68 wie Fußn. 38. 33
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§ 23
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zeugführer gegen § 23 S t V O , wenn er die zur Beseitigung des Mangels gesetzte Frist ungenutzt verstreichen läßt 4 0 ). Zur Vorschriftsmäßigkeit der Beleuchtung s. unten R N r . 12. 8
2. Verantwortung für vorschriftsmäßigen Zustand der Ladung Die Ladevorschriften ergeben sich aus § 22. Soweit § 23 dem Fahrzeugführer die Pflicht auferlegt, dafür zu sorgen, daß die Ladung „vorschriftsmäßig" ist, handelt es sich also nur um einen (entbehrlichen) Hinweis auf die bereits durch § 22 auferlegte Pflicht. Auf die Erläuterungen zu § 22 wird verwiesen. Zur Vorschriftsmäßigkeit der Ladung gehört aber auch, daß durch sie nicht die Vorschriften über Achslast und Gesamtgewicht (§ 34 S t V Z O ) verletzt werden. I m folgenden wird einschlägige Rechtsprechung zum früheren § 7 Abs. 1 S. 2 S t V O 1937 des Zusammenhangs halber angeführt: D e r Fahrzeugführer, insbesondere der Führer eines Lkw muß prüfen, ob die von ihm übernommene Ladung zu einer Uberschreitung des für das Fahrzeug zugelassenen Gesamtgewichts geführt hat. Dabei darf er sich aber auf die Gewichtsangabe des Verladers verlassen, es sei denn, daß er auf Grund besonderer Umstände Anlaß hat, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln 4 1 ). Solche besonderen Umstände können z . B . sein: Durchbiegen der Federn, sichtbarer Umfang der Ladung, E r schwerung der Lenkung, vermindertes Anzugs- und Steigungsvermögen. Ein erfahrener Transporteur von Holzstämmen muß berücksichtigen, daß das Gewicht von Holz entscheidend durch den Feuchtigkeitsgehalt beeinflußt wird 4 2 ). Die Sicherheit der Beladung hat der Fahrzeugführer auch dann zu prüfen, wenn eine seiner Aufsicht nicht unterstellte Person das Fahrzeug beladen hat 4 3 ).
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3. Verantwortung für den vorschriftsmäßigen Zustand der Besetzung Die „Besetzung" besteht aus den mit dem Fahrzeug beförderten Personen. Die V o r schriften über Personenbeförderung enthält § 21. Für die Besetzung von Kraftomnibussen gilt § 34 a S t V Z O . Die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen ist im P B e f G (III/l in Bd. II) geregelt. § 23 enthält keine Vorschriften über die Besetzung, er stellt nur des Zusammenhangs wegen fest, daß der Fahrzeugführer auch dafür verantwortlich ist, daß die Vorschriften über die Besetzung eingehalten werden. Die Vorschrift hat nur insofern eigene rechtliche Bedeutung, als dem Fahrzeugführer über die Prüfung der Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung hinaus die Pflicht auferlegt wird, dafür zu sorgen, daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Besetzung nicht leidet; (s. unten R N r . 11).
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4. Verantwortung für Lesbarkeit der Kennzeichen (Abs. 1 S. 3) Abs. 1 S. 3 übernimmt den früheren § 22 S t V O 1937. Kennzeichen sind vorgeschrieben in § 60 S t V Z O für Kraftfahrzeuge, in § 64 b für Gespannfahrzeuge, ausgenommen Kutschwagen, Personenschlitten und für land- und forstwirtschaftliche Arbeitsgeräte. Die Zuteilung amtlicher Kennzeichen regelt § 23 S t V Z O . Auf die in der B O K r a f t für den Linienverkehr von Omnibussen (§ 33) und für Droschken (§ 39) vorgeschriebene zusätzliche Kennzeichnung (s. III/2 in Bd. II) bezieht sich § 23 S t V O nicht; ebensowenig auf die im internationalen Verkehr vorgeschriebenen besonderen Kennzeichen; (§ 2 I n t K f z V O § 2, V I I / 2 Bd. II), die Geschwindigkeitsschilder des § 58 S t V Z O und die schriftlichen Angaben über die zulässigen Achslasten nach § 34 Abs. 4 S t V Z O . D e r Führer darf a) die Kennzeichen nicht verdecken, z . B . durch Gepäckstücke; auch darf keine Einrichtung (z. B. die Nebelschlußleuchte) so angebracht werden, daß das hintere Kennzeichen in ) BayObLG 5. 11. 65 bei Rüth DAR 66, 258 (IV 2 b). « ) BayObLG 24. 6. 69, Betrieb 69, 1747 = VerkMitt. 70, 5 = VRS 38, 226 = DRspr. II (291) 177 b, c; ähnlich Köln 19. 6. 62, 40
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JMB1.NRW 62, 237 = VerkMitt. 62, 92 = VRS 24, 74. ) Karlsruhe 3. 7. 69, DAR 70, 27 = DRspr. II (291) 183 e. « ) Düsseldorf 18. 1. 67, VerkMitt. 67, 87.
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V e r a n t w o r t u n g f ü r L a d u n g , Besetzung, Kennzeichen, Verkehrssicherheit
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clem vorgeschriebenen Winkelbereich (§ 60 Abs. 2 S t V Z O ) nicht gelesen werden kann. D a s v o r d e r e Kennzeichen darf bei einem Ackerschlepper nicht durch ein vorgesetztes Arbeitsgerät verdeckt werden. Ist das Kennzeichen in „rechtswidriger Absicht" verdeckt worden, so ist der T ä t e r nach § 25 Abs. 1 N r . 3 S t V G s t r a f b a r . N u r die fahrlässige Z u w i d e r h a n d l u n g ist nach § 23 ordnungswidrig. Z u m Kennzeichen gehört auch der Dienststempel; a u d i er m u ß stets gut sichtbar erhalten, also u. U m s t . erneuert werden. b) D i e Lesbarkeit darf nicht durch äußere Einwirkungen, z. B. U n s a u b e r k e i t beeinträchtigt sein. Es ist ordnungswidrig, wenn auch n u r ein Kennzeichen, das v o r d e r e oder hintere, nicht mehr gut lesbar ist 4 4 ). D i e Kennzeichen müssen auf der ganzen F a h r t gut lesbar sein. Wenn es auch unter normalen U m s t ä n d e n genügt, sich v o r A n t r i t t der F a h r t v o n d e m vorschriftsmäßigen Z u stand der Kennzeichen zu überzeugen, so kann sich doch aus besonderen U m s t ä n d e n die Pflicht ergeben, die Lesbarkeit der Kennzeichen unterwegs zu ü b e r p r ü f e n u n d die Schilder zu reinigen. So, wenn das Fahrzeug auf längerer Strecke besonders schmutzige Stellen durchfahren hat 4 5 ). D a g e g e n besteht nicht die Pflicht, bei schlechtem Wetter grundsätzlich v o n Zeit zu Zeit zu halten und die Lesbarkeit der Kennzeichen zu überprüfen 4 6 ), besonders wenn sofortige Wiederbeschmutzung zu erwarten ist 4 '). Z u den nach § 17 vorgeschriebenen Beleuchtungsanlagen gehört auch die Beleuchtung des hinteren Kennzeichens nach § 60 Abs. 4 S t V Z O . D a das Kennzeichen i. d. R e g e l nicht gut lesbar ist, wenn es bei D u n k e l heit nicht beleuchtet wird, liegt in der Nichtbeleuchtung auch ein Verstoß gegen § 23. IV. V e r a n t w o r t u n g f ü r Verkehrssicherheit Abs. 1 S. 2 weist darauf hin, daß der F a h r z e u g f ü h r e r d a f ü r verantwortlich ist, daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die L a d u n g sowie die Besetzung nicht leidet. Soweit es sich u m die L a d u n g handelt, überschneidet sich diese Vorschrift m i t § 22 Abs. 1. D o r t wird d e m F a h r z e u g f ü h r e r aufgegeben, die L a d u n g „verkehrssicher" zu verstauen. D i e in der B e g r ü n d u n g zu Abs. 1 vertretene Ansicht, auch wenn die N o r m e n über die Beladung eingehalten wären, k ö n n e die Verkehrssicherheit durch die Beladung u n d die Besetz u n g leiden, t r i f f t also nicht zu, soweit es sich u m die L a d u n g handelt. Dagegen enthält § 21 keine entsprechende Vorschrift, die d e m F a h r z e u g f ü h r e r die Vera n t w o r t u n g d a f ü r auferlegte, daß die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht durch die Besetzung leidet. Insoweit ist also § 23 Rechtsquelle. In § 7 Abs. 3 S. 2 S t V O 1937 war ein entsprechendes G e b o t k o n k r e t e r gefaßt: D e r F ü h r e r d u r f t e Personen n u r mitnehmen, soweit sie ihn in der Leitung u n d Bedienung des Fahrzeugs nicht behinderten. Wird der F ü h r e r durch die Besetzung in der L e i t u n g und Bedienung des Fahrzeugs behindert, dann leidet die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs. D a s k a n n der Fall sein, wenn der F ü h r e r auf seinem Führersitz durch die beförderten Personen eingeengt wird, m i t der Folge, daß er in der Bedienung v o n Schalthebel und H a n d b r e m s e behindert wird. D i e M i t n a h m e v o n mehr Personen als bei Bemessung des Führersitzes vorgesehen ist, k a n n deshalb Verstoß gegen Abs. 1 S. 2 sein 4 8 ). D a s M a ß der Behinderung k a n n abhängig sein v o n der B e f ö r d e rungsart u n d v o n der Person des Führers 4 9 ). Auch auf die persönliche Verfassung des neben d e m F ü h r e r Sitzenden k a n n es a n k o m men. Wenn das Gesetz auch keine ausdrückliche Vorschrift enthält, welche die M i t n a h m e v o n betrunkenen oder angetrunkenen Personen in einem K r a f t f a h r z e u g verbietet, so k a n n es doch im Einzelfall geboten sein, die M i t n a h m e solcher Personen ü b e r h a u p t abzulehnen o d e r diese wenigstens nicht neben dem Führer Platz nehmen zu lassen. D i e V e r a n t w o r t u n g ) BayObLGSt 25, 197. « ) Hamm 7. 10. 52, VRS 5, 80. 4 «) Hamm 14. 6. 54, DAR 54, 310. 44
) Hamm 18. 6. 54, VRS 7, 221. ») BGH 26. 2. 53, VRS 5, 283, 284. « ) Neustadt 6. 7. 55, VRS 9, 472.
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trägt audi hier der Fahrzeugführer 5 0 ). Er kann sich nicht auf eine Schreckzeit berufen, wenn ihn der betrunkene Mitfahrer dann tatsächlich behindert 51 ). 12
V. Verantwortung dafür, daß die Beleuditungseinrichtungen vorhanden und betriebsbereit sind (Abs. 1 S. 4) Während sich S. 1—3 des Abs. 1 mit der Verantwortung des Fahrzeugführers für den Zustand des Fahrzeugs insoweit befaßte, als er für die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs Voraussetzung ist, enthält S. 4 eine reine Ausrüstungsvorschrift, die sich (systematisdi richtiger) ähnlich auch in § 49 a Abs. 1 StVZO findet: die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen müssen an Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern sowie an Fahrrädern auch am Tage vorhanden und betriebsbereit sein. Das war auch schon früher so, ergab sich aber damals nur aus der StVZO. Für andere Fahrzeuge gab es früher eine besondere Vorschrift in § 24 StVO 1937, in dessen Abs. 8 ebenfalls schon die Pflicht, die vorgeschriebenen Leuchten mitzuführen, auf den Fall beschränkt war, daß sich das Fahrzeug voraussichtlich noch im Verkehr befinden wird, wenn Beleuchtung nötig wird. Auch für Fahrräder hat sich nichts geändert, weil an diesen schon früher nach § 67 StVZO betriebsfertige vorschriftsmäßige Beleuchtungseinrichtungen auch bei Tage angebracht sein mußten. Im übrigen sind Beleuchtungsvorschriften außer in § 17 an zahlreichen anderen Stellen der StVO, die Ausrüstungsvorschriften in der StVZO (s. Überblick bei § 17 R N r . 3) zu finden. Da es sich bei § 23 S. 4 um eine reine Ausrüstungsvorschrift handelt, dürfte § 23 hinter die (bußgeldbewehrte) Ausrüstungsvorschriften der StVZO zurücktreten. Sondervorschriften für Fahrräder, Kleinkrafträder und Fahrräder mit Hilfsmotor, deren Beleuditungseinrichtungen versagen, s. Abs. 2 (unten R N r . 16). VI. Umfang der Sorgfaltspflicht
13
1. Prüfung vor Antritt der Fahrt Während oben R N r . 5—12 die Frage behandelt wurde, worauf sich die in § 23 ausgeführten „sonstigen Pflichten" im einzelnen beziehen, soll nun der Umfang der Sorgfaltspflicht des Fahrzeugführers erörtert werden. Das moderne Kraftfahrzeug ist zu kompliziert, als daß der in technischen Dingen laienhafte Fahrzeugführer in der Lage wäre, seine Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit in allen Punkten selbst zu beurteilen. Er darf und muß sich deshalb der Hilfe des erfahrenen Fahrzeugtechnikers bedienen, der in den vorgesehenen „Inspektionen" den Zustand des Fahrzeugs zu prüfen hat. Läßt der Halter diese Inspektionen regelmäßig vornehmen, dann kann ihn und den Fahrzeugführer kein Vorwurf treffen, wenn das Fahrzeug an einem Mangel leidet, den der Laie nicht ohne weiteres erkennen kann. Die alle zwei Jahre durch den T Ü V nach § 29 StVZO vorgenommene Untersuchung reicht dagegen in der Regel nicht aus 52 ). Wurde das Fahrzeug allerdings wenige Tage vor der Fahrt nach § 29 StVZO untersucht und für einwandfrei erkannt, dann braucht der Fahrzeugführer nicht damit zu redinen, daß ein äußerlich nicht ohne weiteres als mangelhaft erkennbarer Reifen den Vorschriften nicht voll entspricht 53 ). Bei äußerlich gutem Zustand eines Reifens braucht der Fahrer, dem ein bis dahin nicht vertrautes Kraftfahrzeug zur Führung anvertraut wird, mit einem inneren Mangel (z. B. „Ermüdung") nicht zu rechnen 54 ). Allgemein gilt der Satz, daß durch die Überwachung des Fahrzeugs durch technisch geschultes Personal dem Fahrzeugführer die Verantwortung für die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nur insoweit abgenommen werden kann, als er die Mängel nicht selbst bei sorgfältiger Prüfung feststellen kann 55 ). Deshalb entbindet den Fahr») BGHSt 9, 335 (9. 8. 56) = VerkMitt. 56, 55; Köln 21. 10. 66, VerkMitt. 67, 32. 51 ) BGH 8. 11. 63, VRS 26, 33; Köln 21. 10. 66 wie Fußn. 50. 52 ) BGH(Z) 19. 1. 65, VersR 65, 473 = VerkMitt. 65, 20; ähnlich schon BGH 29. 9. 61, VerkMitt. 62, 8 = DAR 61, 341. 5
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3S 54 55
) Hamm 29. 2. 68, VerkMitt. 68, 64. ) Celle 5. 4. 62, VersR 63, 148. ) BGH 26. 6. 64, NJW 64, 1631 = VRS 27, 148 = VerkMitt. 64, 81 = DAR 64, 255.
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P r ü f u n g v o r A n t r i t t der Fahrt, unterwegs
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zeugführer eine unmittelbar vor F a h r t a n t r i t t in einer anerkannten Werkstätte durchgef ü h r t e Überholung der Bremsen jedenfalls dann nidit v o n der Verpflichtung, selbst eine Bremsprobe durchzuführen, wenn dieser sich nicht erkundigt hat, ob in der Werkstätte eine P r ü f u n g vorgenommen wurde 5 8 ). Wer sich ein K r a f t f a h r z e u g leiht, m u ß , auch wenn es noch „praktisch neuwertig" ist, und u n t e r Fabrikgarantie steht, v o r A n t r i t t der F a h r t die Bremsanlage überprüfen 5 7 ). Wenn sich der K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r auch bei einem fast neuen K r a f t f a h r z e u g in der Regel darauf verlassen darf, daß die Bremseinriditungen richtig eingestellt sind, so m u ß er es doch alsbald feststellen u n d f ü r Abhilfe sorgen, wenn der Wagen bei scharfem Bremsen nach rechts zieht 5 8 ). Die Wichtigkeit einer einwandfreien Bremsanlage bringt es mit sich, daß der K r a f t f a h r e r regelmäßig bei A n t r i t t der Fahrt eine Bremsprobe v o r n e h m e n muß 5 9 ). Der Führer eines Lastzuges m u ß sogar nicht n u r v o r A n t r i t t der Fahrt, sondern auch nach jeder in deren Verlauf erfolgter Umstellung des Bremskraftreglers eine Bremsprobe vornehmen 8 0 ). Zu den besonderer Überwachung bedürfenden Einrichtungen gehören weiter: Das Schließen der Wagentür vor dem Anfahren 6 1 ), der Verschluß des Treibstofftanks (Dieselöl) 18 ), die wirksame Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers' 3 ). Z u r Ü b e r p r ü f u n g der richtigen Einstellung der Scheinwerfer ist zwar der Laie n o r m a lerweise nicht in der Lage. E r braucht auch die Betriebssicherheit der Beleuchtungseinriditungen n u r zu p r ü f e n , wenn ihm besondere Umstände hierzu Anlaß geben 84 ). Das ist z. B. der Fall, wenn entgegenkommende Fahrzeuge t r o t z Abblendlichts anzeigen, daß sie geblendet werden 8 5 ). Normalerweise genügt es, die Scheinwerfer in regelmäßigen Abständen v o n einer zuverlässigen Werkstätte ü b e r p r ü f e n zu lassen 88 ). Ist aber die Steckdose beschädigt, über die das Schlußlicht des Anhängers mit Strom versorgt wird, dann ist der F a h r zeugführer verpflichtet, die Beleuchtungsanlage fachmännisch ü b e r p r ü f e n zu lassen 87 ). 2. P r ü f u n g unterwegs D e r Fahrzeugführer m u ß das Fahrzeug auch unterwegs beobachten u n d bei längerem H a l t e n überprüfen. Dazu besteht besonderer Anlaß, wenn Anhaltspunkte f ü r Mängel gegeben sind. Doch darf die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden. Ergibt die P r ü f u n g v o r A n t r i t t der Fahrt, daß z. B. die Beleuchtungseinrichtungen in O r d n u n g sind, dann m u ß nicht während der F a h r t nachgeprüft werden, ob die rückwärtige Fahrzeugbeleuchtung nicht durch unvorhersehbare Umstände, wie Lockerung einer Lampe in der Fassung, ausgefallen ist 88 ). Anders wenn schon bei der A b f a h r t ein Schaden vorhanden war, der n u r n o t d ü r f t i g ausgebessert w o r d e n ist, und dann die F a h r t über schlechte Straßen g e f ü h r t hat 89 ). U. Umst. ist der Führer verpflichtet, das Ladegut während der F a h r t zu überwachen 70 ). Nach Durchfahren besonders schmutziger Straßenstellen kann Verpflichtung zur Reinigung des hinteren Kennzeichens bestehen 4 5 ). Bemüht sich ein Dritter, den Fahrzeugführer auf einen f ü r diesen nicht ohne weiteres erkennbaren Mangel am Fahrzeug aufmerksam zu machen, so kann dem Fahrzeugführer z u m Vorwurf gereichen, w e n n er den Hinweis nicht z u m Anlaß einer U b e r p r ü f u n g nimmt 7 1 ). M
) Celle 21. 11. 68, VRS 37, 67. « ) BGH 18. 11. 66, NJW 67, 211. ) BGH 28. 8. 64, VerkMitt. 65, 20 = VRS 27, 348. 59 ) BGH(Z) 12. 1. 62, VRS 22, 212; Saarbrücken 30. 1. 70, VerkMitt. 70, 96. 80 ) Koblenz 13. 5. 71, VRS 41, 267. 81 ) Stuttgart 7. 2. 68, VRS 35, 307 = VerkMitt. 68, 45. 82 ) Hamm 6. 12. 65, VRS 30, 225 = DAR 66, 5S
83 ) 84
65
) o«) 87
)
«8) )
89
106.
Düsseldorf 20. 3. 68, VerkMitt. 68, 47. ) BGHSt 10, 339 (19. 7. 57) = VRS 13, 297
")
= DAR 57, 246 = VerkMitt. 57, 64; KG 26. 3. 70, VRS 39, 28. Köln 31. 10. 58, VRS 16, 468. Karlsruhe 13. 8. 64, DAR 65, 108 = Justiz 65, 91. Celle 30. 5. 56, VerkMitt. 56, 54 = DAR 57, 78. Hamburg 10. 9. 29, DAR 30, 9. Dresden 5. 11. 29, DAR 30, 58; BayObLG 24. 1. u. 9. 5. 30, DAR 30, 154 u. JW 31, 3377; Hamburg 6. 12. 26, RdK 27, 115. BGH 23. 10. 59, VRS 17, 462. Hamm 17. 3. 66, VRS 31, 464. 5 77
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3. Pflichten des Führers bei unterwegs auftretenden Mängeln (Abs. 2 Halbs. 1) Allgemeines Abs. 2 enthält im wesentlichen, was früher in § 7 Abs. 1 S. 4 enthalten war. Ein Unterschied besteht insofern, als früher darauf abgestellt wurde, ob die unterwegs auftretenden, die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigenden Mängel, unverzüglich beseitigt werden können, während nun (richtig) Voraussetzung für die Notwendigkeit, das Fahrzeug auf dem kürzesten Wege aus dem Verkehr zu ziehen, allein die Tatsache ist, daß die Mängel nicht beseitigt werden. Auch wenn sie beseitigt werden könnten, aber nicht beseitigt werden, muß das Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen werden. Sind die Mängel so erhcblich, daß bereits durch das Aus-dem-Verkehr-Ziehen der übrige Verkehr erheblich gefährdet würde, dann liegt ein Fall vor, in dem das Fahrzeug im Sinne des § 15 »liegen bleibt". Je nach der Schwere der Mängel ist also zu unterscheiden: a) Die Mängel beeinträchtigen die Verkehrssicherheit nicht wesentlich (Beispiel: Ausfall eines Blinkers). Die Fahrt darf mit entsprechender Vorsicht beendet werden, doch muß der Mangel bei nächster Gelegenheit beseitigt werden, b) Der Mangel beeinträchtigt zwar die Verkehrssicherheit wesentlich, wird aber alsbald an O r t und Stelle behoben. Die Fahrt darf nadi Behebung des Mangels fortgesetzt werden, c) Der die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigende Mangel kann an O r t und Stelle nicht alsbald behoben werden oder er könnte zwar behoben werden, wird es aber nicht. Dies ist der Fall des § 23 Abs. 2. Das Fahrzeug ist auf kürzestem Wege aus dem Verkehr zu ziehen, d) Der Mangel kann nicht alsbald behoben werden und ist so beträchtlich, daß auch das Aus-dem-Verkehr-ziehen bereits den übrigen Verkehr übermäßig gefährden würde. Das schadhafte Fahrzeug muß „liegenbleiben", bis es abgeschleppt wird. In allen Fällen, in denen ein Fahrzeug vorübergehend oder für längere Zeit auf der Fahrbahn „liegen bleibt", muß es nach § 15 gesichert werden, falls es nicht rechtzeitig als Hindernis erkannt werden kann; (vgl. § 15 R N r . 4). Das gilt auch, wenn Reparaturarbeiten vorgenommen werden. Die Absicherung ist in jedem Fall vordringlich. Erst wenn abgesichert ist, darf mit der Reparatur begonnen werden. Kann dem Fahrzeugführer zugemutet werden, den Schaden sogleich selbst zu beheben, dann handelt er ordnungswidrig im Sinne des § 1 Abs. 2, wenn er sich nicht der Mühe unterzieht, den Mangel zu beseitigen, sondern das Fahrzeug auf der Fahrbahn liegen läßt und dadurch andere Verkehrsteilnehmer behindert. Freilich werden die Fälle, in denen dem Fahrzeugführer die Behebung des Mangels zuzumuten ist, bei der geringen technischen Schulung der Durchschnittsfahrer selten sein. Ob ein Mangel die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Bei Mängeln der Bremsanlage und der Beleuchtungseinrichtungen wird die Frage in der Regel zu bejahen sein. Auch die Entscheidung der Frage, ob das „Notrecht" nach § 23 Abs. 2 besteht, insbesondere, ob das Fahrzeug noch mit eigener Kraft aus dem Verkehr gezogen werden darf oder ob die Mängel so erheblich sind, daß dies zu gefährlich erscheint, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab72). Zu den Fällen, in denen durch einen unterwegs aufgetretenen Mangel die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wird, zählt auch der Fall, daß die Geschwindigkeit auf der Autobahn wegen eines Motorschadens erheblich absinkt. Wird z. B. die Geschwindigkeit eines Lastzuges auf der Autobahn bei Dunkelheit auf 8— 10 km/h herabgesetzt, dann muß er bei nächster Gelegenheit auf der Standspur ausscheren oder die Autobahn verlassen; andernfalls ist sein Führer f ü r einen Auffahrunfall verantwortlich, auch wenn der Motorschaden ohne sein Verschulden aufgetreten ist73). Wird ein Fahrzeug entsprechend der Vorschrift des § 23 Abs. 2 aus dem Verkehr gezogen, dann wird in Kauf genommen, daß es sich dabei nicht in vorschriftsmäßigem Zustand 72
) Hamm 12. 5. 66, VkBl. 67, 343.
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Köln 7. 9. 65, VRS 29, 367 = NJW 65, 2310.
Unterwegs auftretende Mängel
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§ 23
befindet. Dem Mangel ist aber durch erhöhte Sorgfalt (geringe Geschwindigkeit) und Einsatz von Sicherungsmitteln (z. B. Warnblinklicht — § 16) nach Möglichkeit zu begegnen. Bei einer Reifenpanne darf auch ein abgefahrener Reservereifen dazu benutzt werden, das Fahrzeug 600 m weit zur eigenen Wohnung zu führen, wenn der Schaden dort behoben werden soll74). Besondere Vorschrift für Fahrräder
ect. (Abs. 2 Halbs. 2)
Für Kleinkrafträder, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder gilt nach Halbsatz 2 eine Ausnahme von dem Gebot, Fahrzeuge auf dem kürzesten Wege aus dem Verkehr zu ziehen, falls unterwegs auftretende Mängel die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigen. In § 25 StVO 1937 war das „Mitführen" von Fahrrädern gestattet, wenn die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen versagten. Die neue Vorschrift dehnt die Ausnahme nicht nur auf Kleinkrafträder und Fahrräder mit Hilfsmotor aus, sondern auch auf andere Mängel als Beleuditungsmängel. Die Bestimmung des Halbsatzes 2 befreit nicht von der Pflicht, die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen betriebsbereit mitzuführen (oben RNr. 12), sondern nur von der Pflicht, die genannten Fahrzeuge auf dem kürzesten Wege aus dem Verkehr zu ziehen, wenn unterwegs ein Mangel auftritt. Wo Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, gehen müssen, sagt § 2 Abs. 2. Eine der früheren Sondervorschrift für das Schieben von Fahrzeugen (§ 7 Abs. 4 StVO 1937) entsprechende Bestimmung enthält die neue StVO nicht. Kleinkrafträder oder Fahrräder, die einen Anhänger mitführen, genießen nicht den Vorzug, geschoben werden zu dürfen, falls ein Mangel auftritt. Sie müssen, wie alle anderen Fahrzeuge, aus dem Verkehr gezogen werden, wenn die Voraussetzungen des Halbsatz 2 vorliegen75). Muß das Kleinkraftrad etc. aus einem anderen Grund als wegen eines Mangels an der Beleuchtungsanlage geschoben werden, dann muß es bei Nacht wie jedes andere Fahrzeug beleuchtet werden7'). 4. Entlastung des Führers Der Führer kann durch persönliche Abhängigkeit von einem anderen entlastet werden. So der beamtete Führer, der durch Dienstbefehl des Vorgesetzten gebunden ist, der Arbeitnehmer, der vergeblich alle ihm zumutbaren Mittel dem Arbeitgeber gegenüber versucht hat, um die Beseitigung eines Mangels zu erreichen77). Dagegen wird der Führer durch ungeeignete Anordnungen seines Auftraggebers nicht schlechthin entlastet78). Das Gesetz verlangt nicht, daß der Führer sich immer in allen Einzelheiten persönlich von dem betriebssicheren Zustand des Fahrzeugs (Zuges) überzeugen müsse. Doch darf er sich auf Hilfspersonen nur verlassen, wenn sie ihm als kundig und zuverlässig bekannt sind7'). Von der Entlastung des Führers durch andere Personen zu unterscheiden ist die straf- und zivilrechtliche Mithaftung solcher Personen. Neben dem Führer können verantwortlich sein: Der Eigentümer und der Halter 80 ), der Entleiher 81 ), der Betriebsunternehmer (der nicht Halter des Kraftfahrzeuges ist, sondern es nur für seine Betriebszwecke verwendet) gegenüber seinen auf dem Kraftfahrzeug mitfahrenden Belegschaftsmitgliedern wegen Unterbringung der Ladung82). Hamm 17. 1. 71, VRS 41, 77. »«) Oldenburg 12. 3. 63, VRS 25, 458 = NdsRpfl. 63, 143. n ) Für die frühere Rechtslage: Celle 30. 11. 59, VersR 60, 282; vgl. audi Celle 13. 3. 61, N J W 61, 1169; Saarbrücken 20. 3. 70, VerkMitt. 70, 55. 7 7 ) R G 19. 6. 28, Pol 29, 15; 13. 3. 33, DAR 33, 110.
) RG 31. 8. 39, VAE 40, 11. ) RG 2. 6. 39, VAE 39, 340; Bruggemann, DAR 57, 113. 8 °) StVZO § 31 Abs. 2; München 28. 5. 37, VAE 37, 409. 8 1 ) RGSt 71, 182. 8 2 ) RG 15. 11. 39, VAE 40, 49. 78
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§ 23
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5. Einzelfälle aus der älteren Rechtspr. (alphabetisch geordnet) Behelfsmäßige Instandsetzung: Wer einen betriebswichtigen, bereits zweimal unter ähnlichen Umständen schadhaft gewordenen Teil eines L k w ohne ausreichende tedmische Kenntnisse selbst behelfsmäßig instandsetzt, handelt schuldhaft 8 3 ). Beleuchtung: (Vgl. § 17 S t V O , § 49 a f. StVZO). Zum vorschriftsmäßigen Zustand des Kraftfahrzeugs gehören auch die gesetzlich vorgeschriebene Beleuchtungsstärke und die Reichweite der abgeblendeten Scheinwerfer. D e r Führer muß es bemerken, wenn die Reichweite der Abblendscheinwerfer nur noch etwa die Hälfte des Normalen erreicht 8 4 ). Wer mit versdimutzten Rückleuchten fährt, verstößt gegen § 23 Abs. 1 S. 2 8 ä ). Überwachungspflicht insbesondere bei Tage darf nicht überspannt werden 8 "). Die nur von der Lichtmaschine gespeiste Fahrzeugbeleuchtung kann unzureichend sein, weil sie bei langsamer Fahrt nachläßt 8 7 ). Eine Nachsdiaupflicht bezüglich der Beleuchtung während der Fahrt ist bei der für sie vorgeschriebenen technischen Einrichtung nur für besondere Fälle anzunehmen 8 8 ). Bei Versagen der Beleuchtung wäre an sich unbeleuchtetes Stehenlassen des Fahrzeugs ebenso unzulässig, wie Weiterfahrt ohne Beleuchtung. Die Verkehrssicherheit erfordert dann Weiterfahrt unter besonderer Vorsicht 8 9 ). Pflicht zum Aufsuchen der nächsten Werkstatt besteht schon, sobald mit der Möglichkeit gänzlichen Versagens zu rechnen ist 0 0 ). Bei Versagen eines Scheinwerfers müssen die etwa vorhandenen beiden kleinen Lampen eingeschaltet werden 9 1 ). Fahrt mit nur einem brennenden Scheinwerfer bei Versagen des anderen kein übergesetzlicher Notstand im Einzelfall, weil die Pflicht, mit zwei brennenden Scheinwerfern zu fahren, höher stand als die etwaige Rechtspflicht zur Beförderung der Insassen» 2 ). Bremsen: (Mindestbremsverzögerung § 41 Abs. 4 S t V Z O ) . Es gibt keinen Erfahrungssatz, daß beim Klemmen des Hebels der Fußbremse den Fahrer ein Verschulden trifft 9 3 ). Auch wenn die Bremsverzögerung nodi den Mindestanforderungen genügt, kann Verschulden vorliegen, wenn der Fahrer bei Bemessung seiner Geschwindigkeit die vergleichsweise geringe Wirkung seiner Bremsen nicht berücksichtigt 94 ). Teilnahme am Verkehr mit einem Kraftfahrzeug, dessen Bremsen sich in mangelhaftem Zustand befinden, schließt ohne weiteres fahrlässige Gefährdung der Verkehrssicherheit in sich 95 ). Innenspiegel: Verstoß gegen § 23 Abs. 1 S. 2, wenn Innenspiegel durdi Behinderung der Rückschau unverwendbar ist9®). Lenkung: D e r Kraftfahrer muß sich immer bewußt sein, daß die Sicherheit seines Wagens in erster Linie von einwandfreiem Arbeiten seiner Lenkung abhängt und jede Störung in dieser Beziehung erhebliche Gefahren m i t sich bringt 9 7 ). Liegengebliebenes Fahrzeug: soll vom linken Fahrbahnrand mindestens auf die rechte Seite geschleppt werden 9 8 ). R e i f e n : Nach § 36 Abs. 2 S t V Z O i. d. F. vom 6. 12. 60 müssen Luftreifen an Kraftfahrzeugen und Anhängern im ganzen Umfang und auf der ganzen Breite der Lauffläche mit Profilrillen oder Einschnitten versehen sein. Die Profilrillen oder Einschnitte müssen an jeder Stelle der Lauffläche mindestens 1 m m tief sein. Damit wurde die frühere U n klarheit beseitigt, wann Reifen noch als vorschriftsmäßig anzusehen seien. Die Rechtspre) ) 85) 8«) 87) 88J
Nürnberg 29. 12. 60, VersR 61, 622. BGH 27. 1. 61, VRS 20, 280. BayObLG 12. 3. 58, 1 St 852/1957. BayObLG 24. 11. 54, DAR 55, 120. BGH 11. 3. 52, VRS 4, 271. BayObLGSt 53, 119 (2. 7. 53); KG 8. 4. 53, VRS 5, 459. 8 0 ) BayObLG 23. 10. 31, VR 32, 211; Rostock 15. 6. 31, DAR 32, 43. eo ) München 31. 5. 35, VAE 36, 74. 9 1 ) BayObLG 1. 10. 29, DAR 30, 57.
83 M
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»2) RG 2. 10. 31, DAR 32, 43; s. aber auch VkBl. 47, 35. 9 3 ) BGH(Z) 28. 5. 56, VRS 11, 414. 0 4 ) Karlsruhe 17. 11. 55, VRS 10, 330. 0 5 ) RG 5. 5. 39, VAE 39, 304. 9 8 ) Hamm 20. 5. 58, DAR 59, 55; 10. 12. 59, VRS 19, 69. 9 7 ) RG 30. 4. 36 u. 30. 4. 38, VAE 36, 436 u. 38, 286. 9 8 ) BGH 20. 5. 54, VRS 7, 70.
Ältere Rechtsprechung
StVO
§ 23
chung hatte übrigens im Anschluß an den Erlaß des BMV v o m 7. 3. 56 (VkBl. 56, 170) bereits bisher eine Profiltiefe v o n mindestens 1 m m f ü r nötig erachtet"). V o n der Frage, wann die Bereifung vorschriftsmäßig ist, ist zu unterscheiden die Frage, ob eine nicht v o r schriftsmäßige Bereifung f ü r einen Unfall ursächlich ist. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem ein auf nasser Fahrbahn (nicht wegen des mangelhaften Zustandes der Bereifung) schleuderndes Fahrzeug sich leichter abfangen läßt, wenn die Profilrillen ausreichend tief sind 100 ). Allgemein gilt, daß n u r ein solcher Reifen vorschriftsmäßig ist, der dem Fahrer gestattet, in jeder Lage den A n f o r d e r u n g e n des Verkehrs gerecht zu werden. Der K r a f t fahrer darf bei der Bemessung seiner Geschwindigkeit, die er nach der jeweiligen Verkehrslage einzurichten hat, nicht in Abhängigkeit von einem etwaigen unzulänglichen Zustand der Bereifung geraten 101 ). Bei erkennbaren äußeren Mängeln der Reifen m u ß auch der Laie m i t Verkehrsunsidierheit rechnen 102 ). Bei Zwillingsreifen müssen beide Reifen v o r schriftsmäßig sein 103 ). Auch das Reserverad m u ß , wenn es benutzt wird, einwandfrei sein 104 ); doch ist F a h r t ohne Ersatzbereifung nicht verboten 1 0 5 ). Die Bereifung eines Kraftfahrzeugs m u ß auch auf einer Ü b e r f ü h r u n g s f a h r t (§ 28 Abs. 2 StVZO) verkehrssicher sein 10 '). Sdiaublätter: Fahrzeugführer u n d H a l t e r sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die Sdiaublätter des Fahrtschreibers d a r a u f h i n nachzuprüfen, ob die aufgezeichneten Meßwerte richtig sind 107 ). Schleppen von Fahrzeugen (vgl. § 1 R N r . 154): Schleppt ein K r a f t f a h r z e u g ein liegengebliebenes anderes Kraftfahrzeug, so trägt die Verantwortlichkeit jeder Führer f ü r sein Fahrzeug; damit ist aber der Führer des ziehenden Fahrzeuges nicht v o n jeder Verantw o r t u n g f ü r das geschleppte Fahrzeug frei. Sidierheitseinriditungen: Der K r a f t f a h r e r ist grundsätzlich verpflichtet, alle in seinem Fahrzeug vorgesehenen Sicherheitseinrichtungen zu gebraudien, auch w e n n er deren N o t wendigkeit nicht durdischaut 1 0 8 ). Stehen auf der Ladefläche: D e r Lkw-Führer ist d a f ü r verantwortlich, daß niemand auf der Ladefläche steht u n d zwar auch dann, wenn er v o n erfahrenen Ladearbeitern begleitet wird 10 »); (Ausnahme: s. § 21 R N r . 11). Überprüfung der Betriebssicherheit : D e r H a l t e r eines L k w handelt seiner Verpflichtung z u r laufenden Kontrolle der Betriebssicherheit seines Fahrzeuges schuldhaft zuwider, w e n n er es während eines Zeitraumes v o n m e h r als 4 Wochen unterläßt, die Federbriden zu p r ü f e n oder p r ü f e n zu lassen 110 ). Wer ein Kraftfahrzeug mit Laufzeit v o n 48 000 km erwirbt, m u ß eine U b e r p r ü f u n g auf dessen Verkehrssicherheit v o r n e h m e n lassen. U n t e r l ä ß t er das, so k a n n er f ü r die Ablösung eines Rades verantwortlich sein 111 ). VII. Verhaltensvorschriften für Radfahrer und Führer von Krafträdern (Abs. 3)
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Z u r Frage der Sorgfaltspflicht v o n R a d f a h r e r n nach § 1 Abs. 2 vgl. § 1 R N r . 164, v o n M o t o r r a d f a h r e r n § 1 R N r . 138. Abs. 3 ü b e r n i m m t im wesentlichen den f r ü h e r e n § 26 StVO 1937 u n d d e h n t ihn auf F ü h r e r von K r a f t r ä d e r n aus (nicht n u r v o n Kleinkrafträdern!). E r enthält 3 Verbote: Verbot, sich an Fahrzeuge anzuhängen, Verbot, freihändig zu fahren u n d Verbot, die Füße v o n den Pedalen zu nehmen, es sei denn, daß der Straßenzustand dies erfordert. Früher war auch noch das „ständige Fahren neben einem Fahrzeug, insbesondere neben einer Straßenbahn" verboten. Bei der Entwicklung des modernen Verkehrs bestand f ü r dieses •«) Düsseldorf 3. 11. 60, Frankfurt 29. 11. 60, beide VerkMitt. 61, 76. 10 °) BGH 28. 1. 58, VRS 14, 255. 101 ) BGHSt 10, 52 (12. 12. 56) = DAR 57, 83. >02) BGH(Z) 16. 2. 60, VersR 60, 421. 10S ) Hamm 3. 8. 59, DAR 60, 55. tM ) Düsseldorf 30. 11. 60, VerkMitt. 61, 14.
105 ) 1M ) 107
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108 ) 110
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München 28. 5. 37, VAE 37, 409. BayObLGSt 58, 25 (21. 1. 58). BayObLG 7. 6. 61, 1 St 238 a, b/1961. BGH 3. 2. 61, NJW 61, 888. BayObLG 22. 2. 61, 1 St 769/1960. BGH(Z) 27. 6. 61, VersR 61, 848. Hamm 21. 8. 59, VRS 18, 308. 581
§ 23
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Verbot kein Bedürfnis mehr; auch kann gegebenenfalls mit § 1 Abs. 2 geholfen werden, wenn andere durch das Nebenherfahren gefährdet oder behindert werden. Wer sich als Radfahrer oder Führer eines Kraftrades an ein anderes Fahrzeug „anhängt", bewegt sich unter Ausnutzung der Bewegung dieses Fahrzeugs fort; er läßt sidi ziehen, wobei die Verbindung mit dem ziehenden Fahrzeug eine körperliche oder gegenständliche sein kann. Hiernach ist es „Anhängen", wenn der Radfahrer sich mit einem Kraftradfahrer durch ein Seil verbindet und so ziehen läßt. Die Vorschrift wendet sich an den Radfahrer oder Führer eines Kraftrades, der sich anhängt, nicht aber an den Fahrzeugführer, der das Anhängen erlaubt. Diesen kann ein Verschulden treffen, wenn er sich nach § 1 Abs. 2 verkehrswidrig verhält. Auch das Verhalten des sich Anhängenden kann u. Umst. gleichzeitig gegen § 1 Abs. 2 verstoßen, wenn dadurch andere gefährdet oder auch nur behindert werden. Das freihändige Fahren war auch nach § 26 Abs. 1 StVO 1937 schlechthin verboten, nicht nur bei schwierigen Verkehrsverhältnissen, wie dies nach einer früheren Fassung der Fall war. Nicht verboten ist das einhändige Fahren, solange der Fahrer seinen Verpflichtungen im Verkehr nachkommt. Ein Radfahrer, der in der einen Hand eine ungesicherte Sense hält, kann allerdings gegen § 32 Abs. 2 verstoßen. Auch kann § 23 Abs. 1 S. 2 eingreifen, wenn die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs darunter leidet, daß der Führer in einer Hand ein Gepäckstück hält. Grundsätzlich müssen die Füße auf den Pedalen der Fahrräder bzw. auf den Fußrasten der Motorräder bleiben. Da es bei extrem ungünstigen Straßenverhältnissen (Schlamm, Glatteis, Kiesaufschüttung) erforderlich sein kann, das Gleichgewicht auf der Straßenoberfläche durch die Fußsohlen zu halten, wurde eine Ausnahme für den Fall zugelassen, daß es der Straßenzustand erfordert. Wie sich aus dem Zusammenhang ohne weiteres ergibt, bezieht sich Abs. 3 S. 2 nur auf die Fahrt. Beim Abfahren und Anhalten kann die Erhaltung des Gleichgewichts die Zuhilfenahme der Füße ebenfalls erfordern. Die Vorschriften über die Mitnahme von Personen auf Krafträdern und Fahrrädern finden sich in § 21 Abs. 1 Nr. 1 u. 3. 20
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über die sonstigen Pflichten des Fahrzeugführers nach § 23 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Während früher die Meinungen darüber auseinandergingen, ob § 31 StVZO hinter § 7 StVO (1937) zurücktritt, erhebt sich nun die gleiche Frage im Verhältnis von § 23 StVO zu den Vorschriften der StVZO i. V. mit § 69 a StVZO (eingefügt durch die V O vom 21. 7. 69, VkBl. 394, geändert durch die V O vom 16. 11. 70, VkBl. 826). Zwar wurde die ungeklärte Konkurrenz zwischen § 23 StVO und § 31 Abs. 2 StVZO dadurch ausgeräumt, daß sich § 23 StVO an den Fahrzeugführer, § 31 Abs. 2 StVZO an den Fahrzeughalter richtet. Es wurde aber übersehen, daß § 69 a Abs. 3 StVZO u. a. den mit Bußgeld bedroht, der vorsätzlich oder fahrlässig unter Verstoß gegen die Vorschriften über Bau und Ausrüstung usw. ein Fahrzeug oder einen Zug in Betrieb nimmt. Das BayObLG hat in einer zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung 35 ) die Meinung vertreten, da die Vorschriften §§ 30, 32 f. StVZO durch die Einfügung des § 69 a StVZO selbständige Verhaltensnormen geworden seien, deren Verletzung in § 24 StVG unmittelbar unter Bußgelddrohung gestellt sei, so schlössen diese Vorschriften als engere Sondervorschriften den § 23 Abs. 1 S. 2 StVO 1970 aus. Darnach wäre § 23 insoweit nicht mehr anzuwenden, als der Fahrzeugführer nicht dafür sorgt, daß das Fahrzeug und die Ladung den Ausrüstungsvorschriften der StVZO entspricht. Es läßt sich wohl aber auch die Meinung vertreten, daß die Ausrüstungsvorschriften der StVZO gegenüber der reinen Betriebsvorschrift des § 23 nicht das „speziellere" Gesetz darstellen, möge auch ihre Verletzung nach § 69 a nur dann ordnungswidrig sein, wenn das Fahrzeug in Betrieb genom-
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Radfahrer, Motorradfahrer
§§23,24
men wird. Das würde bedeuten, daß beide Vorschriften in einer besonderen A r t von Gesetzeskonkurrenz nebeneinander anzuwenden sind11®). Kann nicht festgestellt werden, ob der Betroffene den in nicht vorschriftsmäßigen Zustand befindlichen Kraftwagen, dessen Halter er ist, selbst geführt hat, so wurde früher eine Wahlfeststellung zwischen § 7 Abs. 1 S. 2 u. S. 3 S t V O 1937 für zulässig angesehen 115 ). Eine entsprechende Wahlfeststellung wird zwischen § 23 Abs. 1 S. 2 der neuen S t V O und § 31 Abs. 2 S t V Z O möglich sein. Wer während der Dunkelheit ein nicht mit den vorgeschriebenen Schlußleuchten ausgerüstetes Kraftfahrzeug fährt, verstößt sowohl gegen § 23 Abs. 1 S. 2 und 4 als gegen § 17 Abs. I 1 1 4 ). Entspricht die Ladung nicht den Vorschriften des § 22, so ist dieser allein anzuwenden. E r ist gegenüber § 23 die speziellere Vorschrift; (s. § 22 R N r . 16). Das Fahren mit einem nidit in vorschriftsmäßigem Zustand befindlichen Fahrzeug trifft mit auf der Fahrt begangenen sonstigen Verkehrsverstößen tateinheitlich zusammen. Bei der Ausführung mehrerer Fahrten mit einem verkehrsunsicheren Fahrzeug handelt es sidi aber nicht um dieselbe Tat. Ist ein Kraftfahrzeug mit mehreren Mängeln behaftet, so liegt nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 23 vor 1 1 5 ). Strafschärfend darf verwertet werden, daß der Täter nicht nur als Fahrzeugführer, sondern auch als Fahrzeughalter seine Pflicht zur Überwachung der Bremseinriditungen seines Fahrzeugs verletzt hat 11 «).
§ 24 Besondere Fortbewegungsmittel (1) Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller und ähnliche Fortbewegungsmittel sind nicht Fahrzeuge im Sinne der Verordnung. (2) Mit Krankenfahrstühlen dürfen Gehwege und Seitenstreifen in Schrittgeschwindigkeit benutzt werden. Vwv zu § Zu Absatz 1: Solche Fortbewegungsmittel bedürfen danach keiner Beleuditung und müssen nidit mit Rückstrahlern versehen sein. Zu Absatz 2: Krankenfahrstühle sind Fahrzeuge. Übersicht I. Allgemeines 1. Amtliche Begründung 2. Oberblick — Vergleidi mit der bisherigen Regelung
1. Amtliche Begründung
RNr. 1-2 1 2
I I . Inhalt der Vorschriften im einzelnen 1. Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller 2. „ähnliche Fortbewegungsmittel" 3. Krankenfahrstühle I I I . Bußgeldvorsdirift
RNr. 3-5 3 4 5 6
I. Allgemeines
-J
Der Paragraph bringt eine Zusammenfassung verschiedener Normen, die ni&t fehlen dürfen, mit denen aber wegen ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutung die bisherigen bedeutsamen Verkehrsregeln im Interesse der Lesbarkeit nidit belastet werden durften. Der in der Überschrift gewählte Begriff „Fortbewegungsmittel" ist bereits aus der bisherigen StVO bekannt (§ 43). Wie der Inhalt des neuen Paragraphen ergibt, handelt es sich dabei gegenüber dem Begriff des Fahrzeugs um einen Ober) Für die frühere Rechtslage vgl. z. B . : K G 2. 3. 67, V R S 33, 54 (nur § 7 StVO 1937); Schleswig 16. 8. 61, DAR 62, 214 (Tateinheit zwischen § 7 StVO 1937 und § 31 Abs. 2 StVZO). " » ) K G 8. 2. 68, V R S 35, 390 = D A R 68, 221.
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) BayObLG 7. 5. 63, VkBl. 63, 679 = V R S 25, 464. ) BayObLG 19. 8. 58, V R S 16, 148; a. M. offenbar Frankfurt, Leitsatz VerkMitt. 55, 37. »«) B G H 10. 4. 59, VRS 17, 43.
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§ 24 StVO
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begriff. Darunter fallen Fahrzeuge im Sinne der bisherigen Vorschriften, wie Krankenfahrstühle oder Kinderwagen, aber auch Skier und Roller. Zu Absatz 1: Kinderwagen, Kinderschlitten und Rodelschlitten sind an sich Fahrzeuge. Während die bisherige Verordnung sie nur insoweit nicht als Fahrzeug behandelt wissen will (§ 24 Abs. 7 StVO alt), als es um Beleuchtungsvorschriften geht und als die Fahrzeuge ihrem Bestimmungszweck dienen, gelten sie nun überhaupt nicht als Fahrzeuge im Sinne der Verordnung. Das ist sachgerecht. Scheiden sie für den Geltungsbereich der Verordnung als Fahrzeuge aus, so müssen sie auch sonst nicht beleuchtet sein, wie es § 17 Abs. 5 für Handfahrzeuge vorschreibt; insoweit ist also sachlich nichts geändert. Diese Vorschriften sollen aber künftig gelten, ob diese Kleinfahrzeuge ihrem Bestimmungszweck dienen oder nicht. Die bisherige Unterscheidung begegnet, wie die Kommentare zeigen, erheblichen Auslegungsschwierigkeiten. Mag Müller in Anm. 25 zu § 24 StVO (alt) noch eine brauchbare Lösung für Kinderwagen gefunden haben, für Rodelschlitten paßt auch sie nicht. Schon mit der Einführung der Beleuchtungspflicht f ü r Handwagen hätte jene Unterscheidung fallen müssen. Im übrigen ist diese Frage praktisch fast belanglos. Dagegen hat der Vorschlag, diese Kleinfahrzeuge für die gesamte Verordnung als Nichtfahrzeuge zu behandeln, Konsequenzen für die Frage, wo Fußgänger mit Kinderwagen usw. zu gehen haben, und führt dabei zu zwei Änderungen der bisherigen Rechtslage. Bisher durfte die Mutter den Kinderwagen auf dem Gehweg schieben (§ 37 Abs. 5 StVO alt), jetzt muß sie es. Bisher hatte sie außerhalb geschlossener Ortschaften rechts zu gehen, jetzt muß sie in der Regel links gehen. Beide Änderungen erscheinen im Interesse der Verkehrssicherheit als geboten. Angefügt ist, daß für Roller und ähnliche Fortbewegungsmittel dasselbe gelte. So sind auch diese Fortbewegungsmittel von der Fahrbahn verwiesen, ohne daß es der de lege lata (§ 43 StVO alt) notwendigen komplizierten Erwägung bedarf, das Fahren mit Rollern sei deshalb ausdrücklich unter den Kinderspielen genannt, weil es auch als Spiel gelten soll, wenn ein Kind auf einem Roller f ü r seine Mutter einkauft. Die Roller hier zu nennen, ist auch deshalb gerechtfertigt, weil sich gelegentlich auch Erwachsene, z. B. Parkplatzwächter, dieser Fortbewegungsmittel bedienen. Doch brauchen die Kinderschlitten hier nicht besonders erwähnt zu werden; sie sind den Rodelschlitten und den Kinderwagen „ähnlich". Zu Absatz 2: Krankenfahrstühle hatten zur Zeit der Schaffung der StVO noch eine erhebliche Bedeutung; heute sind sie aus dem Straßenbild fast verschwunden. Es wäre daher verfehlt, sie bei den allgemeinen Verkehrsregeln überhaupt zu erwähnen. Sie werden deshalb unter die besonderen Fortbewegungsmittel verwiesen, statt ihnen einen eigenen Paragraphen zu widmen. Weil Krankenfahrstühle Kraftfahrzeuge sein können oder auch Handfahrzeuge, wenn sie nämlich nur geschoben werden können, oder aber auch Fahrzeuge, die den Fahrrädern ähneln, wenn sie durch Muskelkraft fortbewegt werden, hat die bisherige StVO Vorschriften über Krankenfahrstühle an zwei verschiedenen Stellen erlassen, nämlich bei der Benutzung der Fahrbahn in § 8 Abs. 1 Satz 2 und bei den Fußgängern in § 37 Abs. 5. Die bisherigen Vorschriften werden zusammengefaßt und etwas geändert. Die starre Begrenzung auf 1 m entfällt, wie auch die Begrenzung auf eine Geschwindigkeit von 10 km/h. Statt dessen wird sachgerecht auf Gehwegen und Seitenstreifen Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben. 2
2. ü b e r b ü c k — Vergleich m i t der f r ü h e r e n R e g e l u n g D a Rodelschlitten, K i n d e r w a g e n u n d R o l l e r Fahrzeuge sind, b e d u r f t e es einer b e s o n deren Vorschrift, w e n n für sie die Fahrzeugvorschriften nicht gelten sollen. D e s h a l b sagt § 24 Abs. 1, sie seien nicht Fahrzeuge „im Sinne der V e r o r d n u n g " . N a c h der S t V O 1937 w a r e n sie z w a r Fahrzeuge, f ü r sie galten aber verschiedene A u s n a h m e n : K i n d e r w a g e n , Krankenfahrstühle, Fahrräder u n d „andere Fahrzeuge" d u r f t e n nach § 37 Abs. 5 S t V O 1937 auf d e m G e h w e g geschoben w e r d e n , „andere Fahrzeuge" aber nur, w e n n sie a u d i nicht breiter als 1 m w a r e n u n d w e n n dadurch andere Fußgänger nicht b e h i n d e r t w u r d e n . „Andere Fahrzeuge" v o n nicht m e h r als 1 m Breite k o m m e n in der n e u e n Vorschrift nicht m e h r vor, an ihrer Stelle w e r d e n „ähnliche F o r t b e w e g u n g s m i t t e l " w i e die Rodelschlitten etc. f ü r die S t V O als N i c h t f a h r z e u g e behandelt. Welche F o r t b e w e g u n g s m i t t e l den g e n a n n t e n als ähnliche anzusehen sind, w i r d u n t e r R N r . 4 g e p r ü f t w e r d e n . D i e Ausscheidung der g e n a n n t e n F o r t b e w e g u n g s m i t t e l aus d e m Fahrzeugbegriff hat i n s o f e r n eine gewisse B e d e u t u n g , als die Führer v o n solchen F o r t b e w e g u n g s m i t t e l n in jeder B e z i e h u n g nicht m e h r als F a h r z e u g f ü h r e r b e h a n d e l t w e r d e n . D a d u r c h w i r d erreicht, daß die g e n a n n t e n F o r t b e w e g u n g s m i t t e l nicht w i e früher auf G e h w e g e n n u r geschoben w e r d e n dürfen, sondern daß sie es müssen, ferner, daß sie f ü r den Fall, d a ß sie die Fahrbahn b e n u t z e n müssen, d o r t w i e die übrigen Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften sich links b e w e g e n müssen u n d nicht w i e bisher rechts. Auch das G e b o t , eine b e s t i m m t e Fahrtrichtung e i n z u h a l t e n (Ein584
Überblick; Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller
StVO
§ 24
bahnstraßen — Z. 220), das Verkehrsverbot (Z. 250) und das Verbot der Einfahrt (Z. 267) galten nach früherem Recht für Kinderwagen etc., während diese jetzt davon nicht mehr betroffen werden. Nach § 24 Abs. 7 StVO 1937 waren Rodelschlitten, Kinderwagen und Kindersdilitten, „die ihrem Bestimmungszweck dienen", von den Beleuchtungsvorschriften (einschließlich der Vorschriften über Rückstrahler) ausgenommen. Eine solche Vorschrift erübrigte sich, weil sich die Ausnahme jetzt ohne weiteres aus der Tatsache ergibt, daß die genannten Fortbewegungsmittel keine Fahrzeuge im Sinne der Verordnung sind. Insofern liegt darin eine Erweiterung der Ausnahme, als nidit mehr darauf abgestellt wird, ob die Fortbewegungsmittel „ihrem Bestimmungszweck" dienen. Auch der zum Transport von Brennmaterial benutzte Kinderwagen oder Rodelschlitten ist kein Fahrzeug im Sinne der VO. Eine Sondervorschrift für das Fahren mit Rollern oder ähnlichen Fortbewegungsmitteln fand sich früher in § 43 StVO 1937, der sich mit den Kinderspielen befaßte. Die Benutzung solcher Fortbewegungsmittel auf der Fahrbahn war im allgemeinen verboten und nur ausnahmsweise auf Straßen, die für den Durchgangsverkehr gesperrt und auf denen Kinderspiele zugelassen waren, erlaubt. Jetzt gelten für die Benutzer von Rollern und ähnlichen Fortbewegungsmitteln allgemein die Fußgängerregeln; (§ 25). Krankenfahrstühle gehören nach wie vor zu den Fahrzeugen im Sinne der V O und zwar auch wenn sie von Fußgängern gezogen werden 1 ). Für sie enthält § 24 Abs. 2 eine Sondervorschrift, die inhaltlich mit der früheren Ausnahmevorschrift des § 37 Abs. 5 StVO 1937 im wesentlichen übereinstimmt; allerdings gilt die Ausnahme nunmehr auch für motorisierte Krankenfahrstühle, solange sie mit Schrittgeschwindigkeit fahren; (Näheres s. unten R N r . 5). Für die Beleuchtung von Krankenfahrstühlen gilt § 17 im Zusammenhang mit den Ausrüstungsvorschriften der StVZO; (vgl. zur Frage der Begrenzungsleuchten § 51 StVZO R N r . 7, II in Bd. I). Dem Gesetzgeber ist es gelungen, in einer kurzen, übersichtlichen Vorschrift die früher verstreuten Sondervorschriften zu vereinigen und nicht unwesentliche Verbesserungen anzubringen. II. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 1. Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller (Abs. 1) Rodelschlitten, Kinderwagen und Roller sind nicht mehr Fahrzeuge im Sinne der StVO. Das besagt, daß derjenige, der einen Rodelschlitten oder einen Kinderwagen fortbewegt oder der auf einem Roller fährt, kein Fahrzeugführer ist, sondern den Regeln des Fußgängerverkehrs unterliegt. Da die genannten Fortbewegungsmittel keine Fahrzeuge im Sinne der StVO sind, gelten für ihre „Führer" auch nicht die besonderen Vorschriften für Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen; (§ 25 Abs. 2). Das bedeutet: Sie dürfen und müssen auf jeden Fall Gehwege benutzen, soweit solche vorhanden sind. Darauf, ob sie dabei andere Fußgänger behindern, kommt es nicht an. Fehlen Gehwege, sind aber Seitenstreifen vorhanden, so müssen sie auf diesen gehen. Nur wenn weder Gehwege noch Seitenstreifen zur Verfügung stehen, dürfen sie die Fahrbahn benutzen und zwar innerhalb geschlossener Ortschaft den linken oder rechten Fahrbahnrand, außerhalb geschlossener Ortschaften den linken (wenn das zumutbar ist). Mit Recht weist die Begründung darauf hin, daß damit vor allem auch die Mutter (oder der Vater!) mit dem Kinderwagen bessergestellt wurde. Da nach § 31 Sport und Spiel auf Fahrbahnen und Seitenstreifen nur auf den dafür zugelassenen Straßen erlaubt ist, darf auf anderen Straßen der Rodelschlitten nicht zum R o deln benutzt werden. Soweit durch Zusatzschild zu Z. 101 oder 250 Wintersport erlaubt wird, darf natürlich auch die Fahrbahn dazu beliebig benutzt werden. 2. Ähnliche Fortbewegungsmittel „Fortbewegungsmittel" gab es nach § 43 StVO 1937 nur beim Kinderspiel. „Ähnliche Fortbewegungsmittel" bezog sich damals auf „Roller". Zwar steht auch im neuen § 24 !) A. M. Cramer § 24 RNr. 8. 585
§§24,25
StVO
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„ähnliche Fortbewegungsmittel" unmittelbar hinter „Roller". Wenn man der Vwv zu Abs. 1 und der Begründung folgt, bezieht sich die Bezeichnung „ähnliche Fortbewegungsmittel" hier aber auf alle in Abs. 1 ausdrücklich erwähnten Fahrzeuge, also auf Rodelschlitten, Kinderwagen und Roller. „Ähnlich" hat die Bedeutung von „ähnlich nadi Umfang und Verkehrsbedeutung". Als dem Roller ähnlich kann man vielleicht das Fortbewegungsmittel der Schier und das der Rollschuhe ansehen, dem Kinderwagen vergleichbar ist ein kleiner Schubkarren oder Handwagen. Die Grenze wird etwa da zu ziehen sein, wo die Ausmaße eines Kinderwagens überschritten werden. 5
3. Krankenfahrstühle (Abs. 2) Ein Krankenfahrstuhl ist keinesfalls den genannten Fortbewegungsmitteln ähnlich und zwar auch dann nicht, wenn er geschoben wird. Er ist wesentlich größer und schwerfälliger. Daraus allein, daß in Abs. 2 eine Sondervorschrift für Krankenfahrstühle steht, könnte allerdings noch nicht darauf geschlossen werden, daß diese nicht zu den ähnlichen Fortbewegungsmitteln im Sinne des Abs. 1 gehören. Denn Abs. 2 könnte auch die Bedeutung einer Ausnahmevorschrift gegenüber Abs. 1 haben, also besagen, daß zwar Krankenfahrstühle keine Fahrzeuge seien, daß sie aber auf Gehwegen und Seitenstreifen nur in Schrittgeschwindigkeit benutzt werden dürfen. Es gibt Krankenfahrstühle verschiedenster Art: Solche, die von Fußgängern geschoben werden, solche, die der Kranke selbst durch Handoder Fußbetrieb fortbewegt und schließlich motorisierte. Sie alle sind Fahrzeuge, je nach ihrer Betriebsform gelten für sie die entsprechenden Vorschriften. Für alle gilt die Ausnahme, daß sie auf Gehwegen und Seitenstreifen in Schrittgeschwindigkeit bewegt werden dürfen. Was „Schrittgeschwindigkeit" ist, weiß jeder. Es ist eine Geschwindigkeit von etwa 5 km/h, nämlich die Durchschnittsgeschwindigkeit des Fußgängers; einer Legaldefinition bedurfte es nicht.
6
III. Bußgeldvorschrift Da Abs. 1 des § 24 kein Ge- oder Verbot enthält, sondern nur klarstellt, welche Fortbewegungsmittel nicht als Fahrzeuge im Sinne der VO behandelt werden, ist Abs. 1 auch nicht bußgeldbewehrt. Dagegen handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 23 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer entgegen § 24 Abs. 2 StVG mit einem Krankenfahrstuhl auf Gehwegen oder Seitenstreifen schneller fährt als mit Schrittgeschwindigkeit. Halten Fußgänger mit Fahrzeugen, die nach § 24 Abs. 1 nicht als Fahrzeuge im Sinne der VO gelten, nicht die für Fußgänger geltenden Vorschriften ein, fahren sie z. B. mit einem Kinderwagen auf der Fahrbahn, obwohl ein Gehweg vorhanden ist, so liegt darin kein Verstoß gegen § 24, sondern gegen § 25.
§ 25 Fußgänger (1) Fußgänger müssen die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn dürfen sie nur gehen, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Benutzen sie die Fahrbahn, so müssen sie innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gehen; außerhalb geschlossener Ortschaften müssen sie am linken Fahrbahnrand gehen, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, müssen sie einzeln hintereinander gehen. (2) Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen, müssen die Fahrbahn benutzen, wenn sie auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden. Benutzen Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, die Fahrbahn, so müssen sie am rechten Fahrbahnrand gehen; vor dem Abbiegen nach links dürfen sie sich nicht links einordnen. 586
Fußgänger
StVO § 25
(3) Fußgänger haben Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten, und zwar, wenn die Verkehrslage es erfordert, nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293). Wird die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten, so sind dort angebrachte Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen stets zu benutzen. (4) Fußgänger dürfen Absperrungen, wie Stangen- oder Kettengeländer, nicht überschreiten. Absperrschranken (§ 43) verbieten das Betreten der abgesperrten Straßenfläche. (5) Gleisanlagen, die nicht zugleich dem sonstigen öffentlichen Straßenverkehr dienen, dürfen nur an den dafür vorgesehenen Stellen betreten werden. Vitra zu S 25 Zu Absatz 3: 1. Die Sicherung des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn ist eine der vornehmsten Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden und der Polizei. Es bedarf laufender Beobachtungen, ob die hierfür verwendeten Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen den Gegebenheiten des Verkehrs entsprechen und ob weitere Maßnahmen sich als notwendig erweisen. II. Wo der Fahrzeugverkehr so stark ist, daß Fußgänger die Fahrbahn nicht sicher überschreiten können und da, wo Fußgänger den Fahrzeugverkehr unzumutbar behindern, sollten die Fußgänger entweder von der Fahrbahn ferngehalten (Stangen- oder Kettengeländer) oder der Fußgängerquerverkehr muß unter Berücksichtigung zumutbarer Umwege an bestimmten Stellen zusammengefaßt werden (z. B. Markierung von Fußgängerüberwegen oder Errichtung von Lichtzeichenanlagen). Erforderlichenfalls ist bei der Straßenbaubehörde der Einbau von Inseln oder der Bau von Unter- oder Uberfuhrungen anzuregen. III. 1. Die Markierungen an Lichtzeichenanlagen für Fußgänger, sogenannte Fußgängerfurten, bestehen aus zwei mindestens 4 m voneinander entfernten, unterbrochenen Quermarkierungen. Deren Linien sind höchstens 0,15 m breit; sie sollten in der Regel 0,50 m lang sein und voneinander einen Abstand von 0,20 m haben. Diese Linien können innerhalb gesdilossener Ortschaften durch Nägel ersetzt werden. 2. Fußgängerfurten dürfen nur markiert werden, wo der Fußgängerquerverkehr durch besondere Lichtzeichen geregelt ist. Dort empfiehlt sich das in der Regel. 3. Mindestens 1 m vor jeder Fußgängerfurt ist eine Haltlinie (Zeichen 294) zu markieren; nur wenn die Furt hinter einer Kreuzung oder Einmündung angebracht ist, entfällt selbstverständlich eine haltlinie auf der der Kreuzung oder Einmündung zugewandten Seite. IV. Über Fußgängerüberwege vgl. zu $ 26. V. Wenn nach den dort genannten Grundsätzen die Anlage von Fußgängerüberwegen ausscheidet, der Schutz des Fußgängerquerverkehrs aber erforderlich ist, muß es nicht immer geboten sein, Liditzeichen vorzusehen oder Über- oder Unterführungen bei der Straßenbaubehörde anzuregen. In vielen Fällen wird es vielmehr genügen, die Bedingungen für das Überschreiten der Straße zu verbessern (z. B. durch Einbau von Inseln, Halteverbote, Überholverbote, Gesdiwindigkeitsbeschränkungen, Beleuchtung). VI. Die Straßenverkehrsbehörde hat bei der Straßenbaubehörde anzuregen, die in § 11 Abs. 4 BOStrab vorgesehene Aufstellfläche an den für das Überschreiten durch Fußgänger vorgesehenen Stellen zu schaffen; das bloße Anbringen einer Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) wird nur ausnahmsweise den Fußgängern ausreichenden Schutz geben. Zu Absatz 5: Das Verbot ist bußgeldbewehrt durch § 71 Abs. 1 Nr. 4 BOStrab, wenn es sich um Eisenbahnanlagen handelt durch $ 64 a EBO. Schrifttum Böhmer: „Fußgänger und Grundstückseinfahrten", JR 59, 333. Lütkes: »Fußgänger mit Kinderwagen, Fahrrädern oder Handkarren auf Landstraßen ohne Gehweg*, MDR 59, 361. Mittelbach: .Kraftfahrer und Fußgänger", DAR 61, 244. Möhl: »Kraftfahrer und Fußgänger nach der Novelle zur StVO vom 30. 4. 64", JR 64, 332. Oswald: »Wann muß und wann darf der Fußgänger links gehen?", MDR 59, 266. Sanders: »Der Fußgänger in der Rechtsprechung zum Straßenverkehrsrecht", K & V 65, 242. Schmidt: „Die Verpflichtung zur Benutzung des Fußgängerübergangs", VersR 68, 234. Weis: „Strafrechtliche Haftung bei Verkehrsunfällen unter Fußgängergruppen", N J W 61, 1662.
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§ 25
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StVO Übersicht
A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Uberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
RNr. 1-2 1
B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 3-16 T Benutzung des öffentlichen Verkehrsgrundes durch Fußgänger (Abs. 1) 3-9 1. Allgemeines — Begriff des „Fußgängers" 3 2. Benutzung von Gehwegen und Seitenstreifen (Abs. 1 S. 1, 2) 4 3. Benutzung der Fahrbahn in der Längsrichtung (Abs. 1 S. 3) 5-9 a) Allgemeines 5 b) Benutzung der Fahrbahn innerhalb von Ortschaften 6 c) außerhalb von Ortschaften 7 d) durch Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen (Abs. 2) 8
RNr. e) Wann müssen Fußgänger hintereinander gehen? (Abs. 1 S. 3) II. Überquerung der Fahrbahn (Abs. 3) 1. Wie ist die Fahrbahn zu überschreiten? a) Allgemeine Sorgfaltspflicht des Fußgängers b) »Zügiges" Überschreiten c) „auf dem kürzesten Weg zur Fahrtrichtung" 2. Wo ist die Fahrbahn zu überschreiten? a) „wenn die Verkehrslage es erfordert" b) an Straßenkreuzungen mit Übergängen 3. Absperrungen und Geländer (Abs. 4)) 4. Gleisanlagen (Abs. 5) C. Bußgeldvorsdiriften und Konkurrenzen
9 10-14 10-12 10 11 12 13-14 13 14 15 16 17
A. Allgemeines 1
1. Amtliche Begründung Z» Absatz 1: Der Absatz bringt kaum Neues. Wenn Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften an den linken Fahrbahnrand nur dann verwiesen werden, wenn das .zumutbar" ist, so entspricht das der Interessenlage. Für den Fahrverkehr genügt es zu wissen, daß er auch auf der rechten Straßenseite mit (unbeleuchteten) Fußgängern zu rechnen hat; aus welchen Gründen diese sich dort und nicht links bewegen, ist für ihn gleichgültig. Zur Unterrichtung der Fußgänger die Ausnahmefälle deutlicher abzugrenzen, ist nicht möglich; dafür sind sie zu verschiedenartig. Es gibt zunächst Fälle der Unmöglichkeit: ein Blinder, dessen Hund auf Rechtsgehen dressiert ist; aber auch einen Gehbehinderten, dem wegen der Art seines Körperschaden das Linksgehen schwerfällt, muß gestattet sein, rechts zu gehen. Vor allem aber ist es oft die Ortlichkeit, die das Linksgehen unzumutbar machen kann. So ist von Fußgängern z. B. nicht zu verlangen, entlang einer linksaufragenden Felspartie oder einer dort befindlichen Mauer in einer scharfen Linkskurve links zu gehen, wenn sie rechts bei Gefahr durdi einen bloßen Schritt in einen danebenliegenden Acker die Straße verlassen können. Es ist audi mindestens sehr problematisch, ob solche Fußgänger, sobald die Mauer aufhört und sie nun auch links ins Freie ausweidien könnten, etwa verpflichtet wären, alsbald die Straßenseite zu wechseln, etwa auch dann, wenn sie nur eine kurze Strecke danach rechts die Straße verlassen wollen; das Verlangen einer solch in einen danebenliegenden Acker die Straße verkehrsabträglich. Die Ausnahmefälle lassen sich also konkreter nicht abgrenzen. Es genügt, wenn der Fußgänger für das Abweichen von der Regel triftige und vernünftige Gründe hat. Die Lösung ist um so erträglicher, als es sich bei diesem Gebot um eine reine Schutznorm für die Fußgänger selbst handelt die dem Fährverkehr keine Erleichterung bringt. Daß Fußgänger nicht bloß, wenn die Verkehrslage es erfordert, sondern immer auch bei Nacht und schlechter Sicht einzeln hintereinander gehen müssen, verlangt das Europäische Zusatzabkommen zum weltweiten Abkommen über den Straßenverkehr (zu Art. 20 Abs. 5). Zu Absatz 2: Die Sätze 1 und 2 beseitigen das bisherige Wahlrecht (§ 37 Abs. 5 und 6 Satz 1 alt) und verstärken damit den Schutz der auf den Gehwegen gehenden Fußgänger. Die darin liegende Abweichung vom Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Buchst, a) des Weltabkommens über Straßenverkehr wird in Kauf genommen. Z» Absatz
3:
Der Absatz übernimmt weithin § 37 Abs. 2 StVO (alt), will aber die Anforderungen an die Fußgänger im Interesse von deren Sicherheit noch etwas erhöhen. Mit dem zusätzlichen Gebot, die Fahrbahn »zügig" zu überschreiten, ist wohl nur etwas ausdrücklich gesagt, was heute schon gilt. Damit soll nur kürzer gesagt werden, was in § 37 Abs. 2 (alt) als „in angemessener Eile" bezeichnet wird. Die Eile muß den persönlichen Fähigkeiten und der Verkehrslage angemessen sein (so schon Müller zu dem inzwischen aufgehobenen % 37 a StVO). Das weitere Gebot, die Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen (sogenannten Fußgänger-
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Amtl. Begründung; Uberblick
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§ 25
fürten) oder auf Fußgängerüberwegen zu überschreiten, wen:, die Verkehrslage dies erfordert, ist ein dringendes Erfordernis der Verkehrssicherheit. Noch weitergehend Fußgänger in der Nähe von Fußgängerüberwegen stets auf diese zu verweisen, ist abzulehnen; ein solches Gebot hätte zwar eine gewisse erzieherische Bedeutung, erschiene aber in ruhigen Verkehrszeiten als überspannt. Der Hauptanwendungsfall des letzten Satzes ist die Kreuzung, an der nicht alle Zufahrten für Fußgänger markiert sind. Hier muß dem Fußgänger unter Umständen ein Umweg zugemutet werden. Zu erwägen war, ob für das Betreten der Fahrbahn die Pflicht zu gesteigerter Aufmerksamkeit statuiert werden soll. Die Verordnung sieht davon ab. Es ist wohl für jedermann selbstverständlich, daß er sich vor dem Betreten zunächst nach links und dann nach rechts orientieren muß. Wenn dies, wie die Erfahrung lehrt, leider häufig unterbleibt, so ist dies nicht Folge der Unkenntnis dieses Erfordernisses, vielmehr geschieht es aus Zerstreutheit, die sich auch durch eine gesetzliche Norm nicht beheben läßt. Soweit die Masse der Fußgänger überhaupt durch Verkehrszeichen erfaßt wird (z. B. in Schulen), steht gerade solche Belehrung wohl auch so an erster Stelle. De lege lata, die solche Vorsicht nur aus § 1 StVO ableiten läßt, hat die Rechtsprechung eine sachgerechte Verteilung der Risiken gefunden; eine Ergänzung der Vorschriften erscheint auch darum weder geboten noch überhaupt angezeigt.
Zu Absatz 4: Geltendes Recht wird übernommen. Zu Absatz S: Immer häufiger werden Straßenbahnanlagen im Straßenraum im Interesse der Flüssigkeit dieser Massenverkehrsmittel und zugleich im Interesse der allgemeinen Sicherheit durch bauliche Maßnahmen so abgesondert, daß sie vom übrigen Verkehr nicht benutzt werden können. Wo Querverkehr zugelassen werden muß, sind diese baulichen Anlagen durch Übergänge unterbrochen. Es ist erforderlich, das an anderen Stellen (§ 68 BOStrab, § 62 Abs. 1 EBO) erlassene Betretungsverbot den Fußgängern hier in Erinnerung zu bringen.
II. Überblick — Vergleich mit der früheren Regelung
2
Entgegen dem im Aufbau der S t V O im allgemeinen angewandten System (Einteilung nadi Themen, s. Vorb. zu § 1 R N r . 7, „Der Aufbau des Abschnitts allgemeine Verkehrsregeln"), werden in § 25 aus praktischen Gründen die wichtigsten bisher hauptsächlich in § 37 StVO 1937 enthaltenen Fußgängerregeln zusammengestellt. Weitere Fußgängerregeln finden sich vor allem in § 26 (Fußgängerüberwege), ferner in § 8 Abs. 3 (keine Vorfahrt für Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen), § 17 Abs. 5 (Beleuchtung von Handfahrzeugen etc.) § 18 Abs. 10 (Fußgänger auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen), § 19 Abs. 2 (Fußgänger an Bahnübergängen), § 20 Abs. 3 (Fußgänger an Haltestellen), § 24 Abs. 2 (Krankenfahrstühle), § 27 (geschlossene Verbände), § 28 (Führer von Tieren), § 31 (Sport und Spiele auf der Fahrbahn), Z. 134, 293, 350 (Fußgängerüberwege) Z. 136 (Kinder) Z. 241 (Sonderwege für Fußgänger) Zusatzschild zu Z. 250 (Freigabe der Fahrbahn für Spiele und Wintersport), Z. 365 (Fußgängerunterführung). § 25 bringt zwar gegenüber der bisherigen Rechtslage keine einschneidenden Änderungen. Immerhin sind einige Neuerungen zu beachten: Da nach § 24 Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller und ähnliche Fortbewegungsmittel nicht mehr als Fahrzeuge im Sinne der Verordnung gelten (zum Begriff der „ähnlichen Fortbewegungsmittel" s. § 24 R N r . 4) gelten für Fußgänger, die solche Fortbewegungsmittel mitführen uneingeschränkt die Fußgängerregeln. § 25 Abs. 2 gilt für sie nicht. Kinderwagen etc. müssen darnach auf Gehwegen geschoben werden, wenn solche vorhanden sind, während sie früher (§ 37 Abs. 5 S t V O 1937) dort nur geschoben werden durften; außerhalb geschlossener Ortschaften müssen sie beim Fehlen von Gehwegen oder Seitenstreifen am linken Fahrbahnrand geschoben werden 1 ). Während früher (§ 37 Abs. 1 S t V O 1937) für Fußgänger innerhalb geschlossener O r t schaften darüber keine besondere Vorschrift bestand, wo sie auf der Fahrbahn gehen dürfen, wird jetzt ausdrücklich erlaubt, dort am rechten oder linken Fahrbahnrand zu gehen. Das Gebot, außerhalb geschlossener Ortschaften links zu gehen, wurde übernommen, aber etwas modifiziert: Während sie früher auf der „äußersten linken Straßenseite" gehen Vgl. für die frühere Rechtslage: Celle, 16. 7. 70, VersR 71, 722.
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§ 25
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mußten, genügt es jetzt, wenn sie „am linken Fahrbahnrand" gehen. Außerdem wurde ausdrücklich bestimmt, daß das Gebot nur gilt, wenn das Linksgehen zumutbar ist. Früher wurde die Pflicht, in der Regel hintereinander zu gehen, aus der Pflicht, am äußersten Straßenrand zu gehen hergeleitet. Nun ist konkret geboten, bei Dunkelheit und schlechter Sicht immer und im übrigen, wenn die Verkehrslage es erfordert, hintereinander zu gehen. Während früher Fußgänger, die Fahrzeuge mit sich führen (mit Ausnahme von Kinderwagen, Krankenfahrstühlen, Fahrräder und andere Fahrzeuge von nicht mehr als 1 m Breite), auf der Fahrbahn gehen mußten (§ 37 Abs. 1 StVO 1937), müssen sie nunmehr die Fahrbahn nur dann benutzen, wenn sie auf Gehwegen oder Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden. In diesem Falle müssen sie (auch außerhalb geschlossener Ortschaften) auf der Fahrbahn rechts gehen. Fußgänger mit sperrigen Gegenständen müssen wie früher die Fahrbahn benutzen, wenn sie auf Gehwegen die anderen Fußgänger behindern würden. Sie müssen aber im Gegensatz zu den Fußgängern, die Fahrzeuge mitführen, außerhalb geschlossener Ortschaften auf der Fahrbahn nicht rechts, sondern links gehen. Für geschlossene Verbände gilt nunmehr § 27, sie müssen wie früher rechts gehen. § 25 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 enthält eine Ausnahme von § 9 Abs. 1 S. 2 : Fußgänger, die Fahrzeuge mit sidi führen, dürfen sich vor dem Abbiegen nach links nicht links einordnen. § 25 Abs. 3 enthält mit einigen redaktionellen Verbesserungen, was früher in § 37 Abs. 2 StVO 1937 enthalten war. Das in § 37 Abs. 3 StVO 1937 enthaltene Verbot, an Straßenedlen stehen zu bleiben, wurde gestrichen. § 25 Abs. 4 enthält das ausdrückliche Verbot für Fußgänger, Absperrungen, wie Stangen- oder Kettengeländer, zu überschreiten (vgl. § 43). Abs. 5 hat, wie die Begründung sagt, die Aufgabe, den Fußgängern, die an anderen Stellen (§ 68 BOStrab, m 3 in Bd. II; § 62 Abs. 1 EBO) ausgesprochenen Verbote in Erinnerung zu bringen. § 25 enthält keine Vorschriften über die vom Fußgänger beim Oberqueren der Fahrbahn aufzuwendende Sorgfalt. Sie ergibt sich aus der Grundregel des § 1, wird aber hier mit behandelt, soweit sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorschriften des § 25 steht. Zur Frage der Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers gegenüber Fußgängern s. § 1 R N r . 113—125, gegenüber Kindern s. § 1 R N r . 129—136. B. Inhalt der Vorsdirift im einzelnen I. Benutzung des öffentlichen Verkehrsgrundes durch Fußganger 3
1- Allgemeines — Begriff des Fußgängers Fußgänger ist, wer sich auf seinen Füßen fortbewegt. Fußgänger im Sinne der StVO ist aber auch, wer eines der in § 24 Abs. 1 näher bezeichneten Fortbewegungsmittel benutzt, sei es, daß er sidi auf ihnen fortbewegt (z. B. auf einem Roller) oder daß er sie leer oder beladen zieht oder schiebt. Insoweit ist eine klare und einleuchtende Abgrenzung vom „Fahrzeuglenker" gefunden worden. Dagegen ist das Problem nicht so klar, soweit Fußgänger Handfahrzeuge schieben oder ziehen, die ihrer Größe nach nicht mehr als „ähnliche Fortbewegungsmittel" im Sinne des § 24 Abs. 1 angesehen werden können, z. B. größere Handwagen. Diese Fahrzeuge sind auch im Sinne der StVO Fahrzeuge und ihr Führer ist demnach ein Fahrzeugführer, mag er auch auf Grund einer Reihe von Sondervorschriften der StVO nicht als Fahrzeugführer behandelt werden; (vgl. § 9 R N r . 10). Da § 25 Abs. 2 für den Fußgänger, der Fahrzeuge mit sich führt, Sondervorschriften enthält, kann hier dahingestellt bleiben, ob er als Fahrzeugführer oder als Fußgänger zu behandeln wäre.
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„Fußgänger"; Benutzung von Gehwegen und Seitenstreifen
StVO
§ 25
Krankenfahrstühle sind zweifellos Fahrzeuge, gleichviel ob sie von Personen geschoben, v o m Kranken selbst oder durch M o t o r k r a f t fortbewegt w e r d e n ; (§ 24 R N r . 5). Sie m ü ß t e n deshalb, soweit sie von Fußgängern „ m i t g e f ü h r t " werden, die Fahrbahn benutzen, w e n n sie auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden. Durch die Sondervorschrift des § 24 Abs. 2 ist ihnen aber die Benutzung der Gehwege u n d Seitenstreifen uneingeschränkt gestattet, falls sie nicht schneller als mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden. Dazu gehören in aller Regel Krankenfahrstühle, die v o n einem Fußgänger geschoben oder v o m K r a n k e n selbst bewegt werden, schon aus technischen G r ü n d e n ; bei motorisierten Krankenfahrstühlen allerdings, die schneller als mit Schrittgeschwindigkeit fahren könnten, m u ß die Fahrgeschwindigkeit entsprechend gedrosselt werden. Ein Fußgänger, der ein kleines Tier mit sich f ü h r t , z. B. einen Dackel, bleibt Fußgänger. Wer dagegen ein Großtier f ü h r t oder Vieh treibt, unterliegt nach § 28 Abs. 2 sinngemäß den f ü r den Fahrverkehr bestehenden Verkehrsregeln. Rechte u n d Pflichten des Fußgängers u n d des Kraftfahrers vernünftig gegeneinander abzugrenzen, ist nicht leicht. Der im amerikanischen Straßenverkehrsrecht geltende G r u n d satz, daß der stärkere und gefährlichere K r a f t v e r k e h r auf den schwachen Fußgänger auf alle Fälle Rücksicht nehmen muß, sollte sich auch im deutschen Straßenverkehr m e h r noch als bisher durchsetzen. Das kann n u r durch eine vorsichtige Abgrenzung des Vertrauensgrundsatzes geschehen, der bisher n u r gegenüber kleineren Kindern und gebrechlichen alten Leuten eindeutig eingeschränkt wurde. Im übrigen neigt die Rechtsprechung dazu, den Fußgänger auf der Fahrbahn als ein geduldetes Übel zu behandeln u n d dementsprechend an seine Sorgfaltspflicht hohe A n f o r d e rungen zu stellen. Der Fußgänger, der notgedrungen die F a h r b a h n benutzt, ist aber vielfach t r o t z guten Willens den A n f o r d e r u n g e n des modernen Verkehrs nicht gewachsen, v o r allem soweit er nicht selbst Kraftfahrzeuge f ü h r t oder g e f ü h r t hat. D e m kann nur durch Verkehrserziehung abgeholfen werden, Erziehung einesteils des Fußgängers, zu größerer Vorsicht v o r allem beim Uberqueren der Fahrbahn, andernteils der K r a f t f a h r e r zu „defensivem" Fahren. Wie sich aus der V w v zu Abs. 3 ergibt, zählt auch der Gesetzgeber die Sicherheit des Fußgängers zu den vornehmsten Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden u n d der Polizei. 2. Benutzung v o n Gehwegen u n d Seitenstreifen (Abs. 1 S. 1 u n d 2) Wenn § 25 v o n „Gehwegen" spricht, dann meint er Gehwege, die in Zusammenhang mit der Fahrbahn stehen, neben ihr herlaufen. Solche Gehwege gehören m i t zur Straße, müssen aber gegen die F a h r b a h n deutlich abgegrenzt sein, in der Regel durch einen R a n d stein. Da die F a h r b a h n in erster Linie f ü r den Fahrzeugverkehr bestimmt ist 2 ), müssen Fußgänger Gehwege benutzen. Gehwege werden durch Z. 241 bezeichnet. Das Zeichen enthält ein Gebot f ü r Fußgänger u n d ein Verbot f ü r alle anderen Verkehrsteilnehmer, den bezeichneten Weg oder Straßenteil zu benutzen. Doch genügt es f ü r die Eigenschaft als Gehweg, daß der Weg f ü r jeden erkennbar ausschließlich f ü r Fußgänger bestimmt ist, z. B. der gegenüber der Fahrbahn erhöhte Bürgersteig. Die Aufstellung des Z. 241 ist daher nicht Voraussetzung. Mit Teermasse überzogener Randstreifen an der Pflasterbahn ist nicht Gehweg, ebensowenig jede feste Kunstdecke, die sich unmittelbar an die gepflasterte Mittelf a h r b a h n anschließt. Der Sommerweg ist kein „Gehweg"®); auch nicht sein Rest, wenn ein Teil in die Fahrbahn einbezogen worden ist 4 ). Aber seine Benutzung kann aus § 1 geboten sein. 2
) BayObLGSt 53, 221 (11. 11. 53) = VRS 6, 219.
3
) BGH(Z) 20. 11. 56, VRS 12, 21 = VkBl. 58, 414. *) Oldenburg 10. 7. 56, DAR 57, 17.
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Während in S. 1 nur von Gehwegen die Rede ist, erwähnt S. 2 audi nodi die „Seitenstreifen". Das die Seitenstreifen „befestigt" sein müssen, wie dies früher in § 37 Abs. 1 S. 2 gefordert wurde, wird nicht mehr verlangt. Der Sinn von S. 1 und 2 ist der, daß in erster Linie Gehwege benutzt werden müssen, in zweiter Linie Seitenstreifen. Hat also eine Straße sowohl Seitenstreifen wie audi einen Gehweg, dann muß der Gehweg benutzt werden, die Seitenstreifen sind dann den Radfahrern vorbehalten. Befinden sidi Gehwege und Seitenstreifen beiderseits der Fahrbahn, dann muß der rechte oder linke Gehweg bzw. der rechte Seitenstreifen benutzt werden. Hat die Straße nur einen Gehweg, dann muß dieser benutzt werden, und zwar audi dann, wenn er in der Gehrichtung gesehen links verläuft. Befindet sich der Gehweg auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dann muß der Fußgänger die Straße überschreiten, um den Gehweg benutzen zu können. In einer engen Unterführung besteht diese Pflicht besonders. Kraftfahrer brauchen nicht damit zu redinen, daß sich dort auf der sdimalen Fahrbahn Fußgänger aufhalten 5 ). Ist nur ein Gehweg vorhanden, dann muß er also in beiden Richtungen benutzt werden 6 ). Das gleiche gilt für den Fall, daß nur ein Seitenstreifen vorhanden ist. Zur Frage, was unter einem „Seitenstreifen" ( = Bankett) zu verstehen ist, vgl. § 2 RNr. 4. Seitenstreifen unterscheiden sich von Gehwegen in ihrer rechtlichen Bedeutung dadurch, daß die Seitenstreifen nicht ausschließlich dem Fußgängerverkehr vorbehalten sind wie die Gehwege. Sie dürfen aber nur von Radfahrern mitbenutzt werden, wenn dadurch der Fußgängerverkehr nicht behindert wird; zu beachten ist, daß zwar Fußgänger auf einer Straße, die keinen Gehweg, wohl aber in ihrer Gehrichtung links einen Seitenstreifen hat, auf diesem gehen müssen, daß aber für Radfahrer nur die Pflicht besteht, einen rechten Seitenstreifen zu benutzen. Allgemein gilt für Gehwege wie für Seitenstreifen, daß sie erkennbar und benutzbar sein müssen. Sie müssen von der Fahrbahn deutlich geschieden sein. Der Fußgänger muß sich auf ihnen ohne audi nur zeitweilige Inanspruchnahme der Fahrbahn bewegen können. Ist der Gehweg oder Seitenstreifen schadhaft oder aus anderen Gründen, z. B. wegen Schnees nicht begehbar, dann darf die Fahrbahn benutzt werden 7 ). Geringe Mängel schließen aber die Begehbarkeit nicht aus. Ein beschotterter Gehweg muß benutzt werden, wenn auch das Gehen auf ihm nicht sehr angenehm ist 8 ). Ist ein brauchbarer Gehweg vorhanden, dann darf sich der Kraftfahrer solange darauf verlassen, daß ihn die Fußgänger benutzen, als er nichts Gegenteiliges wahrnimmt 9 ). Von seiner Sorgfaltspflicht gegenüber Fußgängern, die für ihn auf der Fahrbahn wahrnehmbar sind, wird er nicht befreit 10 ). Wenn die Fahrbahn audi in erster Linie für den Fahrverkehr bestimmt ist 11 ), muß der Kraftfahrer doch eine gewisse Beeinträchtigung durch befugte Mitbenutzung der Fahrbahn durch Fußgänger in Kauf nehmen. Benutzt ein Fußgänger vorübergehend die Fahrbahn, etwa weil der Gehweg stellenweise nicht begehbar ist, dann muß er sich vergewissern, daß er den Fahrverkehr dadurch nicht mehr als unvermeidbar behindert 18 ). Liegt es nahe, daß Fußgänger, wenn auch unzulässigerweise, die Fahrbahn benutzen, z. B. nachts bei regnerischem Wetter, dann muß sich der Kraftfahrer darauf einstellen 13 ). Darüber, wo auf dem Gehweg oder Seitenstreifen der Fußgänger gehen soll, gibt es keine Vorschrift. Der Fußgänger hat sich nach der Grundregel des § 1 zu verhalten. Geht 5)
BGH 23. 8. 63, VerkMitt. 64, 25 = VRS 25, 344. «) Neustadt 24. 6. 53, VRS 5, 638; BGH(Z) 20. 11. 56 wie Fußn. 3. 7 ) BGH 30. 9. 59, VRS 17, 420 ; 21. 12. 66, VRS 32, 206 = VerkMitt. 67, 33. 9 ) Schleswig 17. 7. 63, VerkMitt. 64, 8; vgl. audi München 13. 10. 64, OLGZ 65, 9.
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») Köln 12. 5. 64, VRS 27, 357 = VerkMitt. 64, 93. Neustadt 27. 11. 57, DAR 58, 165. 11 ) Hamm 29. 11. 55, VRS 10, 230. 12 ) München 28. 9. 37, VAE 37, 522; Oldenburg 10. 7. 56, DAR 57/17; Hamm 11. 12. 59, VRS 19, 299; KG 14. 4. 60, VRS 19, 67. " ) BGH 30. 1. 58, VRS 14, 296. 10 )
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Gehwege und Seitenstreifen; Fahrbahn
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der Fußgänger ohne triftigen G r u n d auf der Bordsteinkante, so kann das verkehrswidrig sein 14 ). Ist der Gehweg aber so schmal, daß der Fußgänger nidit vermeiden kann, mit seinem Körper in den L u f t r a u m über der Fahrbahn zu ragen, dann n i m m t er damit nicht die Fahrbahn unzulässig in Anspruch. Im Normalfall braucht zwar der Fußgänger auf dem Gehweg den Fahrverkehr nicht zu beachten 15 ), wohl aber in besonderen Fällen. So darf der Fußgänger, der aus einem sichtversperrenden Hauseingang k o m m t , nicht blindlings den Gehweg überqueren (Zusammenprall mit Kind auf Tretroller) 1 6 ). Bei G r u n d stückseinfahrten h a t zwar der Fußgänger auf dem Gehweg den Vorrang, m u ß aber unter Umständen mit dem Überqueren des Gehwegs durch Fahrzeuge rechnen u n d deshalb sein Augenmerk auch auf die Fahrbahn richten 17 ). Fehlt ein Gehweg, so kann der Fußgänger z u r Benutzung eines neben der Straße herlaufenden Pfades verpflichtet sein, wenn die Sicherheit des Straßenverkehrs u n d seine eigene Sicherheit dies gebieten 18 ). Ist auf der rechten Seite der Fahrbahn ein 1 m breiter Pfad von Schnee freigeräumt, dann darf ihn der Fußgänger auch dann benutzen, wenn links in der Gehrichtung ein 40 cm breiter verschneiter Gehweg verläuft 1 9 ). 3. Benutzung der Fahrbahn in der Längsrichtung (Abs. 1 Satz 3) a) Allgemeines
5
Die F a h r b a h n darf v o n Fußgängern zum Gehen in der Längsrichtung n u r benutzt w e r den, wenn keine Gehwege oder Seitenstreifen vorhanden sind. Darin k o m m t der G r u n d satz zum Ausdrude, daß die Fahrbahn in erster Linie f ü r den Fahrverkehr da ist. Aus diesem Grundsatz ergibt sich aber nicht, daß der Fußgänger ein Verkehrsteilnehmer minderen Rechts ist. Vielmehr ist er mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zwar gleichverpflichtet, aber auch gleichberechtigt, soweit ihm die Benutzung der Fahrbahn erlaubt ist, d. h., soweit er vorschriftsmäßig am Fahrbahnrand geht. Allerdings m u ß er auf den Fahrzeugverk e h r achten u n d nach Möglichkeit Rücksicht nehmen. E r ist aber in der Regel nicht verpflichtet, die Fahrbahn vor entgegenkommenden oder nachfolgenden Kraftfahrzeugen zu verlassen, z. B. über den Straßengraben zu springen, mag es sich auch aus G r ü n d e n der Selbsterhaltung manchmal empfehlen 2 0 ). Das Verschulden eines verkehrswidrig fahrenden Fahrzeugführers wird dadurch nicht verringert, daß ein Fußgänger, der zulässigerweise den äußersten R a n d der Fahrbahn benutzt, es aus Ungeschicklichkeit oder U n a u f m e r k s a m k e i t unterläßt, sich v o r einem Zusammenstoß durch Ausweichen auf einen unbefestigten Seitenstreifen zu schützen 21 ). Es ist also irreführend, von einem Vorrecht des K r a f t f a h r e r s zu sprechen, soweit der Fußgänger die Fahrbahn berechtigterweise in der Längsrichtung ben u t z t . Anders ist die Rechtslage, soweit der Fußgänger die Fahrbahn ü b e r q u e r t ; s. u n t e n R N r . 10 f. Zu beachten ist, daß der Fußgänger auf der Fahrbahn n u r solange gleichberechtigt ist, als er sich d o r t vorschriftsmäßig verhält. Gehen mehrere Fußgänger nebeneinander, dann müssen sie jederzeit bereit sein, sich hintereinander einzuordnen, wenn die Verkehrslage >4) BGH(Z) 22. 6. 65, DAR 65, 241 = VersR 65, 816 = NJW 65, 1708 = VerkMitt. 65, 82 = VRS 29, 171; vgl. aber BGH(Z) 19. 3. 68, VerkMitt. 68, 71 = VRS 35, 86; Hamburg 21. 1. 59, VerkMitt. 59, 23 = VRS 17, 155 = DRspr. II (293) 39 b. 15 ) Hamburg wie Fußn. 14). »«) BGH(Z) 27. 6. 61, VRS 21, 88. 17 ) Köln 23. 9. 55, DAR 55, 305; Böhmer in JR 59, 333. 18 ) BGH(Z) 24. 11. 59, VersR 60, 149 = VerkMitt 60, 28 = MDR 60, 299 = VRS 18, 85 = DAR 60, 72.
i») BGH(Z) 11. 7. 69, NJW 69, 1958. 2 °) BGH 6. 2. 59, VRS 16, 270; BGH(Z) 9. 6. 59, VersR 59, 758; 6. 3. 62, VersR 62, 505; 21. 3. 67, VersR 67, 706 = VerkMitt. 67, 58; Oldenburg 22. 12. 60, DAR 61, 256; vgl. aber Hamm 11. 12. 59, VRS 19, 229 u. BGH(Z) 21. 5. 52, VRS 4, 321; Oldenburg 10. 1. 67, VRS 33, 406. 21 ) BGH 9. 1. 59, VRS 16, 186 = VerkMitt. 59, 35.
593 38 S t V O + S t G B
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dies e r f o r d e r t ; (Abs. 1 S. 3, unten R N r . 9). D i e Verkehrslage e r f o r d e r t es v o r allem auf schmalen Straßen bei Dunkelheit 2 2 ). Gehen Fußgänger nebeneinander bei Dunkelheit auf der Fahrbahn, dann müssen sie sich in ausreichenden Zeitabständen umsehen 2 3 ). 6
b) B e n u t z u n g der F a h r b a h n innerhalb v o n Ortschaften Wenn kein Gehweg oder Seitenstreifen v o r h a n d e n ist, müssen Fußgänger auch innerhalb geschlossener Ortschaften auf der F a h r b a h n gehen. Während die müssen, schreibt weiter Abs. 1 S. lage es erfordert,
S t V O 1937 darüber keine Vorschrift enthielt, w o Fußgänger d o r t gehen n u n Abs. 1 S. 2 v o r , daß sie a m rechten oder linken F a h r b a h n r a n d u n d 3, daß sie bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder, wenn die Verkehrseinzeln hintereinander gehen 2 4 ).
Wer innerhalb einer geschlossenen Ortschaft a m rechten F a h r b a h n r a n d geht, hat z w a r bei D u n k e l h e i t auf den nachfolgenden V e r k e h r zu achten 2 5 ), er braucht aber v o n der äußersten K a n t e der F a h r b a h n nicht grundsätzlich nach rechts hinunterzutreten, wenn v o n hinten ein F a h r z e u g herannaht 2 6 ). Z u r Frage, wieweit die Sorgfaltspflicht des K r a f t f a h r e r s gegenüber Fußgängern reicht, die a m F a h r b a h n r a n d gehen vgl. § 1 R N r . 113. 7
c) B e n u t z u n g der F a h r b a h n außerhalb v o n Ortschaften Durch die V O v o m 14. 3. 56 w u r d e erstmals den Fußgängern geboten, außerhalb geschlossener Ortschaften beim Fehlen v o n Gehwegen auf der äußersten linken Straßenseite zv gehen. Durch die Vorschrift sollten z w a r in erster Linie die Fußgänger selbst v o r G e fahren geschützt werden, die ihnen am rechten F a h r b a h n r a n d durch nachfolgende K r a f t fahrzeuge drohen. D i e N e u r e g e l u n g diente aber wenigstens mittelbar auch einem stärkeren Schutz des K r a f t f a h r e r s , der Fußgänger, die in gleicher R i c h t u n g am Straßenrand gehen, bei Dunkelheit schwer wahrnehmen kann 2 7 ). E s t r i f f t also nicht zu, daß es sich, wie die B e g r ü n d u n g meint, bei d e m G e b o t u m eine reine Schutznorm f ü r die Fußgänger selbst handelt, die d e m F a h r v e r k e h r keine Erleichter u n g bringt. Zahlreiche Unfälle, die darauf z u r ü c k z u f ü h r e n waren, daß die Fußgänger bei D u n k e l h e i t v o n hinten schwer zu erkennen waren, bewiesen das Gegenteil. Andernteils weist die B e g r ü n d u n g selbst darauf hin, daß sich aus der Einschränkung des Gebotes, links zu gehen, auf Fälle, in denen dies z u m u t b a r ist, f ü r den K r a f t f a h r e r die F o l g e r u n g ergibt, daß er auch auf der rechten Fahrbahnseite m i t unbeleuchteten Fußgängern zu rechnen hat, die in seiner Fahrtrichtung gehen. D a r a n hat sich allerdings nichts geändert, das f ü r den nachts verbotenerweise rechts gehenden Fußgänger voraussehbar ist, daß dadurch ein U n fall mitverursacht wird 2 8 ). G e h t allerdings ein Fußgänger auf gerader, übersichtlicher Straße bei T a g e außerhalb geschlossener Ortschaften verkehrswidrig rechts statt links, so ist ein Z u s a m m e n s t o ß zweier hinter i h m herfahrender K r a f t f a h r z e u g e , der sich dadurch ereignet, daß ihn das erste u n t e r einer L i n k s b e w e g u n g überholt u n d das zweite gleichzeitig das erste zu überholten versucht, f ü r ihn nicht voraussehbar 2 9 ). I m übrigen gelten die oben R N r . 5 behandelten allgemeinen G r u n d s ä t z e auch hier. I m Hinblick auf die außerhalb geschlossener Ortschaften übliche höhere Geschwindigkeit des Fahrzeugverkehrs müssen Fußgänger z u m a l bei D u n k e l h e i t den V e r k e h r aus beiden Richtungen sorgfältig beobachten. V o n mehreren Fußgängern wird nicht nur verlangt, daß sie a m äußersten linken F a h r b a h n r a n d hintereinandergehen, sondern daß sie notfalls auch auf einen nicht z u m Gehweg bestimmten Seitenstreifen zurücktreten 3 0 ). Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind erforderlich, wenn " ) BGH 21. 12. 66, VerkMitt. 67, 33 = VRS 32, 206 = DRspr. II (293) 79 a. « ) BGH(Z) 13. 6. 58, VerkMitt. 59, 75. u ) Vgl. für die frühere Rechtslage: BGH 30. 7. 65, VRS 29, 277 = DRspr. II (293) 75 a. " ) BGH 25. 1. 63; VRS 24, 287 = DAR 63, 193; vgl. Oldenburg 10. 7. 56, DAR 57, 15. 2 «) Oldenburg 22. 12. 60, DAR 61, 256; BGH (Z) 9. 6. 59, VersR 59, 758. 594
) BGHSt 10, 369 (11. 7. 57) = N J W 57, 1526 = VRS 13, 278 = DAR 57, 298 = VerkMitt. 57, 64 = VkBl. 58, 242. 2 8 ) Hamm 31. 1. 58, DAR 58, 307. 2 9 ) BayObLG 24. 8. 65, bei Rüth DAR 66, 255 (III 3 d). 30) BGH 20. 3. 64, VRS 27, 40 = VerkMitt. 64, 77; 19. 3. 68, VerkMitt. 68, 71; ähnlidl München 25. 7. 69, VersR 70, 628. 27
Fußgänger auf der Fahrbahn
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damit zu redinen ist, daß ein sich von hinten näherndes Fahrzeug wegen schlechter Sicht auf die linke Fahrbahn gelangen könnte 3 1 ). Das bei der früheren Rechtslage auftauchende Problem, wie sich die Pflicht des Fußgängers, links zu gehen, mit der Pflicht, rechts auszuweichen, vereinbaren lasse, ist in der neuen StVO gegenstandslos, weil es kein Gebot des Rechtsausweichens mehr gibt. Es ist selbstverständlich, daß auch Fahrzeugführer und Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften links ausweichen müssen, wenn der links gehende Fußgänger dem Fahrzeug am Fahrbahnrand entgegenkommt. Das gilt auch für Radfahrer. Andernteils werden Fußgänger, die vorschriftsmäßig am linken Fahrbahnrand gehen, entgegen § 5 Abs. 1 rechts überholt, weil links kein Platz zum Überholen ist. Treffen Fußgänger am Fahrbahnrand zusammen, weil einer von ihnen befugt rechts geht, dann wird derjenige, der sich nach der Regel verhält, also links geht, verlangen können, daß ihm der andere ausweicht. Da weder ein Gebot des Rechtsausweichens besteht noch eine allgemeine Übung des Linksausweichens, wird ohne Hinzutreten besonderer Umstände dem Fußgänger aus seinem jeweiligen Verhalten kein Vorwurf zu machen sein. Treffen außerorts ein vorschriftsmäßig am linken Fahrbahnrand gehender Fußgänger mit einem am rechten Fahrbahnrand gezogenen Handwagen (s. unter R N r . 8) zusammen, so muß der Handwagenführer dem Fußgänger das Linksbleiben ermöglichen. Dem entgegenkommenden Kraftfahrzeug wird der Fußgänger schon deshalb links ausweichen, um nicht zu weit auf die Fahrbahn zu geraten; den U m riß des ihm beleuchtet entgegenkommenden Kraftfahrzeugs kann er, geblendet, nicht erkennen, er geht in ein dunkles Ungewisses, wird vorsorglich weit links gehen und sich so u. Umst. gefährden (Straßengraben, Bäume u. ä.); er wird aber diese Gefährdung als das kleinere Übel ansehen gegenüber dem Erfaßtwerden durch Fahrzeug- oder (trotz § 22 Abs. 5) Ladungsteile bei zu nahem Vorbeigehen. Bei asymmetrischem Licht wird der nach rechts gerichtete Lichtstrahl des rechten Scheinwerfers den (auf seiner linken Fahrbahnseite) entgegenkommenden Fußgänger besonders stark blenden und unsicher machen. — Das Gebot, außerhalb geschlossener Ortschaften am linken Fahrbahnrand zu gehen, war schon nach der früheren Rechtslage eingeschränkt: Es galt nicht für Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, für geschlossene marschierende Abteilungen und für Fußgänger, die „durch andere Umstände" am Linksgehen gehindert wurden; (§ 37 Abs. 1 S. 3 Halbsatz 2 StVO 1937). Daran hat sich nichts geändert (§ 25 Abs. 2 S. 2, § 27). Klarer als früher wird das Gebot jetzt dadurch eingeschränkt, daß es nur gilt „wenn das zumutbar ist". An welche Fälle dabei zu denken ist, ergibt sich aus der Begründung (RNr. 1). Ob das Linksgehen zumutbar oder ob eine Abweichung von der Regel sinnvoll und daher zulässig ist, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Dabei kann auch von Bedeutung sein, wieweit dem Fußgänger die örtlichen Verhältnisse vertraut sind. d) Benutzung der Fahrbahn durch Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen (Abs. 2) Die früher in § 37 Abs. 5 und 6 StVO 1937 entwickelte Regelung für Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen, wurde inhaltlich etwas geändert. § 24 Abs. 1, der Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller und ähnliche Fortbewegungsmittel von den Fahrzeugvorschriften ausnimmt, stellt klar, daß diese Fortbewegungsmittel in erster Linie auf Gehwegen, wenn diese fehlen, auf Seitenstreifen und wenn auch diese fehlen, am Fahrbahnrand gezogen oder geschoben werden müssen und zwar innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand, außerhalb geschlossener Ortschaften am linken Fahrbahnrand. Da die genannten Fortbewegungsmittel nicht als Fahrzeuge gelten, müssen sich Fußgänger, die solche Fortbewegungsmittel benutzen oder mitführen, so verhalten wie Fußgänger ohne Fahrzeuge, gleichviel ob sie dabei andere Fußgänger bew
) Celle 4. 6. 69, VersR 70, 187. 595
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§ 25
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hindern oder nicht. „Ähnliche Fortbewegungsmittel" sind einmal Schier und Rollschuhe, aber audi kleine Handwagen und Schubkarren, die nach Größe und Beweglichkeit mit Kinderwagen vergleichbar sind. Für Fußgänger, die größere Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführen, gilt § 25 Abs. 2. T r o t z der insoweit nicht ganz klaren Formulierung wird man S. 1 dahin auslegen müssen, daß es nicht ins Belieben dieser Fußgänger gestellt ist, ob sie die Fahrbahn benutzen sollen oder den Gehweg (Seitenstreifen). Vielmehr müssen sie grundsätzlich den Gehweg (Seitenstreifen) benutzen und ausnahmsweise die Fahrbahn, dann nämlich, wenn sie auf dem Gehweg (Seitenstreifen) die anderen Fußgänger erheblich behindern würden. O b dies der Fall ist, hängt von der Breite des Gehwegs oder Seitenstreifens, von der Breite des Fahrzeugs oder der sperrigen Gegenstände und schließlich von der Dichte des Fußgängerverkehrs auf Gehweg oder Seitenstreifen ab. N u r wenn die übrigen Fußgänger sonst „erheblich" behindert würden, werden Fußgänger mit Fahrzeugen oder sperrigen Gegenständen auf die Fahrbahn verwiesen. Mit einer geringfügigen Behinderung müssen sich die übrigen Fußgänger abfinden. Bei erheblicher Behinderung bleibt den Fußgängern mit Fahrzeugen oder sperrigen Gegenständen allerdings auch wieder keine Wahl. In diesem Fall müssen sie, wie Abs. 2 S. 1 insoweit klar z u m Ausdruck bringt, die Fahrbahn benutzen 8 2 ). Für Krankenfahrstühle enthält § 24 Abs. 2 eine Sondervorschrift. Nach § 25 Abs. 2 dürften Gehwege oder Seitenstreifen auch mit Krankenfahrstühlen nur benutzt werden, wenn die anderen Fußgänger dadurch nicht erheblich behindert würden. Nach § 24 Abs. 2 müssen aber die übrigen Fußgänger auch eine erhebliche Behinderung durch Krankenfahrstühle in Kauf nehmen; die Benutzung der Gehwege und Seitenstreifen ist in diesem Falle von einer anderen Voraussetzung abhängig gemacht: Die Krankenfahrstühle dürfen nicht schneller als in Schrittgeschwindigkeit benutzt werden. Fahren sie schneller, was bei m o t o r getriebenen Krankenfahrstühlen ohne weiteres möglich ist, dann gelten sie als K r a f t f a h r zeuge und müssen deshalb die Fahrbahn benutzen. Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen und die Fahrbahn benutzen, müssen dort nach Abs. 2 Satz 2 am rechten Fahrbahnrand gehen. Sie werden also insoweit nicht als Fußgänger, sondern als Fahrzeugführer behandelt. Als solche müßten sie sich vor dem Abbiegen nach links einordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2). Nach der ausdrücklichen Vorschrift des Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 dürfen sie sich aber in diesem Fall nicht links einordnen. Das ist sachgerecht, weil sie sonst den Abbiegeverkehr behindern würden. Nach § 8 Abs. 3 sind Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, an Straßenkreuzungen und -einmündungen grundsätzlich wartepflichtig. Werden Fahrzeuge bei Dunkelheit mitgeführt, dann müssen sie nach § 17 beleuchtet werden. Die Regelung in §§ 24, 25 ist zwar sachgerecht, aber doch sehr kompliziert. Das ergibt folgender Uberblick, (wobei die rechts aufgeführten Gebote jeweils in der mit 1) — 3) bezeichneten Reihenfolge gelten). 1. Innerhalb geschlossener Ortschaften: a) Fahrzeuge einschließlich Krankenfahrstühle die mit M o t o r k r a f t schneller als mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden
auf der Fahrbahn möglichst weit rechts
b) Fußgänger einschließlich Fußgänger mit neren Fahrzeugen etc. (§ 24 Abs. 1)
1) auf Gehwegen 2) auf Seitenstreifen 3) rechts oder links am Fahrbahnrand
32
klei-
) Vgl. für die frühere Rechtslage: Celle 13. 3 61, N J W 61, 1169.
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Fußgänger auf der Fahrbahn
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§ 25
c) Fußgänger mit größeren Fahrzeugen und sperrigen Gegenständen
1) auf Gehwegen 2) auf Seitenstreifen (wenn die übrigen Fußgänger nicht erheblich behindert werden) 3a) mit Fahrzeugen rechts am Fahrbahnrand b) mit sperrigen Gegenständen redits oder links am Fahrbahnrand
d) Krankenfahrstühle mit Schrittgeschwindigkeit
1) am Gehweg 2) auf Seitenstreifen 3) rechts am Fahrbahnrand
2. Außerhalb geschlossener Ortschaften: a) Fahrzeuge einschließlich Krankenfahrstühle, die mit Motorkraft schneller als mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden
auf der Fahrbahn möglichst weit rechts
b) Fußgänger einschließlich Fußgänger mit kleineren Fahrzeugen etc. (§ 24 Abs. 1)
1) auf dem Gehweg 2) auf Seitenstreifen 3) links am Fahrbahnrand
c) Fußgänger mit größeren Fahrzeugen und sperrigen Gegenständen
1) auf dem Gehweg 2) auf Seitenstreifen (wenn die übrigen Fußgänger nicht erheblich behindert werden) 3a) mit Fahrzeugen redits am Fahrbahnrand b) mit sperrigen Gegenständen links am Fahrbahnrand
d) Krankenfahrstühle mit Schrittgeschwindigkeit
1) am Gehweg 2) auf Seitenstreifen 3) rechts am Fahrbahnrand
Fahrzeuge im Sinne des Abs. 2 sind alle Arten von Fahrzeugen mit Ausnahme der in § 24 Abs. 1 bezeichneten, also z. B. Handwagen, Fahrräder, Motorräder, gleichgültig ob sie gezogen oder geschoben werden. Dabei darf der Fußgänger den Platz einnehmen, der für das Mitführen der Fahrzeuge zweckmäßig ist. Dagegen bestehen keine Bedenken, daß ein Fußgänger, der mit der Hand ein Moped schiebt links neben diesem geht und zwar auch bei Dunkelheit und Nebel 33 ). Er muß nur darauf achten, daß er die Beleuchtungseinrichtungen nicht verdeckt. Während Fußgänger in Einbahnstraßen entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung gehen dürfen, ist Z. 220 für Fußgänger, die Fahrzeuge mit sich führen, verbindlich. Da die Fußgänger, welche die „Fortbewegungsmittel" des § 24 Abs. 1 benutzen, den Fußgängern ohne Fahrzeug gleichgestellt sind, dürfen solche Fußgänger Einbahnstraßen entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung benutzen. Für Fußgänger, die „sperrige Gegenstände" mitführen, gelten mit einer Ausnahme die gleichen Regeln wie für Fußgänger, die (größere) Fahrzeuge mitführen. Sie müssen Gehwege (Seitenstreifen) benutzen, wenn sie dort die anderen Fußgänger nicht erheblich behindern, andernfalls müssen sie am Fahrbahnrand gehen. Das war früher anders. (Nach »') Saarbrücken 20. 3. 70, VerkMitt. 70, 55.
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§ 25
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Möhl
§ 37 Abs. 6 S t V O 1937 war es solchen Fußgängern zwar auch nicht freigestellt, zwischen Gehweg u n d F a h r b a h n r a n d zu wählen, falls sie auf Gehwegen niemanden behinderten. In diesem Falle mußten sie den Gehweg benutzen. Behinderten sie dabei aber Fußgänger, dann war ihnen freigestellt, ob sie auf d e m Gehweg oder am F a h r b a h n r a n d gehen wollten). Was unter „ s p e r r i g e n " Gegenständen zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Sperrig sind w o h l alle Gegenstände, welche die übrigen Fußgänger belästigen und behindern können. Z u denken ist an Leitern, H o l z b ü n d e l , R ö h r e n und dergl. Ist der Gehw e g frei, dann darf also m i t solchen Gegenständen auf ihm gegangen werden, herrscht d o r t Fußgängerverkehr, dann k o m m t es auf die Breite des Gehwegs an, ob der Fußgänger m i t seiner L a s t auf dem Gehweg oder am F a h r b a h n r a n d gehen muß. Während Fußgänger, die größere Fahrzeuge m i t f ü h r e n , am rechten F a h r b a h n r a n d gehen müssen, wenn sie auf einem Gehweg die anderen Fußgänger behindern würden, werden Fußgänger m i t sperrigen Gegenständen auf der F a h r b a h n wie die Fußgänger ohne Traglasten behandelt. Sie müssen also außerhalb geschlossener Ortschaften links gehen. 9
e) Wann müssen Fußgänger hintereinander gehen? (Abs. 1 S. 3) Während die S t V O 1937 darüber keine ausdrückliche Vorschrift enthielt, ob u n d w a n n Fußgänger einzeln hintereinander gehen müssen, enthält § 25 Abs. 1 S. 3 eine klare Weis u n g : Bei D u n k e l h e i t u n d schlechter Sicht m u ß i m m e r hintereinander gegangen werden, sonst nur, wenn die Verkehrslage es e r f o r d e r t . D i e neue Vorschrift entspricht d e m E u r o päischen Z u s a t z a b k o m m e n z u m Wiener W e l t a b k o m m e n (Art. 20 Abs. 5). Wenn auch f r ü h e r aus § 1 entsprechende G r u n d s ä t z e hergeleitet wurden 3 4 ), ist die ausdrückliche V o r schrift zu begrüßen. Es ist zu h o f f e n , daß sie den Fußgängern auch b e k a n n t wird. Allerdings enthält die Vorschrift auslegungsbedürftige B e g r i f f e : Wann ist die Sicht „schlecht", w a n n „ s o n s t " verlangt die Verkehrslage das Hintereinandergehen? D a die B e f o l g u n g des Gebotes, hintereinander zu gehen, keine besonderen Unannehmlichkeiten verursacht, wird m a n einen strengen Maßstab anzulegen haben u n d v o m Fußgänger schon dann das H i n tereinandergehen fordern, wenn Zweifel bestehen können, ob es die Sichtverhältnisse oder die Verkehrslage erfordert. D a b e i müssen die Fußgänger bedenken, daß auf schmalen Straßen bei der Begegnung v o n Fahrzeugen aus entgegengesetzten Richtungen beide F a h r z e u g f ü h r e r gezwungen sein können, nahe am F a h r b a h n r a n d zu fahren. A u f schmaler verkehrsreicher Straße wird deshalb in der R e g e l ein Fall anzunehmen sein, in d e m die V e r kehrslage das Hintereinandergehen erfordert. O b die Sicht nicht nur aus klimatischen G r ü n d e n (Nebel), sondern auch wegen der S t r a ß e n f ü h r u n g „schlecht" sein kann, k a n n dahingestellt bleiben 3 5 ). In einer unübersichtlichen K u r v e müssen die Fußgänger jedenfalls hintereinander gehen, weil m i t e n t g e g e n k o m m e n d e n Fahrzeugen zu rechnen ist, die eben wegen der Unübersichtlichkeit der F a h r b a h n nahe am F a h r b a h n r a n d fahren. Wenn das Hintereinandergehen nicht wegen „schlechter Sicht" geboten ist, dann ist es in diesem Fall wegen der Verkehrslage geboten. Auf übersichtlicher und genügend breiter F a h r b a h n dagegen bestehen normalerweise keine Bedenken, wenn zwei Fußgänger nebeneinander gehen, und zwar nicht nur innerhalb 3 6 ), sondern auch außerhalb geschlossener Ortschaften. Dies ergibt sich e c o n t r a r i o aus der Vorschrift des Abs. 1 S. 3, der das Hintereinandergehen n u r in bestimmten Fällen verlangt. Für Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände m i t f ü h r e n , gilt die f ü r sonstige Fußgänger bei der B e n u t z u n g der F a h r b a h n bestehende A u s n a h m e nicht. Sie m ü s sen i m m e r hintereinander gehen. D a s ist sachgerecht, weil sie in ihrer Beweglichkeit gegenüber den anderen Fußgängern zurückstehen u n d sich deshalb, wenn sie nebeneinander gehen, nicht so rasch hintereinander einordnen können wie diese. 34
) Vgl. für die frühere Rechtslage: BGH 20. 3. 64 (wie Fußn. 30); 21. 12. 66 (wie Fußn. 22); BGH(Z) 6. 3. 64, VersR 64, 633; BayObLGSt 63, 91 (3. 4. 63) = VerkMitt. 63, 67.
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3ä 36
) Verneinend Booß StVO § 25 Anm. 1. ) So auch sdion für die frühere Rechtslage: BGH 30. 7. 65, VRS 29, 277.
Hintereinander Gehen; Überqueren der Fahrbahn
StVO
§ 25
II. Überquerung der Fahrbahn (Abs. 3) 1. Wie ist die Fahrbahn zu überqueren? a) Allgemeine Sorgfaltspflicht des Fußgängers Abs. 3 S. 1 ü b e r n i m m t mit unwesentlichen redaktionellen Verbesserungen den f r ü h e r e n § 37 Abs. 2 StVO 1937 in der Fassung der V O v o m 30. 4. 1964"). Er befaßt sich m i t der Frage, wie u n d w o die Fahrbahn zu überqueren ist. Fahrbahnen sind, wie ihr N a m e sagt, in erster Linie z u m Fahren bestimmt. Soweit Fußgänger gezwungen sind, die Fahrbahn zu benutzen, müssen sie dem Rechnung tragen. Fahrverkehr ist n u r möglich, wenn eine gewisse Geschwindigkeit eingehalten werden kann. Das gilt auch in geschlossenen Ortschaften. Da aber in F a h r t befindliche Fahrzeuge im Gegensatz z u m Fußgänger nicht auf der Stelle anhalten können, sondern einen bestimmten Anhalteweg benötigen, m u ß der Fußgänger sich so verhalten, daß der Fahrverkehr nicht m e h r als unvermeidbar gestört wird. Daraus ergibt sich, daß zwar der die Straße befugterweise am Straßenrand in der Längsrichtung begehende Fußgänger gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern nicht als zweitrangiger Verkehrsteilnehmer angesehen werden darf, daß er aber dann, wenn er die Fahrbahn überschreitet, auf die Bedürfnisse des F a h r zeugverkehrs Rücksicht nehmen muß. Insofern gilt der Grundsatz, daß der Fahrzeugverkehr gegenüber dem Fußgänger bevorrechtigt ist. Abs. 3 stellt bindende Regeln auf. Durch den besonderen Hinweis, der Fußgänger müsse die Fahrbahn mit der nötigen Vorsicht überqueren, w u r d e in einer f r ü h e r e n Fassung z u m Ausdruck gebracht, daß sich die Sorgfaltspflicht des Fußgängers nicht in der Einhaltung dieser Regeln erschöpft. Das gilt auch heute noch. Z u r Sorgfaltspflidit des K r a f t fahrers gegenüber Fußgängern, welche die Fahrbahn überqueren s. R N r . 117—121. Der Fußgänger m u ß sich v o r dem Betreten der F a h r b a h n vergewissern, ob sich ein Fahrzeug nähert. E r darf die Fahrbahn nicht betreten, wenn er damit einen K r a f t f a h r e r in seiner freien F a h r t behindert oder zu einer Änderung der Fahrweise zwingt 3 8 ). Vorsicht beim Betreten der Fahrbahn gilt f ü r den Fußgänger besonders, wenn er unversehens hinter einem am Straßenrand stehenden Fahrzeug auftaucht 3 9 ). Er m u ß damit rechnen, daß sich hinter den Fahrzeugen, die er sieht, noch andere befinden 4 0 ). Auf Fahrzeuge, die noch so weit e n t f e r n t sind, daß sie bei normaler Geschwindigkeit das Überschreiten nicht gefährden können, braucht er aber nicht Rücksicht zu nehmen 4 1 ). Ein K r a f t f a h r e r braucht nicht damit zu rechnen, daß ein erwachsener Fußgänger plötzlich die Fahrbahn betritt, ohne sich vorher nach herankommenden Fahrzeugen umzusehen 4 2 ). Eine Geschwindigkeit, die bei Abblendlicht einen u n t e r der Sichtweite liegenden Anhalteweg ermöglicht, kann n u r verlangt werden, wenn zu befürchten ist, daß Fußgänger verkehrswidrig in die F a h r b a h n des Fahrzeugs treten würden 4 3 ). Ein Fußgänger, der eine Straße in einer „Dunkelzone" zwischen zwei Straßenlaternen überquert u n d demgemäß an dieser Übergangsstelle schwer zu erkennen ist, h a t auf herannahenden Fahrzeugverkehr besonders sorgfältig zu achten 44 ). Der Fußgänger ist nicht verpflichtet, beim Überschreiten einer Seitenstraße den v o n rückwärts einbiegenden Verkehr zu berücksichtigen 45 ); (vgl. § 9 R N r . 46). Wer aber bei Rotlicht die Fahrbahn im Bereich einer Straßenkreuzung außerhalb des bezeichneten Übergangs überquert, ist gegenüber ab37 ) Dazu Möhl, JR 64, 332. » ) BGH(Z) 26. 4. 57, VRS 13, 90; 26. 5. 64, VersR 64, 846; Hamm 25. 4. 58, DAR 58, 339. 3 ») RG 15. 3. 37, VAE 37, 350. 4 ») RG 3. 2. 31, JW 33, 846; 26. 1. 32, JW 33, 850; KG 15. 11. 35, VAE 36, 130; Hamburg 30. 6. 59, VerkMitt. 60, 20 (nur Leitsatz); s. aber auch KG 29. 12. 60, VRS 20, 143. « ) BGH(Z) 28. 6. 60, VersR 60, 993; vgl. auch
42 43
)
) «) 45 )
BGH(Z) 10. 11. 59, VersR 60, 348; s. aber auch BGH 18. 11. 60, VRS 20, 129; BayObLGSt 64, 145, (17. 11. 64) = DAR 65, 82 = VkBl. 65, 426 = VerkMitt. 65, 1 = VRS 28, 291. BGH 8. 7. 52, NJW 52, 984; 22. 11. 57, VRS 14, 85; 12. 1. 60, VRS 18, 302. BGH 1. 7. 60, VRS 19, 282. BGH(Z) 11. 7. 61, VersR 61, 856. Für die frühere Rechtslage: Hamburg 25 .1. 56, VkBl. 56, 252 = VRS 10, 466.
§ 25
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biegenden Fahrzeugen nicht bevorrechtigt. Beim Überschreiten einer Einbahnstraße hat der Fußgänger regelmäßig die nötige Vorsicht angewandt, wenn er sein Augenmerk auf den in dieser Straße erlaubten Verkehr richtet 46 ). Bleibt der Fußgänger mit Rücksicht auf die Verkehrslage zwischen parkenden Kraftwagen stehen, so m u ß er beide Wagen im Auge behalten. Ein Zurückstoßen eines Fahrzeugs ist nichts außergewöhnliches 47 ). Auch wenn ein Verkehrsposten die Fahrbahn f ü r den Fußgängerverkehr freigibt, darf der Fußgänger nicht blindlings die Fahrbahn betreten 4 8 ). Einen Zebrastreifen darf der Fußgänger betreten, wenn sich herannahende Fahrzeuge noch in angemessener E n t f e r n u n g befinden 4 8 ). Auch noch beim Überschreiten der Straße m u ß der Fußgänger auf etwa h e r a n k o m mende Fahrzeuge achten, also auf der ersten Fahrbahnhälfte vorwiegend nach links, von der Fahrbahnmitte aus nach rechts sehen 50 ). b) Zügiges Überqueren Während in einer f r ü h e r e n Fassung das Überqueren „ohne A u f e n t h a l t " gefordert w o r den war, schrieb § 37 Abs. 2 StVO 1937 das Überqueren „in angemessener Eile" vor. Das gleiche besagt das jetzige Gebot, die Fahrbahn „zügig" zu überqueren. Der Ansicht, d u r d i die Neufassung werde das Überqueren breiter Straßen „in Etappen" verboten 5 1 ), kann nicht gefolgt werden. „Zügig" bedeutet nicht so viel wie „in einem Zuge", sondern „mit z u m u t barer Beschleunigung" oder wie es in der StVO 1937 hieß, „in angemessener Eile". Selbstverständlich m u ß u n d darf „zügig" n u r überquert werden, solange dies die Verkehrslage zuläßt. Das w u r d e selbst bei der f r ü h e r e n Formulierung „ohne A u f e n t h a l t " anerkannt, obwohl damals der reine Wortsinn gegen das etappenweise Überqueren der Fahrbahn sprechen mochte. Die f r ü h e r e Rechtsprechung zu dieser Frage k a n n deshalb ohne Einschränkung zur Auslegung herangezogen werden. Die Z u n a h m e des Verkehrs hatte es m i t sich gebracht, daß mindestens im großstädtischen Verkehr nicht mehr verlangt werden konnte, daß Fußgänger eine breite Straße n u r dann betreten, wenn sie sicher sein konnten, sie in einem Zug überqueren zu können. Man fand sich zunehmend damit ab, daß sie, soweit es der v o n links k o m m e n d e Verkehr gestattete, bis z u r Straßenmitte gingen, u m d o r t zu warten, bis sie auch die andere H ä l f t e der Fahrbahn gefahrlos überqueren konnten 5 2 ). Insofern wurde schon die f r ü h e r e ausdrückliche Vorschrift, Straßen „ohne A u f e n t h a l t " zu überschreiten, einschränkend ausgelegt. Für das Überschreiten v o n Einbahnstraßen, schmalen Straßen 5 3 ) u n d Schnellverkehrsstraßen gilt dies aber nicht. H i e r ist dem Fußgänger in der Regel zuzumuten, solange zu warten, bis v o n keiner Seite Gefahr d r o h t . Das Überschreiten der Fahrbahn in Etappen, wie es im Großstadtverkehr allgemeine Ü b u n g ist, birgt manche Gefahren, auf die sich der Fußgänger einstellen muß. Er m u ß zwar beim Überqueren der ersten Fahrbahnhälfte vor allem nach links absichern, dabei aber schon zu diesem Z e i t p u n k t vor allem bei A n n ä h e r u n g an die Straßenmitte, den Verkehr auf der — in seiner Gehrichtung gesehen — zweiten Fahrbahnhälfte nicht völlig außer Acht lassen, schon im Hinblick auf solche v o n rechts k o m m e n d e n Kraftfahrzeuge, die — etwa beim Überholen oder aus sonstigen G r ü n d e n — die F a h r b a h n m i t t e überfahren 5 4 ). Bei schlechten Beleuchtungsverhältnissen m u ß er damit rechnen als Fußgänger auf der Fahr« ) Nürnberg 30. 12. 60, VersR 61, 644; Bamberg 22. 10. 69, VersR 71, 136. « ) Frankfurt 3. 6. 58, VerkMitt. 59, 6. 48 ) BGH(Z) 20. 9. 60, NJW 60, 2235 = MDR 61, 42. 49 ) KG 11. 5. 59, VRS 17, 323; Hamm 18. 11. 55, MDR 56, 294; s. aber auch Celle 30. 11. 53, DAR 54, 108; BGH 10. 6. 59, NJW 59, 1884; Hamm 10. 1. 57, VRS 12, 371. 5 ») Stuttgart 2. 3. 55, VkBl. 55, 523; Köln 19. 9. 67, VRS 34, 436.
51
) So Booß a . a . O . Anm. 3; dagegen wie hier: Mühlhaus StVO § 25 Anm. 4 b; Cramer StVO § 25 RNr. 40—43; Jagusch StVO § 25 Anm. 3 a. 52 ) BGH 2. 9. 60, DAR 60, 367 •= NJW 60, 2255 = MDR 61, 80 = VRS 19, 393; Stuttgart 16. 3. 56, VRS 11, 135. 53 ) Hamm 2. 6. 55, VkBl. 55, 459. 54 ) Hamburg 3. 5. 60, VerkMitt. 61, 83; vgl. audi München 22. 3. 60, VersR 60, 1003; Hamburg 7. 12. 54, VerkMitt. 55, 7; Weigelt in DAR 57, 353.
„Zügiges" Überqueren
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bahn nicht rechtzeitig wahrgenommen zu werden 5 5 ). Deshalb hat er das etappenweise Uberqueren zu unterlassen 56 ). V o r einem von links herannahenden Fahrzeug darf der Fußgänger die Fahrbahn überschreiten, wenn dieses noch so weit entfernt ist, daß er annehmen kann, er werde wenigstens die Straßenmitte ohne Gefahr erreichen 5 7 ). Mit einer erheblich überhöhten Geschwindigkeit des herrannahenden Fahrzeugs braucht er nicht zu rechnen, mindestens tritt sein eigenes Verschulden hinter dem des Fahrzeugführers zurück 5 8 ). Der Kraftfahrer darf bei einem Fußgänger, der von rechts nach links in seine Fahrbahn tritt, sein Herannahen bemerkt hat und nach Erreichen der Straßenmitte stehen bleibt, darauf vertrauen, daß dieser ihm die Vorbeifahrt hinter sich bewußt gestattet. Damit braucht er nicht zu rechnen, daß der Fußgänger zurücktritt 5 9 ). E r muß aber zu dem stehenden Fußgänger einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. Überquert der Fußgänger die Straße von links nach rechts, so wird der Kraftfahrer in der Regel darauf vertrauen können, daß der Fußgänger in der Mitte der Straße anhalten wird 8 0 ). Allerdings muß der Kraftfahrer hier mit dem Fußgänger rechtzeitig K o n t a k t aufnehmen (Hupzeichen), wenn Anzeichen dafür vorhanden sind, daß der Fußgänger die Straße achtlos überschreitet oder wenn er den Fußgänger erstmals in der Straßenmitte wahrgenommen und sein vorheriges Verhalten nicht beobachtet hat 6 1 ). Das gleiche gilt, wenn die Straße nicht belebt ist, der Fußgänger sie deshalb nicht in Etappen zu überschreiten braucht 6 2 ). Ist die Straße so schmal, daß ein etappenweises Überschreiten nicht in Frage k o m m t , dann darf der Kraftfahrer darauf vertrauen, daß sie der Fußgänger nur dann überschreitet, wenn er mit Sicherheit annehmen kann, die andere Straßenseite vor dem Eintreffen des Fahrzeugs zu erreichen 6 3 ). Das Gebot, die Fahrbahn zügig zu überqueren, will den Verkehr gegen zu langsame Überschreitung der Fahrbahn schützen. Wer unachtsam schnell über die Fahrbahn läuft, verstößt nicht gegen § 25 Abs. 3, sondern gegen § 1 Abs. 2 6 4 ). Uberschreiten mehrere Fußgänger die Fahrbahn gemeinsam, dann müssen sie berücksichtigen, daß ein Kraftfahrer einen Unfall schwer vermeiden kann, wenn sie verschieden reagieren 6 5 ). Fußgänger haben sich darauf einzustellen, daß Kraftfahrer üblicherweise tunlichst hinter ihnen durchfahren, wenn sie die Fahrbahn überqueren 6 6 ). Fahren nebeneinander mehrere Kolonnen von Fahrzeugen, dann ist ein etappenweises Überschreiten in der Weise, daß zwischen den Kolonnen angehalten wird, unzulässig 67 ). c) Überquerung auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung Das Gebot, die Fahrbahn auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten, entspricht dem früheren Gebot des § 37 Abs. 2 S t V O 1937. Dem Fußgänger steht grundsätzlich frei, wo er eine Fahrbahn überqueren will. Allerdings zwang der zunehmende Verkehr den Gesetzgeber dazu, ihm die Überquerung an bestimmter Stelle vorzuschreiben, wenn die Verkehrslage es erfordert; (unten R N r . 13). Auf alle Fälle muß er den Weg wählen, der es ihm ermöglicht, die Fahrbahn möglichst bald freizumachen, also den kürzesten, quer zur Fahrtrichtung. Wenn vom Fußgänger, soweit er die Wahl hat, auch nicht verlangt werden kann, daß er die schmälste und übersichtlichste Stelle der ) BGH(Z) 3. 7. 62, VersR 62, 1012. ) BayObLG 8. 11. 67, bei Rüth DAR 68, 199 (II 5 e). 5 7 ) BGH 17. 1. 52, VRS 4, 284. «8) BGH(Z) 10. 11. 59, VersR 60, 384; 28. 6. 60, VersR 60, 928 und 60, 993; KG 26. 10. 61, VRS 22, 48 (Fußgänger und Radfahrer). »>) BGH 23. 10. 59, VRS 18, 52. 6 0 ) Neustadt 27. 4. 60, DAR 60, 181. 6 1 ) Hamm 12. 2. 57, VRS 13, 222. 6 2 ) Köln 28. 11. 58, VRS 16, 464. 55
56
«3) BGH(Z) 7. 2. 67, VersR 67, 457 = VerkMitt. 67, 58. 6 4 ) BayObLG 28. 12. 65, VRS 30, 384 = VerkMitt .66, 20 = VkBl. 67, 36. 6 5 ) Hamburg 28. 12. 54, VerkMitt. 55, 8. 8 6 ) BayObLGSt 52, 19 (29. 1. 52); Frankfurt 30. 11. 54, VerkMitt. 55, 7, Weigelt in DAR 53, 54; 54, 107; angebliche Ausnahme Hamm 25. 4. 58, DAR 58, 339. 67 ) BayObLGSt 69, 106 (13. 6. 69) = VerkMitt. 70, 4 = VRS 38, 225.
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F a h r b a h n sucht, u m sie d o r t zu überschreiten* 8 ), so ergibt sich doch aus der allgemeinen Rücksichtspflicht, daß er nach Möglichkeit einen geeigneten Ü b e r g a n g sucht 6 0 ). Meist wird der rechtwinklige Ü b e r g a n g der kürzeste sein 7 0 ). Es ist aber auch denkbar, daß einmal eine leidit schräge U b e r q u e r u n g nicht zu beanstanden ist. A l l z u kleinlich darf die Vorschrift nicht ausgelegt werden, z u m a l bei s t a r k e m Verkehr h ä u f i g das G e b o t eingreift, die F a h r b a h n an der nächsten K r e u z u n g zu überqueren. 2. Wo ist die F a h r b a h n z u überschreiten? 13
a
) »wenn die Verkehrslage es e r f o r d e r t "
D a s G e b o t , die F a h r b a h n an K r e u z u n g e n , E i n m ü n d u n g e n oder auf Fußgängerüberwegen zu überschreiten, ist auf den G r o ß s t a d t v e r k e h r zugeschnitten. D o r t ist es sowohl im Interesse der Flüssigkeit des Verkehrs wie auch i m Interesse der Fußgänger zu begrüßen. E s w u r d e durch die V O v o m 30. 4. 64 (BGBl. I S. 305) in die damalige S t V O als V o r g r i f f auf die damals i m Entstehen begriffene neue S t V O eingefügt. Z u unterscheiden ist das G e b o t der Überschreitung an K r e u z u n g e n etc. f ü r den, der sich nicht an einer K r e u z u n g befindet, von d e m G e b o t , an einer K r e u z u n g die dortigen Fußgängerüberwege zu benutzen. Während das erste G e b o t nur dann gilt, wenn die Verkehrslage es erfordert, gilt das zweite immer, also auch bei verkehrsfreier F a h r b a h n . Wie die Beg r ü n d u n g ( R N r . 1) erkennen läßt, hatte der Gesetzgeber erwogen, o b die 1. Pflicht nicht ausnahmslos gelten sollte. M a n hielt aber schließlich das bereits in der V O v o m 30. 4. 64 beschränkte G e b o t f ü r ausreichend, weil das uneingeschränkte G e b o t in ruhigen Verkehrszeiten „ ü b e r s p a n n t " erschien. D a r ü b e r läßt sich streiten. D a s G e b o t in der jetzigen F o r m ist aus einem doppelten G r u n d nicht genügend k l a r : E i n m a l wird es d e m Fußgänger überlassen abzuschätzen, ob die Verkehrslage die B e n u t z u n g eines bezeichneten Ü b e r w e g e s erf o r d e r t . D a es gerade deshalb zu U n f ä l l e n zu k o m m e n pflegt, weil Fußgänger beim Ü b e r schreiten der F a h r b a h n die Verkehrslage falsch beurteilen, ist es fraglich, ob der Zweck der Vorschrift erreicht wird. D i e Verkehrslage e r f o r d e r t im Sinne des Abs. 3 S. 1 die Ü b e r q u e r u n g an K r e u z u n g e n etc. v o r allem, wenn starker K r a f t f a h r z e u g v e r k e h r herrscht. A b e r auch ungünstige Sichtverhältnisse k ö n n e n eine entsprechende Verkehrslage herbeiführen 7 1 ). U n k l a r aber ist auch, welche Fußgänger v o n d e m G e b o t erfaßt werden. Es ist w o h l d a v o n auszugehen, daß nur solche Fußgänger verpflichtet sein sollen, einen Ü b e r w e g zu benutzen, die sich innerhalb einer gewissen E n t f e r n u n g v o n ihm befinden. W o die G r e n z e zu ziehen ist, bleibt u n k l a r ; Auch die Rechtsprechung hat bisher keine einheitlichen Sätze gefunden. Ist der Fußgängerüberweg 200 m entfernt, dann soll ein Fußgänger, der eine belebte Straße überschreiten will, nur dann verpflichtet sein, sie aufzusuchen, wenn eine anderweitige U b e r q u e r u n g der F a h r b a h n f ü r ihn unter allen U m s t ä n d e n bedrohlich ist 7 8 ). In diesem Fall w u r d e also die E n t f e r n u n g in Beziehung gebracht z u r Verkehrslage. J e dichter der V e r k e h r , desto größer der Wirkungsbereich des Gebotes. D a s ist z w a r sachgemäß, doch wird m a n d e m Fußgänger schwerlich einen V o r w u r f daraus machen k ö n n e n , wenn er bei A b w ä g u n g der f ü r u n d wider die Pflicht sprechenden G r ü n d e zu einem verhängnisvollen Ergebnis gelangt. D a ß das G e b o t bei einer gutbeleuchteten u n d verkehrsa r m e n Straße auch dann nicht gilt, wenn die E n t f e r n u n g nur 100 m beträgt, leuchtet ein7®). Auch darauf k a n n es a n k o m m e n , ob der nächste in F r a g e k o m m e n d e Ü b e r g a n g leicht erreicht werden kann. Müßte v o r h e r noch eine einmündende Seitenstraße überquert werden, dann k o m m t es m i t auf den V e r k e h r auf der Seitenstraße an, ob d e m Fußgänger zuzu-
«8) Celle 23. 5. 56, VerkMitt. 56, 60 = VRS 11, 473 = N J W 56, 1044. « ) Celle 23. 5. 56, N J W 56, 1044. 7 ») Stuttgart 17. 2. 61, VerkMitt. 61, 90 = VRS 21, 469.
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) BayObLG 26. 11. 71, VerkMitt. 72, 21. ) BGH(Z) 23. 9. 69, VersR 69, 1115 = VerkMitt. 69, 91. BGH(Z) 4. 10. 60, VersR 61, 84 = VRS 19, 401 = DAR 61, 13.
StVO
U b e r q u e r u n g an Kreuzungen
§ 25
m u t e n ist, sidi zu dem Ubergang zu begeben 74 ). Ein 75 m entfernter Ubergang m u ß bei starkem Verkehr zur Ü b e r q u e r u n g benutzt werden 7 5 ). Während das Gebot nach der f r ü h e r e n Fassung n u r das Überschreiten an Kreuzungen und Einmündungen u n d auf Fußgängerüberwegen verlangte, sind n u n auch n o d i die Markierungen an Lichtzeichenanlagen miteinbezogen. W o die Fahrbahn an Kreuzungen u n d Einmündungen zu überschreiten ist, sagt Abs. 3 S. 2; (unten R N r . 14). Wer die F a h r b a h n an anderer Stelle überschreitet, obwohl die Verkehrslage die Ben u t z u n g eines nahegelegenen Uberganges erfordert, handelt nicht n u r ordnungswidrig, sondern er riskiert v o r allem, im Falle eines Unfalles als mitschuldig (§ 254 BGB) zu gelten 7 '). Da „Fußgängerüberweg" ein Rechtsbegriff ist, m u ß im Urteil festgestellt werden, ob der Uberweg durch Z. 293 bezeichnet ist 77 ). b) Überschreitung an Kreuzungen und Einmündungen Die Pflicht, an Kreuzungen und Einmündungen d o r t angebrachte Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen zu benutzen, gilt ausnahmslos, ist also v o n keiner besonderen Verkehrslage abhängig. Die Ausdehnung des Gebotes auf Markierungen an Lichtzeichenanlagen (sog. Fußgängerfurten, vgl. III der V w v zu § 25 Abs. 3) ist neu. Während f ü r Fußgänger, die wegen der Verkehrslage die Fahrbahn an Kreuzungen u n d Einmündungen überschreiten müssen, klar ist, w o dies geschehen muß, ergibt sich f ü r diejenigen, die „an" einer Kreuzung oder E i n m ü n d u n g die Fahrbahn überqueren wollen, ohne durch die Verkehrslage dazu gezwungen zu sein, die Frage, wie weit der Bereich der Straßenkreuzung oder - e i n m ü n d u n g reicht. Die Frage kann aus dem Wortlaut allein nicht zufriedenstellend gelöst werden. Vielmehr m u ß nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gef r a g t werden. Darnach wird man den Bereich eng begrenzen müssen, zwar nicht dergestalt, daß der Bereich von den Haltlinien f ü r Kraftfahrzeuge begrenzt ist, aber doch, daß n u r ein so enger Bereich darüber hinaus z u r Kreuzung oder E i n m ü n d u n g gerechnet wird, daß nach allgemeinem Sprachgebrauch noch gesagt werden kann, die Stelle befinde sich „an" der Kreuzung. Wie weit der Bereich der Kreuzung reicht, ergibt sich also aus d e m äußeren Bild der örtlichkeit. Außerhalb der genannten Ubergänge darf die Fahrbahn erst an einer Stelle überschritten werden, die v o n der Kreuzung so weit e n t f e r n t ist, daß bei natürlicher Betrachtung kein Zusammenhang m i t der Kreuzung m e h r besteht. Bei einer 3 — 5 m entfernten Stelle wird der örtliche Zusammenhang zu bejahen sein 78 ), bei einer solchen von 8 — 10 m zu verneinen 7 9 ). Befindet sich an einer Kreuzung kein Fußgängerübergang, dann braucht der Fußgänger nicht nach Überwegen an anderen Kreuzungen zu suchen 80 ). Überschreitet ein Fußgänger die Fahrbahn auf einer Ampelkreuzung bei Grünlicht, dann darf er zwar darauf vertrauen, daß der Fahrverkehr sein Vorrecht beachtet. Das bedeutet aber nicht, daß er nicht auch eine gewisse Vorsicht walten lassen muß, wenn auch nicht die angespannte Aufmerksamkeit, die beim Uberschreiten der Fahrbahn an anderen Stellen erforderlich ist 81 ). Befinden sich in der N ä h e einer Kreuzung mit Ampelregelung unbeampelte Fußgängerüberwege, so haben sich die Fußgänger auf den Uberwegen nach den Lichtsignalen der Kreuzungsampel zu richten, soweit diese f ü r sie erkennbar sind 82 ). Erreicht ein Fußgänger an einer Kreuzung (ohne Ampeln) beim Überschreiten der Fahrbahn ungefähr deren Mitte, so braucht er nicht damit zu rechnen, daß ihn hier noch ein 74 ) 75
BGH(Z) 24. 3. 59, NJW 59, 1363. ) Hamburg 19. 7. 60, VerkMitt. 61, 27. «) BGH(Z) 24. 6. 58, VRS 15, 164 = VkBl. 58, 573 = DAR 58, 268. 77 ) Für die frühere Rechtslage: BayObLG 17. 10. 67, NJW 68, 313. 78 ) BayObLGSt 59, 63 (4. 3. 59) = VRS 17, 297; vgl. auch BayObLG 26. 11. 71, VerkMitt. 72, 21. 7 ») KG 7. 8. 58, VerkMitt. 58, 57; Saarbrücken 7
21. 3. 58, VerkMitt. 60, 12 mit Anm. von Booß; Celle 25. 8. 66, MDR 67, 64 = NdsRpfl. 66, 270 = VerkMitt. 66, 94 = VRS 32, 63. 8 °) KG 5. 10. 67, DAR 67, 335 = VRS 34, 131 = DRspr. II (293) 85 b; s. aber auch KG 19. 12. 68, VerkMitt. 69, 17. 81 ) BGH(Z) 20. 4. 66, Betrieb 66, 820 = NJW 66, 1211 = DRspr. II (293) 75 b. 82 ) Köln 17. 5. 68, VRS 36, 72.
§ 25
stva
Möhl
von links nahender Mopedfahrer erfassen könnte, der dicht hinter dem Heck eines entgegenkommenden Lkw mit überhöhter Geschwindigkeit über die Kreuzung fährt8®). 15
3. Absperrungen und Geländer (Abs. 4) Der Begriff „Absperrungen" ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff „Absperrschranken". Beide sind Verkehreinrichtungen im Sinne des § 43. Die Absperrschranken sind Absperrgeräte, die nach § 43 Abs. 3 Nr. 2 das Befahren der abgesperrten Straßenfläche verbieten. Da sie in der Regel nur vorübergehenden Zwecken dienen, wie der Absperrung von Bau- oder Unfallstellen, sind sie beweglich (vgl. bei § 43), während Absperrungen meist fest mit dem Boden verbunden sind. Stangen- und Kettengeländer sind Beispiele für solche Absperrungen, es sind aber auch noch andere Formen der Absperrung denkbar. Die II der Vwv zu § 25 Abs. 3 empfiehlt, da wo Fußgänger den Fahrzeugverkehr unzumutbar behindern, die Fußgänger von der Fahrbahn durch Stangen- oder Kettengeländer fernzuhalten; IV Nr. 1 der Vwv zu § 26 empfiehlt Geländer für den Fall, daß Fußgänger Umwege machen müssen, um Zebrastreifen zu erreichen. § 25 Abs. 4 stellt klar, daß Fußgänger solche Absperrungen nicht übersteigen dürfen und ergänzt § 43 Abs. 3 Nr. 2 dahin, daß auch Fußgänger die durch Absperrschranken abgesperrten Straßenflächen nicht betreten dürfen.
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4. Gleisanlagen (Abs. 5) Zu unterscheiden sind Gleisanlagen, die im Bereich einer Straße auf besonderem Bahnkörper verlegt sind und solche, die unabgesondert in der Straße verlaufen. Während sich §§ 2 Abs. 3, § 9 Abs. 1 S. 3 mit dem Verhalten des Fahrverkehrs gegenüber Schienenbahnen befaßt, die Bestandteil der Fahrbahn sind, wird in § 19 das Verhalten an „Bahnübergängen" geregelt, zu denen auch die Ubergänge über solche Schienenbahnen zählen, die auf besonderem Bahnkörper im Bereich einer Straße verlaufen. Für Fußgänger gibt es keine besonderen Vorschriften, soweit Schienenbahnen Bestandteil der Straße, also nicht auf besonderem Bahnkörper verlegt sind. Allerdings können solche Schienenbahnen insofern auch hier von Bedeutung sein, als Fälle, in denen „die Verkehrslage" die Überschreitung der Fahrbahn an Kreuzungen etc. (Abs. 3 S. 1, oben RNr. 13) erfordert, bei Straßen, in denen Straßenbahnen verkehren, häufiger vorliegen werden als in anderen Straßen. Audi ist das Überschreiten der Fahrbahn in Etappen dort meist ausgeschlossen. Abs. 5 befaßt sich aber mit Gleisanlagen, die nicht zugleich dem sonstigen öffentlichen Straßenverkehr dienen, also auf eigenem Bahnkörper verlegt sind. Diese Gleisanlagen dürfen nur an den dafür vorgesehenen Stellen betreten werden, nämlich an den Bahnübergängen. Wieweit dort der Vorrang der Schienenbahn reicht, bestimmt § 19. Im übrigen finden sich die einschlägigen Bußgeldvorschriften, wie die Vwv zu Abs. 5 ausdrücklich erwähnt, in § 71 Abs. 1 Nr. 4 BOStrab (III/3 in Bd. II) und in § 64 a EBO. Abs. 5 hat, wie die Begründung sagt, die Aufgabe, das Betretungsverbot den Fußgängern lediglich „in Erinnerung zu bringen".
17
C. Bußgeld Vorschriften und Konkurrenzen Wer als Fußgänger vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift nach § 25 Abs. 1 bis 4 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 24 a ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Führt das verkehrswidrige Verhalten des Fußgängers zu einem Unfall, so kann in diesem Verhalten gleichzeitig ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 liegen. Wird eine Körperverletzung verursacht, dann tritt die Ordnungswidrigkeit nach § 25 hinter das Vergehen zurück; § 17 OWiG. Betritt ein Fußgänger verbotenerweise eine Gleisanlage im Sinne des Abs. 1, dann handelt er ordnungswidrig im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 4 BOStrab bzw. § 64 a EBO. Die Haftung der Bahn für Betriebsgefahr kann dann entfallen 84 ). Kraftfahrzeugführer dürfen 83
) BGH 24. 10. 67, VersR 67, 1202 = VerkMitt. 68, 19 = VRS 34, 18.
604
84) ßGH(Z) 30. 4. 63, VersR 63, 874; 64, 88 m. Anm. von Böhmer .
Fußgängerüberwege
StVO
§§25,26
in der Regel darauf vertrauen, daß Fußgänger Gleisanlagen nur an den dafür vorgesehenen Stellen überschreiten 8 5 ).
§ 26 Fußgängerüberwege (1) An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den Fußgängern, welche die Fahrbahn auf dem Überweg erkennbar überschreiten wollen, das Uberqueren zu ermöglichen. Deshalb dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten. (2) Stockt der Verkehr, so dürfen Fahrzeuge nicht auf den Überweg fahren, wenn sie auf ihm warten müßten. (3) An Überwegen darf nur überholen oder an anderen Fahrzeugen vorbeifahren, wer übersehen kann, daß eine Gefährdung von Fußgängern ausgeschlossen ist. Wartet ein Fahrzeug vor dem Überweg, weil Fußgänger die Fahrbahn überschreiten, so dürfen andere Fahrzeuge es nicht überholen. (4) Führt die Markierung über einen Radweg oder einen anderen Straßenteil, so gelten diese Vorschriften entsprechend. Vwv zu § 26 I. Allgemeines Fußgängerüberwege kommen im allgemeinen nur an Kreuzungen und Einmündungen in Frage. An anderen Stellen sind sie nur in Ausnahmefällen zu erwägen. Ob und wie Fußgängerüberwege über bevorrechtigte Zufahrten zu Kreuzungen oder Einmündungen und Fußgängerüberwege außerhalb von Kreuzungen und Einmündungen anzulegen sind, ist besonders sorgfältig zu prüfen. II. Drtlidie Voraussetzungen 1. Fußgängerüberwege dürfen nicht auf Straßen angelegt werden, auf denen schneller als 50 km/h gefahren werden darf. 2. Die Anlage von Fußgängerüberwegen kommt in der Regel nur in Frage, wenn auf beiden Straßenseiten Gehwege vorhanden sind. 3. Fußgängerüberwege dürfen nur an Stellen angebracht werden, an denen nicht nur sie rechtzeitig in ihrer ganzen Länge stets sichtbar sind, sondern auch Fußgänger, die auf dem Gehweg auf eine Möglichkeit zum Überschreiten der Fahrbahn warten. 4. Fußgängerüberwege dürfen nur angelegt werden, wenn der Fußgängerquerverkehr ohnehin auf einen bestimmten Punkt konzentriert ist oder wo dies durch die Markierung oder durch Absperrung erreicht werden kann. 5. Fußgängerüberwege müssen ausreichend weit voneinander entfernt sein; das gilt nicht, wenn ausnahmsweise zwei Überwege hintereinander an einer Kreuzung oder Einmündung liegen. 6. Im Zuge von Grünen Wellen und in der Nähe von Lichtzeichenanlagen sollten Fußgängerüberwege nicht angelegt werden. 7. Für Fußgängerüberwege eignen sich vor allem Straßen mit insgesamt zwei oder drei Fahrstreifen für den Verkehr in beiden Richtungen. III. Verkehrliche Voraussetzungen 1. Fußgängerüberwege sollten in der Regel nur angelegt werden, wenn es erforderlich ist, dem Fußgänger Vorrang zu geben, weil er sonst nicht sicher über die Straße kommt. 2. Bei schwachem Fahrzeugverkehr ist die Anlage von Fußgängerüberwegen in der Regel nicht erforderlich, weil für die Fußgänger Lücken zum Überschreiten der Straße zur Verfügung stehen. 3. Bei — unter Umständen auch nur in der Spitzenstunde — starkem Fahrzeugverkehr ist die Anlage von Fußgängerüberwegen nicht zweckmäßig, weil durch die Bevorrechtigung der Fußgänger Stockungen im Verkehrsfluß entstehen können. 4. Bei sehr schwachem Fußgängerverkehr ist die Anlage von Fußgängerüberwegen häufig deswegen nicht zweckmäßig, weil die wenigen Fußgänger ihren Vorrang den Fahrzeugen gegenüber nicht durchsetzen könnten. 85
) Köln 8. 1. 65, VRS 29, 31.
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§ 26
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5. Demnach kommt die Anlage von Fußgängerüberwegen vor allem an solchen Stellen in Frage, wo eine mäßig befahrene Straße von einem mittelstarken oder jedenfalls doch ständigen Fußgängerverkehr gekreuzt wird. Auch bei ausgesprochen schwachem Fahrzeugverkehr kann die Markierung eines Fußgängerüberweges aber zweckmäßig sein, wenn der Fußgängerverkehr besonders stark ist. Soweit in der Literatur Zahlenwerte über die maßgebende Stärke des Fußgänger- und des Fahrzeugverkehrs angegeben sind, handelt es sich um Richtwerte, die nicht für alle denkbaren Fälle gelten können, örtliche Gesichtspunkte können Einfluß haben; so gelten z. B. für Geschäftsstraßen mit vielen Fußgängern andere Maßstäbe, als für Straßen, die in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dienen. IV. Lage von Fußgängerüberwegen 1. Fußgängerüberwege sollten in der Gehrichtung der Fußgänger liegen. Müssen die Fußgänger Umwege machen, um den Zebrastreifen zu erreichen, so empfehlen sich häufig Geländer. 2. Fußgängerüberwege sollten möglichst so angelegt werden, daß die Fußgänger die Fahrbahn auf dem kürzesten Wege überschreiten. 3. In Kreuzungszufahrten mit Wartepflicht empfiehlt es sich häufig, den Fußgängerüberweg zurückzusetzen, um abbiegenden Fahrzeugen die Möglichkeit zu geben, ohne Störung des nachfolgenden Verkehrs vor dem Oberweg zu warten. Geländer können in solchen Fällen geboten sein. 4. Bei Fußgängerüberwegen an Kreuzungen und Einmündungen ist zu prüfen, ob es nicht ausreicht, über die Straße mit Vorfahrt nur einen Fußgängerüberweg anzulegen. Bei Einbahnstraßen sollte dieser vor der Kreuzung oder Einmündung liegen. An Kreuzungen und Einmündungen mit abknickender Vorfahrt sollen Fußgängerüberwege über die Straße mit Vorfahrt nicht angelegt werden. 5. Vor Schulen, Werksausgängen und dergleichen sollten Fußgänger nicht unmittelbar auf den Fußgängerüberweg stoßen, sondern durch Geländer geführt werden. 6. Auf Straßen mit Straßenbahnlinien ohne besonderen Bahnkörper sollen Fußgängerüberwege nur an Zwangshaltestellen (Anlage 4 Signal A 5 der BOStrab) und nur so angelegt werden, daß die Straßenbahn in jedem Fall vor dem Oberweg hält. Fußgängerüberwege über Straßen mit Schienenbahnen auf besonderem Bahnkörper sollen an den Übergängen über den Gleisraum mit versetzten Geländern abgeschrankt werden. V. Markierung und Beschilderung 1. Die Markierung sollte mindestens drei Meter breit sein. Sie besteht aus Breitstrichen von 50 cm mit ebenso großen Abständen. Der erste Breitstrich sollte etwa 50 cm vom Fahrbahnrand entfernt sein. Ober Straßenbahngleise sollen Zebrastreifen durchgeführt werden, über Radwege jedenfalls dann, wenn das nach den örtlichen Verhältnissen zum Schutz der Fußgänger erforderlich ist. Im Bereich von Fußgängerschutzinseln sollte die Markierung dagegen unterbrochen werden. 2. Die Fahrbahnmarkierung der Fußgängerüberwege muß sich immer in einem guten Zustand befinden. Die Markierung sollte möglichst griffig und verschleißfest sein und ihre weiße Farbe behalten. 3. Die Markierung sollte so beschaffen sein, daß sich die weißen Streifen auch bei nasser Fahrbahn von der übrigen Straßenfläche abheben. Wo nötig, sind zur Verdeutlichung weiße Bodenrückstrahler zu verwenden. 4. Auf Fußgängerüberwege, die nicht an Kreuzungen und Einmündungen liegen, und auf solche, die an Kreuzungen und Einmündungen liegen über die Kreuzungszufahrten mit Vorfahrt angelegt sind, ist stets durch Zeichen 350 hinzuweisen. Es steht immer an dem Fußgängerüberweg. In der Regel sollte es auf beiden Straßenseiten aufgestellt werden. Eine Wiederholung des Zeichens 350 über der Fahrbahn kann sich empfehlen, besonders wenn das Verkehrszeichen so in Verbindung mit einer Beleuchtungseinrichtung angebracht werden kann. Wenn die Zeichen 134 oder 350 auf der linken Straßenseite wiederholt werden, so sind sie dort spiegelbildlich auszuführen. Die Zeichen müssen voll rückstrahlen oder erforderlichenfalls (§ 17 Abs. 1) von innen oder außen beleuchtet sein. Sie können auch als Fahrbahnmarkierung wiederholt werden. Wegen der Verwendung von gelbem Blinklicht vgl. II zu § 38 Abs. 3. 5. Vor Oberwegen, die nicht an Kreuzungen oder Einmündungen liegen, und vor solchen außerhalb geschlossener Ortschaften ist stets durch das Zeichen 134 mit Entfernungsangabe auf einem Zusatzschild zu warnen. 6. Vor Oberwegen außerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit auf eine ausreichend lange Strecke auf höchstens 50 km/h zu beschränken. Das Geschwindigkeitsbeschränkungssdiild soll am gleichen Pfosten wie das Gefahrzeichen 134 angebracht werden. 7. Es ist immer zu prüfen, ob nicht verkehrsbeschränkende Anordnungen vor dem Überweg zu treffen sind. In Frage kommen z. B. Überholverbote (Zeichen 276). VI. Beleuchtung 1. Durch Beleuchtung muß dafür gesorgt werden, daß auf dem Fußgängerüberweg befindliche und am Gehwegrand wartende Fußgänger bei Dunkelheit auch bei ungünstigen Verhältnissen (z. B. bei nasser Straße) vom Kraftfahrer rechtzeitig wahrgenommen werden können. Das gilt nicht für Fußgängerüberwege an Kreuzungszufahrten mit Wartepflicht.
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2. Werden durch die allgemeine Straßenbeleuchtung die Fahrbahn und der Gehwegrand so hell und gleichmäßig ausgeleuchtet, daß die Fußgänger vom Kraftfahrer rechtzeitig wahrgenommen werden können, so sind zusätzliche Beleuchtungseinrichtungen nicht erforderlich. Bevor Zusatzleuchten angebracht werden, ist zu prüfen, ob durch eine Verbesserung der Helligkeit und der Gleichmäßigkeit der vorhandenen Straßenbeleuchtung erreicht werden kann, daß die Fußgänger ausreichend sichtbar werden. 3. Reicht die vorhandene Straßenbeleuchtung nicht aus und kann sie auch nicht ausreichend verbessert werden, so kommt eine Anstrahlung in Betracht, die den Fußgänger, aus der Verkehrsrichtung gesehen, hell von dem dunklen Hintergrund abhebt. In solchen Fällen ist die Verwendung andersfarbigen Lichtes zu erwägen. Schrifttum Harthun: „Einzelfragen zur neuen Straßenverkehrsordnung", DAR 71, 177, 179. Hoppe: „Kraftfahrer und Fußgänger am Zebrastreifen", DAR 68, 173. Möbl: „Kraftfahrer und Fußgänger nach der Novelle vom 30. 4. 64", J R 64, 332; „Die neue Straßenverkehrsordnung", DAR 71, 29, 34. Mühlhaus: „Verkehr an Kreuzungen mit Lichtampeln", DAR 67, 313, 319; „Verhalten an Fußgängerüberwegen; D A R 70, 197. Sanders: „Der Fußgänger in der Rechtsprechung zum Straßenverkehrsrecht", K8cV 65, 242. Schmidt: „Verhalten an Fußgängerüberwegen", DAR 67, 100. Schultz: „Der Tod auf dem Zebrastreifen", M D R 66, 201. Übersicht A. Allgemeines I. Amtliche Begründung I I . Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Verkehrszeichen an Fußgängerüberwegen I I . Pflicht, den Fußgängern das Uberqueren zu ermöglichen (Abs. 1) 1. bei „erkennbarer" Überschreitungsabsicht Allgemeines (4), Verzicht des Fußgängers auf Vorrecht (5)
RNr. 1-2 1
2. „Mäßige" Geschwindigkeit 3. Warten 4. Pflichten der Fußgänger
2
I I I . Verhalten bei stockendem Verkehr (Abs. 2)
3-11
RNr. 6 7 8 9
IV. Überholen und Vorbeifahren 10-11 (Abs. 3) 10 1. Allgemeines 2. Wenn Fahrzeug vor Überweg 11 wartet V. Fußgängerüberweg über Radweg etc. 12
3 4-7 4-5
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
13
A . Allgemeines I. A m t l i d i e Begründung Die an die Markierung eines Fußgängerüberwegs geknüpften Anordnungen übernehmen in Absatz 1 und 3 den Inhalt der Novelle 1964 StVO. Dabei wird durch die Hinzufügung der Worte „wer übersehen kann . . . " deutlich unterstrichen, daß vom Fahrzeugführer angestrengte Beobachtung des Zebrastreifens und dessen Umgebung gefordert wird und daß er infolgedessen das Überholen insbesondere dann zu unterlassen hat, wenn ihm die Sicht durch ein anderes Fahrzeug verdeckt wird. Aber selbst wenn das nidit der Fall ist, ist das Überholen unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 verboten, weil es dann besonders gefährlich sein kann. II. Überblick — Vergleich m i t der bisherigen Regelung § 2 6 ü b e r n i m m t in Abs. 1 u n v e r ä n d e r t den d u r d i die V O v o m 30. 4 . 6 4 ( B G B l . I S. 3 0 5 ) in den f r ü h e r e n § 9 eingefügten Abs. 3 a. D i e V o r s c h r i f t dient in erster Linie der Sicherheit des F u ß g ä n g e r v e r k e h r s . D a ß auch die F u ß g ä n g e r Pflichten h a b e n u n d d a ß eine befriedigende L ö s u n g des P r o b l e m s n u r durch gegenseitige R ü c k s i c h t n a h m e möglich ist, k o m m t darin leider nicht z u m Ausdruck 1 ). Z u r F r a g e der allgemeinen Sorgfaltspflicht des K r a f t f a h r e r s gegenüber F u ß g ä n g e r n auf O b e r w e g e n s. § 1 R N r . 124. N e u ist das in Abs. 2 e n t h a l t e n e V e r b o t , auf den Ü b e r w e g z u f a h r e n , w e n n F a h r z e u g e d o r t w a r t e n müssen, weil der V e r k e h r stockt. E s dient w e d e r der Sicherheit n o d i der Flüs') Vgl. Möhl, J R 64, 332; Schmidt, DAR 67, 100.
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§ 26
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sigkeit des Fahrzeugverkehrs, sondern allein dem Bedürfnis der Fußgänger, die Fahrbahn auf Überwegen unbehindert überschreiten zu können. Es ist deshalb nur entfernt mit § 11 Abs. 1 vergleichbar, wenn es auch wie dieser eine Verkehrsstockung zur Voraussetzung hat. Abs. 3 S. 1 übernimmt mit einer nicht ganz unwesentlichen Änderung (s. unten R N r . 10), die ebenfalls durch die V O vom 30. 4. 64 als S. 4 in den Abs. 1 des § 10 StVO 1937 eingefügte Einschränkung des Überholens und Vorbeifahrens an Fußgängerüberwegen. S. 2 des Abs. 3 nennt einen häufigen Fall, in dem diese Einschränkung sich auswirkt. Neu ist die in Abs. 4 enthaltene Ausdehnung der Vorschriften des Abs. 1 — 3 auf Uberwege, die über einen Radweg oder einen anderen Straßenteil führen. Von dem Verbot des Abs. 2 für Fahrzeuge, auf den Überweg zu fahren, wenn sie wegen einer Verkehrsstockung dort warten müßten, zu unterscheiden ist das in § 12 Abs. 1 Nr. 4 (früher § 15 Abs. 4 StVO 1937) enthaltene Verbot, auf Fußgängerüberwegen sowie bis zu 5 m davor zu halten. Dieses Haltverbot hindert den Fahrzeugführer nicht, seiner Pflicht gegenüber Fußgängern auf dem Überweg dadurch nachzukommen, daß er unmittelbar vor dem Überweg sein Fahrzeug anhält. (Nach dem Sprachgebrauch der StVO „hält" er in diesem Fall nicht, sondern er „wartet"; vgl. Vwv zu § 5 und § 6). Fußgängerüberwege im Sinne des § 26 sind nur die durch die Markierung Z. 293 (Zebrastreifen) bezeichneten. § 26 bezieht sich also nicht auf die sog. Fußgängerfurten an Lichtzeichenanlagen für Fußgänger. § 26 gilt für Fahrzeuge aller Art mit Ausnahme der Schienenbahnen. Die Frage, wann Fußgänger verpflichtet sind, zum Überschreiten der Fahrbahn Fußgängerüberwege zu benutzen, ist in § 25 Abs. 3 geregelt; (s. dort R N r . 13). B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 3
I- Verkehrszeichen an Fußgängerüberwegen Fußgängerüberwege im Sinne des § 26 sind nur die durch Zebrastreifen (Z. 293) gekennzeichneten Übergänge. Das hat den Nachteil, daß der Ubergang den Rang des geschützten Fußgängerüberweges verliert, sobald das Streifenmuster nicht mehr genügend zu erkennen ist, weil es abgenutzt oder von Schmutz oder Schnee bedeckt ist. Es reicht nicht aus, wenn von einem Zebrastreifen nur einzelne Streifen neben dem Fahrbahnrand noch erkennbar sind 1 ). Mit Fußgängerüberwegen befassen sich zwei weitere Verkehrszeichen: Das Gefahrzeichen 134 steht in angemessener Entfernung vor dem Überweg. Die Entfernung wird auf einem Zusatzschild angegeben. Unmittelbar an der Markierung wird außerdem noch das Richtzeichen 350 angebracht. Weder das Gefahrzeichen noch das Richtzeichen vermag die rechtliche Eigenschaft eines Uberganges als bevorrechtigter Fußgängerüberweg zu begründen 8 ). Allerdings darf ein Fahrzeugführer an einem durch Z. 134 gekennzeichneten Fußgängerüberweg, der nur wegen der Abnutzung des Zebrastreifens nicht mehr bevorrechtigt ist, wenn ihm dies bekannt ist, nicht darauf vertrauen, daß Fußgänger das Vorrecht des Fahrverkehrs anerkennen und beobachten 3 ). Ist der Zebrastreifen angebracht, dann ist der Übergang bevorrechtigt, auch wenn die Z. 134 und 350 fehlen. Für die beampelten Fußgängerüberwege (§ 37 Abs. 2 Nr. 5) gilt § 26 nicht 4 ). Da bei Grün für die Fußgänger der Fahrverkehr durch R o t zum Anhalten verpflichtet ist und deshalb auch keine Überholung stattfinden darf, sind für diese Ubergänge besondere Siche) BayObLG 7. 10. 64, DAR 65, 5 3 ; Frankfurt 6. 9. 67, VRS 34, 308 = N J W 68, 312; Hamm 23. 4. 70, VRS 39, 340. ») B G H 25. 3. 71, VRS 41, 307; BayObLG 16. 12. 70, VRS 40, 215; 8. 9. 71, VerkMitt. 72, 4. 2
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) Für die frühere Rechtslage: Hamburg 12. 1. 66, N J W 66, 681; BayObLG 25. 10. 66, N J W 67, 406.
Verkehrszeichen; „erkennbare" Uberschreitungsabsidit
StVO
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rungsvorschriften entbehrlich. Allerdings sind auch sie für alte, verkehrsungewohnte Fußgänger nicht problemlos, weil die für Fußgänger bestimmten Ampeln nur Grün und R o t zeigen, weshalb Fußgänger, welche einen Überweg bei Grün betreten, ihn auch dann weiter überschreiten dürfen, wenn im Verlauf des Uberschreitens die Ampel auf Rotlicht wechselt. Für Fußgängerüberwege im Geltungsbereich einer an einer Straßenkreuzung in Betrieb befindlichen Ampelsignalanlage gilt das Vorrecht nach § 26 nicht. O b ein Fußgängerüberweg (ohne eigene Lichtzeichen) noch zum Kreuzungsbereich zu rechnen ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein 5 ). Zur Frage der örtlichen Voraussetzung, der Lage, der Markierung und Beschilderung und der Beleuchtung von Fußgängerüberwegen vergleiche die eingehende Vwv zu § 26. D a „Fußgängerüberweg" ein Rechtsbegriff ist, muß der Tatrichter im Urteil feststellen, ob das Z. 293 (Zebrastreifen) angebracht war 6 ). II..Pflicht, den Fußgängern das Überqueren zu ermöglichen (Abs. 1) 1. bei „erkennbarer" Überschreitungsabsicht (Abs. 1 S. 1) Allgemeines
4
Auch bei der Annäherung von Kraftfahrzeugen an einen bevorrechtigten Uberweg gilt als oberster Grundsatz die Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme. Da aber der Hinweis auf diese Pflicht nicht genügt, um die gegenseitigen Rechte und Pflichten genügend klar abzugrenzen, hat der Gesetzgeber versucht, zum Schutze der Fußgänger Sicherheiten einzubauen. Auch schon nach früherem Recht durfte der Kraftfahrer, der sich einem vorschriftsmäßig bezeichneten Fußgängerüberweg näherte, den ein Fußgänger bereits betreten hatte, nur weiterfahren, wenn er sicher sein konnte, vor oder hinter dem Fußgänger vorbeizukommen 7 ). E r durfte aber darauf vertrauen, daß ein Fußgänger den Überweg nicht erst betreten werde, wenn sich das Kraftfahrzeug diesem näherte. Das ist seit der V O vom 30. 4. 64 anders: Die erhöhte Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers soll schon eintreten, sobald für ihn erkennbar wird, daß Fußgänger die Fahrbahn auf dem Überweg überschreiten wollen. Man wollte offensichtlich die Verteidigungslinie möglichst weit vorverlegen und sich nicht mit der früheren Regelung begnügen, die übrigens mit den „Cemtregeln" in diesem Punkt im wesentlichen übereinstimmend den Fußgänger erst von dem Zeitpunkt an in Schutz nahmen, in dem er die Fahrbahn tatsächlich betreten hatte. Der Unterschied ist nicht ohne Bedeutung, belastet aber den Kraftfahrer mit einer Verantwortung, die an der Grenze des Erträglichen liegt. Der Vorrang des Fußgängers hängt nicht etwa davon ab, daß er seine Absicht die Fahrbahn zu überqueren durch Zeichen zu erkennen gibt. Es genügt, wenn die Absicht dem Kraftfahrer aus dem Gesamtverhalten des Fußgängers erkennbar ist, z. B . daraus, daß er am Uberweg mit Blickrichtung auf die sich von links nähernden Fahrzeuge steht oder daß er zielstrebig auf den Überweg zugeht 8 ). Fälle, in denen die Ü b e r schreitungsabsicht tatsächlich klar erkennbar ist, bieten keine Schwierigkeiten. Dagegen ist es schwierig, die Fälle, in denen der Fußgänger zwar zunächst nicht oder nur undeutlich zu sehen ist, in denen aber trotzdem bei erhöhter Sorgfalt seine Uberschreitungsabsicht noch rechtzeitig erkennbar ist, von den Fällen abzugrenzen, in denen für den Kraftfahrer nicht voraussehbar ist, daß ein Fußgänger den Uberweg betritt; m. a. W. die Schwierigkeit liegt darin, zu präzisieren, wieweit der Vertrauensgrundsatz durch die Bevorrechtigung des Fußgängers auf dem bezeichneten Übergang eingeschränkt ist. Die Grundsätze, wonach ein Kraftfahrer nicht ohne weiteres damit zu rechnen braucht, daß Fußgänger oder Kinder auf einer für ihn vorher nicht einsehbaren Stelle aus plötzlich und unerwartet auf die Fahrbahn treten und dabei vor den vorüberfahrenden Wagen geraten, gelten an einem durdi ) BayObLGSt 67, 151 (13. 10. 67) = DAR 68, 83 = VRS 34, 300 = DRspr. II (292) 83 a; ähnlich Stuttgart 15. 12. 65, VRS 33, 449 = DRspr. II (292) 73 b. •) BayObLGSt 67, 155 (17. 10. 67) = VRS 34, 389 = DAR 68, 27 = VerkMitt. 68, 11. 5
?) BGH 11. 10. 8) BGH 9. 4. 65 460 = DAR sprechung des DAR 66, 87.
63, VRS = NJW 65, 162; BGH in
26, 30. 65, 1236 = VRS 28, Martin: „Die RechtVerkehrsstrafsachen",
609 39 S t V O + S t G B
§ 26
StVO
Möhl
Zebrastreifen gekennzeichneten Fußgängerüberweg nicht uneingeschränkt9). Um dem Fußgänger den Vorrang einräumen zu können, müssen die Kraftfahrer an einen Uberweg nicht nur mit mäßiger Geschwindigkeit, sondern auch aufmerksam und reaktionsbereit heranfahren. Allerdings tritt in der Regel die erhöhte Sorgfaltspflicht nur ein, wenn zunächst einmal der Fußgänger selbst und sodann aber seine Absicht, den Fußgängerüberweg zu beschreiten, für den herankommenden Kraftfahrer erkennbar ist 10 ). Diese ist z. B. erkennbar, wenn Fußgänger einem Überweg zustreben, der zu einem am gegenüberliegenden Fahrbahnrand abfahrbereiten Omnibus führt 11 ). Dagegen soll sie daraus allein nicht hervorgehen, daß sidi Fußgänger einem im rechten Winkel zu ihrer Gehrichtung verlaufenden Fußgängerüberweg zügig nähern 12 ). Nähert sich ein Kraftfahrer einem Zebrastreifen, während ein Lastzug entgegenkommt, so muß er damit redinen, daß unmittelbar hinter dem Lastzug auf dem Zebrastreifen Fußgänger auftauchen, welche die Fahrbahn überqueren 13 ). Er darf in der Regel nicht darauf vertrauen, daß sich nachfolgende Fußgänger nach dem Verhalten eines vorausgehenden Fußgängers richten werden 14 ). Nimmt sich an einem Fußgängerüberweg ein Schülerlotse der die Fahrbahn überquerenden Kinder an, dann wird dadurch ein Kraftfahrer, der sich dem Ubergang nähert, von seiner Sorgfaltspflicht nach § 26 weder gegenüber den Kindern noch gegenüber anderen Fußgängern befreit 15 ). Der Vorrang der Fußgänger besteht nur auf dem Überweg selbst. Wer die Fahrbahn in der Nähe eines Überweges überschreitet, genießt den Vorrang nicht 16 ). 5
Verzicht des Fußgängers auf Vorrecht Daß Fußgänger gegenüber sidi nähernden Kraftfahrzeugen auf ihr Vorrecht verzichten, ist nicht selten, weil vor allem alte Fußgänger den Kraftfahrern nicht trauen. Ein Verzicht ist natürlich möglich und wirksam. (Zum ähnlichen Fall des Verzichtes auf das Vorfahrtsredit vgl. § 8 RNr. 20). Der Kraftfahrer ist aber von seinen Pflichten aus § 26 nur befreit, wenn der Fußgänger freiwillig und eindeutig verzichtet 17 ). Wird der Fußgänger zum Verzicht gezwungen, weil sidi der Kraftfahrer dem Überweg rasch nähert, dann verhält sich der Kraftfahrer ordnungswidrig18). Bestehen Zweifel, ob der Fußgänger verzichtet oder nicht, dann muß der Kraftfahrer davon ausgehen, daß er nicht verzichtet oder sich mit dem Fußgänger verständigen. Ein kurzes Anhalten des einem Uberweg zusteuernden Fußgängers am Fahrbahnrand berechtigt den Kraftfahrer nicht zu der Annahme, daß der Fußgänger auf sein Vorrecht verzichten und ihn vorbeifahren lassen wolle 19 ). Wird der Verkehrsfluß durch das Überschreiten des einzelnen Fußgängers unzumutbar behindert, dann kann der Fußgänger nach § 11 Abs. 2 verpflichtet sein, auf sein Vorrecht vorübergehend zu verzichten.
g
2. Mäßige Geschwindigkeit (Abs. 1 S. 2) Um seinen Pflichten aus Abs. 1 S. 1 nachkommen zu können, darf der Fahrzeugführer nadi S. 2 an den Überweg nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren und muß, wenn nötig, warten. Die Pflicht besteht nicht nur dann, wenn Fußgänger den Überweg erkennbar überschreiten wollen, sondern auch dann, wenn zunächst nicht erkennbar ist, ob sie diese Absicht haben 20 ). Gerade deshalb kommt es an Fußgängerüberwegen häufig zu Un1) Köln 28. 4. 67, VRS 33, 385; Hamburg 12. 1. 66, N J W 66, 681. ) Schleswig 22. 2. 67, DAR 67, 247. " ) BGH(Z) 11. 1. 66, VersR 66, 269. 1 2 ) Hamburg 29. 4. 70, VerkMitt. 70, 79. 1 3 ) Hamm 6. 5. 66, VerkMitt. 66, 86 = VRS 66, 377; Düsseldorf 29. 8. 69, VerkMitt. 70, 62. " ) BayObLG 3. 8. 66, 2 a St 140/1966; vgl. Braunsdiweig 9. 10. 67, VRS 34, 234. 1 5 ) Düsseldorf 12. 1. 68, VerkMitt. 69, 15 = VRS 36, 31. 10
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»«) LG Hesingen 13. 1. 67, MDR 67, 420. 1 7 ) BGHSt 20, 215 (9. 4. 65) = DAR 65, 162 = MDR 65, 590 = J R 65, 265 = VRS 28, 460 = VerkMitt. 65, 60 = N J W 65, 1236, 1541 m. Anm. von Schmidt. 1 8 ) BGHSt 20, 215 (wie Fußn. 17); anders für das frühere Recht: Stuttgart 16. 10. 59, VRS 18, 361. 1 9 ) BGH 10. 12. 69, VRS 38, 278. 2 0 ) A. M. Düsseldorf 5. 4. 66, VerkMitt. 66, 64; Hamburg 23. 12. 69, VerkMitt. 70, 24 = DRspr. II (292) 97 a.
Verzicht auf V o r r e c h t ; „ m ä ß i g e " Geschwindigkeit; Warten
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§ 26
fällen, weil Fußgänger E n t f e r n u n g und Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs falsch einschätzen u n d deshalb in einem Z e i t p u n k t den Ü b e r w e g betreten, in d e m der K r a f t f a h r e r nicht mehr anhalten kann. A u d i können die Fußgänger nur dann einen freien Entschluß fassen, ob sie v o n ihrem Vorrecht Gebrauch machen oder darauf verzichten sollen, wenn sich die Fahrzeuge m i t mäßiger Geschwindigkeit nähern. Wenn zunächst nicht überblickbar ist, ob ü b e r h a u p t Fußgänger v o r h a n d e n sind, die den Ü b e r w e g benutzen wollen, m u ß der F a h r z e u g f ü h r e r ebenfalls m i t mäßiger Geschwindigkeit heranfahren 2 1 ). Sonst ist er nicht in der L a g e , beim Auftauchen solcher Fußgänger noch rechtzeitig anzuhalten. Z w a r braucht sich ein K r a f t f a h r e r in der Regel nicht auf Fußgänger einzustellen, die er nicht sieht. Wenn er aber Anlaß hat, m i t ihnen zu rechnen, m u ß er sich darauf einstellen. Schon f ü r das frühere Recht hatte der B G H ausgesprochen, daß der K r a f t f a h r e r an nicht voll einsehbaren Fußgängerüberwegen mit unachtsamem Verhalten v o n Fußgängern rechnen muß 2 2 ). N u r dann, wenn der Fußgängerüberweg weithin überschaubar ist u n d m i t Sicherheit festgestellt werden kann, daß keine Fußgänger v o r h a n d e n sind, die f ü r seine Überschreitung in Betracht k o m m e n , k a n n theoretisch auf eine mäßige Geschwindigkeit verzichtet werden. D e r Fall wird aber deshalb nicht häufig sein, weil meist auf weitere E n t f e r n u n g nicht m i t genügender Sicherheit beurteilt werden kann, ob m i t Fußgängern zu rechnen ist oder nicht. „ M ä ß i g " ist eine Geschwindigkeit, die auch bei einem wenig verkehrsgewandten Fußgänger nicht die begründete Befürchtung erwecken kann, sein Recht, die Straße zu überqueren, werde mißachtet 2 3 ). Welche Geschwindigkeit i m einzelnen angebracht ist, hängt v o n den U m s t ä n d e n des Einzelfalles, wie z. B. ö r t l i c h k e i t , Sichtverhältnisse, Verkehrsdichte ab. N ä h e r t sich der K r a f t f a h r e r einer an einem Fußgängerüberweg verweilenden G r u p p e v o n Kindern, die nicht eindeutig z u erkennen geben, o b sie die F a h r b a h n überqueren w o l len, dann m u ß er seine Geschwindigkeit nicht nur auf „Anhaltegeschwindigkeit" verringern, sondern notfalls v o r d e m Ü b e r w e g anhalten, bis die Situation geklärt ist 2 4 ). Angesichts wartender Menschenansammlungen an Fußgängerüberwegen im Kreuzungsbereich ist die Beibehaltung der sonst zulässigen Höchstgeschwindigkeit v o n 50 k m / h fehlerhaft 2 5 ). 3. Warten
7
N a c h S. 2 H a l b s a t z 2 müssen Fahrzeuge, wenn nötig, warten, u m Fußgängern das Ü b e r q u e r e n zu ermöglichen. O b das Anhalten nötig ist, entscheidet sich nach den U m ständen des Einzelfalles. Ü b e r q u e r e n mehrere Fußgänger die F a h r b a h n u n d ist d a m i t zu rechnen, daß noch andere nachfolgen, dann müssen Fahrzeuge auf alle Fälle warten. Gehen aber n u r einzelne Fußgänger über die Fahrbahn, dann k a n n es bei genügend breiter F a h r b a h n f ü r den F a h r z e u g v e r k e h r möglich sein, v o r und hinter dem Fußgänger m i t ausreichendem Sicherheitsabstand durchzufahren, wobei i m allgemeinen das Durchf a h r e n hinter d e m Fußgänger m e h r Sicherheit verspricht; (Näheres s. § 1 R N r . 124). 4. Pflichten der Fußgänger
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S o erwünscht die klare B e g r ü n d u n g eines Vorrechts des Fußgängers auf Fußgängerüberwegen ist, so hat sie doch auch den gleichen Nachteil, den die E i n r ä u m u n g eines V o r r a n ges i m m e r h a t ; es k o m m t nicht z u m Ausdruck, daß auch der Fußgänger Pflichten hat u n d daß er nicht blindlings auf sein Vorrecht v e r t r a u e n darf. D e m Fußgänger die Pflicht a u f z u erlegen, den F a h r z e u g f ü h r e r n seine Uberquerungsabsicht anzuzeigen, k o n n t e m a n sich nicht =1) BGHSt 20, 215 wie Fußn. 17; Hamm 6. 5. 66, VRS 31, 377; Köln 27. 1. 67, VRS 33, 31 = VerkMitt. 67, 47 = VersR 67, 291; 28. 4. 67, VRS 33, 385 = DRspr. II (292) 82 d—e; Koblenz 1. 4. 71, VRS 41, 111, Hamburg 23. 12. 69, VersR 70, 1038 (L); K G 8. 8. 68, VRS 36, 202. 2 2 ) BGH 7. 10. 60, N J W 61, 35; vgl. Hamm 1. 4. 60, DAR 60, 363.
) Düsseldorf 21. 9. 66, VerkMitt. 67, 56 = DRspr. II (292) 79 b; ähnlich Hamm 14. 4. 66, VerkMitt. 66, 86; Köln 30. 5. 69, VRS 38, 283 = VerkMitt. 70, 8 = DRspr. II (292) 93 c. 2 4 ) Frankfurt 7. 2. 68, DAR 68, 247 = DRspr. II (292) 82 f ; vgl. aber für ein einzelnes Kind: Hamburg 27. 5. 70, VerkMitt. 70, 78 = DRspr. II (292) 99 b. 2 ä ) BGH(Z) 18. 2. 64, VersR 64, 770. 23
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§ 26
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entschließen, obwohl dadurch mancher Unfall vermieden werden könnte. Denn für die Fahrzeugführer ist es oft schwer zu beurteilen, ob Fußgänger, die sich in der Nähe eines Uberweges befinden, diesen benutzen wollen. Nicht selten sind die Fußgänger selber unschlüssig, ob sie den Ubergang angesichts herankommender Fahrzeuge wagen sollen. Wie sollen die Fahrzeugführer darüber Klarheit gewinnen, ob sie den Ubergang »erkennbar" überschreiten wollen, wenn sie selber noch schwanken? Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch auf Grund ihrer Rücksichtspflicht gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern muß von den Fußgängern verlangt werden, dalS sie es möglichst frühzeitig und möglichst deutlich zu erkennen geben, daß sie die Uberquerungsabsicht haben. Auch muß von ihnen verlangt werden, daß sie trotz ihres Vorrechts vor dem Uberschreiten die Verkehrslage prüten und einen Versuch der Uberquerung unterlassen, wenn Fahrzeuge bereits so nahe herangekommen sind, daß es fraglich ist, ob sie noch angehalten werden können 2 6 ). Wenn sich Fahrzeug!ührer verkehrswidrig verhalten, indem sie zu schnell an den Uberweg heranfahren, darf der Fußgänger sein Vorrecht nicht erzwingen wollen. Ist darüber aber kein Zweilei möglich, daß ein herannahendes Fahrzeug ohne Schwierigkeit noch rechtzeitig anhalten kann, darf der Fußgänger, der den Uberweg betreten hat, darauf vertrauen, daß sein Vorrecht beachtet wird. Ist der Fußgänger in der Uberquerung begriffen, dann darf wiederum der Fahrverkehr darauf vertrauen, daß er seinen Weg zügig fortsetzt und nicht plötzlich zurücktritt 27 ). Auch während der Uberquerung darf sich der Fußgänger nicht beliebig, sondern nur verkehrsgemäß verhalten. Will der Fußgänger ein Fahrzeug durchfahren lassen, dann verlangt es ebenfalls die allgemeine Rücksichtspflidit, daß er dies dem Fahrzeugführer anzeigt. Für den die Fahrbahn auf dem Uberweg überquerenden Fußgänger gelten die Fußgängerregeln des § 25 Abs. 3 entsprechend. Er soll sich an die Grenzen des Zebrastreifens halten und die Fahrbahn zügig überschreiten. Dabei kommt es freilich auch auf die körperliche Konstitution des Fußgangers an. Auch ein Gehbehinderter, der die Fahrbahn auf dem Uberweg nur langsam überqueren kann, darf ihn benutzen. »Zügig" bedeutet so viel wie „so zügig als möglich". Befinden sich Fußgängerüberwege im Bereich von Kreuzungen, dann haben die Fußgänger auf die Lichtsignale der Kreuzungsampeln zu achten, da das Recht des Fahrverkehrs bei Grünlich durchzufahren ihrem Vorrecht nach § 26 vorgeht 28 ). III. Verhalten bei stockendem Verkehr (Abs. 2) U m Fußgängern ein zügiges und unbehindertes Überqueren der Fahrbahn auf dem Uberweg zu ermöglichen, muß dieser frei von Fahrzeugen sein. Deshalb ist nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 auf Fußgängerüberwegen das Halten verboten. Aber auch das verkehrsbedingte Warten muß möglichst vermieden werden. Deshalb wird den Fahrzeugen bei stockendem Verkehr das Fahren auf den Uberweg untersagt, wenn sie dort voraussichtlich warten müssen. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn zunächst keine Fußgänger zu sehen sind, die den Ubergang benutzen könnten. Wenn sich der Verkehr jenseits des Uberweges festgefahren hat, so daß damit zu rechnen ist, daß nachfolgende Fahrzeuge auf dem Uberweg warten müssen, ist der Uberweg auf alle Fälle freizuhalten. Die Voraussetzungen sind ähnlich wie die beim Einfahren in eine Kreuzung nach § 11 Abs. 1. Von diesem unterscheidet sich aber die Wartepflicht nach § 26 Abs. 2 einmal dadurdi, daß der verpflichtete Fahrverkehr gegenüber den Fußgängern kein Vorrecht hat und weiter, daß die Freihaltung des Überweges in erster Linie der Bequemlichkeit der Fußgänger und nicht der Flüssigkeit des Verkehrs dient. Erkennt ein Fahrzeugführer zu spät, daß er
26
) Für die frühere Rechtslage: KG 11. 5. 59, VRS 17, 323; BGH(Z) 13. 11. 62, VRS 24, 253; 20. 4. 66, N J W 66, 1211 = VerkMitt. 66, 41 =» VRS 31, 4 = D A R 66, 186; s. audi Schmidt D A R 67, 100.
) Für die frühere Rechtslage: Celle, 6. 10. 61, VersR 61, 1126 = VRS 23, 408. 28) Köln 17. 5. 68, VRS 36, 72.
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StVO
Stockender Verkehr; Uberholen
§ 26
jenseits des Überweges nicht weiterfahren kann, dann muß er, soweit dies nach der Verkehrslage möglich ist, zurückstoßen, um den Überweg freizugeben. IV. Überholen und Vorbeifahren (Abs. 3) 1.
10
Allgemeines
Abs. 3 übernimmt das ebenfalls durch die V O vom 30. 4. 1964 eingefügte Verbot des § 10 Abs. 1 S. 4 S t V O 1937, an Fußgängerüberwegen zu überholen oder an Fahrzeugen vorbeizufahren, wenn eine Gefährdung von Fußgängern nicht ausgeschlossen ist. Das Verbot wurde dadurch noch eindringlicher formuliert, daß nunmehr darauf abgestellt wird, ob der Fahrzeugführer „übersehen" kann, daß eine Gefährdung von Fußgängern ausgeschlossen ist. Sachlich hat sich dadurch insofern etwas geändert, als nunmehr eindeutig eine abstrakte Gefährdung zur Erfüllung des Tatbestandes ausreicht: Zwar ist gerade dann eine Gefährdung nicht ausgeschlossen, wenn nicht übersehen werden kann, ob sie besteht. Wer nicht übersehen konnte, ob sie ausgeschlossen ist, fiel deshalb auch schon bisher unter das Verbot, aber freilich nur dann, wenn tatsächlich eine Gefährdung nicht ausgeschlossen war. D a ß Fußgänger tatsächlich gefährdet werden oder auch nur gefährdet werden können, gehört nicht mehr zum Tatbestand. Ähnlich wie in § 5 Abs. 2 (s. § 5 R N r . 6, 44) ist der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit bereits dann erfüllt, wenn der Fahrzeugführer überholt oder vorbeifährt, obwohl er nicht übersehen kann, ob eine Gefährdung von Fußgängern ausgeschlossen ist 2 9 ). Wird ein Fußgänger, der einige Meter hinter einem nicht voll einsehbaren Fußgängerüberweg die Fahrbahn überquert, von einem Fahrzeug angefahren, das trotz der Unübersichtlichkeit des Überweges verbotenerweise dort überholt hatte, dann soll der Unfall eine Folge des verbotenen Überholens sein, für die der Überholer einstehen muß, weil diese Folge noch im Bereich der Schutznorm des 5 26 Abs. 3 liegen soll' 0 ). Kann der Fahrzeugführer übersehen, daß Fußgänger nicht gefährdet werden können, dann darf er überholen. 2. Überholen, wenn Fahrzeug vor Überweg wartet
11
Abs. 3 S. 2 nennt einen der Hauptanwendunesfälle des S. 1. Wartet vor einem Fußgängerüberweg ein Fahrzeug, so ist dadurch häufig der Blick auf den Überweg teilweise behindert und es liegt nahe, daß es gerade deshalb wartet, um Fußgängern die Ü b e r querung des Überweges zu ermöglichen. Es handelt sich also um einen tvpischen Fall, bei dem nach Sachlage nicht ausgeschlossen ist, daß Fußgänger durch die Überholung des wartenden Fahrzeugs gefährdet werden. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen trotz des wartenden Fahrzeugs die Sicht auf den Überweg nicht wesentlich behindert ist. dann nämlich, wenn es sich dabei um ein einspuriges oder um ein besonders niederes Fahrzeug handelt. Ein solches Fahrzeug darf nach dem Wortlaut des S. 2 nicht überholt werden. gleichgültig, ob der Fahrzeugführer übersehen oder nicht übersehen kann, ob eine Gefährdung von Fußgängern ausgeschlossen ist. Das ist aber Theorie. Denn Voraussetzung für die Anwendung des S. 2 ist, daß das Fahrzeug vor dem Überweg deshalb wartet, weil Fußgänger die Fahrbahn überschreiten. Überschreiten Fußgänger vor dem wartenden Fahrzeug die Fahrbahn, dann kann eine Gefährdung dieser Fußgänger durch das Ü b e r holen in der Regel nicht ausgeschlossen werden. Wird die Sicht durch das wartende Fahrzeug nicht behindert und ist sicher, daß keine Fußgänger vorhanden sind, welche die Fahrbahn überschreiten, dann darf an dem haltenden Fahrzeug vorbeigefahren werden. Obwohl es zu begrüßen ist, daß der Hauptanwendungsfall konkret genannt wird so ist die Formulierung doch nicht geglückt®1). Das wird darauf zurückzuführen sein, daß S. 2 auf Beschluß des Bundesrats nachträglich eingefügt wurde, ohne daß berücksichtigt wurde, 2») Anders nach der früheren Rechtslage: Köln 5. 3. 68, VRS 35, 387. »») So zu § 10 Abs. 1 S. 5 StVO 1937; Stuttgart 3. 2. 71, VRS 41, 265.
31
) Vgl. Möhl DAR 71, 29, 34; Harthun DAR 61, 169, 180.
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§ 26
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daß S. 1 bereits das gleiche sagt und außerdem f ü r den von hinten Herankommenden o f t nicht erkennbar ist, warum ein Fahrzeug vor dem Überweg hält. Zwar ist das „Halten" dort verboten, das hindert aber nicht, daß es trotzdem hin und wieder geschieht. S. 2 bezieht sich nun allerdings nicht auf haltende, sondern nur auf wartende Fahrzeuge. An Fahrzeugen, die vor einem Fußgängerüberweg aus anderen Gründen halten, als um Fußgängern das Beschreiten des Überweges zu ermöglichen, darf also trotz S. 2 vorbeigefahren werden, wenn nur die Voraussetzungen des Satz 1 erfüllt sind. Eine solche Regelung ist doch etwas kompliziert. Hätte man umgekehrt den konkreten Fall des S. 2 als S. 1 vorausgeschickt und S. 1 angefügt, etwa in der Form: „Audi sonst darf . . dann wäre jedenfalls klarer zum Ausdruck gekommen, was gemeint ist. Wie wichtig der in S. 2 genannte Fall ist, ergibt sich schon daraus, daß sich eine Reihe früherer Entscheidungen gerade mit diesem Fall befaßt hat. Allgemein anerkannt war der Grundsatz, daß ein Kraftfahrer bei der H e r a n f a h r t an einen Fußgängerüberweg, den er wegen haltender oder fahrender Fahrzeuge nicht voll einsehen kann, seine Geschwindigkeit so bemessen muß, daß er noch vor dem Überweg anhalten kann, wenn aus dem nicht einsehbaren Teil ein Fußgänger heraustritt 3 2 ). Eine gleiche Vorsichtspflicht wurde dem Kraftfahrer auch dann auferlegt, wenn der Überweg durch eine Gegenverkehrskolonne links verdeckt war 33 ). Dieser Fall fällt nunmehr nicht unter S. 2, sondern unter S. 1. Dagegen kommt es darauf, ob ein Fahrzeug vor dem Fahrzeugführer auf dessen rechter Fahrbahnseite vor dem Überweg oder auf dessen linker Fahrbahnseite hinter dem Überweg wartet, nidit an. In beiden Fällen gilt das Verbot des S. 2. Befindet sich vor dem Überweg eine Omnibushaltestelle, an der ein Omnibus hält, dann gilt f ü r das Vorbeifahren S. 1, aber auch u. Umst. § 20 Abs. 2 M ). V. Fußgängerüberweg über Radweg etc. (Abs. 4) Fußgängerüberwege werden zwar in der Regel über die Fahrbahn führen. Es kann aber vorkommen, daß gleichzeitig mit der Fahrbahn auch ein Radweg überschritten wird oder ein sonstiger, nicht zur Fahrbahn gehörender Teil der Straße, wie z. B. eine Parkfläche. In solchen Fällen gelten nach Abs. 4 die Vorschriften der Abs. 1 — 3 entsprechend. Der Hinweis ist der Deutlichkeit halber sinnvoll, weil sich aus dem Text der Abs. 1 — 3 ergibt, daß dort von Vorgängen auf der Fahrbahn die Rede ist. C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über das Verhalten an Fußgängerüberwegen verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 24 b ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Zum Tatbestand des § 26 Abs. 1 gehört die Belästigung, Behinderung oder Gefährdung von Fußgängern; insoweit besteht zwischen § 26 Abs. 1 und § 1 Abs. 2 Gesetzeskonkurrenz. Anzuwenden ist § 26 Abs. 1 als das speziellere Gesetz 35 ). Wer auf den Überweg fährt, obwohl er auf ihm warten müßte, handelt ordnungswidrig nach Abs. 2, auch wenn keine Fußgänger behindert werden. Zum Tatbestand des Abs. 3 gehört ebenfalls weder eine Behinderung noch eine Gefährdung. Der Tatbestand ist bereits erfüllt, wenn der Fahrzeugführer überholt, obwohl er nicht übersehen kann, ob eine Gefährdung von Fußgängern ausgeschlossen ist (s. R N r . 10). Werden im Falle des Abs. 2 u. 3 Fußgänger behindert, gefährdet oder geschädigt, dann t r i f f t die Ordnungswidrigkeit nach § 26 mit einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 tateinheitlich zusammen. Da § 26 nur f ü r Fußgängerübergänge gilt, die durch Z. 293 gekennzeichnet sind, muß der Tatrichter darüber Feststellung treffen, ob ein ordnungsgemäßer Zebrastreifen vorhanden war"). 32
) Düsseldorf 8. 2. 67, VerkMitt. 67, 80; Celle 30. 9. 69, VRS 39, 234; BayObLG 1. 10. 69 bei Rüth, DAR 70, 255 (II 2 a). 83 ) Köln 2. 3. 71, VRS 41, 121.
34 35
) Für die frühere Rechtslage: Köln 6. 7. 71, VRS 41, 368. ) Für die frühere Rechtslage: Düsseldorf 1. 8. 68, VerkMitt. 68, 82; K G 21. 3. 68, VRS 35, 287.
StVO
Verbände
§§26,27
N a c h § 315 c A b s . 1 N r . 2 c m a c h t sidi eines V e r g e h e n s der S t r a ß e n v e r k e h r s g e f ä h r d u n g schuldig, w e r g r o b v e r k e h r s w i d r i g u n d rücksichtslos an F u ß g ä n g e r ü b e r w e g e n „ f a l s c h " f ä h r t u n d d a d u r c h L e i b o d e r L e b e n eines a n d e r e n o d e r f r e m d e Sachen v o n b e d e u t e n d e m W e r t gefährdet36). Wer gegen § 26 verstößt, fährt an Fußgängerüberwegen „falsch". O b unter den Begriff F u ß g ä n g e r ü b e r w e g e hier a u d i die b e a m p e l t e n U b e r w e g e z u rechnen sind, ist fraglich. Kommt
es a u f
einem Fußgängerüberweg
zu
einem Unfall, dann
t r i f f t in der
Regel
den K r a f t f a h r e r der schwerere Schuld Vorwurf37). Jedoch m u ß eine etwaige Mitschuld
des
Fußgängers jeweils g e p r ü f t werden58).
§ 27 Verbände (1) Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Mehr als 15 Itadfahrer dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Kinder- und Jugendgruppen zu Fuß müssen, soweit möglich, die Gehwege benutzen. (2) Geschlossene Verbände, Leichenzüge und Prozessionen müssen, wenn ihre Länge dies erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen; an anderen Stellen darf dieser sie nicht unterbrechen. (3) Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere Verkehrsteilnehmer als solcher deutlich erkennbar ist. Bei Kraftfahrzeugverbänden muß dazu jedes einzelne Fahrzeug als zum Verband gehörig gekennzeichnet sein. (4) Die seitliche Begrenzung geschlossen reitender oder zu Fuß marschierender Verbände muß, wenn nötig (§ 17 Abs. 1), mindestens nach vorn durch nicht blendende Leuchten mit weißem Licht, nach hinten durch Leuchten mit rotem Licht oder gelbem Blinklicht kenntlich gemacht werden. Gliedert sich ein solcher Verband in mehrere deutlich voneinander getrennte Abteilungen, dann ist jede auf diese Weise zu sichern. Eigene Beleuchtung brauchen die Verbände nicht, wenn sie sonst ausreichend beleuchtet sind. (5) Der Führer des Verbandes hat dafür zu sorgen, daß die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden. (6) Auf Brücken darf nicht im Gleichschritt marschiert werden. Vwv zu § 27 Zu Absatz
1:
Abweichend von den (nur sinngemäß geltenden) allgemeinen Verkehrsregeln ist darauf hinzuwirken, daß zu Fuß marschierende Verbände, die nach links abbiegen wollen, sich nicht nach links einordnen, sondern bis zur Kreuzung oder Einmündung am rechten Fahrbahnrand geführt werden.
Zu Absatz 2: Leichenzügen und Prozessionen ist, soweit erforderlich, polizeiliche Begleitung zu gewähren. G e meinsam mit den kirchlichen Stellen ist jeweils zu prüfen, wie sich die Inanspruchnahme stark befahrener Straßen einschränken läßt. Zu Absatz 3: Bei geschlossenen Verbänden ist besonders darauf zu achten, daß sie geschlossen bleiben, bei Verbänden von K r a f t f a h r z e u g e n auch darauf, daß alle Fahrzeuge die gleichen Fahnen, Drapierungen, Sonderbeleuchtungen oder ähnlich wirksamen Hinweise auf ihre Verbandszugehörigkeit führen. 3
«) Zur Abgrenzung des »rücksichtslosen" Falschfahrens vgl. K ö l n 23. 5. 69, V R S 38, 288.
37
38
) Vgl. Stuttgart 19. 12. 68, N J W H a m m 30. 10. 68, N J W 69, 440. ) K G 8. 8. 68, V R S 36, 202.
69,
889;
615
§ 27
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Zu Absatz 4: Bedarf ein zu Fuß marschierender Verband eigener Beleuchtung, so ist darauf zu achten, daß die Flügelmänner des ersten und des letzten Gliedes audi dann Leuchten tragen, wenn ein Fahrzeug zum Schutze des Verbandes vorausfährt oder ihm folgt. Übersicht RNr. 1-2 1
A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
2
B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Begriffe 1. Der „geschlossene Verband"
3-13 3-4 3
2. Leichenzüge und Prozessionen I I . Allgemeine Verhaltensvorschriften 1. „Sinngemäße" Geltung der Verkehrsregeln und Anordnungen für den Fahrverkehr (Abs. 1 S. 1) 2. Abstände (Abs. 2)
"]
I. Amtliche Begründung
4 5-8 5 6
RNr. 3. Verbot der Unterbrechung 7 4. Aufgaben des Führers (Abs. 5) 8 I I I . Sondervorschriften 9-14 1. für Radfahrer (Abs. 1 S. 2 u. 3) 9 2. für Kinder- und Jugendgruppen zu Fuß (Abs. 1 S. 4) 10 3. für Kraftfahrzeugverbände (Abs. 3 S. 2) 11 4. für zu Fuß marschierende Verbände (Abs. 4 u. 6) 12-14 Allgemeines (12), Beleuchtung (13), Marschieren auf Brücken (14) C. Bußgeldvorschriften und Konkurrenzen
15
A. Allgemeines
Weshalb die besonderen Verkehrsarten der Bewegung in Kolonnen, des Reitens und des Viehtriebs erst an dieser Stelle und im nächsten Paragraphen erörtert werden, ist bereits in den Leitgedanken (unter 4a) dargetan. Die bisherige Regelung befriedigt weder terminologisch noch sachlich. Die Verordnung hat sich für den Begriff des Verbandes entschieden. Was unter einem geschlossenen Verband zu verstehen ist, kann kaum zweifelhaft sein; die Absätze 3 und 5 zeigen seine wesentlichen Merkmale auf. Er setzt einheitliche Führung und geschlossene Bewegung voraus. Was sachlich zur Regelung des Verbandverkehrs erarbeitet ist, bringt keine wesentliche Änderung der Rechtslage. In der Praxis wickelt sich der Verkehr auch heute schon so ab, wie er sich nach den Normen dieses Paragraphen abwickeln soll. Bemerkt sei auch, daß die gegebenen Vorschriften schon deshalb nur beschränkte praktische Bedeutung haben, weil die meisten Verbände die Straße übermäßig in Anspruch nehmen und sich deshalb häufig unter Polizeischutz bewegen; ihre Bewegungen und die Reaktion des übrigen Verkehrs richten sich dann nach polizeilichen Weisungen. Polizeilich nicht geschützte oder nicht mit Sonderrechten ausgestattete Verbände gibt es praktisch nur selten. Zu Absatz 1: Die für den gesamten Fahrverkehr aufgestellten allgemeinen Verkehrsregeln sind fast durchweg auch für den Verbandverkehr anwendbar. Es bedarf deshalb nur der Feststellung, daß diese Regeln auch vom Verbandsführer sinngemäß zu beachten sind. Für motorisierte Verbände gelten danach insbesondere auch die Vorschriften über die Fahrgeschwindigkeit und das Überholen, für alle Verbände die Vorrangregelung beim Vorbeikommen an einem Hindernis. Als von rechts Kommende dürfen marschierende Kolonnen auch den Vorrang an Kreuzungen beanspruchen. Das Abbiegen ist i echtzeitig anzukündigen, beim Einfahren oder Einmarschieren auf eine Straße gelten dieselben außerordentlichen Sorgfaltspflichten. Selbst die Vorschriften über das Halten und Parken lassen sich sinngemäß anwenden. Da die Verkehrsregeln des Fahrverkehrs nur sinngemäß gelten, bedarf es wohl nicht des ausdrücklichen Ausspruchs, daß sich zu Fuß marschierende Verbände vor dem Linksabbiegen nicht einzuordnen haben; verkehrsgerecht ist es vielmehr, daß z. B. ein marschierender Verband erst an der Kreuzung selbst die Schwenkung vollzieht. Daß neben den Verkehrsregeln auch Anordnungen zu befolgen sind, ist ein Hinweis auf den I I . Abschnitt. Auch an diese Vorschriften haben sich Verbände zu halten. Für Kindergruppen und Jugendgruppen, nicht bloß wie bisher für Schulklassen, ist eine Ausnahme zu machen. Sie gehören, soweit irgend möglich, nicht auf die Fahrbahn. In dem Bestreben, die Fahrbahn von Verkehrsteilnehmern freizuhalten, die dort sich selbst oder den Fahrverkehr gefährden, wurde dieses Gebot an die Stelle des nur mahnenden „sollen" in § 38 Abs. 3 StVO (alt) gesetzt. Zugleich ist durch die Neufassung dargetan, daß Schulklassen nicht als geschlossene Verbände gelten, sondern daß sie es sind. Damit ist dem Lehrer die Pflicht auferlegt, auf der Fahrbahn dafür zu sorgen, daß die Schüler geordnet und aufgeschlossen sich bewegen. Gehen diese gelöst auf dem Bürgersteig, so ist es eben keine Schulklasse mehr, sondern sind es einzelne Fußgänger wie andere. Der 2. und 3. Satz übernehmen sachlich unverändert den bisherigen § 29 StVO (alt).
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Amtl. Begründung
StVO
§ 27
Zu Absatz 2: Dieser Absatz bringt für die Verkehrspraxis nichts Neues. Es fällt auch heute, obwohl das nirgends ausdrücklich gesagt ist, sondern nur, und auch da recht undeutlich, gegenüber Verbänden der Bundeswehr usw. und gegenüber Leichenzügen und Prozessionen angeordnet ist, niemandem ein, sich in einen geschlossenen Verband, etwa in eine Schulklasse, hineinzudrängen. Der Paragraph „Sonderrechte" hatte in seiner ursprünglichen Fassung das eigentliche Anliegen des Gesetzgebers deutlich gemacht, wenn es dort hieß, daß gewisse Verbände nur durch die Feuerwehr „unterbrochen" oder sonst gehemmt werden durften. Das Verbot des Unterbrechens war dem Gesetzgeber danach das Wichtigste. Wenn später die Worte „unterbrochen und" gestrichen worden sind, so ist das zwar rechtlich nicht zu beanstanden; denn wenn das Unterbrechen auch als Hemmen anzusehen ist, so genügt es, das Letztere zu verbieten. Leider hat diese Änderung der Verordnung aber dazu geführt, daß jenes frühere Hauptanliegen des Gesetzgebers damit in der Fachliteratur in den Hintergrund getreten ist und aus jenem Verbot des Hemmens in erster Linie Wartepflichten herausgelesen und den in jenem Paragraphen genannten Verbänden Vorränge eingeräumt werden. Es ist daher notwendig, das Verbot des Unterbrechens geschlossener Verbände wieder klar herauszustellen. Das muß aber gegenüber allen geschlossenen Verbänden gelten. Der geschlosene Verband ist verkehrsrechtlich ein Verkehrsteilnehmer. Das gilt auch an Kreuzungen. Wenn schon ein Teil dieses geschlossenen Verbandes eingerückt ist, hat nicht etwa das nächste Glied zu warten, wenn von rechts ein Fahrzeug sich nähert. Das wäre gefährlich; denn im Verband fühlt sich niemand als einzelner Verkehrsteilnehmer, der für sich allein auf die Verkehrsregeln zu achten hat. Es liegt auch im Interesse des Verkehrs, daß geschlossene Verbände nicht zerrissen werden. Denn der Führer verlöre damit die Übersicht und könnte seinen Pflichten als Verbandsführer nicht mehr ausreichend nachkommen; abgesprengte, führerlose Teile des Verbandes würden nur die Verkehrsgefahren erhöhen. D a ß Prozessionen und Leichenzüge nicht unterbrochen werden dürfen, muß deshalb ausdrücklich erwähnt werden, weil sie in der Kegel keinen Führer haben und daher nicht die Voraussetzungen eines geschlossenen Verbandes erfüllen; der Pfarrer ist jedenfalls nicht Verbandsführer. Rechtsprechung und Literatur haben dem Verbot des Hemmens in § 48 Abs. 3 StVO (alt) entnommen, daß damit ein Vorrang an Kreuzungen gewährt werde. Das ist für die Bundeswehr usw. sachgerecht und ergibt sich aus § 35 „Sonderrechte". Selbstverständlich sollen die Prozessionen und Leichenzüge nicht aufgehalten werden. Solchen Vorrang aber auch ihnen zu geben, etwa eine ungesicherte Prozession bei Rot auf eine Kreuzung einrücken zu lassen, wäre nicht zu verantworten. Weitere Verkehrsvorschriften für Prozessionen und Leichenzüge sind entbehrlich. Wo Zweifel für andere Verkehrsteilnehmer entstehen können, muß die Polizei helfen. Zu Absatz 3: Die einheitliche Führung ist zwar ein Essentiale jedes geschlossenen Verbandes, ist aber in der Regel für andere Verkehrsteilnehmer nicht erkennbar. Um so größerer Wert muß auf anderweitige Erkennbarkeit jedes geschlossenen Verbandes als eines solchen gelegt werden. Sie ist bei geschlossenen marschierenden, reitenden und radfahrenden Verbänden in der Regel schon dadurch gegeben, daß sich die Einzelglieder aufgeschlossen bewegen. Bei geschlossenen Verbänden von Kraftfahrzeugen ist dies problematisch. Die Verordnung bestimmt daher, daß jedem einzelnen Fahrzeug eines solchen Verbandes seine Zugehörigkeit ohne weiteres anzusehen ist. Danach muß also jedes Fahrzeug nicht nur in einem Abstand vom vorherfahrenden sich bewegen, der dies nahelegt, sondern es ist auch durch Bewimpelung jedes einzelnen Fahrzeugs oder auf ähnliche Weise diese Zugehörigkeit zu unterstreichen. Um jede Gefahr auszuschließen, hält es die Verordnung darüber hinaus für geboten, jede Bewegung von Kraftfahrzeugen im Verband erlaubnispflichtig zu machen. Das wird in § 29 „Übermäßige Straßenbenutzung" ausdrücklich gesagt. In der Verwaltungspraxis wird sich dadurch kaum etwas ändern, weil auch heute schon derlei Bewegungen von Kraftfahrzeugen als erlaubnispflichtig behandelt werden. In Zukunft wird so stets dafür gesorgt, daß die Verwaltungsbehörde die Erlaubnis vor allem von die Erkennbarkeit eindeutig klarstellenden Bedingungen abhängig machen wird. Für privilegierte Verbände (§ 35 „Sonderrechte") werden Dienstvorschriften das Erforderliche anordnen. Zu Absatz 4: Dieser Absatz will die umständliche Formulierung des § 38 Abs. 2 StVO (alt) im wesentlichen nur knapper fassen. N u r eine sachliche Änderung bringt die Neufassung. Bisher war die Sicherung zu Fuß marschierender und reitender Verbände nach vorn durch ein vorausfahrendes Kraftfahrzeug erlaubt, wenn das Nachfolgen des Verbandes erkennbar gemacht wird. Die Literatur will darunter Winkzeichen oder beleuchtete Schilder verstehen. Das genügt dem Sicherheitsbedürfnis nicht. Auch wenn ein Fahrzeug vorausfährt, müssen vorn Leuchten mitgeführt werden, die die seitlichen Grenzen des Verbandes kenntlich machen. Daß der Verband darüber hinaus gesichert werden darf (§ 38 Abs. 2 Satz 5 alt) braucht, weil selbstverständlich, nicht gesagt zu werden. Zu Absatz 5: Der Absatz legt die Pflichten des Verbandsführers fest und stellt klar, daß sich die Gesetzesbefehle dieses Paragraphen in erster Linie an ihn richten.
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Zu Absatz 6: Das Verbot des § 38 Abs. 1 Satz 1 StVO (alt) ist auch heute noch nicht zu entbehren. Die Verordnung ist dazuhin der Meinung, daß das Verbot des Tritthaltens auf Brücken nicht auf zu Fuß marschierende geschlossene Verbände beschränkt werden darf; auch unorganisierte Menschenmengen könnten die gleiche Gefahr heraufbeschwören. Daß damit nicht schon kleinsten Personengruppen das Gebot erteilt werden soll, teilweise den Tritt zu wechseln, läßt sich der Oberschrift des Paragraphen „Verbände" entnehmen.
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II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung Dem Gesetzgeber ist es gelungen, in § 27 die früher an verschiedenen Stellen der StVO stehenden Vorschriften über Verbände zusammenzufassen und die Begriffe zu vereinheitlichen. In § 29 StVO 1937 war zwar auch schon von „geschlossenen Verbänden" von Radfahrern die Rede, in § 48 Abs. 2 StVO 1937 von „geschlossenen Verbänden" der Bundeswehr etc., in § 38 Abs. 1 u. 2 StVO 1937 dagegen von geschlossenen marschierenden „Abteilungen", die früheren „Schulklassen" (§ 38 Abs. 3 StVO 1937) wurden nun erweitert auf „Kinder- und Jugendgruppen". Für Kraftfahrzeugverbände gilt neben § 27 auch § 29 Abs. 2, nachdem Kraftfahrzeuge immer nur mit Erlaubnis in geschlossenem Verband fahren dürfen. Für geschlossene Verbände von mehr als 30 Kraftfahrzeugen bedürfen auch die nach § 35 Abs. 1 unter bestimmten Voraussetzungen von den Vorschriften der StVO befreiten Hoheitsträger nach § 35 Abs. 2 in der Regel der Erlaubnis. Auch andere Verbände als Kraftfahrzeugverbände bedürfen nach § 29 Abs. 2 der Erlaubnis, wenn die Benutzung der Straße f ü r den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird, was häufig der Fall ist. Die Leichenzüge und Prozessionen sind in der Regel keine „geschlossenen Verbände", für sie gelten aber nach Abs. 2 die gleichen Vorschriften über Abstände und das Verbot ihrer Unterbrechung wie bei geschlossenen Verbänden. § 48 Abs. 2 StVO 1937 hatte lediglich verboten, daß sie in ihrer Bewegung „gehemmt" werden. Dem Abs. 3 des § 27 ist zu entnehmen, was unter einem „geschlossenen Verband" zu verstehen ist. Die in Abs. 4 enthaltenen Beleuchtungsvorschriften unterscheiden sich von den früheren (§ 38 Abs. 2 StVO 1937) dadurch, daß die Beleuchtung auch dann erforderlich ist, wenn ein voranfahrendes Fahrzeug den Verband kenntlich macht. Aus Abs. 5 ist zu entnehmen, daß zum Begriff des geschlossenen Verbandes ein Führer gehört, der die Verantwortung f ü r das vorschriftsmäßige Verhalten des Verbandes trägt. Neben dem Begriff des Führers kennt § 29 den des „Veranstalters" bei erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugverbänden. Das Verbot des Abs. 6, auf Brücken im Gleichschritt zu marschieren, richtet sich an alle Fußgänger, die über eine Brücke gehen, also auch an solche, die keinen geschlossenen Verband bilden; (anders früher nach § 38 Abs. 1 StVO 1937). Da nach Abs. 1 f ü r geschlossene Verbände die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen nur „sinngemäß" gelten, muß jeweils geprüft werden, welche Vorschriften anzuwenden sind. Normalerweise müssen Verbände die Fahrbahn benutzen, doch gilt eine Ausnahme für Kinder- und Jugendgruppen zu Fuß, die „soweit möglich" Gehwege benutzen müssen. Wenn Fußgänger- und Radfahrerverbände sich auf der Fahrbahn bewegen dürfen, so besagt das nicht, daß sie nicht auch, soweit möglich, die Geh- und Radwege benutzen dürfen. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Begriffe
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1. Der „geschlossene Verband" (Abs. 3 S. 1) Zum Begriff des Verbandes gehört eine Mehrheit von gleichartigen Verkehrsteilnehmern, die nach außen hin eine Einheit bilden. Wieviele Verkehrsteilnehmer nötig sind, um 618
Uberblick; Begriffe
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von einem Verband sprechen zu können, sagt das Gesetz nicht. Es sagt auch nur bei den Radfahrern, wieviele im Verband nebeneinander fahren dürfen, nämlich zwei. Dagegen dürfen Kraftfahrzeuge nur hintereinander fahren, Fußgänger dürfen in Zweierreihen, aber audi in Dreierreihen gehen, wenn die Breite der Fahrbahn dies zuläßt. Daß Radfahrer nur dann einen geschlossenen Verband bilden dürfen, wenn es mehr als 15 sind, besagt darüber nichts, wieviele nötig sind, um den Begriff des Verbandes zu erfüllen. Ihnen ist nur verboten, kleinere Verbände zu bilden als solche von 16 Radfahrern. Es k o m m t also auf das äußere Bild an, ob von einem Verband gesprochen werden kann. Fahren einige K r a f t fahrzeuge hintereinander her, dann bilden sie deshalb allein noch keinen Verband, weil sie das gleiche Ziel anstreben und zwisdien ihren Führern persönliche Beziehungen bestehen. Aus § 29 Abs. 2 Halbsatz 2 ist zu entnehmen, daß dem Gesetzgeber unter einem K r a f t fahrzeugverband eine so erhebliche Anzahl von Kraftfahrzeugen vorschwebt, daß sie die Straße mehr „als verkehrsüblich" in Anspruch nehmen. D a zum Begriff des geschlossenen Verbandes auch ein Verbandsführer gehört, genügt es nicht, daß einige Fahrzeuge nach einem gemeinsamen Plan zu einem gemeinsamen Ziel fahren. N u r wenn sich eine größere Anzahl von Fahrzeugen unter Leitung eines Verbandsführers in geordneter Formation als geschlossenes Ganzes fortbewegt, handelt es sich u m einen geschlossenen Verband im Sinne des § 27. N u r aufgeschlossen marschierende, radfahrende oder kraftfahrende Gruppen können als ein geschlossenes Ganzes erscheinen. D a im Zeitalter des Kolonnenfahrens das aufgeschlossene Fahren von Kraftfahrzeugen häufig ist, müssen Kraftfahrzeugverbände nach außen zusätzlich kenntlich gemacht werden, z . B . durch Fahnen, Farbanstrich usw.; (Abs. 3 S. 2). 2. Leichenzüge — Prozessionen (Abs. 2)
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Leichenzüge und Prozessionen gelten nicht als geschlossene Verbände. Sonst wären sie in Abs. 2 nicht neben den geschlossenen Verbänden aufgeführt. Ein Leichenzug gibt einem Verstorbenen das Trauergeleit. E r kann aus mehr oder weniger Fußgängern und Fahrzeugen bestehen und sich mehr oder weniger geordnet fortbewegen. Sie haben normalerweise keinen Führer. D a sie in der Regel keinen geschlossenen Verband bilden, gelten für sie die Vorschriften des § 27 nur insoweit, als sie sich speziell mit ihnen befassen; (Abs. 2). Das gleiche gilt f ü r Prozessionen. Diese würden zwar nach ihrem äußeren Bild insofern den Begriff des geschlossenen Verbandes erfüllen, als sie nach einem einheitlichen Plan in bestimmter Formation fortzuschreiten pflegen. Es fehlt ihnen aber der Verbandsführer. D e r Pfarrer hat nicht diese Aufgabe. Prozessionen sind kirchliche U m z ü g e unter Teilnahme der Geistlichkeit und der Gemeindemitglieder. Weltliche U m z ü g e bei Festen oder politische Aufmärsche sind keine Prozessionen. Sie können aber unter den Begriff des geschlossenen Verbandes fallen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. II. Allgemeine Verhaltensvorsdiriften 1. Sinngemäße Geltung der Verkehrsregeln und Anordnungen für den Fahrverkehr
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(Abs. 1 S. 1) D e r geschlossene Verband ist verkehrsrechtlich ein Verkehrsteilnehmer; (so die Begründung zu Abs. 2). Auf diesen Verkehrsteilnehmer sind die f ü r den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß anzuwenden. Unter den Sammelbegriff „Anordnungen" fallen auch die durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen getroffenen Anordnungen des Teiles II. D a ß die Regeln und Anordnungen nur sinngeläß anzuwenden sind, bedeutet, daß dabei die besondere Beschaffenheit des Verkehrsteilnehmers „geschlossener V e r b a n d " zu berücksichtigen ist. Fraglich könnte sein, ob f ü r Fußgängerverbände die Fußgängerregeln des § 25 völlig ausgeschlossen werden. Das ist f ü r den Fall jedenfalls zu bejahen, daß geschlossene Fußgängerverbände sich auf der Fahrbahn bewegen. D o r t gelten sie nicht als Fußgänger. Die amtliche Begründung zu Abs. 1, auf die insoweit verwiesen wird, zählt eine Reihe von Vorschriften des Fahrverkehrs auf,
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die auf geschlossene Fußgängerverbände anzuwenden sind, wenn sie die Fahrbahn benutzen. Dabei wird als Beispiel für die nur sinngemäße Anwendung der Fahrregeln das Verhalten vor dem Linksabbiegen genannt: V o r dem Linksabbiegen soll sich ein auf der Fahrbahn marschierender Fußgängerverband nicht zur Mitte einordnen, sondern erst an der Kreuzung die Schwenkung vollziehen. Zur sinngemäßen Anwendung wird gehören, daß eine Fußgängergruppe, die als geschlossener Verband anzusehen ist, auch auf dem Gehweg marschieren darf, wenn dieser breit genug ist, daß dabei die übrigen Benutzer des Gehweges nicht unzumutbar behindert werden 1 ). Bei den Radfahrern k o m m t dieser Gedanke in der gesetzlichen Regelung sogar zum Ausdruck, denn ihnen wird die Benutzung der Fahrbahn nicht zur Pflicht gemacht. Sie „dürfen" zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren (selbst wenn der Verkehr dadurch behindert wird). Ist ein geeigneter Radweg vorhanden, dann dürfen sie aber auch dort fahren. Ähnliches gilt für Reiterverbände: Sie sind zwar von der Pflicht befreit, einen Reitweg (Z. 239) zu benutzen, sie haben aber die Wahl, ob sie diesen oder die Fahrbahn benutzen wollen. Die sinngemäße Anwendung der Regeln des Fahrverkehrs bedeutet also, daß Verbände von Verkehrsteilnehmern die, solange sie nicht in Verbänden auftreten, auf bestimmte Wege verwiesen sind, im geschlossenen Verband die Fahrbahn benutzen dürfen, aber auch die Sonderwege, wenn diese dazu geeignet sind. Zu beachten ist, daß die besonderen Vorschriften des § 27 nur solange gelten, als ein Verband „geschlossen" ist. Löst er sich auf, entstehen nicht nur ganz vorübergehende größere Lüdcen, dann gelten die allgemeinen Regeln. Das bedeutet, daß nach Auflösung ihres geschlossenen Verbandes etwa Fußgänger vorhandene Gehwege oder Seitenstreifen benutzen müssen und daß sie, wenn solche fehlen, außerhalb geschlossener Ortschaften am linken Fahrbahnrand gehen müssen, statt wie im geschlossenen Verband möglichst weit rechts. 6
2. Angemessene Abstände (Abs. 2) Das Gebot, bei geschlossenen Verbänden, Leichenzügen und Prozessionen, wenn ihre Länge es erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr freizulassen, erweitert das früher (§ 38 Abs. 1 S. 3 S t V O 1937) nur für „geschlossen marschierende Abteilungen" geltende Gebot auf alle geschlossenen Verbände. Wann ein Verband so lang ist, daß er einen Zwischenraum erfordert und welche Abstände zwischen den Zwischenräumen angemessen sind, sagt das Gesetz nicht. Es k o m m t auf die Schnelligkeit des Verbandes und die Verkehrslage an. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Lücken „für den übrigen V e r k e h r " freizuhalten sind, d. h. nicht nur für den Querverkehr, sondern auch für den Längsverkehr, dem durch Lücken im Verband das Überholen ermöglicht wird. Da geschlossene Verbände als ein Verkehrsteilnehmer gelten, wird man § 4 Abs. 2 auf die im Verband fahrenden Fahrzeuge nicht anwenden können. Müßten die dort näher bezeichneten schweren Kraftfahrzeuge ständig so große Abstände einhalten, daß ein überholendes Kraftfahrzeug einscheren kann, dann würde der Charakter des Kraftfahrzeugverbandes in Frage gestellt, der das Fahren in aufgeschlossener Formation voraussetzt. Das Gebot des § 27 Abs. 2, in angemessenen Abständen Lücken freizuhalten, bietet einen gewissen Ersatz. F ü r den Querverkehr ergibt sich an Straßenkreuzungen die Möglichkeit, durch die Lücke zu fahren, während dies außerhalb der Lücken nicht gestattet ist. D e r vorfahrtberechtigte Querverkehr muß also, wenn die untergeordnete Straße von einem geschlossenen Verband besetzt ist, auf eine solche Lücke warten, bis er sein Vorrecht zur Geltung bringen kann. Die Lücke hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn der hinter der Lücke befindliche Teil des Verbandes dem Querverkehr die Durchfahrt ermöglicht, indem er wartet. Soweit das Fahren im Verband nur mit behördlicher Erlaubnis zulässig ist (§ 29 Abs. 1), kann die Behörde entsprechend A r t und Zahl der notwendigen Lücken festlegen. ') A. M. Booß, StVO § 27 Anm. 2.
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Verhaltensvorschriften; Aufgaben des Führers
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3. Verbot der Unterbrechung Zwar haben geschlossene Verbände, wenn sie nicht nach § 35 f ü r sich Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen, gegenüber dem übrigen Verkehr kein Vorrecht. T r i f f t ein geschlossener Verband an einer Straßenkreuzung m i t einem Verkehrsteilnehmer zusammen, der ihm gegenüber die V o r f a h r t hat, dann m u ß der Verband wie jeder andere Wartepflichtige warten. N u r insofern hat er eine besondere Stellung, als er als ein einheitliches Ganzes behandelt wird, mit der Folge, daß auch ein Bevorrechtigter den geschlossenen Verband nidit durchbrechen darf. E r m u ß warten, bis ihm eine Lücke in dem Verband die D u r c h f a h r t ermöglicht. Fehlt eine Lücke, obwohl sie nach Sachlage geboten wäre, dann m u ß der Bevorrechtigte t r o t z d e m warten. E r darf sein Vorrecht nicht dadurch zu erzwingen versuchen, daß er sich durch eine unzureichende Lücke hindurchdrängt. Besonders bedeutsam w i r k t sidi die Einheit des Verbandes beim Abbiegen nach links aus. A u d i hier m u ß das Vorrecht des entgegenkommenden Verkehrs auf unbehinderte Durchfahrt zurückstehen, sobald der geschlossene Verband m i t dem Einbiegen begonnen hat. Allerdings darf mit dem Einbiegen n u r begonnen werden, wenn kein Gegenverkehr sichtbar ist, der durch das Einbiegen behindert werden könnte. Das gilt auch f ü r geschlossene Verbände v o n Fußgängern, etwa Bundeswehrabteilungen, aber auch f ü r Leichenzüge u n d Prozessionen. Zwar sind diese keine geschlossenen Abteilungen im Sinne des § 27 (oben R N r . 4), § 27 Abs. 2 wendet sich aber auch an sie u n d gilt zu ihren Gunsten. Früher war nach § 38 Abs. 2 StVO 1937 verboten, Leichenzüge u n d Prozessionen in ihrer Bewegung zu „hemmen" 2 ); (s. die amtliche Begründung zu Abs. 2). Dieses Verbot wurde durch das Verbot der Unterbrechung ersetzt. 4. Aufgaben des Führers (Abs. 5) Z u m Wesen des geschlossenen Verbandes gehört es, daß er einen Führer h a t ; (oben R N r . 3). Dieser Führer hat hinsichtlich des Verbandes eine ähnliche Stellung wie der Fahrzeugführer gegenüber dem Fahrzeug samt Ladung und Besetzung. E r h a t also d a f ü r zu sorgen, daß die speziellen Regeln des § 27, aber auch daß die f ü r den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln u n d A n o r d n u n g e n sinngemäß beachtet werden. Bei der D u r c h f ü h r u n g seiner Aufgaben kann er sich natürlich einer oder mehrerer Hilfspersonen bedienen. Die einzelnen Glieder des geschlossenen Verbandes, bei K r a f t fahrzeugverbänden die Führer, der einzelnen Fahrzeuge werden durch die V e r a n t w o r t u n g des Verbandsführers v o n ihren eigenen Pflichten nicht entbunden. Sie haben in ihrem R a h m e n mitzuwirken, daß sich der Verband vorschriftsmäßig verhält. Sie müssen sich selbst verkehrsgerecht verhalten u n d müssen, soweit sie im Auftrage des Verbandsführers bestimmte Aufgaben ü b e r n o m m e n haben, diese pflichtgemäß erledigen®). Verstoßen sie gegen Vorschriften des § 27, dann kann sie der Vorwurf der Teilnahme an der Ordnungswidrigkeit des Führers t r e f f e n ; (§ 9 OWiG). N e b e n dem Führer k e n n t § 29 Abs. 2 S. 3 den Begriff des „Veranstalters", der nicht m i t dem Führer zusammenzutreffen braucht. III. Sondervorschriften 1. für Radfahrer (Abs. 1 S. 2 u. 3) Während f ü r die übrigen geschlossenen Verbände im Gesetz keine Mindestzahl vorgeschrieben ist, d ü r f e n sich R a d f a h r e r n u r dann zu einem geschlossenen Verband vereinigen, w e n n es mehr als 15 sind. Zwar d ü r f e n natürlich auch weniger als 16 R a d f a h r e r in einer G r u p p e zusammenfahren, soweit der übrige Verkehr dies zuläßt. Sie k ö n n e n dann aber nicht die besonderen Vorrechte eines geschlossenen Verbandes f ü r sich in Anspruch nehmen, d ü r f e n v o r allem n u r dann nebeneinander fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird (§ 2 Abs. 4 S. 1), während der geschlossene Verband v o n (mehr als 15) R a d 2
) Vgl. zur früheren Rechtslage: Oldenburg 1. 12. 59, VRS 19, 65.
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) Vgl. zur früheren Rechtslage: Oldenburg 22. 9. 70, VerkMitt. 71, 4.
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fahrern auch dann in Zweierreihen fahren darf. Audi sind Radfahrerverbände im Gegensatz zu einzelnen Radfahrern oder von Radfahrergruppen unter 16 Teilnehmern nicht verpfliditet, einen vorhandenen Radweg zu benutzen (Z. 237) oder wenn dieser fehlt, den rechten Seitenstreifen (soweit sie dabei Fußgänger nicht behindern); (§ 2 Abs. 4 S. 2). Allerdings sind sie bei sinngemäßer Auslegung der sonst für sie geltenden Vorschriften auch nicht verpflichtet, die Fahrbahn zu benutzen, falls ein genügend breiter Radweg oder Seitenstreifen vorhanden ist; sie haben die Wahl. Die Erlaubnis, auch dann zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn zu fahren, wenn sie dadurch den übrigen Verkehr behindern, bedeutet nicht, daß ein Radfahrerverband verpflichtet ist, in Doppelreihe zu fahren. Er kann nach Belieben auch in Einerreihe fahren, wenn er dabei nach außen hin noch als Einheit erscheint. Mehr als zwei Radfahrer dürfen allerdings auch im Verband nidit nebeneinander fahren, das Gesetz erlaubt ihnen nur, zu zweit zu fahren. 10
2. Sondervorschriften für Kinder- und Jugendgruppen zu Fuß (Abs. 1 S. 4) Während die übrigen Fußgängerverbände im allgemeinen die Fahrbahn benutzen dürfen, müssen Kinder- und Jugendgruppen „soweit möglich", die Gehwege benutzen. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist klar; (vgl. die amtliche Begründung RNr. 1). Dagegen ist unklar, was mit „soweit möglich" gemeint ist. Wenn kein benutzbarer Gehweg vorhanden ist, ist es natürlich nicht möglich, einen Gehweg zu benutzen. Diese Selbstverständlichkeit sollte aber wohl nicht zum Ausdruck gebracht werden. Vielmehr ist daran zu denken, daß vielleicht gemeint ist: „Soweit tunlich". Darnach würde die Benutzung eines schmalen Gehweges, auf dem nur in Einerreihe gegangen werden könnte, nicht verlangt werden. Es könnte auch sein, daß an den übrigen Fußgängerverkehr gedacht wird, daß also die Benutzung des Gehweges dann unterbleiben dürfte, wenn auf dem Gehweg schon ein lebhafter Fußgängerverkehr herrscht, so daß die Kinder- oder Jugendgruppen dort nicht in geschlossener Formation sich bewegen könnten. „Soweit möglich" hätte dann den Sinn, „falls dort in geschlossener Formation gegangen werden kann". „Kinder- und Jugendgruppe" ist ein (§ 38 Abs. 3 StVO 1937). Man kann aber Auslegung des neuen mitheranziehen, als Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen
weiterer Begriff als der Begriff „Sdiulklasse" vielleicht insofern den früheren Begriff bei der es sich bei „Kinder- und Jugendgruppen" um Alter handeln muß 4 ); (vgl. auch § 21 Abs. 3).
„Kinder- und Jugendgruppen" müssen im übrigen die Voraussetzungen eines geschlossenen Verbandes aufweisen, wenn für sie § 27 Geltung haben soll. D. h., sie müssen einen gewissen Umfang und einen Führer haben und müssen sich in geschlossener Formation fortbewegen. Fehlen diese Voraussetzungen, dann gelten für sie die allgemeinen Fußgängerregeln, sie müssen also außerhalb geschlossener Ortschaften beim Fehlen von Gehwegen und Seitenstreifen am linken Fahrbahnrand gehen und zwar, wenn nötig, hintereinander. Als geschlossener Verband dagegen müssen „Kinder- und Jugendgruppen" in diesem Fall am rechten Fahrbahnrand, sie dürfen dabei auch wie alle Fußgängerverbände in Zweierreihen gehen. Besondere Bedeutung gewinnt dann die Aufsichtspflicht der Gruppenführer, bei Schulklassen des Lehrers, damit die Gruppe geschlossen bleibt und sich streng rechts hält. 11
3. Sondervorschriften für Kraftfahrzeugverbände (Abs. 3 S. 2) Da es die Entwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs mit sich gebracht hat, daß das Fahren in „Kolonnen" mehr und mehr zur Regel wird, müssen „Kraftfahrzeugverbände" als solche erkennbar sein, wenn sie die besondere Rechtsstellung geschlossener Verbände haben sollen5). Nach Abs. 3 S. 2 muß jedes einzelne Fahrzeug deshalb als zum Verband gehörig „gekennzeichnet" sein. Das kann etwa durch gleichen Anstrich oder durch Wimpel u. dgl. geschehen; (vgl. VwV zu Abs. 3). Wieviel Kraftfahrzeuge nötig sind, um einen „Verband" 4
) Booß a . a . O . schlägt als Grenze 18 Jahre vor.
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) Vgl. zur früheren Rechtslage: München 2. 4. 63, VersR 63, 1233.
Sondervorschriften
StVO
§ 27
zu bilden, sagt das Gesetz nidit. Man wird nach dem äußerlichen Eindruck gehen müssen. Bei schweren Lastwagen genügen vielleicht schon drei hintereinander Fahrende, bei Personenkraftwagen werden es etwas mehr sein müssen. Alle Kraftfahrzeugverbände sind nach § 29 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 erlaubnispflichtig. Da geschlossene Verbände als ein Verkehrsteilnehmer gelten, darf zwischen die einzelnen zum Verband gehörigen Fahrzeuge nicht hineingefahren werden, auch nicht beim Überholen 6 ). Wer überholen will, muß dies bei Prüfung der Frage berücksichtigen, ob er übersehen kann, daß während des ganzen Uberholvorganges eine Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist; (§ 5 Abs. 2). Nur die nach Abs. 2 vorgeschriebenen Zwischenräume (in angemessenen Abständen) sind für den übrigen Verkehr und damit auch für den Überholer zum Einscheren bestimmt. § 4 Abs. 2 ist nicht anwendbar 7 ). Auch schwere Kraftfahrzeuge und Lastzüge müssen im Verband aufgeschlossen fahren; (s. oben RNr. 6). Auch für Kraftfahrzeugverbände, für die nach § 35 Sonderrechte bestehen können (Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Polizei, Zolldienst) gelten grundsätzlich die Vorschriften des § 27. Nur soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist, sind sie von den Vorschriften der StVO befreit, haben also normalerweise auch kein allgemeines Vorrecht an Straßenkreuzungen 8 ). Von diesem Fall abgesehen haben Kraftfahrzeugverbände keine besonderen Vorrechte, außer dem Vorrecht, nicht unterbrochen werden zu dürfen (Abs. 2). Sie haben vor allem kein allgemeines Vorfahrtrecht. Gelangt die Spitze eines Kraftfahrzeugverbandes an eine Straßenkreuzung, an der der Querverkehr die Vorfahrt hat, dann ist der Verband wie jeder andere Verkehrsteilnehmer wartepflichtig. Hat er allerdings befugterweise mit dem Überqueren der Kreuzung begonnen, dann müssen die Vorfahrtberechtigten solange warten, bis der Verband vorbeigefahren ist oder der nach Abs. 2 vorgeschriebene Zwischenraum zwischen den einzelnen Teilen des Verbandes ihm die Durchfahrt ermöglicht. Die hinter der Lücke befindlichen Fahrzeuge des Verbandes müssen in diesem Fall solange warten, bis die Vorfahrtberechtigten durchgefahren sind. 4. Sondervorschriften für zu Fuß marschierende Verbände und Reiterverbände (Abs. 4 u. 6) Allgemeines Auch hier stellt sich zunächst die Frage, wieviele Fußgänger oder Reiter nötig sind, um einen „Fußgängerverband" (früher anschaulicher: „Marschierende Abteilung") oder einen Reiterverband annehmen zu können. Wenn schon Radfahrer nur dann einen Verband bilden dürfen, wenn es mehr als 15 sind, dann wird man bei Fußgängern und Reitern von der gleichen Zahl auszugehen haben. Wenn Fußgänger auch nicht gerade im Gleichschritt marschieren müssen, so müssen sie doch eine geschlossene Formation bilden und einem Führer unterstehen. Auch wenn sie in einer Reihe hintereinander marschieren, können sie ein geschlossener Verband sein"). Sie müssen aber auch dann, wie alle geschlossenen Verbände am rechten Fahrbahnrand marschieren, (auch außerhalb geschlossener Ortschaften). Ob Fußgänger in Dreier- oder Viererreihen marschieren dürfen, hängt von der Breite der Fahrbahn und der Verkehrsdichte ab. Die Benutzung eines Gehwegs oder Seitenstreifens ist ihnen gestattet, wenn sie dadurch niemanden erheblich behindern. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß die Verkehrsregeln für den Fahrverkehr hier nur sinngemäß anzuwenden sind. Aus dem gleichen Grund dürfen sie sich vor dem Linksabbiegen nicht nach links einordnen wie Fahrzeuge (s. Begründung zu Abs. 1). Für das Uberqueren einer Vorfahrtstraße gilt das gleiche wie für Kraftfahrzeugverbände (oben RNr. 11): Gelangt die Spitze an die Vorfahrtstraße, dann 8 7
) Vgl. für die frühere Rechtslage: Haeger, N J W 61, 764. ) A. M. Cramer StVO § 27 R N r . 25.
8
) Anders nadi früherer Rechtslage: BayObLGSt 59, 183 (23. 6. 59) = N J W 59, 2127 = VRS 18, 66; Schweinoch, D A R 61, 265. BayObLG 21. 5. 71, 6 St 540/1971.
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muß sie warten, bis die Vorfahrtberechtigten durchgefahren sind. Sobald sie aber berechtigterweise mit dem Überqueren begonnen haben, darf die ganze Gruppe (bei Einteilung in mehrere Teile bis zum nächsten Zwischenraum) weitergehen und die Vorfahrtberechtigten müssen warten. Fußgängerverbände dürfen Fahrbahnen benutzen, die für den Fußgängerverkehr gesperrt sind (Z. 250 mit Sinnbild des Fußgängers, nicht aber solche, die nur für bestimmte Arten von Fahrzeugen zugelassen sind, wie Autobahnen und Kraftfahrstraßen; § 18 Abs. 1 mit Z. 330, 331). Führen die zu einem geschlossenen Verband gehörenden Fußgänger Fahrzeuge mit (was bei Bundeswehrabteilungen nicht selten ist), dann gelten für sie die Regeln des § 27 ebenso wie für Verbände von Fußgängern ohne Fahrzeuge. § 8 Abs. 3 ist auf sie nicht anwendbar, die „Vorfahrt" des Verbandes wird davon nicht berührt, daß seine Mitglieder oder einzelne von seinen Mitgliedern Fahrzeuge mitführen. Zu den zu Fuß marschierenden Verbänden gehören auch die in Abs. 1 S. 4 geannten Kinder- und Jugendgruppen. Für sie gilt die Besonderheit, daß sie soweit möglich die Gehwege benutzen müssen (s. RNr. 19), während Verbände von älteren Fußgängern normalerweise auf der Fahrbahn marschieren. Für die Reiterverbände gilt sinngemäß das gleiche wie für die Fußgängerverbände. Beleuchtung (Abs. 4) Wann die Beleuchtungspflicht eintritt, regelt § 17 Abs. 1. Abs. 4 übernimmt in knapper Formulierung die früher in § 38 Abs. 2 und § 39 Abs. 3 StVO 1937 enthaltenen besonderen Beleuchtungsvorsdiriften für Fußgänger und Reiterverbände. Die früher unter bestimmten Voraussetzungen zulässige „Kenntlichmachung" durch voranfahrende Fahrzeuge wurde aus Sicherheitsgründen gestrichen. Vorgeschrieben sind nach vorne nicht blendende Leuchten mit weißem, nach hinten mit rotem Licht oder gelbem Blinklicht. Wer die Leuchten tragen muß, sagt die neue Vorschrift nicht. Früher war vorgeschrieben, daß der linke und rechte Flügelmann des ersten und des letzten Gliedes oder vorne und hinterher marschierende Laternenträger die Leuchten tragen müssen. Das wird auch jetzt im Normalfall zu gelten haben. Wichtig ist, daß durch die Leuchten die seitliche Begrenzung des geschlossenen Verbandes kenntlich gemacht werden muß. Bewegt sich der Verband in einer Einerreihe, dann genügt vorne und hinten eine Leuchte. Vorgeschrieben sind Leuchten, Taschenlampen oder beleuchtete Warnzeichen reichen nicht aus10); (vgl. Begründung zu Abs. 4). Abs. 4 S. 2 betrifft den Fall, daß ein Verband nach Abs. 2 in angemessenen Abständen Zwischenraum für den übrigen Verkehr freiläßt. Bei solchen, deutlich in mehreren voneinander getrennten Abteilungen gegliederten Verbänden muß jede Abteilung nach dem System des S. 1 nach vorne und hinten gesichert werden. Abs. 4 S. 3 weist schließlich noch darauf hin, daß im Gegensatz zu den Fahrzeugen des fließenden Verkehrs geschlossen reitende oder marschierende Verbände keine eigene Beleuchtung brauchen, wenn sie „sonst" ausreichend beleuchtet sind. Die Ausnahme ist nicht so klar bezeichnet wie die Ausnahme von der Beleuchtungspflicht bei haltenden Fahrzeugen, die nach § 17 Abs. 4 nur innerhalb geschlossener Ortschaften gilt und nur wenn „die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar macht". Man wird abgesehen davon, daß die Ausnahme von der Beleuchtungspflicht für Reiter und Fußgängerverbände auch außerhalb geschlossener Ortschaften gilt, an die Beleuchtung durch andere Lichtquellen hier kaum geringere Ansprüche stellen dürfen als bei haltenden Fahrzeugen. Für den nachfolgenden Verkehr ist das Ende einer ohne eigene Beleuchtung marschierenden Fußgängergruppe nur bei guter Straßenbeleuchtung auf ausreichende Entfer10
) A. M. für die frühere Rechtslage: BGH 4. 12. 59, VRS 18, 201.
624
StVO
Beleuchtung; Brücken
§§ 27, 28
nung erkennbar. Dabei ist zu bedenken, daß Fußgängerverbände außerhalb geschlossener Ortsdiaften auf der Fahrbahn rechts gehen müssen und nicht wie einzelne Fußgänger links. Marschieren
auf Brücken
(Abs. 6)
Während sich früher das Verbot, auf Brücken Tritt zu halten, nur auf geschlossen marschierende Abteilungen bezog (§ 38 Abs. 1 S. 1 StVO 1937), gilt es jetzt allgemein für Fußgänger, die über eine Brücke gehen. Abs. 6 fällt etwas aus dem Rahmen des mit „Verband" überschriebenen § 27, der sich in seinen Absätzen 1 — 5 an Verbände oder doch an Personengemeinschaften wendet, die zu einem bestimmten Zweck versammelt sind (Leichenzüge, Prozessionen). Für Abs. 6 genügt eine rein zufällige Ansammlung von Menschen auf einer Brücke. Zwar wird es wohl nur selten vorkommen, daß nicht zusammengehörige, „organisierte" Leute auf einer Brücke in Gleidischritt verfallen, der Gesetzgeber scheint aber, wie die Begründung erkennen läßt, doch mit einer solchen Gefahr zu rechnen. Obwohl Abs. 6 auch gelten soll, wenn es sich um keinen Verband handelt, meint die Begründung, dem Umstand, daß die Überschrift des Paragraphen „Verband" lautet, könne entnommen werden, daß das Verbot nicht für „kleinste Personengruppen" gelten soll. Man wird also davon auszugehen haben, daß Gleichschritt nur dann verboten ist, wenn die große Zahl der über eine Brücke Gehenden die Brücke in gefährliche Schwingungen versetzen könnte. Der praktische Wert der Vorschrift wird sich nach wie vor auf geschlossene Abteilungen von Marschierenden beschränken, die einen Führer haben, der dafür sorgt, daß sie nicht in Gleichschritt verfallen. Im übrigen wendet sich die Vorschrift nicht nur an den Führer eines Fußgängerverbandes, sondern an alle Fußgänger, die über eine Brücke gehen. C. Bußgeldvorschriften und Konkurrenzen
15
Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Vorschrift des § 27 Abs. 6 verstößt, auf Brücken im Gleichschritt mit anderen zu marschieren und wer als Führer eines geschlossenen Verbandes entgegen § 27 Abs. 5 nicht dafür sorgt, daß die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden oder wer als Führer einer Kinder- oder Jugendgruppe entgegen § 27 Abs. 1 S. 4 diese nicht den Gehweg benutzen läßt, handelt nach § 49 Abs. 1 Nr. 24 c und Abs. 2 Nr. 1 u. 2 StVO ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. An die Mitglieder eines geschlossenen Verbandes wendet sich die Vorschrift zwar nicht unmittelbar, sie können aber als Beteiligte (§ 9 OWiG) an der Ordnungswidrigkeit des Verbandführers mit zur Verantwortung gezogen werden. Zwar handelt der Führer, der nicht dafür sorgt, daß der von ihm geführte Verband nach Abs. 2 in angemessenen Abständen Zwischenraum für den übrigen Verkehr freiläßt, ordnungswidrig nach § 27 Abs. 5, nicht aber der übrige Verkehr, der entgegen Abs. 2 den geschlossenen Verband an anderer Stelle unterbricht. Da hierdurch aber der sich fortbewegende Verband in der Regel wenigstens teilweise behindert wird, wird man die Verkehrsteilnehmer, welche das Verbot des Abs. 2 mißachten, nach § 1 Abs. 2 zur Verantwortung ziehen können.
§ 28 Tiere (1) Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, sind von der Straße fernzuhalten. Sie sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie einwirken können. Es ist verboten, Tiere von Kraftfahrzeugen aus zu führen. Von Fahrrädern aus dürfen nur Hunde geführt werden. (2) Für Reiter, Führer von Pferden sowie Treiber und Führer von Vieh gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Zur Beleuchtung müssen mindestens verwendet werden: 625 40
StVO + S t G B
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§ 28
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1. beim Treiben von Vieh vorn eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht und am Ende eine Leuchte mit rotem Licht, 2. beim Führen auch nur eines Großtieres oder von Vieh eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht, die auf der linken Seite nach vorn und hinten gut sichtbar mitzuführen ist. Vwv zu $ 28 Zu Absatz
1:
I. Die Halter von Federvieh sind erforderlichenfalls dazu anzuhalten, die notwendigen Vorkehrungen zur Fernhaltung ihrer Tiere von der Straße zu treffen. I I . Wenn Hunde auf Straßen mit mäßigem Verkehr nicht an der Leine, sondern durch Zuruf und Zeichen geführt werden, so ist das in der Regel nicht zu beanstanden. I I I . Solange Beleuchtung nicht erforderlich ist, genügt zum Treiben einer Schafherde in der Regel ein Schäfer, wenn ihm je nach Größe der Herde ein Hund oder mehrere zur Verfügung stehen. Übersicht RNr.
RNr. A. Allgemeines I. Amtliche Begründung I I . Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
1-2
B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Haus- und Stalltiere 1. Begriff 2. Fernhalten von der Straße (Abs. 1 S. 1) 3. Begleitung durch geeignete Führer (Abs. 1 S. 2) Allgemeines (5), Hunde (6) 4. Führen von Fahrzeugen aus
3-14 3-7 3
1
II. Reiter, Führer von Pferden, Treiber und Führer von Vieh (Abs. 2) 1. „Sinngemäße Geltung der Fahrverkehrsregeln Allgemeines (8), Reiter (9), Führer von Pferden (10), Viehtreiber (11), Führer von Vieh (12) 2. Beleuchtung (Abs. 2 S. 2) a) beim Treiben von Vieh b) beim Führen von Großtieren oder von Vieh
4 5-6 7
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
8-14 8-12
13-14 13 14 15
A. Allgemeines 1
I. Amtliche Begründung Er ersetzt die §§ 39 und 40 (alt). Dabei wurden die bisherigen umfangreichen Beleuditungsvorschriften für Reiter als entbehrlich gestrichen. Im öffentlichen Straßenverkehr kommen Reiter im Dunkeln nur selten vor. Daß sie sich, wenn nötig, sachgemäß erkennbar zu machen haben, folgt aus $ 1 Abs. 2. Da § 40 StVO (alt) als mißglückt bezeichnet werden muß, bedarf er einer Neuredigierung. Schon was jene Vorschrift unter Tieren versteht, ist in Jahrzehnten weder der Rechtsprechung noch der Literatur klar geworden. Einig ist man sich inzwischen erst darüber, daß darunter außer Großtieren auch Hunde zu verstehen sind. Dabei ist kaum zweifelhaft, was sich dazu reglementieren läßt und was der Reglementierung bedarf. Das Wild scheidet aus. Zweifelhaft kann also nur sein, was den Haltern von Haus- und Stalltieren oder sonstigen für die Verantwortlichen im Interesse des Verkehrs zu sagen ist. Jene beiden Begriffe sind geläufig. Der Entwurf beschränkt sich darauf, nur solche Hausund Stalltiere von den Straßen fernhalten zu lassen, die dem Verkehr gefährlich werden können. Dazu gehören nach langer Erfahrung gerade die zwei Tiergattungen nicht, die audi nicht dauernd eingesperrt werden können oder sich nicht dauernd einsperren lassen, nämlich Tauben und Katzen. Alle übrigen Haus- und Stalltiere können dem Verkehr sehr wohl gefährlich werden, vor allem auch das Federvieh. Es erscheint daher geboten, alle diese übrigen Tiergattungen von Straßen fernzuhalten. Soweit sich dieses Gebot an die Halter von Federvieh wendet, bringt es für weite Teile Deutschlands nichts Neues. Das Preußische Feld- und Forstpolizeigesetz verlangt solche Fernhaltung schon seit Jahrzehnten. Wo dieses Gebot bisher nicht gilt, ist es mit Rücksicht auf die heutige Stärke des Fahrverkehrs ohne weiteres gerechtfertigt. Zu Absatz 1: Der erste Satz ist damit zugleich erläutert. Der zweite Satz bringt vereinfacht das, was schon in S 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Halbsatz 2 StVO (alt) gesagt ist. Die beiden folgenden Sätze wollen das Führen von Tieren von Fahrzeugen aus insoweit verbieten, als die Inanspruchnahme des Fahrzeugführers durch die Fahrzeuglenkung die erforderliche Aufsicht über das mitgeführte Tier nicht mehr garantiert. Weitergehende Normen der Tierschutzgesetzgebung bleiben unberührt. Die sonstigen Einzel-
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Tiere
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§ 28
Vorschriften der S t V O über die Höchstzahl der mitführbaren Tiere sind neben Satz 2 überflüssig. Es ist ebenso selbstverständlich, daß ein Pferdeführer zwei Pferde ungekoppelt nicht führen kann, da er links von den Pferden gehen muß, wie daß ein Reiter über mehr als zwei Handpferde nicht die erforderliche Gewalt hat, wie auch, daß ein Pferdeführer keinesfalls mehr als vier Pferde zugleich führen kann.
Zu Absatz 2: Die Formel „die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen" ist bereits zu Absatz 1 des vorausgehenden Paragraphen erläutert. Die Scheu des früheren Gesetzgebers, dies ausdrücklich zu sagen und sich statt dessen mit der blassen Formel der notwendigen Rücksicht auf den übrigen Verkehr zu begnügen, ist heute nicht mehr gerechtfertigt. Es läßt sich z. B. nicht mehr verantworten, daß Tiere entlang einer Straße mit Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295 und 296) getrieben werden. Findet sich eine solche erst im Verlauf der Straße und ist die Einhaltung der weißen Linie nicht möglich, so ergibt sich aus der Vorschrift, daß dann eben ein Übriges getan, im Zweifel ein Warner vorausgeschickt werden muß. Jene Gleichstellung erlaubt auch die zwanglose Zusammenfassung der bisherigen Abschnitte D und E der StVO (alt) „Reitverkehr" und „Treiben und Führen von Tieren". Der letzte Satz stellt die bisherigen Beleuchtungsvorschriften als Mindesterfordernisse heraus.
II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
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§ 28 übernimmt in gestraffter Form und mit redaktionellen Änderungen im wesentlichen, was in §§ 39, 40 StVO 1937 enthalten war. Abs. 1 S. 1 enthält den Grundsatz, daß „Haus- und Stalltiere", die den Verkehr gefährden können, von der Straße fernzuhalten sind. Früher war weniger präzis nur von „Tieren" die Rede, obwohl sich die Vorschrift nur auf Haus- und Stalltiere beziehen kann. Auf Wild war und ist sie nicht anwendbar. Daran hat sidi nichts geändert, daß Tiere auf der Straße nur zugelassen sind, wenn sie einen geeigneten Führer haben, der ausreichend auf sie einwirken kann. Das ausdrückliche Verbot, Tiere vom Kraftfahrzeug aus zu führen, ist neu. Dagegen war auch früher schon (§ 31 Abs. 2 StVO 1937) verboten, Tiere von Fahrrädern aus zu führen, mit Ausnahme von Hunden. Dabei sind nach wie vor die Vorschriften des Tierschutzgesetzes zu beachten. In § 40 Abs. 1 StVO 1937 war ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zum Reiten und Ziehen auf öffentlichen Straßen nur zur Verwendung im Verkehr geeignete Tiere benutzt werden dürfen. Das gilt audi jetzt noch, wenn es auch in § 28 nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird. Es ergibt sich aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1, der auf den Reiter und Führer von Tieren anzuwenden ist, weil diese Verkehrsteilnehmer sind. Das gleiche gilt für das frühere Gebot beim Führen von Pferden und Treiben von Vieh, auf den übrigen Verkehr Rücksicht zu nehmen. In § 40 Abs. 3 StVO 1937 war ausdrücklich bestimmt, daß Vieh von einer angemessenen Zahl von Treibern begleitet sein muß. Eine solche ausdrückliche Vorschrift fehlt jetzt zwar, doch ergibt sich das gleiche aus der allgemeinen Vorschrift, daß Haus- und Stalltiere von geeigneten Personen begleitet sein müssen, die ausreichend auf sie einwirken können. Auch die besonderen Vorschriften über die Höchstzahl der mitführbaren Tiere schienen dem Gesetzgeber nach der Begründung zu Abs. 1 entbehrlich. Die sinngemäße Anwendung der für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen für die Reiter, Führer von Pferden sowie Treiber und Führer von Vieh umreißt die Pflichten dieser Personen besser als die bisher in § 38 StVO 1937 enthaltenen Bestimmungen. Die gleiche Pflicht wird in § 27 dem Führer eines geschlossenen Verbandes auferlegt. Die besonderen Beleuchtungsvorschriften des § 28 Abs. 2 S. 2 entsprechen den früheren (§ 40 Abs. 5 StVO 1937). Zur Sorgfaltspflicht des übrigen Verkehrs gegenüber Tieren s. § 1 R N r . 160. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. „Haus- und Stalltiere" 1. Begriff
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„Haus- und Stalltiere" ist insofern eine Tautologie, als alle Stalltiere zu den Haustieren gehören; (allerdings nicht alle „Haustiere" zu den „Stalltieren"). Haustiere sind
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§ 28
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Tiere, die der Mensdi zu Nutzzwecken oder aus Liebhaberei züchtet. Sie unterscheiden sich von den Wildtieren dadurch, daß sie „domestiziert", in den Hausstand des Mensdien aufgenommen, sind. Nicht zu den Haustieren gehören in Käfigen gehaltene Wildtiere, auch nicht Bienen. Doch können einzelne Wildtiere auch domestiziert werden, z. B. Wildkatzen. Die wichtigsten Haustiere sind Pferde, Hunde, Groß- und Kleinvieh, Geflügel. Auch das Weidevieh gehört zu den Haustieren. Das in manchen Alpengegenden von alters her überkommene „Freiweiderecht" entbindet den Tierhalter nicht von seinen Pflichten aus § 28. Er muß das weidende Vieh von den Straßen fernhalten 1 ). Nicht alle Haustiere werden von § 28 erfaßt, sondern nur solche, die den Verkehr gefährden können. Katzen sollen nach der Begründung zu § 28 (RNr. 1) den Verkehr nicht gefährden2). Dagegen kann das Geflügel (mit Ausnahme von Tauben) den Verkehr sehr wohl gefährden. Da es zweifellos zu den Haustieren gehört, kann nunmehr kein Zweifel darüber bestehen, daß es von den Straßen ferngehalten werden muß 3 ). Für das Fernhaltegebot kommt es darauf nicht an, ob auf die Tiere ihrer Natur nach von begleitenden Personen ausreichend eingewirkt werden könnte. Gerade dann, wenn das nicht der Fall ist, müssen sie auf alle Fälle von der Straße ferngehalten werden; (vgl. die Begründung a. a. O.). 4
2. Fernhalten von der Straße (Abs. 1 S. 1) Abs. 1 S. 1 stellt den allgemeinen Grundsatz auf, daß Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, von der Straße fernzuhalten sind. S. 2 enthält die Ausnahme von S. 1; er sagt, wann sie ausnahmsweise auf Straßen zugelassen sind. Unter Straßen versteht die StVO nicht nur die Fahrbahn, sondern auch die dazu gehörenden Seitenstreifen und Gehwege, Parkplätze usw. (vgl. § 1 S. 2 StVZO). Welche Vorkehrungen im einzelnen getroffen werden müssen, um die Haustiere von der Straße fernzuhalten, richtet sich nach der Art der Haustiere. Die Pflicht, diese Vorkehrungen zu treffen, hat der Tierhalter. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich einesteils für die Halter von Hausgeflügel, das erfahrungsgemäß auch durch niedrige Zäune nicht mit Sicherheit von der Straße ferngehalten werden kann, soweit es in der Lage ist, die Zäune zu überfliegen. Die Halter von Federvieh haben die Verpflichtung, alles für sie mögliche zu tun, um dies zu verhindern. Dazu sollen sie nach I der Vwv zu Abs. 1 angehalten werden. Ein Maschendraht von nur 1,15 m wird bei Hühnern nicht immer ausreichen4). In ländlichen Gegenden mag das Gebot großzügig anzuwenden sein, wenn es sich um das Fernhalten von einer Straße ohne Durchgangsverkehr handelt 5 ). Andernteils sind die neben der Straße liegenden Viehweiden besonders gefährlich, weil Weidezäune vom Vieh, aber auch von unbefugten Personen nicht selten beschädigt werden. Eigentümer des Weideviehs haben laufend dafür zu sorgen, daß die Weide gegen Ausbrechen des Viehes gesichert und das Weidetor sicher verschlossen ist 8 ). Ist Vieh ausgebrochen, dann kann auch denjenigen eine Verantwortung treffen, der sich aus Hilfsbereitschaft bemüht, es wieder auf die Weide des Eigentümers zu treiben. Verfährt er dabei so ungeschickt, daß das Vieh auf eine von Kraftfahrzeugen befahrene Straße läuft, muß er sofort alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um das Vieh alsbald von dort zu entfernen 7 ). 3. Begleitung durch geeignete Führer (Abs. 1 S. 2)
5
Allgemeines S. 2 enthält die Bedingungen, unter denen Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, zur Benutzung von Straßen zugelassen werden können. Die Tiere müssen ») BayObLGSt 57, 172 (21. 8. 57) = VRS 14, 372 = VkBl. 58, 487. 2 ) Vgl. Oldenburg 11. 7. 57, MDR 58, 604. 3 ) Vgl. für die frühere Rechtslage: Teplitzky, N J W 61, 1659; AG Winsen 3. 1. 58, MDR 58, 604; AG Bramsche 5. 3. 58, MDR 58, 515; Oldenburg 18. 4. 61, DAR 61, 344.
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4)
A. M. LG Reinsbadi 11. 1. 65, VersR 66, 75. LG Duisburg 21. 6. 57, MDR 57, 544; audi Cramer StVO § 28 RNr. 12. «) Oldenburg 27. 10. 60, DAR 61, 233; Hamburg 29. 10. 68, VerkMitt. 69, 55 = VRS 36, 450 = MDR 69, 73. 7 ) Hamm 26. 4. 60, VRS 20, 212. 5)
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Haus- und Stalltiere; Hunde
§ 28
von geeigneten Personen begleitet werden und diese müssen ausreichend auf sie einwirken können. Diese Bedingungen überschneiden sich insofern, als nur geeignete Begleitpersonen ausreichend auf die Tiere einwirken können. Wie das im einzelnen zu geschehen hat, sagt das Gesetz nicht. Die üblichen Methoden sind verschieden, je nachdem, um welche Tiere es sich handelt. Während Vieh getrieben werden darf, müssen einzelne Großtiere geführt werden. Zwischen Führer und geführtem Tier besteht meist eine feste Verbindung (Leinen, Ketten, Halfter, Stricke), da, abgesehen von Hunden, Tiere nicht auf Kommando zu folgen pflegen; (Hunde dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Leine „geführt" werden; unten R N r . 6). Wieviele Tiere von einem Führer geführt werden dürfen, sagt das Gesetz ebenfalls nicht. Früher war ausdrücklich vorgeschrieben, daß ein Reiter nicht mehr als zwei Handpferde mitführen dürfe (§ 39 Abs. 2 S t V O 1937) und daß Pferde nur gekoppelt geführt werden dürfen, wobei für vier Pferde mindestens ein Begleiter zu stellen ist (§ 40 Abs. 4 S t V O 1937). Wenn diese Vorschriften auch in den § 28 nicht mitübernommen wurden, so geben sie doch einen brauchbaren Hinweis für die Lösung der Frage, wieviele Begleitpersonen normalerweise notwendig sind, um auf die Tiere ausreichend einwirken zu können und welche Maßnahmen dabei zu treffen sind. In Einzelfällen kann sich aus der A r t des geführten Tieres (nervöses Pferd) oder aus der Verkehrslage (dichter Kraftfahrzeugverkehr) die Notwendigkeit besonderer Sicherheitsmaßnahmen ergeben um eine ausreichende Einwirkung auf das Tier zu gewährleisten. Früher war ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zum Reiten und Ziehen auf öffentlichen Straßen nur zur Verwendung im Verkehr geeignete Tiere benutzt werden dürfen; (§ 40 Abs. 1 S. 2 S t V O 1937). Das ergibt sich aber auch aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Reiter und Fuhrwerkslenker. Der Grundsatz gilt auch für sonstige auf öffentlichem Verkehrsgrund geführte Tiere. Wenn ein Tier so veranlagt ist, daß auch ein geeigneter Begleiter nicht ausreichend darauf einwirken kann, dann muß das Tier von der Straße ferngehalten werden. Die Verantwortung dafür, daß die Tiere von geeigneten Personen begleitet werden und daß diese ausreichend auf sie einwirken können, trägt derjenige, dem die Aufsicht über die Tiere zusteht, also nicht nur der Eigentümer oder Tierhalter, sondern auch, wer von diesen mit der Aufsicht beauftragt ist, oder dessen Aufsichtspflicht sich aus anderen Gründen ergibt, z. B. der Ehemann der Tierhalterin 8 ). Auch aus vorhergegangenem T u n kann sich eine Pflicht zur Vornahme von Sicherheitsmaßnahmen ergeben 7 ). Die Verantwortlichkeit auf Grund des § 28 besteht, gleichgültig, ob die Tiere mit oder ohne den Willen des Verpflichteten in den öffentlichen Verkehr geraten. Wer die Tiere im Verkehr führt, muß zum Führen geeignet sein. E r muß fähig sein, die Tiere zu lenken und auf sie ausreichend einzuwirken. Wer Pferde führt, muß deshalb mit Pferden umgehen können, kleine Kinder eignen sich nicht zum Führen größerer H u n de. D e r Verantwortliche verstößt auch dann gegen § 28, wenn er einen ungeeigneten Führer mit der Aufsicht betraut. Doch dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Auf dem Land ist es üblich, daß halbwüchsige Kinder beim Viehhüten und Viehtreiben helfen. Dagegen ist nichts einzuwenden, es sei denn, daß es sich um außergewöhnlich ungebärdige Tiere oder verkehrsreiche Straßen handelt. Die Frage, wieviele Treiber zum Treiben einer Viehherde benötigt werden, wird unten R N r . 11 behandelt. Hunde») Eine besondere Stellung nehmen die Hunde ein, einesteils wegen ihrer Intelligenz, andernteils wegen ihrer besonders engen Verbindung mit ihrem „Herren". D a ß sich die Vorschrift auch auf Hunde bezieht, kann nicht zweifelhaft sein, weil Hunde Haustiere sind. 8
) Bremen 18. 4. 56, NJW 57, 72.
•) S. Schmidt: „Hunde im DAR 62, 232.
Straßenverkehr",
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§ 28
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In Abs. 1 S. 4 werden sie ausdrücklich angeführt. Auch früher schon wurden Hunde nach zuletzt einhelliger Ansicht, zu den Tieren des § 40 StVO 1937 gerechnet 10 ). Bereits in der AV zu § 40 StVO 1937 war ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dagegen in der Regel nichts einzuwenden ist, wenn Hunde außerhalb verkehrsreicher Straßen nicht an der Leine, sondern nur durch Befehl oder Zeichen geführt werden. Das gilt auch heute noch (II der Vwv zu § 28). Eine allgemein gültige Regel, wann vom Anleinen eines Hundes abgesehen werden darf, gibt es nicht. Ob die Einwirkungsfähigkeit des Führers auf das Tier ausreicht, richtet sich nach der Persönlichkeit des Führers, der Art und Erziehung des Hundes und nach der Verkehrslage. Nur bei gut abgerichteten und straßensicheren Hunden und nur auf verkehrsarmen Straßen kommt die Befreiung vom Leinenzwang in Frage 11 ). Befinden sich Hund und Führer auf verschiedenen Straßenseiten, so kann der Führer auf den Hund nicht genügend einwirken 12 ). Ein sich unangeleint am Gehwegrand einer Hauptstraße bewegender Hund muß von seinem Führer vom Fahrbahnrand zurückgerufen werden, wenn sein Anblick einen vorbeifahrenden Kraftfahrer zu einem gefahrbringenden Ausweichmanöver veranlassen kann 18 ). Umgekehrt kann ein zwischenzeitliches Verkehrsgeschehen die Verpflichtung begründen, das Zurücklaufen des Hundes von dem gegenüberliegenden Straßenrand über die Fahrbahn zu verhindern 14 ). Desgleichen darf ein Jäger einen Jagdhund nicht unangeleint zur Nachsuche auf ein angeschossenes Stück Wild ansetzen, wenn die Gefahr besteht, daß der Hund in den öffentlichen Verkehr gelangt, ohne daß der Jäger ausreichend auf ihn einwirken kann 15 ). Da kein Hund ohne Aufsicht auf die Straße laufen darf und Tiere unberechenbar sind, darf auch ein alter Hund, der bisher nicht auf die Straße hinauszulaufen pflegte, nicht in einem Garten ohne Aufsicht frei laufen, der zu einer vorbeiführenden öffentlichen Straße nicht abgeschlossen ist 16 ). Daß ein von plötzlicher Übelkeit befallener Hund von einem Autobahnparkplatz auf die durchgehende Fahrbahn laufen werde, soll allerdings für den Hundebesitzer nicht voraussehbar sein, weshalb er ihn nicht anzuleinen braucht 17 ). 4. Führen von Fahrzeugen aus (Abs. 1 S. 3 u. 4) Neu ist das ausdrückliche Verbot, Tiere von einem Kraftfahrzeug aus zu führen. Nach der Begründung zu Abs. 1 (RNr. 1) ist der Grund für diese Vorschrift, die Inanspruchnahme des Kraftfahrzeugführers durch die Fahrzeuglenkung, die auch die erforderliche Aufsicht über das mitgeführte Tier nicht garantiere. Ein anderer naheliegender Grund ist der, daß in dem Mitführen von Tieren von einem Kraftfahrzeug aus in der Regel eine Tierquälerei zu erblicken ist. Das Verbot gilt nur für Kraftfahrzeuge, nicht für Fuhrwerke. Dagegen bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken, wenn etwa ein Bauer an sein Pferdefuhrwerk ein Füllen anhängt. Auch von Fahrrädern aus dürfen andere Tiere als Hunde nicht mitgeführt werden. Das entspricht der bisherigen Regelung (§ 31 Abs. 2 StVO 1937). Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Radfahrers ergibt sich, daß er nur solche Hunde mitführen darf, die willig hinter dem Rad herlaufen und daß er auch nur mit mäßiger Geschwindigkeit fahren darf. Er muß auch in diesem Fall ausreichend auf den mitgeführten Hund einwirken können. ) Nürnberg 24. 6. 39, DR 39, 28 mit Anm. von Guelde = D J 39, 1751; BayObLGSt 50/51, 613 (28. 11. 51) = VRS 4, 232; Düsseldorf 3. 12. 51, VRS 4, 151; Hamburg 17. 9. 52, MDR 52, 761; Oldenburg 15. 1. 52, VkBl. 53, 145; Tübingen 30. 4. 53, R d K 53, 153; Hamm 12. 1. 54, DAR 54, 142; Düsseldorf 14. 6. 61, VerkMitt. 62, 60. " ) Hamm 17. 9. 57, MDR 58, 53 = JMB1.N R W 58, 10; Bremen 25. 10. 61, VRS 23, 4 1 ; bedenklich K G 13. 3. 61, VRS 21, 143 und diesem folgend Schmidt, D A R 62, 233, die bei folgsamem Hund auch auf verkehrs10
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reichen Straßen die Leine für entbehrlich halten; vgl. nunmehr II der Vwv zu § 28 Abs. 1. Düsseldorf 3. 12. 51, VRS 4, 151. Köln 13. 9. 63, VRS 26, 138 = VerkMitt. 64, 53. Köln 10. 8. 62, JMB1.NRW 62, 288 = VRS 24, 143 = VerkMitt. 62, 91. Oldenburg 5. 9. 61, NdsRpfl. 61, 258 = DAR 62, 212. BayObLG 20. 5. 70 bei Rüth DAR 71, 199 (8. a). Bremen 4. 3. 64, VerkMitt. 64, 92.
Führen vom Fahrzeug aus; Begleitpersonen
StVO
§ 28
II. Reiter, Führer von Pferden, Treiber und Führer von Vieh (Abs. 2) 1. »Sinngemäße" Geltung der Verkehrsregeln Allgemeines Abs. 1 wendet sich an den Tierhalter, der dafür zu sorgen hat, daß Haus- und Stalltiere von der Straße ferngehalten werden oder daß sie von geeigneten Personen begleitet werden, die ausreidiend auf sie einwirken können, wenn sie ausnahmsweise die Straße benutzen. Abs. 2 dagegen wendet sich an die Begleitpersonen, die mit dem Tierhalter keineswegs identisdi sein müssen. Wie die Führer von Verbänden in § 27 (s. dort R N r . 5) werden die Führer von Tieren in § 28 Abs. 2 den f ü r den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen unterstellt, mit der gleichen Einschränkung, daß diese Regeln und Anordnungen „sinngemäß" anzuwenden sind. Für Reiter gilt dies audi bisher schon (§ 39 Abs. 3 StVO 1937), während den Führern von Pferden und den Viehtreibern bisher lediglich auferlegt war, auf den übrigen Verkehr die notwendige Rücksicht zu nehmen (§ 40 Abs. 2 StVO 1937). Darüber, wie im Einzelfall die Regeln des Fahrverkehrs sinngemäß anzuwenden sind, lassen sich keine allgemeinen Grundsätze aufstellen. Die Frage wird bei den einzelnen Gruppen im folgenden behandelt; (RNr. 9 — 12). Für alle Gruppen gemeinsam gilt der Satz, daß die Tiere auf der Fahrbahn möglichst weit rechts geführt werden müssen. Als dem Fahrzeugverkehr gleichgeordnet dürfen Personen, die Tiere führen oder reiten, im allgemeinen auch die Vorfahrt für sich in Anspruch nehmen, soweit sie den Fahrzeugführern zusteht. Eine Ausnahme gilt f ü r das Führen von Hunden. Personen, die Hunde führen, sind Fußgänger und unterliegen den Fußgängerregeln. Das ergibt sich aus Abs. 2 ohne weiteres, weil dort neben dem Reiten und Viehtreiben nur das Führen von Pferden und von Vieh genannt ist. Für Hunde gilt also nur § 28 Abs. 1. Reiter Während die StVO 1937 dem Reitverkehr noch einen eigenen Abschnitt widmete, erwähnt die StVO 1970 das als Verkehrsart aussterbende Reiten nur nebenbei an zwei Stellen: In § 28 Abs. 2 werden Reiter wie Viehtreiber usw. den Verkehrsregeln des Fahrverkehrs unterstellt (wie dies früher in § 39 Abs. 3 StVO 1937 audi schon geschehen war) und a) nach Z. 238 — 241 verpflichtet sie, die f ü r sie bestimmten Sonderwege, die Reitwege nach Z. 239 zu benutzen. In d) a. a. O. wird das Führen von Pferden auf Reitwegen zugelassen. Reitwege dürfen von anderen Verkehrsteilnehmern nicht benutzt werden. Reiter ist, wer zu seiner Fortbewegung ein üblicherweise zum Reiten bestimmtes Tier (Pferd, Maultier, Esel, nicht dagegen — wenigstens im Geltungsbereich der StVO — ein Rind) benutzt, auf dem er sitzt. Ein „Reitpferd" muß es aber nicht sein. Auch wer auf einem Ackergaul sitzt, „reitet". Wer auf einem anderen Tier sitzt, um es zu leiten, ist nidit „Reiter", sondern „Führer" eines Tieres; kann er in seiner Stellung die hiernach f ü r ihn geltenden Sonderregelungen (§ 28) oder die Grundregel des § 1 nicht befolgen, etwa weil das Tier keiner Zügellenkung folgt, so darf er auf dem Tier nicht sitzen, muß es vielmehr gehend führen. Zum Reiten dürfen auf öffentlichen Straßen nur zur Verwendung im Verkehr geeignete Tiere verwendet werden. Auf andere kann nicht ausreidiend eingewirkt werden; (Abs. 1 S. 2). In § 39 Abs. 2 StVO 1937 war ausdrücklich bestimmt, daß ein Reiter nicht mehr als zwei Handpferde mitführen darf. Wenn in der StVO 1970 auch eine entsprechende Vorschrift fehlt, so wird man die frühere Vorschrift dodi als brauchbaren Hinweis benützen dürfen, in welchem Rahmen das Mitführen von Handpferden mit der Sicherheit des Verkehrs zu vereinbaren ist. Auf zwei Handpferde kann der Reiter noch ausreichend einwirken. Für geschlossene Verbände von Reitern gelten die besonderen Vorschriften des § 27.
§ 28 10
Möhl
StVO
Führen von
Pferden
Während das Reiten eine besondere Art der Fortbewegung ist, unterscheidet sich das Führen von Pferden vom Führen sonstiger Tiere nur in einem Punkt: Nach d) nach Z. 238 — 241 dürfen Pferde auf Reitwegen (Z. 239) geführt werden. Im übrigen sind gerade beim Führen von Pferden die in § 28 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen für das Führen von Tieren im öffentlichen Verkehr von großer Bedeutung: Der Pferdeführer muß für seine Aufgabe „geeignet" sein und er muß auf das Pferd ausreichend einwirken können. Pferde werden am Zügel oder einer am Halfter befestigten Leine geführt; der in der Regel links neben dem Tier gehende Führer wirkt unmittelbar auf das Tier ein. In § 40 Abs. 4 StVO 1937 war vorgeschrieben, daß mehrere Pferde von einem Führer nur gekoppelt geführt werden dürfen und daß für je vier Pferde mindestens ein Begleiter zu stellen ist. Diese in der StVO 1970 gestrichene Vorschrift kann als Hinweis dienen, auf wieviele Pferde ein Mann normalerweise noch ausreichend einwirken kann.
11
Viebtreiber18) Zum Vieh zählt man Rinder, Ziegen, Schweine, Schafe, dagegen nach dem Sprachgebrauch nicht Pferde und auch nicht das „Federvieh". Das Viehtreiben unterscheidet sich vom Führen von Tieren dadurch, daß eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Treiber und der getriebenen Herde nicht besteht. Die Viehtreiber wirken auf die Herde durch Ruf und Stockschläge ein. Zwar müssen auch die Viehtreiber „geeignete" Personen im Sinne des Abs. 1 sein, doch können keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, weil die Landwirtschaft nicht über genügend Arbeitskräfte verfügt, um eine sorgfältige Auswahl treffen zu können. In ländlichen Bezirken ist es deshalb üblich und nicht zu beanstanden, wenn neben dem oder den erwachsenen Treibern auch Halbwüchsige sich als Treiber betätigen. In § 40 Abs. 3 StVO 1937 war ausdrücklich vorgeschrieben, daß Vieh nur auf der Fahrbahn getrieben werden darf und von einer angemessenen Zahl geeigneter Treiber begleitet sein muß. Das gilt auch nach der StVO 1970, wenn diese auch keine ausdrückliche Vorschrift enthält. Daß auf der Fahrbahn rechts — sogar möglichst weit rechts — getrieben werden muß, ergibt sich aus der sinngemäßen Anwendung der Fahrregeln von selbst; (§ 2 Abs. 2). Auf Geh-, Rad- und Reitwegen ist das Viehtreiben verboten. Dagegen darf und soll ein Sommerweg benutzt werden 19 ). Audi auf einem für den Fahrzeugverkehr gesperrten „Kirchsteig" soll Vieh getrieben werden dürfen 20 ). Von einem verbotenen Treiben auf dem Gehweg kann nur gesprochen werden, wenn sich das Vieh fortwährend von den Treibern ungehindert auf dem Gehweg bewegt, nidit aber bei gelegentlichem unvermeidlichem Überwechseln21). Eine Viehherde dazu anzuhalten, möglichst weit rechts zu laufen, kann im Einzelfall auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Größere Viehherden pflegen sich auf der ganzen Fahrbahn fortzubewegen, auch läßt sich kaum vermeiden, daß das Vieh nach links überwechselt, wenn es sich dort dem Stall nähert. Allerdings scheint manchen Treibern die Pflicht unbekannt, nach Kräften dafür zu sorgen, daß für den Fahrverkehr wenigstens eine Durchfahrt frei bleibt. Der Fahrverkehr muß sich auf die Schwierigkeiten einrichten, die das Viehtreiben mit sich bringt. Sein Vorrecht auf freie Durchfahrt kann nur eingeschränkt gelten 18 ). So hat der Führer eines Kraftfahrzeugs angesichts einer in der Nähe der Fahrbahn laufenden Rinderherde die Geschwindigkeit so weit herabzusetzen, daß er in der Lage ist, vor einem unversehens in die Fahrbahn ausbrechenden Tier noch rechtzeitig anzuhalten 22 ). Eine allgemeine Übung, Weidetiere aus unübersichtlicher Hof ausfahrt frei und ohne Rücksicht auf den Fahrverkehr über eine verkehrsreiche Straße zu treiben, widerspräche allerdings der Sorgfaltspflicht der Viehtreiber und wäre deshalb unbeachtlich23). Auch das Warnzeichen Z. 140 gibt dem neben einer öffentlichen Straße ) S. Asmus: „Viehtreiben im Straßenverkehr", D A R 63, 161. " ) Oldenburg 18. 4. 56, D A R 57, 17. 2 0 ) Celle 12. 6. 59, VerkMitt. 60, 39.
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) Schleswig 3. 5. 61, VerkMitt. 61, 84. ) BayObLGSt 53, 123, 124. 2 3 ) BayObLGSt 53, 2 (14. 1. 53) = V R S 306 = VkBl. 53, 576. 21 22
5,
StVO
Viehtreiben; Beleuchtung
§ 28
weidenden Vieh kein Vorrecht vor den Straßenbenutzern. Da die Fahrbahnbegrenzung nach Z. 295, 296 auch für Viehherden gilt, von diesen aber in der Regel nicht eingehalten wird, weist die Begründung zu Abs. 2 (RNr. 1) mit Recht darauf hin, daß sich das Treiben von Vieh auf einer Straße mit Fahrbahnbegrenzung nicht mehr verantworten läßt. Wieviele Treiber im Einzelfall nötig sind, um auf eine Viehherde ausreichend einwirken zu können, richtet sich nach Art und Zahl der Tiere und nach den Verkehrsverhältnissen. Allgemein verbindliche Mindestzahlen gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung wurden zum Treiben von 11 Kühen auf einer Landstraße mindestens zwei Treiber für notwendig erachtet 24 ). Dagegen genügt auf einer verkehrsreichen Bundesstraße auch bei einer Herde von nur 6 Stück Rindvieh 1 Treiber nicht. Doch soll in diesem Fall der zweite Treiber durdi einen gut abgerichteten Hund ersetzt werden können 25 ). Da Schafherden, wenn sie je nach der Größe von einem oder mehreren guten Hüterhunden begleitet werden, besser zusammenhalten als Rinderherden, genügt zum Treiben einer Schafherde bei Tage in der Regel ein Schäfer, wenn er über die nötigen Hunde verfügt; (Vwv III zu Abs. 1). Ist allerdings Beleuchtung geboten, dann sind nach Abs. 2 S. 2 Nr. 1 zwei Schäfer erforderlich, weil die Herde nach vorne und hinten durch Leuchten abgesichert werden muß; (s. unten RNr. 13). Fährer
von Vieh
12
Für die Führer von Vieh gilt nichts anderes als für die Führer von Pferden. Allerdings darf Vieh nicht auf Reitwegen geführt werden wie die Pferde, sondern muß auf der Fahrbahn möglichst weit rechts geführt werden. Auch die Grundsätze für die Art der Anleinung und über die Zahl der Tiere, die eine einzelne Person führen darf, sind bei Tieren, die zum Vieh zählen, die gleichen wie bei Pferden. Ein einzelner kann also u. Umst. auch mehrere Stück Vieh führen. Ob einige Stück Vieh besser „gekoppelt" geführt werden sollen oder ob man sie treiben kann, hängt von den Umständen ab, insbesondere dem Charakter der Tiere und der Verkehrsdichte. 2. Beleuchtung (Abs. 2 S. 2) a) beim Treiben von Vieh Wann Beleuchtung erforderlich ist, sagt § 17 Abs. 1. Verantwortlich für ausreichende Beleuchtung ist der Tierhalter oder der von ihm Beauftragte. Eine Viehherde muß nach vorne durch eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht, nach hinten mit rotem Licht kenntlich gemacht werden. Das entspricht den Beleuchtungsvorschriften für geschlossene Verbände (§ 27 Abs. 4), mit dem Unterschied, daß nicht die seitliche Begrenzung der Herde durch je zwei Leuchten kenntlich gemacht werden muß, sondern Anfang und Ende der Herde nur durch je 1 Leuchte. Für Schafherden gibt es keine Ausnahme. Wenn diese auch bei Tag meist von einem Schäfer mit Hüterhunden getrieben werden kann, werden bei Dunkelheit zwei Schäfer benötigt, weil auch bei der Schafherde Anfang und Ende beleuchtet werden muß. Überquert eine Herde die Fahrbahn, dann muß sie sinngemäß nach beiden Seiten abgesichert werden. Wenn das auch nicht aus § 28 unmittelbar zu entnehmen ist, so ergibt es sich doch aus § 1 Abs. 2 26 ).
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b) Beleuchtung beim Führen eines Großtieres oder von Vieh
14
S. 2 Nr. 2 bringt einen neuen Begriff: Während bisher von Haus- und Stalltieren, von Reitern, Führern von Pferden sowie Treibern und Führern von Vieh die Rede war, wird nun beim Führen „auch nur eines Großtieres oder von Vieh" eine nicht blendende Leuchte 24
) Celle 3. 3. 55, V R S 9, 412; ähnlich Nürnberg 19. 9. 67, VersR 68, 285 (2 Treiber für 10 Kühe auf Dorfstraße); strenger Schleswig 3. 5. 61, VerkMitt. 61, 84 (für acht Kühe drei Treiber).
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) Koblenz 25. 3. 55 Recht der Landwirtschaft (RdL) 55, 271. ) Frankfurt 3. 5. 62, VerkMitt. 62, 60.
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§§28,29
StVO
Möhl
mit weißem Lidit vorgeschrieben. Ein Großtier ist wie der Name sagt, ein großes Tier, das nidit zum Vieh geredinet wird, also vor allem Pferde, Maultiere, Esel, dagegen nicht Hunde, audi wenn sie groß sind. Es genügt 1 Leuchte, die auf der linken Seite nach vorne und hinten gut sichtbar mitzuführen ist. Die Bestimmung entspricht der früheren in § 40 Abs. 5 S. 2 StVO 1937. Zum Unterschied zwischen „getriebenem" und „geführtem" Vieh vgl. oben R N r . 5. Aus der Fassung „auch nur eines Großtieres" ergibt sich, daß auch bei Nacht mehr als 1 Großtier oder 1 Stück Vieh von einer Person geführt werden darf. Während § 39 Abs. 3 StVO 1937 auch für Reiter eine entsprechende Beleuchtungspflicht begründete, der allerdings auch durch an den Hinterfüßen der Pferde befestigte Rückstrahler genügt werden konnte, enthält die StVO 1970 hierüber keine Vorschriften. Reitet jemand ausnahmsweise bei Dunkelheit auf einer öffentlichen Straße, dann kann er auch nach geltendem Recht verpflichtet sein, für eine entsprechende Beleuchtung oder Absicherung durch Rückstrahler zu sorgen. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2. Für Reitabteilungen gilt die Beleuchtungspflicht des § 27 Abs. 4. C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig als Tierhalter oder sonst für die Tiere Verantwortlicher einer Vorschrift des § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 S. 2 und wer als Reiter, Führer von Pferden, Treiber oder Führer von Vieh entgegen § 28 Abs. 2 einer für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregel oder Anordnung zuwiderhandelt, handelt nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Bei den Bestimmungen des § 28 handelt es sich um reine Ordnungsvorschriften. Verursacht die Verletzung einer dieser Bestimmungen einen Erfolg im Sinne des § 1 Abs. 2, dann stehen beide Ordnungswidrigkeiten in Tateinheit 27 ). Wer auf der Autobahn eine Schafherde treibt, kann sich eines Vergehens der Verkehrsgefährdung nach § 315 b Abs. 1 Nr. 2 schuldig machen 28 ). Zivilrechtlich kann ein Verstoß den Beweis des ersten Anscheins für Verschulden des Tierhalters oder der nach Abs. 2 verantwortlichen Personen bedeuten 29 ). Zur Ausgleichspflicht beim Zusammentreffen von Kraftfahrer- und Tierhalterhaftung s. § 17 Abs. 2 StVG.
§ 29 Übermäßige Straßenbenutzung (1) Rennen mit K r a f t f a h r z e u g e n sind verboten. (2) Veranstaltungen, für die Straßen m e h r als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, w e n n die Benutzung der S t r a ß e für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der F a h r w e i s e d e r beteiligten F a h r z e u g e eingeschränkt w i r d ; K r a f t f a h r z e u g e in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets m e h r als verkehrsüblich in A n spruch. Der Veranstalter hat d a f ü r zu sorgen, daß die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden. (3) E i n e r Erlaubnis bedarf der Verkehr mit F a h r z e u g e n und Zügen, deren A b messungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die gesetzlich allgemein zugelassenen Grenzen überschreiten. Das gilt auch f ü r den Verkehr mit Fahrzeugen, deren B a u a r t dem F ü h r e r kein ausreichendes Sichtfeld läßt. " ) Vgl. für die frühere Rechtslage: Hamm 12. 1. 54, D A R 54, 142; K G 13. 3. 61, V R S 21, 143.
634
28 29
) L G Lübeck 30. 3. 62 SdilHA 62, 202. ) B G H 16. 6. 59, VersR 59, 805.
Übermäßige Straßenbenutzung; Vwv
StVO
§ 29
Vwv zu $ 29 Zu Absatz
1
I. Verboten sind auch nichtorganisierte Rennen; gerade gegen sie ist einzuschreiten. II. Rennen sind auch solche, bei denen die Teilnehmer nicht gleichzeitig starten, z. B. Bergprüfungen, Sprintprüfungen. III. Eine Ausnahmegenehmigung für eine Rennveranstaltung mit Kraftfahrzeugen zu erteilen, ist nur selten zu rechtfertigen. Da dann die von der Veranstaltung in Anspruch genommenen Straßen, teilweise für längere Zeit, gesperrt werden müssen, ist in jedem Fall zu prüfen, ob das Interesse an der Veranstaltung so stark überwiegt, daß solche Beeinträchtigung des Verkehrs als zumutbar erscheint. IV. Die genehmigende oberste Landesbehörde kann es der zuständigen Straßenverkehrsbehörde oder höheren Verwaltungsbehörde überlassen, im Erlaubnisverfahren die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, Bedingungen zu stellen und Auflagen zu machen. Zu Absatz 2 I. Erlaubnispflichtige Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen 1. a) Auch Rennveranstaltungen (Absatz 1), die ausnahmsweise genehmigt sind, bedürfen einer Erlaubnis. b) Rallies, Zuverlässigkeits- und Leistungsprüfungsfahrten und ähnliche Veranstaltungen sind jedenfalls dann erlaubnispflichtig, wenn die Fahrzeiten gewertet oder wenn für Sonderprüfungen öffentliche Straßen beansprucht werden. c) Beschleunigungs- und Bremsprüfungen, Slalom- und andere Geschicklichkeitsprüfungen bedürfen der Erlaubnis. d) Sudi-, Ziel- und Orientierungsfahrten sind jedenfalls dann erlaubnispflichtig, wenn die Fahrzeiten gewertet werden. Ballon-Begleitfahrten dürfen nicht erlaubt werden. e) Das Fahren in geschlossenem Verband zu erlauben, ist nur ausnahmsweise zu verantworten. 2. Bedingungen und Auflagen a) Neben den zur Sicherheit und Ordnung gebotenen Bedingungen und Auflagen ist dem Veranstalter aufzugeben, er habe aa) Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände von allen Ersatzansprüchen freizustellen, die aus Anlaß der Veranstaltung auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen von Teilnehmern oder von Dritten erhoben werden, bb) über seine gesetzliche Schadenersatzpflicht hinaus die Wiedergutmachung von Schäden an den Straßen sowie an Grundstücken (Flurschäden) zu übernehmen, cc) eine Veranstalterhaftpflichtversicherung, die auch die sich aus aa) und bb) ergebenden Wagnisse deckt, mit Versicherungssummen von mindestens DM 1 000 000,— für Personenschäden (für die einzelne Person jedenfalls DM 200 000,—), DM 200 000,— für Sachschäden, DM 20 000,— für Vermögensschäden bei Veranstaltungen mit Kraftwagen und bei gemischten Veranstaltungen abzuschließen, beziehungsweise bei Veranstaltungen mit Krafträdern mit Versicherungssummen von mindestens DM DM DM
500 000,— für Personenschäden (für die einzelne Person jedenfalls DM 200 000,—), 100 000,— für Sachschäden, 10 000,— für Vermögensschäden.
Bei der Abnahme der Kraftfahrzeuge dürfen nur Fahrzeuge solcher Fahrer zugelassen werden, die für das teilnehmende Fahrzeug einen für die Teilnahme an der Veranstaltung geltenden Haftpflichtversidierungsvertrag mit Versicherungssummen von mindestens DM 1 000 000,— für Personenschäden (für die einzelne Person jedenfalls DM 200 000,—), DM 200 000,— für Sachschäden, DM 20 000,— für Vermögensschäden für Kraftwagen beziehungsweise von mindestens DM DM DM
500 000,— für Personenschäden (für die einzelne Person jedenfalls DM 200 000,—), 100 000,— für Sachschäden, 10 000,— für Vermögensschäden.
für Krafträder abgeschlossen haben. 635
§ 29
StVO
Möhl
b) Bei Fahrten im geschlossenen Verband kann von den Bedingungen aa) bis cc) abgesehen werden. c) Stellt eine Straßenbaubehörde oder ein Bauunternehmen Forderungen zum Schutz der Straße oder der Bahnanlagen, so sind entsprechende Bedingungen zu stellen und entsprechende Auflagen zu machen. Kann die Polizei, eine Straßenbaubehörde oder ein Bahnunternehmen Erstattung von Aufwendungen für besondere Maßnahmen aus Anlaß der Veranstaltung verlangen, so hat sich der Antragsteller schriftlich zur Erstattung zu verpfliditen. d) Bei Rennveranstaltungen und Sonderprüfungen sind die Straßen für den öffentlichen Verkehr zu sperren. Das hat durch Absperrschranken längs und quer zur gesperrten Straßenstrecke oder durch ähnlich wirksame Maßnahmen zu geschehen. Jedenfalls bei Rennveranstaltungen ist dem Veranstalter der Einsatz einer ausreichenden Zahl von Ordnern entlang der Absperrung aufzuerlegen; Umfang, Ort und Art dieses Einsatzes sind dabei im einzelnen festzulegen. Inwieweit die Polizei auch im abgesperrten Raum tätig werden muß, richtet sich nach Landesrecht. e) Die Sicherung der Rennstrecke hat auch die Gefährdung der Zusdiauer außerhalb der Absperrung zu berücksichtigen. Die technischen Sicherungsemrichtungen müssen den neuesten Erkenntnissen entspredien. f) Bei Rennveranstaltungen und Sonderprüfungen mit Renncharakter haften Veranstalter, Fahrer und Halter nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über Verschuldens- und Gefährdungshaftung f ü r die Schäden, die durch die Veranstaltung an Personen und Sachen verursacht worden sind. Für ausreichenden Versicherungsschutz zur Deckung von Ansprüchen aus vorbezeichneten Schäden hat der Veranstalter zu sorgen. Als Mindestversicherungssummen gelten aa) für jede Rennveranstaltung mit Kraftwagen 1 000 000,— DM für Personenschäden pro Ereignis 200 000,— DM für die einzelne Person 200 000,— DM für Sachschäden 40 000,— DM für Vermögensschäden bb) für jede Rennveranstaltung mit Krafträdern und Go-Karts 500 000,— DM f ü r Personenschäden pro Ereignis 200 000,— DM für die einzelne Person 100 000,— DM für Sachschäden 20 000,— DM für Vermögensschäden. Außerdem hat der Veranstalter für eine Unfallversicherung für den einzelnen Zuschauer in Höhe folgender Versicherungssummen zu sorgen: f ü r den Todesfall 15 000,— DM für den Invaliditätsfall 30 000,— DM. (Kapitalzahlung je Person) Hierbei muß sichergestellt sein, daß die Beträge der Unfallversicherung im Schadensfall ohne Berücksichtigung der Haftungsfrage an die Geschädigten gezahlt werden. In den Unfallversicherungsbedingungen ist den Zuschauern ein unmittelbarer Anspruch auf die Versicherungssumme gegen die Versicherungsgesellschaft einzuräumen. 3. Das Verfahren a) Der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, daß die Bearbeitung der Anträge in der Regel zwei Monate erfordert. b) Die Straßenverkehrsbehörde hat darauf hinzuwirken, daß für die mit dem Antrag vorzulegenden Erklärungen des Veranstalters und f ü r Erlaubnisbescheide Formblätter verwendet werden, die der Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Verkehrsblatt bekannt gibt. c) Die Anträge sind nur zu bearbeiten, wenn zugleich Gutachten bewährter Sachverständiger, vor allem über die Geeignetheit der Fahrstrecken und über die gebotenen Sicherungsmaßnahmen vorgelegt werden. Bei Veranstaltungen von geringerer Bedeutung kann sich die Erlaubnisbehörde mit einer Stellungnahme der Polizei begnügen. d) Die Polizei ist zu hören, die Straßenbaubehörden dann, wenn eine Beschädigung der Straße zu besorgen ist oder bauliche Maßnahmen erforderlich würden, auch die Bauunternehmen — für die Bundesbahn deren Betriebsämter —, wenn die Teilnehmer Bahnübergänge benutzen oder Bahnanlagen sonst berühren. II. Für Veranstaltungen von Radfahrern gilt I sinngemäß. I I I . 1. öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge, für die die Bestimmungen der S S 14 bis 16 des Versammlungsgesetzes gelten, bedürfen keiner Erlaubnis. Notwendige Maßnahmen verkehrlicher Art hat die Straßenverkehrsbehörde der für Versammlungen zuständigen Behörde vorzuschlagen, damit sie bei den Anordnungen nach den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes berücksichtigt werden. 2. Für Veranstaltungen auf nichtöffentlichen Straßen gilt Landesrecht.
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Zu Absatz 3 Großraum- und Schwerverkehr I. Fahrzeuge und Züge, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach den §§ 32 und 34 StVZO zulässigen Grenzen überschreiten, bedürfen einer Ausnahmegenehmigung nach $ 70 StVZO. II. Die Abmessungen eines Fahrzeugs oder eines Zuges sind auch dann überschritten, wenn die Vorschriften über die Kurvenläufigkeit (§ 32 Abs. 2 StVZO) nicht eingehalten werden. I I I . Ist nicht das Fahrzeug oder der Zug, sondern nur die Ladung zu breit oder zu hoch oder werden die Vorschriften über die Abmessungen nur deshalb nicht eingehalten, weil die Ladung nach vorn oder weil sie nach hinten zu weit hinausragt, so ist neben der Genehmigung einer Ausnahme von den in Betracht kommenden Vorschriften des § 22 eine Erlaubnis nicht erforderlich. IV. Voraussetzungen der Erlaubnis: 1. Eine Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn a) eine unteilbare Ladung zu befördern ist oder ein Fahrzeug oder Zug, wofür eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO vorliegt, überführt werden muß oder mehrere einzelne Stücke zu befördern sind, die je für sich wegen ihrer Länge, Breite oder Höhe die Benutzung eines solchen Spezialfahrzeugs erfordern; im letzten Fall dürfen aber das zulässige Gesamtgewicht und die zulässigen Achslasten nicht überschritten werden (§ 34 StVZO). Unteilbar ist eine Ladung, wenn ihre Zerlegung aus technischen Gründen unmöglich ist oder unzumutbare Kosten verursachen würde; b) die Beförderung nicht — wenigstens zum größten Teil der Strecke — auf der Schiene oder auf dem Wasser möglich ist oder wenn durch eine Beförderung auf dem Schienen- oder Wasserweg unzumutbare Mehrkosten (auch andere als die reinen Transportmehrkosten) entstehen würden; c) für den gesamten Fahrtweg Straßen zur Verfügung stehen, deren baulicher Zustand durch die Beförderung nicht beeinträchtigt wird und für die zum Schutze der Straßen keine besonderen Maßnahmen erforderlich sind, oder wenn wenigstens die spätere Wiederherstellung der Straßen oder die Durchführung jener Maßnahmen vor allem aus verkehilichen Gründen nicht zu zeitraubend oder zu umfangreich wäre. 2. Eine Erlaubnis darf grundsätzlich nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller zuvor vorsätzlich oder grobfahrlässig gegen die Bedingungen und Auflagen einer Erlaubnis verstoßen hatte. V. Das Verfahren: 1. Der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, daß die Bearbeitung der Anträge in der Regel zwei Wochen erfordert. Von dem Hinweis kann nur dann abgesehen werden, wenn der Antragsteller nachweist, daß die Beförderung eilbedürftig ist, nicht vorhersehbar war und geeigneter Eisenbahn- oder Schiffstransportraum nicht mehr rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden kann. 2. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde hat die beteiligten Straßenbaubehörden sowie die Polizei und, wenn der Fahrtweg über Bahnübergänge führt oder Bahnanlagen sonst berührt, auch die Bahnunternehmen — für die Bundesbahn deren Betriebsämter — zu hören. 3. Geht die Fahrt über das Land hinaus, so ist unter Mitteilung der technischen Daten des Fahrzeugs oder Zuges sowie der Ausmaße und des Gewichts der Ladung die Zustimmung derjenigen höheren Verwaltungsbehörden einzuholen, durch deren Bezirk die Fahrt in den anderen Ländern jeweils zuerst geht. Auch f ü r diese Behörden gilt Nummer 2. Ihre Zustimmung dürfen sie nur mit der Begründung versagen, daß die Voraussetzungen nach IV 1 c) in ihrem Bezirk nicht vorliegen. Führt die Fahrt nur auf kurze Strecken in ein anderes Land, so genügt es, statt mit der dortigen höheren Verwaltungsbehörde unmittelbar mit der örtlichen Straßenverkehrsbehörde und der örtlichen Straßenbaubehörde des Nachbarlandes Verbindung aufzunehmen. 4. An den Nachweis der Voraussetzungen der Erteilung sind strenge Anforderungen zu stellen. Ober das Verlangen von Sachverständigengutachten vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2. Die Erteilungsvoraussetzungen dürfen nur dann als amtsbekannt behandelt werden, wenn in den Akten dargelegt wird, worauf sich diese Kenntnis gründet. Die Straßenverkehrsbehörde hat, wenn es sich um eine Beförderung über eine Straßenstrecke von mehr als 100 km und um Oberschreiten der höchstzulässigen Abmessungen oder Gewichte von mehr als 10 % handelt, sich vom Antragsteller vorlegen zu lassen a) eine Bescheinigung der für den Versandort zuständigen Güterabfertigung darüber, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Fristen und unter welchen Gesamtkosten die Schienenbeförderung beziehungsweise die gebrochene Beförderung Schiene/Straße möglich ist, b) eine Bescheinigung der nächsten Wasser- und Schiffahrtsdirektion darüber, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Fristen und unter welchen Gesamtkosten die Beförderung auf dem Wasser beziehungsweise die gebrochene Beförderung Wasser/Straße möglich ist, c) aa) im gewerblichen Verkehr eine Bescheinigung des Frachtführers oder des Spediteurs über die tarifmäßigen Beförderungsentgelte und die Entgelte für zusätzliche Leistungen,
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bb) im Werkverkehr den Nachweis über die gesamten Beförderungskosten; wird der Nachweis nicht erbracht, kann das tarifmäßige Beförderungsentgelt zuzüglich der Entgelte für zusätzliche Leistungen als Richtwert herangezogen werden. 5. I 3 d) zu Absatz 2 gilt entsprechend. V I . Der Inhalt des Erlaubnisbescheides: 1. Der Fahrtweg ist in der Regel festzulegen. Dabei müssen sämtliche Möglichkeiten des gesamten Straßennetzes bedacht werden. Eine Beeinträchtigung des Verkehrsflusses in den Hauptverkehrszeiten muß vermieden werden. Auch sollte der Fahrtweg so festgelegt werden, daß eine Verkehrsregelung nicht erforderlich ist. 2. Erforderlichenfalls ist auch die Fahrtzeit festzulegen. Jedenfalls für Beförderungen, bei denen höchstzulässige Abmessungen oder Gewichte um mehr als 10 % überschritten werden, ist die Fahrtzeit auf folgenden Straßen so zu beschränken: a) Die Benutzung von Autobahnen ist in der Regel von Freitag 15.00 Uhr bis Montag 12.00 Uhr zu verbieten und, falls diese Straßen starken Berufsverkehr aufweisen, auch an den übrigen Wochentagen von 6.00 bis 9.00 Uhr und von 16.00 bis 19.00 Uhr. Vom 15. Juni bis 15. September sollte solchem Verkehr die Benutzung der Autobahnen möglichst nur von 22.00 bis 6.00 Uhr erlaubt werden; von Gründonnerstag bis Mittwoch nach Ostern und von Freitag vor Phngsten bis Mittwoch danach ist die Benutzung überhaupt zu verbieten. b) Auf Bundesstraßen samt ihren Ortsdurchfahrten und auf anderen Straßen mit erheblichem Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen solche Beförderungen in der Kegel nur von Montag 12.00 bis Freitag 15.00 Uhr erlaubt werden. Die Benutzung von Straßen mit starkem Berufsverkehr ist ihnen werktags von 6.00 bis 9.00 Uhr und von 16.00 bis 19.00 Uhr zu verbieten. Zu a) und b) Macht eine Beförderung die Sperrung einer Autobahn, einer ganzen Fahrbahn oder die teilweise Sperrung einer Straße mit erheblichem Verkehr notwendig, so ist sie nur in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr zu erlauben. 3. Soweit es die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erfordert, sind Bedingungen zu stellen und Autlagen zu machen. Die Auflage, das Fahrzeug oder den Zug besonders kenntlich zu machen, ist häuhg geboten, etwa durch Verwendung gelben Blinklichts oder durch Anbringung weiß-rot-weil$er Warniahnen oder weiß-roter Warnverkieidung am Fahrzeug oder Zug selbst oder an einem begleitenden Fahrzeug. 4. Polizeiliche Begleitung sollte in der Regel nur vorgeschrieben werden, wenn wegen besonderer Umstände verkehrsregelnde Maßnahmen unumgänglich sind (z. B . schwierige Straßen- oder Verkehrsverhältmsse, außergewöhnlich umfangreiches Beförderungsgut). V I I . Dauererlaubnis: 1. Einem Antragsteller kann, wenn die Voraussetzungen nach I V vorliegen und er nachweist, daß er häufig entsprechende Beförderungen durchführt, eine auf höchstens ein Jahr befristete Erlaubnis für Groüraum- und Schwertransporte erteilt werden. 2. Eine Dauererlaubnis darf nur erteilt werden, wenn a) polizeiliche Begleitung nicht erforderlich ist und b) der Antragsteller seine Beförderungen schon längere Zeit mit sachkundigen, zuverlässigen Fahrern und einwandfreien Fahrzeugen ohne Beanstandung durchgeführt hat. 3. Die Erlaubnis ist auf Fahrten zwischen bestimmten Orten zu beschränken; statt eines bestimmten Fahrtweges können dem Antragsteller auch mehrere zur Verfügung gestellt werden. Nur in Ausnahmefällen kann die Erlaubnis auch für alle Straßen im Zuständigkeitsbereich der Straßenverkehrsbehörde erteilt werden. In die Dauererlaubnis ist die Auflage aufzunehmen, daß der Antragsteller vor der Durchführung der Beförderung zu überprüfen hat, ob der beabsichtigte Fahrtweg für die Beförderung geeignet ist. Die Maße und Gewichte, die einzuhalten sind, und die Güter, die befördert werden dürfen, sind genau festzulegen. Erforderlichenfalls sind Bedingungen zu stellen oder Auflagen zu machen, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, Beförderungszeiten, Benutzung von Straßen bestimmter Mindestbreite. 4. Für die Zustellung und Abholung von Eisenbahnwagen zwischen einem Bahnhof und einer Versand- oder Empfangsstelle kann eine befristete Erlaubnis erteilt werden, wenn der Verkehr auf der Straße und deren Zustand dies zulassen; der Fahrtweg darf außerhalb geschlossener Ortschaften in der Regel 5 km nicht übersteigen. 5. Die höhere Verwaltungsbehörde, die nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 S t V Z O eine Ausnahmegenehmigung erteilt, kann zugleich eine allgemeine befristete Erlaubnis für Überschreitungen der nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 3 und § 34 S t V Z O zulässigen Abmessungen und Gewichte bis zu 10 % erteilen. 6. Eine Dauererlaubnis nach den Nummern 1 und 4 darf nur widerruflich erteilt werden. Sie ist zu widerrufen, wenn die Beförderungen unerträglich werden, im Falle der Nummer 1 auch dann, wenn der Erlaubnisinhaber gegen Bedingungen oder Auflagen vorsätzlich oder grobfahrlässig verstoßen hat. V I I I . I V 1 b), V 1 Satz 2, V 4 Satz 4 (einschließlich a bis c) und V I 2 Satz 2 (einschließlich a und b) sind auf Fahrten von und nach Berlin sowie im Verkehr mit der D D R nicht anzuwenden.
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Überblick
StVO
§ 29
Übersicht RNr. A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
1-2
1
B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 3-14 I. Rennen mit Kraftfahrzeugen 3 II. Arten erlaubnispfliditiger Veranstaltungen 4-5 1. Allgemeines 4 2. Motorsportliche Veranstaltungen 5 III. Wann sind Veranstaltungen erlaubnispflichtig? 6-10 1. Die Veranstaltung muß die 6 Straße „in Anspruch nehmen*
I. Amtliche Begründung
A
IV. V. VI. VII.
RNr. 2. Mehr als verkehrsüblidie Inanspruchnahme 3. Einschränkung der Straßenbenutzung 8-10 Allgemeines (8), Einschränkung wegen der Zahl der Teilnehmer (9), wegen des Verhaltens der Teilnehmer (10) Wer trägt die Verantwortung? 11 Verkehr mit überschweren Fahrzeugen 12 Fahrzeuge mit unzureichender Sicht 13 Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung 14
C. Bußgeldvorsdirift
15
" Allgemeines
Zu Absatz 1: Der Absatz übernimmt das allgemeine Verbot von Rennveranstaltungen mit Kraftwagen aus § 5 Abs. 3 StVO (alt) und erweitert es auf alle Rennveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, Motorradrennen anders zu behandeln. Zu Absatz 2: Weshalb der zweite Halbsatz des Satzes 2 eingefügt worden ist, ist bereits bei § 27 „Verbände" (zu Absatz 3) erläutert. Im übrigen bringt der Absatz geltendes Recht. Zu Absatz 3: Die Einfügung der neuen Vorschrift, daß auch für den Verkehr mit Fahrzeugen, deren Führer wegen der Bauart kein ausreichendes Siditfeld haben, eine Erlaubnis einzuholen ist, ist zwar an dieser Stelle nicht ganz korrekt, weil die Straße von solchen Fahrzeugen nicht immer übermäßig in Anspruch genommen wird. Da das aber doch häufig der Fall ist, ist es gerechtfertigt, für diese Vorschrift keinen besonderen Paragraphen zu schaffen. Gemeint sind vor allem verschiedene Typen von zugelassenen Baumaschinen, wie Bagger, Kranwagen. Im übrigen bringt der Absatz im wesentlichen geltendes Recht.
II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung § 29 übernimmt im wesentlichen, wenn auch nicht ohne gewisse Änderungen, die früher in § 5 StVO 1937 enthaltenen Vorschriften. Abs. 1 enthält das „Verbot" von Rennen mit Kraftfahrzeugen, während früher nur Veranstaltungen mit Kraftwagen auf öffentlichen Straßen verboten waren. Obwohl Abs. 1 für Rennen ein Verbot, Abs. 2 dagegen eine Erlaubnispflicht ausspricht, für sonstige Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblidi in Anspruch genommen werden, besteht doch insofern kein wesentlicher U n terschied, als auch Rennen mit Kraftfahrzeugen durch eine Ausnahmegenehmigung zugelassen werden können; (III, IV der V w v zu Abs. 1; § 46 Abs. 2). Nach I I a ) der Vwv zu Abs. 2 bedürfen auch genehmigte Rennveranstaltungen noch zusätzlich einer Erlaubnis; während die Genehmigung von der obersten Landesbehörde erteilt wird (§ 46 Abs. 2), gelten für die Erlaubnis die allgemeinen Vorschriften (§ 44 Abs. 3). Die V w v (a. a. O.) weist darauf hin, daß eine Ausnahmegenehmigung für eine Rennveranstaltung zu erteilen nur selten gerechtfertigt ist. Insofern hat das Verbot eine besondere Bedeutung, als die Teilnahme an einem verbotenen Rennen ordnungswidrig ist. Die Vorschrift wendet sich also nicht an den Veranstalter. Abs. 2 übernimmt Abs. 1 Nr. 1 des § 5 StVO 1937. Ergänzend weist er ausdrücklich darauf hin, daß Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehmen. Wird einem Kraftfahrzeugverband die Erlaubnis erteilt, dann sind neben etwaigen Auflagen die Vorschriften des § 27 zu beachten; (vgl. § 27 RNr. 11). N e u ist auch der ausdrückliche Hinweis, daß der Veranstalter dafür zu sorgen
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StVO
Möhl
hat, daß die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden. Diese Vorschrift überschneidet sich mit der des § 27 Abs. 5, nachdem der Führer des Verbandes dafür zu sorgen hat, daß die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden; (vgl. § 27 R N r . 8). Abs. 3 übernimmt § 5 Abs. 1 Nr. 2 StVO 1937 und dehnt die Erlaubnispflicht aus auf Fahrzeuge, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes Sichtfeld läßt. Die Begründung zu Abs. 3 weist darauf hin, daß die Einfügung der neuen Vorschrift an dieser Stelle „nicht ganz korrekt" sei, weil die Straße von solchen Fahrzeugen nicht immer übermäßig in Anspruch genommen wird. Die Vorschrift ergänzt die in § 23 enthaltene, nach der der Fahrzeugführer dafür verantwortlich ist, daß seine Sicht nicht durch den „Zustand" des Fahrzeugs beeinträchtigt wird; (§ 23 RNr. 5). Nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 verwiesen wurde die früher in § 5 Abs. 1 Nr. 3 StVO 1957 enthaltene Vorschrift über Lautsprecher. Allgemein verboten sind nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3 Verkehrsbeeinträchtigungen durch Werbung auf der Straße. Ergänzt wird § 29 durch § 30 Abs. 2, der Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen der Erlaubnispflicht unterstellt, wenn sie die Nachtruhe stören können. Die in § 5 Abs. 2 StVO 1937 an die Straßenverkehrsbehörde gerichtete Anordnung findet sich nun in I 3 d der Vwv zu Abs. 2. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 3
I. Rennen mit Kraftfahrzeugen Rennen mit Kraftfahrzeugen sind meist Veranstaltungen, für die die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden. Sie wären also nach Abs. 2 erlaubnispflichtig, wenn sie nicht nach Abs. 1 verboten wären. Rennen unterscheiden sich von sonstigen Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen dadurch, daß ihr Zweck ist, eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erzielen. Das setzt nicht voraus, daß die am Rennen Beteiligten zur gleichen Zeit starten; auch Bergprüfungen, Sprintprüfungen usw. gehören dazu, wenn die Fahrtzeit gewertet wird (II der Vwv zu Abs. 1); nicht aber sonstige Leistungsprüfungen aller Art, die aber erlaubnispflichtige Veranstaltungen im Sinne des Abs. 2 sein können; (s. RNr. 5). „Rennen" müssen nicht „Veranstaltungen" im Sinne des Abs. 2 sein, denkbar sind auch „wilde" Rennen, die spontan von mehreren Kraftfahrern „veranstaltet" werden. Auch diese sind nach Abs. 1 verboten. Sie können auch nicht genehmigt werden, weil sie keinen „Veranstalter" haben. Zu beachten ist, daß sich das Verbot von Rennen nunmehr auf alle Arten von Kraftfahrzeugen erstreckt, also auch auf Motorräder oder Fahrräder mit Hilfsmotor. Für Fahrradrennen gilt Abs. 1 nicht, wohl aber u. Umst. Abs. 2. Dann sind nach II der Vwv zu Abs. 2 die für die erlaubnispflichtigen Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen geltenden Bestimmungen der Vwv sinngemäß anzuwenden. II. Arten erlaubnispfliditiger Veranstaltungen
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1- Allgemeines Der Begriff „Veranstaltung" setzt eine planmäßige Vorbereitung voraus. Aus äußeren Gründen massierter Verkehr (etwa bei Fabrikschluß) ist keine „Veranstaltung". Außerdem muß eine mit der geplanten Veranstaltung notwendig verbundene Massierung von Fahrzeugen oder Personen vorliegen. Die Aufstellung von einzelnen Werbeomnibussen ist keine „Veranstaltung" (kann aber nach § 32 oder § 33 verboten sein)1). Der Begriff „Veranstaltung" umfaßt auch bereits die Vorbereitungen zur Durchführung des Planes. Vgl. zur früheren Rechtslage: OVG Berlin 8. 7. 59, DÖV 60, 352; Köln 1. 9. 61, JMB1.NRW 62, 84 = DAR 62, 88; KG 28. 12. 61, VRS 22, 223; a. M. BayObGLSt
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66, 7 (18. 1. 66) = VkBl. 66, 203 = VerkMitt. 66, 26 = VRS 30, 466; BVerwG 22. 1. 71, MDR 71, 608.
Rennen; erlaubnispflichtige Veranstaltungen
StVO
§ 29
Audi wenn die geplante Veranstaltung schließlich nicht stattfindet, kann derjenige als „Veranstalter" zur Verantwortung gezogen werden, der ohne Erlaubnis in der Öffentlichkeit Vorbereitung dafür getroffen hat. Nur solche Veranstaltungen sind erlaubnispflichtig, bei denen öffentliche Straßen (§ 1 RNr. 40—57 StVG) in Anspruch genommen werden. (Für Bundesfernstraßen gilt § 8 FStrG s. Bd. II Teil VII.). Andere Veranstaltungen, z. B. Schwimmveranstaltungen sind vom Standpunkt des Straßenverkehrs erlaubnisfrei. Die Veranstaltung muß auf den Verkehr einwirken, sei es durch Bewegungsvorgänge oder Vorgänge, die mit der Benutzung der Straße zu Verkehrszwecken zusammenhängen: Fahrzeugbereitstellungen, Parken. Beanspruchung der Straße zu anderen Zwecken als dem Verkehr, — fester Verkaufsstand (Zeitungskiosk) oder nidit fester (Obstverkauf von Handwagen) — mag auf anderen Rechtsgebieten nicht ohne weiteres zulässig sein, fällt aber nicht unter § 29; sie wird deshalb auch besonders, nämlich in § 33, behandelt. Dabei ist nicht zu prüfen, ob die betreffende Benutzung der Straße zum Gemeingebrauch gehört; diese Frage hat Bedeutung nur für Verkehrsvorgänge. Es ist eben nicht Veranstaltung im Sinne des § 29, wenn die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benutzt wird, z. B. Aufstellen des instandzusetzenden Fahrzeugs vor der Werkstatt, Aufstellen eines Reklame-(Werbe-)fahrzeugs, um Kauflustigen die im Fahrzeug ausgestellten Waren zu zeigen2). Bremsprüfungen sind nach I 1. c, der Vwv zu Abs. 2 Veranstaltungen. Unter den Begriff „Veranstaltung" fallen neben motorsportlichen Veranstaltungen (s. unten RNr. 5 f.) z. B. Aufmärsche, Umzüge, Stafettenläufe, Filmaufnahmen3) mit und ohne Kraftfahrzeugbetrieb. Während früher nur „Fahrten" betroffen wurden, fallen jetzt auch Veranstaltungen von Fußgängern und Reitern unter den Erlaubniszwang, soweit sie öffentliche Straßen beanspruchen4). Veranstaltungen im Sinne des § 29 sind auch öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge. Für sie gilt aber, worauf III der Vwv zu Abs. 1 hinweist, eine Ausnahme, soweit für sie die Bestimmungen der §§ 14 bis 16 des Versammlungsgesetzes gelten. Notwendige Maßnahmen verkehrlicher Art hat in diesem Fall die Straßenverkehrsbehörde der für Versammlungen zuständigen Behörde vorzuschlagen. Soweit § 17 Versammlungsges. bestimmte Veranstaltungen (Gottesdienst unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgang, Wallfahrt, Leichenbegängnis, Hochzeitsgesellschaft, Volksfest) von den Vorschriften des Versammlungsges. ausnimmt, ist auf sie § 29 StVO anzuwenden. Auch rein wirtschaftliche Maßnahmen können »Veranstaltungen" im Sinne des § 29 sein: Erprobung von Kraftfahrzeugen durch den Hersteller, Durchführung von Beförderungen, die den allgemeinen Verkehr in besonderem Maße beeinträchtigen. Immer aber muß die Straße mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden. Vgl. unten RNr. 7. 2. Motorsportliche Veranstaltungen (Abs. 1 u. 2) Die Richtlinien des BMV über die Durchführung motorsportlicher Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen i. d. F. vom 11. Januar 1957 VkBl. 57, 24 geändert und ergänzt am 24. 6. 58; VkBl. 58, 431 sowie die Richtlinien über Mindestanforderungen zum Schutz von Zuschauern, Rennfahrern und Sportwarten bei Rennveranstaltungen i. d. F. vom 11. 1. 57 VkBl. 57, 28 sind durch die Vwv zu Abs. 1 u. 2 ersetzt worden. Darnach ist neben Rennen an folgende Veranstaltungen zu denken: a) Gleichmäßigkeitswertung (z. B. Railies, Zuverlässigkeits- und Leistungsprüfungsfahrten); b) Erreichen eines bestimmten Zieles (z. B. Sternfahrten, Bildersuch-, Fuchssuch-, Reorientierungs- und Ballonbegleitfahrten); ) Vgl. BayObLGSt 56, 35 (1. 2. 56) = VerkMitt. 56, 21. ») Hamburg 26. 3. 58, VerkMitt. 58, 33 = VRS 15, 371 = DRspr. I I (291) 50 c. 2
4
) K G 26. 2. 37, VAE 37, 287.
641 41 StVO + S t G B
§ 29
Möhl
StVO
c) W e r t u n g s p r ü f u n g e n f ü r Fahrer und Fahrzeuge Schönheitskonkurrenzen, B l u m e n k o r s o s . N a c h § 29 Abs. 1 sind R e n n v e r a n s t a l t u n g e n Straßen verboten.
(z.
B.
Geschwindigkeitsprüfungen,
mit K r a f t f a h r z e u g e n auf
öffentlichen
F ü r die Unterscheidung zwischen R e n n v e r a n s t a l t u n g e n u n d anderen motorsportlichen Veranstaltungen k ö n n e n die früheren B e g r i f f e „ W e t t f a h r t " und „ Z u v e r l ä s s i g k e i t s f a h r t " noch von N u t z e n sein: Wettfahren (Rennen) bezweckt E r m i t t l u n g der höchsten Geschwindigkeit. D a s Fahren u m andere Ziele, z. B. die geringste Geschwindigkeit, wird m a n als Zuverlässigkeitsfahrt, also „ V e r a n s t a l t u n g " , ansehen müssen. Zuverlässigkeitsfahrten sollen hauptsächlich die D a u e r h a f t i g k e i t der Wagen u n d die Betriebssicherheit der Maschinen erproben, aber auch die Geschicklichkeit und Widerstandsfähigkeit der Führer. E r h ö h u n g der Geschwindigkeit des v o r a u f f a h r e n d e n Fahrzeugs, u m ein überholendes nicht vorbeizulassen, ist vielleicht Verstoß gegen §§ 1, 5 Abs. 6, jedoch weder Veranstaltung noch R e n n e n ; ebensowenig E r h ö h u n g der Geschwindigkeit, nur u m das langsamer v o r a u f f a h r e n d e F z zu überholen; hier fehlt der planmäßige K a m p f zweier K r a f t f a h r z e u g e 5 ) . Bei Sternfahrten — an beliebigen O r t e n beginnend, an einem bestimmten O r t endigend — wählt sich jeder Teilnehmer seinen Weg beliebig; es handelt sich u m eine R e i h e Einzelfahrten u n d schon deshalb nicht u m Rennen, wohl aber u m Veranstaltung nach Abs. 2. A u d i kann, da die Fahrten nach gemeinsamem Ziel gehen, die d a m i t verbundene A n h ä u f u n g v o n Fahrzeugen in der näheren U m g e b u n g des Ziels und an diesem selbst die G r u n d l a g e zur Behandlung solcher Fahrten nach Abs. 2 geben. Fuchsjagden'), Geschicklichkeits- u n d F i n d i g k e i t s p r ü f u n g e n 7 ) wie Bildersuchfahrten, Schnitzelsuchfahrten u n d Orientierungsfahrten u. dgl. bedürfen nach I 1. d) der V w v zu Abs. 2 auf öffentlichen Straßen jedenfalls dann der Erlaubnis, wenn aus den Wettbewerbsbedingungen hervorgeht, daß eine A u s w e r t u n g auf kürzeste Fahrzeit erfolgt. Ballonbegleitfahrten d ü r f e n grundsätzlich nicht zugelassen werden. V w v a. a. O . F ü r die D u r c h f ü h r u n g genehmigter Veranstaltungen gelten die allgemeinen Vorschriften. D e r bei R e n n e n v e r f o l g t e Zwedt (größtmögliche Geschwindigkeit) darf, selbst wenn die Strecke den Teilnehmern ausschließlich zur V e r f ü g u n g steht, zur M i n d e r u n g der A n f o r d e r u n g e n an die F ü h r e r s o r g f a l t nur führen, soweit die besonderen Verhältnisse des Rennens das unabweislidi f o r d e r n ; ob Handlungsweise schuldhaft, ist im Einzelfall zu p r ü f e n 8 ) ; mangels Sondervorschriften gelten auch f ü r Zuverlässigkeitsfahrten S t V G , S t V Z O u n d S t V O 9 ) ; anders, wenn die Fahrten auf nichtöffentlichen oder f ü r die F a h r t d a u e r im übrigen gesperrten Wegen s t a t t f i n d e n ; dann gelten weder S t V Z O und S t V O noch die f ü r den Verkehr auf ö f f . Wegen erlassenen Bestimmungen des S t V G , wohl aber die H a f t pflichtvorschriften. D i e Veranstalter v o n R e n n e n (auch v o n Radrennen) und sonstigen t r i f f t eine Verkehrssicherungspflicht; (Abs. 2 S. 3).
Veranstaltungen
Bürgerlich-rechtlich ist der Veranstalter, wenn er sich nicht eines sorgfältig ausgewählten Rennleiters bedient, f ü r einen dem gegen Eintrittsgeld zugelassenen Zuschauer durch Verschulden der Rennteilnehmer bei A u s f ü h r u n g eines Rennens zugefügten Schaden verantwortlich 1 0 ); (s. auch S t V G § 16 R N r . 160). Pflicht des Veranstalters, auch ohne vertragliche Beziehung d a f ü r zu sorgen, daß niemand zu Schaden k o m m t : (Verletzung der 5) «) 7) 8)
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Celle 31. 1. 30, DAR 31, 156 Celle 19. 11. 32, DAR 33, 56 Celle 21. 12. 31, DAR 32, 191 BGHSt 5, 318; StVG § 18 RNr. 26 (I in Bd. I).
") RGZ 130, 162 (dazu DAR 31, 37 und 65); BGH 22. 6. 55, DAR 55, 194. 10) RGZ 127, 313; Müller, JW 32, 2823.
StVO
Erlaubnispflicht
§ 29
Verkehrssorgfalt, wenn das n u r mit außergewöhnlicher Gefahr (Regen) durchführbare Rennen nicht abgesagt wird) 11 ). Den Zuschauer, der Sicherungsvorkehrungen mißachtet, kann eine Mitschuld treffen 1 2 ). Beim verletzten Zuschauer kann der Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder § 254 BGB eingreifen 13 ). Zur Versicherungspflicht vgl. I. 2. a) cc) u n d f), der Vwv zu Abs. 2. III. Wann sind „Veranstaltungen" erlaubnispflichtig? 1. Die Veranstaltung muß die Straße „in Anspruch nehmen". Die Straße m u ß durch die Veranstaltung unmittelbar besonders stark in Anspruch gen o m m e n werden, es genügt nicht, daß dies unmittelbar aus Anlaß einer Veranstaltung geschieht, etwa bei künstlerischen Darbietungen in einer Stadt, wozu durch Zuströmen Schaulustiger ein das Verkehrsübliche überschreitender Verkehrsandrang entsteht; solche D a r bietung mag die Behörde zu Maßnahmen auch v o m verkehrspolizeilichen S t a n d p u n k t veranlassen, kann aber nicht wegen ihrer mittelbaren Auswirkung auf den Verkehr der Erlaubnispflicht nach § 29 u n t e r w o r f e n werden. Anders etwa bei Benutzung der Straße zur Aufstellung von Verbänden zu Besichtigungszwecken; da handelt es sich um Inanspruchnahme der Straße unmittelbar „ f ü r " die Veranstaltung. Lautsprecherbetrieb k ö n n t e Inanspruchnahme der Straße im Sinne der N r . 1 sein, nämlich wenn der LtSpr auf der Straße aufgestellt ist oder v o n einem Straßenfahrzeug aus betrieben wird 1 4 ). Vgl. § 33 Abs. 1 N r . 1. 2. Mehr als verkehrsübliche Inanspruchnahme „Mehr als verkehrsüblich" ist eine Inanspruchnahme der Straße, die über den Gemeingebrauch hinausgeht, d. h. über den einem jeden k r a f t öffentlichen Rechts offenstehenden freien Gebrauch der Wege f ü r den Verkehr innerhalb der besonderen Bestimmung der einzelnen Wege, der seine natürliche Grenze im gleichen Recht aller findet 1 5 ). Das „Verkehrsübliche" ist kein starrer Rechtsbegriff, sondern wird durch die fortschreitende E n t wicklung der Verkehrsformen und die daraus folgenden Notwendigkeiten bestimmt. Zur Abgrenzung von Gemeingebraudi u n d Sondernutzung vgl. §§ 7, 8 FernStrG, XII in Bd. II. § 29 Abs. 2 S. 2 erläutert, w a n n Straßen durch Veranstaltungen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden. 3. Die „Einschränkung" der Straßenbenützung für den allgemeinen Verkehr Allgemeines Nach dem Wortlaut der Bestimmungen ist übermäßige Straßenbenutzung n u r in den besonderen Fällen des S. 2 Voraussetzung der Erlaubnispflicht. Zwar sind auch Fälle einer übermäßigen Straßenbenutzung denkbar, durch die der allgemeine Verkehr nicht eingeschränkt wird, so wenn die übermäßige Straßenbenutzung darauf zurückzuführen ist, daß übergroße und überschwere Fahrzeuge oder Züge verwendet werden. Dieser Fall wird in Abs. 2 geregelt. Veranstaltungen nehmen mehr als verkehrsüblich die Straßen in Anspruch, wenn die Benutzung der Straßen f ü r den allgemeinen Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer eingeschränkt wird. Einschränkung
wegen der Zahl der
Teilnehmer
„Teilnehmer" sind jedenfalls die aktiv an der Veranstaltung Beteiligten, z. B. die Mitglieder einer Marschkolonne oder einer Prozession. Fraglich ist, ob auch die Zuschauer " ) RG 12. 1. 33, D A R 33, 42. 12 ) OLG Bremen 18. 2. 55, D A R 55, 192. 1S ) R G Z 130, 162; s. auch Moll, RdK 1932, 117.
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) LVG Düsseldorf 29. 4. 52, D V B l . 52, 663 = D A R 52, 144. >) Plakat tragender Fußgänger: BayObLGSt 53, 45 (4. 3. 53).
lr
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§ 29
StVO
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an einer Veranstaltung zu den Teilnehmern gehören. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her gesehen werden sie dazu zu zählen sein. Das Hinströmen von Zuschauern zur Rennbahn, die Aufstellung der Zusdiauer am Straßenrand bei Aufzügen und Prozessionen gehört mit zu den Veranstaltungen, ist notwendige Folge und bedeutet in seiner Auswirkung eine oft empfindlichere Einschränkung der Straßenbenutzung für den Verkehr als die Veranstaltung selbst. Bei Prüfung der Frage, ob durch eine Veranstaltung Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, müssen also diese Randerscheinungen mitberücksichtigt werden 18 ). Halbsatz 2 des S. 2 enthält eine unwiderlegliche Vermutung: Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblidi in Anspruch; (vgl. § 27 RNr. 11). Für alle geschlossenen Verbände, die der Erlaubnispflicht nach Abs. 2 unterliegen, gelten daneben die Sondervorschriften des § 27. Die in der behördlichen Erlaubnis enthaltenen Bedingungen und Auflagen können auch die nach § 27 bestehenden besonderen Verpflichtungen zum Gegenstand haben und sie näher umschreiben. •JO
Einschränkung wegen des Verhaltens der Teilnehmer Über „Teilnehmer" s. R N r 9. Die sprachlich wenig geglückte Fassung (Einschränkung der Benutzung wegen „des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge") muß aus dem Zusammenhang verstanden werden: Die „Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge" ist eine Folge des „Verhaltens der Teilnehmer", ist also in diesem bereits inbegriffen. Das Verhalten der Teilnehmer schränkt die Benutzung der Straßen für den allgemeinen Verkehr dann ein, wenn die nötige Rücksichtnahme auf sonstige Verkehrsteilnehmer nicht gewährleistet ist. Das ist insbesondere der Fall bei allen motorsportlichen Veranstaltungen (vgl. oben R N r . 5). IV. Wer trägt die Verantwortung? (Abs. 2 S. 3) Nach Abs. 2 S. 3 hat der „Veranstalter" dafür zu sorgen, daß die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden. Der Veranstalter hat zunächst die Pflicht, die Erlaubnis zu beantragen. Wird eine erlaubnispflichtige Veranstaltung ohne Erlaubnis durchgeführt, dann trifft ihn die Verantwortung. Er hat aber darüber hinaus auch dafür zu sorgen, daß die Teilnehmer der Veranstaltung sich verkehrsgemäß verhalten. Damit werden diese nicht von ihrer eigenen Sorgfaltspflicht befreit. Dagegen trägt er in der Regel die Verantwortung dafür allein, daß etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden, welche an die Erteilung der Erlaubnis geknüpft wurden. Jedoch teilt er, soweit es sich um geschlossene Verbände im Sinne des § 27 handelt, diese Verantwortung mit dem „Führer" des Verbandes, der mit dem Veranstalter nicht identisch zu sein braucht.
•J2
V. Verkehr mit überschweren Fahrzeugen (Abs. 3 S. 1) Früher war die „Beförderung ungewöhnlich schwerer oder umfangreicher Gegenstände" erlaubnispflichtig. Seit der Neufassung vom 14. 3. 56 wird auf die Fahrzeuge abgestellt. Da aber auch nach der früheren Fassung die Beförderung nur dann erlaubnispflichtig war, wenn die überschweren Gegenstände in überschweren Fahrzeugen befördert wurden, lag darin sachlich keine wesentliche Abweichung. Neu war allerdings, daß der Verkehr mit Fahrzeugen, deren Gesamtgewicht oder Abmessungen ungewöhnlich groß sind, schlechthin erlaubnispflichtig wurde; also auch dann, wenn die Straße für den allgemeinen Verkehr nicht eingeschränkt wurde (oben RNr. 8). Während nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StVO 1937 der Verkehr mit Fahrzeugen, deren Gesamtgewicht oder Abmessungen „ungewöhnlich groß" ist, erlaubnispflichtig war, wird in " ) A. M. Müller 21. Aufl. § 5 StVO Anm. 11.
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„Veranstalter"; überschwere Fahrzeuge
StVO
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§ 29 Abs. 3 klarer abgestellt auf die Überschreitung „der gesetzlichen Grenzen", auch wird die Überschreitung der Achslasten mitaufgeführt. Welche Abmessungen zulässig sind und was unter Achslast und Gesamtgewicht zu verstehen ist, ergibt sich aus §§ 32, 34 StVZO. Ist nicht das Fahrzeug oder der Zug, sondern nur die Ladung zu breit oder zu hoch oder ragt die Ladung nach vorne oder hinten zu weit hinaus (§§ 18 Abs. 1 S. 2, 22 Abs. 2—4), so ist nadi § 46 Abs. 1 N r . 5 eine Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde zu erwirken. Diese Genehmigung ersetzt die nach § 29 Abs. 3 erforderliche Erlaubnis (s. III der Vwv zu Abs. 3). Von der Erlaubnis zum Verkehr auf öffentlichen Straßen nach Abs. 3 zu unterscheiden ist die Zulassung überschwerer Fahrzeuge zum Verkehr nach § 70 StVZO. Die Erlaubnis nach Abs. 3 kann nur f ü r bereits zugelassene Fahrzeuge erwirkt werden. Die allgemeine Zulassung eines Fahrzeuges zum öffentlichen Verkehr bedeutet die Anerkennung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges; wird durch Ausnahmebewilligung (§ 70 StVZO) ein Abweichen von den Vorschriften genehmigt, so darf allein aus dieser Regelwidrigkeit der Betrieb des Fahrzeugs auf öff. Straßen nicht grundsätzlich verwehrt werden. Den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Fahrzeuge nehmen am Gemeingebrauch der öff. Straßen teil; überschwere Fahrzeuge überschreiten dessen Grenzen, bedürfen also zum Verkehr einer besonderen Ermächtigung, f ü r die die Zulassung mit ihrem Verzicht auf Einhaltung gewisser Vorschriften eine Voraussetzung ist; §§ 18—29 StVZO. Die Zulassungsstelle will und kann audi nicht — mangels Kenntnis der einschlägigen, insb. örtlichen Verhältnisse — den uneingeschränkten Verkehr übergroßer Fahrzeuge auf allen öff. Straßen gestatten. Die Erlaubnis des Verkehrs aus § 29 und der nach § 70 StVZO zulässige Betrieb haben also miteinander unmittelbar nichts zu tun; sie stehen nicht so in Zusammenhang, daß die erforderliche eine durch die andere mitergriffen, also ersetzt wird. Die eine Erlaubnis betrifft den Verkehrsvorgang, die andere das Fahrzeug. Liegt f ü r das Fahrzeug eine allgemeine Erlaubnis (Zulassung) vor, so bedarf es nur noch der Erlaubnis aus § 29 f ü r den Verkehrsvorgang; umgekehrt ist denkbar, daß die Beförderung bestimmter Gegenstände schon (5 46 Abs. 1 N r . 5) grundsätzlich und allgemein, z. B. bei Einhaltung bestimmter Wege, genehmigt worden ist, noch nicht dagegen die Verwendung eines von den Vorschriften abweichenden Fahrzeugs. Die Vorschriften der StVO über die Erlaubnispflicht f ü r den Verkehr mit überschweren Fahrzeugen schließen wegerechtliche Bestimmungen des Landesrechts aus, welche die Beschädigung eines Straßenkörpers durch ein solches Fahrzeug mit Buße bedrohen 17 ). V. Fahrzeuge mit unzureichender Sicht Nach § 35 b Abs. 2 StVZO muß f ü r den Fahrzeugführer ein ausreichendes Sichtfeld unter allen Betriebs- und Witterungsverhältnissen gewährleistet sein. Entspricht ein Fahrzeug dieser Vorschrift nicht, dann ist das Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig, der Fahrzeugführer handelt nach § 23 Abs. 1 S. 2 StVO, § 69 a Abs. 3 N r . 7 StVZO, der Halter nach $§ 31 Abs. 2, 69 a Abs. 5 N r . 3 StVZO ordnungswidrig. Mit diesen Vorschriften schneidet sich § 29 Abs. 3 S. 2, nach dem der Verkehr mit Fahrzeugen, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes Sichtfeld läßt, der Erlaubnis bedarf. Gemeint sind nach der Begründung zu Abs. 3 vor allem verschiedene Typen von zugelassenen Baumaschinen, wie Bagger, Kranwagen. Die Erlaubnis ist bei solchen Fahrzeugen nur notwendig, soweit sie am öffentlichen Verkehr teilnehmen. Sichtbehinderungen durch Besetzung, Ladung oder Zustand des Fahrzeugs fallen nicht unter § 29, sondern unter § 23 Abs. 1 S. 1. 17
) BayObLG 25. 1. 61, VRS 21, 154.
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§§ 29, 30
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Möhl
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VI. Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung Die Vorschriften über das Erlaubnisverfahren finden sich in der Vwv zu § 29. Ausnahmegenehmigungen f ü r Rennen (Abs. 1) erteilen nach § 46 Abs. 2 die zuständigen obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. Die Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 erteilt gemäß § 44 Abs. 3 in der Regel die Straßenverkehrsbehörde; geht die Veranstaltung über den Bezirk einer Straßenverkehrsbehörde hinaus, die höhere Verwaltungsbehörde; geht sie über den Verwaltungsbezirk einer höheren Verwaltungsbehörde hinaus, die oberste Landesbehörde. Die örtliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde in besonderen Fällen ergibt sich aus § 47 Abs. 1. Für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 ist nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 S. 3 die Straßenverkehrsbehörde zuständig. Die Erlaubnis f ü r die übermäßige Benutzung der Straße durch die nach § 35 mit Sonderrechten ausgestatteten Verbände (Bundeswehr etc.) erteilt nach § 47 Abs. 3 die höhere Verwaltungsbehörde.
15
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Die Normadressaten der Abs. 1—3 sind verschieden. Abs. 1 wendet sich an alle, die an einem verbotenen Rennen als Kraftfahrzeugführer teilnehmen, Abs. 2 an den Veranstalter, Abs. 3 an den Fahrzeugführer. Demgemäß handelt nach § 49 Abs. 2 N r . 5, wer als Kraftfahrzeugführer entgegen § 29 Abs. 1 an einem Rennen teilnimmt, nach N r . 6, wer entgegen § 29 Abs. 2 S. 1 eine Veranstaltung durchführt oder als Veranstalter entgegen § 29 Abs. 2 S. 3 nicht dafür sorgt, daß die in Betracht kommenden Verkehrsvorschriften oder Auflagen befolgt werden und nadi N r . 7, wer entgegen § 29 Abs. 3 ein dort genanntes Fahrzeug oder einen Zug fährt, ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. Das bedeutet aber nicht, daß nicht auch die an einer nicht erlaubten Veranstaltung Teilnehmenden u. Umst. als Beteiligte nach § 9 OWiG zur Verantwortung gezogen werden können. Der Veranstalter eines verbotenen Rennens handelt nach Abs. 2 ordnungswidrig, weil jedes Rennen eine „Veranstaltung" im Sinne des Abs. 2 ist. Daneben kann er aber auch als Anstifter (Beteiligter) zur Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 belangt werden. § 30 Lärmschutz und Sonntagsfahrverbot (1) Bei der Benutzung v o n Fahrzeugen ist unnötiges Lärmen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotore unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, w e n n andere dadurch belästigt werden. (2) Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen bedürfen der Erlaubnis, w e n n sie die Nachtruhe stören können. (3) An Sonntagen und Feiertagen dürfen in der Zeit v o n 0 bis 22 Uhr Lastkraftw a g e n mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastk r a f t w a g e n nicht verkehren. Das Verbot gilt nicht für Fahrten von und nach Berlin sowie i m Verkehr mit der DDR. (4) Feiertage i m Sinne des Absatzes 3 sind Neujahr, 17. Juni, Karfreitag, Allerheiligen (1. November), jedoch nur Ostermontag, in Baden-Württemberg, NordrheinTag der Arbeit (1. Mai), Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem SaarChristi Himmelfahrt, land, Pfingstmontag, B ü ß - und Bettag, jedoch nicht in Bayern, l . und 2. Weihnachtstag. Fronleichnam, jedoch nur in BadenWürttemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, 646
StVO
Lärmschutz und Sonntagsfahrverbot
§ 30
Vwv zu § 30 Zu Absatz 1 Unnötiger L ä r m wird auch verursacht durch 1. 2. 3. 4.
unnötiges Laufenlassen des Motors stehender Fahrzeuge, Hochjagen des Motors im Leerlauf und beim Fahren in niedrigen Gängen, unnötig schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim A n f a h r e n , zu schnelles Fahren in K u r v e n ,
5. unnötig lautes Zuschlagen von Wagentüren, Motorhauben und Kofferraumdeckeln.
Zu Absatz 2 I. Als Nachtzeit gilt die Zeit zwischen 22 und 6 U h r . I I . N u r Veranstaltungen mit nur wenigen K r a f t f a h r z e u g e n und solche, die weitab von lichen Behausungen stattfinden, vermögen die Nachtruhe nicht zu stören. I I I . Die Polizei und die betroffenen Gemeinden sind zu hören.
mensch-
Zu Absatz 3 V o m Sonntagsfahrverbot sind nicht betroffen Zugmaschinen, die ausschließlich dazu dienen, andere Fahrzeuge zu ziehen, und nicht dazu bestimmt sind, Güter auf eigener Ladefläche zu befördern, ebenso nicht K r a f t f a h r z e u g e , bei denen die beförderten Gegenstände zum I n v e n t a r der Fahrzeuge gehören (z. B . Ausstellungs-, Filmfahrzeuge).
Übersicht RNr.
RNr. A . Allgemeines I . Amtliche Begründung I I . Uberblick — Vergleich m i t der bisherigen Regelung
1-2 1
B. I n h a l t der Vorschrift im einzelnen I. Lärmschutz 1. Unnötiges L ä r m e n (Abs. 1 S. 1)
3-6 3-4 3
I. Amtliche Begründung
2
2. Nächtliche Veranstaltungen mit K r a f t f a h r z e u g e n (Abs. 2) I I . Unnützes H i n - und H e r f a h r e n (Abs. 1 S. 2) I I I . F a h r v e r b o t an Sonn- und Feiertagen C . Bußgeldvorschrift und K o n k u r r e n z e n
4 5 6 7
A. Allgemeines
Zu Absatz 1: D e m Verkehrslärm zu begegnen, ist dringlich. Es ist daher angebracht, das V e r b o t unnötigen L ä r mens ausdrücklich auszusprechen. D i e Bedeutung des Satzes 1 wird in S a t z 2 durch Anfügung zweier besonders häufig zu beobachtender Beispiele von Lärmtatbeständen unterstrichen. D i e Sprache des dritten Satzes ist gewollt volkstümlich. U n t e r H i n - und H e r f a h r e n ist, wie nicht zweifelhaft sein kann, die ständige Benutzung der gleichen Straßenzüge, also auch das ständige Fahren im G e v i e r t , zu v e r stehen. Gemeint sind vor allem die K r a f t r a d - , Moped- und die im nächsten Absatz nochmals erwähnten R a d f a h r e r . W a s unnütz ist, weiß der Laie sehr wohl, Polizei und J u s t i z werden also um so eher damit fertig werden. U n n ü t z ist es nicht, wenn ein V a t e r seinen Sohn zum Erlernen des R a d fahrens unter seiner Aufsicht a u f - und abfahren l ä ß t ; unnütz ist es, wenn ein R a d f a h r e r , um sich Bewegung zu verschaffen, sich immer im engen G e v i e r t bewegt, wenn dazu auch andere Straßen zur Verfügung stehen; K r a f t f a h r e r sind noch freier beweglich und sind zu abendlichen Spazierfahrten kaum je auf wenige S t r a ß e n angewiesen.
Zu Absatz 2: Motorsportliche Veranstaltungen werden o f t bei Nacht durchgeführt. O b die d a m i t Störung der Nachtruhe zu verantworten ist, darüber muß die Straßenverkehrsbehörde können.
verbundene mitsprechen
Zu Absatz 3: D i e Vorschrift übernimmt das sogenannte Sonntagsfahrverbot ( J 4 a S t V O a l t ) und bringt dabei einige notwendige Klarstellungen. D i e umständliche Formulierung „zur Beförderung von Gütern bestimmter K r a f t f a h r z e u g e " wird durch den B e g r i f f L a s t k r a f t w a g e n ersetzt. D a ß im Sinne dieser V e r ordnung darunter auch die zur Güterbeförderung bestimmten S a t t e l k r a f t f a h r z e u g e fallen, ist in der Begründung zu § 3 Abs. 3 (zu N r . 2) gesagt worden. D e r letzte Satz verdeutlicht nur, was heute schon gilt.
Zu Absatz 4: Die Verordnung hält es für ihre Aufgabe, die Streitfrage, was unter gesetzlichen Feiertagen in § 4 a S t V O (alt) zu verstehen ist, dahin zu klären, d a ß damit im Prinzip nur solche Feiertage gemeint sind, die bundesgesetzlich oder auf G r u n d übereinstimmender Landesvorschriften einheitlich im
647
§ 30
StVO
Möhl
gesamten Bundesgebiet als solche anerkannt sind; diese sind in Absatz 3 aufgezählt. Wegen der hohen Bedeutung von Fronleichnam und Allerheiligen sind auch diese beiden Feiertage in die Liste aufgenommen worden; aber diese beiden zusätzlichen Verkehrsverbote bleiben auf bestimmte Länder beschränkt, die namentlich aufgezählt werden. Das Verkehrsverbot auch auf andere Feiertage von einzelnen Ländern zu erstrecken, wäre verfehlt, da nur Einheimische sie kennen. Selbstverständlich greift Absatz 3 nicht in das Recht der L ä n d e r ein, zu bestimmen, welche Tage gesetzliche Feiertage sind; die Vorschrift zählt nur diejenigen Tage auf („im Sinne des Absatzes 2 " ) , an denen das bundesrechtliche Verkehrsverbot gilt. D a f ü r sind Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, aber auch der Praktikabilität maßgeblich.
2
ü . Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung Nach § 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB begeht eine Übertretung, wer ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt. § 30 Abs. 1 verbietet unnötiges Lärmen bei der Benutzung von Fahrzeugen. Soweit der bei Benutzung eines Fahrzeugs erzeugte Lärm ruhestörend im Sinne des § 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB ist, geht diese Vorschrift nach § 17 Abs. 1 OWiG als Strafbestimmung vor. Das setzt aber einmal vorsätzliches Handeln voraus, außerdem muß tatsächlich jemand durch den Lärm in seiner Ruhe gestört werden und weiter muß mit der Möglichkeit zu rechnen sein, daß ein unbestimmter Kreis weiterer Personen gestört wird. Die Bestimmung des § 30 Abs. 1 ist neu. Bisher wurde unnötiges Lärmverursachen als Belästigung im Sinne des § 1 StVO behandelt. Da zum Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 die konkrete Belästigung eines anderen gehört, während nunmehr die abstrakte Gefahr einer solchen Belästigung ausreicht, bedeutet § 30 Abs. 1 gegenüber der bisherigen Rechtslage eine Verschärfung. Allerdings wird in Fällen, in denen durch den Lärm niemand belästigt wird, die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit in der Regel nicht geboten sein; § 47 Abs. 1 OWiG. § 30 Abs. 1 S. 2 StVO nennt zwei Beispiele für „unnötiges Lärmen", die Vwv zu Abs. 1 noch drei weitere. § 30 Abs. 1 wendet sich an alle Arten von Fahrzeugführern. Das gilt auch für das in Abs. 1 S. 3 enthaltene Verbot des „unnützen" Hin- und Herfahrens innerhalb geschlossener Ortschaften. Nach Abs. 2 bedürfen „Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen" der Erlaubnis, wenn sie die Nachtruhe stören können. Diese ebenfalls neue Bestimmung ergänzt § 29 Abs. 2, nach dem Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, erlaubnispflichtig sind, wobei Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband ausnahmslos als solche Veranstaltungen angesehen werden. § 30 Abs. 2 bezieht sich wohl nur auf solche Veranstaltungen „mit Kraftfahrzeugen", die nicht schon nach § 29 Abs. 2 erlaubnispflichtig sind. Abs. 3 entspricht im wesentlichen dem § 4 a StVO 1937. In Abs. 4 werden, um bisherige Unklarheiten zu beseitigen, die Feiertage im Sinne des Abs. 2 erschöpfend aufgeführt. Sachliche Zuständigkeit für die Erteilung der Erlaubnis nach Abs. 2 : § 44 Abs. 3; Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot: § 46 Abs. 1 Nr. 7. örtliche Zuständigkeit § 47 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Lärmschutz
3
1. Unnötiges Lärmen (Abs. 1 S. 1 u. 2) Zur Frage, wann bisher in dem bei der Benutzung von Fahrzeugen erzeugten Lärm eine vermeidbare Belästigung im Sinne des § 1 Abs. 2 gesehen wurde, s. § 1 R N r . 174 (Fußn. 859—864). Während § 1 Abs. 2 darauf abstellt, ob ein anderer „mehr als unvermeidbar" belästigt wird, verbietet „§ 30 Abs. 1 S. 1 „unnötiges" Lärmen. Da unvermeidbare Geräusche nicht als „unnötiges Lärmen" im Sinne des § 30 angesehen werden können, hat sich nichts geändert. Die frühere Rechtsprechung kann ohne Einschränkung übernom648
StVO
Lärmschutz; Hin- und Herfahren men werden. Die mit dem Kraftverkehr normalerweise verbundene fällt nicht unter das Verbot.
§ 30
Lärmentwicklung
S. 2 nennt zwei typische Fälle unnötigen Lärmens, das unnötige Laufenlassen von Fahrzeugmotoren und das Türenzuschlagen. Die Wendung „es ist insbesondere verboten" darf nicht so ausgelegt werden, als ob andere Fälle von unnötigem Lärm nicht ernstzunehmen seien. Die Vwv nennt noch drei wichtige Fälle: Hochjagen des Motors im Leerlauf und beim Anfahren in niedrigen Gängen, unnötig schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs namentlich beim Anfahren und zu schnelles Fahren in Kurven. Der letztere Fall führt natürlich nur dann zu unnötigem Lärmen, wenn das Fahrzeug dabei Lärm erzeugt (Quietschen der Reifen). Unnötiges Hupen erzeugt zwar auch einen vermeidbaren Lärm. Die Schallzeichen werden aber abschließend in § 16 behandelt. Entsteht durch die Ladung, durch Spannketten, Geräte und sonstige Ladeeinrichtungen vermeidbarer Lärm, dann gilt die Spezialvorschrift des § 22 Abs. 1. § 30 befaßt sich nur mit dem Lärm, der unmittelbar durch die Benutzung von Fahrzeugen erzeugt wird. Schreien und Johlen gehört nicht dazu. Betrieb von Lautsprechern: § 33 Abs. 1 Nr. 1. Darauf, ob durch das unnötige Lärmen andere belästigt werden oder werden können, kommt es nach der Fassung des § 30 Abs. 1 nicht an. unnötigen Lärm verursacht, in der Regel nicht mit Sicherheit beurteilen nicht andere belästigt werden und da auch aus pädagogischen Gründen Verbot unnötigen Lärmens vorzuziehen ist, ist es zu begrüßen, daß die gegen den Lärm vorverlegt wurde. Von der schrift des § sein müssen, vermeidbare
auch nur belästigt Da derjenige, der kann, ob dadurch ein ausnahmsloses Verteidigungslinie
Verhaltensvorschrift des § 30 zu unterscheiden ist die Beschaffenheitsvor49 StVZO, der vorschreibt, daß Kraftfahrzeuge und Anhänger so beschaffen daß die Geräuschentwicklung das nach dem jeweiligen Stand der Technik unMaß nidit übersteigt.
2. Nächtliche Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen (Abs. 2) Nach Abs. 2 bedürfen nächtliche Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen der Erlaubnis. Da nach § 29 Abs. 2 alle Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis bedürfen und Kraftfahrzeuge im geschlossenen Verband die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehmen, ist § 30 Abs. 2 nur für solche Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen von Bedeutung, bei denen weder Kraftfahrzeuge in geschlossenen Verbänden mitwirken noch die Straßen sonst mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden. Im Gegensatz zu Abs. 1 muß die Möglichkeit einer Störung der Nachtruhe bestehen. Abseits von menschlichen Behausungen besteht daher keine Erlaubnispflicht nach § 30 Abs. 2. Als Nachtzeit gilt die Zeit zwischen 22 und 6 U h r ; (Vwv zu Abs. 2). II. Unnützes Hin- und Herfahren (Abs. 1 S. 3) Das Verbot des unnützen Hin- und Herfahrens hat mit Lärmschutz nichts zu tun. Es wendet sich auch an Radfahrer. Wann Hin- und Herfahren im Sinne des Abs. 1 S. 3 „unnütz" ist, sagt das Gesetz nicht. Genau genommen sind viele Fahrten „unnütz". Der Begriff unnütz muß hier aber in Zusammenhang mit dem „Hin- und Herfahren" gesehen werden. Nicht jede unnütze Fahrt ist verboten, sondern nur das unnütze Hin- und Herfahren, also das mehrmalige Befahren der gleichen Straßen ohne festes Ziel, wie es vor allem von jugendlichen Motorradfahrern gerne geübt wird. Da ein solches Verhalten gegen die Pflicht gegenseitiger Rücksicht verstößt (§ 1 Abs. 1) dürften gegen die Zulässigkeit des Verbotes keine Bedenken bestehen 1 ). Wer auf- und abfährt, um das Radfahren zu 1er') A. M. Jagusdi StVO § 30 Anm. 3.
649
§ 30
StVO
Möhl
nen, verfolgt dabei einen vernünftigen Zweck, fährt also nicht „unnütz" hin und her; (vgl. die Begründung zu Abs. 1; R N r . 1). Dagegen soll, wer mehrmals hintereinander in einer Dirnenstraße auf- und abfährt, um sich den Betrieb anzusehen oder Kontakte aufzunehmen, andere durdi „unnützes" Hin- und Herfahren belästigen 2 ). Durch das unnütze Hin- und Herfahren kann der übrige Verkehr und können u. Umst. Fußgänger belästigt werden. N u r wenn dies der Fall ist, gilt das Verbot. 6
III. Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen (Abs. 3 u. 4) Abs. 3 enthält mit geringfügigen redaktionellen Änderungen die Bestimmungen des früheren § 4 a S t V O 1937. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des Sonntagsfahrverbots bestehen keine Bedenken 3 ). Zu den Lastkraftwagen gehören auch die zur Güterbeförderung bestimmten Sattelfahr zeuge; (vgl. Vwv zu § 3 Abs. 3 Nr. 2); dagegen nicht Zugmaschinen, die ausschließlich dazu dienen, andere Fahrzeuge zu ziehen (und nicht, auf eigener Ladefläche Güter zu befördern); (s. Begründung zu Abs. 3 ; R N r . 1). Darauf k o m m t es nicht an, ob die Lastkraftwagen beladen sind. Anhänger sind hinter jedem L k w verboten, unabhängig von dessen Gewicht. Da Zugmaschinen nicht als Lastkraftwagen angesehen werden, wird eine Zugmaschine mit Anhänger nicht unter das Verbot fallen. Die früher strittige Frage, was unter gesetzlichen Feiertagen zu verstehen ist, wird durch die erschöpfende Aufzählung in Abs. 4 geklärt. Nach Art. 8 des IntAbk (VII 1 a in Bd. II) gilt das Sonntagsfahrverbot auch für ausländische Lastkraftwagen und Anhänger. Eine Ausnahme gilt für den Durchgangsverkehr Salzburg-Lofer (BAnz. 1956 N r . 145) und nach § 30 S. 2 für Fahrten von und nach Berlin sowie im Verkehr mit der D D R . Gegen die Ausweitung des Sonntagsfahrverbotes auf bestimmte Wochenenden während des Ferienreiseverkehrs bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken 4 ).
7
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über den Lärmschutz oder das Sonntagsfahrverbot nach § 30 Abs. 1, 2 oder Abs. 3 S. 1 verstößt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 25 ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G . Das unnütze Hin- und Herfahren wird weder in der Überschrift zu § 30 noch in § 49 Abs. 1 N r . 25 ausdrücklich erwähnt. Doch wird der Hinweis in § 49 Abs. 1 N r . 25 auf § 30 Abs. 1 genügen, weil er nidit auf S. 1 dieser Bestimmung beschränkt ist. Zum Tatbestand des § 30 Abs. 1 S. 1 gehört keine konkrete Belästigung eines anderen. Wird ein anderer durch das Lärmen belästigt, dann trifft die Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 S. 1 mit einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 tateinheitlidi zusammen. Anders der Tatbestand des § 30 Abs. 1 S. 3. E r ist nur erfüllt, wenn andere belästigt werden. § 1 Abs. 2 steht daher mit dieser Vorschrift in Gesetzeskonkurrenz und tritt hinter das speziellere Gesetz zurück. Soweit gleichzeitig der Tatbestand einer Übertretung nach § 360 Abs. 1 N r . 11 S t G B gegeben ist (vgl. R N r . 2), wird nur das Strafgesetz angewandt; (§ 16 Abs. 1 OWiG). 2
) Vgl. Hamm 10. 3. 67 (zu § 366 Nr. 11 StGB), VerkMitt. 68, 7 = NJW 67, 1924 = VRS 36, 365.
650
3 4
) BVerfG 8. 10. 56, NJW 56, 1673. ) BVerfG 25. 6. 69, VRS 37, 81 = Mitt. 69, 65.
Verk-
Sport
und
StVO
Spiel
§ 31
i 31 Sport und Spiel Sport und Spiele auf der Fahrbahn und den Seitenstreifen sind nur auf den dafür zugelassenen Straßen erlaubt (Zusatzschilder hinter Zeichen 101 und 250). Vwv
zu §
31
1. Gegen Spiele auf Gehwegen soll nicht eingeschritten werden, solange dadurch die nicht gefährdet oder wesentlich behindert oder belästigt werden.
Fußgänger
I I . 1. D i e Straßenverkehrsbehörden müssen sich in Städten, selbst in stärker bewohnten I n n e n bezirken von G r o ß s t ä d t e n , um die Schaffung von Spielplätzen bemühen. W o das erfolglos ist, muß laufend geprüft werden, ob nicht S t r a ß e n zu Spielstraßen erklärt werden können. V g l . Zeichen 2 5 0 und 357 samt Zusatzschild und I V zu Zeichen 250. 2. K a n n eine S t r a ß e wegen ihres nidit unerheblichen Verkehrs nicht zur „Spielstraße" erklärt werden, obwohl dort Kinderspiele nicht unterbunden werden können oder erfahrungsgemäß K i n d e r häufig auf die F a h r b a h n laufen, so ist zu prüfen, ob das Zeichen 136 anzubringen und erforderlichenfalls die Geschwindigkeit (Zeichen 274) zu beschränken ist. 3. W o h n s t r a ß e n und auch andere Straßen ohne Verkehrsbedeutung, auf denen der K r a f t f a h r e r m i t spielenden K i n d e r n rechnen muß, brauchen nach der Erfahrung nicht zu „Spielstraßen" erklärt zu werden. Auch das Zeichen 136 ist dort in der R e g e l entbehrlich. Gegen Kinderspiele sollte dort nicht eingeschritten werden. I I I . 1. D i e Freigabe von Straßen zum Wintersport, besonders zum R o d e l n , ist a u f das unbedingt notwendige M a ß zu beschränken. V o r allem sind nur solche S t r a ß e n und P l ä t z e dafür auszuwählen, die keinen oder nur geringen Fahrzeugverkehr aufweisen. 2. W o die Benutzung von Skiern oder Schlitten ortsüblich ist, ist nicht einzuschreiten. W e n n es aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist, sind in solchen O r t e n verkehrsrechtliche A n o r d nungen zu treffen (Zusatzschild hinter Zeichen 101, Zusatzschild hinter Zeichen 2 5 0 ) . Übersicht RNr. I . Sport auf der F a h r b a h n I I . Spiele auf der Fahrbahn
RNr.
1 2 Amtliche
I I I . Für Sport und Spiele zugelassene Straßen
3
Begründung
D i e Erweiterung des Verbots von Kinderspielen auf Fahrbahnen und auf ein solches für Spiele überhaupt ist sachgerecht und befreit zugleich den Leser von komplizierten Erwägungen. D i e V w v wird vorschreiben, d a ß Spielstraßen für K i n d e r in wesentlich größerem U m f a n g als bisher geschaffen werden sollten. D i e Möglichkeit e r ö f f n e t das Zusatzschild „ S p i e l s t r a ß e " ; es kann auch (worauf an dieser Stelle nicht hingewiesen zu werden brauchte) unter dem Zeichen 3 5 7 (Sac&gasse) angebracht sein. I.
Sport auf der Nach
Fahrbahn das s p o r t m ä ß i g e
Ski-
laufen u n d R o d e l n auf öffentlichen S t r a ß e n v e r b o t e n . § 31 S t V O 1 9 3 7 e r w e i t e r t e das
Ver-
b o t e i n m a l a u f alle A r t e n v o n S p o r t u n d w e i t e r
auf F a h r b a h n e n u n d Seitenstreifen
auch
außerhalb
das f r ü h e r e
Verbot
§ 44
StVO
geschlossener
erstreckt
Straßenteile, fließend.
1937
Da
sich b e r u h e n ,
in § wo
innerhalb
Ortschaften.
sich n u r
vor
war
mehr
Er
geschlossener
schränkt
auf Fahrbahn
und
a l l e m n i c h t a u f die G e h w e g e . 31
Sport
genau
und
Spiel
die G r e n z e
Die
Sport
Verbot
Seitenstreifen, Grenze
gleichbehandelt
verläuft.
Ortschaften
aber
nidit
auch ein:
mehr
zwischen Sport
werden,
kann
im
ist e i n e b e s o n d e r e
auf
u n d Spiel
allgemeinen
Form
der
in F u ß g ä n g e r g e s c h w i n d i g k e i t
w e n n er Langlauf trainiert. t e l s i m S i n n e des § 2 4 A b s .
auf Skiern
fortbewegt,
treibt
höchstens
S o n s t ist e r e i n F u ß g ä n g e r , d e r sich eines 1 bedient. Wieweit
er die F a h r b a h n
dann
ebener Sport,
Fortbewegungsmit-
und ihre
Seitenstreifen
b e n u t z e n d a r f , e r g i b t sich d a h e r a u s § 2 5 . A l l e r d i n g s d a r f e r d a b e i a n d e r e F u ß g ä n g e r mehr
als u n v e r m e i d b a r
Skiern oder
behindern
Schlitten ortsüblich
und
belästigen;
§
1 Abs.
2.
ist, a l s o i n W i n t e r s p o r t g e b i e t e n ,
Wo
ist auf
Leibes-
ü b u n g e n , b e i d e r d i e M e ß b a r k e i t d e r L e i s t u n g i m V o r d e r g r u n d s t e h t . W e r sich a u f Straße
Das
andere
die
Benutzung
nicht von
ist n a c h I I I 2 d e r
Vwv
n i c h t e i n z u s c h r e i t e n , d. h . d o r t d a r f a u d i d a n n a u f d e r F a h r b a h n s k i g e f a h r e n w e r d e n ,
wenn
§ 31
StVO
Möhl
ein Gehweg vorhanden ist und die Straße nicht ausdrücklich für den Wintersport freigegeben ist; (Zusatzschilder zu Z. 250 u. 357). W e r auf öffentlichen Straßen Sport treibt, ist Verkehrsteilnehmer und unterliegt den allgemeinen Vorschriften der S t V O 1 ) , gleichgültig, ob er dies erlaubter- oder verbotenerweise tut. Außerhalb der öffentlichen Straßen gilt zwar die S t V O nicht. Doch muß auch der Pistenfahrer die Grundregeln der S t V O beachten, die insoweit analog anzuwenden sind 2 ). Für Motorsportveranstaltungen gilt § 29 Abs. 2. Rennen sind verboten; § 21 Abs. 1. Das Sport- und Spielverbot gilt auf allen Fahrbahnen, gleichgültig wie dicht der Verkehr ist und ob mit einer Gefährdung oder auch nur Belästigung anderer zu rechnen ist 5 ). W e r gegen § 31 verstößt, handelt nadi § 49 Abs. 1 N r . 26 ordnungswidrig. 2
II. Spiele auf der Fahrbahn Nach § 43 S t V O 1937 waren auf der Fahrbahn „Kinderspiele" verboten; § 31 S t V O 1970 verbietet Spiele aller Art. In § 43 S t V O 1937 waren als Beispiele verbotener Kinderspiele aufgeführt das Werfen und Schleudern von Bällen und anderen Gegenständen, das Seilspringen, Steigenlassen von Drachen, Kreisel- und Reifentreiben, Fahren mit Rollern oder ähnlichen Fortbewegungsmitteln sowie Spiele mit oder auf Fahrrädern. Die Aufzählung dieser Spielarten war schon damals nicht erschöpfend. Sie können aber zur Auslegung des Begriffes „Spiele" auch heute noch mitherangezogen werden. Dafür verantwortlich, daß sich die Kinder an das V e r b o t halten, sind die Erziehungsberechtigten'); die Eltern müssen ihre Kinder über die Gefahren belehren, die das Fahren mit Fahrrädern und Rollern für andere Straßenbenutzer mit sich bringt und sie zu V o r sicht und Rücksicht anhalten 4 ). Beim Radfahren kleinerer Kinder kann fraglich sein, ob sie „spielen". Benützt ein Kind das Fahrrad zu dem Zwecke der Fortbewegung auf ein bestimmtes Ziel, z. B . zur Schule oder zum Kaufmann, ist es gleichberechtigter „Fahrzeugf ü h r e r " ; (zur Sorgfaltspflicht des Kraftfahrers gegenüber radfahrenden Kindern s. § 1 R N r . 133). Fährt es aber nur zum Spaß auf und ab, dann wird man darin ein Spiel erblicken können, also ein nach § 31 verbotenes Kinderspiel. Das Kind hat in diesem Falle auch dann keine Vorfahrt, wenn sie ihm sonst zustünde 6 ). Nach I I 3. der V w v brauchen nach der Erfahrung Wohnstraßen und auch andere Straßen ohne Verkehrsbedeutung, auf denen der Kraftfahrer mit spielenden Kindern rechnen muß, nicht zu „Spielstraßen" erklärt zu werden. Zwar ist dann das Spielen auf der Fahrbahn nach § 31 verboten, doch soll nach der V w v dort dagegen nicht „eingeschritten" werden; (§ 47 Abs. 1 O W i G ) . Wer verbotenerweise auf der Fahrbahn spielt, handelt nach § 49 Abs. 1 N r . 26 ordnungswidrig. Bei spielenden Kindern werden nach § 32 O W i G die Aufsichtspflichtigen zur Verantwortung gezogen.
3
III. Für Sport und Spiele zugelassene Straßen I I 1 der V w v zu § 31 weist darauf hin, daß sich die Straßenverkehrsbehörden in Städten um die Schaffung von Spielplätzen bemühen müssen und daß, wo das erfolglos ist, laufend geprüft werden muß, ob nicht Straßen zu Spielstraßen erklärt werden können. I I I a. a. O . mahnt, die Freigabe von Straßen zum Wintersport, besonders zum Rodeln, auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und nur solche Straßen und Plätze dafür auszuwählen, die keinen oder nur geringen Fahrzeugverkehr aufweisen. ') BayObLGSt 57, 90 (15. 5. 57) = VerkMitt. 57, 58. ) Vgl. Lossos, Verkehrsregeln für die Skiabfahrt NJW 61, 490; Köln 17. 4. 62, VersR 62, 791.
2
652
) Hamburg 3. 7. 56, VerkMitt. 56, 48. ) BGH(Z) 23. 3. 65, VersR 65, 906; 8. 1. 65, VersR 65, 385. 3 ) BGH 5. 6. 64, VerkMitt. 64, 83 m. Anm. v. Booß.
3 4
StVO
Verkehrshindernisse
§§31,32
D i e Zulassung v o n Straßen für Sport und Spiel geschieht durch Zusatzschilder. Soldic sind vorgesehen zu Z. 101 (Gefahrenstelle), Z. 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) und Z. 357 (Sackgasse), dagegen nicht z u Z. 136 (Gefahrenzeidien „Kinder"). Das letzte Zeichen dienst lediglich dem Fahrverkehr zur Warnung. Auf Spielstraßen haben Kinder gegenüber dem übrigen Verkehr ein Vorrecht. Vertrauensgrundsatz gilt hier gegenüber Kindern nicht 6 ).
Der
§ 32 Verkehrshindernisse (1) E s i s t v e r b o t e n , d i e S t r a ß e z u b e s c h m u t z e n o d e r z u b e n e t z e n o d e r G e g e n stände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, w e n n dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert w e r d e n kann. D e r für solche verkehrswidrigen Zustände Verantwortliche hat sie unverzüglich zu beseitigen u n d sie bis dahin a u s r e i c h e n d k e n n t l i c h z u m a c h e n , w e n n n ö t i g (§ 17 A b s . 1) d u r c h L e u c h t e n m i t r o t e m Licht; erstreckt sich e i n solches Hindernis nicht ü b e r die g e s a m t e Breite der Fahrbahn, k a n n gelbes Licht v e r w e n d e t werden. (2) S e n s e n , M ä h m e s s e r o d e r ä h n l i c h g e f ä h r l i c h e G e r ä t e s i n d w i r k s a m z u kleiden.
ver-
Vwv zu § 32 Zu Absatz 1 I. In ländlichen Gegenden ist darauf zu achten, daß verkehrswidrige Zustände infolge von Beschmutzung der Fahrbahn durch Vieh oder Ackerfahrzeuge möglichst unterbleiben (z. B. durch Reinigung der Bereifung vor Einfahren auf die Fahrbahn), jedenfalls aber unverzüglich beseitigt werden. II. Zuständige Stellen dürfen nach Maßgabe der hierfür erlassenen Vorschriften die verkehrswidrigen Zustände auf Kosten des Verantwortlichen beseitigen. Übersicht RNr. I. Verkehrshindernisse auf der Fahrbahn (Abs. 1) 1. „Beschmutzen" und „Benetzen" der Straße 2. „Gegenstände" im Sinne des Abs. 1 3. „Auf Straßen bringen" oder dort liegen lassen
1-7 1 2 3
4. Pflichten des Verantwortlichen Wer ist verantwortlich? (4), Entfernen der Gegenstände (5), Kenntlichmadien (6), Beleuditungspflidit (7) II. Mitführen von Sensen etc. III. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
RNr. 4-7
8 9
Amtliche Begründung Die Vorschrift übernimmt den % 41 StVO (alt). Für die Verkehrspraxis ändert sich Wesentliches nicht. Zu Absatz 1: Die Rechtsprechung hat bisher eine verkehrsbeeinträditigende Beschmutzung der Straße im Wege der Auslegung als eine Verletzung des $ 41 (alt) angesehen. Es erscheint als zweckmäßig, daß die neue StVO diesen Tatbestand ausdrücklich erfaßt. Ob auch eine verkehrsgefährdende Benetzung der Straße unter § 41 StVO (alt) fallen kann, war dagegen bisher bestritten. Auch sie muß jedoch im Interesse der Verkehrssicherheit unterbunden werden. Gerade für das Verbot des Benetzens ist aber der einschränkende Zusatz „wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann" von besonderer Bedeutung. Denn diese Folge kann das Benetzen nur in der kalten Jahreszeit wegen der Gefahr der Vereisung oder aber auf bereits verschmutzter Straße haben. Der Begriff „Gegenstand" ist, wie die sonstigen Rechtsnormen, weit auszulegen; audi Fahrzeuge, die betriebsunfähig oder nicht zugelassen sind, fallen darunter. Wenn § 41 StVO (alt) neben der Verkehrsgefährdung die Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs erwähnt, so ist dies sachlich nur eine überflüssige Wiederholung. Anstatt der umständlichen •) Braunschweig 1. 7. 63, DAR 63, 353 = N J W 63, 2038 = NdsRpfl. 63, 210 =
DRspr. II (291) 110 c; Köln 24. 9. 68, VRS 36, 360. 653
§ 32
StVO
Möhl
Fassung „die . . . Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt" v e r w e n d e t die V e r o r d n u n g den einfacheren, fast gleichsinnigen Begriff „erschweren". Eine gewisse Einschränkung k a n n u n d soll d a r i n g e f u n d e n w e r d e n ; denn es ist nicht angezeigt, jede noch so geringfügige Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs zu t r e f f e n . D e r bisherige zweite Satz des § 41 S t V O (alt) b e d u r f t e der Ü b e r a r b e i t u n g . Es ist mindestens ungenau, zu sagen, die Hindernisse seien unverzüglich zu beseitigen u n d , w e n n dies nicht möglich sei, kenntlich zu machen. Die jetzt g e f u n d e n e Fassung (Absatz 1 Satz 2) stellt den I n h a l t des Gebotes klar, den verkehrswidrigen Z u s t a n d zu beseitigen u n d kenntlich zu machen. Z « Absatz
2:
D a s Verbot des geltenden Rechts w i r d sachgerecht auf „ähnlich gefährliche G e r ä t e " ausgedehnt.
I. Verkehrshindernisse auf der Fahrbahn (Abs. 1) 1. „Beschmutzen" und „Benetzen" der Straße Während § 31 das Sport- und Spielverbot auf die Fahrbahn (und die Seitenstreifen) beschränkt, will § 32 die Straßen von Verkehrshindernissen freihalten. Zu den Straßen gehören auch Gehwege, Radwege, Reitwege, also auch alle Sonderwege. Unterschiede bestehen nur insofern, als die von Verkehrshindernissen ausgehenden Gefahren je nach der Art der die Straße benutzenden Verkehrsteilnehmer verschiedenes Gewicht haben können. § 32 übernimmt im wesentlichen, was früher in § 41 StVO 1937 bestimmt war. Das „Beschmutzen" und „Benetzen" der Straße war dort allerdings nicht ausdrücklich erwähnt, wurde aber durch vernünftige Auslegung miteinbezogen 1 ). Nicht jedes Beschmutzen und Benetzen der Straße ist nach Abs. 1 verboten, sondern nur ein solches, durch das der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Früher war umständlicher von der Gefährdung oder „Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" die Rede. Sachlich hat sich durch die neue Formulierung nichts geändert; (s. die Begründung zu Abs. 1). Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur deutlicher zum Ausdrude kommen, daß nicht jede noch so geringfügige Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs genügt, um den Tatbestand zu erfüllen. Die Pflichten aus § 32 Abs. 1 bestehen nur im Rahmen des Zumutbaren 2 ). Vermieden werden muß die Möglichkeit einer Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs. Auf eine konkrete Gefährdung oder Behinderung kommt es also nicht an 3 ). Es genügt, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine Gefährdung oder übermäßige Behinderung anderer möglich und nicht ganz unwahrscheinlich ist. Durch Beschmutzung oder Benetzung der Straße kann der Verkehr vor allem dann gefährdet oder erschwert werden, wenn hierdurch eine Rutsch- oder Schleudergefahr verursacht wird. Ob eine auf die Fahrbahn gebrachte Flüssigkeit geeignet ist, den Verkehr zu gefährden, hängt von der Art und Menge der Flüssigkeit ab. Es gibt Flüssigkeiten, die von N a t u r aus wegen ihrer schmierigen Substanz dazu geeignet sind, andere bilden erst durch ihre Vermengung mit anderen Substanzen eine Gefahr. Als verkehrsgefährdender Gegenstand kann wirken: Wasser: das nach dem Heruntertropfen von einem Fahrzeug auf der Fahrbahn gefriert 4 ), das mit Schlamm vermischt von einem Fahrzeug mit nassem Kies oder Sand abfließt 5 , das beim Abfließen über die Straße eine Dunstwolke erzeugt 6 ), das mit dem Straßenschmutz zusammen eine rutschige Schicht bildet 7 ). ) B V e r w G 2 6 . 6 . 70, D V B 1 . 7 0 , 871 = V R S 3 9 , 313 = M D R 7 0 , 1039 = V k B l . 71, 7 0 = D R s p r . I I ( 2 9 3 ) 9 6 c ; O V G Berlin 29. 6. 66, D V B 1 . 6 6 , 907 = V e r k M i t t . 6 6 , 7 8 .
2)
z u t r e f f e n , die d e r
Beeinträch-
A. M . für die frühere Rechtslage: SchmidtT o p h o f f : „ R e k l a m e und Verkehrssicherheit", DVB1. 62, 461; .Verkehrsmittelreklame", D Ö V 68, 313.
U b e r b l i c k ; Lautsprecher
StVO
§ 33
tigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegenwirken, auch wenn es sich u m v e r k e h r s f r e m d e E i n w i r k u n g e n handelt 3 ). Durch die Vorschriften der S t V O über A u ß e n w e r b u n g w i r d eine d e m Landesrecht angehörende Generalklausel über G e f a h r e n a b w e h r nicht aufgehoben. Jedoch darf auf sie nur zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen einer speziellen Eingriffsermächtigung des Bundesrechts (hier des § 33) n i d i t vorliegen 4 ). U n b e r ü h r t bleiben die B e s t i m m u n g e n der G e w e r b e o r d n u n g , die sich m i t der Ausü b u n g eines Gewerbes auf öffentlichen Straßen v o m gewerberechtlichen S t a n d p u n k t aus befassen; (§§ 37, 55—63 G e w O ) . Die gewerberechtliche Erlaubnis z u m Feilbieten v o n Waren auf öffentlichen Straßen entbindet nidit v o n der Pflicht, die Verkehrsvorschriften zu beachten 5 ). Bei Anlagen der A u ß e n w e r b u n g im Bereich v o n Bundesfernstraßen ist § 9 Abs. 6 F S t r G ( X I I in B d . II) zu beachten. B. Inhalt der Vorschrift i m einzelnen I. Beeinträchtigung des Verkehrs (Abs. 1) 1. durch den Betrieb v o n Lautsprechern (Abs. 1 N r . 1) Lautsprecher sind elektrische Geräte, welche dazu dienen, das gesprochene W o r t u n d andere G e r ä u s d i e u n d L a u t e mittels elektrischer Schwingungen in Schallschwingungen u m z u f o r m e n u n d dabei die L a u t s t ä r k e zu erhöhen. D e r Betrieb v o n Lautsprechern ist verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den V e r k e h r gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden k ö n n e n . D a s V e r b o t ist nicht auf Lautsprecher beschränkt, die i m Straßenraum aufgestellt sind. A u d i solche Lautsprecher, die aus einem H a u s tönen, sind verboten, wenn sie auf den V e r k e h r einwirken k ö n n e n . O b dies der Fall ist, m u ß v o n Fall zu Fall entschieden werden. Allgemeine G r u n d s ä t z e gibt es nicht. N a c h der V w v zu Abs. 1 N r . 1 sollen Lautsprecher aus Fahrzeugen den V e r k e h r i m m e r erschweren. Während f r ü h e r (§ 5 Abs. 1 N r . 3 S t V O 1937) der Betrieb v o n L a u t sprechern, der sich auf die Straße auswirkt, erlaubnispfliditig w a r , ist er j e t z t v e r b o t e n (kann aber ausnahmsweise genehmigt w e r d e n : § 46 A b s . 1 N r . 9). D e r Lautsprecherlärm w i r d v o n d e m V e r b o t erfaßt, gleichgültig, welcher A r t die G e räusche sind, welche der L a u t s p r e d i e r v o n sich gibt. Auch bei V e r s a m m l u n g e n unter freie m H i m m e l ist der Lautsprechereinsatz grundsätzlich v e r b o t e n . Allerdings wird das V e r b o t v o n den Vorschriften des Versammlungsgesetzes v e r d r ä n g t , soweit V e r s a m m l u n g e n ohne Lautsprechereinsatz nicht d u r c h f ü h r b a r sind*). D a s V e r b o t widerspricht nicht dem G r u n d recht auf freie Meinungsäußerung 7 ). Geschützt wird durch das V e r b o t n u r der Straßenverkehr. O b Straßenanwohner durch Lautsprecherreklame auf der Straße belästigt werden, ist im R a h m e n des § 33 ohne Bedeutung. 2. Beeinträchtigung des V e r k e h r s durch Anbieten v o n Waren und Leistungen (Abs. 1 N r . 2) Während f r ü h e r (§ 42 Abs. 2 S t V O 1937) das Anbieten v o n „gewerblichen Leistungen, v o n Waren u. d e r g l . " auf den Straßen schlechthin v e r b o t e n war, ist n u n m e h r das A n bieten v o n „Waren und Leistungen aller A r t " auf der Straße n u r d a n n verboten, w e n n sich dieser V o r g a n g auf den V e r k e h r störend auswirken kann. D a s V e r b o t w u r d e also v e r 3 4
) BVerwG 26. 6. 70, VRS 39, 309 = VerkMitt. 70, 83 = VkBl. 70, 111. ) BVerwG 13. 12. 67, DVB1. 68, 509 = VerkMitt. 68, 90 = VRS 34, 394 = ÖV 68, 284; vgl. auch OVG Münster 1. 7. 64, N J W 65, 267 = VkBl. 66, 249 = DVB1. 65, 247 mit abl. Anm. v. Wadse.
) OVG Lüneburg 13. 2. 58, SchlHA 58, 319 = GewArch 58, 202 = DRspr. II (293) 33c. ) OVG Koblenz 10. 7. 69, N J W 69, 1560; vgl. auch Bleckmann-Hilf: „Demonstration und Straßenverkehr" 1970 S. 38. ') BVerwG 28. 2. 69, DVB1. 69, 587 = VRS 20, 593 = DRspr. II (291) 177 a.
5
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nünftigerweise (und der Ermächtigung des § 6 StVG entsprechend) insofern eingeschränkt, als es ausdrücklich auf den Straßenverkehr bezogen wurde. Das Anbieten von Waren und Leistungen ist ein Unterfall der Werbung. Während aber die Werbung (und Propaganda) durch Bild, Schrift, Licht oder Ton allgemein nur bei Einwirkung auf den außerörtlichen Verkehr verboten ist, (s. unten R N r . 5, 6), ist das Anbieten von Waren und Leistungen auch auf innerörtlichen Straßen verboten, wenn es dort den Verkehr stören kann. Von Abs. 1 N r . 2 wird das Anbieten „auf der Straße" verboten, doch soll damit nicht gesagt sein, daß die Werbung selbst auf dem Straßengrund stattfinden muß. Auch wer vom Straßenrand aus seine Waren anbietet, kann gegen N r . 2 verstoßen. Ein „Anbieten" setzt nicht voraus, daß die Ware selbst auf öffentlichem Verkehrsgrund zum Verkauf bereitgehalten wird, die angebotene Ware kann auch außerhalb des Bereiches der öffentlichen Straße verkauft werden 8 ). Allerdings muß sich der Anbietende an die Verkehrsteilnehmer auf der Straße wenden. Verboten ist das „Anbieten" von Waren und Leistungen. Vor dem Wort „Anbieten" stand vor der redaktionellen Änderung des § 42 StVO 1937 durch die VO vom 14. 3. 56 noch „ausrufen", zur näheren Erklärung des Wortes „Anbieten" war in Klammern „Anreißen" vermerkt. Durch die Neufassungen wurde die Vorschrift inhaltlich nicht geändert. Weder aus der früheren noch aus der jetzt gültigen Fassung ergibt sich, daß nur ein Anbieten durch „Lautwerbung" in Frage kommt, mag das „Ansprechen" auch die normale Art des Anbietens sein9). Die Grenze zwischen erlaubter Werbung und verbotenem Anbieten ergibt sich aus der A r t der Tätigkeit. Beschränkt sich diese darauf, den Passanten auf eine Bezugsquelle hinzuweisen, so ist die Grenze erlaubter Werbung nicht überschritten, mag die Reklame auch augenfällige Mittel benutzen. Wird aber der Hinweis auf die Bezugsmöglichkeiten den Straßenbenutzern in mehr oder weniger belästigender Form aufgedrängt, so daß ihnen gar nicht die Wahl bleibt, von ihr Kenntnis zu nehmen oder nicht, so ist das Anbieten verboten. Das Anbieten von Waren in Schaufenstern fällt auch dann nicht unter N r . 2, wenn vor dem Schaufenster auf der Straße Zuschauer zusammenströmen; ebensowenig verstößt das Anbringen von Werbezetteln an parkenden Kraftfahrzeugen, das Herumtragen von Plakaten, das Aufstellen von Obst und Gemüse vor dem Schaufenster gegen N r . 2 10 ). Dagegen kann gegen die Vorschrift verstoßen, wer sein auf der Straße geparktes Fahrzeug durch ein Verkaufsschild zum Verkauf anbietet. Denn er benutzt die Straße als Verkaufsplatz, Interessenten werden in verkehrsbehindernder Weise um das Fahrzeug herum stehen bleiben 11 ). Das gleiche gilt f ü r ein parkendes Fahrzeug, das durch eine Aufschrift auf eine Fahrschule hinweist, von dem aus Interessenten Ausk ü n f t e über den Fahrschulbetrieb erteilt und in dem Ausbildungsaufträge entgegengenommen werden. Verboten ist auch der in ländlichen Gegenden übliche Verkauf vom Fahrzeug des Händlers aus, wenn dadurch der Verkehr berührt wird. Dem Verbot handelt auch zuwider, wer in einem als „Diskont" und Selbstbedienungsladen eingerichteten Reiseomnibus auf Ortsstraßen Waren anbietet 12 ). Allerdings muß die Art des Warenverkaufs jeweils geeignet sein, den Verkehr zu hemmen und zu behindern. Das Angebot muß aufdringlich sein, der Verkehr m u ß belästigt werden1®). Soweit es sidi allerdings um reine Reklamefahrten handelt, greift das absolute Verbot des Abs. 1 S. 3 ein; (unten R N r . 7). Ob die Verteilung von Handzetteln auf Bürgersteigen unter das Verbot fällt, hängt ebenfalls davon ab, ob der Straßenverkehr davon berührt wird 14 ). Das Ausrufen von Zeitungs8
) OVG Berlin wie Fußn. 1. ) BayObLGSt 58, 98 (9. 4. 58) = N J W 58, 1199 = VRS 15, 389; V G H Bremen 17. 9. 57, GewArch 58, 235 = DRspr. II (293) 37 d. 10 ) BayObLGSt 58, 98 wie Fußn. 9; 66, 158 (6. 12. 66) = VRS 33, 74; H a m m 28. 4. 59, VRS 17, 463; BayVGHE 13, I, 105 (5. 10. 60). 9
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» ) Hamburg 6. 3. 62, D A R 62, 304 = N J W 62, 1529 = VerkMitt. 62, 49 = VRS 23, 62 = DRspr. II (293) 60 e. 12 ) Frankfurt 16. 10. 68, VRS 37, 145. 13 ) KG 21. 12. 67, VRS 34, 383; ähnlich Köln 9. 5. 67, VRS 33, 471. 14 ) Für die frühere Rechtslage; BVerwG 26. 6. 70 wie Fußn. 1.
Anbieten y o n W a r e n ; Werbung u n d Propaganda
StVO
§ 33
nachrichten wird in der Regel den Verkehr nicht erheblich erschweren. H i e r kann das Informationsbedürfnis der Bevölkerung in Widerstreit mit den Verkehrsbedürfnissen t r e t e n ; (vgl. Vwv zu Abs. 1 N r . 2). 3. Beeinträchtigung des Verkehrs durch Werbung u n d Propaganda Außerorts
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(Abs. 1 N r . 3)
Nach N r . 3 ist außerhalb geschlossener Ortschaften (§ 3 R N r . 67, 68) jede Werbung u n d Propaganda durch Bild, Schrift oder T o n verboten, welche die Sicherheit u n d Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen kann. Wodurch sich „Propaganda" v o n „Werbung" u n t e r scheidet, sagt das Gesetz nicht. Da auch der Zweck der Propaganda nichts anderes ist als Werbung (im weiteren Sinn), k a n n man beide Begriffe als gleichbedeutend behandeln, mag auch ihr sprachlicher Anwendungsbereich sich nidit völlig decken; (vgl. StVG § 6 R N r . 40, I in Bd. I). Zu denken ist v o r allem an Plakate u n d Lichtreklamen. Lautsprecherpopaganda ist schon nach N r . 1 verboten. A u d i hier m u ß die Werbung oder Propaganda so geartet sein, daß m i t einer Störung des Straßenverkehrs zu rechnen ist. Zwar w ü r d e n hierher auch die W e r b e f a h r t e n von Reklameautos gehören, f ü r sie gilt aber das absolute Verbot des Abs. 1 S. 3 ( R N r . 7). Innerorts
6
Innerorts ist zwar das Anbieten v o n Waren u n d Leistungen auf der Straße verboten, wenn es den Verkehr beeinträchtigt, nidit aber sonstige W e r b u n g u n d Propaganda. Wer durch eine geschlossene Ortschaft fährt, m u ß m i t Reklamen aller A r t rechnen, er m u ß sich darauf einrichten. Zwar wird der Verkehr v o r dem aufdringlichen Anbieten von Waren und Leistungen geschützt, nicht aber v o n aufdringlichen Reklamen. Allerdings kann verkehrsgefährdende Werbung innerhalb geschlossener Ortschaften durch Landesrecht verboten werden 4 ). N u r soweit innerörtliche Werbung u n d Propaganda den außerörtlidien Verkehr stören kann, ist sie nach Abs. 1 S. 2 verboten. (Ob ein echtes Bedürfnis nach einer besonderen Vorsdirift f ü r diesen wohl nidit sehr häufigen Fall besteht, erscheint fraglich. D e n n die innerörtlidie Werbung ist ja n u r in Fällen untersagt, in denen der außerörtliche Verkehr erheblidi gestört wird). Innerorts ist zwar im allgemeinen W e r b u n g u n d Propaganda nach dem Verkehrsredit frei, zu beaditen ist aber, daß d o r t außer dem Anbieten v o n Waren u n d Leistungen auf der Straße (Nr. 2) auch der Betrieb v o n Lautsprechern (Nr. 1) u n d die Werbung in Verbindung mit Verkehrszeichen u n d Einrichtungen (Abs. 2 S. 2) verboten ist. 4. Werbefahrten (Abs. 1 S. 3)
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Während die Verbote nach Abs. 1 N r . 1—3 d a d u r d i eingeschränkt sind, daß sie n u r gelten, wenn d a d u r d i Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können, ist das U m h e r f a h r e n u n d das Parken von Fahrzeugen n u r z u m Zwecke der Werbung nach Abs. 1 S. 3 schlechthin verb o t e n ; (Ausnahmmegenehmigung nadi § 46 Abs. 2). Die f r ü h e r e schwankende Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 42 StVO 1937 auf diesen Fall ist überholt. Das Verbot gilt inner- u n d außerorts. Soweit durch Fahrzeuge, die f ü r längere Zeit n u r zu Reklamezwecken auf der F a h r b a h n abgestellt werden, der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann, überschneidet sich das V e r b o t m i t dem des § 32 S. 1. Ein solches Fahrzeug „ p a r k t " nicht, es n i m m t nicht m e h r am V e r k e h r teil u n d wird z u m störenden „Gegenstand"; (vgl. § 32 R N r . 2). Verboten ist das U m h e r f a h r e n u n d Parken n u r z u m Zwecke der Werbung. Die Vorschrift ist deshalb nicht anwendbar auf den Fall, daß bei sonstigen Fahrten Fahrzeuge m i t Reklametafeln u. dergl. versehen sind. Die Beschränkung auf Fahrten allein z u m Zwecke der „Werbung" macht deutlich, daß n u r an Wirtschaftswerbung gedacht ist, während die
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„ W e r b u n g " etwa f ü r eine politische Partei dann unter den Begriff „ P r o p a g a n d a " fallen würde. D i e A b g r e n z u n g ist nicht ganz klar, da nach d e m Sprachgebraudi a u d i f ü r wirtschaftliche Zwecke P r o p a g a n d a gemacht wird u n d andernteils politische P r o p a g a n d a der W e r b u n g f ü r politische Parteien oder politische Ziele dient. G e h t man d a v o n aus, daß mit d e m W o r t „ W e r b u n g " hier n u r Wirtschaftswerbung gemeint ist, ( w o f ü r auch die B e g r ü n d u n g zu Abs. 1 sprechen k ö n n t e , die nur v o n „ R e k l a m e f a h r t e n " spricht), dann ergäbe sich daraus, daß „ P r o p a g a n d a f a h r t e n " v o n Abs. 1 S. 3 nicht erfaßt würden. F ü r sie gilt dann aber N r . 3: Sie sind außerhalb geschlossener Ortschaften verboten, innerorts aber erlaubt. Beispiele f ü r solche P r o p a g a n d a f a h r t e n : P r o p a g a n d a f ü r Kriegsdienstverweigerung 1 5 ), Wahlpropaganda16). II. Schutz der Verkehrszeichen (Abs. 2) 8
1. Einrichtungen mit A u s w i r k u n g auf den V e r k e h r (Abs. 2 S. 1) A b s . 2 ü b e r n i m m t im wesentlichen den f r ü h e r e n § 3 Abs. 2 S t V O 1937. Kleinere redaktionelle Ä n d e r u n g e n sind nicht ganz ohne Bedeutung. Während f r ü h e r Einrichtungen aller A r t , die zur Verwechslung m i t Verkehrszeichen u n d -einriditungen f ü h r e n können, an öffentlichen Straßen nicht angebracht werden d u r f t e n , w i r d jetzt das V e r b o t örtlich präzisiert: Sie d ü r f e n d o r t nicht angebracht werden, „ w o sie sich auf den V e r k e h r auswirken k ö n n e n " ; ist diese Möglichkeit zu verneinen, dann d ü r f e n sie also n u n m e h r auch an öffentlichen Straßen angebracht werden. I m übrigen ist der private Gebrauch v o n V e r kehrszeichen, die den amtlichen Zeichen entsprechen, nicht verboten, sondern soweit sie d e m V e r k e h r auf Privatgrundstücken dienen (z. B. F a b r i k - oder K a s e r n e n h ö f e n , Flugplätzen) sogar erwünscht; (vgl. B e g r ü n d u n g zu Abs. 2) 1 7 ). O b die „Verkehrszeichen" auf privaten Grundstücken v o n einer öffentlichen Straße aus sichtbar sind, ist gleichgültig (s. V w v III z u Abs. 2), man darf sie nur nicht m i t öffentlichen Verkehrszeichen verwechseln können. D a s V e r b o t des Abs. 2 bezieht sich auf drei Arten v o n Einrichtungen: Solche, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen gleichen, solche, die m i t ihnen verwechselt werden u n d solche, die ihre W i r k u n g beeinträchtigen können. Bei P r ü f u n g der Frage, ob eine Einricht u n g m i t einem Verkehrszeichen oder einer Verkehrseinrichtung verwechselt werden kann, ist auf den Durchsdinittsbeschauer abzustellen. L i e g t es nicht fern, daß ein solcher das Zeichen bei oberflächlicher Betrachtung verwechselt, dann darf es nicht angebracht w e r den 1 8 ). In § 3 Abs. 2 S t V O 1937 w a r zur näheren U m s c h r e i b u n g der Verwechslungsgefahr auf F o r m , Farbe, G r ö ß e sowie O r t und A r t der A n b r i n g u n g hingewiesen. D e r Hinweis ist auch heute noch verwertbar. Einrichtungen, welche die W i r k u n g v o n Verkehrszeichen beeinträchtigen, brauchen sidi nicht auf den V e r k e h r zu beziehen. Auch R e k l a m e f l ä c h e n " ) , v o r allem Lichtreklamen 2 0 ), k ö n n e n solche Einrichtungen darstellen. E s genügt, daß der Blick des K r a f t f a h r e r s durch eine auffällige Lichtreklame v o n der Beobachtung der in der N ä h e angebrachten Verkehrszeichen abgelenkt wird. Z w a r werden sich die nach Abs. 2 verbotenen E i n r i d i t u n g e n in der R e g e l auf die Sicherheit oder mindestens die Leichtigkeit des Verkehrs störend auswirken können, doch ist dies nicht V o r a u s s e t z u n g des Verbotes.
9
2. W e r b u n g und P r o p a g a n d a in V e r b i n d u n g mit Verkehrszeichen (Abs. 2 S. 2) Während sich S. 1 des Abs. 2 m i t Einrichtungen befaßt, die keine Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen sind, bezieht sich S. 2 m i t amtlichen Verkehrszeichen u n d Einrichtungen. W e r b u n g und P r o p a g a n d a steht m i t Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen 15 ) OVG Hamburg 16. 6. 66, MDR 67, 74. " ) OVG Bremen 30. 1. 68, N J W 68, 2078. 1 7 ) Vgl. Hohenester: „Verkehrsregelung durch private Hand", BB 62, 237. 1 8 ) OVG Münster 3. 12. 57, VRS 15, 79.
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) HessVGH 27. 2. 70, VerkMitt. 70, 75. ) S. aber Well: „Untersagung farbiger Lichtreklame und Anlagen wegen Farbübereinstimmung mit Verkehrszeichen?", BB 65, 1210.
Schutz der V e r k e h r s z e i c h e n ;
StVO
Unfall
§§33,34
„in V e r b i n d u n g " , w e n n sie an diesen selbst o d e r an den gleichen P f o s t e n o d e r sonstigen A u f h ä n g e g e r ä t e n angebracht sind. R e k l a m e , die auf der R ü c k s e i t e v o n V e r k e h r s z e i c h e n angebracht ist, steht i m S i n n e des A b s . 2 S. 2 „in V e r b i n d u n g " m i t dem Zeichen. D a s V e r b o t des Abs. 2 S. 2 gilt auch dann, wenn eine schädliche E i n w i r k u n g auf den übrigen V e r k e h r nicht zu b e f ü r c h t e n ist. N a c h § 4 6 Abs. 1 N r . 10 k ö n n e n die S t r a ß e n v e r k e h r s b e h ö r d e n v o n d e m V e r b o t der W e r b u n g u n d P r o p a g a n d a in V e r b i n d u n g m i t V e r k e h r s z e i c h e n in E i n z e l f ä l l e n oder allgem e i n für b e s t i m m t e A n t r a g s t e l l e r A u s n a h m e n genehmigen, jedoch n u r f ü r die Flächen v o n Leuchtsäulen, an denen Haltestellenschilder ö f f e n t l i c h e r V e r k e h r s m i t t e l angebracht sind. S o f e r n eine B a u g e n e h m i g u n g v o r l a g , ist nach § 53 Abs. 3 N r . 4 eine A u s n a h m e g e n e h m i gung e n t b e h r l i c h . Sonstige A u s n a h m e g e n e h m i g u n g s. § 4 6 Abs. 2. C . Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen W e r vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine V o r s c h r i f t ü b e r V e r k e h r s b e e i n t r ä c h t i g u n g e n nach § 33 v e r s t ö ß t , handelt nach § 4 9 Abs. 1 N r . 28 ordnungswidrig i m Sinne des § 2 4 S t V G . D a z u m T a t b e s t a n d einer O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 33 in k e i n e m Fall eine k o n k r e t e G e f ä h r d u n g , B e h i n d e r u n g oder Belästigung g e h ö r t , s t e h t § 33, falls eine solche e i n t r i t t , in T a t e i n h e i t m i t § 1 Abs. 2. A b g r e n z u n g zwischen § 33 Abs. 1 S. 3 v e r b o t e n e m P a r k e n und nach § 3 2 Abs. 1 v e r b o t e n e m A b s t e l l e n v o n F a h r z e u g e n s. o b e n R N r . 7. Erlaubnispflicht f ü r „ V e r a n s t a l t u n g e n " , die der R e k l a m e dienen, s. § 2 9 Abs. 2.
§ 34 Unfall (1) Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte sofort zu halten, sich über die Unfallfolgen zu vergewissern und den Verkehr zu sichern. Unberührt bleiben die Pflichten, die sich aus den Vorschriften über die Hilfeleistung bei Unglücksfällen (§ 330 c des Strafgesetzbuches) und über die Verkehrsunfallflucht (§ 142 des Strafgesetzbuches) ergeben. (2) Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann. Übersicht I. Amtliche Begründung I I . Entstehungsgeschichte und Verhältnis zu § 142 StGB I I I . Inhalt der Vorschrift I.
RNr. 1 2 3-5
1. Haltepflicht 2. Vergewissern über Unfallfolgen 3. Sicherung des Verkehrs IV. Bußgeldvorsdirift und Konkurrenzen
RNr. 3 4 5 6
Amtliche Begründung
1
Z» S 34 In der Erwägung, daß eine StVO, die dem Verkehrsteilnehmer keine Angabe für sein Verhalten nach einem Unfall gäbe, lückenhaft wäre, und nach eingehender Prüfung der Ermächtigungsfrage hatte die Regierungsvorlage einen den Weltregeln über das Verhalten nach einem Unfall angepaßten § 34 enthalten. Die verkündete Fassung beruht auf dem Beschluß des Bundesrates, der eine weitergehende Ermächtigung nicht für gegeben hielt, auch befürchtete, die Reform des § 142 StGB werde durch die in der Regierungsvorlage enthaltene Regelung präjudiziert. Der Bundesminister für Verkehr hat den Beschluß des Bundesrates unter Hintansetzung seiner Bedenken übernommen, weil die sonst unvermeidlich gewesene Verzögerung der Verkündung einer neuen StVO nicht zu verantworten war. 2 » Absatz 1: Das Haltgebot enthält die Grundpflicht, die die Erfüllung der folgenden Pflichten erst ermöglicht. Dem Vorschlag Schmidhausen in J Z 55, 433 (440) folgend wird diese Grundpflicht dahin ergänzt,
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daß der Beteiligte sidi nach dem Halten über die Unfallfolgen zu vergewissern hat. Erst dadurch gewinnt er Klarheit darüber, was für ihn weiter zu tun ist. Die Verkehrssicherungspflicht ausdrücklich auszusprechen, besteht besonderer Anlaß. Sie ist besonders wichtig. Die Unfallbeteiligten müssen alles tun, um weitere Unfälle zu vermeiden. J e weniger der Unfallort einzusehen ist, sei es wegen der örtlichkeit oder wegen der Tageszeit oder wegen der Wetterverhältnisse, um so mehr muß geschehen.
Zu Absatz 2: Die Legaldefinition des Unfallbeteiligten ist nidit zu vermeiden. Sie entspricht der der Strafgesetzentwürfe.
2
IL Entstehungsgeschichte und Verhältnis zu § 142 Ein Verkehrsunfall kann Folgen verschiedener Art haben und Pflichten der Beteiligten begründen, diese Folgen nach Möglichkeit zu vermeiden. Das StGB verbietet in § 142 die sog. Unfallflucht, um die zivilrechtlichen Ansprüche der anderen Unfallgeschädigten zu sichern. Es verpflichtet außerdem in § 330 c zur Hilfeleistung gegenüber Verletzten. Da Verkehrsunfälle häufig die Gefahr begründen, daß noch weitere Verkehrsteilnehmer in den Unfall verwickelt werden, indem sie auf der Unfallstelle zu Schaden kommen, bedarf es weiterer Bestimmungen, um diese Gefahr auszuschalten. Dazu dient vor allem § 15 StVO, der die Absicherung liegengebliebener Fahrzeuge vorschreibt. Die bisherige Regelung ist aber deshalb nicht befriedigend, weil dem Verkehrsteilnehmer, der in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, nicht klar genug gesagt wird, was er im einzelnen alles zu tun hat. Soweit es sich um die Sicherung von zivilrechtlichen Ansprüchen handelt, reicht § 6 StVG als Rechtsgrundlage für eine Regelung in der StVO nicht aus. Die richtige Lösung ist eine Neufassung des § 142 StGB, der sinnvollerweise in das StVG-Gesetz übernommen werden sollte 1 ). Welche Einzelfragen dabei geklärt werden sollten, ergibt sich aus dem Entwurf zur StVO vom 1. 2. 1970. Darnach sollte in der StVO (damals als § 32) folgende Bestimmung aufgenommen werden, die den Regeln des Weltabkommens über das Verhalten nach Verkehrsunfällen entsprach: Unfall (1) Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte: 1. sofort zu halten und sich über die Unfallfolgen zu vergewissern; 2. Verletzten zu helfen (§ 330 c des Strafgesetzbuches); 3. den Verkehr zu sichern, erforderlichenfalls beiseite zu fahren; 4. anderen Beteiligten und am Unfallort anwesenden oder alsbald erreichbaren Geschädigten Namen und Anschrift anzugeben und ihnen auf Verlangen Führerschein und Kraftfahrzeugschein vorzuzeigen; 5. so lange zu warten, bis alle Beteiligten und anwesenden Geschädigten oder die Polizei die notwendigen Feststellungen am Unfallort getroffen haben. Er darf sidi jedoch vorübergehend vom Unfallort entfernen, um für Verletzte zu sorgen oder die Polizei herbeizurufen, nachdem er anderen Beteiligten und anwesenden Geschädigten Namen und Anschrift angegeben hat; 6. die Polizei herbeizurufen, wenn bei dem Unfall ein Mensch getötet oder erheblich verletzt worden ist; 7. nicht alsbald erreichbaren Geschädigten Namen und Anschrift am Unfallort zu hinterlassen, außerdem sie unverzüglich zu verständigen. r, (2) Es ist verboten, Unfallspuren zu beseitigen. (3) Ist bei einem Verkehrsunfall eine Person verletzt worden, so haben vorüberfahrende Fahrzeugführer, soweit sie nicht nach § 330 c des Strafgesetzbuches weitergehende !) Vgl. Möhl (zu § 32 des Entwurfs vom 1. 2. 70), D A R 70, 225, 234.
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Verhältnis zu § 142 StGB; Pflichten aus § 34 StVO
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Hilfe leisten müssen, auf Verlangen eines Beteiligten oder Geschädigten den nächsten Arzt oder die Polizei zu verständigen. (4) Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann. Ein Verkehrsunfall liegt auch vor, wenn nur unbedeutender Sachschaden entstanden ist; dann braudien die Beteiligten nicht auf die Polizei zu warten, müssen aber unverzüglich beiseite fahren. Der BMV vermochte seine Ansicht, daß die im letzten Entwurf vorgesehene umfassende Regelung f ü r das Verhalten nach einem Verkehrsunfall durch die Ermächtigung des § 6 StVG gedeckt sei, im Bundesrat nicht durchzusetzen. Übrig blieb der in seiner verkehrsrechtlichen Bedeutung nicht sehr gewichtige § 34. Doch ist zu hoffen, daß § 142 StGB neugefaßt wird, wobei die Anregungen des Entwurfes zur StVO mitverwertet werden können 2 ). § 34 überschneidet sich audi in seiner jetzigen Form mit anderen Vorschriften. Wer als Beteiligter an einem Unfall vorsätzlich nicht hält, sondern weiterfährt, macht sich eines Vergehens der Unfallflucht schuldig, wer sein bei einem Unfall liegengebliebenes mehrspuriges Fahrzeug nicht absichert, verstößt gegen § 15 StVO, wer Fahrzeugtrümmer oder Teile der bei einem Unfall auf die Fahrbahn gefallenen Ladung dort liegen läßt, gegen § 32 Abs. 1. § 34 wendet sich an alle Verkehrsteilnehmer, ist also nicht auf den Kraftverkehr beschränkt. III. Inhalt der Vorschrift 1. Haltepflicht Ein Verkehrsunfall ist ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, das in ursächlichem Zusammenhang mit diesem Verkehr zur Tötung oder Verletzung eines Menschen oder zu einer nicht völlig belanglosen Sachbeschädigung f ü h r t . Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist nach Abs. 2 jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann. (Näheres s. die Erläuterungen zu § 142 StGB). Die Pflicht zu halten entspricht dem Verbot des § 142, sich der Feststellung seiner Person etc. durch Flucht zu entziehen. Wer also nicht hält, obwohl er erkennt, daß er an einem Unfall beteiligt ist, wird wegen Unfallflucht bestraft. N u r wer fahrlässigerweise annimmt, er sei nicht beteiligt, kann ordnungswidrig im Sinne des § 34 handeln. Auch k o m m t es auf den Umfang des Schadens nicht an. Dieser soll durch das Halten gerade erst festgestellt werden. Allerdings müssen immer fremde Interessen mit im Spiel sein. Wer nur sein eigenes Fahrzeug beschädigt, indem er z. B. an einen Baum streift, braucht nicht zu halten, vorausgesetzt allerdings, daß er sicher sein kann, daß die Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wurde; § 23 Abs. 2. 2. Vergewissern über Unfallfolgen Die Pflicht, sich über Unfallfolgen zu vergewissern, bestand bisher schon im Rahmen des § 142 StGB. Die Frage, ob der Unfallbeteiligte an der Unfallstelle warten muß, kann nur beantwortet werden, wenn festgestellt wird, ob ein Unfallschaden nicht ganz unerheblicher A r t eingetreten ist. Auch die Frage, ob der Unfallbeteiligte nach § 330 c StGB zu einer Hilfeleistung verpflichtet ist, kann nur geklärt werden, wenn er sich über die Unfallfolgen vergewissert. Für die Anwendung des § 34 bleibt also auch hier nur wenig Raum: N u r dann, wenn in Wirklichkeit kein Schaden eingetreten ist oder nur ganz unbedeutender, kann die vorsätzliche Verletzung der Vergewisserungspflicht als Ordnungswidrigkeit nach § 34 verfolgt werden, aber auch wieder nur, wenn nicht von vornherein feststeht, daß 2
) Überblick über die Probleme einer Neufassung des § 142 StGB im Referat von Janis-
zewski auf dem 9. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar K + v 71, 25.
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kein Schaden entstanden ist. O b die Vergewisserungspflicht allgemein der Sicherheit des V e r kehrs dient, ist überdies fraglidi 3 ). 5
3. Sicherung des Verkehrs Bleiben mehrspurige Fahrzeuge liegen, dann gelten die besonderen Sicherungsvorschriften des § 15. Die Pflicht nach § 34 „den Verkehr zu sichern" geht aber weiter als die Sicherungspflicht des § 15. Der Verkehr muß auch gesichert werden, wenn die am Unfall beteiligten Fahrzeuge nicht „liegen bleiben", sondern nur vorübergehend halten, bis die Unfallfolgen festgestellt sind. Auch bezieht sich § 34 nidit nur auf mehrspurige Fahrzeuge wie § 15, sondern auch auf einspurige und auch auf Fahrzeugtrümmer oder Teile der herabgestürzten Ladung. Insoweit allerdings überschneidet sich § 34 wiederum mit § 32 (Verkehrshindernisse).
6
I V . Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Verstöße gegen § 34 sind nach § 49 Abs. 1 N r . 29 Ordnungswidrigkeiten. Wie bereits bei den drei Geboten des § 34 ausgeführt wurde, tritt aber § 34 in den meisten Fällen gegenüber anderen Vorschriften zurück: Gegenüber § 142 StGB bei vorsätzlicher Flucht, gegenüber § 330 c StGB bei vorsätzlicher Verletzung der Hilfeleistungspflicht, gegenüber § 15 S t V O bei Nichtabsicherung liegengebliebener mehrspuriger Fahrzeuge, gegenüber § 32 Abs. 1 beim Liegenlassen v o n Gegenständen auf der Straße.
§ 35 Sonderrechte (1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. (2) Dagegen bedürfen diese Organisationen auch unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 der Erlaubnis, 1. wenn sie mehr als 30 lassen wollen,
Kraftfahrzeuge im geschlossenen Verband (§ 27) fahren
2. im übrigen bei jeder sonstigen übermäßigen Straßenbenutzung mit Ausnahme der nach § 29 Abs. 3 Satz 2. (3) Die Bundeswehr ist über Absatz 2 hinaus auch zu übermäßiger Straßenbenutzung befugt, soweit Vereinbarungen getroffen sind. (4) Die Beschränkungen der Sonderrechte durch die Absätze 2 und 3 gelten nicht bei Einsätzen anläßlich von Unglücksfällen, Katastrophen und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung sowie in den Fällen der Artikel 91 und 87 a Abs. 4 des Grundgesetzes sowie im Verteidigungsfall und im Spannungsfall. (5) Die Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes sind im Falle dringender militärischer Erfordernisse von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, von den Vorschriften des § 29 allerdings nur, soweit für diese Truppen Sonderregelungen oder Vereinbarungen bestehen. (6) Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen und durch einen weiß-roten 3)
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Verneinend Jagusdi Anm. zu $ 34 StVO.
Sonderrechte
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Anstrich oder durch weiß-rot-weiße Warnfahnen gekennzeichnet sind, dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Personen, die hierbei eingesetzt sind oder Straßen oder in deren Raum befindliche Anlagen zu beaufsichtigen haben, müssen bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung tragen. (7) Fahrzeuge der Deutschen Bundespost, die der Beförderung von Postsendungen oder dem Bau oder der Unterhaltung von Fernmeldeeinrichtungen dienen, dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. (8) Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Vwv zu § 35 Zu den Absätzen 1 und 5 I. Bei Fahrten, bei denen nicht alle Vorschriften eingehalten werden können, sollte, wenn möglich und zulässig, die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn angezeigt werden. Bei Fahrten im geschlossenen Verband sollte mindestens das erste Kraftfahrzeug blaues Blinklidit verwenden. II. Das Verhalten geschlossener Verbände mit Sonderrecht Selbst hoheitliche Aufgaben oder militärische Erfordernisse rechtfertigen es kaum je und zudem ist es mit Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit (Abs. 7) auch dann wohl nie zu verantworten, daß solche geschlossenen Verbände auf Weisung eines Polizeibeamten (§ 36 Abs. 1) nicht warten oder Kraftfahrzeugen, die mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn (§ 38 Abs. 1) fahren, nicht freie Bahn schaffen. Zu Absatz 2 I. Die Erlaubnis ist möglichst frühzeitig vor Marschbeginn bei der zuständigen Verwaltungsbehörde zu beantragen, in deren Bezirk der Marsch beginnt. II. Die zuständige Verwaltungsbehörde beteiligt die Straßenbaubehörden und die Polizei. Geht der Marsch über den eigenen Bezirk hinaus, so beteiligt sie die anderen höheren Verwaltungsbehörden. Berührt der Marsch Bahnanlagen, so sind zudem die Bahnunternehmen — für die Bundesbahn deren Betriebsämter — zu hören. Alle beteiligten Behörden sind verpflichtet, das Erlaubnisverfahren beschleunigt durchzuführen. III. Die Erlaubnis kann auch mündlich erteilt werden. Wenn es die Verkehrs- und Straßenverhältnisse dringend erfordern, sind Bedingungen zu stellen oder Auflagen zu machen. Es kann auch geboten sein, die Benutzung bestimmter Straßen vorzuschreiben. IV. Wenn der Verkehr auf der Straße und deren Zustand dies zulassen, kann eine Dauererlaubnis erteilt werden. Sie ist zu widerrufen, wenn der genehmigte Verkehr zu unerträglichen Behinderungen des anderen Verkehrs führen würde. Zu Absatz 3 I. In die Vereinbarungen sind folgende Bestimmungen aufzunehmen: 1. Ein Verkehr mit mehr als 50 Kraftfahrzeugen in geschlossenem Verband (§ 27) ist möglichst frühzeitig — spätestens 5 Tage vor Marschbeginn — der höheren Verwaltungsbehörde anzuzeigen, in deren Bezirk der Marsch beginnt. Bei besonders schwierigen Verkehrslagen ist die höhere Verwaltungsbehörde berechtigt, eine kurze zeitliche Verlegung des Marsches anzuordnen. 2. Ein Verkehr mit Kraftfahrzeugen, welche die in der Vereinbarung bestimmten Abmessungen und Gewichte überschreiten, bedarf der Erlaubnis. Diese ist möglichst frühzeitig zu beantragen. Auflagen können erteilt werden, wenn es die Verkehrs- oder Straßenverhältnisse dringend erfordern. Das Verfahren richtet sich nach II zu Abs. 2. Zu Absatz 4 Es sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen schon eine unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung einen jener Hoheitsträger zwingt, die Beschränkungen der Sonderrechte nicht einzuhalten. Dann darf das nicht beanstandet werden. I. Das zu Absatz 2 Gesagte gilt entsprechend. II. In Vereinbarungen über Militärstraßen nach Artikel 57 Abs. 4 Buchst, b) des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (Bundesgesetzbl. II 1961 S. 1183) sind die zu Absatz 3 erwähnten Bestimmungen aufzunehmen.
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Zu Absatz S I I I . Die Truppen können sich der Verkehrskommandantur der Bundeswehr bedienen, weldie die erforderliche Erlaubnis einholt oder die erforderliche Anzeige übermittelt. Zu Absatz 6 I. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuge des Straßenwinterdienstes, die zum Schneeräumen, Streuen usw. eingesetzt sind. II. Unter Warnanstrich ist auch Folienbelag zu verstehen. III. Fahrzeuge ohne weiß-roten Warnanstrich oder weiß-rot-weiße Warnfahnen dürfen zu den genannten Zwecken nicht eingesetzt werden. IV. Es ist wünschenswert, daß der Warnanstrich solcher Fahrzeuge und die Warnkleidung rüdcstrahlen. Übersicht RNr.
RNr. A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Sonderrechte für deutsche „Hoheitsträger" 1. Allgemeines über den Inhalt der Sonderrechte 2. Regel bei Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Abs. 1) 3. Ausnahmen von der Regel (Abs. 2)
1-2
1 II. 3-13
III.
3-7 , . 5
IV. V.
4. Vereinbarungen für die Bundeswehr (Abs. 3) 5. Befreiung von Einschränkungen der Sonderrechte (Abs. 4) Sonderrechte der Natoverbände (Abs. 5) Sonderrechte des Wegedienstes (Abs. 6) Allgemeines (9), Fahrzeuge des Wegedienstes (10), eingesetzte Personen (11) Sonderrechte der Post (Abs. 7) Grenzen der Sonderrechte (Abs. 8)
C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
9-11
12 13 14
A. Allgemeines I. Amtliche Begründung Zu S 3} Hier sind die Vorschriften des $ 48 Abs. 1 und 2, des § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 und des $ 41 a StVO (alt) zusammengefaßt, die auch sadilich zusammengehören. Bedeutsame materiell-rechtliche Änderungen bringt der Paragraph nicht. Zu Absatz 1: Das geltende Recht wird übernommen. Die Hoheitsträger mit Sonderrechten mußten um den Katastrophenschutz erweitert werden. Zollgrenzdienst und Zollfahndung werden durch den Begriff „Zolldienst" ersetzt. Zu Absatz 5: Solche Information des Publikums über die Stationierungsverträge ist zweckmäßig. Zu Absatz 6: Im Interesse der Lesbarkeit verzichtet die Verordnung auch hier darauf, mit Verweisungen zu arbeiten, wie die StVO (alt) es tut; inwieweit die Straßendienstfahrzeuge in Erfüllung ihrer Aufgabe von den Bestimmungen der StVO befreit sind, läßt sich am einfachsten dadurch klar machen, daß man sagt, was sie tun dürfen. Das bringt Satz 1. Weil sachgemäß diese Sonderrechte nur Fahrzeugen eingeräumt werden, die durch weiß-roten Warnanstrich oder ähnlich gekennzeichnet sind, werden so auch die übrigen Verkehrsteilnehmer davon unterrichtet, welche Bewegungen sie von so gekennzeichneten Fahrzeugen zu gewärtigen haben. Durch die Verquickung von § 41 a Satz 1 und § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO (alt) konnten auch einige schwer verständliche Unterschiede zwischen beiden ausgeräumt werden. Was Straßenkehrer, Schienenreiniger oder Oberleitungsmonteure und Aufsichtsbeamte tun dürfen, braucht nicht gesagt zu werden; das ergibt sich aus ihrem Aufgabenkreis. Ihnen ist nur zu sagen, daß sie, wenn sie außerhalb der Gehwege und Absperrungen tätig werden wollen, durch Warnkleidung kenntlich sein müssen; es ist angebracht, nicht bloß, wie bisher in der AV, sondern im Verordnungstext selbst zu sagen, daß die Warnkleidung auffällig sein müsse; das kann der Verkehr verlangen. Zu Absatz 7: Angesichts der Massierung des Verkehrs war es geboten, bestimmten Fahrzeugen der Post ein — wenn auch beschränktes — Sonderrecht zu gewähren.
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Sonderrechte, Überblick
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Zu Absatz 8: Der Satz ist aus % 48 Abs. 1 StVO (alt) wörtlich übernommen, aber sachgerecht auch auf das Straßenpersonal ausgedehnt worden.
II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung § 35 faßt die Vorschriften über Sonderrechte zusammen, die bisher auf mehrere Paragraphen verteilt waren (§§ 48 Abs. 1 u. 2, 46 Abs. 1 S. 1 u. 2, 41 a StVO 1937). Inhaltlich ändert sich nicht viel. Abs. 1 übernimmt im wesentlichen § 48 Abs. 1 S. 1 der StVO 1937. Zu den Organisationen, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, wurde „der Katastrophenschutz" hinzugefügt. Während Abs. 1 die dort bezeichneten Organisationen allgemein von den Vorschriften der StVO befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist, schränkt Abs. 2 dieses Sonderrecht wieder ein f ü r zwei bestimmte Fälle: Einmal f ü r den Fall, daß mehr als 30 Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband fahren sollen und weiter bei jeder sonstigen übermäßigen Straßenbenutzung (mit Ausnahme des § 29 Abs. 3 S. 2, der sich übrigens gar nicht mit der übermäßigen Straßenbenutzung befaßt, sondern mit der Erlaubnispflicht f ü r Fahrzeuge mit unzureichendem Sichtfeld). Abs. 3 bringt f ü r die Bundeswehr eine Sonderbestimmung, die wiederum die in Abs. 2 enthaltene Beschränkung der Sonderrechte f ü r den Fall aufhebt, daß „Vereinbarungen" getroffen sind. Abs. 4 enthält eine solche Ausnahme f ü r alle mit Sonderrechten ausgestatteten Organisationen f ü r bestimmte Fälle. Das Schema dieser etwas komplizierten Bestimmungen ist also folgendes: 1. 2. 3. 4.
Regel — Befreiung von den Vorschriften der StVO. Einschränkung von 1. — Erlaubnispflicht in bestimmten Fällen. Ausnahme von 2. f ü r die Bundeswehr. Ausnahme von 2. f ü r alle Sonderrechte .
Abs. 5 befaßt sich mit den Sonderrechten der in der Bundesrepublik stationierten Natostreitkräften. Abs. 6 faßt zusammen, was früher in § 46 Abs. 1 S. 1 u. 2 und in § 41 a der StVO 1937 über Sonderrechte der der Straßenunterhaltung u. ä. dienenden Fahrzeuge und Personen enthalten war. Abs. 7 räumt der Bundespost ein beschränktes Wegerecht ein. Die StVO 1937 enthielt keine entsprechende Ausnahmevorschrift. Abs. 8 enthält nicht nur einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer gebührenden Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Ausübung der Sonderrechte, sondern eine selbständige Bußgeldvorschrift (§ 49 Abs. 4 N r . 2). Die Frage, wieweit Fahrzeuge, welche die Sonderrechte des § 35 in Anspruch nehmen, blaues oder gelbes Blinklicht und Einsatzhorn benutzen dürfen, ist in § 38 geregelt. Ausnahmen von den Ausrüstungsvorschriften der StVZO s. dort § 70 Abs. 4 (§ 70 StVZO R N r . 8, II in Bd. I). Nach § 48 Abs. 2 StVO 1937 durften geschlossene Verbände der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Polizei sowie Leichenzüge und Prozessionen grundsätzlich nicht in ihrer Bewegung „gehemmt" werden. Ein solches allgemeines Vorrecht von geschlossenen Verbänden gibt es nicht mehr. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Sonderrechte deutscher „Hoheitsträger" (Abs. 1) 1. Allgemeines über den Inhalt der Sonderrechte Die StVO enthält alle Regeln f ü r den Straßenverkehr. Landesrecht ist unzulässig (III der Vwv zu § 1). Sonderrechte im Straßenverkehr können deshalb nur bestehen, soweit sie die StVO zuläßt. Sonderrechte sind nur möglich, wenn der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer eingeschränkt wird. Die Gleichberechtigung wird ein-
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geschränkt, soweit dies überwiegende Bedürfnisse der Allgemeinheit erfordern. § 35 befreit die Privilegierten zwar von der Einhaltung der Vorschriften der S t V O , soweit das zur Erfüllung „hoheitlicher" Aufgaben geboten ist, er legt aber den übrigen Verkehrsteilnehmern nicht, wenigstens nicht ausdrücklidi, die Pflicht auf, die Ausnahmestellung der Privilegierten zu beachten. N u r in § 38 Abs. 1 wird ihnen diese Pflicht auferlegt, nur wenn blaues Blinklicht und Einsatzhorn verwendet werden, haben alle übrigen Verkehrsteilnehmer „sofort freie Bahn zu schaffen". Soweit der übrige Verkehr durch die Abweichung eines Privilegierten von den Vorschriften der S t V O nicht berührt wird, ist die Lage unproblematisch. Dagegen ergeben sich Schwierigkeiten, sobald die Nichteinhaltung der Verkehrsregeln den übrigen Verkehr in Gefahr bringt. Selbst dann, wenn mit Blaulicht und Einsatzhorn gefahren wird, ergeben sich Schwierigkeiten und rechtliche Zweifel. Diese Frage wird bei § 38 behandelt; (vgl. dort R N r . 5). In § 48 S t V O 1937 war die Befreiung von den Vorschriften der S t V O und das Vorrecht bei Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn zusammen geregelt, während es nunmehr in zwei Paragraphen aufgeteilt wurde. Das mag systematisch unanfechtbar sein, praktisch ist es nicht, weil die in § 35 angeordnete Befreiung von den Vorschriften der StVO durch die jetzt in § 38 den übrigen Verkehrsteilnehmern auferlegte Pflicht, „freie Bahn" zu schaffen, erst volles Gewicht erhält. Der enge Zusammenhang beider Vorschriften zeigt sich schon darin, daß nach der V w v zu § 35 Abs. 1 und 5 bei Fahrten, „bei denen nicht alle Vorschriften eingehalten werden können, „wenn möglich und zulässig" die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch blaues Blinklicht und Einsatzhorn angezeigt werden sollte. M. a. W . wenn der Privilegierte von seinem Recht nach § 35 Abs. 1 Gebrauch macht, sich über Vorschriften der S t V O hinwegzusetzen, dann muß er dies „wenn möglich und zulässig" durch Blaulicht und Einsatzhorn anzeigen. Offenbleibt, wieweit der übrige Verkehr Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 zu beachten hat, wenn er auf sie nicht durch Blaulicht und Einsatzhorn hingewiesen wird. Die Rechte und Pflichten der zwar nach § 35 Abs. 1 Privilegierten, aber nicht nach § 38 Bevorrechtigten sind deshalb schwierig zu bestimmen, weil von Fall zu Fall eine Güterabwägung vorgenommen werden muß. Es handelt sich um eine Rechtsgüterkollision ähnlich wie beim Notstand, dessen Grundgedanken der Privilegierung zugrunde liegt. Dabei muß zunächst geklärt werden, wovon die Hoheitsträger befreit sind. Die S t V O enthält zahlreiche Verhaltensvorschriften, daneben aber auch das dem Naturrecht angehörende Gebot, keinen anderen zu schädigen. Dieses Schadensverhütungsgebot geht den Verhaltensvorschriften vor. Zwar wird die Meinung vertreten, § 35 Abs. 1 befreie auch von dem Gefährdungsverbot des § 1 Abs. 2 1 ). Das trifft aber in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr sind die Privilegierten dem in § 1 zum Ausdruck kommenden Schadensverhütungsgebot ebenso unterworfen wie alle übrigen Verkehrsteilnehmer. Das Schadensverhütungsgebot verbietet aber auch eine Gefährdung anderer. In § 35 Abs. 8 wird darauf ausdrücklich hingewiesen. Auch die Privilegierten sind Verkehrsteilnehmer 2 ), verursachen sie bei Ausübung ihres Vorrechts einen Unfall mit Körperschaden, so werden sie wegen fahrlässiger Körperverletzung zur Verantwortung gezogen. Zivilrechtlich haften sie oder ihr Dienstherr nach § 823 Abs. 1 u. 2 BGB 3 ). Auch ihre Stellung im Zivilprozeß ist keine andere als die der übrigen Verkehrsteilnehmer: Der beklagte Dienstherr des Einsatzfahrzeugs muß beweisen, daß die Voraussetzungen für die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 vorlagen und daß der übrige Verkehr auf das Recht des Einsatzfahrzeugs, sich über das V o r recht anderer Verkehrsteilnehmer hinwegzusetzen, ausreichend aufmerksam gemacht wurde 4 ). So für die frühere Rechtslage: BGH(Z) 3. 2. 67, VerkMitt. 67, 26 = VRS 32, 321 = VersR 67, 580. 2) BGH(Z) 21. 11. 58, NJW 59, 339 = DAR 59, 74 = VRS 16, 105. 3 ) BGH(Z) 13. 2. 64, VersR 64, 940.
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4
) BGH 9. 7. 62, NJW 62, 1767 = 362 = VRS 23, 251 = VerkMitt. MDR 62, 802 = VersR 62, 834; der Staatshaftung vgl. Petersen in 1004.
DAR 62, 62, 87 = zur Frage VersR 64,
Inhalt der Sonderrechte
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Auch die mit der Durchsetzbarkeit der Privilegierung eng zusammenhängende Frage, wieweit der Führer des Einsatzfahrzeugs darauf vertrauen darf, daß der übrige Verkehr sidi auf sein Vorrecht einrichtet, ist nicht einfach zu lösen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß zwar der mit Blaulicht und Einsatzhorn Fahrende ein klares Vorrecht hat, daß aber § 35 nur negativ die Befreiung von den Vorschriften der StVO ausspricht, aber offenläßt, wie sich der übrige Verkehr dazu zu verhalten hat. Wenn § 35 z. B. den Privilegierten von der Beachtung des Vorfahrtsrechts befreit, so gibt es ihm doch nicht selber die Vorfahrt. Gelegentlich half sich die Rechtsprechung dadurch, daß sie zwar die dem normalen Verkehrsteilnehmer aus § 1 erwachsende Pflicht verneinte, aber dann doch eine ähnliche, eingeschränkte Pflicht bejahte. Einem im Einsatz befindlichen Feuerlöschfahrzeug wurde zwar nicht gestattet, ganz ohne Sicherheitsabstand zu überholen, aber eine geringfügige Unterschreitung des sonst geforderten Sicherheitsabstandes wurde hingenommen 5 ). Wenn schon unklar ist, wieweit sich im Einzelfall die Befreiung von den Vorschriften der StVO auswirkt, dann ist noch schwieriger zu entscheiden, wieweit sich der Privilegierte auf die Befreiung verlassen darf, wieweit er auf ihre Beachtung durch den übrigen Verkehr vertrauen darf. Es muß auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden. Selbst wenn Blaulicht und Einsatzhorn verwendet werden, darf der nadi § 38 Bevorrechtigte nicht schlechthin darauf vertrauen, daß sein Vorrecht beachtet wird; (s. § 38 R N r . 8). In anderen Fällen ist das bevorrechtigte Vertrauen noch mehr eingeschränkt. Es hängt davon ab, wieweit der übrige Verkehr überblicken kann, daß er einen privilegierten Hoheitsträger vor sich hat, der von den Vorschriften der StVO befreit ist. Die Stellung des nur nach § 35 Privilegierten ist also schwächer als die des nach § 38 Bevorrechtigten. Aber es ist audi nicht so, daß § 35 lediglich die Befreiung von den Vorschriften der StVO, § 38 lediglich die Bevorrechtigung gegenüber dem übrigen Verkehr zum Gegenstand hat. Die Befreiung führt natürlicherweise auch zu einer gewissen Bevorrechtigung. Wer z. B. die Vorfahrt nicht beachten muß, hat gegenüber einem Vorfahrtberechtigten eine andere Rechtsstellung als ein Wartepflichtiger. Die Schwierigkeit liegt darin, die notwendigen Folgen der Befreiung von den Vorschriften der StVO mit dem Bedürfnis des Straßenverkehrs nach Sicherheit in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat in Abs. 8 des § 35 selbst auf die Grenzen der Sonderrechte ausdrücklich hingewiesen: Sie dürfen nur unter „gebührender" Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Eine Behinderung und Belästigung des übrigen Verkehrs durdi die Privilegierten muß dagegen im Interesse der übergeordneten Interessen der Allgemeinheit in Kauf genommen werden. Die Beschränkung des Vorrechts gilt zwar audi für die nach § 38 Bevorrechtigten. Aber es besteht ein gradueller Unterschied: Die mit Blaulicht und Einsatzhorn Fahrenden sind zu einer riskanteren Fahrweise berechtigt (und u. Umst. sogar verpflichtet) wie die zwar nach § 35 Privilegierten, aber ohne Blaulicht und Einsatzhorn Fahrenden 6 ). Wer ohne sein. Vorrecht nach außen durch Blaulicht und Einsatzhorn geltend zu machen, das Vorrecht eines anderen Verkehrsteilnehmers „mißachten" will, muß damit rechnen, daß er den normalerweise Bevorrechtigten verwirrt und damit eine besondere Gefahr heraufbeschwört. Dieser Gefahr muß er dadurch begegnen, daß er dem anderen Verkehrsteilnehmer seine Absicht auf andere Weise deutlich zu erkennen gibt 7 ). Nicht nur vom allgemeinen Schadensverhütungsgebot, sondern auch von der damit zusammenhängenden Pflicht, dafür zu sorgen, daß sich das Einsatzfahrzeug in vorschriftsmäßigem Zustand befindet (§ 23), befreit § 35 nicht 8 ). Zusammenfassend kann gesagt werden: Soweit durch die Inanspruchnahme des Privilegs nach § 35 Abs. 1 andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden können, darf es in der 5) Celle 6. 11. 69, NJW 70, 432. «) Karlsruhe 31. 8. 61, NJW 61, 2362 = VRS 22, 228.
7) BGH(Z) 11. 1. 71, MDR 71, 282 = Betrieb 71, 331 = DAR 71, 132 = VRS 40, 241 =
NJW 71, 616 = VerkMitt. 71, 37 = DRspr. II (293) 96 d. 8) BGH 18. 11. 57, DAR 58, 48; 28. 9. 62, VRS 24, 47.
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Regel nidit in Anspruch genommen werden, ohne daß den übrigen Verkehrsteilnehmern durch Blaulicht und Einsatzhorn geboten wird, freie Bahn zu schaffen. In allen Fällen, in denen die Abweichung von Verkehrsregeln den übrigen Verkehr nicht in Gefahr bringt, sondern höchstens behindert oder belästigt, bedarf es dagegen der Warnung durch Blaulicht und Einsatzhorn nicht. Die Frage, ob ein Verkehrsteilnehmer zu den in Abs. 1 bezeichneten Organisationen gehört und ob diese hoheitliche Aufgaben erfüllt, ist eine Rechtsfrage, die Frage, ob die Abweichung von den Vorschriften der StVO dringend geboten ist, dagegen eine Ermessensfrage, die nur beschränkt nachprüfbar ist; (s. R N r . 14). 4
2. Regel bei Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Abs. 1) Nach § 70 Abs. 4 StVZO sind die in § 35 Abs. 1 StVO bezeichneten staatlichen Organisationen unter den gleichen Bedingungen von den Vorschriften der StVZO befreit; (s. Bd. I Teil II § 70 R N r . 6—9). Zu den früher in § 48 Abs. 1 genannten Organisationen ist neu der „Katastrophenschutz" gekommen. Die Organisationen sind von den Vorschriften der StVO befreit, „soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten". Befreit wird jeder Angehöriger der genannten Organisationen, der hoheitliche Aufgaben erfüllt. Hoheitlich ist eine Tätigkeit, die nicht nur staatlichen Zwecken dient, sondern auch aus der Staatsgewalt hergeleitet wird und zum Aufgabenbereich der Organisation gehört. Unter den Begriff Bundeswehr fallen alle Gliederungen der Bundeswehr; (Natoverbände s. R N r . 8). Zu den hoheitlichen Aufgaben der Bundeswehr gehört auch die Ausbildung ihrer Soldaten, also Übungen und Manöver aller Art. Auch der Aufgabenkreis der Feuerwehr darf nicht zu eng genommen werden. § 35 will alles beseitigen, was höchster Sdilagfertigkeit, raschestem Einsatz entgegenstehen könnte und alles fördern, was der Durchführung der Hoheitsaufgaben dient: Heransdiaffen von Löschmannschaften nichtkasernierter Feuerwehren, behelfsmäßige Beförderung von Löschund Rettungsgerät; dabei macht es keinen Unterschied, ob feuerwehreigene oder private Fahrzeuge befördern. § 35 gilt für die „Feuerwehr" schlechthin, also auch für private Einrichtungen wie Fabrikfeuerwehren. Voraussetzung für die Befreiung ist aber immer, daß sie sich im Einsatz befinden und daß die Befreiung von Vorschriften der StVO Voraussetzung für die Durchführung ihrer Aufgabe ist; ein nicht im Einsatz befindliches Feuerwehrauto hat keinerlei Vorrechte, doch sollen auf der Rückfahrt von einer Brandstätte und auf Ubungsfahrten der Feuerwehr die Sonderrechte zustehen 9 ). Hier wird allerdings meist eine Abweichung von Verkehrsregeln nicht „dringend" geboten sein. Zum Aufgabenbereich der Feuerwehr kann auch noch der Krankentransport und Rettungsdienst gehören. Unfallrettungswagen der Feuerwehr im Einsatz können daher die Rechte aus § 35 in Anspruch nehmen 10 ). Die Aufgaben der Feuerwehr werden ¡sich häufig mit dem weiteren Begriff des „Katastrophenschutzes" decken. Bei diesem ist aber auch an den Einsatz von Militär bei Überschwemmungen u. dergl. zu denken. • Audi der Begriff „Polizei" ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Gemeint sind zunächst alle Dienststellen, die polizeiliche' Aufgaben nach dem Polizeiaufgabengesetz zu erfüllen haben. Darauf, ob die polizeiliche Tätigkeit im Haupt- oder Nebenamt ausgeübt wird, wird es hier nicht ankommen (vgl. für die entsprechende Bestimmung in der StVZO § 70 R N r . 7). Deshalb wird dazu auch die Tätigkeit der Forstbeamten und Jagdaufseher und für den Bereich des Bahnbetriebes der Bahnpolizei gehören 11 ). Auch die Beamten einer Strafanstalt üben in diesem Sinn eine Polizeiaufgabe hoheitlicher Art aus, wenn sie nadi ) B G H ( Z ) 23. 4. 56, N J W 56, 1633 = V R S 11, 93 = VerkMitt. 56, 56. « ) B G H 9. 7. 62 wie Fußn. 4 ; 11. 1. 71 wie Fußn. 7 ; Allgemeines zu den verkehrsrecht8
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lidien Vorrediten der Feuerwehr: Härtung, N J W 56, 1625. " ) Celle 14. 5. 64, NdsRpfl. 64, 258 = D A R 65, 222 = V R S 27, 440.
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Hoheitliche Aufgaben; Ausnahmen
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einem entsprungenen Strafgefangenen fahnden 1 2 ). Auch ein gerade nidit in Dienst befindlicher Polizeibeamter erfüllt hoheitliche Aufgaben, wenn er einen von ihm erkannten Verbrecher mit seinem Privatfahrzeug verfolgt 1 8 ). U n t e r dem Begriff „Zolldienst" ist zusammengefaßt, was f r ü h e r mit „Zollgrenzdienst" und „Zollfahndung 0 bezeichnet w a r . Andere als die in Abs. 1 genannten Behörden u n d Organisationen werden von den Vorschriften der StVO auch dann nicht befreit, wenn sie einer privilegierten Organisation Hilfe leisten. So sollen m i t Blaulicht u n d Einsatzhorn fahrende Turmwagen der Straßenbahn nicht unter Abs. 1 einzuordnen sein, auch wenn ihr Einsatz die Bekämpfung eines Brandes durch Feuerwehrleute erleichtern sollte 14 ). 3. Ausnahmen von der Regel (Abs. 2)
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Die in Abs. 2 angeordnete Erlaubnispflicht bedeutet eine Ausnahme von der Kegel des Abs. 1. Während die privilegierten Organisationen, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist, von den übrigen Vorschriften der StVO befreit sind, bleibt f ü r sie die Erlaubnispflicht nach 5 29 bei übermäßiger Straßenbenutzung bestehen. Allerdings gibt es von dieser Ausnahme. wiederum mehrere Ausnahmen: § 29 Abs. 3 S. 2. der f ü r den Verkehr mit Fahrzeugen, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes Sichtfeld läßt, ebenfalls die Erlaubnisoflicht vorsieht, gilt f ü r die nach 5 35 Privilegierten nicht. Außerdem wird § 29 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 modifiziert: Während nach dieser Vorschrift f ü r Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband allgemein die Erlaubnispflicht gilt, gilt sie f ü r geschlossene Kraftfahrzeugverbände der Privilegierten n u r dann, wenn der Verband aus mehr als 30 Kraftfahrzeugen besteht. Abs. 2 N r . 1 ist insofern eine Ausnahme von Abs. 2 N r . 2. Eine weitere Ausnahme von der Ausnahme des ^ 35 Abs. 2 enthält S 35 Abs. 3 (Bundeswehr, soweit „Vereinbarungen" getroffen sindl und Abs. 4 (Einsatz bei U n glücksfällen etc.V Zum Erlaubnisverfahren s. die V w v zu Abs. 2, zur Frage der Zuständigkeit vgl. § 29 R N r . 14. Neben der in Abs. 2 enthaltenen Ausnahme v o n der Regel des Abs. 1 ist immer Abs. 8 zu beachten, der die gebührende Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit u n d O r d n u n g bei Ausübung der Sonderrechte allgemein vorschreibt; (unten R N r . 13). Abs. 2 b e f a ß t sich n u r mit Fällen, in denen die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind. Ist die Befreiung von den Vorschriften der StVO z u r Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nicht dringend geboten, dann gelten f ü r die in Abs. 1 genannten Organisationen die allgemeinen Regeln. D a n n müssen also auch Kraftfahrzeugverbände u n t e r 30 K r a f t fahrzeugen die Erlaubnis einholen u n d § 29 Abs. 3 S. 2 ist auf sie anwendbar. 4. Vereinbarungen für die Bundeswehr (Abs. 3)
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Abs. 3 enthält insofern eine Ausnahme von Abs. 2, als auf die Bundeswehr § 29 (übermäßige Straßenbenutzung) nicht anwendbar ist, soweit „Vereinbarungen" getroffen sind. Wer solche Vereinbarungen t r i f f t , sagt weder § 35, noch die Vwv, sondern § 44 Abs. 4. Darnach werden die Vereinbarungen von der Bundeswehr mit der obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle abgeschlossen. Die f r ü h e r in den Richtlinien über die Freigabe von Straßen f ü r den Militärverkehr durch Vereinbarungen nach 5 48 StVO 1937 aufgestellten Richtlinien sind auch heute noch zu beachten; (VkBl. 59, 90; 65, 319). D a neben enthält die V w v zu § 35 Abs. 2 Hinweise. (Zur Ausübung der Sonderrechte durch die Bundeswehr vgl. auch Min.Bl. des Bundesministers f ü r Verteidigung 59, 387; 60, 77; 63, 151). 1!
) BayObLG 21. 9. 60, 1 St 362/1960. ) Hamm 9. 9. 60, VRS 20, 378; vgl. audi AG Berlin Tiergarten 11. 3. 65, DAR 65,
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182; vgl. audi Köln 18. 11. 66, VRS 32, 466 (getarntes Polizeifahrzeug) i") Hamm 24. 6. 60, VRS 19, 198.
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5. Befreiung von Einschränkungen der Sonderrechte (Abs. 4) Nach Abs. 1 sind die d o r t bezeichneten Organisationen soweit v o n den Vorschriften der StVO befreit, als das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Abs. 2 schränkt die Befreiung insofern ein, als die Erlaubnispflicht bei übermäßiger Straßenben u t z u n g in gewissen Grenzen von der Befreiung ausgenommen wird. Abs. 4 hebt wiederu m diese Ausnahme f ü r den Fall auf, daß es sich u m Einsätze anläßlich von Unglücksfällen, Katastrophen und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder O r d n u n g sowie in den Fällen der A r t . 91 u. 87 a Abs. 4 G G sowie im Verteidigungs- u n d im Spannungsfall handelt. In diesen Fällen d ü r f e n also Straßen übermäßig im Sinne des § 29 in A n spruch genommen werden, ohne daß es einer Erlaubnis bedarf. Dazu b e m e r k t die V w v ergänzend, daß Fälle denkbar sind, in denen schon eine unmittelbar drohende Gefahr f ü r die öffentliche Sicherheit u n d O r d n u n g einen jener Hoheitsträger zwingen kann, die Beschränkungen seiner Sonderrechte nicht einzuhalten. In diesem Fall darf das nach der V w v nicht beanstandet werden. Abs. 4 setzt voraus, daß Sonderrechte bestehen. Während es f ü r die Befreiung v o n den Vorschriften der StVO im allgemeinen genügt, daß sie z u r Erfüllung hoheitlicher A u f gaben dringend geboten ist, verlangt Abs. 4 f ü r die Befreiung von der Erlaubnispflicht nach § 29 m e h r : Es m u ß sich u m Einsätze handeln, die einer besonders gewichtigen u n d dringenden Gefahr begegnen sollen, Einsätze, bei denen jeder Zeitverlust den Erfolg des Einsatzes in Frage stellt. Soweit es sich u m Einsätze des Katastrophenschutzes handelt, wird in aller Regel auch die Voraussetzung des Abs. 4 gegeben sein. Unglücksfälle sind ein plötzlich eintretendes äußeres Ereignis, das erheblichen Schaden an Leib u n d Leben von Menschen oder an bedeutenden Sachgütern verursacht oder zu verursachen d r o h t . Zu denken ist hier vor allem auch an schwere Verkehrsunfälle; (vgl. § 18 Abs. 9). Die in Abs. 4 bezeichneten Fälle der A r t . 91 u n d 87 a Abs. 4 G G betreffen die Abwehr von Gefahren f ü r den Bestand der Bundesrepublik. Z u m „Spannungs- u n d Verteidigungsfall" s. Art. 87 a Abs. 3 GG.
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II. Sonderrechte der Natoverbände (Abs. 5) Die Sonderrechte der T r u p p e n der nichtdeutschen Vertragsstaaten des N o r d a t l a n t i k paktes sind in den Stationierungsverträgen festgelegt. Nach A r t . 57 Abs. 4 des Zusatzabkommens z u m N a t o t r u p p e n s t a t u t (VII 5 d R N r . 2 in Bd. II) werden den N a t o v e r bänden annähernd die gleichen Rechte zugesichert wie den Verbänden der Bundeswehr. Die Begründung zu § 35 Abs. 5 weist darauf hin, daß dieser Absatz n u r der I n f o r m a t i o n des „Publikums" dient. O b im Einzelfall dringende militärische Erfordernisse das Abweichen von Verkehrsvorschriften gebieten, entscheidet allein die militärische Dienststelle 15 ). III. Sonderrechte des Wegedienstes (Abs. 6)
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Allgemeines Abs. 6 befaßt sich in seinem ersten Satz m i t Fahrzeugen, die dem Bau, der U n t e r h a l t u n g oder Reinigung der Straßen u n d Anlagen im Straßenraum oder der M ü l l a b f u h r dienen, im zweiten mit den Personen, die hierbei eingesetzt sind. Die Fahrzeuge dürfen, wenn sie durch einen weißroten Anstrich oder durch weiß-rot-weiße W a r n f a h n e n gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen u n d auf jeder Straßenseite in jeder Richtung fahren u n d halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Sie werden also zwar nicht v o n allen Vorschriften der StVO wie die in Abs. 1 bezeichneten Organisationen, aber doch v o n einigen wichtigen Vorschriften befreit. Es sind dies: § 2 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 (Benutzung der Fahrbahn, Rechtsfahren), § 7 S. 2 Halbsatz 2 (Ausscheren nach rechts beim „Neben1!
) BayObLGSt 59, 356 (15. 12. 59) = NJW 60, 1070.
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Sonderrechte des Wegedienstes
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einanderfahren"), § 11 Abs. 1 (Einfahren in Kreuzung bei Verkehrsstockungen), §§ 12, 13 (Halten und Parken), § 18 Abs. 1, 2, 8, 11 (Einfahren und Ausfahren, Fahren und Halten auf Autobahnen). Sie brauchen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 6 vorliegen, auch mehrere Verkehrszeichen nicht zu beachten, z. B. Z. 250—267, 283, 286, 290, 295—299. Die auf einen Beschluß des Bundesrats hin eingefügten Worte „zu allen Zeiten" sind nicht, wie man meinen könnte, überflüssig: Durch sie wird geklärt, daß audi das Sonntagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 für die Fahrzeuge des Wegedienstes nicht gilt. Für die „hierbei" eingesetzten Personen, fehlt eine entsprechende Befreiung von den Vorschriften, (wie sie noch in § 46 Abs. 1 S. 2 StVO 1937 enthalten war). Die amtliche Begründung meint dazu, was Straßenkehrer, Sdiienenreiniger oder Oberleitungsmonteure und Aufsichtsbeamte tun dürfen, brauche nicht gesagt zu werden. Das ist nicht überzeugend. Auch bei den meisten für den Bau oder die Unterhaltung von Straßen eingesetzten Fahrzeugen kann darüber kein Zweifel bestehen, was ihnen erlaubt sein muß, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können. Trotzdem hat der Gesetzgeber bei ihnen (mit Recht) eine ausdrückliche Ausnahmebestimmung für nötig gehalten. Man kann höchstens aus dem Umstand, daß sie nadi Abs. 6 S. 2 bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung tragen müssen, darauf schließen, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß sie bei Erfüllung ihrer Aufgaben von den Fußgängerregeln befreit sind. Wegedienstfahrzeuge Die nach Abs. 6 teilweise privilegierten Wegedienstfahrzeuge sind zwar in Abs. 6 nicht näher bezeichnet. Um welche Fahrzeuge es sich handelt, ergibt sich aber aus ihren dort näher bezeichneten Aufgaben. Nach I der Vwv zu Abs. 6 gilt S. 1 auch für Fahrzeuge des Straßenwinterdienstes, die zum Schneeräumen, Streuen usw. eingesetzt sind. Unter die Vorschrift fallen Sonderfahrzeuge wie fahrbare Baumaschinen, Räum- und Streufahrzeuge, Straßenspreng- und -kehrfahrzeuge, Kabelwinden, Schienenreinigungsfahrzeuge, fahrbare Drehleitern zur Instandhaltung der Straßenbeleuchtung oder der Fahrleitung von Straßenbahnen oder Oberleitungsomnibussen, fahrbare Baubuden, auch Fahrzeuge, die Arbeitspersonal zu oder von der Arbeitsstelle befördern, sowie Lastkraftwagen, die zur Beförderung von Arbeitsmaterial aller Art verwendet werden 16 ). Voraussetzung der Befreiung ist in jedem Fall, daß sich die Fahrzeuge „im Einsatz" befinden, und daß der Einsatz die Befreiung erfordert. Außerdem müssen die Fahrzeuge als Wegedienstfahrzeuge gekennzeichnet sein und zwar entweder durch einen weiß-roten Anstrich (unter dem nach der Vwv auch Folienbelag zu verstehen ist) oder durch eine weiß-rot-weiße Warnfahne, deren Ausmaß (im Gegensatz zu § 22 Abs. 4) nicht vorgeschrieben ist. Kann eine Gefährdung des übrigen Verkehrs durch die Kennzeichnung der Fahrzeuge allein nicht ausgeschlossen werden, wie dies bei Arbeiten auf Schnellverkehrsstraßen häufig der Fall sein wird, dann müssen die Fahrzeuge durch Warnzeichen 17 , gelbes Blinklicht ( § 3 8 Abs. 3) oder durch Absperrgeräte (§ 43) abgesichert werden. Neben den eigentlichen Wegedienstfahrzeugen sind in Abs. 6 auch noch Fahrzeuge aufgeführt, die der Müllabfuhr dienen. Das beschränkte Vorrecht steht auch diesen Fahrzeugen nur zu, wenn sie entsprechend gekennzeichnet sind. Daß es sich um gemeindliche Müllabfuhr handeln muß, ist dagegen nicht Voraussetzung. Andere Fahrzeuge, auch wenn sie Aufgaben erfüllen, welche für die Allgemeinheit wichtig sind, wie z. B. Fahrzeuge, welche Milchkannen bei den Erzeugern einsammeln und zur Molkerei befördern, haben keine entsprechenden Vorrechte 18 ). Auch für Ärzte gibt es grundsätzlich keine Ausnahme. Doch kann bei ihnen der Gesichtspunkt des Notstandes eine Abweichung von den Verkehrsregeln rechtfertigen; (XIX/1 § 12 RNr. 3 in Bd. II). " ) Zusammenstellung bei Booß § 35 Anm. 5. " ) Hamm 5. 2. 65, V R S 29, 212; vgl. auch Hamm 5. 12. 60, VerkMitt. 61, 21.
18
) Celle 2. 11. 57, VerkMitt. 59, 40 = 142.
V R S 15,
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Eingesetzte
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Personen
S. 2 des Abs. 6 befaßt sich mit Personen, die bei Erledigung von Arbeiten im Straßenraum eingesetzt sind, die den in S. 1 näher bezeichneten Zwecken dienen und mit Personen, welche die Straße oder in deren Raum befindliche Anlagen zu „beaufsichtigen" haben. Bei sinngemäßer Anwendung der Regeln des S. 1 (vgl. oben R N r . 9) wird man davon auszugehen haben, daß diese Personen von den Fußgängerregeln (vor allem § 25) befreit sind, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Dieses Vorrecht k o m m t ihnen aber nur dann zu, wenn sie außerhalb von Gehwegen und Absperrungen „auffällige Warnkleidung" tragen. Damit ist der Kreis der Personen, die Warnkleidung tragen müssen, gegenüber der früheren Regelung (§ 41 a S. 2 S t V O 1937) erweitert worden. Denn nadi früherem Recht wurden von der Pflicht, Warnkleidung zu tragen, nur Personen ergriffen, die bei der Unterhaltung und Beaufsichtigung der Straße tätig sind, (zu denen die der Straßenreinigung dienenden Straßenkehrer nicht gehören). Nunmehr müssen also auch solche Personen auffällige Warnkleidung tragen, wenn sie von den Fußgängervorschriften befreit sein wollen 1 9 ). Die sog. Müllwerker gehörten bisher überhaupt nicht zu den Personen, die eine besondere Rechtsstellung hatten 1 0 ). Nunmehr werden sie den mit Wegedienstarbeiten Beschäftigten gleichgestellt, sofern sie auffällige Warnkleidung tragen. 12
I V . Sonderrechte der Post (Abs. 7) Das Fahrzeugen der Deutschen Bundespost in Abs. 7 eingeräumte Vorrecht ist neu. Es entspricht zwar im wesentlichen den Vorrechten der in Abs. 6 behandelten Wegedienstfahrzeuge, ist aber insofern etwas eingeschränkt, als das Fahren „auf jeder Straßenseite in Jeder Richtung" nicht mit einbegriffen ist. D e r Zweck des eingeschränkten Vorrechts ist vor allem die Befreiung der Paketzustellung und Briefkastenleerung von H a l t - und Parkverboten. Das eingeschränkte Vorrecht steht nicht allen Fahrzeugen der Bundespost zu, sondern nur solchen, die der Beförderung von Postsendungen oder dem Bau oder der Unterhaltung von Fernmeldeeinrichtungen dienen. Die der Personenbeförderung dienenden Postfahrzeuge genießen also kein Vorrecht.
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V. Grenzen der Sonderrechte (Abs. 8) Wie alle übrigen Rechte, die aus Bestimmungen der S t V O abgeleitet werden, sind auch die Sonderrechte nach 5 35 durch das Schadensverhütungsgebot begrenzt. In Abs. 8 k o m m t dieser Gedanke zum Ausdrude. Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Die Frage nach den Grenzen der Sonderrechte wird besonders in den Fällen bedeutsam, in denen das privilegierte Fahrzeug nach ^ 38 Blaulicht und Einsatzhorn verwendet; (s. ^ 38 R N r . 5). Aber auch in den übrigen Fällen müssen die Bedürfnisse des übrigen Verkehrs gegenüber den in den Sonderrechten zum Ausdruck kommenden Bedürfnissen der Allgemeinheit sorgfältig abgewogen werden. Je gefährlicher eine Abweichung von den Vorschriften für den übrigen Verkehr sein kann, desto größer muß das Maß der zur Eindämmung der Gefahr aufgewandten Sorgfalt sein* 1 ). „Gebührend" ist die Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn die Abwägung zwischen der Bedeutung der „hoheitlichen" Aufgaben und den Bedürfnissen des übrigen Verkehrs sorgfältig vorgenommen wird, wenn also bei hoheitlichen Aufgaben minderer Bedeutung dem Gedanken der Sicherheit des Verkehrs ein weiterer Raum eingeräumt wird als bei bedeutungsvollen Aufgaben. Den Vertrauensgrundsatz kann der Privilegierte, der ohne Blaulicht und Einsatzhorn fährt, nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er sicher sein kann, daß der übrige •') Für die frühere Rechtslage: BayObGLSt 62, 289 (6. 12. 62) = VRS 25, 230; vgl. auch LG Frankenthal 25. 2. 60, MDR 60, 842.
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20 )
Hamm 3. 9. 62, DAR 63, 307 = VkBl. 63, 26.
« ) BGH(Z) 23. 4. 56 wie Fußn. 9; BGH 30. 10. 68, VerkMitt. 69, 1 = VRS 36, 40.
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Post; Grenzen der Sonderrechte
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Verkehr erkannt hat, daß er es mit einem Fahrzeug der in § 35 Abs. 1 bezeichneten A r t zu tun hat, das sich zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Einsatz befindet. Die gebührende Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht auch darin, daß der Privilegierte alles tut, um die übrigen Verkehrsteilnehmer auf sein „Vorrecht" hinzuweisen. Dieser Hinweis kann auch in der besonderen äußeren F o r m oder dem besonderen Anstrich des privilegierten Fahrzeugs liegen. Die Zugehörigkeit eines Kampffahrzeugs zur Bundeswehr oder zu den Natoverbänden bedarf keiner weiteren Hinweise. C . Bußgeldvorschriften und Konkurrenzen Ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G handelt nach § 49 Abs. 4 N r . 1 u. 2, wer entgegen § 35 Abs. 6 S. 2 keine auffällige Warnkleidung trägt und wer entgegen § 35 Abs. 8 Sonderrechte ausübt, ohne die öffentliche Sicherheit und Ordnung gebührend zu berücksichtigen. Wird der übrige Verkehr in vorwerfbarer Weise gefährdet, behindert oder belästigt, dann läge eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2 vor, wenn nicht § 35 Abs. 8 als das speziellere Gesetz vorginge. Wird dabei allerdings ein Anderer geschädigt, dann trifft § 35 Abs. 8 mit § 1 Abs. 2 tateinheitlich zusammen, denn insoweit befreit § 35 Abs. 1 nicht von den Vorschriften der S t V O . Auch von den Vorschriften des S t G B sind die nach § 35 Privilegierten nicht befreit. K o m m t es zu einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung, so tritt die Ordnungswidrigkeit hinter das Vergehen zurück; (§ 17 Abs. 1 O W i G ) . Wer Sonderrechte in Anspruch nimmt, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben sind, handelt nicht nach § 35 ordnungswidrig, sondern nach den Vorschriften, über die er sich unberechtigterweise hinwegsetzt. Allerdings ist das pflichtgemäße Ermessen der Behörden nur in beschränktem Umfange (fehlerhafte Ermessensentscheidung) nachprüfbar. Hält eine Behörde mit vertretbarer Begründung die Abweichung von einer Vorschrift der S t V O für dringend geboten, um ihre hoheitlichen Aufgaben erfüllen zu können, dann ist das Gericht an diese Ermessensentscheidung auch dann gebunden, wenn es selbst keinen solchen Fall annehmen würde. Verkehrsteilnehmer, die infolge unverschuldeten Verbotsirrtums annehmen, zu den § 35 Abs. 1 Privilegierten zu gehören, können nicht wegen des Verstoßes gegen eine Vorschrift der S t V O geahndet w e r d e n 0 ) .
I I . Zeichen u n d V e r k e h r s e i n r i c h t u n g e n § 36 Zeichen u n d W e i s u n g e n d e r P o l i z e i b e a m t e n (1) Die Zeichen u n d W e i s u n g e n d e r P o l i z e i b e a m t e n sind zu befolgen. Sie g e h e n allen a n d e r e n A n o r d n u n g e n u n d sonstigen R e g e l n v o r , entbinden den V e r k e h r s t e i l n e h m e r jedoch nicht v o n s e i n e r Sorgfaltspflicht. (2) A n K r e u z u n g e n o r d n e t a n : 1. Seitliches A u s s t r e c k e n eines A r m e s o d e r b e i d e r A r m e q u e r zur F a h r t r i c h t u n g : „Halt v o r der Kreuzung". D e r Q u e r v e r k e h r ist freigegeben. H a t d e r B e a m t e dieses Zeichen gegeben, so gilt es fort, solange e r in d e r gleichen R i c h t u n g w i n k t o d e r n u r seine G r u n d s t e l l u n g beibehält. D e r f r e i g e g e b e n e V e r k e h r k a n n n a c h d e n R e g e l n des § 9 abbiegen, n a c h links jedoch n u r , w e n n e r S c h i e n e n f a h r z e u g e d a d u r c h nicht behindert. « ) Hamm 24. 6. 60, VRS 19, 198. 681
§ 36
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2. Hochheben eines Armes: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten", für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung: „Kreuzung räumen". (3) Diese Zeichen können durch Weisungen ergänzt oder geändert werden. (4) An anderen Straßenstellen, wie an Einmündungen und an Fußgängerüberwegen, haben die Zeichen entsprechende Bedeutung. (5) Die Polizeibeamten dürfen Verkehrsteilnehmer auch zur Verkehrskonfrolle und zur Verkehrszählung anhalten. Vwv zu § 36 Zu Absatz
1
I. Dem fließenden Verkehr dürfen nur diejenigen Polizeibeamten, die selbst als solche oder deren Fahrzeuge als Polizeifahrzeuge erkennbar sind, Zeichen und Weisungen geben. Das gilt nicht bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen. II. Weisungen müssen klar und eindeutig sein. Es empfiehlt sich, auch sie durch Armbewegungen zu geben. Zum Anhalten kann der Beamte eine Winkerkelle benutzen oder eine rote Leuchte schwenken. Zu den Absätzen
2 und 4
I. Ist der Verkehr an Kreuzungen und Einmündungen regelungsbedürftig, so sollte er vorzugsweise durch Lichtzeichenanlagen geregelt werden; selbst an besonders schwierigen und überbelasteten Kreuzungen werden Lichtzeichenanlagen im allgemeinen den Anforderungen des Verkehrs gerecht. An solchen Stellen kann es sich empfehlen, Polizeibeamte zur Überwachung des Verkehrs einzusetzen, die dann erforderlichenfalls in den Verkehrsablauf eingreifen. II. Wenn besondere Verhältnisse es erfordern, kann der Polizeibeamte mit dem einen Arm „Halt" anordnen und mit dem anderen abbiegenden Verkehr freigeben. III. Bei allen Zeichen sind die Arme so lange in der vorgeschriebenen Haltung zu belassen, bis sich der Verkehr auf die Zeichen eingestellt hat. Die Grundstellung muß jedoch bis zur Abgabe eines neuen Zeichens beibehalten werden. IV. Die Zeichen müssen klar und bestimmt, aber auch leicht und flüssig gegeben werden. Zu Absatz 5 I. Verkehrskontrollen sind sowohl solche zur Prüfung der Fahrtüchtigkeit der Führer oder der nach den Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere als auch solche zur Prüfung des Zustandes, der Ausrüstung und der Beladung der Fahrzeuge. II. Straßenkontrollen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 GüKG) sollen in Zusammenarbeit mit der örtlich zuständigen Polizei durchgeführt werden. Obersicht A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten — Allgemeines (Abs. 1) 1. „Zeichen und Weisungen" 2. „Polizeibeamte" 3. Gehorsamspflicht — Verhältnis zur Sorgfaltspflicht 4. Vorrang II. Die Zeichen an Kreuzungen im einzelnen (Abs. 2) 1. Allgemeines
682
RNr. 1-2 1 2 3-16 3-6 3 4 5 6 7-13 7
RNr. 2. Seitliches Ausstrecken der Arme 8-11 „Halt vor Kreuzung" (8), Freigabe des Querverkehrs (9), Fortgeltung des Zeichens (10), Abbiegen (11) 3. Hochheben eines Armes 12-13 „Vor der Kreuzung warten" (12), „Kreuzung räumen" (13) III. Weisungen als Ergänzung der Zeichen (Abs. 3) 14 IV. Bedeutung der Zeichen an anderen Straßenstellen (Abs. 4) 15 V. Anhalten zur Verkehrskontrolle und Verkehrszählung (Abs. 5) 16 C. Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen
17
Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten
I. Amtliche Begründung Zu Absatz
StVO
§ 36
1
A. Allgemeines
1;
Weisungen und Zeichen der Polizeibeamten unterscheiden sich grundsätzlich dadurch, daß jene sich nur an einzelne bestimmte Verkehrsteilnehmer richten (Einzelverfügung), diese aber an alle, die es angeht (Allgemeinverfügung). Die Unterscheidung ist nötig, -weil nach Absatz 3 die Weisungen den Zeichen der Polizeibeamten vorgehen sollen. Da beide Arten von Anordnungen praktisch ineinander übergehen, will die Verordnung Klarheit dadurch schaffen, daß sie allein bestimmte Handbewegungen der Polizeibeamten in Absatz 2 als sogenannte Zeichen herausstellt. Alle übrigen Anordnungen der Polizeibeamten sind sonach Weisungen. Sie können sowohl durch Winken als auch durch Zuruf oder Pfeifen gegeben werden und müssen nur deutlich genug sein, um rechtliche Bedeutung zu erlangen. Satz 2 klärt das Verhältnis dieser Weisungen und Zeichen zu anderen Anordnungen und sonstigen Regeln. Was der Polizeibeamte anordnet, soll „allen" anderen Anordnungen und Regeln vorgehen. Anordnungen sind sowohl die durch die allgemeinen Verkehrsregeln gegebenen wie die folgenden Sonderanordnungen; sonstige Regeln finden sich gleichfalls in den allgemeinen Verkehrsregeln, aber auch unter den Richtzeichen (z. B. das positive Vorfahrtzeichen). Daß audi Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten Anordnungen sind, ergibt das Wort „andere". Den Rechtsgedanken des zweiten halben Satzes hat die Rechtsprechung entwickelt. Man darf nicht blindlings den Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten folgen, sondern muß zusätzlich selbst Umschau halten. So darf ein Kraftfahrer, der von einem Polizeibeamten angehalten wird, nicht scharf bremsen, wenn dadurch ein Nachfolgender gefährdet werden kann. Zu Absatz
2:
Er bringt die Zeichen der Polizeibeamten und gibt im wesentlichen den Inhalt des § 2 Abs. 2 StVO (alt) wieder. Einige Korrekturen waren dabei erforderlich. Es soll künftig nur noch zwei Zeichen geben: das seitliche Ausstrecken eines Armes oder beider Arme und das Hochheben eines Armes. Das Winken in der Verkehrsrichtung ist nunmehr, wie es schon bisher wohl gedacht war, in Fortsetzung des seitlichen Ausstreckens zulässig; wie bisher gilt dieses Zeichen auch fort, wenn der Beamte die Arme sinken läßt und nur seine Grundstellung beibehält. In dem Bestreben, bußgeldbewehrte Anordnungen eindeutig von anderen Regeln zu unterscheiden, wird nur das Ausstrecken der Arme quer zur Verkehrsrichtung als Anordnung bezeichnet, und es wird angefügt, daß das Ausstrecken in der Verkehrsrichtung den Querverkehr freigibt, also nicht die Anordnung zur Weiterfahrt enthält, vielmehr diese nur gestattet. Daß weiteres Halten u. U. eine vermeidbare Verkehrsbehinderung im Sinne des § 1 Abs. 2 darstellt, bedarf der Erwähnung nicht. Dadurch ist zugleich die mißverständliche Bedeutung des Armausstreckens in der Verkehrsrichtung „Straße frei" vermieden; in Wirklichkeit ist nur der Verkehr freigegeben; ob die Straße wirklich frei ist, soll der Verkehrsteilnehmer nach Absatz 1 ja in eigener Verantwortung prüfen. Der nächste Satz verbessert den Inhalt des § 2 Abs. 4 Satz 1 StVO (alt) und bringt ihn erst an der richtigen Stelle unter. Auch die „Bedeutung" der Zeichen mußte verbessert werden. Jenes Ausstrecken der Arme ordnet nicht „Halt!" an, sondern vor Kreuzungen „Halt vor der Kreuzung", vor Einmündungen „Halt vor der Einmündung". Als verunglückt muß das bezeichnet werden, was in § 2 Abs. 2 Nr. 2 StVO (alt) über die Bedeutung des Hochhebens eines Armes gesagt ist. In Wirklichkeit ist dieses Zeichen ein Zwischenbefehl und fordert von allen, die sich nicht schon in einer Kreuzung oder Einmündung befinden, daß vor ihr auf ein weiteres Zeichen zu warten sei, von denen, die sich schon in der Kreuzung befinden, diese zu räumen, wie die Verordnung an Stelle des unschönen Begriffs „freimachen" sagt. Um den Inhalt der durch dieses Zeichen gegebenen Anordnungen klar herauszustellen, soll zunächst in Absatz 2 nur gesagt werden, was sie an Kreuzungen besagen, und für andere Straßenstellen (z. B. Einmündungen, Fußgängerüberwege) ihnen in Absatz 4 entsprechende Bedeutung gegeben werden. Zu Absatz
3:
Ergänzende oder abändernde Weisungen kann auch ein zweiter Polizeibeamter geben. Zu Absatz 5: Der Absatz gibt in knapper Form den Inhalt des § 2 a StVO (alt) wieder. Daß dieser Paragraph das Anhalten zu Verkehrskontrollen und Verkehrszählungen gemeint hat, ergibt die zur Verordnung 1956 gegebene Begründung.
II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung
2
Mit § 36 beginnt der II. Abschnitt der S t V O — „Zeichen und Verkehrseinrichtungen". Die früher in § 2 S t V O 1937 in einem Paragraphen zusammengefaßten Vorschriften über Verkehrsregelung durch Polizeibeamte und Farbzeichen wurden auf § 36 — §§ 37, 38 auf-
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§ 36
StVO
Möhl
geteilt. Die Neufassung enthält sachlich wenig Neues. (Zur Entwicklungsgeschichte des § 2 StVO 1937 vgl. 21. Aufl. § 2 Anm. 1 u. 8). Abs. 1 entspricht dem früheren § 2 Abs. 1, bezieht sidi aber nur auf Kreuzungen. Der Klarheit wegen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten den Verkehrsteilnehmer nicht von seiner Sorgfaltspflicht entbinden, was von der Rechtsprechung auch bisher schon angenommen wurde. Abs. 2 entspricht mit einigen unbedeutenden Änderungen dem früheren § 2 Abs. 2. Das früher als Verkehrszeichen behandelte Winken in der Verkehrsrichtung ist als solches weggefallen. Die Bedeutung des Hochhebens eines Armes wird knapper und klarer dargestellt. Während § 2 Abs. 4 StVO 1937 eine besondere Vorschrift für das Abbiegen nach links beim Zeichen „Straße frei" enthält, wird nunmehr insoweit auf § 9 verwiesen. Ausdrücklich wird ferner darauf hingewiesen, daß nach links nur abgebogen werden darf, wenn dadurch Schienenfahrzeuge nicht behindert werden, wodurch die Vorschriften des § 2 Abs. 3 und des § 9 Abs. 1 S. 3 ergänzt werden. Abs. 3 klärt das Verhältnis von Zeichen und Weisungen. Er ersetzt auch den früheren § 2 Abs. 7 (Zeichen für Schienenbahnen). Abs. 4 ergänzt den Abs. 2, indem er den Zeichen an anderen Straßenstellen als Kreuzung eine entsprechende Bedeutung zumißt. Abs. 5 übernimmt den früheren, erst durdi die V O vom 14. 3. 56 in die StVO 1937 eingefügten § 2 a. Eine dem § 37 Abs. 4 entsprechende Bestimmung, nach der bei Verkehrsregelung durch Lichtzeichen nebeneinander gefahren werden darf, fehlt in § 36, doch wird § 37 Abs. 4 bei Verkehrsregelung durch Polizeibeamte analog angewandt werden dürfen; (vgl. § 37 R N r . 34). B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten — Allgemeines (Abs. 1) 3
1. »Zeichen und Weisungen" Wie früher wird zwischen Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten unterschieden. Welche Zeichen es gibt, sagt Abs. 2. Alle übrigen Einwirkungen durch Polizeibeamte auf den Verkehr sind „Weisungen". Während die Zeichen ähnlich den Wechsellichtzeichen den gesamten Verkehr betreffen, also Allgemeinverfügungen 1 ) sind, richten sich die Weisungen an Einzelpersonen; (vgl. Begründung zu Abs. 1). Die Weisungen dienen einem augenblicklichen Bedürfnis der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs. Sie sind nicht für die Dauer bestimmt. Auch dem ruhenden Verkehr können Weisungen erteilt werden 1 ). Zwischen Zeichen und Weisungen besteht insofern ein Rangverhältnis, als nach Abs. 3 die Zeichen durch Weisungen ergänzt oder geändert werden können. Abs. 1 dient nicht nur der Durchführung schon aus dem Gesetz sich ergebender verkehrspolizeilicher Vorschriften. Im Gegenteil: Der Grund der Bestimmung liegt gerade darin, daß der Verkehr auf öffentlichen Straßen fortwährend neue, von der Behörde nicht vorauszusehende und deshalb durch allgemeine Vorschriften nicht zu lösende Verwicklungen mit sich bringt, die nur durch sofortiges Eingreifen eines gegenwärtigen, mit den Verkehrsverhältnissen vertrauten Polizeibeamten beseitigt werden können. Abs. 1 betrifft (im Gegensatz zu Abs. 5) nur solche Weisungen und Zeichen, die der Polizeibeamte erkennbar zur Einwirkung auf den Verkehrsablauf gibt, nicht z. B. Zeichen, die verbieten, sich in Amtshandlungen einzumischen*), oder welche die Bitte ausdrücken, ') BGHSt 20, 125 (4. 12. 64) = NJW 65, 308. ') Neustadt 10. 7. 57, NJW 57, 1487 = MDR 57, 695 = VRS 13, 475 = J R 58, 32 m.
684
Anm. v. Härtung = DRspr. II (291) 39 f; Hamm 24. 10. 58, VRS 16, 382 = NJW 59, 114.
„Zeichen und Weisungen"
StVO
§ 36
mitgenommen zu werden. Beliebige Zeichen beliebiger Polizeibeamten sind zwar durch Abs. 1 nicht gedeckt. Aus der allg. Fassung des Abs. 1 (die von Polizeibeamten schlechthin spricht, ohne Einschränkung auf diejenigen, die „zur Regelung des Verkehrs" eingesetzt sind), folgt aber nicht, daß nur Anordnungen von Verkehrspolizeibeamten zu befolgen seien4). Weisung eines Polizeibeamten ist audi die Anordnung eines auf der Straße befindlichen Beamten aus einem augenblicklichen Verkehrsbedürfnis heraus 5 ). Die Weisung kann audi außerhalb der Straße erfolgen, z. B. an einen im Gasthaus sitzenden oder in einem Geschäft Rechnungen kassierenden Führer oder Halter eines parkenden Fahrzeugs, dies wegzufahren 2 ). Sie braucht nicht gerade an einem bestimmten Verkehrsteilnehmer gerichtet6), muß aber klar und eindeutig sein7). Ein Verkehrspolizeibeamter, der den Verkehr regelt, braucht nicht in der Mitte der Kreuzung oder Einmündung zu stehen; es genügt, wenn er sich so postiert, daß seine Eigenschaft als „Verkehrsleiter" für die Verkehrsteilnehmer erkennbar ist 8 ). Polizeibefugnisse außerhalb der Verkehrsregelung (aber nicht außerhalb des Verkehrs!): Abs. 5. Abs. 1 deckt nicht schriftliche Anordnungen der büromäßig arbeitenden Polizeibehörden, nicht z. B. die auf der Polizeiwache gegebene Weisung, die Führung eines Kfzs wegen Alkoholwirkung zu unterlassen, auch nidit das allgemeine Abstellverbot gegenüber einem Kraftfahrzeugbetrieb 5 ). Dagegen sind voraussdiauende, vorsorgliche Weisungen möglich. Beispiel: Wenn ein Polizeibeamter den Kraftfahrer zum Verlassen eines Parkplatzes auffordert, weil dieser für die nächste Zeit für die Teilnehmer an einer Versammlung reserviert sei, kann darin eine „Weisung" im Sinne des § 36 liegen'). Die Weisungen der Polizeibeamten sind Verwaltungsakte. Bloß passives Verhalten des Polizeibeamten gegenüber Verkehrsteilnehmern (Streckensicherung bei Veranstaltungen) ist nicht „Weisung", in der eine Duldung der Abweichungen von Verkehrsregeln erblickt werden könnte. — Abs. 1 betrifft nicht solche (Einzel-)Weisungen, die nur eine (allgemeine) gesetzliche (StVO) Anordnung wiederholen 10 ). Verbietet ein Polizeibeamter unter Hinweis auf ein Sperrschild, das Befahren der Straße, so ist das keine selbständige Verfügung, sondern Hinweis auf ein bereits bestehendes Verbot. Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten im Verkehr müssen von den Betroffenen ungeprüft befolgt werden und unterliegen auch nicht der gerichtlichen Nachprüfung auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern lediglich darauf, ob sie objektiv aus Gründen der Verkehrsregelung gegeben und von Beamten nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehalten wurden 11 ). Geht eine Weisung allerdings offensichtlich von einer falschen Beurteilung der Verkehrslage aus, so daß ihre Befolgung andere gefährden könnte, so darf sidi der Betroffene darüber hinwegsetzen. Die frühere vertretene Ansicht7), ein Polizeibeamter sei nicht befugt, einen Verkehrsteilnehmer im Rahmen der Verkehrsregelung zu schnellerem Fahren anzuweisen, wird schon im Hinblick auf § 3 Abs. 2 nidit aufrechterhalten werden können. 2.
„Polizeibeamte" Unter „Polizeibeamten" sind nicht nur Verkehrspolizeibeamte zu verstehen; (s. oben R N r . 3). Ihre Eigenschaft als Polizeibeamte muß dem Verkehrsteilnehmer aber erkennbar sein12). Uniform ist stets ausreichender Ausweis; Armbinde genügt nicht. Es genügt ) BayObLGSt 56, 107 (8. 5. 56) = V R S 11, 394. ) Ebenso Cramer StVO § 36 RNr. 14; a. A. Booß StVO § 36 Anm. 1 und die frühere Rechtsprechung z. B. Celle 14. 7. 66, N J W 67, 944 = V R S 32, 150. 5 ) K G 16. 8. 56, VRS 11, 379; 14. 4. 60, V R S 19, 67; Hamburg 9. 5. 56, D A R 57, 52 = VRS 11, 383 = DRspr II (291) 28 d; Karlsruhe 25. 4. 57, D A R 57, 246. Bedenklich Hamm 19. 4. 72, J R 72, S. 430 mit Kritik von Möhl (telefonische Weisung von Polizeidienststellen aus). 8
4
«) Hamm 24. 10. 58 wie Fußn. 2). 7 ) Düsseldorf 21. 2. 57, V R S 13, 61 = DRspr. II (291) 35 a. ») Düsseldorf 11. 4. 68, VerkMitt. 69, 22 = VersR 68, 1095. ») Köln 9. 8. 60, JMBi.NRW 60, 287 = VRS 20, 300. 1 0 ) K G 16. 8. 56, VRS 11, 379; Celle 25. 8. 66, VerkMitt. 66, 94 = DRspr. II (291) 151 a. " ) Bremen 9. 10. 58, VkBl. 59, 260; K G 14. 4. 60, VRS 19, 67 (zu § 2 a StVO 1937). 1 2 ) Düsseldorf 18. 6. 53, V R S 5, 633.
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§ 36
StVO
Möhl
aber, daß der Angewiesene den Polizeibeamten als solchen hätte erkennen können 13 ). Rechtmäßigkeit der Amtsausübung ist kein vom Vorsatz umfaßtes Tatbestandsmerkmal, sondern nur äußere Strafbarkeitsbedingung; vermeintliche (Putativ-)Notwehr ist ausgeschlossen, soweit der Täter über die Reditmäßigkeit der Amtsausübung irrt und nur dieser Irrtum der Grund seines Handelns ist 14 ). Fahrlässiges Nichterkennen des Zeichens (bzw. des Polizeibeamten) ist ordnungswidrig 15 ). Auf Verkehrsposten muß der Verkehrsteilnehmer achten, Unaufmerksamkeit ihren Anordnungen gegenüber ist Fahrlässigkeit; sonstigen im Dienst befindlichen Polizeibeamten braudit der Verkehrsteilnehmer keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken: Nichtausführung ihrer infolge mangelnder Beobachtung nicht wahrgenommenen Anordnungen ist nidit Fahrlässigkeit' 8 ). Der Schülerlotse wäre dem Polizeibeamten gleichzustellen, wenn er als Hilfspolizist tätig wäre. Sonst weist seine durch Verkehrsschild 17 ) sinnfällig gemachte Tätigkeit den Fahrverkehr nur auf die nach § 1 Abs. 2 erforderliche Rücksicht auf die querenden Schüler hin. Nichtbeachtung seines Zeichens ist nicht als solche ordnungswidrig, wird aber i. d. Regel den Vorwurf der Fahrlässigkeit und einer Verletzung des § 1 Abs. 2 rechtfertigen. Ähnlich die Zeichen eines die Fahrbahn überschreitenden Gebrechlichen oder seines Begleiters. Die von Straßenbauarbeitern (üblicherweise mit roter Flagge) gegebenen Zeichen zur Verkehrsregelung auf einer Baustrecke (z. B. bei wechselndem Richtungsverkehr), sind zu befolgen; dies ergibt sich aber nicht aus § 36, sondern aus § 1 Abs. 2 1 8 ). Die Verbindlichkeit der Lichtzeichen einer an einer Straßenbaustelle aufgestellten Verkehrssignalanlage kann allerdings durch Zeichen eines Bauarbeiters nicht aufgehoben werden 19 ). 5
3. Gehorsamspflicht — Verhältnis zur Sorgfaltspflicht Nach S. 1 des Abs. 1 sind die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten „zu befolgen". Nach S. 2 entbinden sie aber den Verkehrsteilnehmer nicht von seiner eigenen Sorgfaltspflicht. Der ausdrückliche Hinweis in S. 2 ist zwar neu, doch ist die Rechtsprechung auch schon bei der früheren Rechtslage zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Ein Verkehrsteilnehmer, dessen Fahrweise durdi das Zeichen eines Polizeibeamten geregelt wird oder welcher der Weisung eines Polizeibeamten folgt, braucht und darf zwar grundsätzlich darüber keine Erwägungen anstellen, ob das Zeichen oder die Weisung bei der Verkehrslage notwendig oder audi nur sinnvoll ist. Er hat es zu befolgen. Aber er darf es nicht blind befolgen, sondern bedenken, daß der Polizeibeamte nicht alle Einzelheiten des Verkehrsgeschehens überblicken und das mögliche Fehlverhalten einzelner Verkehrsteilnehmer nicht voraussehen kann. Deshalb muß der Verkehrsteilnehmer bei Befolgung des Zeichens oder der Weisung den übrigen Verkehr im Auge behalten und die gleiche Rücksicht und Vorsicht walten lassen, wie sie die Teilnahme am Verkehr bei jeder Verkehrslage erfordert. Die Ergebnisse der früheren Rechtsprechung können bei der Auslegung der neuen Vorschrift mitherangezogen werden. Darnach ist den Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten schlechthin Folge zu leisten, auch wenn sonst kein Verkehr stattfindet 20 ) oder die Anordnung für falsch oder unberechtigt gehalten wird 21 ) und ferner ohne Rücksicht auf die Verkehrsregeln die etwa anderes Verhalten vorschreiben; das war schon in § 2 Abs. 1 StVO 1937 ausdrücklich vorgeschrieben. Die Ordnungswidrigkeit hängt auch nicht von der Unanfechtbarkeit einer Anordnung ab 22 ). Die Weisungen und Zeichen eines Polizeibeamten ) ) 15) ") ") 13
14
686
Neustadt 10. 7. 57 wie Fußn. 2). RG 5. 5. 27, J W 28, 109. BayObLG 7. 10. 27, J W 28, 567. Oldenburg 21. 5. 57, DAR 57, 365. Düsseldorf 12. 1. 68, VRS 36, 30 = VerkMitt. 69, 15 = DRspr. II (291) 169 c.
) ) °) 21)
Vgl. Celle 24. 4. 57, VRS 13, 232. Hamm 8. 1. 71, VRS 41, 148. Hamm 6. 5. 54, VRS 7, 221. Hamburg 15. 9. 54, VRS 7, 376; Düsseldorf 12. 4. 67, VerkMitc. 67, 72. 2 2 ) BayObLGSt 52, 250 (25. 11. 52). 18
10 2
.Polizeibeamte"; Gehorsamspflicht; Vorrang;
StVO
§ 36
zur Verkehrsregelung können auch von den Strafgerichten nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nachgeprüft werden. Während die F o r m der Zeichen in Abs. 2 genau vorgeschrieben ist, gibt es für die Weisungen keine Vorschriften. Sie können sogar in eine Frage geknüpft sein, wenn nur klar erkennbar ist, daß es sich um eine Weisung handelt 2 3 ). Die Weisung enthebt den Verkehrsteilnehmer nicht der Pflicht, auf den übrigen Verkehr Rücksicht zu nehmen 2 4 ). Das den Verkehr freigebende Zeichen enthebt ihn nicht seiner eigenen Verantwortlichkeit 2 5 ), wie er überhaupt auch bei Verkehrsregelung mit plötzlich auftretenden Hindernissen rechnen muß. Jedoch sind Ausnahmen denkbar, z. B. wenn der Polizeibeamte eine Weisung auf Grund seiner besseren Übersicht über den Verkehrsraum trifft 2 «). Jeder Verkehrsteilnehmer kann aber i. allg. auf Beachtung der polizeilichen Zeichen und Weisungen durch die anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen. Wer entgegen dem Zeichen die Fahrbahn überschreitet, handelt auf eigene Gefahr und grob fahrlässig 27 ). D e r örtliche Wirkungsbereich der Anordnungen erstreckt sich soweit, als dies für die Wirksamkeit der Anordnungen nötig ist. So ist im Bereich einer Kreuzung die Regelung des Verkehrs durch Polizeibeamte oder Lichtsignale auch von solchen Fußgängern zu beachten, die die Fahrbahn zwar außerhalb eines bezeichneten Uberganges, jedoch noch innerhalb des Kreuzungsbereichs überqueren 2 8 ). (Zum Kreuzungsbereich s. § 25 R N r . 14). Für einen 20 m von der Kreuzung entfernten, durch Ampeln gesicherten Fußgängerüberweg ist aber die Verkehrsregelung durch einen Polizeibeamten in der benachbarten Kreuzung ohne Bedeutung. Zwar muß der Verkehrsteilnehmer auch eine unzweckmäßige Weisung befolgen. Doch kann sich daraus eine Amtshaftung ergeben 2 9 ). Eine Ausnahme gilt nur für nichtige Zeichen und Weisungen. Zeichen, die nicht in der in Abs. 2 vorgeschriebenen F o r m gegeben werden, wären zwar als Zeichen nichtig, doch werden sie in der Regel als Weisungen rechtswirksam sein, zumal Abs. 3 die Ergänzung und Änderung von Zeichen durch Weisungen vorsieht. Weisungen können nichtig sein, wenn ihre Befolgung offensichtlich zu einer Gefährdung des Angewiesenen führen würden. Die natürliche Grenze der Weisungsbefugnis wie die auch der gesetzlichen Verkehrsregeln, liegt dort, wo ihre Befolgung den Angewiesenen in Gefahr brächte. Ist daher für den Angewiesenen erkennbar, daß die Befolgung der Weisung eines Polizeibeamten ihn in Gefahr brächte, dann braucht er sie nicht zu befolgen. 4. Vorrang (Abs. 1 S. 2)
g
Die Zeichen und Weisungen gehen nach S. 2 wie schon bisher allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor. Zu den anderen Anordnungen gehören auch die durch Lichtzeichen und durch Verkehrszeichen getroffenen. Aber auch zwischen Zeichen und Weisungen besteht eine Rangordnung. Weisungen gehen den Zeichen vor und können sie ergänzen und abändern; (Abs. 3). Der durch das seitliche Ausstrecken eines Armes quer zur Fahrtrichtung gegebene Befehl „Halt vor der Kreuzung" kann z. B. durch ein Winkzeichen mit dem anderen Arm dahin ergänzt und abgeändert werden, daß bestimmte Fahrzeuge trotz des Haltzeichens in die Kreuzung einfahren und nach rechts abbiegen dürfen; (vgl. II der Vwv zu Abs. 2). ) Hamm 14. 2. 58 VerkMitt. 58, 33 = VRS 15, 290. 2 4 ) BayObLGSt 52, 168 (23. 7. 52), BGH(Z) 5. 4. 60, VerkMitt. 60, 71; vgl. Weigelt DAR 61, 11; Köln 4. 12. 56, VerkMitt. 57, 35. 2 5 ) Celle 17. 12. 49, VkBl. 50, 72; Düsseldorf 21. 2. 57, VRS 13, 61. 2S
) Hamburg 11. 1. 61, VRS 21, 291 = DAR 61, 315 = VerkMitt. 61, 54; Frankfurt 26. 6. 65, DAR 65, 331 = VRS 29, 380. 2 ') Stuttgart 28. 9. 49, RdK 49, 27. 2 8 ) BayObLGSt 59, 63 (4. 3. 59) = VerkMitt. 59, 56 = VRS 17, 97. 2 9 ) BGH 13. 12. 65, VRS 30, 414. 28
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§ 36
StVO
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D e r Polizeibeamte kann durch Zeidien Anordnungen treffen, die von Verkehrsregeln aller A r t abweichen, z. B. Rechtseinbiegen in weitem Bogen oder Schneiden des Linksbogens, rechts Überholen, links Ausweichen. Allerdings ist der Beamte nur ermächtigt, bei einer Verkehrslage, die er übersehen und beurteilen kann, Anordnungen zu treffen, die von den allgemeinen Verkehrsregeln abweichen 30 ). Von dem Erfordernis der Fahrerlaubnis kann der Polizeibeamte nicht durdi ein Zeichen befreien, das die Heranführung des Kraftfahrzeugs anordnet 3 1 ). Irrtum eines Verkehrsteilnehmers über den Sinn einer durch Handzeichen gegebenen Weisung ist Tatbestandsirrtum 3 2 ). Ein Polizeibeamter, der in eine Ampelregelung eingreift, muß sich darüber im klaren sein, daß die Verkehrsteilnehmer ihr Augenmerk vorzüglich der Ampel widmen. II. Die Zeidien an Kreuzungen im einzelnen (Abs. 2) 7
1.
Allgemeines
Abs. 2 befaßt sich mit den Zeichen der Polizeibeamten an Kreuzungen. Es gibt nur mehr zwei solche Zeichen: Seitliches Ausstrecken eines Armes oder beider Arme quer zur Fahrtrichtung und Hochheben eines Armes. Das in § 2 Abs. 2 N r . 1 S t V O 1937 vorgesehene Zeichen „Winken in der Verkehrsrichtung" ist als Zeichen weggefallen, kann aber als Weisung neben den Zeichen weitergeübt werden. Zum seitlichen Ausstrecken eines oder beider Arme gehört, wie sich aus S. 3 von Abs. 2 N r . 1 ergibt, eine entsprechende Grundstellung, nicht dagegen zum Hochheben eines Armes. Die durch seitliches Ausstrecken der Arme gegebene Anordnung hat die Besonderheit, daß sie solange fortgilt, als der Beamte seine Grundstellung beibehält, auch wenn er dabei die Arme sinken läßt. Nach Abs. 4 haben die Zeidien an anderen Straßenstellen wie an Einmündungen und Fußgängerüberwegen entsprechende Bedeutung. 2. Seitliches Ausstrecken der A r m e 8
„Halt
vor
Kreuzungen"
Durch das seitliche Ausstrecken eines Armes oder beider Arme quer zur Fahrtriditung wird den in der Fahrtriditung Fahrenden geboten, vor der Kreuzung zu halten. Aufgabe des Polizeibeamten ist es, darauf zu achten, daß die in der Fahrtrichtung Fahrenden noch genügend R a u m haben, um rechtzeitig anhalten zu können. E r wird deshalb häufig zuerst das in Abs. 2 N r . 1 an zweiter Stelle genannte Zeidien »Hochheben eines Armes" verwenden, um auf das folgende Haltzeidien vorzubereiten. W o »vor der Kreuzung" angehalten werden muß, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Soweit Haltlinien (Z. 294) vorhanden sind, muß dort gehalten werden, andernfalls unmittelbar vor der Kreuzung. Die Anordnung, vor der Kreuzung zu halten, kann nur von solchen Verkehrsteilnehmern befolgt werden, die sich noch in ausreichendem Abstand vor der Kreuzung befinden. Wer bereits in die Kreuzung einfährt, muß weiterfahren dürfen, wobei er auf den beginnenden Querverkehr zu aditen hat. Stockt der Verkehr, so dürfen Fahrzeuge nach § 26 Abs. 2 nicht auf einen Fußgängerüberweg fahren, wenn sie dort warten müssen. Das müssen die Führer von Fahrzeugen, die v o r einer Kreuzung halten müssen, beachten. Dagegen gilt das Haltverbot des § 12 Abs. 1 N r . 4 für sie nidit, weil sie nicht im Sinne dieser V o r schrift »halten", wenn sie auf Anordnung eines Polizeibeamten vor der Kreuzung warten müssen. Ähnliches gilt für Bahnübergänge (§ 19 Abs. 4). Wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird (§ 9 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 3), darf auch im Schienenbereich einer Straßenbahn gehalten werden. »«) Düsseldorf 21. 2. 57, VRS 13, 61. ) BayObLG 7. 2. 61, 2 St 5/1961.
31
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32
) Köln 17. 9. 63, VRS 26, 107.
Die Zeichen im einzelnen
StVO
§ 36
Freigabe des Querverkehrs Gleichzeitig mit dem Haltgebot für den Verkehr in der Fahrtrichtung wird der Querverkehr „freigegeben". „Freigabe" ist kein Gebot, sondern eine Erlaubnis. Trotzdem wird der freigegebene Querverkehr in der Regel von der Erlaubnis Gebrauch madien müssen, weil das Parken (Halten länger als 3 Minuten!) im Kreuzungsbereich nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 verboten ist und weil ein Fahrzeugführer, der trotz des freigegebenen Verkehrs stehenbleibt, die hinter ihm wartenden Fahrzeuge vermeidbar behindert (§ 1 Abs. 2). Die Freigabe entbindet den Querverkehr nicht von der Pflicht, darauf zu achten, ob die Straße auch wirklich frei ist. Etwaigen Nachzüglern aus der vorher freigegebenen Richtung muß die Räumung der Kreuzung ermöglicht werden. Die Pflichten des Querverkehrs bemessen sich nadi der Grundregel des § 1 Abs. 2; (s. § 1 R N r . 157—159). Das Zeichen des Polizeibeamten gilt auch für Fußgänger, welche die Fahrbahn an der Kreuzung überschreiten wollen. Da die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten vorgehen, können diese auch an beampelten Kreuzungen entgegen den Lichtzeichen den Verkehr regeln. Doch ist dann besonders Vorsicht geboten.
Fortgeltung des Zeichens Ist der Richtungsverkehr zum Halten gekommen und der freigegebene Querverkehr angefahren, dann kann der Polizeibeamte die Arme sinken lassen. Doch muß er die Grundstellung beibehalten. Dann gilt nach Nr. 1 S. 3 die vorher durch die Arme gegebene Anordnung solange fort, bis der Polizeibeamte ein neues Zeichen gibt. Allerdings muß der Beamte bedenken, daß besonders auf weiträumigen Kreuzungen seine Grundstellung von später in die Kreuzung Gelangenden leicht übersehen werden kann. Nach Abs. 3 kann der Polizeibeamte seiner Anordnung durch Weisungen z. B. durch Winken mit der Hand Nachdruck verleihen.
Abbiegen Während früher in § 2 Abs. 4 StVO 1937 (überflüssigerweise) eine besondere Vorschrift für das Abbiegen auf das Zeichen „Straße frei" enthalten war, verweist nunmehr Nr. 1 S. 4 auf § 9. Dabei wird ergänzend zu § 2 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 S. 3 angeordnet, daß nach links nur abgebogen werden darf, wenn dadurch keine Schienenfahrzeuge behindert werden. Diese Ergänzung ist nicht überflüssig, weil sich § 2 Abs. 3 auf Fahrzeuge bezieht, die in der Längsrichtung der Schienenbahn verkehren, während § 9 Abs. 1 S. 3 dem Wortlaut nach das Einordnen auf Schienen verbietet, nicht aber das Abbiegen über Schienen. Aus dem Umstand, daß der Verkehr „freigegeben" ist, ergibt sich nicht, daß für die Weiterfahrt neben § 9 nicht auch die übrigen Verkehrsregeln einschließlich der durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen gelten. Ist also die Fahrtrichtung durch Z. 209, 211, 214, 297 vorgeschrieben, dann muß auch der durch den Polizeibeamten freigegebene Verkehr diese Anordnungen befolgen. Um das Linksabbiegen bei starkem Verkehr zu ermöglichen, darf der Polizeibeamte seine Zeichen dadurch ergänzen, daß er den Gegenverkehr solange abstoppt, bis der Abbiegeverkehr die Kreuzung geräumt hat. (Zur Wartepflicht des Abbiegers gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen s. § 9 R N r . 39—42). 3. Hochheben eines Armes
Vor der Kreuzung warten Das Hochheben eines Armes entspricht in seiner Wirkung der des Gelblichts. Die der Kreuzung Wartenden müssen weiter warten, bis ihnen die Fahrt freigegeben wird. in der freigegebenen Richtung Fahrenden müssen, soweit ihnen dies noch möglich ist, der Kreuzung anhalten, die auf der Kreuzung Befindlichen müssen diese räumen. Wer halten muß, braucht auf nachfolgende Fahrzeuge nicht zu achten, weil diese bei der
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näherung an eine Kreuzung damit rechnen müssen, daß der Vorausfahrende anhalten muß. Soweit den zum Anhalten Verpflichteten das rechtzeitige Anhalten nicht mehr möglich ist, müssen sie die Kreuzung zügig durchfahren. Sie dürfen sich aber nidit darauf verlassen, daß dem Querverkehr nidit freie Fahrt gegeben wird, bevor sie die Kreuzung geräumt haben, wenn sie auch gegenüber dem anfahrenden Querverkehr das Vorrecht haben, die Kreuzung räumen zu dürfen. 13
„Kreuzung räumen" Während Abs. 2 Nr. 1 S. 2 die Fahrt „freigibt", ordnet Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 die Räumung der Kreuzung an. Diesen Befehl müssen die in der Kreuzung Befindlidien befolgen. Dabei müssen auch sie die allgemeine Sorgfalt aufwenden, die § 1 Abs. 2 vorschreibt; (s. § 1 RNr. 157—159). Der Vorteil der Verkehrsregelung durch Polizeibeamte gegenüber der Ampelregelung zeigt sich hier, weil der Polizeibeamte seine Zeichen den Bedürfnissen der Verkehrslage anpassen kann. Er kann verhindern, daß der Fall des § 11 Abs. 1 eintritt, daß der Verkehr auf der Kreuzung „stockt", weil der Querverkehr zu einem Zeitpunkt einströmt, in dem die Kreuzung noch nicht geräumt ist.
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HI- Weisungen als Ergänzungen zu Zeichen (Abs. 3) Das System der Zeichen ist weniger starr als das der Liditzeichen. Denn die Zeidien können durch Weisungen den augenblicklichen Bedürfnissen angeglichen werden. So kann der Polizeibeamte, wo es nötig ist, durch Winken mit der Hand den freigegebenen Verkehr zu schnellerem Fahren ermuntern, er kann einzelne Rechtsabbieger aus der gesperrten Richtung abbiegen lassen, kann die Fahrlinie sich begegnender Linksabbieger bestimmen usw. Die Polizeibeamten können alle ihnen nützlich erscheinenden Weisungen mit den Zeidien verbinden. Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit dieser Weisungen ist lediglich, daß sie ohne weiteres verständlich sind.
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IV. Bedeutung der Zeidien an anderen Straßenstellen (Abs. 4) Die in Abs. 2 bezeichneten Zeidien gelten nach dem Wortlaut nur an „Kreuzungen". Es war deshalb nötig, ausdrücklich zu bestimmen, daß sie entsprechende Bedeutung an anderen Straßenstellen haben. Als Beispiele für solche Straßenstellen werden Einmündungen und Fußgängerüberwege genannt. Für „Weisungen" bedurfte es keiner entsprechenden Ausdehnung, weil diese ihrer Natur nadi überall im öffentlichen Verkehrsraum gelten. Beispiele für Zeichen an anderen Straßenstellen: Haltgebot vor Unfallstellen, an Straßenbaustellen, Engstellen, Absperrmaßnahmen bei Umzügen etc.
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V. Anhalten zur Verkehrskontrolle und Verkehrszählung (Abs. 5) Während sidi Abs. 1—4 mit den Einwirkungen von Polizeibeamten durch Zeidien und Weisungen auf den Verkehr befaßt, übernimmt Abs. 5 im wesentlichen das früher in § 2 a StVO 1937 enthaltene Recht, Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle und zur Verkehrszählung anzuhalten. Verkehrskontrollen haben die Überprüfung der Fahrzeugpapiere des Fahrzeugführers und der Vorsdiriftsmäßigkeit seines Fahrzeugs sowie dessen Ladung und Besetzung zum Ziel. Zwar gibt es audi noch andere Fälle, in denen ein Fahrzeug angehalten werden darf: Verbrechensbekämpfung, Durchsuchung von Fahrzeugen und Personen nach Maßgabe des Zollgesetzes in Zollgrenzbezirken (§ 68 ZollG 1961), Straßenkontrollen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 GüKG, vgl. II der Vwv zu Abs. 5). Abs. 5 ist auf diese Fälle nicht anzuwenden. Er ermächtigt lediglich Fahrzeuge zum Zwecke der Verkehrskontrolle und zur Verkehrszählung anzuhalten. Wie der Polizeibeamte im Einzelfall das „Anhalten" anordnet, steht in seinem Ermessen. Es kann also durch ein Zeichen im Sinne des Abs. 2 oder durch eine Weisung geschehen. Verfolgt ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Einsatzhorn ein Fahrzeug, dann kann darin die Weisung zum Anhalten liegen33). Dagegen genügt bloßes Hupzeichen nicht 34 ). Hält das zu
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Weisungen, Verkehrskontrolle
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§§ 36, 37
kontrollierende F a h r z e u g bereits, dann k a n n angeordnet werden, daß es nicht weiterfährt, bis die K o n t r o l l e durchgeführt ist®5). D e r z u m Anhalten A u f g e f o r d e r t e k o m m t seiner Pflicht nach, wenn er sein Fahrzeug n o r m a l abbremst, u m an geeigneter Stelle anzuhalten 3 6 ). Wer sich dagegen gegen das H a l t gebot mit G e w a l t zur Wehr setzt, k a n n wegen eines Vergehens des Widerstandes nach § 113 S t G B zur V e r a n t w o r t u n g gezogen werden. Eine G e w a l t a n w e n d u n g soll bereits in der vorsätzlichen Nichtbeachtung des H a l t g e b o t s z u erblicken sein 3 7 ). C. Bußgeldvorsdirift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 36 ein Zeichen oder eine Weisung eines Polizeibeamten nicht befolgt, handelt nach § 49 Abs. 3 N r . 1 o r d n u n g s w i d r i g im Sinne des § 24 S t V G . Wer sich einer n a d i Abs. 5 angeordneten K o n t r o l l e m i t G e w a l t entzieht, begeht ein Vergehen des Widerstandes nach § 117 S t G B , hinter d e m die O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 36 S t V O zurücktritt (§ 17 Abs. 1 O W i G ) 3 7 ) . Wer eine Weisung mißversteht, handelt in T a t b e s t a n d s i r r t u m . E r kann, falls der I r r t u m v o r w e r f b a r ist, wegen fahrlässiger Verletzung des § 36 m i t Bußgeld belegt werden. Wer das Zeichen oder die Weisung eines Polizeibeamten an einer K r e u z u n g oder Einm ü n d u n g nicht beachtet, begeht ein Vergehen der V e r k e h r s g e f ä h r d u n g nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 a S t G B , w e n n er g r o b verkehrswidrig u n d rücksichtslos handelt u n d dadurch Leib oder Leben eines anderen oder f r e m d e Sachen v o n bedeutendem Wert gefährdet.
§ 37 Wechsellichtzeichen und Dauerlichtzeichen (1) Lichtzeichen gehen Vorrangregeln, vorrangregelnden Verkehrsschildern und Fahrbahnmarkierungen vor. (2) Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge Grün — Gelb — Rot — Rot und Gelb (gleichzeitig) — Grün. Rot ist oben, Gelb in der Mitte und Grün unten. 1. An Kreuzungen bedeuten: Grün: „Der Verkehr ist freigegeben". Er kann nach den Regeln des § 9 abbiegen, nach links jedoch nur, wenn er Schienenfahrzeuge dadurch nicht behindert. Grüner Pfeil: „Nur in der Richtung des Pfeiles ist der Verkehr freigegeben". Gelb ordnet an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten", für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung: „Kreuzung räumen". Keines dieser Zeichen entbindet von der Sorgfaltspflicht. Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung". Roter Pfeil oder schwarzer Pfeil auf Rot ordnet das Halten, gelber Pfeil oder schwarzer Pfeil auf Gelb das Warten nur für die angegebene Richtung an. 2. An anderen Straßenstellen, wie an Einmündungen und an Fußgängerüberwegen, haben die Lichtzeichen entsprechende Bedeutung. 3. Lichtzeichenanlagen können auf die Farbfolge Gelb — Rot beschränkt sein. 4. Für jeden von mehreren markierten Fahrstreifen (Zeichen 295, 296 oder 340) kann ein eigenes Lichtzeichen gegeben werden. Für Schienenbahnen können ) BGH(Z) 3. 2. 67, MDR 67, 663 = VersR 67, 580 = VRS 32, 321 = VerkMitt. 67, 26. 3 4 ) Düsseldorf 28. 1. 65, VerkMitt. 65, 46. 3 5 ) Celle 23. 1. 59, VerkMitt. 60, 76 = VRS 17, 150. 33
) Köln 1. 4. 69, VRS 37, 306 = VerkMitt. 69, 61. 37) K G 24. 5. 56, VRS 11, 198; Hamm 10. 4. 58, DAR 58, 330.
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besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden; das gilt auch für Linienomnibusse, die einen vom übrigen Fahrverkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen. 5. Gelten die Lichtzeichen nur für Fußgänger oder nur für Radfahrer, so wird das durch das Sinnbild eines Fußgängers oder eines Fahrrades angezeigt. Für Fußgänger ist die Farbfolge Grün — Rot — Grün. Wechselt Grün auf Rot, während Fußgänger die Fahrbahn überschreiten, so haben sie ihren Weg zügig fortzusetzen. (3) Dauerlichtzeichen über jedem Fahrstreifen lassen den Verkehr nur in der einen oder anderen Richtung zu. Rote gekreuzte Schrägbalken ordnen an: „Der Fahrstreifen darf nicht benutzt werden, davor darf nicht gehalten werden". Ein grüner, nach unten gerichteter Pfeil bedeutet: „Der Verkehr auf dem Fahrstreifen ist freigegeben". (4) Wo Lichtzeichen den Verkehr regeln, darf nebeneinander gefahren werden, auch wenn die Verkehrsdichte das nicht rechtfertigt. Vwv zu $ 37 Die Gleichungen der Farbgrenzlinien in der Farbtafel nach D I N 5033 sind einzuhalten. Zu Absatz 1 So bleiben z. B. die Zeichen 209 ff „Vorgeschriebene Fahrtrichtung" neben Liditzeichen gültig, ebenso die die Benutzung von Fahrstreifen regelnden Längsmarkierungen (Zeichen 295, 296, 297, 340). Zu Absatz 2 I. Die Regelung des Verkehrs durch Lichtzeichen setzt eine genaue Prüfung der örtlichen Gegebenheiten baulicher und verkehrlicher Art vor aus und trägt auch nur dann zu einer Verbesserung des Verkehrsablaufs bei, wenn die Regelung unter Berücksichtigung der Einflüsse und Auswirkungen im Gesamtstraßennetz sachgerecht geplant wird. Die danach erforderlichen Untersuchungen müssen von Sachverständigen durchgeführt werden. II. Wechsellichtzeichen dürfen nicht blinken, auch nidit vor Farbwethsel. III. Die Lichtzeichen sind rund, soweit sie nicht Pfeile oder Sinnbilder darstellen. Die Unterkante der Lichtzeichen soll in der Regel 2,10 m und, wenn die Lichtzeichen über der Fahrbahn angebracht sind, 4,50 m vom Boden entfernt sein. IV. Die Haltlinie (Zeichen 294) sollte nur soweit vor der Lichtzeichenanlage angebracht werden, daß die Lichtzeichen aus einem vor ihr wartenden Personenkraftwagen noch ohne Schwierigkeit beobachtet werden können (vgl. aber III 3 zu § 25). Befindet sich z. B. die Unterkante des grünen Lichtzeichens 2,10 m über dem Gehweg, so sollte der Abstand zur Haltlinie 3,50 m betragen, jedenfalls über 2,50 m. Sind die Lichtzeidien wesentlich höher angebracht oder muß die Haltlinie in geringerem Abstand markiert werden, so empfiehlt es sich, die Lichtzeichen verkleinert weiter unten am gleichen Pfosten zu wiederholen. Zu den Nummern 1 und 2 I. An Kreuzungen und Einmündungen sind Lichtzeichenanlagen für den Fahrverkehr erforderlich, 1. wo es wegen fehlender Übersicht immer wieder zu Unfällen kommt und es nicht möglich ist, die Sichtverhältnisse zu verbessern oder den kreuzenden oder einmündenden Verkehr zu verbieten, 2. wo immer wieder die Vorfahrt verletzt wird, ohne daß dies mit schlechter Erkennbarkeit der Kreuzung oder mangelnder Verständlichkeit der Vorfahrtregelung zusammenhängt, was jeweils durch Unfalluntersuchungen zu klären ist, 3. wo auf einer der Straßen, sei es auch nur während der Spitzenstunden, der Verkehr so stark ist, daß sich in den wartepflichtigen Kreuzungszufahrten ein großer Rückstau bildet oder einzelne Wartepflichtige unzumutbar lange warten müssen. II. Auf Straßenabschnitten, die mit mehr als 70 km/h befahren werden dürfen, sollen Lichtzeichenanlagen nicht eingerichtet werden; sonst ist die Geschwindigkeit durch Zeichen 274 in ausreichender Entfernung zu beschränken. III. Bei Lichtzeichen, vor allem auf Straßen, die mit mehr als 50 km/h befahren werden dürfen, soll geprüft werden, ob es erforderlich ist, durch geeignete Maßnahmen (z. B. Blenden hinter den Lichtzeichen, übergroße oder wiederholte Lichtzeichen, entsprechende Gestaltung der Optik) dafür zu sorgen, daß sie auf ausreichende Entfernung erkennbar sind. IV. Sind im Zuge einer Straße mehrere Lichtzeichenanlagen eingerichtet, so empfiehlt es sich in der Regel, sie aufeinander abzustimmen (z. B. auf eine Grüne Welle). Jedenfalls sollte dafür gesorgt
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Wechsellichtzeichen, Dauerliditzeiciien, Vwv
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werden, daß bei dicht benachbarten Kreuzungen der Verkehr, der eine Kreuzung noch bei »Grün" durchfahren konnte, auch an der nächsten Kreuzung „Grün" vorfindet. V. Häufig kann es sich empfehlen, Lichtzeichenanlagen verkehrsabhängig so zu schalten, daß die Stärke des Verkehrs die Länge der jeweiligen Grünphase bestimmt. An Kreuzungen und Einmündungen, an denen der Querverkehr schwach ist, kann sogar erwogen werden, der Hauptrichtung ständig Grün zu geben, das von Fahrzeugen und Fußgängern aus der Querrichtung erforderlichenfalls unterbrochen werden kann. VI. Lichtzeichenanlagen sollten in der Regel auch nachts in Betrieb gehalten werden; ist die Verkehrsbelastung nachts schwächer, so empfiehlt es sich, für diese Zeit ein besonderes Lichtzeichenprogramm zu wählen, das alle Verkehrsteilnehmer möglichst nur kurz warten läßt. Nächtliches Ausschalten ist nur dann zu verantworten, wenn eingehend geprüft ist, daß auch ohne Lichtzeidien ein sicherer Verkehr möglich ist. Solange die Lichtzeichenanlagen, die nicht nur ausnahmsweise in Betrieb sind, nachts abgeschaltet sind, soll in den wartepflichtigen Kreuzungszufahrten gelbes Blinklicht gegeben werden. Darüber hinaus kann es sich empfehlen, negative Vorfahrtzeichen (Zeichen 205 und 206) von innen zu beleuchten. Solange Lichtzeichen gegeben werden, dürfen diese Vorfahrtzeichen dagegen nicht beleuchtet sein. VII. Bei der Errichtung von Lichtzeidienanlagen an bestehenden Kreuzungen und Einmündungen muß immer geprüft werden, ob neue Markierungen (z. B. Abbiegestreifen) anzubringen sind oder alte Markierungen (z. B. Fußgängerüberwege) verlegt oder aufgehoben werden müssen, ob Verkehrseinriditungen (z. B. Geländer für Fußgänger) anzubringen oder ob bei der Straßenbaubehörde anzuregende bauliche Maßnahmen (Verbreiterung der Straßen zur Schaffung von Stauraum) erforderlich sind. V I I I . Die Schaltung von Lichtzeichenanlagen bedarf stets gründlicher Prüfung. Dabei ist auch besonders auf die sichere Führung der Abbieger zu achten. I X . Besonders sorgfältig sind die Zeiten zu bestimmen, die zwischen dem Ende der Grünphase für die eine Verkehrsrichtung und dem Beginn der Grünphase für die andere (kreuzende) Verkenrsrichtung liegen. Die Zeiten für Gelb und Gelb-Rot sind unabhängig von dieser Zwischenzeit festzulegen. Gelb-Rot sollte immer zwei Sekunden, darf aber nicht länger als drei Sekunden dauern. Die Gelbzeit richtet sich nach der Fahrgeschwindigkeit; sie soll etwa drei Sekunden, bei Fahrgeschwindigkeiten über 50 km/h nicht mehr als 5 Sekunden betragen. X . Pfeile in Lichtzeichen 1. Solange ein grüner Pfeil gezeigt wird, darf kein anderer Verkehrsstrom Grün haben, der den durch den Pfeil gelenkten kreuzt; auch darf Fußgängern, die in der Nähe den gelenkten Verkehrsstrom kreuzen, nicht durch Markierung eines Fußgängerüberwegs Vorrang gegeben werden. Schwarze Pfeile auf Grün dürfen nicht verwendet werden. 2. In Lichtzeichen, die für einen Verkehrsstrom bestimmt sind, der in der Kreuzung langsamer fahren muß (vor allem Abbieger), sollten rote und gelbe Pfeile gezeigt werden. Schwarze Pfeile auf Rot und Gelb sind dagegen vorzuziehen, wenn die Lichtzeichen einen Verkehrsstrom über die Kreuzung geradeaus oder annähernd geradeaus führen. 3. Wenn in einem von drei Leuchtfeldern ein Pfeil erscheint, müssen auch in den anderen Feldern Pfeile gezeigt werden, die in die gleiche Richtung weisen. 4. Darf aus einer Kreuzungszufahrt, die durch ein Lichtzeichen geregelt ist, nicht in allen Richtungen weitergefahren werden, so ist die Fahrtrichtung durch die Zeichen 209 bis 214 vorzuschreiben. Vgl. dazu VI zu den Zeichen 209 bis 214. Dort, wo Mißverständnisse sich auf andere Weise nicht beheben lassen, kann es sich empfehlen, zusätzlich durch Pfeile in den Lichtzeidien die vorgeschriebene Fahrtrichtung zum Ausdruck zu bringen; dabei sind schwarze Pfeile auf Rot und Gelb zu verwenden. 5. Pfeile in Lichtzeichen dürfen nicht in Richtungen weisen, die durch die Zeichen 209 bis 214 verboten sind. 6. Werden nicht alle Fahrstreifen einer Kreuzungszufahrt zur gleichen Zeit durch Liditzeichen freigegeben, so kann auf Pfeile in den Lichtzeichen dann verzichtet werden, wenn die in die verschiedenen Riditungen weiterführenden Fahrstreifen baulich so getrennt sind, daß zweifelsfrei erkennbar ist, für welche Richtung die verschiedenen Lichtzeichen gelten. Sonst ist die Richtung, für die die Lichtzeichen gelten, durch Pfeile in den Lichtzeichen zum Ausdruck zu bringen. 7. Wo für verschiedene Fahrstreifen besondere Lichtzeichen gegeben werden sollen, ist die Anbringung der Liditzeichen besonders sorgfältig zu prüfen (z. B. Lichtzeichenbrücken, Peitschenmaste, Wiederholung am linken Fahrbahnrand). Wo der links abbiegende Verkehr vom übrigen Verkehr getrennt geregelt ist, sollte das Lichtzeidien für den Linksabbieger nach Möglichkeit zusätzlich über der Fahrbahn angebracht werden; eine Anbringung allein links ist in der Regel nur bei Fahrbahnen für eine Richtung möglich. 8. Wo der Gegenverkehr durch Rotlicht aufgehalten wird, um Linksabbiegern, die sich bereits auf der Kreuzung oder Einmündung befinden, die Räumung zu ermöglichen, kann das diesen durch einen nach links gerichteten grünen Pfeil, der links hinter der Kreuzung angebracht ist, angezeigt werden. Gelbes Licht darf zu diesem Zweck nicht verwendet werden.
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9. Eine getrennte Regelung des abbiegenden Verkehrs setzt in der Regel voraus, daß für ihn auf der Fahrbahn ein besonderer Fahrstreifen mit Richtungspfeilen markiert ist (Zeichen 297). Zu Nummer 2 Vgl. für verengte Fahrbahn II zu Zeichen 208; bei Festlegung der Phasen ist sicherzustellen, daß auch langsamer Fahrverkehr das Ende der Engstelle erreicht hat, bevor der Gegenverkehr freigegeben wird. Zu Nummer 3 Die Farbfolge Gelb-Rot darf lediglich dort verwendet werden, wo Lichtzeichenanlagen nur in größeren zeitlichen Abständen in Betrieb gesetzt werden müssen, z. B. an Bahnübergängen, an Ausfahrten aus Feuerwehr- und Straßenbahnhallen und Kasernen. Diese Farbfolge empfiehlt sich häufig auch an Wendeschleifen von Straßenbahnen und Oberleitungsomnibussen. Auch an Haltebuchten von Oberleitungsomnibussen und anderen Linienomnibussen ist ihre Anbringung zu erwägen, wenn auf der Straße starker Verkehr herrscht. Sie oder Lichtzeidienanlagen mit drei Farben sollten in der Regel da nicht fehlen, wo Straßenbahnen in eine andere Straße abbiegen. Zu Nummer 4 I. Vgl. X 6 bis 8 zu den Nummern 1 und 2. II. Besondere Zeichen sind regelmäßig die in Anlage 4 der BOStrab aufgeführten. I I I . Wo der äußerste rechte Fahrstreifen Linienomnibussen vorbehalten ist, sollte der Streifen durch eine Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295), die in der Regel als Breitstrich auszuführen ist, abgetrennt werden. Vgl. auch I I I zu Zeichen 250. Zu Nummer 6 I. Im Lichtzeichen für Fußgänger muß das rote Sinnbild einen stehenden, das grüne einen schreitenden Fußgänger zeigen. Lichtzeichen für Radfahrer sollten in der Regel das Sinnbild eines Fahrrades zeigen. II. Besondere Lichtzeichen f ü r Radfahrer müssen auch Gelb sowie Rot und Gelb (gleichzeitig) zeigen; sie sollten in der Regel vor der kreuzenden Straße angebracht werden. III. In Lichtzeichen, die für einen abbiegenden Radfahrverkehr bestimmt sind, kann entweder in den Lichtzeichen zusätzlich zu dem farbigen Sinnbild des Fahrrades ein farbiger Pfeil oder über den Lichtzeichen das leuchtende Sinnbild eines Fahrrades und in den Lichtzeichen ein farbiger Pfeil gezeigt werden. Zu Absatz 3 I. Dauerlichtzeichen dürfen nur über markierten Fahrstreifen (Zeichen 295, 296, 340) gezeigt werden. Über jedem Fahrstreifen einer Fahrbahn muß dann eines der beiden Lichtzeichen leuchten. II. Die Unterkante der Lichtzeichen soll in der Regel 4,50 m vom Boden entfernt sein. III. Die Lichtzeichen sind an jeder Kreuzung und Einmündung und erforderlichenfalls auch sonst in angemessenen Abständen zu wiederholen. IV. Umkehrstreifen im besonderen: Sie empfehlen sich auf Straßen, auf denen zu gewissen Tageszeiten der Verkehr in der einen Richtung den in der anderen Richtung stark überwiegt (z. B. morgens stadteinwärts, abends stadtauswärts). Umkehrstreifen sollen in der Regel an Kreuzungen oder Einmündungen beginnen und enden. Ober den Fahrstreifen, deren Verkehr umgestellt werden soll, müssen zuvor ausreichend lange Zeit gekreuzte rote Balken für beide Richtungen gezeigt werden. Obersicht A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen (Abs. 1) I. Lichtzeichen — Allgemeines Welche Arten von Lichtzeichen gibt es? (3), Vorrang der Lichtzeichen (4), Wirkungsbereich der Lichtzeichen (5), Einordnung auf Fahrstreifen (6), Pflicht zur Beachtung der Lichtzeichen (7) II. Wechsellichtzeichen an Kreuzungen (Abs. 2)
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RNr. 1-2 1 2 3-34 3-7
8-26
RNr. 1. Grün 8-13 Verhältnis zu den übrigen Verkehrsvorschriften (8), Herabsetzung der Geschwindigkeit? (9), Fußgänger (10), Vertrauen auf Abschirmung? (11), der „fliegende Start" (12), Zusammentreffen von Abbiege- und Querverkehr (13) 2. Grüner Pfeil 14 3. Gelb 15-23 „Vor der Kreuzung warten" (15), Notwendige Feststellungen (16), Gelblichtproblematik (17), Haltelinie und Kreuzungsbereich (18),
Wechselliditzeidien,
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Dauerliditzeichen
Druckknopfampeln (19), Sorgfaltspflidit des bei Gelb in die Kreuzung Einfahrenden (20), Sorgfaltspflidit des bei Gelblicht Anhaltenden (21), Grüner Pfeil hinter der Kreuzung (22), „Kreuzung räumen" (23) 4. Rot 24-25 Allgemeines (24), Rot bei handgesteuerten Ampeln (25) 5. Pfeil auf Rot und Gelb 26
III. Lichtzeichen an anderen Straßenstellen (Abs. 2 Nr. 2) IV. Farbfolge Gelb — Rot V. Eigene Lichtzeichen für markierte Fahrstreifen (29), für Schienenbahnen (30), für Linienomnibusse (31) VI. Liditzeidien für Fußgänger und Radfahrer VII. Dauerliditzeichen VIII. Nebeneinanderfahren C. Bußgeldvorsdirift und Konkurrenzen
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A. Allgemeines I. Amtliche BegrSndung
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Zu Absatz 1: Audi bei den Liditzeidien ist es notwendig, ihr Verhältnis zu sonstigen Anordnungen klarzustellen. Dabei handelt es sich, da die Liditzeidien außer an Bahnübergängen nur an Kreuzungen, Einmündungen, Engpässen und Fußgängerüberwegen, ausnahmsweise auch an Grundstückseinfahrten, verwendet werden können, nur um die Konkurrenz mit gewissen Vorränge regelnden Verkehrsvorsdiriften, den sonstigen Vorrangzeidien und der Fußgängerüberwegmarkierung. Zu Absatz 2: Der neue Begriff „Wechselliditzeichen" ist wohl verständlich. Diese Wechselliditzeichen sind als hervorragendes Mittel der Verkehrsregelung unentbehrlidi. Sie sind nadi wohl allgemeiner Meinung Allgemeinverfügungen. Gelegentlich erhobene verfassungsrechtlidie Bedenken sind ersiditlidi abwegig. Zunächst ist es für den Verkehrsteilnehmer wichtig, zu wissen, in welcher Reihenfolge die Lichter erscheinen, für Farbenblinde auch, wie sie übereinander angebracht sind. Daher übernimmt die Verordnung einleitend das, was unter B der Anlage zur StVO (alt) gesagt ist. Zu Nummer 1: Da auf der übergeordneten Ebene der Zeichen der Polizeibeamten der seitwärts und der nach oben gestreckte Arm dieselbe Bedeutung hat wie Grün und Rot bzw. Gelb, können die Vorschriften des § 2 Abs. 3 StVO (alt) mit den bei jenen Armzeichen erörterten Änderungen wortgleidi übernommen werden. Die Wechselliditzeidien haben aber mehrere Besonderheiten. Der „grüne Pfeil" hat sdion nach der heutigen Regelung insofern Gebotsdiarakter, als er nur die Weiterfahrt in der oder den gezeigten Richtungen erlaubt, die in anderen Riditungen also verbietet. Er ist auf der Ebene der Liditzeidien etwa das, was der weiße Pfeil auf blauem Grund (Zeichen 209 ff.) auf der nachgeordneten Ebene der Vorschriftzeichen sagt. Das wird durch die Formulierung verdeutlicht. Daß eigene Prüfung der Verkehrslage bei Grün und grünem Pfeil verlangt werden muß, braucht hier, wo es sich weithin um selbsttätige Medianismen handelt, nidit ausdrücklich gesagt zu werden. Durch die bei der Bedeutung des grünen Pfeils fehlende Bezugnahme auf die Regeln des § 9 soll angedeutet werden, daß der dem Abbiegepfeil Folgende nicht mit .feindlichem" Verkehr zu rechnen hat. Darüber wird die Vwv die nötigen Anordnungen treffen. Die roten und gelben Pfeile sowie die schwarzen Pfeile auf rotem und gelbem Grund, die die Praxis kennt, werden übernommen. Die Vwv wird dafür Sorge tragen, daß solche Pfeile nur noch neben vollen Liditzeidien zu sehen sein werden. Zu Nummer 3: Vor allem Eisenbahnen und Straßenbahnen muß die Möglichkeit eröffnet werden, ebenfalls Wechselliditzeidien zu verwenden. In solchen Fällen wäre es aber verfehlt, sie zu zwingen, praktisch fast Dauergrün zu geben. Wie die Blinklichtanlage werden auch diese Lichtzeichenanlagen, solange sich kein Schienenfahrzeug nähert, abgeschaltet sein. Zu Nummer 4: Die Praxis ist schon dazu übergegangen, Liditzeidien für bestimmte Fahrstreifen des gleichgerichteten Verkehrs einzurichten. Die StVO sieht dies bisher nicht vor. Diese Praxis zu sanktionieren, erscheint am Platze. Daß solche Regelung nur dort zugelassen werden kann, wo die Fahrstreifen markiert sind, wird ausdrücklich gesagt. Der Satz 2 erwähnt die besonderen Zeichen für Sdiienenbahnen und Linienömnibusse. Der zweite Halbsatz will den Geltungsbereich dieser Zeichen auf Oberleitungsomnibusse und andere Linienomnibusse sowohl dort erweitern, wo diese in dem der Sdiienenbahn vorbehaltenen Gleisraum sich bewegen dürfen, als auch dort, wo besondere Fahrstreifen für diese öffentlichen Verkehrsmittel geschaffen sind. Zu Nummer 5: Da die für Fußgänger allein bestimmten Liditzeidienanlagen eine Gelbphase nicht kennen, werden
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Möhl
Fußgänger ständig auf der Fahrbahn von Rot überrascht. U m zu verhüten, daß diese Fußgänger, dadurch beunruhigt, unschlüssig werden und so erst wirklich in Gefahr geraten, wird ihnen die Fortsetzung der Oberquerung vorgeschrieben. Die Phasen für den Fahrverkehr werden darauf eingestellt werden müssen. Daß besonders schwerfällige Fußgänger die Fahrbahn an Lichtzeichenanlagen nur dann betreten sollten, wenn Grün gerade aufleuchtet, ist auch ohne ausdrückliche Vorschrift selbstverständlich. Was „zügig" bedeutet, ist zu § 25 zu Absatz 3 gesagt. Zu Absatz 3: Namentlich auf Ein- und Ausfallstraßen der Großständte ist es häufig dringend erforderlich, in den Morgen- und Abendstunden sogenannte Umkehrstreifen zu schaffen, d. h. am Morgen dem Verkehr stadteinwärts mehr Fahrstreifen zu geben als dem Verkehr stadtauswärts und Umgekehrtes am Abend. Bislang gab es dafür keine ausreichenden Mittel. Das Weltabkommen über Verkehrszeichen (Art. 23 Abs. 11) bringt sie in Gestalt dieser Dauerliditzeichen. Sie werden daher übernommen. Dauerlichtzeichen sollen sie heißen, weil man dem Verkehrsteilnehmer sagen muß, daß er hier auf einen Farbwechsel nicht warten kann. Das Hauptanwendungsgebiet wird der Umkehrstreifen sein. Es wäre aber verfehlt, wenn man schon neue Farbzeichen einführt, sie überflüssigerweise in ihrer Anwendungsmöglichkeit zu beschränken. Ein Bedürfnis, sich dieser neuen Lichtzeichen zu bedienen, hat sich inzwischen bereits herausgestellt. In Straßentunneln, in denen das Wiederingangbringen des Verkehrs nach einem Unfall besonders zeitraubend ist und die auch ständiger Wartung bedürfen, können so durch beiderseits aufleuchtende rote Schrägbalken bestimmte Fahrstreifen gesperrt werden. Es ist zudem zu erwarten, daß die Verkehrswissenschaft bald weitere Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen wird. N u r wenn über jedem Fahrstreifen dem Verkehrsteilnehmer gesagt wird, ob er ihn benutzen darf oder nicht, ist das für die Verkehrssicherheit Notwendige getan. Zu Absatz 4: Längst ist es ständige Übung geworden, daß sich schon das zweite herankommende Kraftfahrzeug, wenn dazu Raum genug ist, neben ein bei Rot wartendes Fahrzeug setzt. Das ist zweckmäßig, weil der Führer des zweiten Fahrzeugs noch gar nidit wissen kann, ob nicht während der Rot-Phase sich noch ein ganzer Pulk weiterer Fahrzeuge ansammeln wird und es zudem in der Regel der Verkehrsabwicklung dient, wenn die Fahrzeuge bei Grün nebeneinander losfahren. Die Obung wird daher legalisiert. Die räumliche Geltung dieser Befreiung vom Rechtsfahrgebot beginnt da, wo das Fahrverhalten durch das Lichtzeidien beeinflußt wird und endet stets da, wo hinter dem Lichtzeichen das Rechtsfahrgebot wieder befolgt werden kann. Die Befreiung hat rechtliche Bedeutung für mehrspurige K r a f t fahrzeuge nur bei schwachem Verkehr; bei dichtem Verkehr gilt für diese § 2 Abs. 2 Satz 2. Selbstverständlich kann die gleiche Lockerung auch dort zugelassen werden, wo Dauerliditzeichen den Verkehr regeln. 2
n . Oberblick — Vergleich m i t d e r bisherigen R e g e l u n g Schrifttum: Mühlhaus: „Verkehr an Kreuzungen m i t Lichtampeln", „ D i e L e n k u n g des S t a d t v e r k e h r s d u r c h L i c h t a m p e l n " , D A R 72, 29.
DAR
67,
313;
§ 3 7 ü b e r n i m m t i m w e s e n t l i c h e n d i e „ F a r b z e i c h e n " des § 2 A b s . 3 S t V O 1937 als „Wechsellichtzeichen". A n d e r r e c h t l i c h e n B e d e u t u n g dieser L i c h t z e i c h e n als V e r w a l t u n g s a k t e n in d e r F o r m d e r A l l g e m e i n v e r f ü g u n g e n u n d in i h r e m V e r h ä l t n i s z u d e n ü b r i g e n V e r k e h r s r e g e l n u n d A n o r d n u n g e n h a t sich nichts g e ä n d e r t . D a n e b e n f ü h r t 5 37 die sog. D a u e r l i c h t z e i c h e n ein, die es e r m ö g l i c h e n , „ U m k e h r s t r e i f e n " z u s c h a f f e n ( R N r . 34). D a s f r ü h e r gelegentlich v e r w e n d e t e g r ü n e B l i n k l i c h t sowie die K o m b i n a t i o n G r ü n - G e l b , d u r d i die d e r b e v o r s t e h e n d e P h a s e n w e c h s e l auf G e l b a n g e k ü n d i g t w u r d e , ist n i c h t m e h r z u g e l a s sen. I n d e r A u s g e s t a l t u n g d e r V o r s c h r i f t e n f ü r die e i n z e l n e n L i c h t z e i c h e n f i n d e n sich auch s o n s t einige N e u e r u n g e n : W i e § 36 f ü r d a s A b b i e g e n a u s d e r d u r c h Z e i c h e n eines P o l i z e i b e a m t e n f r e i g e g e b e n e n R i c h t u n g auf § 9 v e r w e i s t u n d e r g ä n z e n d die B e h i n d e r u n g v o n S c h i e n e n f a h r z e u g e n d u r c h L i n k s a b b i e g e r u n t e r s a g t , o r d n e t § 37 das gleiche f ü r das A b b i e g e n aus d e r d u r c h W e d i s e l l i c h t z e i d i e n f r e i g e g e b e n e n V e r k e h r s r i c h t u n g a n . D a ß G e l b in d e r v o r h e r g e s p e r r t e n R i c h t u n g „ A c h t u n g " b e d e u t e t , w u r d e als ü b e r f l ü s s i g g e s t r i c h e n . Ä h n l i c h w i e i n § 36 A b s . 1 w i r d in § 37 Abs. 2 N r . 1 ausdrücklich darauf hingewiesen, d a ß weder G r ü n - noch Gelblicht v o n d e r a l l g e m e i n e n S o r g f a l t s p f l i c h t b e f r e i t . I n d e n T e x t d e r V o r s c h r i f t w u r d e e i n e a b s c h l i e ß e n d e B e s c h r e i b u n g d e r zulässigen P f e i l e auf L i c h t z e i d i e n a u f g e n o m m e n u n d i h r e rechtliche B e d e u t u n g k l a r g e s t e l l t . D a r n a c h g i b t es
696
Wediselliditzeichen, Dauerlichtzeichen
StVO
§ 37
rote oder schwarze Pfeile auf Rot, die das Halten und gelbe oder schwarze Pfeile auf Gelb, die das Warten f ü r die angegebene Richtung anordnen. Sdiwarze Pfeile auf Grün gibt es darnach nicht. Dafür gibt es den bereits früher ausdrücklich vorgesehenen Grünpfeil, dessen rechtliche Bedeutung beibehalten wurde: Er gibt den Verkehr in der Richtung des Pfeiles frei, ordnet ihn aber nicht an. Ähnlich wie in § 36 war eine besondere Vorschrift notwendig, welche die entsprechende Anwendung der f ü r Straßenkreuzungen geltenden Vorschriften auf andere Straßensteilen (wie Einmündungen und Fußgängerüberwegen) anordnet. Neu ist die ausdrückliche Erwähnung der Möglichkeit, f ü r jeden von mehreren markierten Fahrstreifen ein eigenes Lichtzeichen zu geben. Diese Möglichkeit ist besonders f ü r den geballten Großstadtverkehr von Nutzen, denn dadurch kann der Geradeaus- und Abbiegeverkehr entwirrt werden. Die bisher (§ 2 Abs. 7 StVO 1937) nur f ü r Schienenbahnen vorgesehenen abweichenden Zeichen wurden nun auch f ü r Linienomnibusse zugelassen. Abs. 2 N r . 5 enthält nähere Anordnungen über Lichtzeichen f ü r Fußgänger und Radfahrer und weist darauf hin, daß Fußgänger beim Wechsel von Grün und R o t ihren Weg zügig fortzusetzen haben, wenn der Wechsel während des Überschreitens der Fahrbahn eintritt. Nach Abs. 4 darf, wenn Lichtzeichen den Verkehr regeln, nebeneinander gefahren werden, auch wenn die Verkehrsdichte das nicht rechtfertigt; (vgl. § 2 Abs. 2). In § 36 fehlt eine vergleichbare Regel; (s. unten R N r . 35). B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Lichtzeichen — Allgemeines (Abs. 1) Welche Arten von Lichtzeichen gibt es? § 37 Abs. 2 nennt die zulässigen Wechsellichtzeichen, nämlich: Grün-Gelb-Rot und R o t Gelb. Dazu kommt der grüne Pfeil sowie der rote oder schwarze Pfeil auf R o t und der gelbe oder schwarze Pfeil auf Gelb. Andere Lichtzeichen sind nicht zulässig, vor allem also nicht mehr das (bewährte) grüne Blinklicht zur Anzeige des bevorstehenden Phasenwechsels1) und das Diagonalgelblicht, das den Linksabbiegern anzeigte, daß der Gegenverkehr Rot hat. Dieses soll durch einen grünen Pfeil hinter der Kreuzung ersetzt werden; (X 8. der Vwv zu Abs. 2 N r . 1 u. 2). Die Beschaffenheit der f ü r Fußgänger und Radfahrer geltenden besonderen Lichtzeichen ergibt sich aus der Vwv zu Abs. 2 N r . 5. Von den Wechsellichtzeichen zu unterscheiden sind die Dauerlichtzeichen des Abs. 3. Es sind der rote gekreuzte Schrägbalken, der anordnet, daß der Fahrstreifen nicht benutzt werden darf, über dem es angebracht ist, während ein grüner, nach unten gerichteter Pfeil bedeutet, daß der Verkehr auf dem so bezeichneten Fahrstreifen freigegeben ist. Das in § 38 geregelte blaue und gelbe Blinklicht gehört nicht zu den verkehrsregelnden Lichtzeichen, sondern ist ein Warnzeichen. Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn hat dagegen auch eine verkehrsregelnde Bedeutung; (s. § 38 R N r . 4—5). Mit der Frage, wer die Wechsel- und Dauerlichtzeichen bedient, befaßt sich die StVO nicht. Man unterscheidet automatische, auf bestimmte Zeiträume eingestellte und Druckknopfampeln, die von Polizeibeamten oder u. Umst. auch von Verkehrsteilnehmern bedient werden können. Die früher nach B der Anlage zur StVO 1937 zugelassenen sog. Zeigerregler wurden abgeschafft; sie sind aber nach § 53 Abs. 3 N r . 2 noch bis 1. 1. 1973 zu befolgen 8 ). Vorrang der Lichtzeicben (Abs. 1) Während § 2 Abs. 1 StVO 1937 den Weisungen und Zeichen der Polizeibeamten und Zur früheren Rechtslage: H a m m 13. 12. 68, JMB1.NRW 70, 10 = DRspr. II (291) 182 c.
2
) Zum Verhältnis des Zeigerreglers zu den Lichtzeidien: Düsseldorf 27. 5. 59, JMB1.N R W 59, 186 = VerkMitt. 59, 58.
§ 37
Mühl
StVO
den Farbzeichen den Vorrang vor „allgemeinen Verkehrsregeln und durch amtliche Verkehrszeichen angezeigten örtlichen Sonderregeln" einräumte, wird der Vorrang jetzt klarer und konkreter nur gegenüber „Vorrangregeln, vorrangregelnden Verkehrssdiildern und Fahrbahnmarkierungen" eingeräumt. Dabei bezieht sich „vorrangregelnd" nicht nur auf „Verkehrsschilder", sondern auch auf „Fahrbahnmarkierung". Diese Auslegung entspricht dem Sprachgebrauch, aber auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift 3 ). Im Vergleich zur rechtlichen Bedeutung der Zeichen und Weisungen nach § 36 begründen die Wechsellichtzeichen des § 37 nur einen beschränkten Vorrang. Auch gehen die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten ihrerseits den Anordnungen durch Wechsellichtzeichen vor. Die Beschränkung des Vorranges, wie sie in 5 37 zum Ausdruck kommt, wurde auch nach der früheren Fassung bereits angenommen. Es wurde darauf abgestellt, ob allgemeine Verkehrsregeln oder amtliche Verkehrszeichen den durch die „Farbzeichen" (ietzt Wechsellichtzeichen) dargestellten Ge- und Verboten oder Erlaubnissen widersprechen 4 ). Da die Wechsellichtzeichen an Kreuzungen und Einmündungen den Vorrang regeln, widersprechen sie sonstigen, den Vorrang regelnden Verkehrsregeln und Verkehrszeichen. Das sind vor allem die Vorfahrtregeln des § 9, der Vorrang der Fußgänger nach 5 26 (Z. 293), die Warte- und Haltegebote der Z. 201, 205, 206, 208, die Vorrangzeichen 301, 306, 308. Dagegen bleiben Zeichen, welche die Fahrrichtung vorschreiben, ebenso unberührt wie entsprechende Fahrbahnmarkierungen. Die Z. 209, 211, 2145), 220, 222 sind also ebenso zu beachten wie die Längsmarkierungen Z. 295, 296, 297, 340; (vgl. Vwv zu Abs. 1). Wird allerdings der Verkehr durch einen Grünpfeil f ü r eine bestimmte Richtung freigegeben, dann darf diese Richtung nicht durch Z. 209—214 oder durch eine Fahrbahnmarkierung verboten sein; (vgl. X 5. der Vwv zu den N r . 1 u. 2 des Abs. 2). Der durch ein Lichtzeichen begründete Vorrang erlischt mit dem Erlöschen des zeichens an einer sich selbst ausschaltenden Ampel. Der nach dem Erlöschen der Vorfahrtberechtigte muß aber in Betracht ziehen, daß ein aus der untergeordneten kommendes Fahrzeug noch während des Betriebes der Ampel bei Grünlicht in die zung eingefahren sein kann').
LichtAmpel Straße Kreu-
Wirkungsbereich der Licbtzeichen Die Wechsellichtzeichen der Verkehrsampeln gelten f ü r die Straße, an der die Ampel angebracht ist. Zweigt vnr der Ampel eine getrennte Fahrbahn f ü r den Reditsabbiegeverkehr ab, dann gelten die Zeidien der an der geradeaus weiterführenden Straße angebrachten Amoel nicht f ü r den Rechtsabbiegeverkehr. Anders wenn eine Verkehrsampel über einer Straßenkreuzung aufgehängt ist 7 ). Lichtzeichen, die den Verkehr über einen Fußgängerüberweg regeln, gelten nur f ü r diesen, nicht auch f ü r einen weiteren Bereich der Fahrbahn 8 ). Wer vor dem roten Licht einer einen Fußgängerüberweg sichernden Lichtzeichenanlage halten muß, verliert dadurch nicht die Vorfahrt. Der Wartepflichtige darf nicht darauf vertrauen, daß der Vorfahrtberechtigte das Haltgebot des roten Lichts einer einen Fußgängerüberweg sichernden Lichtzeichenanlage befolgt'). Auf Überwegen ohne besondere Farbzeichenregelung müssen sich Fußgänger im Kreuzungsbereich nach der f ü r die übrigen Verkehrsteilnehmer geltenden Farbzeichenregelung richten, soweit diese f ü r sie erkennbar ist 10 ). Im übrigen gilt f ü r die Regelung des Verkehrs durch Lichtsignale das gleiche wie f ü r die Regelung durch Polizeibeamte: Auch solche Fußgänger haben sie zu beachten, die die Fahr3
) Ebenso Booß StVO § 37 Anm. 1, Jagusdi StVO § 37 Anm. 1 a, zweifelnd Mühlhaus, StVO § 37 Anm. 2 und DAR 72, 29, 35. 4 ) BayObLG 13. 10. 67, VRS 34, 300 = VerkMitt. 68, 20. 5 ) Für die frühere Rechtslage: Bremen 18. 3. 69, VRS 37, 305. «) LG Lübeck 10. 5. 67, DAR 67, 327.
7
) Hamm 23. 9. 58, DAR 59, 133. «) Schleswig 7. 9. 60, N J W 61, 422 Anm. Hohenester. ») Hamburg 12. 5. 67, VerkMitt. 67, 79 a. M. Hamburg 5. 4. 67, VerkMitt. 67, 79; BayObLG 29. 5. 68, VRS 35, 383 = VerkMitt. 68, 92. '») Stuttgart 15. 12. 65, VRS 30, 159.
Bedeutung der Liditzeidien
StVO
§ 37
bahn zwar außerhalb eines bezeichneten Ubergangs, jedoch noch innerhalb des Kreuzungsbereichs überqueren (s. § 36 R N r . 5). Liditzeidien der an einer Straßenkreuzung angebrachten Verkehrssignalanlage gehen zwar der örtlichen Sonderregelung durch Verkehrszeichen vor 11 ). Jedoch wird das 5 m vor einer Straßenkreuzung (Einmündung) aufgestellte Z. 205 nicht durch Grünlicht einer Verkehrsampel aufgehoben, die 35 m vor der Kreuzung zur Sicherung eines markierten Fußgängerüberwegs angebracht ist 12 ). Einordnung
auf
Fahrstreifen
Wird nadi Abs. 2 N r . 4 f ü r jeden von mehreren markierten Fahrstreifen ein eigenes Liditzeidien gegeben, dann gilt dieses Liditzeidien nur f ü r den betreffenden Fahrstreifen. Im übrigen gelten aber die Liditzeidien f ü r die ganze Breite der Fahrbahn, auch wenn diese in Fahrstreifen eingeteilt ist. Grüne Pfeile oder Pfeile auf Rot und Gelb gelten, von dem besonderen Fall des Abs. 2 N r . 4 abgesehen, ebenfalls f ü r die ganze Fahrbahn. Auch der rechts Eingeordnete verstößt deshalb nicht gegen § 37, wenn er bei dem nadi links zeigenden Grünpfeil nadi links abbiegt. (Wieweit er gegen § 2 Abs. 21S), § 9 oder auch gegen 5 1 Abs. 214) verstößt, ist eine andere Frage). Insofern hat sidi gegenüber der f r ü heren Regelung nichts geändert. Eine einschneidende Änderung liegt aber darin, daß das frühere Hinweiszeichen Bild 36 b der Anlage, „weiße Pfeile auf der Fahrbahn", nunmehr zum verbindlichen Riditungszeidien Z. 297 aufgewertet wurde 15 ). Da an Ampelkreuzungen solche Markierungen sehr häufig sind und audi die Fahrstreifen entsprechend markiert werden, wird nadi der jetzigen Rechtslage in der Regel die Weiterfahrt auf dem gewählten Fahrstreifen in der vorgeschriebenen Richtung geboten sein. Dann darf beim linken Grünpfeil nur derjenige nadi links abbiegen, der sich auf dem mit dem entsprechenden weißen Pfeil versehenen Fahrstreifen eingeordnet hat. Pflicht zur Beachtung der
Lichtzeichen
Den Liditzeidien muß Folge geleistet werden, audi wenn die augenblickliche Verkehrslage eine Ausnahme zuläßt. Diese strenge Bindung verstößt nicht gegen das Grundgesetz 1 '), kann aber insofern gegen das Gebot verstoßen, die „Umweltverschmutzung" nadi Möglichkeit zu vermeiden, als durch unnötiges Anhalten des Verkehrsstromes vor überflüssigen Amoeln die Luft mehr als unvermeidbar verpestet wird. Die Verkehrsbehörden müssen deshalb ständig die Bedürfnisse des Verkehrs und die der Reinhaltung der L u f t sorgfältig gegeneinander abwägen 17 ). Diesem Gedanken kann vor allem audi dadurdi Rechnung getragen werden, daß die Lichtzeichenanlagen verkehrsabhängig geschaltet werden; (vgl. V der Vwv zu Abs. 2). Die Verkehrsregelung durch Liditzeidien darf nicht irreführend oder auch nur undeutlich sein. Entspricht die Regelung diesen Erfordernissen nicht, dann kann sich dies einerseits auf das Bußgeldverfahren auswirken, andernteils eine Amtshaftpflidit begründen 18 ). Irreführend kann eine Verkehrsregelung sein, bei der Querverkehr und linksabbiegender Verkehr gleichzeitig Grünlicht bekommen und die Verkehrsströme nicht durch gekennzeichnete Fahrstreifen voneinander abgegrenzt sind 1 '). Der Verkehrsteilnehmer darf darauf vertrauen, daß die übrigen Verkehrsteilnehmer die Liditzeidien beachten und daß er bei Grünlicht gegen den Querverkehr abgeschirmt " ) Hamm 27. 10. 61, VRS 23, 63 = VkBl. 62, 108 = JMB1.NRW 62, 83. ) BayObLGSt 63, 191 (31. 7. 63) = VRS 26, 58 = VerkMitt. 63, 89. ls ) Zur früheren Rechtslage: Stuttgart 27. 3. 62, VRS 24, 227; Hamm 4. 3. 63, DAR 63, 389. 14 ) Zur früheren Rechtslage: verneinend BayObLG 3. 6. 59, DAR 59, 331; bejahend Braunschweig 8. 9. 61, DAR 62, 133. 12
15
) Berechtigte Bedenken gegen die Neuregelung bei Mühlhaus, StVO § 9 Anm. 10 bb und in DAR 72, 29, 35. !«) Hamburg 18. 4. 62, VRS 24, 193 = DRspr. II (291) 108 c. >') Vgl. Jagusdi StVO § 37 Anm. 2. " ) B G H 14. 7. 64, VRS 27, 350; (BGHZ) 27. 2. 67, VerkMitt. 67, 65.
699
§ 37
Möhl
StVO
ist 2 0 ). Wird er durch ein Schild, das kein amtliches Verkehrszeichen ist, darauf hingewiesen, daß in einer besonderen Verkehrslage der Verkehr durch eine Ampel regelwidrig gelenkt wird, dann muß er den Hinweis beachten, vorausgesetzt daß er bereits auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes des Schildes den Eindruck gewinnen muß, daß es einen für sein Verkehrsverhalten bedeutsamen Hinweis enthält 2 1 ). II. 'Wechsellichtzeichen an Kreuzungen (Abs. 2) Abs. 2 N r . 1 befaßt sich mit den Wechsellichtzeidien an Straßenkreuzungen. Eine Straßenkreuzung setzt voraus, daß sich zwei durchgehende Straßen kreuzen. Die „Kreuzung" ist der beiden sich kreuzenden Straßen gemeinsame Raum. Dies gilt auch, wenn bei weiträumigen Kreuzungen die Fahrbahnen durch einen Grünstreifen, eine Verkehrsinsel oder in ähnlicher Weise getrennt sind. Anders bei durch entsprechende Ampeln gekennzeichneten Doppelkreuzungen. 1.
Grün
Verhältnis
zu den übrigen
Verkehrsvorschriften
Nach Abs. 2 N r . 1 bedeutet G r ü n : „Der Verkehr ist freigegeben". Das entspricht der Bedeutung des in § 36 Abs. 2 N r . 1 geregelten Zeichens (Ausstrecken eines Armes oder beider Arme) der Polizeibeamten für den Querverkehr; (vgl. § 36 R N r . 9). „Der Verkehr ist freigegeben" bedeutet, daß in der freigegebenen Richtung gefahren werden darf (aber nidit muß), ohne Rücksicht auf etwa entgegenstehende Verkehrsregeln (z. B. § 8 Abs. 1) oder Verkehrszeichen (z. B. Z. 205). In N r . 1 S. 5 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Zeichen nidit von der Sorgfaltspflicht entbindet. Dieser Hinweis bedeutet, daß auch, soweit Abs. 1 Verkehrsregeln, Anordnungen durch Verkehrszeichen und durch Fahrbahnmarkierungen außer Kraft setzt, die Grundregel des § 1 Abs. 2 nicht verletzt werden darf, soweit sie Gefährdung und Schädigung verbietet. Dagegen darf derjenige, dem durch das Grünlicht Vorrang eingeräumt wird, selbstverständlich die Wartepflichtigen behindern. (Zu der Frage der nach der Grundregel vorgeschriebenen Sorgfaltspflicht vgl. § 1 R N r . 156—159. Zur Frage, welche Verkehrsregeln und Verkehrszeichen durch das Lichtzeichen Grün außerkraft gesetzt werden und welche weitergelten vgl. oben R N r . 4). V o r allem zwei Probleme ergeben sich bei geballtem Großstadtverkehr: Einmal das Verhältnis der bei Grün in die Kreuzung Einfahrenden zu den Nachzüglern aus der v o r her freigegebenen Richtung im Kreuzungsbereich und dann das Verhalten der Abbiegenden gegenüber Entgegenkommenden. Für das Verhalten gegenüber Nachzüglern gilt der Grundsatz, daß Nachzügler die Kreuzung räumen dürfen und müssen und daß die bei Grün in die Kreuzung Einfahrenden ihnen das zu ermöglichen haben. Zwar steht das nicht im Gesetz. D a aber das R o t vorausgehende Gelb den in die Kreuzung Eingefahrenen deren Räumung befiehlt und andernfalls alle Kreuzungen bei starkem Verkehr alsbald rettungslos verstopft wären, kann es nicht anders sein, als daß die zur Räumung Verpflichteten gegenüber den neu in die Kreuzung Einfahrenden den V o r t r i t t haben. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 2 S t V O 1937. Darnach muß ein Fahrer, der kurz nach Einsetzen grünen Lichts in eine Kreuzung einfährt, sich durch einen Blick über den Kreuzungsraum davon überzeugen, ob sich noch Teilnehmer des Querverkehrs in der Kreuzung befinden 2 2 ). Kann er die Kreuzung aus irgendwelchen Gründen nicht voll übersehen, dann '•) BayObLGSt 66, 16 (9. 2. 66) = VerkMitt. 66, 36 = VkBl. 66, 520 = VRS 31, 127. M ) BGH(Z) 27. 2. 67, VerkMitt. 67, 65; vgl. Heuss »Die Haftung im Fall des fehlerhaften Anzeigens durdi Verkehrsampeln", VersR 62, 689.
" ) BayObLG 30. 6. 70, VerkMitt. 70, 67. 2 2 ) Hamburg 28. 4. 66, VersR 67, 960; LG Aachen 2. 5. 69, DAR 70, 73; KG 9. 10. 69, NJW 70, 431 = DAR 70, 71; BGH(Z) 11. 5. 71, NJW 71, 1407.
Grün
StVO
§ 37
muß er mit Abbiegern oder Nachzüglern des Querverkehrs redinen, die noch ordnungsmäßig in die Kreuzung eingefahren sind 0 ). Zur Wartepflicht des Abbiegers gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen und gegenüber Schienenfahrzeugen und Radfahrern in gleicher Richtung vgl. § 9 R N r . 39—44. Für das Abbiegen gelten die Regeln des § 9 mit der Maßgabe, daß nach links auch dann nicht abgebogen werden darf, wenn dadurch Schienenfahrzeuge behindert werden; (vgl. § 36 RNr. 11). Der Gegenverkehr hat nach § 9 Abs. 3 gegenüber dem Linksabbieger Vorrang. Die Abbieger müssen deshalb warten, bis der Gegenverkehr durchgefahren ist. Im Massenverkehr führt dies häufig dazu, daß sie noch warten müssen, wenn der Gegenverkehr bereits Gelb- und Rotlicht hat. Um den Abfluß des Abbiegeverkehrs zu ermöglichen, bevor der Querverkehr einströmt, wird der Gegenverkehr bereits abgestoppt, bevor der Querverkehr freigegeben wird. Wer nach links abbiegt, während der Gegenverkehr bereits durch Rotlicht gestoppt ist, verstößt nicht gegen § 9 Abs. 3, wenn er mit einen) trotz des Rotlichts einfahrenden, entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt. Allerdings kann ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 gegeben sein, wenn er das verkehrswidrige Verhalten des Entgegenkommenden rechtzeitig hätte wahrnehmen können 24 ). Selbst wenn der Gegenverkehr nur Gelblicht hat, soll der Linksabbieger dessen Vorrecht nicht mißachten, wenn der Entgegenkommende bei der Ampelumschaltung auf Gelb ohne Gefahrenbremsung rechtzeitig hätte anhalten können 25 ). Um den in der Kreuzung wartenden Abbiegern anzuzeigen, daß der Gegenverkehr Rotlicht hat, wurde vielfach das überaus praktische und klar verständliche Diagonalgelblicht verwandt, das nun leider abgeschafft und durch einen hinter der Kreuzung angebrachten Grünpfeil ersetzt werden soll. (X 8. der Vwv zu Abs. 2). Soweit dem in die Kreuzung Einfahrenden das Abbiegen durch einen Grünpfeil gestattet war, ist ihm beim Erlöschen des Pfeilzeichens das weitere Abbiegen nicht untersagt. Er darf aber die Kreuzung nur vorsichtig räumen und muß auf den Gegenverkehr achten 2 '). Wird der bei Grün in die Kreuzung eingefahrene Linksabbieger beim Abbiegen auf die Gegenfahrbahn aufgehalten, so liegt die Verantwortung dafür, daß ein später erst aus der Gegenrichtung sich nähernder Verkehrsteilnehmer nicht auf das haltende Fahrzeug auffährt, ausschließlich bei diesem27). Obwohl es in erster Linie Pflicht des bei Grün in die Kreuzung Einfahrenden ist, auf die Nachzügler in der Kreuzung zu achten, haben diese doch auch ihrerseits die Pflicht, auf den Querverkehr zu achten, wenn sie damit rechnen müssen, daß dieser in der Zwischenzeit Grün erhalten hat 28 ). Herabsetzung
der Geschwindigkeit?
9
Der „freigegebene" Verkehr wird nicht von den Geschwindigkeitsvorschriften befreit. Er darf also keinesfalls schneller fahren, als daß er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann; § 3 Abs. 2. Ist nicht überblickbar, ob sich noch Nachzügler in der Kreuzung befinden, dann muß er seine Geschwindigkeit nach den für eine unklare Verkehrslage geltenden Grundsätzen bemessen; (s. § 3 R N r . 35). Eine andere Frage ist die, ob ein bei Grünlicht der Kreuzung sich nähernder Kraftfahrer seine Geschwindigkeit im Hinblick auf den zu erwartenden Phasenwechsel auf Gelb herabsetzen muß. Mit dieser Frage hatte sich schon die Rechtsprechung zu § 2 StVO 1937 befaßt. Sie kam zu dem Ergebnis, daß die Fahrgeschwindigkeit in der Regel nicht herabgesetzt werden muß, selbst wenn mit 2S
) BayObLGSt 67, 106 (12. 7. 67) = DAR 67, 333 = VRS 34, 42; Stuttgart 3. 5. 67, VerkMitt. 67, 78. 24 ) KG 2. 5. 68, VRS 35, 456; vgl. Hamm 5. 1. 68, VRS 35, 214. " ) BayObLG 21. 2. 68, DAR 68, 336 = VRS 35, 381.
2«) KG 9. 11. 67, VRS 34, 297. " ) Düsseldorf 11. 4. 68, VRS 35, 311. «8) BGH 20. 12. 67, VerkMitt. 68, 58 = VRS 34, 358; BayObLG 28. 3. 68, bei Rüth DAR 69, 227 (6 c).
7Ol
§ 37
Möhl
StVO
dem baldigen Phasenwechsel zu rechnen ist 29 ). Das gilt auch f ü r einen Lastzugführer 3 0 ). Anders, wenn der K r a f t f a h r e r weiß, daß besondere Umstände ihn daran hindern werden, die Kreuzung zügig zu durchfahren 3 1 ). A u d i von dem, der wegen seiner Ladung (z. B. Viehtransport) nicht mit normaler Bremsverzögerung bremsen kann, wird m a n verlangen können, daß er seine Geschwindigkeit bei Annäherung an eine Ampelkreuzung entsprechend herabsetzt. Ist neben dem Grünlicht auch ein Grünpfeil angebracht, dann ist es nicht zu beanstanden, wenn ein K r a f t f a h r e r bei Grünlicht nach links abbiegt, ohne den d o r t h i n weisenden Grünpfeil abzuwarten 3 2 ). Selbst beim Wechsel von G r ü n auf das n u n m e h r abgeschaffte grüne Blinklicht w u r d e eine Pflicht zur Herabsetzung der Geschwindigkeit verneint 3 3 ). 10
Fußgänger Für Fußgänger, welche die Fahrbahn an Kreuzungen ohne beampelte Fußgängerüberwege überschreiten, gelten die in erster Linie f ü r den Fahrverkehr bestimmten Lichtzeichen mit. Sie d ü r f e n die Fahrbahn n u r überschreiten, wenn der Verkehr in der von ihnen überschrittenen Straße durch Rotlicht gestoppt ist. Gegenüber Abbiegern sind sie aber nach § 9 Abs. 3 S. 2 bevorrechtigt. Auch f ü r Fußgänger gilt der Grundsatz, daß Nachzüglern aus der bisher freigegebenen Richtung die R ä u m u n g der Kreuzung zu ermöglichen ist. Sie d ü r f e n also die Fahrbahn erst betreten, wenn der Q u e r v e r k e h r abgeflossen ist. Allerdings m u ß auch der Q u e r v e r k e h r seinerseits Rücksicht auf die Fußgänger nehmen 3 4 ).
11
Vertrauen
auf
Abschirmung
Der Vertrauensgrundsatz entbindet Fahrzeugführer nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht. Auf den durch den modernen Verkehr überlasteten Kreuzungen treten häufig Stauungen auf. Vor allem entgegenkommende Linksabbieger behindern sich häufig gegenseitig. Wer nach dem Phasenwechsel bei „ G r ü n " in eine Kreuzung einfährt, darf zwar darauf vertrauen, daß der Q u e r v e r k e h r gleichzeitig „ R o t " hat und dieses auch beachtet, nicht aber darauf, daß sich in der Kreuzung keine Nachzügler mehr befinden, auf die er achten muß 3 5 ). Dabei ist v o n besonderer Bedeutung, daß Benutzer der Querstraße bei Gelblicht noch in die Kreuzung einfahren dürfen, wenn sie nicht sicher sein können, ihr Fahrzeug vor der Kreuzung z u m H a l t e n zu bringen; (s. unten R N r . 17). Solche Nachzügler sind deshalb besonders gefährlich, weil sie meist mit erhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung einfahren, u m sie noch v o r dem Phasenwechsel auf R o t zu überqueren. Gegenüber Nachzüglern m u ß der bei Grünlicht in die Kreuzung Einfahrende zurückstehen. E r m u ß ihnen die R ä u m u n g der Kreuzung ermöglichen. E r darf deshalb nicht blindlings in die Kreuzung einfahren. Die Nachzügler des Querverkehrs sind gegenüber den bei neuem G r ü n licht Einfahrenden bevorrechtigt 3 8 ). Der bei „ G r ü n " in die Kreuzung Einfahrende hat zwar auf Nachzügler zu achten u n d ihnen den V o r t r i t t einzuräumen, aber n u r solchen Nachzüglern, die berechtigt in die Kreuzung einfahren. Darauf, ob noch Fahrzeuge verbotswidrig aus der gesperrten Q u e r richtung einfahren, braucht er nicht zu achten 37 ). E r k e n n t er freilich, daß ein solches Fahrzeug in die Kreuzung einfährt, dann gilt auch f ü r ihn der allgemeine Grundsatz, daß die Schadensverhütungspflicht vorgeht. 20
) Hamburg 23. 5. 62, VerkMitt. 62, 91; Hamm 17. 2. 59, NJW 59, 1789; Celle 16. 10. 61, NdsRpfl. 61, 280. 3 ») BayObLGSt 59, 82 (25. 3. 59) = VRS 17, 295. 31 ) Hamburg 18. 6. 58, DAR 59, 24 = VerkMitt. 58, 60; wohl audi Hamm 17. 2. 59, 1789, a. M. Düsseldorf 9. 3. 61, VerkMitt. 62, 71 = DRspr. II (291) 100 d; 11. 3. 70, VRS 41, 75; KG 7. 1. 71, VRS 40, 264. 32 ) KG 12. 3. 64, VRS 27, 222.
702
33
) Hamm 13. 12. 68, JMB1.NRW 70, 10; Stuttgart 27. 11. 69, DAR 70, 133. ) BayObLGSt 66, 123 (25. 10. 66) = VRS 32, 57 = NJW 67, 406. 35 ) Köln 4. 12. 56, VerkMitt. 57, 35 = DAR 57, 162. 8 «) Celle 16. 10. 61, MDR 62, 52 = NdsRpfl. 61, 280; BGH(Z) 14. 4. 61, VRS 21, 17 = VerkMitt. 61, 57; Köln 21. 10. 58, VerkMitt. 59, 5. 37 ) München 2. 1. 68, DAR 68, 268.
34
Vertrauen auf Abschirmung; der „fliegende Start"
StVO
§ 37
Der Kraftfahrer darf grundsätzlich auch darauf vertrauen, daß das Grünlicht f ü r den Fahrverkehr von Fußgängern beachtet wird, die die Fahrbahn an der Ampel überqueren wollen, denen durch Farbzeichen aber „Warten" geboten wird 38 ). Umgekehrt darf ein Fußgänger, der an einer mit Ampeln versehenen Kreuzung die Fahrbahn auf dem Fußgängerüberweg bei Grünlicht überquert, darauf vertrauen, daß sich Fahrzeugführer pflichtgemäß verhalten und ihn auf dem Uberweg nicht anfahren werden. Allerdings muß er sich durch einen Blick nach den Seiten vergewissern, ob er dies gefahrlos tun kann 39 ). Der „fliegende Start" Von „fliegendem Start" spricht man, wenn ein Verkehrsteilnehmer sich einer Kreuzung bei Grünlicht nähert und ohne anzuhalten seine Fahrt über die Kreuzung fortsetzt. Es gibt keine Vorschrift, die den fliegenden Start verbietet. Wer sich beim Phasenwechsel von Gelb-Rot nach Grün der Ampel nähert, darf, wenn die Straße frei ist, durchfahren. Das gleiche gilt übrigens f ü r den, der sich der Kreuzung in dem Augenblick nähert, in dem ein Verkehrspolizeibeamter den Verkehr durch Handzeichen freigibt. Wo er auf der Fahrbahn fahren und welche Geschwindigkeit er dabei einhalten muß, kann nicht dem § 37 StVO entnommen werden. Es ergibt sich aus §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1. Die Anforderungen an den fliegend Startenden müssen weit strenger sein als an den beim Phasenwechsel Anfahrenden, schon weil sein Anhalteweg meist länger ist 40 ). In eine unübersichtliche Kreuzung darf überhaupt nicht mit fliegendem Start eingefahren werden 41 ). Ist die Fahrbahn vor der Kreuzung in Fahrstreifen eingeteilt, dann darf der Fahrzeugführer diese beliebig benutzen, wenn er dabei keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet oder auch nur behindert. Er darf deshalb, wenn rechts ein Fahrstreifen frei ist, auch rechts von Fahrzeugen vorfahren, die vor der Kreuzung gewartet haben und jetzt im Anfahren begriffen sind. Allerdings darf er dabei keinesfalls eine weiße, nicht unterbrochene Linie auf der Fahrbahn (Z. 295) überfahren oder gegen Richtungspfeile (Z. 209—214, 297) verstoßen.
12
Schwierigkeiten begegnet die richtige Bemessung der Geschwindigkeit beim fliegenden Start. Daß niemand die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschreiten darf, ist selbstverständlich. Aber auch eine Beschleunigung der Fahrgeschwindigkeit bis zu dieser Höchstgeschwindigkeit ist in der Regel nach § 3 Abs. 1 beim Einfahren in eine Kreuzung unzulässig, weil dabei auf Nachzügler des Querverkehrs nicht Rücksicht genommen werden kann 42 ). Der Grundsatz, daß der bei Phasenwechsel in „fliegendem Start" in die Kreuzung Einfahrende auf Nachzügler zu achten hat, gilt auch gegenüber Linksabbiegern des Querverkehrs, nicht aber des Gegenverkehrs, denn diese müssen ihrerseits nach § 9 Abs. 3 den Gegenverkehr durchfahren lassen43).
13
Zusammentreffen von Abbieger- und Querverkekr Wenn an einer Kreuzung, vor der f ü r die Linksabbieger ein eigenes Straßenstück nach links an die Querstraße heranführt, f ü r den Linksabbiegerverkehr und den Querverkehr von rechts gleichzeitig durch Grünlicht freie Fahrt gegeben wird, sollen jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Straßenfortsetzung nach ihrer Breite zur Aufnahme von mehrspurigem Verkehr ausreicht, f ü r das Zusammentreffen der beiden Verkehrsströme nicht die Vorfahrtsregeln, sondern die Regeln des mehrspurigen Verkehrs (§ 2 Abs. 2, § 7) gelten 44 ).
14
2. Grüner Pfeil Nach X 1. der Vwv zu Abs. 2 Nr. 1 und 2 darf, solange ein grüner Pfeil gezeigt wird, kein anderer Verkehrsstrom Grün haben, der den durch den Pfeil gelenkten kreuzt, also 38) 39 ) 40 ) 41 ) 42 )
BayObLG 7. 7. 65, 1 b St 33/1965. BGH 20. 4. 66, VRS 31, 4. KG 9. 7. 70, VRS 39, 266. BGH 20. 12. 67, wie Fußn. 28. BayObLGSt 60, 220 (24. 8. 60) = VRS 20, 153; Stuttgart 3. 5. 67, VRS 33, 376.
4I! 44
) Hamburg 20. 1. 65, VRS 28, 447 = VerkMitt. 65, 51. ) BayObLGSt 66, 16 (9. 2. 66) = VerkMitt. 66, 36 = VkBl. 66, 520 = VRS 31, 127.
703
§ 37
StVO
Möhl
beim Linkspfeil vor allem nicht der Gegenverkehr. Darauf darf der Abbieger vertrauen, doch darf auch er nicht blindlings oEne Rücksicht auf noch in der Kreuzung befindlichen Gegenverkehr einbiegen 45 ). Die Einschränkung nach Abs. 2 N r . 1 S. 2 gilt f ü r ihn nicht 4 '). Für ihn gelten also nicht die Regeln des § 9 und er braucht auch nicht auf Schienenfahrzeuge zu achten, über deren Schienen er abbiegt. „Nur in der Richtung des Pfeiles ist der Verkehr freigegeben", bedeutet einmal die Erlaubnis, in der Richtung des Pfeiles abzubiegen, andernteils aber auch das Verbot, in anderer Richtung weiterzufahren, also etwa bei einem Grünpfeil nach links, statt nach links geradeaus 47 ). Nach X 9. der Vwv zu Abs. 2 N r . 1 und 2 setzt die getrennte Regelung des abbiegenden Verkehrs in der Regel voraus, daß die Fahrbahn in besonderen Fahrstreifen mit Richtungspfeilen markiert ist (Z. 297). Da die Fahrbahnmarkierung nach Z. 297 im Gegensatz zu früher 4 8 ) ein Vorschriftszeidien darstellt, muß dem Pfeil auch dann gefolgt werden, wenn kein Grünpfeil verwendet wird. Wird nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, f ü r jeden von mehreren markierten Fahrstreifen ein eigenes Lichtzeichen zu geben (Abs. 2 N r . 4) wendet sich der Grünpfeil an alle vor der Kreuzung Wartenden oder auf sie Zufahrenden. Eine andere Frage ist die, ob derjenige, der sich falsch eingeordnet hat, gegen § 1 Abs. 2 verstößt, wenn er nicht dem Pfeil nach links oder rechts folgend abbiegt, sondern auf die Freigabe des Geradeausverkehrs wartet. Diese früher wichtige Frage 14 ) hat deshalb an Bedeutung verloren, weil nunmehr meist durch die Fahrbahnmarkierung (Z. 297) das Gebot, in der f ü r den gewählten Fahrstreifen vorgeschriebenen Richtung zu fahren, eindeutig ist. Außer durch Z. 297 kann die Fahrtrichtung natürlich auch durch die Z. 209—214 vorgeschrieben werden. Doch ist weder eine Markierung noch Z. 297 noch ein Richtungszeichen (Z. 209—214) erforderlich, um das durch den Grünpfeil angeordnete Richtungsgebot wirksam zu machen 49 ). Schwarze Pfeile auf grünem Grund sind unzulässig. Ihnen wurde auch früher keine Reditswirksamkeit zuerkannt 5 0 ). Das Erlöschen des Grünpfeiles und der Wechsel auf Rotlicht bedeutet zwar f ü r die vor der Kreuzung Befindlichen „Halt" 51 ). Dem noch in der Kreuzung befindlichen Linksabbieger wird aber durch das Erlöschen des. Grünpfeiles das weitere Abbiegen nicht untersagt. Er darf und muß wie jeder Nachzügler die Kreuzung räumen, muß dabei aber besonders auf den Gegenverkehr achten®*). Beim Aufleuchten des Grünpfeiles nach links muß der Geradeausverkehr aus der Gegenrichtung abgestoppt sein. Eine fehlerhafte Ampelschaltung ist Amtspflichtverletzung 58 ). Nach X 8. der Vwv zu Abs. 2 N r . 1 kann ein hinter der Kreuzung befindlicher Grünpfeil dazu dienen, den in der Kreuzung befindlichen Linksabbiegern anzuzeigen, daß der Gegenverkehr „Rot" hat; (s. unten R N r . 22).
3. Gelb „Vor der Kreuzung warten" Beim Wechsel von „Grün" zu „Gelb" muß der Fahrzeugführer mit einer kürzeren als der üblichen Reaktionszeit auskommen 53 ). „Gelb" ist Zwischen- und Vorbereitungszeichen «) 5 °) «) «) 45 )
Hamburg 6. 4. 60, VRS 19, 218. Schl.-Holst. 10. 3. 70, MDR 70, 845. Köln 2. 5. 69, VerkMitt. 69, 61. Oldenburg 7. 1. 66, VerkMitt. 66, 27. Friedensgericht der Stadt Stuttgart 11. 12. 58, N J W 59, 735 Anm. Reiff; BayObLGSt 64, 61 (28. 4. 64) = DAR 64, 278 = VRS 27, 378 = VerkMitt. 64, 67; vgl. auch K G 8. 7. 65, VRS 29, 211 (Gelbpfeil).
**) Für die frühere Rechtslage: K G 14. 4. 60, VRS 19, 59 = VerkMitt. 60, 71. " ) Bremen 4. 12. 68, VRS 37, 219 = DRspr. II (291) 175 b. Für die frühere Rechtslage: Hamm 28. 8. 70, DAR 71, 136. 53 ) BayObLGSt 59, 321 (3. 11. 59) = N J W 60, 398; abl. Bender N J W 60, 687, gegen diesen mit beachtlichen Gründen Lossos N J W 60, 1141; Köln 30. 11. 68, VRS 35, 215.
Grüner Pfeil; Gelb
StVO
§ 37
und bedeutet, wenn es nach „Grün" erscheint: „Anhalten!" oder wie die neue Formulierung umständlicher sagt: „Vor der Kreuzung auf das nädiste Zeichen warten". Dieses Gebot gilt jedoch nur f ü r den so weit vor der Kreuzung Befindlichen, daß er noch vor der Kreuzung ohne Gefahrenbremsung anhalten kann; ist das gefahrlos nicht mehr möglich, so bedeutet „Gelb" nicht „Anhalten", sondern „beschleunigt Weiterfahren" 54 ). Wer bei gerade einsetzendem Gelblicht die Kreuzung überquert, handelt nicht nur nicht ordnungswidrig, sondern ihn trifft auch im zivilrechtlichen Sinne nicht der Vorwurf, nicht jede erdenkliche Sorgfalt aufgewendet zu haben 55 ). N i m m t ein Kraftfahrer bei Aufleuchten des Gelblichts irrig an, ohne Gewaltbremsung nicht mehr rechtzeitig anhalten zu können, so handelt er nur ordnungswidrig, wenn ihm dieser Irrtum zum Vorwurf zu machen ist 56 ). Notwendige
Feststellungen
Die Verurteilung des Kraftfahrers wegen Mißachtung des Gelblichts setzt voraus, daß Feststellungen darüber getroffen werden, in welcher Entfernung er sich von der Ampel befand, als diese auf „Gelb" umschaltete, und ob er von dieser Stelle aus bis zur Kreuzung noch gefahrlos halten konnte. Um die Länge des Anhalteweges berechnen zu können, sind weitere Feststellungen über Geschwindigkeit und Bauart des Fahrzeugs, Straßenbeschaffenheit und event. auch Art der Ladung und der erzielbaren Bremsverzögerung nötig. Audi Feststellungen über die Dauer der Gelblichtphase können nützlich sein57). Die Gelblichtphase soll IX der Vwv zu Abs. 2 N r . 1 und 2 nicht unter 3 sec betragen. Zwar muß, gleichviel wie lange die Gelblichtphase dauert, der Kraftfahrer immer anhalten, wenn er vor der Kreuzung anhalten kann. Er darf immer durchfahren, wenn der zur Verfügung stehende Raum zum Anhalten nicht ausreicht. Aus der Dauer der Gelbphase und der Geschwindigkeit des Kraftfahrers läßt sich aber nachträglich errechnen, ob dieser noch vor dem Phasenwechsel auf R o t in die Kreuzung eingefahren ist. Steht fest, daß das Fahrzeug beim Wechsel von Gelb auf Rot an der Ampel vorbeifuhr, sollen allerdings genaue Feststellungen über die Dauer der Gelbphase entbehrlich sein, weil davon auszugehen ist, daß einem mit 50 k m / h fahrenden Kraftfahrer normalerweise genügend Spielraum bleibt 58 ). Gelblicbtproblematik So einfach und einleuchtend die Regel erscheint, daß das Anhaltegebot nur f ü r den gilt, der es technisch befolgen kann, so problematisch ist sie doch. Für den, der sich bei Grünlicht der Ampel nähert, gibt es zwei kritische Punkte, wenn die Ampel auf Gelb wechselt. Der eine (negative) Punkt liegt dort, wo der Kraftfahrer sein Fahrzeug nodi sicher vor der Kreuzung anhalten kann, der andere (positive) aber dort, wo der Kraftfahrer sich frühestens zum Weiterfahren entscheiden darf, um ungünstigenfalls gerade noch bei Signalwechsel Gelb auf R o t die Haltelinie zu passieren. Auf der zwischen diesen beiden Punkten liegenden Strecke darf sich der Kraftfahrer sowohl f ü r das Bremsen und Anhalten wie f ü r das Durchfahren entschließen; vor dem „positiven" Punkt muß er sich f ü r das Anhalten, nach dem „negativen" f ü r das Durchfahren entschließen 59 ). Es gibt also eine Gelblichtproblematik, die vor allem deshalb hohe Anforderungen an den Kraftfahrer stellen kann, weil die Entfernung zur Ampel und die Länge des eigenen Anhalteweges geschätzt werden müssen. « ) Oldenburg 7. 12. 54, VRS 8, 224 = D A R 55, 69 = VkBl. 55, 144 = DRspr. II (291) 12 d ; Celle 7. 12. 55, VerkMitt. 56, 5 = MDR 56, 120 = VkBl. 56, 104 = VRS 10, 231 = DRspr. II (291) 20 c; BayObLG 21. 10. 58, VRS 16, 44; s. auch BGH 14. 10. 53, VRS 5, 586; KG 9. 10. 69, N J W 70, 431. 55 ) Köln 4. 3. 65, VersR 65, 906. M ) BayObLG 5. 7. 68, 1 b St 243/1968.
57
) BayObLG in ständiger Rechtsprechung u. a. 15. 9. 65 und 31. 3. 66, 1 b St 169/1965 und 49/1966. 58 ) Köln 12. 5. 67, VRS 33, 456. 59 ) Retzko in „Straßenbau, Verkehrstedinik und Verkehrssicherheit" H e f t 13; Verkehrstedinisdie Gesichtspunkte zur Verkehrsordnung, Referat gehalten auf dem Juristen-Ingenieur-Kolloquium am 30. 9. 1965 in Bad Kissingen.
705 45 StVO + S t G B
§ 37
StVO
Besondere Sorgfaltspflidit trifft den zung die Ampel auf „Gelb" umschaltet. werden, daß er schon beurteilen kann, lehrer muß selbst bremsen, wenn der vermindert 6 0 ).
Möhl Fahrlehrer, wenn bei Annäherung an eine KreuDenn von einem Fahrschüler kann nicht erwartet ob er weiterfahren oder anhalten soll. D e r FahrFahrschüler die Geschwindigkeit nicht rechtzeitig
Auch für den übrigen Verkehr gibt es ein „Gelblichtproblem". E r darf nicht darauf vertrauen, daß nach dem Farbwechsel von Grün zu Gelb niemand mehr in die Kreuzung einfährt 6 1 ). W e r bei Gelblicht in eine Kreuzung einfährt, darf sie auch dann durchfahren, wenn sie weiträumig ist. Anders nur bei einer „Doppelkreuzung". Eine solche liegt nur bei getrennten, selbständigen Straßenzügen vor, von denen jeder in beiden Richtungen befahren werden darf und demgemäß bei Lichtzeichenregelung auch mit eigenen Verkehrsampeln ausgestattet ist 6 2 ). 18
Haltlinie und Kreuzungsbereich Befindet sich die Haltlinie nicht im unmittelbaren Bereich der Kreuzung, sondern vorher, dann erhebt sich die Frage, ob der Kraftfahrer auch dann anhalten muß, wenn er sein Fahrzeug zwar nicht mehr vor der Haltlinie, wohl aber vor der eigentlichen Kreuzung zum Halten bringen kann. D a sich die von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme von der Anhaltepflicht nur im Hinblick auf die beim Anhalten im Bereich der Kreuzung zu befürchtende Störung des Verkehrsflusses rechtfertigen läßt, wird die Ausnahme dann nicht in Frage kommen, wenn der Kraftfahrer noch vor der Kreuzung anhalten kann, mag er auch über die Haltlinie hinausfahren müssen 93 ). Umgekehrt gilt das Gebot des gelben Lichtzeichens, „Kreuzung freimachen" nicht für Fahrzeuge, die zwar die Haltlinie überfahren haben, aber noch nicht in die Kreuzung eingefahren sind. Kann ein Kraftfahrer noch vor der Haltlinie anhalten, dann freilich muß er dies auch 64 ).
19
Druckknopfampeln Auch für Druckknopfampeln an Fußgängerüberwegen gilt der Grundsatz, daß „Gelb" für Verkehrsteilnehmer, die vorher „Grün" hatten, nur dann „Anhalten" bedeutet, wenn sie noch ohne Gefahr vor dem Uberweg anhalten können. Auch an solchen Ampeln braucht der Kraftfahrer sich nicht auf den bevorstehenden Wechsel von „Grün" auf „Gelb" einzustellen. Insbesondere ist die Meinung irrig, im Stadtverkehr müsse ein Kraftfahrzeug bei unvorhergesehenem Farbzeichenwechsel stets innerhalb von zwei Sekunden zum Stehen gebracht werden können 6 5 ).
20
Sorgfaltspflidit des bei Gelb in die Kreuzung Einfahrenden D e r Grundsatz, daß Gelblicht „beschleunigt weiterfahren" gebietet, wenn der Kraftfahrer beim Aufleuchten des Gelblichtes vor der Kreuzung nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, bedeutet nicht, daß er beim Durchfahren der Kreuzung nicht in Betracht ziehen muß, daß der Phasenwechsel auf „ R o t " bevorsteht und daß dann der Querverkehr einströmt. Wer allerdings schon kurz nach dem Phasenwechsel auf „Gelb" in die Kreuzung einfährt und diese zügig durchfahren kann, wird damit rechnen können, daß er die Kreuzung vor Einsetzen des Querverkehrs geräumt haben wird 6 6 ). Bei einer weiträumigen Kreuzung muß er aber vor allem darauf achten, ob nicht der Querverkehr von Fußgängern am Ende der Kreuzung einsetzt, bevor er den Fußgängerüberweg hinter sich gelassen hat 6 7 ). ) Hamm 19. 4. 68, VRS 36, 133 = DRspr. II (291) 175 a. ) KG 31. 8. 67, VRS 33, 448. 6 2 ) BGH 14. 7. 64, VRS 27, 350. «3) So Stuttgart 22. 2. 65, NJW 65, 1093, 2167 Anm. Oellers = DAR 65, 186 = DRspr. II (291) 128 b; BayObLG 4. 2. 70, 1 a Ws (B) 82/1969; anders Stuttgart 13. 10. 61, NJW 60
61
706
) ) ) ") 64
65
66
61, 2361; Zweibrüdten 17. 2. 65, VRS 29, 48; LG Nürnberg-Fürth 2. 10. 68, VersR 69, 1030. Hamburg 28. 4. 66, VersR 67, 960. Bremen 19. 5. 65, VerkMitt. 65, 80. KG 14. 12. 67, VRS 34, 466. BayObLG 26. 10. 66, 1 b St 232/1966.
StVO
Gelb; grüner Pfeil hinter der Kreuzung Sorgfaltspflickt
des bei Gelblicbt
§ 37
Anhaltenden
21
Bei „Gelb" darf der in der vorher freien Richtung Fahrende halten, ohne zu prüfen, ob nachfolgende Fahrzeuge einen ausreichenden Abstand haben" 8 ). Fraglich ist, ob den Vorausfahrenden auch dann kein Schuldvorwurf trifft, wenn er erst im letzten Augenblick vor der Ampel eine Notbremsung vornimmt, die es ihm nicht mehr gestattet, vor der Kreuzung anzuhalten und wenn dabei der nachfolgende Verkehrsteilnehmer auf ihn auffährt' 8 ). D e r Nachfolgende muß damit redinen, daß ein langsam Fahrender bei Gelb vor ihm anhält und zwar selbst dann, wenn sich der Vorausfahrende der Ampel bereits bis auf 3 m genähert hat 7 0 ). Grüner
Pfeil
hinter
der Kreuzung
22
Nach X 8. der Vwv zu Abs. 2 N r . 1 und 2 kann Linksabbiegern, die sich bereits auf der Kreuzung oder Einmündung befinden, durch einen hinter der Kreuzung angebrachten, nach links gerichteten grünen Pfeil angezeigt werden, daß der Gegenverkehr Rotlicht hat. Dieses Zeichen soll das gebräuchliche und zweckmäßige Diagonalgelblicht ersetzen, das die Vwv ausdrücklich verbietet. Die zum Diagonalgelblicht entwickelte Rechtsprechung kann für den hinter der Kreuzung angebrachten grünen Pfeil übernommen werden. Darnach darf der Linksabbieger beim Aufleuchten des grünen Pfeils darauf vertrauen, daß der Gegenverkehr Rotlicht hat. D e r hinter der Kreuzung aufleuchtende grüne Pfeil gilt nur für Fahrzeuge, die sich bereits im Kreuzungsbereich aufhalten 7 1 ). Die Frage, wann abgebogen werden darf, ist in § 9 geregelt. Wird der Gegenverkehr nicht beeinträchtigt, dann darf auch schon vor dem Aufleuchten des Grünpfeils (hinter der Kreuzung) nach links abgebogen werden 7 2 ). Dem Diagonalgelblicht wurde das Gebot für die Linksabbieger entnommen, die Kreuzung beschleunigt zu räumen. Dieses Gebot kann dem Grünpfeil nicht entnommen werden, der nur die Richtung freigibt. Allerdings wird der Linksabbieger aus dem Umstand, daß hinter der Kreuzung der Grünpfeil aufleuchtet und ihm anzeigt, daß der Gegenverkehr „ R o t " hat, darauf schließen dürfen und müssen, daß die Ampel hinter ihm von Grünlicht auf Gelblicht umgeschaltet hat und daß er deshalb die Kreuzung zu räumen hat. „Kreuzung
räumen"
23
Für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung ordnet „Gelb" an: „Kreuzung räumen". Die Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung sehen dieses Zeichen in der Regel nicht. Es k o m m t auch nicht darauf an. Denn auf der Kreuzung darf in der Regel nicht „gehalten" werden, weil dadurch der Kreuzungsverkehr behindert würde (§ 1 Abs. 2). Im übrigen können die in der Kreuzung Befindlichen nach einigen Sekunden sicher sein, daß die Ampel hinter ihnen auf Gelb und dann auf R o t umgeschaltet hat. Die durch „Gelb" getroffene Anordnung, die Kreuzung zu räumen, enthält gleichzeitig die Erlaubnis, dies zu tun. Wer bei „Grün" in eine Kreuzung eingefahren ist und in dieser aufgehalten wird, bis die Signale hinter ihm schon wieder umspringen, hat die Kreuzung grundsätzlich gleichwohl noch zu räumen; doch muß er dabei besonders vorsichtig sein 7 '). E r darf sich nicht darauf verlassen, daß kein Fahrzeug des inzwischen freigegebenen Querverkehrs mit fliegendem Start in die Kreuzung einfährt 7 4 ). E r muß vor allem damit rechnen, daß, bevor 88) BayObLGSt 59, 57 (24. 2. 59) = VerkMitt. 59, 45 = NJW 59, 1143; zust. Härtung J R 59, 429; Hamburg 19. 11. 63, MDR 64, 595; KG 7. 1. 71, VRS 40, 264. B9 ) Nach BayObLG 9. 11. 66, 1 a St 213/66 trifft in diesem Fall den Vorausfahrenden ein Verschulden. Hamm 10. 1. 63, DAR 63, 309. 7 1 ) Zum Diagonalgelblicht; Düsseldorf 4. 11. 57, VerkMitt. 58, 16; BayObLGSt 67, 172
(29. 11. 67) = DAR 68, 190 = VerkMitt. 68, 22 = VRS 34, 385. ) Zum Diagonalgelblicht BayObLGSt 60, 153 (15. 6. 60) = VRS 19, 312. 7 3 ) Stuttgart 8. 5. 64, VRS 27, 464 = DRspr. II (291) 129 a ; Celle 16. 10. 61, MDR 62, 52 = NdsRpfl. 61, 280. ™) BGH 20. 12. 67, VRS 34, 358 = VerkMitt. 68, 58.
72
707 45 •
§ 37
StVO
Möhl
er die Kreuzung geräumt hat, kreuzender Fußgängerverkehr „Grün" erhält 75 ). Hat ein Verkehrsteilnehmer die neben seiner Fahrbahn stehenden Ampeln bei „Grün" passiert, zeigen sie jedoch bereits rot an, bevor er — nachdem er aufgehalten wurde — die Fluchtlinie der kreuzenden Fahrbahn erreicht hat, so darf er nicht weiterfahren. Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob der Verkehrsteilnehmer beim Phasenwechsel auf rot bereits in die Kreuzung eingefahren ist 76 ). Entsprechend muß ein Straßenbahnführer, der nach dem Vorziehen des Zuges und nochmaligen Anhalten die maßgebende Ampel nicht mehr sehen kann, sich über das Farbzeichen der Ampel anderweitig vergewissern, ehe er über die Kreuzung fährt 77 ).
4. Rot
Allgemeines „Rot" hat nur Bedeutung für die vor der Kreuzung Befindlichen. Wer in die Kreuzung eingefahren ist, muß sie bereits bei „Gelb" räumen. Kann er das nicht, dann darf und muß er, auch wenn die Ampel hinter ihm bereits „Rot" zeigt, die Kreuzung trotzdem freimachen 78 ), was ihm der bei Grünlicht einfahrende Querverkehr ermöglichen muß. Allerdings darf ein Nachzügler nicht blindlings auf sein Vorrecht zum Räumen der Kreuzung vertrauen, sondern muß mit einer Verletzung seines Vorrechts durch den Querverkehr rechnen 79 ). Rot bedeutet zwar im Gegensatz zu Gelb „Halt!" ohne Einschränkung. Doch kann auch hier vom Kraftfahrer nichts Unmögliches verlangt werden. Ist die Gelbphase im Hinblick auf die (zulässige) Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu kurz, um noch vor dem Phasenwechsel nadi R o t vor der Kreuzung anhalten zu können, dann kann den Kraftfahrer kein Schuldvorwurf treffen, wenn er in die Kreuzung einfährt. Allerdings wird dieser Fall praktisch kaum vorkommen, weil die Ampelschaltung in der Regel unter Berücksichtigung der zulässigen Geschwindigkeit das Anhalten vor der Kreuzung oder die Einfahrt noch bei Gelblicht ermöglicht. Da der Anhalteweg von der Geschwindigkeit abhängt, muß bei Zulässigkeit einer höheren Geschwindigkeit als 50—60 km/h die Gelblichtphase über die normale Dauer von 3 sec ausgedehnt werden; (vgl. I X der Vwv zu Abs. 2 Nr. 1). Der theoretisch mögliche Fall, daß der Kraftfahrer weder rechtzeitig anhalten, noch vor dem Aufleuchten des Rotlichtes die Ampel passieren kann, würde eine außergewöhnlich geringe Bremsverzögerung oder eine im Vergleich zur zulässigen Geschwindigkeit zu kurze Gelblichtphase voraussetzen. Allerdings könnte dieser Fall eintreten, wenn ein Kraftfahrer nur die „vorgeschriebene" Bremsverzögerung von 2,5 m/sec 2 ( § 4 1 Abs. 4 StVZO) erreichen könnte. Immerhin werden in Zweifelsfällen selbst dann, wenn feststeht, daß der Kraftfahrer die Ampel bereits bei Rotlicht passiert hat, Feststellungen über die Geschwindigkeit und über die Dauer der Gelbphase notwendig sein. Das gilt auch, wenn die Verkehrsampel mit einem Sondersignal für die Straßenbahn gekoppelt ist. Setzt sich ein Kraftfahrer durch eigenes Verschulden außerstande, bei Rotlicht rechtzeitig vor der Ampel zu halten, dann kann er sich nicht auf Notstand berufen; so wenn er bei Schneeglätte das Rotlicht mißachtet, weil er bei stärkerem Bremsen mit Schleudern rechnen muß 80 ). In Abs. 2 S. 1 wird ausdrücklich das Wechsellichtzeichen R o t und Gelb (gleichzeitig) aufgeführt. Es dient als Hinweis, daß mit dem Phasenwechsel auf Grün alsbald zu rechnen sei. Gelb-Rot sollte nach I X der Vwv zu Abs. 2 Nr. 1 immer zwei Sekunden und nicht länger als drei Sekunden dauern 81 ). 75) 7 «) 77) 78)
Düsseldorf 14. 4. 66, VerkMitt. 66, 54. Neustadt 13. 11. 63, V R S 26, 366. B G H 26. 11. 63, V R S 26, 191. Hamm 18. 7. 57, N J W 57, 1689 = V R S 14, 220; Celle 16. 10. 61, NdsRpfl. 61, 280. 7 ») Stuttgart 8. 5. 64, V R S 27, 464 = DRspr. I I (291) 129 a ; Hamm 18. 7. 57, N J W 57,
1684 = DRspr. I I (291) 40 a b ; K G 14. 12. 67, V R S 34, 466. ) Hamm 26. 2. 70, VerkMitt. 70, 86. 8 1 ) Vgl. Sdiienemann, „Manipulationen an der Rot-Gelb-Phase der Straßen Verkehrsampeln", D A R 70, 325. 80
R o t ; Gelb — Rot Rot bei handgesteuerten
StVO
§ 37
Ampeln
Bei handgesteuerten Lichtzeichenanlagen allerdings ist der Farbwechsel unberechenbar. Bei der Annäherung an sie soll dem Kraftfahrer eine Reaktions- und Bremsansprechzeit von zusammen 0,9 sec zuzubilligen sein82). Ein Kraftfahrer, der bei R o t einen Fußgängerüberweg überquert, handelt nur dann ordnungswidrig, wenn er beim Aufleuchten von Gelb noch rechtzeitig hätte anhalten können 83 ). Rotlicht gilt nur für den Fußgängerüberweg, in dessen markierter Breite 84 ). 5. Pfeil auf Rot und Gelb Näheres über die für die Anbringung von Pfeilen in Lichtzeichen geltenden Grundsätze s. X der Vwv zu Abs. 2 Nr. 1 u. 2. Nur der Grünpfeil war bisher in der StVO ausdrücklich erwähnt. Gelb- und Rotpfeile wurden aber vielfach schon verwendet. In Abs. 2 Nr. 1 wird nun klargestellt, daß roter Pfeil oder schwarzer Pfeil auf R o t die gleiche Bedeutung wie Rot und gelber Pfeil oder schwarzer Pfeil auf Gelb die gleiche Bedeutung wie Gelb hat, mit der Maßgabe, daß das Gebot nur für die durch den Pfeil angezeigte Richtung gilt. (Schwarzer Pfeil auf grünem Grund ist nicht vorgesehen; s. oben R N r . 14). Die Pfeile ermöglichen es, den Verkehr nur in bestimmte Richtungen zurückzuhalten, im übrigen aber durch „Grün" freizugeben. III. Lichtzeichen an anderen Straßenstellen (Abs. 2 Nr. 2) Wie in § 36 Abs. 4 (s. dort R N r . 15) für Zeichen der Polizeibeamten mußte auch in § 37 die entsprechende Bedeutung der in Nr. 1 für Kreuzungen bestimmten Wechsellichtzeichen für andere Straßenstellen angeordnet werden. Als Beispiele für solche anderen Straßenstellen wurden auch hier die Einmündungen und Fußgängerüberwege genannt. Zu denken ist vor allem auch an große Straßenbaustellen, an denen der Verkehr abwechselnd für Fahrzeuge aus einer Richtung freigegeben wird. Die Verbindlichkeit einer an einer Straßenbaustelle ordnungsgemäß aufgestellten Verkehrssignalanlage kann nicht durch das Zeichen eines Bauarbeiters aufgehoben werden 85 ). IV. Farbfolge Gelb-Rot (Abs. 2 Nr. 3) Nach der Vwv zu Abs. 2 Nr. 3 darf die Farbfolge Gelb-Rot lediglich dort verwendet werden, wenn Lichtzeichenanlagen nur in größeren zeitlichen Abständen in Betrieb gesetzt werden, z. B. an Bahnübergängen. Es soll dadurch erreicht werden, daß nicht längere Zeit Grün gegeben werden muß. Solange die Lichtzeichenanlage weder Gelb noch Rot zeigt, ist der Verkehr freigegeben. Diese Art der Lichtzeichenfolge hat gegenüber der normalen den Nachteil, daß die Verkehrsteilnehmer auf der Ampel erst beim Aufleuchten des Gelblichts aufmerksam gemacht werden, während sie sich bei der normalen Schaltung durch das auffällige Grünlicht frühzeitig darauf einstellen können, daß ein Phasenwechsel möglich ist. V. Eigene Liditzeidien (Abs. 2 Nr. 4) für markierte
Fahrstreifen
„Eigene Lichtzeichen" bedeutet, die in Abs. 2 Nr. 1 näher bezeichneten Lichtzeichen speziell angewandt auf einzelne Fahrstreifen. Im Gegensatz zu § 2 Abs. 2 sind hier nur solche Fahrstreifen gemeint, die markiert sind. Fahrstreifen können bezeichnet sein durch die Markierung Z. 295, 296 (Fahrstreifenbegrenzung), aber auch durch bloße „Leitlinien" (Z. 340). (Auch die durch Z. 297 angeordnete Fahrtrichtung ist an eine solche Markierung der Fahrstreifen gebunden). Eine entsprechende Vorschrift war bisher in der StVO nicht enthalten, doch war die Praxis bereits dazu übergegangen. Allerdings wurde gefordert, daß 82) Bremen, 1. 9. 65, VerkMitt. 66, 7. 8 S ) Oldenburg 15. 12. 60, D A R 61, 258.
) Celle 25. 8. 66, NdsRpfl. 66, 270 = 67, 64. 85) Hamm 8. 1. 71, V R S 41, 148.
M
MDR
709
§ 37
StVO
Möhl
die Fahrstreifen durch eine nicht unterbrochene Linie getrennt waren 8 *). Wer sich in einen mit eigenem Lichtzeichen versehenen markierten Fahrstreifen eingeordnet hat, muß sich nach dem für seinen Fahrstreifen geltenden Liditzeichen richten. 30
Eigene
Lichtzeichen
für
Schienenbahnen
D a ß für den Schienenverkehr abweichende Zeichen gegeben werden können, war auch bisher schon vorgesehen; (§ 2 Abs. 7 S t V O 1937 in der Fassung der V O vom 14. 3. 56). Die für den Schienenverkehr geltenden Zeichen sind für den übrigen Verkehr ohne rechtliche Bedeutung, wie für den Schienenverkehr die übrigen Lichtzeichen ohne Bedeutung sind. Die für den Schienenverkehr geltenden Zeichen finden sich in der Anl. 4 zur B O Strab (III/3) in Bd. II). Die besonderen Lichtsignale für Schienenbahnen genießen wie alle anderen Lichtzeichen den Vorrang vor den allgemeinen Verkehrsregeln und den durch amtliche Verkehrszeichen angezeigten örtlichen Sonderregeln 8 7 ). Die Mißachtung eines Halt gebietenden Sondersignals durch einen Straßenbahnführer ist nur dann ordnungswidrig, wenn er beim Aufleuchten des Signals noch in der Lage gewesen wäre, ohne Gefahrenbremsung vor der Kreuzung zu halten 8 8 ). Kann der Straßenbahnführer nach dem Anhalten die für ihn maßgebende Verkehrsampel nicht mehr sehen, so muß er sich vor der Weiterfahrt durch den Schaffner darüber informieren lassen, welches Zeichen die Ampel zeigt 89 ). 31
Eigene
Lichtzeichen
für
Linienomnibusse
Die Möglichkeit, für Linienomnibusse eigene Lichtzeichen zu geben, ist neu. Sie setzt voraus, daß die Linienomnibusse entweder sich in dem einer Schienenbahn vorbehaltenen Gleisbereich bewegen dürfen oder daß ihnen durch Z. 250 mit Zusatzschild sowie durch Fahrstreifenbegrenzung nach Z. 295 ein gesonderter Fahrstreifen im Kreuzungsbereich vorbehalten ist; (s. III der Vwv zu Abs. 2 N r . 4). 32
V I . Liditzeichen für Fußgänger und Radfahrer (Abs. 2 N r . 5) Die in N r . 5 zusammengefaßten Lichtzeichen für Fußgänger und Radfahrer sind insofern nicht miteinander vergleichbar, als die für Fußgänger geltenden Zeichen das U b e r schreiten der Fahrbahn regeln, während die für Radfahrer geltenden wie die übrigen Wechsellichtzeichen das Befahren der Fahrbahn betreffen. Nach I der Vwv zu Abs. 2 N r . 5 muß das rote Sinnbild einen stehenden, das grüne einen schreitenden Fußgänger zeigen. Aber auch wenn das Sinnbild fehlt, ist das am Ü b e r weg angebrachte Liditzeichen für den Fußgänger verbindlich 8 0 ). D e r Grundsatz, daß derjenige, für den die Ampel „Grün" zeigt, sich in der Regel darüber keine Gedanken zu machen braucht, wann der Phasenwechsel eintritt, gilt auch für den Fußgänger. E r darf, solange die Fußgängerampel grünes Licht zeigt, die Fahrbahn zum Zwecke des Überquerens betreten und seinen Weg auch dann fortsetzen, wenn das Ampellicht während des Überquerens auf „ R o t " wechselt. Dies gilt sogar dann, wenn sich in der Fahrbahn eine Verkehrsinsel (ohne Fußgängerampel) befindet* 1 ). Da an Fußgängerampeln nur die Liditzeichen „Grün" und „ R o t " gegeben werden, war es der Klarheit wegen erforderlich, darauf ausdrücklich im Gesetzestext hinzuweisen. „ R o t " hat darnach für Fußgänger, die mit dem Überschreiten der Fahrbahn begonnen haben, nicht wie sonst die Bedeutung „Halt", sondern „Fahrbahn zügig r ä u m e n " ; („zügig" s. § 25 R N r . 11). Zwar haben die Fußgänger beim Phasenwechsel auf „Grün" gegenüber dem Fahrverkehr Vorrang. Sie dürfen darauf vertrauen, daß der Fahrverkehr den Vorrang beachtet. «) BayObLGSt 68, 56 (14. 6. 68) = VRS 35, 388 = DAR 69, 25 = VerkMitt. 69, 8. 8 7 ) Hamburg 24. 1. 67, VersR 67, 814. 8 8 ) BayObLG 29. 5. 67, 1 b St 170/67. 0») BGH(Z) 26. 11. 63, VRS 26, 191. »») Düsseldorf 22. 1. 59, VerkMitt. 59, 81 = JMB1.NRW 59, 88 = VRS 17, 296. 8
710
91
) Ojdenburg 22. 2. 66, NJW 66, 1236, 2026 mit ablehnender, aber nicht überzeugender Anm. von Gurgen, Gansdiezian Fink = VRS 31, 131 = NdsRpfl. 66, 153 = DRspr. II (291) 144 d; vgl. RdErl. BMV 20. 8. 59, VkBl. 59, 374.
„Eigene" Liditzeidien; Dauerlichtzeidien; Nebeneinanderfahren
StVO
§ 37
Sie müssen aber, wie alle Verkehrsteilnehmer, an Kreuzungen darauf achten, ob nidit nodi Nachzügler gerade im Begriff sind, über den Überweg zu fahren' 8 ). „ R o t " gilt nur für den Fußgängerüberweg, in dessen markierter Breite 9 8 ). Befinden sich an einer Kreuzung keine beampelten Fußgängerüberwege, dann müssen sich die Fußgänger nach den für den Fahrverkehr geltenden Liditzeidien richten. Sie dürfen eine Fahrbahn nur überqueren, wenn der Fahrverkehr auf ihr „ R o t " hat. Befinden sich neben der Fahrbahn Gehwege, dann dürfen Fußgänger auch dann abbiegen, wenn der Fahrverkehr „ R o t " hat. Sie dürfen dabei aber die Gehwege nidit verlassen. Befindet sich nur in einer der sich kreuzenden Straßen Gehwege, dann gilt die Ausnahme für abbiegende Fußgänger nidit. v n . Dauerlichtzeidien (Abs. 3)
33
Die Dauerlichtzeidien entsprechen dem Art. 23 Abs. 11 des Wiener Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen vom 8. 11. 1968. Nach I der Vwv zu Abs. 2 dürfen sie nur über markierten Fahrstreifen (Z. 295, 296, 340) gezeigt werden und zwar muß dann über jedem Fahrstreifen einer Fahrbahn eines der beiden in Abs. 3 näher bezeichneten Liditzeidien leuchten. Näheres über Zweck und Anwendungsmöglidikeit der Dauerlichtzeidien s. Begründung zu Abs. 3 ( R N r . 1). D e r Wechsel des Zeichens „grüner, nach unten gerichteter Pfeil "auf „rote gekreuzte Schrägbalken" hat nur für die vor dem Beginn des gesperrten Fahrstreifens Befindliche Bedeutung. Dadurch daß der Streifen eine angemessene Zeit in beiden Richtungen gesperrt ist, wird erreicht, daß die in den Streifen Eingefahrenen ihn verlassen haben, bevor er für den Gegenverkehr freigegeben wird. Schwierigkeiten können sich daraus ergeben, daß die Liditzeidien nach I I I der Vwv zu Abs. 3 an jeder Kreuzung und Einmündung und erforderlichenfalls auch sonst in angemessenem Abstand zu wiederholen sind. Wie haben sich die auf dem zunächst freien, später gesperrten Fahrstreifen zu verhalten, wenn sie unterwegs auf das Sperrzeichen treffen? Befindet sich neben dem gesperrten noch ein Fahrstreifen, der für ihre Richtung frei ist, müssen sie wohl auf diesen überwechseln. Die Einführung der Dauerlichtzeichen verspricht vor allem bei den sog. Umkehrstreifen zu einer Entlastung des Massen-Verkehrs zu führen. I h r Zweck ist, je nach der Dichte des Verkehrs einen Fahrstreifen für die eine oder andere Richtung freizugeben; (vgl. I V der Vwv zu Abs. 3). V I I I . Nebeneinanderfahren
34
D e r Begriff des „Nebeneinanderfahrens" findet sich in § 7. Das Nebeneinanderfahren setzt voraus, daß sich auf den Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben. Wenn § 37 Abs. 4 das „Nebeneinanderfahren" ausnahmsweise zuläßt, auch wenn die Verkehrsdichte das nidit rechtfertigt, dann wird man wohl davon ausgehen können, daß sich die nebeneinander fahrenden Fahrzeuge so verhalten dürfen und müssen, wie dies § 7 für das Nebeneinanderfahren vorschreibt. Das bedeutet, daß sie einesteils den Fahrstreifen nur wechseln dürfen, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist, daß sie aber auch nidit nur von dem Reditsfahrgebot des § 2 Abs. 2, sondern auch von dem Linksüberholgebot des § 5 Abs. 1 befreit sind; (vgl. § 5 R N r . 41). Eine solche Auslegung wäre vernünftig und würde der tatsächlichen Übung entsprechen. D a ß beim Anfahren an einer Verkehrsampel beim Phasenwedisel auf Grün rechts schneller gefahren werden darf als links, wird allgemein anerkannt. Die Rechtsprechung geht davon aus, daß es sich hierbei nicht um ein „Überholen" im Sinne des § 5 handelt' 4 ). Audi für den, der in fliegendem 82
) BGH(Z) 20. 4. 66, VRS 31, 3; = VerkMitt. 66, 41; BayObLG 25. 10. 66, VerkMitt. 66, 90 = VRS 32, 57.
»s) Celle 25. 8. 66, MDR 67, 64 = NdsRpfl. 66, 270. M ) Vgl. allgemein zur Frage des Reditsüberholens Bouska, DAR 71, 68, 70.
711
§§37,38
Möhl
StVO
Start an einer im Einfahren begriffenen Gruppe von Fahrzeugen rechts vorbeizieht, wird die Ausnahme zugelassen. Dazu kommt, daß beim Fahren in einer „grünen Welle" das Rechtsüberholen an Kreuzungen häufig auch nach § 5 Abs. 7 (Linksabbieger) oder nach § 41 Abs. 3 N r . 5 (Z. 297) zulässig wäre. Es wäre deshalb erwünscht, wenn § 37 Abs. 4 so ausgelegt würde, daß, wo Liditzeichen den Verkehr regeln, auch dann rechts überholt werden darf, wenn die Voraussetzungen des § 7 nicht vorliegen. Aus der Begründung zu Abs. 4 geht allerdings hervor, daß der Gesetzgeber doch wohl nur an eine Befreiung vom Rechtsfahrgebot gedacht hat, wenn er dies auch nicht klar zum Ausdruck brachte. D e r räumliche Geltungsbereich der Zulässigkeit des Nebeneinanderfahrens beginnt nach der Begründung da, wo das Fahrverhalten durch Lichtzeichen beeinflußt wird und endet da, wo hinter dem Lichtzeichen das Rechtsfahrgebot wieder befolgt werden kann. Audi hier ist großzügige Auslegung am Platz. Bei der sog. grünen Welle, bei der die einzelnen Ampeln eines Straßenzuges unter Berücksichtigung der zum Durchfahren der zwischen ihnen liegenden Strecken nötigen Zeiträume aufeinander abgestimmt sind, wird man eine „Beeinflussung" des Fahrverkehrs durch das jeweils folgende Lichtzeichen auch dann annehmen können, wenn es noch nicht sichtbar ist. Die Ausnahmeregelung hätte, wenn man sie entgegen der oben vertretenen Ansicht nur auf das Rechtsfahrgebot bezüge, nur eine geringe Bedeutung, weil diese Ausnahme im Stadtverkehr wegen der Verkehrsdichte meist schon nach § 2 Abs. 2 gilt. Dagegen wäre sie bei der vorgeschlagenen Auslegung bedeutungsvoll, weil dann der gleichmäßige Verkehrsfluß auf den einzelnen Fahrstreifen und das „Stay in lane" gefördert würde. In § 36 fehlt zwar eine entsprechende Vorschrift, doch wird man wegen der Gleichartigkeit der Wirkungen von Zeichen der Polizeibeamten und Wechsellichtzeichen auch bei jenen das Nebeneinanderfahren nicht beanstanden können' 5 ). C . Bußgeldvorschrift und Konkurrenzen Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 37 ein Wechsellicht- oder Dauerlichtzeichen nicht befolgt, handelt nach § 49 Abs. 3 N r . 2 ordnungswidrig im Sinne des § 24 S t V G . W e r bei Mißachtung eines Lichtzeichens andere auch nur behindert, begeht durch die gleiche Tat eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2. D e r Beweis einer Mißachtung des Rotlichts kann durch die Aufnahme einer automatischen Rotlichtkamera geführt werden"). Eine Vorfahrtverletzung unter den erschwerenden Umständen des § 315 c Abs. 1 N r . 2 S t G B ist ein Vergehen der Straßen Verkehrsgefährdung; 2 a a. a. O. Die Vorfahrt kann auch dadurch verletzt werden, daß bei „ R o t " in eine Kreuzung eingefahren wird und dabei der Querverkehr gefährdet wird. Wer an Straßenkreuzungen zu schnell fährt, begeht unter den gleichen erschwerenden Umständen ein Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 N r . 2 d.
§ 38
Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht (1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Es ordnet an: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen". • 5 ) So auch Harthun, DAR 71, 255.
712
»«) Düsseldorf 27. 7. 67, DAR 68, 26 = 33, 447.
VRS
Blaues und gelbes Blinklicht
StVO
§ 38
(2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Uniall- oder sonstigen Einsatzstellen oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden. (3) Gelbes Blinklicht warnt vor Gefahren. Es darf von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen nur verwendet werden, um vor Arbeits- oder Unfallstellen, vor ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen oder vor Fahrzeugen mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder langer Ladung zu warnen. Vwv zu § 38 Zu den Absätzen 1 bis 3 Gegen mißbräuchliche Verwendung von gelbem und blauem Blinklicht an damit Fahrzeugen ist stets einzuschreiten.
ausgerüsteten
Zu Absatz 3 I. Gelbes Blinklidit darf auf der Fahrt zur Arbeits- oder Unfallstelle nicht verwendet werden, während des Abschleppens nur, wenn der Zug ungewöhnlich langsam fahren muß oder das abgeschleppte Fahrzeug oder seine Ladung genehmigungspflichtige Übermaße hat. Fahrzeuge des Straßendienstes der öffentlichen Verwaltung dürfen gelbes Blinklicht verwenden, wenn sie Sonderrechte (§ 35 Abs. 6) beanspruchen oder vorgebaute oder angehängte Räum- oder Streugeräte mitführen. II. Ortsfestes gelbes Blinklicht sollte nur sparsam verwendet werden und nur dann, wenn die erforderliche Warnung auf andere Weise nicht deutlich genug gegeben werden kann. Empfehlenswert ist vor allem, es anzubringen, um den Blick des Kraftfahrers auf Stellen zu lenken, die außerhalb seines Blickfeldes liegen, z. B. auf ein negatives Vorfahrtzeichen (Zeichen 205 und 206), wenn der Kraftfahrer wegen der baulichen Beschaffenheit der Stelle nicht ausreichend klar erkennt, daß er wartepflichtig ist. Aber auch auf eine Kreuzung selbst kann so hingewiesen werden, wenn diese besonders schlecht erkennbar oder aus irgendwelchen Gründen besonders gefährlich ist. Vgl. auch V I zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 und 2. Schwarze Sinnbilder im gelben Blinklicht dürfen nur gezeigt werden, wenn das in dieser Verordnung ausdrücklich zugelassen ist. I I I . Fahrzeuge und Ladungen sind als ungewöhnlich breit anzusehen, wenn sie die gesetzlich allgemein zugelassene Breite von 2,50 m überschreiten (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 a StVZO und § 22 Abs. 2 StVO). Übersicht A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Blaues Blmklicht zusammen mit Einsatzhorn (Abs. 1) 1. Wann zulässig?
RNr. 1-2 1
RNr. 2. Rechtsfolgen 4-6 für die übrigen Verkehrsteilnehmer (4), für die Wegerechtsfahrzeuge — Allgemeines (5),
2 3-8 3-6 3
n I n
M n k l i Z d k i n (Abs. 2) . Gelbes Blinklicht (Abs. 3)
C. Bußgeldvorschrift
7 8 9
A. Allgemeines I. Amtliche Begründung
1
Zu Absatz 1: Statt der umständlichen Formulierung in § 48 Abs. 3 StVO (alt) „Warnvorrichtung mit einer Folge verschieden hoher Töne" wird der verständliche Begriff „Einsatzhorn" verwendet. Das Gebot, sofort freie Bahn zu schaffen, muß sich entgegen der bisherigen Fassung auch an Fußgänger wenden. Was unter dem sofortigen Schaffen freier Bahn zu verstehen ist, weiß jeder; weitere Konkretisierung ist kaum möglich. Die Vorfahrtfrage zwischen mehreren Fahrzeugen im Einsatz regeln zu wollen, wäre lebensfremd; da sie sich erst sehr spät erkennen können, ließe sich das gar nicht reglementieren. Der weitere Inhalt des § 48 Abs. 3 (alt) ist hier entbehrlich. Die Ausrüstungsvorschrift findet sich in § 52 Abs. 3 StVZO, und über die Verwendung kann das Erforderliche in der Vwv gesagt werden. Zu Absatz 2 : Der zur Orientierung der Verkehrsteilnehmer erforderliche Absatz 2 bringt gegenüber § 48 Abs. 4, § 33 Abs. 6 StVO (alt) und § 52 Abs. 4 StVZO nichts Neues. Z« Absatz 3: Der Verwendungsbereich des ortsfesten gelben Blinklichts ist so weit, daß er sich hier nicht konkretisieren läßt; das ist nur möglich bei dem an Fahrzeugen angebrachten und geschieht in Satz 2.
713
§ 38 2
StVO
Möhl
II. Überblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung § 38 befaßt sich in 3 Absätzen mit blauem und gelbem Blinklicht. Der Zusammenhang ist ein rein äußerlicher. Abs. 1, der das blaue Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn behandelt, ergänzt die Sonderrechte des § 35. In der StVO 1937 waren die entsprechenden Vorschriften sinnvollerweise zusammengefaßt; (§ 48 Abs. 3 StVO 1937). Durch blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn werden wichtige Anordnungen getroffen, die sich aus Notstand oder notstandsähnlichen Umständen rechtfertigen. Die Pflicht nach § 38 Abs. 1, freie Bahn zu schaffen, überschneidet sich mit der Pflicht nach § 18 Abs. 9 auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen den Polizei- und den Hilfsfahrzeugen bei stockendem Verkehr eine freie Gasse zu bilden. Abs. 2 dagegen enthält Vorschriften über ein an Fahrzeugen angebrachtes Warnzeichen, das blaue Blinklicht allein (früher § 48 Abs. 4), Abs. 3 ebenfalls über ein solches Warnzeichen, das gelbe Blinklicht (früher bei den Beleuchtungseinrichtungen, „Kennleuchten für gelbes Blinklicht" in § 33 Abs. 6). Unter „gelbem Blinklicht" wird aber, wie sidi aus II der Vwv zu Abs. 2 ergibt, auch das „ortsfeste Blinklicht" verstanden, das zu den in § 37 "behandelten Liditzeichen gehört (wo es früher auch zu finden war: § 2 Abs. 3 StVO 1937). Während früher in § 48 Abs. 3 StVO 1937 die Fahrzeugarten aufgeführt waren, welche mit blauem Blinklicht und „WarnVorrichtungen mit einer Folge verschieden hoher Töne" ausgerüstet werden durften, wird diese Frage nunmehr ausschließlich bei den Ausstattungsvorschriften der StVZO (§ 52 Abs. 3) behandelt. Dort (§ 52 Abs. 4) finden sich auch die Vorschriften über die Ausstattung mit gelbem „Rundumlicht". Das Einsatzhorn ist nach § 55 Abs. 4 f ü r alle Fahrzeuge vorgeschrieben, die auf Grund des § 52 Abs. 3 (blaue) „Kennleuchten" führen. Von dem gelben Blinklicht des § 38 zu unterscheiden ist das „Warnblinklicht" des § 16 Abs. 2, mit dem mehrspurige Kraftfahrzeuge und Anhänger nach § 53 a Abs. 4 ausgerüstet sein müssen. B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Blaues Blinklicht zusammen mit Einsatzhorn (Abs. 2)
3
1. Wann zulässig? Die sog. „Wegerechtsfahrzeuge" das heißt im Gegensatz zu den „Wegdienstfahrzeugen" des § 35 Abs. 6 diejenigen Fahrzeuge, die nach § 52 Abs. 4 StVZO mit einer oder zwei kennleuchten f ü r blaues Blinklicht und Einsatzhorn ausgerüstet werden dürfen, sind zwar zu einem erheblichen Teil nach § 35 Abs. 1 von den Vorschriften der StVO befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Die nach § 35 Abs. 1 bevorrechtigten Fahrzeuge decken sidi aber nicht völlig mit den nach § 38 Abs. 1 bevorrechtigten, wie sie sich aus § 52 Abs. 3 StVZO ergeben. Unfallhilfswagen der öffentlichen Verkehrsbetriebe, Krankenwagen und Kraftfahrzeuge des Blutspendedienstes gehören nicht zu den nach § 35 Abs. 1 bevorrechtigten. Welche Folgen sidi daraus ergeben, wird unter R N r . 4—5 erörtert werden. Es gibt auch Fahrzeuge, die nadi § 35 privilegiert sind, aber kein Blaulicht führen dürfen, z. B. die Fahrzeuge der Bundespost. Die Zulässigkeit, das Vorrecht nach § 38 in Anspruch zu nehmen, ist bei allen mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgerüsteten Fahrzeugen an die gleichen Voraussetzungen geknüpft: Es muß höchste Eile geboten sein, um Menschenleben zu retten, eine Gefahr f ü r die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Die Voraussetzungen müssen konkret im Einzelfall gegeben sein1). Die Voraussetzungen überschneiden sich mit denen des „rechtfertigenden >) Koblenz 9. 7. 59, DAR 59, 334. 714
Blaues Blinklicht +
Einsatzhorn
StVO
§ 38
Notstandes" nach § 12 O W i G . Die Entscheidung, ob mit Blaulicht und Einsatzhorn zu fahren ist, trifft der Einsatzführer. In einem Verfahren gegen den Führer des Einsatzfahrzeugs ist zwar die Rechtmäßigkeit der Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn überprüfbar, im Verfahren gegen einen Verkehrsteilnehmer, der das Vorrecht des Einsatzfahrzeugs mißachtet, k o m m t es dagegen darauf nicht an, da das Vorrecht auch dann beachtet werden muß, wenn ihm ein Ermessensfehler zugrundeliegt 2 ). D a ß die in § 52 Abs. 3 S t V Z O näher bezeichneten Fahrzeuge sich bei ihrer Fahrt streng an den aus ihrer Bezeichnung abzulesenden Wirkungskreis halten, ist nicht nötig. Sie müssen nur einen der in § 38 Abs. 1 bezeichneten Zwecke verfolgen. Deshalb darf ein Feuerwehrfahrzeug auch dann mit Blaulicht und Einsatzhorn fahren, wenn es eingesetzt wird, um bei der Gasvergiftung einzelner Personen Hilfe zu leisten 8 ). Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Vorrechts ist der Einsatz sowohl des blauen Blinklichts wie des Einsatzhornes. Eines dieser beiden Ankündigungsmittel allein genügt nicht 4 ). Allerdings verpflichtet eingeschaltetes Blaulicht ohne Martinshorn andere Verkehrsteilnehmer zu besonderer Vorsicht 5 ). 2. Rechtsfolgen für die übrigen
4 Verkehrsteilnehmer
Das blaue Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn wendet sich an „die übrigen Verkehrsteilnehmer", also auch an die Fußgänger und Straßenbahnführer. Es gebietet ihnen „sofort freie Bahn zu schaffen". „Sofort" heißt ohne schuldhaftes Zögern. Auf welche Weise im Einzelfall am besten freie Bahn geschaffen wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Normalerweise wird es sich empfehlen, äußerst rechts und langsam zu fahren, was nicht ausschließt, daß in besonderen Fällen gerade das Rechtshinausfahren verfehlt sein kann. Z. B . für einen Linksabbieger, der sich bereits links eingeordnet hat'). W e r nicht sogleich rechts hinausfährt, sondern erst in einem Zeitpunkt, in dem Gegenverkehr das Überholen erschwert, ist dafür verantwortlich, wenn das überholende Einsatzfahrzeug ihn beim Überholen streift 7 ). Fahren nebeneinander zwei Kolonnen von Fahrzeugen, dann kann (nicht nur nach § 18 Abs. 9 auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen) die Pflicht, freie Bahn zu schaffen, für die Fahrer der linken Kolonne darin bestehen, links hinauszufahren 8 ). Auch wer sonst aus irgendwelchen Gründen links fährt, muß dort bleiben, wenn für das Einsatzfahrzeug rechts von ihm genügend Platz bleibt'). Zwar kann es im Einzelfall geboten sein, eine Durchfahrt durch zügiges Weiterfahren freizumachen, doch geht es nicht an, in hoher Geschwindigkeit vor dem Einsatzfahrzeug eine längere Strecke herzufahren 1 0 ). Wegerechtsfahrzeuge, die mit Blaulicht und Einsatzhorn in rascher Fahrt ihrem Ziel zustreben, bieten bei starkem Verkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine erhebliche Gefahr, weil die Töne des Einsatzhornes leicht überhört und das blaue Blinklicht leicht übersehen wird. Die Schwierigkeit einer Klärung der Schuldfrage bei einem durch Nichtbeachtung des Wegerechts verursachten Unfall liegt meist darin, zu klären, wann der zum „freie Bahn schaffen" verpflichtete Verkehrsteilnehmer bei zumutbarer Sorgfalt das E i n satzfahrzeug und sein Fahrtziel hätte erkennen können. Erklärt ein Kraftfahrer, er habe das Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs erst gehört, als ein Zusammenstoß nicht mehr zu vermeiden war, dann kann es nötig sein, durch einen Versuch festzustellen, ob er es recht) Vgl. BayObLG 5. 8. 64, VerkMitt. 64, 79 = DAR 64, 324 = VRS 28, 60 = VkBl. 64, 139 = MDR 64, 942 = DRspr. II (293) 71 d. ') BGH(Z) 11. 1. 71, VerkMitt. 71, 37 = DRspr. II (293) 97 c. 4 ) Hamm 25. 7. 58, DAR 59, 50; BayObLG 5. 8. 64 wie Fußn. 2. 2
5) Hamm 26. 9. 68, VerkMitt. 69, 39 = DAR 69, 223. «) BayObLGSt 59, 50 (17. 2. 59) = VerkMitt. 60, 9 = VRS 16, 393. 7 ) Celle 6. 11. 69, NJTW 70, 432. 8 ) Für die frühere Rechtslage: Köln 30. 4. 70, VRS 39, 465 = VerkMitt. 70, 63. ») Düsseldorf 24. 9. 59, VerkMitt. 60, 39. ">) BayObLGSt 59, 50 wie Fußn. 6.
715
§ 38
StVO
Möhl
zeitig hätte hören können 1 1 ). Wer nicht feststellen kann, aus welcher Richtung der Klang eines Einsatzhorns kommt, handelt nidit ordnungswidrig, wenn er vor einer zum Teil nicht einsehbaren Straßenkreuzung mitten auf der Fahrbahn sofort anhält 1 2 ). Rechtsfolgen
für die Wegerechtsfahrzeuge
—
Allgemeines
Die Sonderrechte nach § 35 und das Wegerecht nach § 38 muß unterschieden werden. Die Sonderrechte gelten auch dann, wenn nicht mit Blaulicht und Einsatzhorn gefahren wird. Allerdings muß der nach § 35 Bevorrechtigte dann mit Blaulicht und Einsatzhorn fahren, wenn der übrige Verkehr aufmerksam gemacht werden muß, daß ein Bevorrechtigter naht. Das Fahren mit Blaulicht und Einsatzhorn befreit grundsätzlich nicht von den Vorschriften der S t V O . Die Rechtsprechung zu § 48 Abs. 3 zog daraus den Schluß, daß diejenigen Wegerechtsfahrzeuge, denen kein Sonderrecht nach § 35 zusteht, auch nicht die Vorfahrt anderer mißachten oder das Rotlicht einer Verkehrsampel überfahren dürfen 1 4 ). Gegen diese Ansicht bestehen Bedenken. Zwar kann darüber nach dem Gesetzeswortlaut kein Zweifel sein, daß die Wegerechtsfahrzeuge des § 38 Abs. 1, wenn sie nicht gleichzeitig die Sonderrechte nach 5 35 in Anspruch nehmen dürfen, von den Vorschriften der S t V O grundsätzlich nicht befreit sind. Soweit aber durch 5 38 Abs. 1 anderen Fahrzeugen geboten wird, dem Wegerechtsfahrzeug freie Bahn zu schaffen, muß diesem ein entsprechendes Vorrecht zugesprochen werden. D a ß die Pflicht, freie Bahn zu schaffen, auch für den V o r fahrtberechtigten an einer Kreuzung gegenüber dem sonst wartepflichtigen Wegerechtsfahrzeug gilt, kann nicht zweifelhaft sein. Wäre es richtig, daß das Wegerechtsfahrzeug, z. B . ein Krankenwagen, trotzdem die V o r f a h r t des nach 5 38 Verpflichteten beachten müßte und bei Rotlicht nicht über die Kreuzung fahren dürfte, dann wäre es sinnlos, dem Vorfahrtberechtigten zu gebieten, freie Bahn zu schaffen. D e r Satz, daß das Fahren mit Blaulicht und Einsatzhorn von den Vorschriften der S t V O nicht befreit, bedarf daher der Einschränkung: Soweit der übrige Verkehr dem Wegerechtsfahrzeug freie Bahn schaffen muß, darf dieser seine Fahrt auch dann fortsetzen, wenn die Verkehrsregeln, die Verkehrszeichen oder die Lichtzeichen ihm sonst H a l t geböten. Eine andere Auslegung würde zu unsinnigen Ergebnissen führen. Allerdings wird die Frage deshalb nicht von großer Bedeutung sein, weil die Voraussetzungen für das Fahren mit Blaulicht und Einsatzhorn auch weitgehend mit den Voraussetzungen für die Annahme eines rechtfertigenden N o t standes nach § 12 O W i G übereinstimmen, so daß auch, wenn man mit der herrschenden Meinung dem Wegerechtsfahrzeug kein Sonderrecht zuspricht, doch auf .dem Umweg über den Notstand zu vernünftigen Ergebnissen gelangt werden kann. Wegerechtsfahrzeuge haben also insoweit den Vorrang, als ihnen der übrige Verkehr freie Bahn schaffen muß. Es gilt aber auch für sie der allgemeine Grundsatz, daß allen Vorrechten die Schadensverhütungspflicht übergeordnet ist. Einen gerechten Ausgleich zu finden zwischen dem berechtigten Bestreben des Einsatzfahrers, sein Ziel möglichst schnell zu erreichen und der Sicherheit des übrigen Verkehrs, kann im Einzelfall schwer sein. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage in mehreren Entscheidungen befaßt. Wenn es auch jeweils auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, so kann doch der allgemeine Grundsatz aufgestellt werden, daß der Einsatzfahrer nicht nur im Falle der gewollten Verdrängung des Vorfahrtrechtes anderer Verkehrsteilnehmer, sondern jedesmal dann, wenn durch seine Fahrweise eine besondere Gefahrenlage entsteht, zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet ist 1 4 ). Erhöhte Sorgfaltspflicht trifft den Fahrer eines Einsatzfahrzeugs, der eine ampelgeregelte Straßenkreuzung bei starkem Berufsverkehr überquert, obwohl der Querverkehr Grünlicht hat 1 5 ). Je mehr sich der bevorrechtigte Fahrer von grundlegenden Verkehrsregeln löst und " ) Oldenburg 21. 4. 59, NdsRpfl. 59, 187. !2) BGH 27. 11. 61, NJW 62, 797 = DAR 62, 128 = VerkMitt. 62, 24 = VRS 22, 192. » ) So Frankfurt 18. 3. 59, VerkMitt. 59, 66; Celle 6. 10. 62, VersR 64, 1151; Hamm 24. 6. 60, VRS 19, 198; KG 20. 9. 62, VRS 24,
70; so auA Mühlhaus StVO § 38 Anm. 2 a. ) BGH(Z) 13. 2. 64, VersR 64, 940; vgl. auA BGH(Z) 11. 1. 71, MDR 71, 282 = Betrieb 71, 331 = DAR 71, 132 = N J W 71, 616 = DRspr. II (293) 96 d. •5) KG 2. 6. 66, VRS 32, 291.
14
Wegerechtsfahrzeuge; Blaues — gelbes Blinklicht
StVO
§ 38
dadurch eine ganz besonders gefährliche Lage schafft, desto sorgfältiger m u ß er darauf achten, daß kein Schaden entsteht. Den Erfordernissen der Verkehrssicherheit k o m m t im allgemeinen das Vorrecht zu gegenüber dem Interesse des Einsatzfahrers am raschen Vorwärtskommen 1 6 ). N u r in besonderen Fällen kann § 35 Abs. 1 den mit Blaulicht und Einsatzhorn Fahrenden sogar von der allgemeinen Pflicht befreien, eine Gefährdung zu vermeiden. So bei Verfolgung eines Rechtsbrechers durch die Polizei. Doch muß auch dabei die Frage des erlaubten Wagnisses sorgfältig geprüft werden 17 ). Vertrauensgrundsatz Für die Frage, welche Sorgfalt der nach § 38 bevorrechtigte Einsatzfahrer aufzuwenden hat, um den durch sein regelwidriges Fahren verursachten Gefahren zu begegnen, ist von Bedeutung, wieweit er darauf vertrauen darf, daß ihm die übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen. Dies wieder hängt davon ab, wieweit er sicher sein kann, daß alle im Gefahrenbereich befindlichen Verkehrsteilnehmer die Zeichen wahrgenommen haben 18 ). Der Umstand allein, daß er Blaulicht und Einsatzhorn eingeschaltet hat, rechtfertigt nicht das Vertrauen, daß alle, die es angeht, die Zeichen wahrgenommen haben. Das gilt besonders bei lebhaftem Verkehr und starkem Straßenlärm 1 "). Der Einsatzfahrer darf also zwar darauf vertrauen, daß Verkehrsteilnehmer, die seine Zeichen wahrgenommen haben, ihm freie Bahn schaffen, nidit aber ohne weiteres, daß sie die Zeichen wahrgenommen haben. Dafür muß er sichere Anhaltspunkte haben.
II. Blaues Blinklicht allein (Abs. 2) Welche Fahrzeuge mit blauem Blinklicht ausgerüstet sein dürfen, sagt § 52 Abs. 3. Es sind die gleichen, die unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 mit Blaulicht und Einsatzhorn fahren dürfen. Das blaue Blinklicht allein ohne gleichzeitige Einschaltung des Einsatzhorns ist lediglich ein Warnzeichen, das für die übrigen Verkehrsteilnehmer keine besonderen Pflichten begründet, außer die Pflidit zu erhöhter Vorsicht 20 ). Es kann an einem haltenden Fahrzeug eingeschaltet werden, um auf Unfälle oder sonstige Einsatzstellen aufmerksam zu madien oder an einem fahrenden Fahrzeug, das ein anderes Fahrzeug oder einen Verband begleitet. In allen Fällen muß das Blaulicht dem Zweck dienen, auf eine besondere Gefahr hinzuweisen.
III. Gelbes Blinklicht Während das blaue Blinklicht nur an einem Fahrzeug angebracht sein darf, unterscheidet man beim gelben Blinklicht, das ortsfeste Blinklicht und das an Fahrzeugen angebrachte. Aus dem Wortlaut des Abs. 3 geht dies nicht hervor. D o r t ist nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen die Rede. Aus II der Vwv zu Abs. 3 ergibt sich aber, daß auch das ortsfeste gelbe Blinklicht gemeint ist. Näheres über die Fälle, in denen das gelbe Blinklicht an Fahrzeugen und in denen das ortsfeste Blinklicht verwendet werden darf und soll, ergibt sich aus der Vwv zu Abs. 3. Welche Fahrzeuge mit gelbem Blinklicht ausgerüstet sein dürfen, sagt § 52 Abs. 4 StVZO. Das ortsfeste gelbe Blinklicht kann nach VI der Vwv zu § 37 Abs. 2 N r . 1 und 2 an Straßenkreuzungen angebracht werden, an denen die übrigen Lichtampeln nachs abgeschaltet werden. Es dient dort als Hinweis auf die Wartepflicht. Blinklichtanlagen sind nach § 43 Abs. 1 Verkehrseinrichtungen. Da das gelbe Blinklicht nur warnt und nicht den Verkehr regelt, hat es weiter keine rechtliche Bedeu16
) BGH 30. 10. 68, VRS 36, 40. " ) BGH(Z) 3. 2. 67, VerkMitt. 67, 26. B G H 27. 11. 64, VRS 28, 208 = VerkMitt. 65, 19 = DRspr. II (291) 136 a. « ) B G H 30. 10. 68, VRS 36, 40 = VerkMitt. 69, 1 = DRspr. I I (293) 88 d ; BGH(Z) 28.
3. 63, VersR 63, 662; vgl. Braunschweig 27. 5. 60, VRS 19, 230. 20) Hamm 26. 9. 68, VerkMitt. 69, 39; BGH(Z) 11. 3. 69, VerkMitt. 69, 43 = VersR 69, 570; Frankfurt 16. 5. 68, VerkMitt. 69, 32; vgl. auch Frankfurt 28. 9. 65, VerkMitt. 66, 8 = DRspr. II (293) 79 c.
§§38,39
Möhl
StVO
tung. Wer es mißachtet, verstößt nicht gegen § 38, sondern gegen die Vorschrift, auf die es hinweist. 9
C. Bußgeldvorschrift § 38 wendet sich einmal an denjenigen, der f ü r die Betätigung des blauen Blinklichts und Einsatzhornes sowie des blauen oder gelben Blinklichts verantwortlich ist, bei Blinkzeichen, die an Fahrzeugen angebracht sind, meist dem Fahrzeugführer. Wer entgegen § 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 oder 3 blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn oder allein, oder gelbes Blinklicht verwendet, handelt nach § 49 Abs. 3 N r . 3 ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG. § 38 wendet sidi aber in Abs. 1 S. 2 weiter an die Verkehrsteilnehmer, die dem Einsatzfahrzeug freie Bahn schaffen müssen. Sie handeln ordnungswidrig, wenn sie ihrer Pflicht nicht nachkommen. § 39 Verkehrszeichen (1) Verkehrszeichen sind Gefahrzeichen, Vorschriftzeichen und Richtzeichen. (2) Auch Zusatzschilder sind Verkehrszeichen. Sie sind rechteckig und zeigen auf w e i ß e m Grund mit schwarzem Rand schwarze Zeichnungen oder Aufschriften. Sie sind dicht unter den Verkehrsschildern angebracht. (3) Werden Sinnbilder auf anderen Verkehrsschildern als den i n §§ 40 bis 42 dargestellten gezeigt, so bedeuten die Sinnbilder in den Zeichen 251 253 237 134 239 140
.Personenkraftwagen", .Lastkraftwagen", .Radfahrer", .Fußgänger", .Reiter", .Treiber und Führer von Großtieren".
Folgende Sinnbilder bedeuten
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Straßenbahn
Kraftomnibus
Personenkraftwagen mit Anhänger
Lastkraftwagen mit Anhänger
Kraftfahrzeuge, die nicht schneller als 20 km/h fahren können oder dürfen
Krafträder, auch mit Beiwagen
Verkehrszeichen Kleinkrafträder u n d Fahrräder mit H i l f s m o t o r
Kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit explosionsgefährlichen Stoffen
stvo
§ 39
Gespannfuhrwerke
Fußgänger mit Handfahrzeugen oder sperrigen Gegenständen
(4) Regelungen durch Verkehrszeichen gehen den allgemeinen Verkehrsregeln Vwv zu § 39: Zu den §§ 39 bis 43 (Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen) I. Die behördlichen Maßnahmen zur Regelung und Lenkung des Verkehrs durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen stellen eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der allgemeinen Verkehrsvorschriften dar. Die damit gegebenen Möglichkeiten sind, wo immer das im Interesse der Sicherheit oder im Interesse der Leichtigkeit des Verkehrs und der bestmöglichen Nutzung des Straßeuraumes als geboten erscheint, voll auszunutzen. Auch an Stellen, für die bereits Verkehrsplanungen und Bauprogramme bestehen, bedarf es oft alsbaldiger Maßnahmen, die ihrerseits im Blick auf das gesamte Straßennetz planvoll getroffen werden müssen. 1. Beim Einsatz moderner Mittel zur Regelung und Lenkung des Verkehrs ist auf die Sicherheit besonders Bedacht zu nehmen. Die Lenkung durch Verkehrsschilder, Markierungen, Verkehrseinrichtungen, Straßenleuchten darf sich nirgends auch nur rein optisch widersprechen. Diese Mittel sollen sich vielmehr sinnvoll ergänzen und so den Verkehr sicher führen. Wo eine im Interesse der Flüssigkeit des Verkehrs unumgängliche Maßnahme eine Minderung der Sicherheit besorgen läßt, ist diese auf andere Weise zu gewährleisten. 2. Die Flüssigkeit des Verkehrs ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nachdrücklich zu erhalten und zu fördern. Dazu eignen sich vor allem verkehrsabhängig betriebene Lichtzeichenanlagen, erforderlichenfalls mit Sonderregelungen für bestimmte Fahrstreifen und für öffentliche Verkehrsmittel (X 6 bis 8 zu $ 37 Abs. 2 N r . 1 und 2), Parkbeschränkungen, auch für alle Straßen eines Stadtbezirks (Zeichen 290), Einbahnstraßen (IV zu Zeichen 220), Vorfahrtstraßen (III zu § 8 Abs. I), Abbiegeverbote (VII zu Zeichen 209—214), Mindest- und Höchstgeschwindigkeiten (III bis V zu Zeichen 275) und die Entmischung des Verkehrs z. B. durch ständige Verkehrsumleitungen für den Durchgangsverkehr oder den Schwerverkehr (III zu Zeichen 421 und 442). Wesentliche Voraussetzung für einen flüssigen Verkehrsablauf ist vor allem eine lückenlose Wegweisung (zu Zeichen 415 ff.). Auch die Markierung von Fahrstreifen für den gleichgerichteten Verkehr (zu § 2 Abs. 2 und I zu § 7) und von Abbiegestreifen (I und II zu § 9 Abs. 1) fördert den Verkehrsfluß. 3. Die öffentlichen Verkehrsmittel bedürfen besonderer Förderung durch verkehrsregelnde und -lenkende Maßnahmen. II. Soweit die StVO und diese Verordnung Vorschriften für Ausgestaltung und Beschaffenheit, für den Ort und die Art der Anbringung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur Rahmenvorschriften geben, soll im einzelnen nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik verfahren werden, den der Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Verkehrsblatt erforderlichenfalls bekannt gibt. III. Allgemeines über Verkehrsschilder*): 1. Es dürfen nur die in der StVO genannten Verkehrsschilder verwendet werden oder solche, die der Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden durch Verlautbarung im Verkehrsblatt zuläßt. 2. Die Formen der Verkehrsschilder müssen den Mustern der StVO entsprechen. 3. Bei den einzelnen Schildern werden nur die Außenmaße angegeben. Die übrigen Maße gibt, soweit sie sich nicht aus den Abbildungen der Schilder ergeben, der Bundesminister für Verkehr nach *) Dazu Bekanntgabe des BMV vom 26. 7. 72, VkBl. 72, 551 über Zusatzschilder zu Verkehrszeichen einschließlich ihrer Ausmessungen.
719
§ 39
Möhl
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Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Verkehrsblatt bekannt. Ubergrößen können verwendet werden, wenn das an wichtigen Straßenstellen zur besseren Sichtbarkeit aus größerer Entfernung zweckmäßig ist. In verkleinerter Ausführung dürfen nur diejenigen Verkehrsschilder angebracht werden, bei denen das in dieser Verordnung ausdrücklich zugelassen ist. Das Verhältnis der vorgeschriebenen Maße soll auch bei Übergrößen und Verkleinerungen gegeben sein. Im übrigen sind nur kleine Abweichungen von den Maßen, die keine auffällige Veränderung des Schildes bewirken, bei allen Verkehrsschildern aus besonderen Gründen zulässig. 4. Die Schrift ist die gerade Blockschrift nach D I N 1451 Ziff. 6.3, und zwar in der Regel fette Mittelschrift oder fette Engschrift, ausnahmsweise auch fette Breitschrift. 5. Die Farben müssen den Bestimmungen und Abgrenzungen des Normblattes „Aufsichtsfarben für Verkehrszeichen — Farben und Farbgrenzen" ( D I N 6171) entsprechen. 6. Alle Verkehrssdiilder dürfen rückstrahlend oder von außen oder innen beleuchtet sein. a) Vor allem bei Gefahrzeichen (§ 40) und Vorschriftzeichen (§ 41) empfiehlt sich in der Regel solche Ausführung (vgl. aber I zu Zeichen 283 und 286). b) Bei Verkehrsschildern, die rückstrahlen oder beleuchtet sind, ist darauf zu achten, daß die Wirkung der übrigen Verkehrssdiilder nicht beeinträchtigt wird und Verkehrsteilnehmer durch die beleuchteten Verkehrszeichen nicht geblendet werden. Wo Verkehrszeichen von innen oder außen beleuchtet sind, müssen in der Nähe befindliche Verkehrsschilder, durch die eine Wartepflicht angeordnet oder angekündigt wird, mindestens ebenso wirksam beleuchtet sein. c) Im Interesse der Gleichheit des Erscheinungsbildes der Verkehrsschilder bei Tag und Nacht ist in der Regel eine voll rückstrahlende Ausführung einer nur teilweise rückstrahlenden vorzuziehen. d) Vgl. Nummer 15 Satz 2 und 3. e) Ein Verkehrsschild ist nicht schon dann von außen beleuchtet, wenn es von einer Straßenleuchte, vielmehr nur dann, wenn es von einer eigenen Lichtquelle angestrahlt ist. 7. Die Verkehrsschilder müssen fest eingebaut sein, soweit sie nicht nur vorübergehend aufgestellt werden. Pfosten und Rahmen sollen grau oder weiß sein. 8. Verkehrsschilder sind gut sichtbar in etwa rechtem Winkel zur Verkehrsrichtung auf der rechten Seite der Straße anzubringen, soweit nicht in dieser Verordnung anderes gesagt ist. a) Links allein oder über der Straße allein dürfen sie nur angebracht werden, wenn Mißverständnisse darüber, daß sie für den gesamten Verkehr in einer Richtung gelten, nicht entstehen können und wenn sie so besonders auffallen und jederzeit im Blickfeld des Fahrers liegen, links allein z. B. bei Linksabbiegeverboten auf Straßen mit Mittelstreifen oder auf Einbahnstraßen. b) Wo nötig, Straßenseiten, bei der Fall sein auf einander gefahren
vor allem an besonders gefährlichen Straßenstellen, sind die Schilder auf beiden getrennten Fahrbahnen auf beiden Fahrbahnseiten aufzustellen. Das kann vor allem Straßen mit starkem oder schnellerem Verkehr und auf solchen, auf denen nebenwerden kann.
9. Es ist darauf zu achten, daß Verkehrsschilder nicht die Sicht behindern, insbesondere auch nicht die Sicht auf andere Verkehrszeichen oder auf Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen verdecken. 10. An spitzwinkligen Einmündungen ist bei der Aufstellung der Schilder dafür zu sorgen, daß Benutzer der anderen Straße sie nicht auf sich beziehen, auch nicht bei der Annäherung; erforderlichenfalls sind Sichtblenden oder ähnliche Vorrichtungen anzubringen. 11. a) Die Unterkante der Schilder sollte, soweit nicht bei einzelnen Verkehrszeichen anderes gesagt ist, in der Regel 2 m vom Boden entfernt sein, über Radwegen 2,20 m, an Schilderbrücken 4,50 m, auf Inseln und an Verkehrsteilern 0,60 m. b) Verkehrszeichen dürfen nicht innerhalb der Fahrbahn aufgestellt werden. In der Regel sollte der Seitenabstand von ihr innerhalb geschlossener Ortschaften 0,50 m, keinesfalls weniger als 0,30 m betragen, außerhalb geschlossener Ortschaften 1,50 m. 12. Verkehrsschilder sollen nur dort angebracht werden, wo das nach den Umständen geboten ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, darf in jedem Einzelfall nur nach gründlicher Prüfung entschieden werden; die Zuziehung ortsfremder Sachverständiger kann sidi empfehlen. In jedem Einzelfall ist auch zu prüfen, ob zusätzlich eine bauliche Umgestaltung oder das Anbringen von Leiteinrichtungen sich empfiehlt; das ist dann bei der Straßenbaubehörde anzuregen. 13. Sollen Verkehrszeichen nur zu gewissen Zeiten gelten, dürfen sie sonst nicht sichtbar sein. N u r die Geltung der Zeichen 229, 250, 251, 253, 283, 286,290, 314 und 315 darf statt dessen auf einem Zusatzschild, z. B. „8—16 h", zeitlich beschränkt werden. Verkehren öffentliche Verkehrsmittel zu gewissen Tageszeiten oder an bestimmten Wochentagen nicht, so kann auch das Parkverbot an ihren Haltestellen durch ein Zusatzschild zu den Zeichen 224 und 226 beschränkt werden, z. B. . P a r k e n Sa und So erlaubt". Vorfahrtregelnde Zeichen vertragen keinerlei zeitliche Beschränkung weder auf diese noch auf jene Weise.
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Verkehrszeichen — Vwv
StVO
§ 39
14. H ä u f u n g von Verkehrsschildern Weil die Bedeutung von Verkehrsschildern bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zweifelsfrei erfaßbar sein muß, sind Häufungen von Verkehrsschildern möglichst zu vermeiden. Sind an einer Stelle oder kurz hintereinander mehrere Schilder erforderlich, so muß dafür gesorgt werden, daß die für den fließenden Verkehr wichtigen besonders auffallen. Ist das nicht der Fall oder wird ein für den fließenden Verkehr bedeutsames Schild an der betreffenden Stelle nicht erwartet, so ist jene Wirkung auf andere Weise zu erzielen (z. B. durdh Obergröße oder gelbes Blinklicht). a) Am gleichen Pfosten oder sonst unmittelbar über- oder nebeneinander sollen in der Regel nicht mehr als drei Schilder angebracht werden. aa) Gefahrzeichen dürfen in der Regel nur mit Verkehrsverboten und Streckenverboten kombiniert werden; aber auch das empfiehlt sich nur, wenn durch das Gefahrzeichen vor der Gefahr gewarnt wird, deretwegen die Verbote ausgesprochen werden. Solche Kombination (z. B. Zeichen 103, 274 und 276, Zeichen 110 und 277, Zeichen 120, 264 und 274) ist sogar zweckmäßig, weil das Gefahrzeichen dem Verkehrsteilnehmer klarmacht, warum die Vorschriften gegeben werden. Dann sind die Schilder in möglichst geringer Entfernung vor der Gefahrstelle aufzustellen. bb) Mehr als zwei Vorschriftszeichen sollen in der Regel an einem Pfosten nicht angebracht werden. Sind ausnahmsweise drei solcher Schilder an einem Pfosten vereinigt, dann darf sich nur eines davon an den fließenden Verkehr wenden. cc) Vorschriftzeichen für den fließenden Verkehr dürfen in der Regel nur dann kombiniert werden, wenn sie sich an die gleichen Verkehrsarten wenden und wenn sie die gleiche Strecke oder den gleichen Punkt betreffen. dd) Verkehrsschilder, durch die eine Wartepflicht angeordnet oder angekündigt wird, dürfen nur dann an einem Pfosten mit anderen Schildern angebracht werden, wenn jene wichtigen Zeichen besonders auffallen. ee) Dasselbe gilt für die Kombination von Vorschriftszeichen für den fließenden Verkehr mit Haltverboten. ff) Das Andreaskreuz (Zeichen 201), das Zeichen 350 „Fußgängerüberweg" und die Zeichen 278— 282, die das Ende von Streckenverboten kennzeichnen, dürfen mit anderen Verkehrssdiildern nicht kombiniert werden. b) Dicht hintereinander sollten Schilder für den fließenden Verkehr einander nicht folgen. Zwischen Pfosten, an denen solche Schilder gezeigt werden, sollte vielmehr ein so großer Abstand bestehen, daß der Verkehrsteilnehmer bei der dort gefahrenen Geschwindigkeit Gelegenheit hat, die Bedeutung der Schilder nacheinander zu erfassen. 15. Auf Straßen mit Straßenbeleuchtung ist darauf zu achten, daß die Verkehrsschilder von ihr erhellt werden; es empfiehlt sich daher, Schilder entweder hinter den Leuchten aufzustellen oder sie an den Lichtmasten so anzubringen, daß sie vom Licht getroffen werden. Ist das nicht möglich, so müssen die Schilder rückstrahlen oder erforderlichenfalls (§ 17 Abs. 1) von innen oder außen beleuchtet sein. Das gilt nicht für die Zeichen 224, 226, 229, 237, 239, 241, 283, 286, 314, 315, 355, 357 bis 359, 375 bis 377, 385, 388, 394 und 437. 16.Zusatzschilder im besonderen a) Sie sollten, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen. Wie Zusatzschilder auszugestalten sind, die in der StVO oder in dieser Vorschrift nicht erwähnt, aber häufig notwendig sind, wird der Bundesminister für Verkehr nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden in einem Verzeichnis im Verkehrsblatt bekanntgeben. b) Mehr als zwei Zusatzschilder sollten an einem Pfosten, auch zu verschiedenen Verkehrszeichen, nicht angebracht werden. Die Zuordnung der Zusatzschilder zu den Verkehrszeichen muß eindeutig erkennbar sein. c) Zusatzschilder zu beleuchteten oder rückstrahlenden Schildern müssen wie diese beleuchtet sein oder rückstrahlen. d) Entfernungs- und Längenangaben sind auf- oder abzurunden. Anzugeben sind z. B. 60 m statt 63 m, 80 m statt 75 m, 250 m statt 268 m, 800 m statt 750 m, 1,2 km statt 1235 m. IV. Allgemeines über Markierungen (§ 41 Abs. 3 und 4 und § 42 Abs. 6) 1. Die Markierungen sind weiß (vgl. aber Nummer 3 vor Zeichen 370). Straßennägel und Bodenrückstrahler aus Metall brauchen nicht weiß zu sein. Gelbe Nägel dürfen nur im Falle des § 41 Abs. 4 verwendet werden. 2. Es empfiehlt sich, Markierungen, die den fließenden Verkehr angehen, jedenfalls dann rückstrahlend auszuführen, wenn dieser Verkehr stark oder schnell ist. 3. Markierungen sollen auf Straßen mit stärkerem Verkehr in verkehrsarmer Zeit angebracht werden. Dauerhafte Markierungen sind dort vorzuziehen. Finanzielle Gründe allein rechtfertigen es in der Regel nicht, diese Empfehlungen nicht zu beachten. Markierungen sind, soweit technisch irgend möglich, laufend zu unterhalten. Nach Erneuerung oder Änderung der Markierung darf die alte Markierung nicht mehr sichtbar sein, wenn dadurch Zweifel entstehen können.
721 46 StVO + S t G B
§ 39
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4. Schmalstriche sollen 10 bis 15 cm, Breitstridie mindestens doppelt so breit wie die jeweils markierten Schmalstriche, mindestens aber 25 cm breit sein. In welchen Fällen Breitstridie und in welchen Schmalstriche anzuwenden sind, wird zu den einzelnen Markierungen gesagt (vgl. zu den Zeichen 294, 295, 296, 298, zu Nummer 7 vor Zeichen 299, zu den Zeichen 299, 340 und 341). 5. Anstelle von Markierungen dürfen Straßennägel nur verwendet werden, wenn dies in der StVO zugelassen ist und das auch nur dann, wenn es zweckmäßig ist, z. B. auf Pflasterdecken. 6. Dagegen können Markierungen aller Art durch das zusätzliche Anbringen von Nägeln und Bodenrückstrahlern in ihrer Wirkung unterstützt werden; gesdiieht dies an einer ununterbrochenen Linie, so dürfen die Nägel nicht gruppenweise gesetzt werden. Zur Kennzeichnung gefährlicher Kurven und überhaupt zur Verdeutlichung des Straßenverlaufs an unübersichtlichen Stellen kann das Anbringen von Nägeln und Bodenrückstrahlern auf Fahrstreifenbegrenzungen, auf Fahrbahnbegrenzungen und auf Leitlinien nützlich sein. Sperrflächen lassen sich auf solche Weise verdeutlichen. Bodenrückstrahler können an Fußgängerüberwegen von Nutzen sein. 7. Nägel und Bodenrückstrahler müssen in Grund- und Aufriß eine abgerundete Form haben. Der Durchmesser von Nägeln soll nicht kleiner als 10 cm und nicht größer als 15 cm sein. Die Nägel dürfen nicht mehr als 1,5 cm, die Bodenrückstrahler nicht mehr als 2,5 cm aus der Fahrbahn hinausragen. Bodenrückstrahler müssen das Scheinwerferlicht in Richtung der Lichtquelle zurückwerfen.
A. Allgemeines I. Amtliche Begründung II. Oberblick — Vergleich mit der bisherigen Regelung III. Rechtliche Bedeutung der Verkehrszeichen 1. Rechtsnatur 2. Rechtswirksamkeit 3. Geltungsbereich
Übersicht RNr. 1-5 B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen 1 I. Welche Arten von Verkehrszeichen S'bt es? 2 Allgemeines (Abs. 1) 2. Zusatzschilder (Abs. 2) 3-5 3 4 5
II. Bedeutung der „Sinnbilder" III. Vorrang C. Bußgeldvorschrift?
RNr. 6-9 6-7 6 7 8 9 10
A . Allgemeines I. Amtliche Begründung Zu Absatz 1: Zu den terminologischen Änderungen vgl. die Leitgedanken (oben II 4b). Zu Absatz 2: Durch Satz 1 wird klargestellt, daß auch auf Zusatzschildern getroffene Regelungen den allgemeinen Verkehrsregeln vorgehen. Zu Absatz 3: Im Hinblick auf die (bußgeldbewehrten) Verbote nach Buchstabe a) hinter Zeichen 253 ist es geboten, die zu verwendenden Sinnbilder und ihre Bedeutung in der Verordnung zu bestimmen, die Fassung („Werden Sinnbilder . . . gezeigt") schließt nicht aus, daß in anderen Fällen beim Fehlen eines zutreffenden Sinnbildes das Gewollte in Worten ausgedrückt wird, z. B. „Linienomnibusse frei", wie auch der Verwendung in der Verordnung nicht gezeigter Sinnbilder auf nicht reglementierenden Schildern Rechtsgründe nicht entgegenstehen, vgl. auch hinter Zeichen 363. Zu Absatz 4: Da der Rechtssatz, daß Sonderregeln allgemeinen Regeln vorgehen, als Allgemeingut angesehen werden kann, könnte der Absatz als überflüssig erscheinen. Immerhin ist es zweckmäßig, den systematischen Leser darauf hinzuweisen, daß das, was er in Teil I erfahren hat, örtlich durch Verkehrszeichen modifiziert sein kann. II. Überblick — Vergleich m i t der bisherigen Regelung § 39 d i e n t d e r E i n f ü h r u n g in die V e r k e h r s r e g e l u n g d u r c h V e r k e h r s z e i c h e n . Es e n t h ä l t k e i n e b u ß g e l d b e w e h r t e n A n o r d n u n g e n , s o n d e r n legt n u r d a r , welche A r t e n v o n V e r kehrszeichen es g i b t (Abs. 1), welche B e d e u t u n g die Zusatzschilder h a b e n , wie sie b e schaffen sind u n d w o sie a n g e b r a c h t w e r d e n (Abs. 2). Abs. 3, d e r sich m i t d e n „Sinnbild e r n " b e f a ß t , ist in seiner rechtlichen B e d e u t u n g u n k l a r (s. u n t e n R N r . 8), A b s . 4 e n t h ä l t d e n H i n w e i s , d a ß die R e g e l u n g e n d u r c h V e r k e h r s z e i c h e n d e n allgemeinen V e r k e h r s r e g e l n v o r g e h e n . A u s d e m f r ü h e r e n § 3 S t V O 1937 h a t § 39 nichts ü b e r n o m m e n . D i e a m t l i d i e n V e r k e h r s z e i c h e n u n d V e r k e h r s e i n r i c h t u n g e n w a r e n f r ü h e r in einer A n l a g e z u r S t V O u n t e r g e b r a c h t , w a s d e n V o r t e i l h a t t e , d a ß d e r T e x t d e r S t V O übersichtlicher blieb. J e t z t 722
Vergleich m i t der bisherigen R e g e l u n g ; Rechtsnatur
StVO
§ 39
m u ß zwischen den Verkehrszeichen nach d e m T e x t der die allgemeinen Vorschriften enthaltenden Paragraphen gesucht werden. D a g e g e n ist zu begrüßen, daß die zahlreichen f r ü h e r in § 3 enthaltenen Anweisungen f ü r die Verkehrsbehörden n u n m e h r ihren P l a t z in der V w v gefunden haben. D i e Zuständigkeit zur A n b r i n g u n g von Verkehrszeichen u n d Verkehrseinrichtungen wird in § 45 geregelt. D a s f r ü h e r in § 3 Abs. 2 enthaltene V e r b o t von Einrichtungen, die zur Verwechslung m i t Verkehrszeichen und -einrichtungen f ü h r e n können, steht jetzt in § 33 A b s . 2. Soweit Rechtsprechung zu Verkehrszeichen vorliegt, wird diese in den Erläuterungen zu den einzelnen Zeichen a n g e f ü h r t werden. Im folgenden werden zunächst die m i t der rechtlichen Bedeutung der Verkehrszeichen zusammenhängenden allgemeinen Fragen erörtert. Auch schien es zweckmäßig, schon hier auf die mit den Zusatzschildern zusammenhängenden Fragen näher einzugehen; (unten R N r . 7). Z w a r enthalten die durch Verkehrszeichen getroffenen A n o r d n u n g e n der neuen S t V O gegenüber den früheren einige wichtige N e u e r u n g e n , die bei den einzelnen Zeichen behandelt werden. I m ganzen hat sich aber nicht viel geändert. D a ß die A n o r d n u n g e n zu befolgen sind u n d daß sie den allgemeinen Verkehrsregeln vorgehen, ist selbstverständlich. Z u beachten ist, daß den durch Verkehrszeichen g e t r o f f e n e n A n o r d n u n g e n , die durch Lichtzeichen u n d diesen wieder, die durch Zeichen der Polizeibeamten g e t r o f f e n e n vorgehen. III. R e d i t l i d i e B e d e u t u n g der Verkehrszeichen 1. Rechtsnatur
3
Soweit durch Verkehrszeichen nach § § 4 1 und 42 A n o r d n u n g e n g e t r o f f e n werden, erhebt sich die F r a g e nach ihrer Rechtsnatur. N a c h n u n m e h r herrschender Meinung sind diese A n o r d n u n g e n V e r w a l t u n g s a k t e und z w a r in der F o r m der Allgemeinverfügung 1 ). D a s war f r ü h e r nicht unbestritten. D i e Verkehrszeichen w u r d e n ursprünglich meist als Rechtsverordnungen 2 ), später teils als hoheitliche Maßnahmen besonderer A r t 3 ) oder auch als bloße Tatbestandsmerkmale 4 ) angesehen. D i e Frage hat nicht nur theoretische Bedeutung. Aus der Rechtsnatur der Verkehrszeichen als Verwaltungsakte ergibt sidi der Rechtsw e g : Jeder der durch eine A n o r d n u n g in seiner Bewegungsfreiheit behindert wird, k a n n das Verwaltungsgericht anrufen 5 ). Dieses p r ü f t die Ermächtigung der Behörde zur A u f stellung des Zeichens, ihre Zuständigkeit u n d weiter, ob der V e r w a l t u n g s a k t gegen allgemein gültige G r u n d s ä t z e des Verwaltungsrechts z. B. den Gleichheitsgrundsatz verstößt, ob er willkürlich, nicht aber ob er zweckmäßig ist. D i e Anfechtbarkeit beseitigt nicht die Rechtswirksamkeit eines Verkehrszeichens. Selbst wenn die Ermächtigung nach § 45 überschritten wurde, ist das Verkehrszeichen w i r k s a m . D a r a n ändert auch die E r h e b u n g der Anfechtungsklage nichts u n d eine Entscheidung, durch die die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes festgestellt wird, beseitigt nicht rückwirkend die W i r k s a m k e i t der A n o r d !) BVerfG 24. 2. 65, N J W 65, 2395; BVerwG 9. 6. 67, DVB1. 67, 773 = N J W 67, 1627 = VRS 33, 149 = DAR 67, 226 = VerkMitt. 68, 1 = VkBl. 67, 569 = DRspr.V (556) 99 b; BGHSt 20, 125 (4. 12. 64) = N J W 65, 308 = MDR 65, 218 = DAR 65, 107 = VRS 28, 223 = VerkMitt. 65, 10; BGHSt 23, 86 (23. 7. 69) = N J W 69, 2023, 70, 155 mit abl. Anm. von Schreren = VRS 37, 461 = DAR 69, 304 = MDR 69, 947 = VerkMitt. 69, 89; BayObLGSt 67, 69 (25. 4. 67) = J Z 67, 504 = DV 67, 594 = VerkMitt. 67, 60 = VkBl. 68, 490 = VRS 33, 295; Hamm 14. 1. 66, VRS 30, 478; Celle 29. 9. 66, N J W 67, 743 = VRS
2
)
3
) )
4
5)
32, 151 = VerkMitt. 67, 84; Stuttgart 7. 9. 66, N J W 67, 122 = MDR 67, 63 = VRS 32, 35; Karlsruhe 15. 6. 67, VRS 33, 458 = N J W 67, 1625; vgl. auch Kääb-Rösdi BayLStVG Einf. Rdnr. 80. So zuletzt OVG Koblenz 17. 8. 65, N J W 65, 2170 = VRS 29, 311. So Hust, MDR 66, 634. Hohenester, N J W 66, 539; Schmitt, DAR 62, 288; Sdineider, N J W 64, 1297; Bouska BayVerwBl. 63, 69. BVerwG 9. 6. 67 wie Fußn. 1; OVG Münster 22. 1. 70, Betrieb 70, 1972 vgl. Hagedorn, DÖV 65, 186. 723
4fi •
§ 39
Möhl
StVO
nung'). Schlechthin unbeachtlich sind amtliche Verkehrszeichen lediglidi dann, wenn sie nichtig sind. Nichtig ist ein Verwaltungsakt, wenn sich seine Fehlerhaftigkeit — etwa wegen absoluter sachlicher Unzuständigkeit der Behörde 7 ) oder wegen absoluter Gesetzlosigkeit, jedem Sachkundigen bei Kenntnis aller für das Zustandekommen wesentlichen Tatsachen ohne weiteres aufdrängt. Verstößt ein Verkehrszeichen nur gegen das Willkürverbot des Gleichheitssatzes, so ist es nicht nichtig, sondern nur anfechtbar 8 ). Bei nichtigen Verkehrszeichen muß jeder Verkehrsteilnehmer damit rechnen, daß sich andere Verkehrsteilnehmer trotzdem daran halten. (Näheres über die Folgen der Anfechtbarkeit s. R N r . 4). Da ein Verstoß gegen die durch ein Verkehrszeichen getroffene Anordnung ein rechtswirksames Verkehrszeichen voraussetzt, gehört dieses zum Tatbestand der Ordnungswidrigkeit. Es ist „normatives Tatbestandsmerkmal". 2.
Rechtswirksamkeit
Die durch ein Verkehrszeichen getroffene Anordnung wird mit der Aufstellung des Zeichens wirksam und verliert ihre Wirksamkeit mit der Entfernung des Zeichens9). Nicht also die der Aufstellung des Zeichens vorausgehende Verfügung der Behörde, sondern erst die tatsächliche Aufstellung des Zeichens hat rechtliche Wirkung. Dabei muß die Behörde die eingehenden Anweisungen in der Vwv zu § 39 über Aufstellung und Beschaffenheit der Verkehrszeichen beachten. Die durch ein Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen sind nur dann wirksam, wenn durch das Zeichen eine klare Lage geschaffen wird. Die Zeichen dürfen nicht nur nicht irreführend, sondern auch nicht undeutlich sein und müssen vom durchschnittlichen Fahrer bei zumutbarer Aufmerksamkeit auch bei rascher Fahrt durch einen beiläufigen Blick wahrgenommen und verstanden werden können (Sichtbarkeitsgrundsatz) 10 ). Ist ein Zeichen völlig verrostet, dann verliert es den Charakter eines amtlichen Verkehrszeichens 11 ). Sind von einer vor einer Kurve beginnenden und nach der Kurve endenden Fahrstreifenbegrenzung (Z. 295) nur noch der Anfang und das Ende deutlich erkennbar, so fehlt es im Kurvenbereich an einem verbindlichen Verbotszeichen 12 ). Zwar muß in einer städtischen Straße jeder Kraftfahrer sorgfältig auch auf Verkehrszeichen achten, durch die die Fahrtrichtung vorgeschrieben wird. Kann er das Zeichen aber trotz genügender Aufmerksamkeit nicht sehen, dann trifft ihn kein Verschulden, wenn er es nicht beachtet 13 ). Wird ein Verbotszeichen unbefugterweise um 90 Grad verdreht, so verliert es zwar nicht seine objektive Wirksamkeit, doch kann der einzelne Verkehrsteilnehmer entschuldigt sein, wenn er es trotz zumutbarer Aufmerksamkeit übersieht 14 ). Verkehrszeichen, die den in der StVO dargestellten nicht nur in Kleinigkeiten nicht entsprechen (sog. Phantasiezeichen), sind in der Regel nichtig und daher unbeachtlich 15 ). Auf den Inhalt von Schildern, die nicht den amtlichen Verkehrszeichen entsprechen, muß ein Kraftfahrer nur dann achten, wenn sich ihm bereits auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes der Eindruck aufdrängen muß, das Schild könne einen für sein Verkehrsverhalten bedeutsamen Hinweis enthalten1®). Falls ein Kraftfahrer über die Bedeutung der durch Verkehrszeichen getroffenen Regelung im Zweifel ist, muß er sich grundsätzlich so verhalten, daß 6) BGHSt 23, 86, BayObLGSt 67, 69 und Celle 29. 9. 66 wie Fußn. 1, Saarbrücken 14. 12. 67, VRS 35, 111; vgl. dazu Krause, JuS 70, 221. 7 ) BayObLG 30. 3. 65, (Flurbereinigungsamt) N J W 65, 1973 = DAR 65, 187 = VRS 29, 221 = VerkMitt. 65, 65 = VkBl. 65, 671 = DRspr. II (291) 130 a ; zur Frage der örtlichen Zuständigkeit vgl. Ploen, D A R 68, 237. 8 ) BayObLGSt 67, 69 wie Fußn. 1. ») VG Bremen 23. 9. 70, N J W 71, 262. 1 0 ) BGH(Z) 4. 11. 63, VersR 64, 288; 26. 5. 66, N J W 66, 1456 = VersR 66, 782 = DAR 66, 218 = VRS 31, 84 = VerkMitt.
") 12) 13) ")
15
)
16
)
66, 57; Hamm 16. 6. 61, D A R 62, 88; Frankfurt 13. 2. 63, N J W 63, 1119. Oldenburg 16. 11. 67, VRS 35, 250. Hamm 9. 11. 62, DAR 63, 310. BayObLG 8. 12. 67, VRS 35, 52 = D A R 68, 165. Hamm 5. 11. 64, VRS 29, 139; 25. 8. 70, JMB1.NRW 71, 166 = VerkMitt. 71, 6 = VRS 40, 153; vgl. audi Hamm 8. 1. 63, VRS 25, 296 = DRspr. II (291) 192 b. Für die frühere Rechtslage: BayObLG 15. 12. 70, N J W 71, 635; Düsseldorf 3. 11. 65, VerkMitt. 66, 15. BayObLG 30. 6. 70, VRS 39, 450.
StVO
Rechtswirksamkeit
§ 39
er das geringste Risiko eingeht 17 ). Hat ein Kraftfahrer ein ordnungsgemäß rechts angebrachtes Verkehrszeichen übersehen, kann er sidi nicht damit entschuldigen, das Zeichen habe links wiederholt werden sollen18). Allgemeines zur Frage der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Verwaltungsakten s. oben R N r . 3. Die von einer absolut unzuständigen Behörde aufgestellten Verkehrszeichen verkörpern zwar keine wirksamen Gebote und Verbote. Erteilt aber die zuständige Straßenverkehrsbehörde später ihre Zustimmung zur Aufstellung dieser Verkehrszeichen, so sind die getroffenen Anordnungen von da an voll wirksam 19 ). Die bloße Anfechtbarkeit eines Verwaltungsakts berührt seine Wirksamkeit nicht. Die Verkehrsteilnehmer müssen Verkehrszeichen auch dann beachten, wenn sie der Ansicht sind, daß sie anfechtbar sind und selbst wenn sie die Anfechtungsklage erhoben haben. Auch die Überprüfung der Rechtswirksamkeit eines Verkehrszeichens durch Bußgeldbehörden und Gerichte ist auf die Frage der Nichtigkeit beschränkt 20 ). Die Frage, ob der Erhebung der Anfechtungsklage ein Suspensiveffekt zukommt, hängt von der weiteren Frage ab, wann die durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen vollziehbar sind. Nach h. M. sind sie mit der Aufstellung des Zeichens vollziehbar 21 ). Bestritten ist die von der h. M. in der Rechtsprechung vertretene Ansicht, daß auch die nachträgliche Aufhebung des Verwaltungsaktes die in der Verletzung der Anordnung liegende Ordnungswidrigkeit nicht berührt 22 ). Aus dem Sichtbarkeitsgrundsatz ergibt sich die Pflicht der Straßenverkehrsbehörde, bei Anordnungen, die auf einer längeren Strecke gelten sollen, die Zeichen zu wiederholen. Ist an der Einfahrt zu einer Wohnsiedlung eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet, dann muß das Z. 274 in angemessenen Abständen wiederholt werden. Ein Zusatzschild „Gilt für die gesamte Siedlung", ist unwirksam 23 ). (Zur Frage der Bedeutung unzulässiger Zusatzschilder vgl. im übrigen unten R N r . 7) Ausnahme vom Sichtbarkeitsgrundsatz: Zonenhaltverbot § 13 Abs. 2; (§ 13 R N r . 7). Wird von mehreren vor einer Straßenkreuzung angebrachten Verkehrszeichen nur eines wiederholt, dann berührt dies die Wirksamkeit der anderen Zeichen nicht 24 ). Die Amtspflicht der Verkehrsbehörden, Verkehrszeichen sachgemäß und deutlich anbringen zu lassen, besteht allen Verkehrsteilnehmern gegenüber, also auch solchen, die dabei ein zum Verkehr nicht mehr zugelassenes Fahrzeug benutzen 25 ). Ist ein Kreuzungszusammenstoß auf schlechte Sichtbarkeit des Dreieckzeichens zurückzuführen, so kann die Gemeinde haften 2 *). 3. Geltungsbereich Schnellbad}:
Schrifttum „Zum Geltungsbereich von verkehrsreditlidien Ge- und Verbotszeichen" N J W 66, 1158.
Allgemein gilt der Grundsatz, daß Verkehrszeichen nur f ü r die Fahrtrichtung wirksam sind, in der sie aufgestellt sind27). 17
) Stuttgart 31. 7. 68, VRS 36, 134 = VerkMitt. 69, 7 = DRspr. II (291) 176 a " ) Düsseldorf 8. 5. 69, VerkMitt. 70, 69. " ) Stuttgart 25. 10. 63, VRS 26, 378; Frankfurt 6. 3. 68, N J W 68, 2072. 2 °) Celle 24. 11. 66, N J W 67, 1623 = VerkMitt. 67, 84; BayObLGSt 67, 69, H a m m 14. 1. 66, Stuttgart 7. 9. 66, Karlsruhe 15. 6. 67 wie Fußn. 1; Frankfurt 6. 3. 68 wie Fußn. 19. 21) A. M. u. a. Strauß, D A R 70, 92 mit Überblick über die in Schrifttum und Rechtsprechung hierzu vertretenen Ansichten; Schmidt, D Ö V 70, 663.
23) 24
)
25) 2«) 27 )
BGHSt 23, 86 wie Fußn. 1; BayObLG 19. 6. 68, VRS 35, 195; a. M. Frankfurt 26. 10. 66, N J W 67, 262; Schenke, JR 70, 449. Frankfurt 6. 6. 69, DAR 70, 55 = DRspr. II (291) 189 a. Stuttgart 31. 7. 68 wie Fußn. 17 = DRspr. II (291) 170 b; vgl. aber auch BGH(Z) 2. 3. 65, VerkMitt. 65, 59 (Oberholverbot + Geschwindigkeitsbeschränkung). BGH(Z) 26. 5. 66, VerkMitt. 66, 57. BGH(Z) 28. 6. 65, VRS 29, 339. Celle 21. 12. 61, N J W 62, 408 = VRS 23, 66.
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5
§ 39
StVO
Möhl
Zur Frage des Geltungsbereichs der Verkehrszeichen enthält der T e x t zu den einzelnen Zeichen manche Hinweise, z. B., b) nach Z. 286 über den Geltungsbereich der Haltverbote. Außerdem wird auf die Möglichkeit hingewiesen, die Länge einer Verbotsstrecke durdi ein Zusatzsdiild zu bestimmen (nach Z. 277). Der Anfang des Geltungsbereichs wird in der Regel durch das Zeichen bestimmt. E r kann nicht durch Pfeile (c) nach Z. 286) vorverlegt werden 2 8 ). Das Stopzeichen (Z. 206) ist nicht dort zu befolgen, wo es aufgestellt ist, sondern wo die andere Straße zu übersehen ist, in „jedem Falle" an der Haltlinie (Z. 294). Auf den Anfang der Verbotsstrecke kann durch ein Vorzeichen mit Zusatzschild hingewiesen werden. Gefahrzeichen beziehen sich auf den unmittelbar in Frage kommenden Gefahrbereich. Sie stehen nach § 40 Abs. 2 außerhalb geschlossener Ortschaften im allgemeinen 150—200 m vor den Gefahrstellen, doch kann die Entfernung durch ein Zusatzschild angegeben werden. Das gilt auch für die Länge der Gefahrstrecke, wenn diese nicht ohne weiteres erkennbar ist. D e r Geltungsbereich von Vorschriftszeichen oder von Richtzeichen mit Vorschriftscharakter ist nicht immer ohne weiteres erkennbar. Das Ende wird in der Regel durch die Z. 2 7 8 — 2 8 2 angezeigt. Soweit dies nicht geschehen ist, wird die Länge entweder durch Zusatzschild bezeichnet oder sie ergibt sich aus den Umständen. Ist am Beginn einer Kurve ein Überholverbotszeichen (Z. 276) angebracht ohne das Zusatzschild „Anfang", dann endet das Verbot normalerweise hinter der Kurve 2 9 ). Ist gleichzeitig ein Gefahrzeichen angebracht, dann endet auch die Verbotsstrecke mit dem Ende der Gefahr. Wird die Geschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft beschränkt, so wird diese Beschränkung durch das Ortsausgangsschild nicht aufgehoben 3 0 ). Sollen V o r schrifts- oder Richtzeichen für eine längere Strecke gelten, dann müssen sie wiederholt werden. Nach I V der V w v zu den Z. 274, 276 und 277 sollen diese Zeichen hinter solchen Kreuzungen und Einmündungen wiederholt werden, an denen mit dem Einbiegen ortsunkundiger Kraftfahrer zu rechnen ist. Doch wirkt ein Verbot auch beim Fehlen solcher Zeichen über eine Straßenkreuzung hinaus, wenn Anfang und Ende der Verbotsstrecke ordnungsgemäß gekennzeichnet ist 3 1 ). Darüber, in welchen Abständen die Zeichen sonst zu wiederholen sind, gibt es keine Vorschriften. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auf der Autobahn wurden Abstände von 1500 m als nicht unangemessen angeschen 32 ). Von einem Haltverbot muß der Kraftfahrer, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen, annehmen, daß es auch noch 100 m nach dem Zeichen gilt 8 3 ). D e r Sichtbarkeitsgrundsatz befreit den Kraftfahrer nicht von der Pflicht, dann, wenn er von einem Parkplatz aus in eine Straße einfährt, auf der 7 m vor dem Parkplatz ein Verkehrszeichen angebracht ist, von dem er nur die Rückseite sehen kann, sich zu vergewissern, ob das Zeichen nicht eine Verkehrsbeschränkung enthält 3 4 ). Das gleiche soll gelten, wenn ein Kraftfahrer aus einer Seitenstraße in ein, wie er weiß, durch Verkehrszeichen ordnungsgemäß gesperrtes Straßenstück einfährt, auch wenn an der Einmündung der Seitenstraße kein Zeichen angebracht ist 3 5 ). B. Inhalt der Vorschrift im einzelnen I. Welche Arten von Verkehrszeichen gibt es? 1. Allgemeines (Abs. 1) Nach III 1. der Vwv zu §§ 39—43 dürfen nur die in der S t V O genannten Verkehrsschilder verwendet werden oder solche, die der B M V nach Anhörung der zuständigen ) Hamm 16. 10. 59, VRS 18, 467; BayObLGSt 63, 183 (17. 7. 63) = VRS 26, 62 — VerkMitt. 63, 89 = DRspr. II (291) 118 e-f. 2») Hamm 16. 6. 61, DAR 62, 88. 3 0 ) Hamm 1. 4. 60, DAR 61, 60. 31 ) BayObLGSt 63, 183 wie Fußn. 28; Düsseldorf 20. 11. 61, DAR 62, 218. 3 2 ) Stuttgart 5. 7. 63, DAR 63, 360 = VRS 2S
26, 60.
) Düsseldorf 10. 3. 66, VerkMitt. 66, 47; ähnlich 9. 5. 68, VerkMitt. 69, 48 = DRspr. II (291) 183 b. 3 4 ) Hamm 12. 6. 64, VerkMitt. 64, 94. 3 5 ) BGHSt 11, 7 (25. 9. 57) = DAR 58, 26 = NJW 57, 1934 = VRS 13, 476 = VerkMitt. 58, 1; Braunschweig 27. 1. 56, VRS 11, 295. 33
Arten der Verkehrszeichen
StVO
§ 39
obersten Landesbehörden durdi Verlautbarung im VkBl. zuläßt. Während die in der Anlage zur StVO 1937 beschriebenen Verkehrszeichen in Warnzeichen, Gebots- und Verbotszeichen und Hinweiszeichen eingeteilt waren, spricht die neue StVO von Gefahrzeichen, Vorschriftszeichen und Richtzeichen. Die Bezeichnung „Richtzeichen" ist nicht sehr glücklich, zumal es zahlreiche Vorschriftszeichen gibt, die „Richtzeichen" und einige Richtzeichen die Vorschriftszeichen sind. Mit den Gefahrzeichen befaßt sich § 40. Sie sind zwar nicht bußgeldbewehrt, aber nicht ohne rechtliche Bedeutung. Wer sie nicht beachtet und deshalb in der angekündigten Gefahr versagt, handelt nach der dann verletzten Vorschrift ordnungswidrig. Die Nichtbeachtung eines Gefahrzeichens wirkt sich auf die Bußgeldhöhe aus. Ob Gefahrzeichen aufzustellen sind, steht nicht völlig im Belieben der Straßenverkehrsbehörden. Sie verletzen vielmehr, wenn sie an einer Stelle, an der die Aufstellung eines Gefahrzeichens sachgerecht wäre, kein Zeichen aufstellen lassen, die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht. (Vgl. § 5 a StVG R N r . 83 f in Bd. I/I). Der Pflicht der Behörden entspricht das berechtigte Vertrauen der Verkehrsteilnehmer, daß die Behörden ihrer Pflicht nachkommen. Sie brauchen nicht mit schwer erkennbaren Gefahren zu rechnen, wenn kein Gefahrzeichen angebracht ist. Während die Gefahrzeichen nur warnen aber nicht anordnen, sind in § 41 unter der Bezeichnung „Vorschriftszeichen" Gebote und Verbote zusammengefaßt. Wer sie verletzt, verstößt gegen § 41. Unter der Bezeichnung „Richtzeichen" sind in § 42 Zeichen sehr verschiedener Bedeutung zusammengefaßt. Es handelt sich teilweise um Zeichen, die Anordnungen enthalten, z. B. die einen Vorrang begründen Z. 301—308, teilweise um reine Hinweiszeichen wie die Z. 350 f. Soweit sie Anordnungen enthalten, sind die Richtzeichen bußgeldbewehrt. Soweit sich Verhaltensvorschriften der § 2 f ausdrücklich auf Verkehrszeichen beziehen (z. B. die Überholvorschriften des § 5 und die Vorfahrtregelung des § 8) sind allerdings diese Vorschriften und nicht § 41 oder § 42 die Bußgeldvorschriften. Wenn auch, abgesehen vom Ausnahmefall, das der BMV weitere Zeichen durch Verlautbarung im VkBl. ausdrücklich zuläßt, nur die in der StVO beschriebenen Verkehrszeichen und Markierungen verwendet werden dürfen, so schließt dies nicht aus, daß sie durch Zusatzschilder (unten R N r . 7) oder auch durch „Sinnbilder" (unten R N r . 8) modifiziert werden. Werden Vorschriftszeichen gegen andere ausgewechselt, dann soll nach IV der Vwv zu § 41 f ü r eine ausreichende Übergangszeit der Fahrverkehr auf die Änderung hingewiesen werden. Jedoch befreit diese Verwaltungsvorschrift den Verkehrsteilnehmer nicht von der Pflicht, vor allem in Großstädten, immer darauf zu achten, ob nicht neue Zeichen aufgestellt wurden"). Nach § 33 Abs. 2 dürfen Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, von Unbefugten nicht verwendet werden, wo sie sich auf öffentlichem Verkehr auswirken können. Dagegen steht es dem Eigentümer eines Privatgrundstückes frei, dort Verkehrszeichen der f ü r öffentliche Wege vorgeschriebenen Art anzubringen. Zwar haben solche Zeichen nicht den Rechtsschutz der öffentlichrechtlichen Verkehrszeichen, sie sind aber nicht bedeutungslos, ihre Mißachtung kann vor allem f ü r die zivilrechtliche H a f t u n g von Bedeutung sein. 2. Zusatzschilder (Abs. 2)
7
Abs. 2 stellt ausdrücklich klar, daß auch Zusatzschilder Verkehrszeichen sind. Weiter befaßt er sich mit der äußeren Form der Aufstellung der Zusatzschilder; (dazu III 16 der Vwv zu §§ 39—43). Dagegen kann dem Gesetz nicht unmittelbar entnommen werden, 3
«) Bremen 6. 8. 52, VRS 4, 622.
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Möhl
welche Zusatzschilder zulässig sind. Beschränkungen f i n d e n sich in § 41 f ü r die V o r schriftszeichen. Bei diesen sind n u r solche Zusatzschilder zulässig, die darauf hinweisen, v o n w a n n ab ein G e b o t oder V e r b o t gilt, f e r n e r Zusatzschilder, durch die allgemeine B e schränkungen der G e b o t e und V e r b o t e o d e r allgemeine A u s n a h m e n v o n ihnen angeordnet werden. Allerdings gibt es v o n dieser B e s c h r ä n k u n g audi wieder eine A u s n a h m e f ü r Z u satzschilder zu den Z. 2 3 7 , 2 5 0 , 2 8 3 , 2 8 6 und h i n t e r Z . 2 7 7 . Diese Zusatzschilder k ö n n e n auch „etwas anderes" b e s t i m m e n . Zusatzschilder w e r d e n im T e x t der §§ 4 0 — 4 2 m e h r f a c h e r w ä h n t und z u m T e i l dargestellt. D a r i n liegt aber keine Beschränkung. Auch andere Z u satzschilder sind zulässig, w e n n sie k l a r und eindeutig sind 3 7 ), und keine allgemeinen G r u n d s ä t z e , z. B . den Gleichheitssatz v e r l e t z e n . D e r B M V h a t m i t E n t s c h l i e ß u n g v o m 2 6 . 7. 6 2 , V k B l . 72, 5 5 1 in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t den f ü r den S t r a ß e n v e r k e h r und f ü r die V e r k e h r s p o l i z e i zuständigen o b e r s t e n L a n d e s b e h ö r d e n e m p f o h l e n , in Z u k u n f t außer den i n der S t V O abgebildeten oder den in der V w v u n d S t V O e r w ä h n t e n Zusatzschildern n u r noch die d o r t a u f g e f ü h r t e n Zusatzschilder zu v e r w e n d e n . W i r d an einem zulässigen V o r schriftszeichen ein unzulässiges Zusatzschild angebracht, dann ist z w a r dieses, nicht aber das Vorschriftszeichen u n w i r k s a m 3 8 ) . U n k l a r h e i t e n eines Zusatzschildes gehen nicht zu Lasten der V e r k e h r s t e i l n e h m e r . V i e l m e h r d ü r f e n diese den I n h a l t eines Zusatzschildes im Zweifel zu i h r e n G u n s t e n auslegen. S o d a r f der bauleitende A r c h i t e k t eine Zusatztafel „ A u s g e n o m m e n B a u f a h r z e u g e " zu seinen G u n s t e n auslegen 3 9 ). A u d i das F a h r z e u g eines an der Baustelle beschäftigten B a u f ü h r e r s k a n n zu den „ B a u s t e l l e n f a h r z e u g e n " gerechnet werden 4 0 ), ebenso der P K W eines B a u u n t e r n e h m e r s , m i t d e m dieser e r k u n d e n will, o b der W e g z u r Baustelle f ü r L a s t k r a f t wagen seiner F i r m a b e f a h r b a r ist 4 1 ). E n t h ä l t ein Zusatzschild zu einem V e r k e h r s v e r b o t f ü r Fahrzeuge aller A r t eine A u s n a h m e f ü r den „Landwirtschaftlichen V e r k e h r " , dann k a n n diesem z w a r noch die A u s b e u t u n g eines F e l d m a r k g r u n d s t ü c k e s durch Auskiesung und der d a m i t v e r b u n d e n e K i e s t r a n s p o r t zugerechnet werden, soweit der Kies i m landwirtschaftlichen B e t r i e b des Grundstückseigentümers o d e r eines anderen f e l d m a r k a n g e h ö r i g e n L a n d w i r t s v e r w e n d e t w i r d ; nicht aber, w e n n ein bisher landwirtschaftlich genutztes F e l d m a r k grundstück allein durch G e w i n n e r z i e l u n g b e i m V e r k a u f des Kieses an B a u s t o f f h ä n d l e r in eine „ K i e s g r u b e " u m g e w a n d e l t w i r d 4 2 ) . Zulässige E i n s c h r ä n k u n g e n v o n Verbotszeichen w u r d e n a n g e n o m m e n bei einem Zusatzschild zu einem H a l t v e r b o t s z e i c h e n „ 9 . 0 0 — 1 9 . 0 0 U h r E i n - und Aussteigen, B e - u n d E n t laden f r e i " 4 3 ) , und b e i m Zusatzschild „Länge 2 0 0 0 " zu einem V e r b o t s z e i c h e n 4 4 ) . D a r a u f , daß die Länge einer V e r b o t s s t r e c k e an deren Beginn auf einem Zusatzschild angegeben w e r d e n k a n n , w i r d n u n m e h r im T e x t des § 41 ausdrücklich hingewiesen (nach Z . 2 7 7 ) . F ü r z u lässig w u r d e auch das Zusatzschild „ A u s g e n o m m e n Ladegeschäfte" zu einem H a l t v e r b o t s zeichen angesehen, weil es nicht die gleiche W i r k u n g wie ein Parkverbotsschild habe 4 ®). Zahlreiche Entscheidungen b e f a ß t e n sich m i t der Frage, wie das Zusatzschild „Anlieger f r e i " auszulegen ist, weil der B e g r i f f „ A n l i e g e r " nicht ganz k l a r ist. D e r B e g r i f f w u r d e großzügig ausgelegt: N i c h t n u r der E i g e n t ü m e r oder B e s i t z e r eines an der S t r a ß e gelegenen Grundstücks, sondern auch dessen Besucher und alle, die ein persönliches R e c h t z u m B e t r e t e n eines A n l i e g e r g r u n d s t ü c k s h a b e n , g e h ö r e n zu den „ A n l i e g e r n " ; dabei genügt es, w e n n der verfügungsberechtigte Anlieger einem anderen das B e t r e t e n des Grundstücks allgemein oder i m besonderen Fall ausdrücklich o d e r stillschweigend gestattet h a t 4 6 ) . " ) BayObLGSt 61, 11 (17. 1. 61) = VRS 21, 145 = VerkMitt. 61, 52. '8) BayObLG 21. 10. 58, VRS 16, 383; Schleswig 29. 3. 62, VerkMitt. 62, 57. ">) Celle 4. 11. 65, VerkMitt. 66, 16 = VRS 30, 232. 4 °) BayObLG 9. 7. 69, 1 b Ws (B) 5/1969. « ) BayObLG 11. 11. 69, bei Rüth DAR 70, 255 (2. b).
728
) Köln 27. 1. 70, VerkMitt. 70, 30 = VRS 39, 76 = DRspr. II (291) 187 d; vgl. auch Celle 28. 4. 71, VRS 41, 220 (Fahrzeug eines Tierarztes). « ) Hamm 23. 9. 65, VRS 29, 337; vgl. aber nunmehr: I I der Vwv zu § 41, Z. 283. 4 4 ) Celle 21. 12. 61, N J W 62, 408. « ) Düsseldorf 22. 2. 62, VRS 23, 389. 4 «) BGHSt 20, 242 (9. 7. 65) = V R S 29, 219 = DAR 65, 278 = J Z 65, 690 = M D R 42
Zusatzschilder
StVO
§ 39
Darnach wurde z. B. als „Anlieger" behandelt, wer den Besucher eines Anliegers abholen will 4 7 ), oder wer einen Bauunternehmer oder dessen Beauftragten auf einer Baustelle aufsuchen will, die sich auf einem Anliegergrundstück befindet 4 8 ). Darauf kommt es nicht an, welche Zwecke ein Dritter beim Besuch eines Anliegers verfolgt, um ihm selber die Stellung eines Anliegers zu geben. Deshalb wurden die Besucher von Dirnen in einer Bordellstraße dem Anliegerverkehr zugerechnet 47 ). Auch der Fischereiberechtigte, der das zur Ausübung seines Fischrechts dienende Grundstück nur von einer für den Durchgangsverkehr gesperrten Straße erreichen kann, soll „Anlieger" sein, wenn sein Fischrecht nicht lediglich auf Gewohnheitsrecht oder Gemeingebrauch beruht 4 '). Das Recht auf Gemeingebrauch reicht nicht aus, um die Anliegereigensdiaft zu begründen. Eine etwa nach Art. 141 Abs. 3 BayVerf. bestehende Pflicht des Waldeigentümers, das Betreten des Waldes durdi Spaziergänger oder Schiläufer zu dulden, macht diese nicht zu „Anliegern" 5 0 ). Auch der Kraftdroschkenführer, der eine gesperrte Straße zur Fahrgastsudie befährt, ist nicht „Anlieger" 5 1 ). Ist an einem gesperrten Straßenstück die Zufahrt für Anlieger freigegeben, dann dürfen diese die gesamte gesperrte Straßenstrecke befahren. Sie brauchen nicht nach Abschluß eines Geschäfts mit einem Anlieger zum Beginn der Straßensperre zurückzufahren 5 2 ). Auf Straßen mit zwei getrennten Fahrbahnen erstreckt sich die Erlaubnis „Frei für Anlieger" auf die Anlieger der Gegenfahrbahn 5 3 ). Allerdings ist „Anliegerverkehr" nur der Verkehr von oder zu einem der Straße anliegenden Grundstück. Auch ein „Anlieger" darf die für den allgemeinen Verkehr gesperrte Straße nur benutzen, um vom Anliegergrundstück weg oder zu diesem Grundstück zu fahren 5 4 ). Grundsätzlich gelten Straßensperrungen und sonstige Verkehrsbesdiränkungen auch für den Anliegerverkehr. Es bedarf der Zusatzschilder, um den Verkehr für die Anlieger freizugeben. Ein Irrtum hierüber ist Verbotsirrtum 5 5 ). Soweit für andere Gruppen von Verkehrsteilnehmern durch Zusatzschilder Ausnahmen von Verkehrsverboten zugelassen werden, muß geprüft werden, ob die Ausnahme der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs dient, weil es sonst an der notwendigen Ermächtigung fehlt, und weiter ob damit nicht gegen den Gleidiheitssatz verstoßen wird. Ein Haltverbot mit dem Zusatz „Gilt nicht für Dienstfahrzeuge des Stadtbauamtes" wurde zugelassen 5 *), ebenso die Ausnahme von einem Parkverbot für Einsatzfahrzeuge der P o lizei 57 ). Dagegen wurden Ausnahmen von Haltverboten für Dienstfahrzeuge eines Ministeriums oder eines Konsulats für unzulässig erklärt 5 8 ). Darüber, wieweit solche Ausnahmeregelung absolut nichtig (oder nur anfechtbar) ist, gehen die Meinungen auseinander").
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65, 927 = NJW 65, 1870 = VerkMitt. 65, 84 = DRspr. II (291) 136 d; Hamm 19. 2. 65, VRS 28, 293; Frankfurt 13. 2. 63, NJW 63, 1119; vgl. Koch, DAR 62, 144. Hamm 17. 1. 69, VerkMitt. 69, 47 = VRS 37, 385; Düsseldorf 20. 7. 67, NJW 67, 2325. BayObLGSt 64, 56 (8. 4. 64) = VRS 27, 381 = J R 64, 390 = VerkMitt. 64, 68 = DRspr. II (291) 119 b. Köln 9. 4. 63, VerkMitt. 63, 55 = VRS 25, 367; a. M. Celle 12. 11. 62, VerkMitt. 63, 36 = VRS 25, 364. BayObLGSt 68, 126 (11. 12. 68) = DAR 69, 106 = VerkMitt. 69, 35 = VRS 37, 220 = DRspr. II (291) 176 c. KG 5. 9. 68, VRS 36, 374 = DRspr. II (291) 176 b. BayObLG 4. 6. 69, bei Rüth DAR 70, 255 (2. b). Celle 29. 6. 67, VerkMitt. 67, 86.
) Oldenburg 21. 1. 64, NJW 64, 606 = NdsRpfl. 64, 69 = VRS 27, 298 = DRspr. II (291) 119 d. 5 ä ) BayObLG 24. 4. 63, VerkMitt. 63, 62. 5«) Celle 26. 1. 67, VerkMitt. 67, 54. " ) BVerwG 22. 1. 71, MDR 71, 517 = DVB1. 71, 271 = VerkMitt. 71, 34 = DRspr. II (291) 197 b. 5 8 ) BVerwG 9. 6. 67, NJW 67, 1627 = VRS 33, 149 = DAR 67, 226 = VerkMitt. 68, 1 = Betrieb 67, 1542 = DVB1. 67, 773 = JZ 67, 636 = MDR 67, 780 = VkBl. 67, 569 = DRspr. II (291) 156 b; VGH Stuttgart VRS 30, 144 = DAR 66, 108. 5 9 ) Bejahend Frankfurt 20. 6. 69, NJW 69, 1917 = VerkMitt., 69, 79 = DRspr. II (291) 178 c; 179 a; verneinend für Z. 314 mit Zusatzschild „Nur für Fahrzeuge des Generalkonsulats . . Hamburg 8. 5. 70, DAR 71, 23 = NJW 70, 2037 = JZ 70, 586 = DRspr. II (291) 192 d. 54
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§ 39 8
StVO
Möhl
II. Bedeutung der „Sinnbilder" (Abs. 3) Zusatzschilder sollten nach III 16. der Vwv zu §§ 39—43, wenn irgend möglich, nicht beschriftet sein, sondern nur Sinnbilder zeigen. Welche Sinnbilder zu benutzen sind, sagt § 39 Abs. 3 nicht, er bestimmt nur in S. 1 die Bedeutung der in den Zeichen 251, 253, 237, 134, 239, 140 angebrachten Sinnbilder für den Fall, daß sie auf anderen Verkehrsschildern als den in §§ 40—42 dargestellten gezeigt werden und zeigt in S. 2 eine Anzahl gebräuchlicher sonstiger Sinnbilder. Da es andere Verkehrszeichen als die in §§ 40—42 dargestellten nur ausnahmsweise gibt, dann nämlich, wenn sie der B M V durch Verlautbarung im VkBl. zuläßt (III 1. der Vwv zu §§ 39—43) würde sich die Liste in § 39 Abs. 3 S. 1 nach dem Wortlaut nur auf solche vom B M V zusätzlich zugelassenen Zeichen beziehen. So wird es aber nicht gemeint sein. Gedacht wird an den Fall, daß die in den §§ 40—42 dargestellten Verkehrszeichen ihrerseits mit anderen Sinnbildern versehen werden als dies im T e x t dieser Paragraphen geschehen ist. So wird in a) nach Z. 253 ausdrücklich vermerkt, daß für andere Verkehrsarten (als die in Z. 251 und 253 bezeichneten) durch das Z. 250 mit Sinnbild entsprechende Verbote erlassen werden können. Unerfreulicherweise weicht der Sinn der Sinnbilder nach Abs. 3 S. 1 teilweise von dem ab, der ihnen auf den aufgestellten Verkehrszeichen z u k o m m t : Das Sinnbild auf Z. 251 bedeutet Verbot für „Kraftwagen"; wird das Sinnbild auf anderen Verkehrsschildern angebracht, bedeutet es aber „Personenkraftwagen". Z. 253 bedeutet „Verbot für L K W mit zulässigem Gesamtgewicht über 2,8 t und Zugmaschinen", das gleiche Sinnbild auf anderen Verkehrsschildern „Lastkraftwagen". Z. 140 warnt vor Tieren, auf anderen Verkehrsschildern soll das Sinnbild „Treiber und Führer von Großtieren" bedeuten. Mag auch der nach einem Beschluß des Bundesrats angefügte Abs. 3 die Klärung der Frage bezwecken, welche Sinnbilder im Einzelfall zu verwenden sind, so ist dieses Ziel doch nicht voll erreicht worden. Es ist nicht ersichtlich, daß andere Sinnbilder als die in Abs. 3 näher bezeichneten nicht verwendet werden dürfen' 0 ). Wesentlich ist, daß die verwendeten Sinnbilder verständlich sind. Wird auf Z. 253 (früher Bild 11 der Anlage) ein schwarzer L K W in Seitenansicht mit zwei durch Kreise symbolisierte Tanks auf der Ladefläche dargestellt, dann k o m m t damit genügend deutlich zum Ausdruck, daß im Gebiet einer allgemein bekannten Trinkwassertalsperre der Betrieb von Tanklastfahrzeugen aller A r t verboten ist 6 1 ). (Nun sieht Abs. 3 S. 2 allerdings ein anderes Sinnbild vor). Die in S. 2 dargestellten Sinnbilder entsprechen im wesentlichen den im Wiener Weltabkommen über Verkehrszeichen vorgesehenen.
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III. Vorrang Die durch Verkehrszeichen einschließlich der Zusatzschilder getroffenen Anordnungen gehen den in den §§ 2 — 3 5 enthaltenen Verkehrsregeln vor, nicht aber dem in § 1 Abs. 2 enthaltenen Gebot, Gefährdung und Schädigung anderer zu vermeiden. Auch gehen die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten (§ 36 Abs. 1) sowie die Lichtzeichen (§ 37 Abs. 1) ihrerseits den durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen vor.
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IV. Bußgeldvorschrift? § 39 enthält keine bußgeldbewehrten Gebote oder Verbote. Wer den Vorschriftszeichen zuwiderhandelt, verstößt gegen § 41, soweit die Verkehrszeichen nicht Tatbestandsmerkmal bestimmter Verkehrsregeln sind (z. B. § 5 Abs. 3 N r . 2, § 8 Abs. 1 N r . 1, § 12 Abs. 1 N r . 6, Abs. 3 N r . 8). Das gilt auch für die Richtzeichen, soweit sie Ge- und Verbote enthalten. Die Mißachtung von Gefahrzeichen und Hinweiszeichen ist als solche nicht bußgeldbewehrt. 60 61
) So auch Booß StVO $ 39 Anm. 2. ) Für die frühere Rechtslage: Köln 5. 12. 67,
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NJW 68, 464 = 35, 47.
VerkMitt. 68, 38 =
VRS
Sinnbilder; Gefahrzeichen
StVO
§§39,40
Zivilrechtlich ist der Schutzbereich der Verkehrszeichen von Bedeutung. Nur dann, wenn der bei Verletzung einer durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnung eingetretene Schaden in den Schutzbereich der verletzten Rechtsnorm fällt, können Schadenersatzansprüche nach § 823 BGB auf die Verletzung gestützt werden82).
Vorbemerkung zu §§ 40—43 Allgemeine Vorschriften zu den Verkehrszeichen finden sich in § 39. Da die früher in der Anlage zur StVO aufgeführten Verkehrszeichen und -einrichtungen nunmehr Bestandteil des Gesetzestextes geworden sind, ist dieser Teil der StVO ausgedehnt und unübersichtlich geworden. Es erschien daher angebracht, bei den §§ 40—43 von der bisherigen Methode abzuweichen, nach Abdruck des ganzen Paragraphentextes die ganze zugehörige Vwv, dann die Inhaltsübersicht, anschließend amtliche Begründung und Erläuterungen zu bringen. In den §§ 40—43 wird jeweils zuerst nur der allgemeine Teil der Vorschrift (§ 40 Abs. 1—5, § 41 Abs. 1 und 2, § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 1 und 2) mit zugehöriger Vwv, dann die Übersicht, anschließend amtliche Begründung und Erläuterungen zu diesem allgemeinen Teil der Vorschrift gebracht. Dann wird der Gesetzestext mit den einzelnen Verkehrszeichen (Markierungen) fortgesetzt, jeweils mit der zugehörigen Vwv, Begründung und (erforderlichenfalls) Erläuterung. Dadurch soll erreicht werden, daß der Benutzer des Kommentars alles, was zum einzelnen Zeichen gehört, an einer Stelle findet, wobei ihm die Ubersichten, Einteilung der Paragraphen und einschlägige Randnummern aufweisen.
§ 40 Gefahrzeichen (1) Gefahrzeichen mahnen, sich auf die angekündigte Gefahr einzurichten. Sie sind nur dort angebracht, wo es für die Sicherheit des Verkehrs unbedingt erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muß. (2) Außerhalb geschlossener Ortschaften stehen sie im allgemeinen 150 bis 250 m vor den Gefahrstellen. Ist die Entfernung erheblich geringer, so ist sie auf einem Zusatzschild angegeben, wie a
|
lOOrn
(3) Innerhalb geschlossener Ortschaften stehen sie im allgemeinen kurz vor der Gefahrstelle. (4) Ein Zusatzschild wie
I t
3 km • I
kann die Länge der Gefahrstrecke angeben. (5) Steht ein Gefahrzeichen vor einer Einmündung, so weist auf einem Zusatzschild ein schwarzer Pfeil in die Richtung der Gefahrstelle, falls diese in der anderen Straße liegt. '2) BGH(Z) 9. 12. 69, NJW 70, 421. 731
§ 40
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StVO
Vwv zu $ 40: Zu S 40 Gefahrzeichen I. Die D r e i e i s d u l d e r haben Seitenlängen von 900 mm, geredinet von den Schnittpunkten der Seitenlinien. II. Soweit bei den einzelnen Gefahrzeichen nidits anderes bestimmt ist, dürfen sie außerhalb geschlossener Ortsdiaften nur dann mehr als 250 m oder weniger als 150 m von der Gefahrstelle entfernt aufgestellt werden, wenn dies zureichender Unterrichtung der Kraftfahrer dienlich ist. Innerhalb geschlossener Ortschaften empfiehlt es sich, auf einem Zusatzschild die Entfernung anzugeben, wenn die Schilder auf Straßen mit erheblichem Fahrverkehr weniger als 30 m oder mehr als 50 m vor der Gefahrstelle stehen. III. Die Entfernung zur Gefahrstelle und die Länge der Gefahrstrecke auf Zusatzschildern mit Umstandswörtern wie „nach . . „auf . . ." bekanntzugeben, ist unzulässig. Solche Zusatzschilder müssen vielmehr den in der StVO angegebenen Beispielen entsprechen. Übersicht RNr. 1 2-6
Amtl. Begründung zu Abs. 1-5 Erläuterungen zu Abs. 1-5 a) Begriff und rechtliche Bedeutung der Gefahrzeichen (Abs. 1 S. 1) 2 b) Voraussetzungen für die Aufstellung (Abs. 1 S. 2) 3 c) Ort der Aufstellung (Abs. 2, 3) 4 d) Zusatzschild (Abs. 4) 5 e) Sdiwarzer Pfeil (Abs. 5) 6 (6) Gefahrzeichen im einzelnen 7-19 Z. 101 — Gefahrstelle 7 Z. 102 — Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts 8 Z. 103, 105 — Kurve, Doppelkurve 9 Z. 108, 110 — Gefälle, Steigung 10 Z. 112 — Unebene Fahrbahn 11
RNr. Z. 114 — Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz Z. 115, 117 — Steinschlag, Seitenwind Z. 120, 121 — Verengte Fahrbahn, einseitig (rechts) verengte Fahrbahn Z. 123, 125 — Baustelle, Gegenverkehr Z. 128, 129 — Bewegliche Brücke, Ufer Z. 131, 134 — Lichtzeichenanlage, Fußgängerüberweg Z. 136, 138 — Kinder, Radfahrer kreuzen Z. 140, 142, 144 — Tiere, Wildwechsel, Flugbetrieb (7) Besondere Gefahrzeichen vor Übergängen von Schienenbahnen mit Vorrang Z. 150 — 162
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Amtlidie Begründung
Zu Absatz 1: Der erste Satz macht klar, daß Gefahrzeichen nicht bloß in jedem Fall den Verkehrsteilnehmer zu konzentrierter Aufmerksamkeit verpflichten, sondern u. U. sogar dazu, etwas zu tun, etwa seine Geschwindigkeit zu ermäßigen. Daher spricht der Satz nicht davon, daß sich die Verkehrsteilnehmer auf die Gefahr einzustellen, sondern daß sie sich auf sie einzurichten haben. Das Wort „mahnen* verdeutlicht, daß es sich dabei aber nicht um ein bußgeldbewehrtes Gebot handelt. Was mit dem beliebten Schlagwort „Schilderwald" beanstandet wird, hat gewiß nicht selten seine Berechtigung. Die Vwv wird den Behörden die dazu gewonnenen Erkenntnisse der Verkehrswissenschaft vermitteln. In seiner Unbesdiränktheit ist jener Vorwurf aber falsch. Die Wegweisung z. B. kann nicht gut genug sein. Seine Berechtigung hat der Vorwurf bei den Gefahrzeichen. Das rührt daher, daß § 5a StVG die Anbringung solcher Zeichen an allen gefährlichen Stellen der „Durchgangsstraßen" vorschreibt. Die Rechtsprechung hat daraus eine angesichts der Strenge dieser Vorschrift zutreffende, aber jedenfalls heute nicht mehr gerechtfertigte Ausweitung der Verkehrssicherungspflicht entwickelt. Verkehrsbehörden stellen nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser Rechtsprechung Gefahrzeichen völlig überflüssig auf. Besonders gefährlich ist die Beobachtung, daß diese Behörden des öfteren glauben, ihrer Verpflichtung zu entsprechen, wenn sie ein solches Zeichen alsbald dort aufstellen, wo etwas „passiert" ist, statt viel wirksamere Mittel anzuwenden. § 5a ist überholt. Wer durch einen Wald fährt, der weiß sehr wohl, daß dort in der Regel Wild lebt; wer bei entsprechender Temperatur und Witterung über eine Brücke oder durch ein kurzes Waldstück fährt, der weiß, daß er mit Glatteis rechnen muß, auch wenn er dies auf seiner bisherigen Fahrt nicht beobachtet hat. Dem Bundestag wird deshalb zu gegebener Zeit eine Gesetzesvorlage zugeleitet werden, die die Streichung des § 5a vorschlagen wird. An seine Stelle soll der zweite Satz dieses Absatzes treten, der die behördliche Pflicht zu solcher Warnung sachgerecht einschränkt. Er gilt aber künftig allerdings für alle Straßen, nicht bloß für die Durchgangsstraßen. Die Vwv wird bei den einzelnen Gefahrzeichen den Behörden sagen, wo die Zeichen erforderlich sind und wo sie entbehrt werden können. Diese Empfehlungen oder Anordnungen werden sich ebenfalls auf Erkenntnisse der modernen Verkehrswissenschaft gründen. Zu Absatz 2 bis 5: Im folgenden wird dem Verkehrsteilnehmer gesagt, wo die Schilder stehen, daß er vor allem außerhalb geschlossener Ortschaften sich in Ruhe auf die noch erheblich entfernte Gefahrstelle ein-
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Begriff und rechtliche Bedeutung
StVO
§ 40
richten kann. D a ß die Gefahrzeichen z. B. auf Autobahnen schon etwa 400 m vor der Gefahrstelle stehen, braücht nirgends gesagt zu werden, weil der dortige Schnellverkehr diesen Unterschied kaum empfindet. Neben den Aufschriften auf den Zusatzsdiildern wird von Zeichnungen gesprochen. Dieser Begriff soll der Oberbegriff für Sinnbilder und für die im Absatz 5 erwähnten Pfeile sein. Die Sinnbilder werden die Hauptrolle spielen; auch Ausländer verstehen sie. Die Aufschriften werden vereinheitlicht. Die Entfernung zur Gefahrstelle wird z. B. mit 100 m angegeben. Zu der Länge der Strecke, für die die Gefahr besteht, wird die Entfernung zur Gefahrstelle hinzugerechnet und diese Gesamtstrecke auf dem Zusatzschild, wie es im Absatz 4 gezeigt wird, angegeben. Auch das ist weltweit vereinbart. Die in Deutschland weithin übliche Verwendung von Präpositionen, z. B. „nach 100 m" oder „auf 2 km", war verfehlt, da Ausländern erfahrungsgemäß Präpositionen besondere Schwierigkeiten bereiten.
Erläuterungen zu Abs. 1—5 a) Begriff und rechtliche Bedeutung der Gefahrzcichen (Abs. 1 S. 1) Der internationalen Terminologie folgend wurden die früheren „Warnzeichen" in „Gefahrzeichen" umbenannt. Das ist schon deshalb zu begrüßen, weil die StVO in § 16 die Schall- und Leuchtzeichen der Fahrzeugführer schon „Warnzeichen" nennt. An dem Sinn und Zweck der Zeichen hat die Umbenennung nichts geändert. Der Hinweis auf eine Gefahr soll die Verkehrsteilnehmer zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichten, was vor allem für solche Verkehrsteilnehmer von Bedeutung ist, die mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut sind 1 ). § 40 überschneidet sich mit § 5 a StVG, der die Landesbehörden zur Kennzeichnung gefährlicher Stellen, an Wegstrecken, die dem Durchgangsverkehr dienen, durch „Warnungstafeln" verpflichtet. Diese Warnungstafeln sind mit den Gefahrzeichen des § 40 identisch. (Nach der Begründung zu § 40 Abs. 1 ist beabsichtigt, demnächst den § 5 a StVG als überholt zu streichen). Aus der Verkehrssicherungspflicht (vgl. Bd. I/I § 5 a R N r . 83 f.) ergibt sich die Pflicht der Behörden (Zuständigkeit: § 45) gegenüber allen Wegebenutzern, Gefahrzeichen aufzustellen, soweit es erforderlich ist. Die Pflicht besteht auch gegenüber Fahrzeugführern, die ein nicht mehr zugelassenes Fahrzeug benutzen 2 ). Werden an einer Autobahn an Straßenstellen, in denen mit Glatteisbildung zu rechnen ist, Gefahrzeichen teils aufgestellt, teils nicht aufgestellt, kann bei den Kraftfahrern der Eindruck erweckt werden, nur wo die Schilder stehen, sei mit Glatteis zu rechnen. Darin kann eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Straßenverkehrsbehörde liegen 3 ). Wieweit außer der Pflicht zu erhöhter Aufmerksamkeit dem durch ein Gefahrzeichen Gewarnten zusätzliche Pflichten auferlegt werden, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Häufig wird ein Gefahrzeichen zur Herabsetzung der Geschwindigkeit verpflichten, manchmal auch zur strikten Einhaltung des Rechtsfahrgebotes und dergl. Zwar ist die Nichtbeachtung eines Gefahrzeichens als solche nicht bußgeldbewehrt 4 ). Ergeben sich aber aus der Nichtbeachtung f ü r andere nachteilige Folgen, dann ist die Nichtbeachtung als Zeichen ungenügender Aufmerksamkeit oder Sorgfalt zu werten. Die Rechtsprechung hat die rechtliche Bedeutung der Gefahrzeichen in manchen Fällen allzu gering eingestuft: So wurde die Ansicht vertreten, das Warnzeichen „Kinder" nötige den Kraftfahrer nicht dazu, in Abweichung zu den sonst geltenden Regeln jederzeit damit zu rechnen, daß Kinder auf die Straße laufen könnten, die vorher f ü r ihn nicht sichtbar waren®). b) Voraussetzungen f ü r die Aufstellung (Abs. 1 S. 2) Die Lösung der Frage, wann Gefahrzeichen aufgestellt werden sollen, ist deshalb schwierig, weil es Gründe gibt, die f ü r und andere, die gegen die Aufstellung sprechen. Für die Aufstellung sprechen die Erfordernisse der Verkehrssicherheit, gegen die Aufstel1) Köln 31. 1. 58, MDR 425. ) BGH(Z) 26. 5. 66, N J W 66, 1456 = VersR 66, 782 = DAR 66, 218 = VRS 31, 84 = VerkMitt. 66, 57. s ) BGH(Z) 12. 7. 62, DAR 62, 337 = VerkMitt. 62, 77 = VRS 23, 249.
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2
5
) Für die frühere Rechtslage: KG 5. 12. 63, VRS 26, 287. ) Köln 11. 6. 68, VRS 36, 194 = N J W 68, 2155 = DRspr. II (291) 170 d.
§ 40
Möhl
StVO
lung die Sorge, durdi den „Schilderwald" werde der Kraftfahrer abgestumpft und lasse es, wenn er nicht ausdrücklich gewarnt wird, an der nötigen angespannten Aufmerksamkeit fehlen. Die Tendenz des § 40 geht, wie sich aus Text und Begründung des Abs. 1 ergibt, dahin, die Aufstellung auf Fälle zu beschränken, in denen Gefahrzeidien für die Sicherheit des Verkehrs unbedingt erforderlich sind, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr redinen muß. Demgegenüber verlangt der noch bestehende, dem § 40 StVO übergeordnete § 5 a S t V G die Kennzeichnung durch „Warnungstafeln" an allen gefährlichen Stellen von Wegstrecken, die dem Durchgangsverkehr dienen. Da sich aus der Unterlassung und Aufstellung u. U. eine Amtshaftung ergibt, sind die Verkehrsbehörden geneigt, nach dieser Vorschrift auch dort Gefahrzeichen aufzustellen, wo zwar eine Gefahr besteht, diese aber für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ohne weiteres erkennbar ist. Als Beispiele solcher überflüssiger Gefahrzeichen nennt die Begründung die auf Wildwechsel und auf Glatteisstellen hinweisenden Schilder, soweit nach Sachlage jeder vernünftige Verkehrsteilnehmer ohnedies mit Wildwechsel oder mit Glatteis rechnen muß. Welcher Maßstab anzulegen ist, wird erst dann eindeutig geklärt sein, wenn, wie beabsichtigt, § 5 a StVG gestrichen ist. Auch jetzt schon muß aber in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob ein Gefahrzeichen erforderlich ist. O f t genügt ein Gefahrzeichen, um auf alle an der Gefahrstelle drohenden Gefahren hinzuweisen. So kann an einer Baustelle das Gefahrzeichen 123 genügen. Ein zusätzliches Z. 120 (verengte Fahrbahn) ist dann entbehrlich, wenn bei einer Straßenbaustelle mit einer Verengung der Fahrbahn zu redinen ist'). 4
c) O r t der Aufstellung (Abs. 2, 3) Die Weisungen an die Verkehrsbehörden über die Aufstellung der Gefahrzeichen finden sich in I.—III. der Vwv zu § 40. § 40 Abs. 2 und 3 dagegen informiert die Verkehrsteilnehmer darüber, in welcher Entfernung vor der Gefahrstelle die Zeichen aufgestellt sind. Dabei wird unterschieden zwischen Gefahrstellen außerhalb und innerhalb geschlossener Ortschaften. Ist außerhalb einer geschlossenen Ortschaft ein Gefahrzeichen ohne Zusatzschild angebracht, dann kann der Verkehrsteilnehmer damit rechnen, daß die angezeigte Gefahrstelle 150—250 m hinter dem Zeichen liegt. Ist die Entfernung wesentlich geringer als 150 m, dann soll durch ein Zusatzschild darauf aufmerksam gemacht werden. Dieses Zusatzschild enthält nichts weiter als die Entfernung in Metern. Dieses Schild darf nicht verwechselt werden mit dem Zusatzschild nach Abs. 4, das zwar auch eine Entfernung anzeigt, aber mit zwei schwarzen Pfeilen versehen ist. Es gibt nicht die Entfernung zur Gefahrstelle an, sondern die Länge der Gefahrstrecke einschließlich der bis zu ihrem Beginn zurückzulegenden Strecke. Innerhalb geschlossener Ortschaften stehen die Zeichen nach Abs. 3 im allgemeinen kurz vor der Gefahrstelle. Nach II der Vwv zu § 40 empfiehlt sich, auf einem Zusatzschild die Entfernung anzugeben, wenn dort die Schilder auf Straßen mit erheblichem Fahrverkehr weniger als 30 m oder mehr als 50 m vor der Gefahrstelle stehen. Die Behörde kommt ihrer Pflicht, gefährliche Stellen durch Gefahrzeichen zu kennzeichnen, nur nach, wenn sie die Zeichen so anbringt, daß sie ein aufmerksamer Kraftfahrer auch auf schneller Fahrt durdi einen beiläufigen Blodc wahrnehmen kann; (vgl. allgemein zur Rechtswirksamkeit der durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen § 39 R N r . 4, insbes. § 39 10 . Die Zeichen dürfen vor allem nicht irreführend sein 7 ) .
5
d) Zusatzschild (Abs. 4) Wenn ohne weiteres erkennbar ist, in welchem Bereich die Gefahren drohen, vor denen das Gefahrzeichen warnt, bedarf es keines besonderen Hinweises über die Länge der «) Köln 5. 5. 66, VersR 66, 857 = DRspr. II (291) 151 c. 734
7
) BGH(Z) 11. 2. 64, VerkMitt. 64, 45 NJW 64, 859 = VRS 26, 253.
=
StVO
Aufstellung; Zusatzschild; Z. 101
§ 40
Gefahrstrecke. Ist dies aber nicht der Fall, z. B. bei Z. 142 (Wildwechsel), dann kann die Gefahrstrecke nach Abs. 4 durch ein Zusatzschild näher bezeichnet werden, das sich von dem in Abs. 2 vorgesehenen, die Entfernung von dem Zeichen zur Gefahrstelle bezeichnenden durch schwarze Pfeile unterscheidet. Wird das Sdiild nach Abs. 4 angebracht, dann wird die Entfernung zum Beginn der Gefahrstrecke in die auf dem Schild angegebene Entfernung eingerechnet; (vgl. Begründung zu Abs. 2—5). e) Schwarzer Pfeil (Abs. 5) Nach III 8. der Vwv zu §§ 39—43 werden Verkehrsschilder in der Regel in etwa rechtem Winkel zur Verkehrsriditung auf der rechten Seite der Straße angebracht. § 40 Abs. 5 betrifft einen Ausnahmefall: Hier wird das Zeichen vor der Einmündung einer Straße angebracht, in der sich eine Gefahrstelle befindet. U m dies kenntlich zu machen, wird durch einen schwarzen Peil angezeigt, wo Gefahr droht. (6) Gefahrzeichen i m einzelnen: Zeichen 101
E i n Zusatzschild k a n n die G e f a h r n ä h e r bezeichnen. S o w a r n t das Zusatzschild
v o r schlechtem F a h r b a h n r a n d . Das Zusatzschild
erlaubt, a u f dieser S t r a ß e W i n t e r s p o r t zu treiben, gegenbenefalls zeitlich b e s c h r ä n k t , w i e „9—17 h " .
Zu Zeidien 101 Gefahrstelle I. Das Zeichen darf nicht anstelle der anderen amtlichen Gefahrzeichen verwendet werden, es sei denn, daß in Notfällen das andere Zeichen nicht zur Verfügung steht. Audi die nähere Kennzeichnung der Gefahr auf einem Zusatzschild sollte nur in solchen Fällen unterbleiben. Vgl. auch I I I 1 zu § 44 Abs. 2. I I . Vor Sdiienenbahnen ohne Vorrang darf nur durch dieses Zeidien samt einem Zusatzschild z. B. mit der Abbildung des Sinnbildes im Zeidien 151 gewarnt werden, bei nicht oder kaum benutzten Gleisen audi durch das Zeidien 112. I I I . Der Warnung vor „schlechtem Fahrbahnrand" bedarf es nur, wenn die Straße sonst gut ausgebaut ist und die Schadhaftigkeit des Randes schlecht erkennbar ist und bei erheblicher Geschwindigkeit gefährlich werden kann.
735
§ 40
StVO
Möhl
Amtliche Begründung Zu Absatz 6: Es folgen die verkleinerten Abbildungen der Gefahrzeichen. Von der "Wiedergabe der Maße wurde abgesehen. Darüber enthält das weltweite Verkehrszeichenabkommen eingehende Empfehlungen (Art. 6 Abs. 4 Buchst, c: kleine, normale, große und sehr große Maße). Sie werden, soweit angebracht, als Weisungen an die Behörden in die Vwv übernommen. Die abgebildeten Gefahrzeidien sind ausnahmslos weltweit vereinbart. Für die Reihenfolge gab die Bedeutsamkeit der einzelnen Zeichen kein brauchbares Kriterium ab. Vorausgestellt sind die Schilder, die vor Gefahren aus den Straßenverhältnissen, es folgen die, die vor Gefahren, die von außen drohen, warnen. Zu Zeichen 101: Es muß (mit dem neuen — in Deutschland schon 1927 eingeführt gewesenen — weltweit vereinbarten Sinnbild) beibehalten werden, vor allem weil nicht alle Gefahren, vor denen zu warnen ist, bildlidi wiedergegeben werden können. Es ist zwar erwünscht, daß die Gefahr auf einem Zusatzschild näher bezeichnet wird; das kann aber schon deshalb nicht immer verlangt werden, weil vor allem bei vorübergehender Gefahr, z. B. an Unfallstellen oder bei Katastrophen, die eingesetzten Beamten die erforderlichen Zusatzschilder nicht stets zur Hand haben. In der Vwv wird angeordnet, daß keines der übrigen amtlichen Gefahrzeichen durch das allgemeine Gefahrzeichen ersetzt werden darf. In den gezeigten Zusatzsdiildern sind die Aufschriften durch Sinnbilder ersetzt. Es ist zweckmäßig, dem Zusatzschild Wintersport daneben die Bedeutung zu geben, daß hier Wintersport erlaubt sei. Erläuterungen
zu Z. 101
N a c h § 53 Abs. 3 N r . 1 darf bis 1. 1. 73 noch Bild 1 d e r A n l . z u r S t V O 1937 v e r w e n d e t w e r d e n . Z . 101 d a r f , w o r a u f die V w v ausdrücklich h i n w e i s t , nicht an Stelle speziellerer G e f a h r z e i c h e n v e r w e n d e t w e r d e n . K a n n einer G e f a h r n u r d u r c h Geschwindigkeitsbes c h r ä n k u n g b e g e g n e t w e r d e n , so g e n ü g t es in d e r Regel nicht, Z . 101 aufzustellen 8 ). Auf Schleudergefahr bei Nässe o d e r G l a t t e i s w i r d nicht d u r c h Z . 101 s o n d e r n d u r c h Z . 114, evtl. m i t Zusatzschild hingewiesen. Ist die B e f a h r b a r k e i t d e r F a h r b a h n d u r c h ein N a t u r ereignis (z. B. M u r e ) b e e i n t r ä c h t i g t , so m u ß sie w i e d e r hergestellt w e r d e n . Es g e n ü g t nicht Z . 101 aufzustellen"). Zeichen 102
Kreuzung oder Einmündung m i t V o r f a h r t v o n rechts
Zu Zeichen 102 Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts Das Zeichen darf nur aufgestellt werden vor schwer erkennbaren Kreuzungen und Einmündungen von rechts, an denen die Vorfahrt nicht durch Vorfahrtzeidien geregelt ist. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist das Zeichen im allgemeinen entbehrlich. Amtliche Begründung Zu Zeichen 102: Der Verkehrsteilnehmer wird besser unterrichtet und damit dient es auch der Verkehrssicherheit, wenn das Zeichen künftig, entsprechend der Weltregelung, nur vor Kreuzungen und Einmündungen warnt, an denen die Vorfahrt des von rechts Kommenden zu beachten ist. Vor Kreuzungen und Einmündungen mit besonderer Vorfahrtregelung warnen andere Zeichen, wie schon der Text zu den Zeichen 205, 206 und 301 dartut. 9
) BGH(Z) 27. 2. 69, VersR 69, 539.
») Düsseldorf 27. 11. 69, VersR 70, 869.
StVO
Z. 102—105 Zeidien 103
Zeichen 105
Kurve (redits)
Doppelkurve (zunädist redits)
§ 40
Vwv Zu den Zeidien 103 und 10}
Kurve
I. Die Zeidien für „Linkskurve" und .Doppelkurve (zunächst links)" sind als symmetrisches Gegenstück zu den Zeidien 103 und 105 auszuführen. Nur diese vier Ausführungen von Kurvenzeichen dürfen gezeigt werden; es ist unzulässig, etwa durdi Änderung des Pfeils zu versuchen, den näheren Verlauf der Kurve darzustellen. II. Mehr als zwei Kurven hintereinander sind durdi ein Doppelkurvenzeidien mit einem Zusatzschild, das die Länge der kurvenreichen Strecke angibt, anzukündigen. Vor den einzelnen Kurven kann dann eine Warnung in der Regel unterbleiben. III. Gefährliche Kurven Wenn der Fahrer bei der Annäherung an eine Kurve den weiteren Straßenverlauf nicht rechtzeitig sehen kann und deshalb oder aus anderen Gründen nicht den richtigen Eindruck von der in der Kurve gefahrlos zu fahrenden Geschwindigkeit erhält, ist durdi Zeichen 103 oder 105 oder durch Richtungstafeln (§ 43 Abs. 3 Nr. 3 Buchst, b) oder auf beide Weisen zu warnen: 1. Das Zeidien 103 ist anzubringen, wenn die in der Kurve mögliche Geschwindigkeit erheblich unter derjenigen liegt, die in dei davor liegenden Strecke gefahren wird, und dies bei der Annäherung nicht ohne weiteres erkennbar ist. 2. Riditungstafeln kommen in Frage, a) wenn eine Kurve überhaupt nidit erwartet wird, b) wenn nidit rechtzeitig zu erkennen ist, ob es sich um eine Redits- oder Linkskurve handelt, c) wenn sich die Krümmung der Kurve in deren Verlauf wesentlich ändert oder d) wenn die Kurve bei gleichbleibender Krümmung eine größere Richtungsänderung bringt, als bei der Einfahrt in die Kurve zu vermuten ist. In den Fällen a) und b) ist die Tafel so aufzustellen, daß sie vom Blick des Geradeaussdiauenden bei der Annäherung erfaßt wird, in den Fällen c) und d) dort, wo die Kurve gefährlich wird, gegebenenfalls an mehreren Stellen. 3. Zusätzlich zu einer Richtungstafel ist das Zeichen 103 immer dann notwendig, wenn die Riditungsänderung größer ist als vermutet oder wenn die Krümmung der Kurve zunimmt, sonst dann, wenn eine Richtungstafel nidit rechtzeitig erkennbar ist. Die zusätzliche Anbringung einer Richtungstafel zu den Gefahrzeidien kann notwendig sein, wenn es sich um eine besonders gefährliche Kurve handelt. 4. Handelt es sich nicht um eine, sondern um zwei oder mehrere unmittelbar hintereinander liegende Kurven, so ist statt des Zeichens 103 gegebenenfalls das Zeidien 105 anzubringen. Es kann erforderlich sein, auch vor der zweiten Kurve oder audi nur vor dieser unter den obengenannten Voraussetzungen durch Riditungstafeln zu warnen. In jedem Fall ist außerdem bei der Straßenbaubehörde eine Prüfung anzuregen, ob durch bauliche Maßnahmen eine Verbesserung erreicht werden kann. IV. Läßt sich durch die Wahl des Aufstellungsorts nicht erreichen, daß das Zeidien zweifelsfrei auf die gefährliche Kurve bezogen wird (z. B. wenn vor dieser eine andere Kurve liegt), so ist durch geeignete Maßnahmen (z. B. Riditungstafeln in der gefährlichen Kurve, entsprechende Fahrbahnmarkierungen oder Wiederholung des Kurvenzeichens) dafür zu sorgen, daß die Warnung richtig verstanden wird. V. Vgl. auch II zu Zeidien 114 und III zu Zeidien 274.
737 47 StVO + StGB
§ 40
StVO
Möhl Amtliche Begründung
Zu Zeichen 103 und 105: Die beiden Zeichen und ihre zwei Gegenstücke sind im Weltabkommen vorgesehen. In der Vwv wird ausdrücklich gesagt werden, daß es nur die vier Kurvenzeichen gibt. Es ist also untersagt, den Versuch zu unternehmen, den näheren Verlauf der Kurve durch Variationen der Pfeilrichtung kenntlidi zu machen. Das wäre der Verkehrssicherheit abträglich nicht bloß, weil ein genaues Nachzeichnen des Verlaufs kaum möglich wäre, und zudem damit für das Fahrverhalten, insbesondere die einzuhaltende Geschwindigkeit, noch nicht alles gesagt wäre; hierfür sind vielmehr auch die Sichtverhältnisse in der Kurve wie auch die Kurvenlage von wesentlicher Bedeutung.
Erläuterungen zu Z. 103, 105 Nach § 53 Abs. 3 Nr. 1 darf bis 1. 1. 73 statt der Z. 103, 105 nodi Bild 3 der Anl. zur StVO 1937 verwendet werden. Zeidien 108
Zeidien 110
Gefälle
Steigung
Zu Zeichen 10S Gefälle und 110 Steigung I. Die Zeichen unterscheiden sich dadurch, daß im Zeichen «Gefälle* die angegebene Prozentzahl schräg abwärts steht, im Zeichen „Steigung" schräg aufwärts. II. Es dürfen nur volle Prozentzahlen angegeben werden. III. Die Zeichen sollen nur dann aufgestellt werden, wenn der Verkehrsteilnehmer die Steigung oder das Gefälle nicht rechtzeitig erkennen oder wegen besonderer örtlicher Verhältnisse oder des Streckencharakters die Stärke oder die Länge der Neigungsstrecke unterschätzen kann. Im Gebirge kann selbst bei starker und langer Neigung oft auf solche Warnung verzichtet werden, während im Flachland unter Umständen schon Neigungen von 5 % dazu Veranlassung geben können, dies namentlich dann, wenn auf der Gefäll- oder Steigungsstrecke sich Kurven oder Engstellen befinden, die nur mit mäßiger Geschwindigkeit durchfahren werden dürfen. IV. In der Regel ist die Länge der Gefahrstrecke auf einem Zusatzsdiild anzugeben. V. Vgl. auch III zu Zeidien 274 und V 3 zu Zeichen 275.
Amtliche Begründung
Zu Zeidien 108 und 110: Sie unterscheiden sich nur dadurch, daß im Zeichen „Gefälle'* die Zahlen schräg abwärts stehen, im Zeichen „Steigung" dagegen sdiräg aufwärts. Wirklich mißlich ist das nicht, weil das Gelände in aller Kegel keinen Zweifel läßt, was der Fahrzeugführer zu erwarten hat.
Zeidien 112
738
StVO § 40
Z. 108—114
Zu Zeichen 112 Unebene Fahrbahn I. Das Zeichen ist vor allem aufzustellen, wenn Unebenheiten bei schneller Fahrt gefährlich werden können. Es darf aber nur an sonst gut ausgebauten Straßen aufgestellt werden, wenn deren Unebenheiten schlecht erkennbar sind. II. Die Entfernung zwischendem Standort des Zeichens und dem Ende der Gefahrstelle anzugeben, ist häufig empfehlenswert, dies namentlich dann, wenn vor einer unebenen Fahrbahn von erheblicher Länge gewarnt werden muß. I I I . Auch kann es zweckmäßig sein, kurz vor einer besonders unebenen Stelle das Zeichen zu wiederholen; auf einem Zusatzschild ist dann die Entfernung anzugeben, z. B. „20 m". IV. Vgl. auch II zu Zeichen 101 und I I I zu Zeichen 274.
Amtliche Begründung
Zu Zeichen 112: Es ist zweckmäßig, dieses Zeichen nicht nur zur Warnung vor einzelnen Unebenheiten zu verwenden, sondern auch vor einer Fahrbahn in schlechtem Zustand. In zweiten Fall muß die Länge der Gefahrstredce auf einem Zusatzschild angegeben werden.
Zeichen 114
Zusatzschild
Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz
Gefahr unerwarteter Glatteisbildung
Zu Zeichen 114 Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz I. Das Zeichen ist nur aufzustellen, wo der Verkehrsteilnehmer die bei Nässe, Glatteis oder Verschmutzung (z. B. durch angeschwemmtes Erdreich in Einschnitten) mangelnde Griffigkeit des Fahrbahnbelags trotz angemessener Sorgfalt nicht ohne weiteres erkennen kann. Ein Wechsel des Fahrbahnbelages gibt in der Regel dazu noch keinen Anlaß. Geht aber ein griffiger Belag in einem bei Nässe rutschgefährlichen über, so bedarf es jedenfalls außerhalb geschlossener Ortschaften der Warnung. II. Wo Schleudergefahr nicht wegen mangelnder Griffigkeit des Fahrbahnbelages bei Nässe oder Schmutz entstehen kann, sondern wegen der Anlage oder der Führung der Straße, ist mit anderen Mitteln zu helfen, z. B. durch Beschränkung der Geschwindigkeit (Zeichen 274) oder durch Aufstellen eines Zeichens .Kurve* (Zeichen 103 ff.). I I I . An Straßenstellen, die nach allgemeiner Erfahrung zu Glatteisbildung neigen, z. B. auf Brücken, auf ungeschützten Dämmen, in kurzen Waldstücken, braucht das Zeichen mit dem Zusatzschild »Glatteis* in der Regel nicht angebracht zu werden, vielmehr nur dann, wenn die Brücke, der Damm usw. nicht ohne weiteres zu erkennen ist. Muß aber an einer Gefahrstelle solcher Art das Gefahrzeichen aufgestellt werden, so darf es an entsprechenden Gefahrstellen im Verlauf der gleichen Straße nicht fehlen. Zeichen, die nur vor Glatteis warnen, sind im Frühjahr zu entfernen. IV. Vor der Beschmutzung durch Vieh oder Ackerfahrzeuge ist in der Regel nicht zu warnen; vgl. I zu $ 32 Abs. 1.
Amtliche Begründung
Zu Zeichen 114: Das Zeichen mit seiner bisherigen Bedeutung „Schleudergefahr" ärgert den Verkehrsteilnehmer, wenn er ihm bei trockenem Wetter an ersichtlich gut ausgebauten Straßen begegnet. Dieser Arger gibt dem Fahrzeugführer Anlaß, das Zeichen eben auch dann nicht ernst zu nehmen, wenn er allen Grund hat, das zu tun. Das Zeichen erhält daher den Namen „Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz". Die Vwv wird ausdrücklich die Verwendung des Zeichens dort verbieten, wo Schleudergefahr nicht wegen Nässe entstehen kann, sondern wegen der Anlage oder der Führung der Straße; in solchen Fällen, wird dort gesagt werden, ist mit anderen Mitteln zu helfen, z. B. durch Aufstellung des Zeichens „Kurve" oder durch Geschwindigkeitsbeschränkung.
47»
§ 40 StVO
Möhl
Nun gibt es zahlreiche Stellen, an denen auch Fahrzeuge in schneller Fahrt bei Nässe nicht ins Schleudern geraten, vielmehr nur bei Glatteis. Für diese Fälle wird das gezeigte Zusatzschild eingeführt. Zeichen 115
Zeidien 117
Steinschlag
Seitenwind
Vwv Zu den Zeichen IIS, 117, 134 bis 144 Nur diese Zeichen dürfen spiegelbildlich gezeigt werden und nur dann, wenn sie links wiederholt werden; vgl. jedoch I zu Zeichen 117. Zu Zeidien IIS Steinschlag Wo mit Steinbrocken auf der Fahrbahn zu rechnen ist, so, wenn sich eine steile Felswand unmittelbar neben der Straße erhebt, bedarf es dieses Zeichens in der Regel nicht. Zu Zeidien 117 Seitenwind I. Droht Seitenwind in der Regel von der rechten Seite, so empfiehlt es sich, das Zeichen spiegelbildlich auszuführen. II. Droht auf einer längeren Strccke Seitenwind, so kann das Zeichen wiederholt werden. Amtliche Begründung Zu Zeidien IIS: Die Zeichnung des weltweiten Abkommens ist nicht besonders glücklich geraten. Sie wurde deshalb dadurch etwas ausdrucksvoller gestaltet, daß sie auch einen auf der Fahrbahn liegenden Felsbrocken zeigt. Wie die Erfahrung lehrt, ist gerade die Warnung davor, daß mit Steinen auf der Straße zu rechnen ist, unentbehrlich. Solche Abweichungen von den weltweiten Zeichnungen sind ausdrücklich zugelassen (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 des Verkehrszeichenabkommens). Zeichen 120
Zeidien 121
Verengte Fahrbahn
Einseitig (redits) verengte Fahrbahn
Vwv Zu den Zeidien 120 und 121 Verengte Fahrbahn I. Das Zeichen für „einseitig (links) verengte Fahrbahn* ist als symmetrisches Gegenstück zu Zeichen 121 auszuführen. II. Das Zeichen 120 darf bei einseitig verengter Fahrbahn nur dann aufgestellt werden, wenn das Zeichen 121 in Notfällen nicht zur Verfügung steht. III. Verengt sich die Fahrbahn nur allmählich — z. B. um 1 m auf 20 m — oder ist die Verengung durch horizontale und vertikale Leiteinrichtungen ausreichend gekennzeichnet, so bedarf es eines Zeichens nur dann, wenn die Straße sehr schnell befahren wird.
740
StVO
Z. 115—129
§ 40
IV. Auf Fahrbahnen für beide Richtungen ist das Zeichen aufzustellen, wenn sich die Fahrbahn auf weniger als zwei Fahrstreifen verengt. Dessen bedarf es auf verkehrsarmen engen Ortsstraßen nicht, wenn bereits bei der Einfahrt in die Straße zu erkennen ist, daß diese den Erfordernissen des modernen Verkehrs nicht genügt. V. Vgl. audi IV zu Zeichen 208. Erläuterunzen
zu Z. 120,
121
Nach § 53 Abs. 3 N r . 1 darf bis 1. 1. 73 statt der Z. 120, 121 noch Bild 2 c der Anl. zur S t V O 1937 verwendet werden. A n Baustellen ist nach IV 2. a, bb) der V w v zu § 43 Abs. 3 N r . 2 außer Z. 123 erforderlichenfalls auch noch Z. 121 anzubringen 1 0 ). Zeichen 123
Zeichen 125
Baustelle
Gegenverkehr
Zu Zeichen 123 Baustelle Vgl. IV 2 a) bb) zu $ 43 Abs. 3 Nr. 2. Zu Zeichen 125 Gegenverkehr I. Das Zeichen ist stets aufzustellen, wenn eine Fahrbahn für eine Richtung vorübergehend (z. B. wegen Bauarbeiten) in beiden Richtungen befahren wird. In übrigen geeigneten Fällen ist von diesem Zeidien nur sehr sparsam Gebraudi zu machen. Auf längeren Strecken kann sich eine Wiederholung des Zeidiens empfehlen; dabei kann auf einem Zusatzsdiild die Länge der restlichen Gefahrstrecke angegeben werden. II. Vgl. audi II 5 zu Zeidien 220. Zeichen 128
Zeidien 129
Bewegliche Brücke
Ufer
Vwv Zu Zeidien 12S Bewegliche Brücke Zur Sicherung des Verkehrs genügt die Aufstellung des Zeidiens allein keinesfalls. Vor der Brüdce sind vielmehr Liditzeidien zu geben, Sdiranken anzubringen oder dergleichen. Zu Zeichen 129 Ufer Das Zeichen ist nur anzubringen, wenn eine Straße auf ein unbeschranktes oder unzulänglich gesichertes Ufer zuführt, vor allem auf Schiffsanlegestellen. Vor solchen Gefahrstellen ist in der Regel zu warnen; das gilt nicht in Hafengebieten. Erforderlichenfalls ist der Verkehr ergänzend durch Beschränkung der Fahrgeschwindigkeit (Zeichen 274) zu sichern. '«) Vgl. aber Köln, 5. 5. 66 wie Fußn. 6.
741
§ 40
Möhl
StVO
Amtliche Begründung Zu Zeidien 129: Das Zeichen „Ufer" soll, wie die Vwv klarstellen wird, nur dort verwendet werden, wo eine Straße auf ein unbeschranktes oder wenigstens unzulänglich gesichertes Ufer zuführt, vor allem vor Schiffsländen. Zeichen 131
Zeichen 134
Lichtzeichenanlage
Fußgängerüberweg
D i e Zeichen 128 bis 134 stehen auch innerhalb geschlossener Ortschaften in angemessener Entfernung v o r der Gefahrstelle. D i e Entfernung ist auf einem Zusatzschild angegeben (Absatz 2 Satz 2). Zu Zeidien 131 Liditzeidienanlage I. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist das Zeichen stets zu verwenden, innerhalb geschlossener Ortschaften nur dann, wenn der Fahrverkehr die Lichtzeidien z. B. wegen einer Kurve nicht rechtzeitig sehen kann. Es kann sich empfehlen, dieses Zeichen auch bei Lichtzeichenanlagen an Baustellen oder bei der Inbetriebnahme einer neuen Liditzeidienanlage vorübergehend zu verwenden. II. Auch vor Lichtzeichenanlagen, die nur Gelb und dann Rot geben (§ 37 Abs. 2 Nr. 3) kann durch dieses Zeichen gewarnt werden. III. Vgl. auch III zu Zeichen 274. Zu Zeidien 134. Fußgängerüberweg Vgl. V 4 und 5 zu S 26. Amtliche Begründung Zu Zeidien 134: Weisungen, wie Fußgängerüberwege zuverlässig anzukündigen sind, wird die Vwv bringen. Erläuterungen
zu Z.
134
N a c h § 53 Abs. 3 N r . 1 darf bis 1. 1. 73 s t a t t des Z . 134 n o c h Bild 4 a d e r A n l . z u r S t V O 1937 v e r w e n d e t w e r d e n . U b e r die B e d e u t u n g des Zeichens i m V e r h ä l t n i s z u Z . 350 u n d z u r M a r k i e r u n g Z . 293 vgl. § 26 R N r . 3. Zeichen 136
Zeichen 138
Kinder
Radfahrer kreuzen
Zu den Zeidien 136 bis 144 Eines dieser Zeidhen spiegelbildlich zu zeigen, empfiehlt sich allenfalls dann, wenn es zusätzlich links angebracht ist und wenn die Gefahr gleichermaßen von beiden Seiten droht. 7 42
Stvo
Z. 1 3 1 - 1 4 4
§ 40
Zu Zeichen 136 Kinder I. Wo erfahrungsgemäß Kinder häufig auf die Fahrbahn laufen, vor allem dort, wo eine Schule, ein Kindergarten oder ein Spielplatz in unmittelbarer Nähe ist, sollte das Zeichen aufgestellt werden. Zuvor ist aber immer zu prüfen, ob Kinder nicht durch Absperrungen ferngehalten werden können. II. Vgl. auch II zu § 31. Zu Zeichen 138 Radfahrer kreuzen Das Zeichen soll vor Stellen warnen, an denen Radfahrer häufig oder unvermutet die Fahrbahn kreuzen oder in sie einfahren. Kommen die Radfahrer von einer einmündenden oder kreuzenden Straße, so bedarf es einer Warnung nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Radfahrer dort durch eine Radfahrerfurt (VI zu Zeichen 237) gelenkt werden. Das gleiche gilt, wenn eine Radfahrerfurt in unmittelbarer Nähe einer Kreuzung oder Hinmündung angebracht ist. Dagegen ist das Zeichen erforderlich, wenn außerhalb einer Kreuzung oder Einmündung ein für beide Richtungen gemeinsamer Radweg beginnt oder endet oder dort ein Radweg für eine Richtung endet und ein für beide Richtungen gemeinsamer Radweg auf der anderen Seite beginnt. Amtliche Begründung Zu Zeichen 138: Die Vwv wird vorschreiben, in welchen Fällen das Zeichen angebracht werden soll. Sein Anwendungsbereich wird sehr beschränkt sein. Erläuterungen
zu Z.
138
N a d i § 53 Abs. 3 N r . 1 darf bis 1. 1. 73 statt des Z. 138 noch Bild 1 der Anl. zur S t V O 1937 mit Zusatztafel „Radfahrer kreuzen" verwendet werden. Z. 138 besagt nichts über die Frage der Vorfahrt. Diese wird in § 8 geregelt. Zeichen 140
Zeichen 142
Zeichen 144
Tiere
Wildwechsel
Flugbetrieb
Vor anderen Gefahrstellen kann durch Gefahrzeichen gleicher Art mit geeigneten Sinnbildern gewarnt werden. Zu Zeichen 140 Tiere Das Zeichen darf nur auf Straßen mit schnellerem Verkehr aufgestellt werden, auf denen häufig Vieh über die Fahrbahn oder ihr entlang getrieben wird (z. B. Schafherden, Auftrieb zur eWide). Zu Zeichen 142 Wildwechsel I. Dieses Zeichen darf nur auf Straßen mit schnellerem Verkehr aufgestellt werden. Auf ihnen muß es aber überall dort stehen, wo Schalenwild häufig über die Fahrbahn wechselt. Diese Gefahrstellen sind in Besprechungen mit den unteren Jagdbehörden und den Jagdausübungsberechtigten festzulegen. Führt die Straße durch einen Wald oder neben einem Wald vorbei, der von einem Forstamt betreut wird, so ist auch diese Behörde beizuziehen. II. Die Länge der Gefahrstrecke ist in der Regel auf einem Zusatzschild anzugeben; ist die Gefahrstrecke mehrere Kilometer lang, so empfiehlt es sich, auf Wiederholungsschildern die Länge der jeweiligen Reststrecke anzugeben. Zu Zeichen 144 Flugbetrieb Das Zeichen dient der Warnung des Kraftfahrers vor überraschendem Flugverkehr. Es sollte daher auf Straßen mit schnellerem Verkehr dort aufgestellt werden, wo in der Nähe entweder ein Flugplatz liegt (vor Aufstellung des Zeichens und vor der Festlegung der Länge der Gefahrstrecke auf einem Zusatzschild sind die Flugschneisen zu ermitteln) oder militärische Tiefflugschneisen festgelegt sind.
743
§ 40
StVO
Möhl
(7) Besondere Gefahrzeichen vor Übergängen von Schienenbahnen mit V o r r a n g : Zeichen 150 Zeichen 151
Unbeschrankter Bahnübergang
Bahnübergang mit Schranken oder Halbschranken oder folgende drei W a r n b a k e n
etwa 240 m vor dem Bahnübergang Zeichen 153 Zeichen 156
dreistreifige Bake (links) vor beschranktem Bahnübergang
—
etwa 160 m vor dem Bahnübergang Zeidien 159
dreistreifige Bake (rechts) — vor unbeschranktem Bahnübergang — etwa 80 m vor dem Bahnübergang Zeidien 162
zweistreifige Bake (links) einstreifige Bake (rechts) Sind die B a k e n in erheblich abweichenden Abständen aufgestellt, so ist der A b stand in Metern oberhalb der Schrägstreifen in schwarzen Ziffern angegeben. 744
StVO
Z. 150—162; Vorschriftszeichen
§§ 40, 41
Vwv Zu den Zeichen ISO bis 162 Bahnübergang I. Die Baken sind 1000 mm hoch und 300 mm breit. Ihre Unterkante soll 300 mm vom Boden entfernt sein. II. Die Zeichen sollen rückstrahlen. III. Die Zeichen sind in der Regel auf beiden Straßenseiten aufzustellen. IV. Die Zeichen dürfen nur vor Übergängen von Schienenbahnen mit Vorrang verwendet werden. Vgl. auch II zu Zeichen 101. V. In der Regel sind die Zeichen 153—162 anzubringen. Selbst auf Straßen von geringer Verkehrsbedeutung genügen die Zeichen 150 und 151 nicht, wenn dort schnell gefahren wird oder wenn der Bahnübergang spät zu erkennen ist. Amtliche Begründung Zu Zeichen Iii: Es soll nur noch an Übergängen von Schienenbahnen mit Vorrang verwendet werden. Dadurch wird seine Bedeutung sachgemäß erhöht. Vor Industriegleisen wird künftig nur noch durch das Zeichen 101 mit einer Aufschrift auf einem Zusatzschild, wie Industriegleis, gewarnt werden oder durch Zeichen 112.
Erläuterungen
zu Z. 162
Schwere Lastkraftwagen und Züge haben unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar nach der einstreifigen Bake (Z. 162) zu warten; (vgl. § 19 R N r . 4).
§ 41 Vorschriftzeichen (1) Auch Schilder oder weiße Markierungen auf der Straßenoberfläche enthalten Gebote und Verbote. (2) Schilder stehen regelmäßig rechts. Gelten sie nur für einzelne markierte Fahrstreifen (Zeichen 295, 296 oder 340), so sind sie in der Regel darüber angebracht. Die Schilder stehen im allgemeinen dort, wo oder von wo an die Anordnungen zu befolgen sind. Sonst ist, soweit nötig, die Entfernung zu diesen Stellen auf einem Zusatzschild (§ 40 Abs. 2) angegeben. Andere Zusatzschilder enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Besondere Zusatzschilder können etwas anderes bestimmen (zu Zeichen 237, 250, 283, 286 und hinter Zeichen 277). Vwv Zu $ 41
Vorschriftszeidien
I. Die runden Schilder haben, soweit nichts anderes bestimmt ist, einen Durchmesser von 600 mm. Übergrößen sollen verwendet werden, wenn das zweckmäßig ist. II. Es empfiehlt sich vielfach, die durch Vorschriftszeidien erlassenen Anordnungen dem fließenden Verkehr zusätzlich durch bauliche Maßnahmen oder durch Markierungen nahezubringen. III. Vgl. III 6 a) und 8 zu den §§ 39 bis 43. Vorschriftzeichen dürfen allein über der Straße nur dann angebracht sein, wenn sie von innen oder außen beleuchtet sind oder wenn sie so rüdkstrahlen, daß sie auf ausreichende Entfernung auch im Abblendlicht deutlich erkennbar sind. Sonst dürfen sie dort nur zur Unterstützung eines gleichen, rechtsstehenden Verkehrsschildes angebracht werden. IV. Bei Änderungen von Verkehrsregeln, deren Mißachtung besonders gefährlich ist, z. B. bei Änderungen der Vorfahrt, ist für eine ausreichende Übergangszeit der Fahrverkehr zu warnen, z. B. durch Polizeibeamte, durch Hinweise auf der Fahrbahnoberfläche (Nummer 3 vor Zeichen 350) oder durch auffallende Tafeln mit erläuternder Beschriftung. V. Für einzelne markierte Fahrstreifen dürfen Fahrtrichtungen (Zeichen 209 ff.) oder Höchst- oder Mindestgeschwindigkeiten (Zeichen 274 und 275) vorgeschrieben oder das Überholen (Zeichen 276 oder 277) oder der Verkehr (Zeichen 250—253) verboten werden. 1. Strecken- und Verkehrs verböte für einzelne Fahrstreifen werden auf folgende Weise bekanntgemacht:
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Die Schilder sind in der Regel so über den einzelnen Fahrstreifen anzubringen, daß kein Zweifel darüber entstehen kann, für welche Fahrstreifen die einzelnen Schilder gelten; das wird in der Regel nur durdi Fahnenschilder, Schilderbrücken oder Auslegermaste zu erreichen sein. Unter den Schildern Pfeile auf Zusatzschilder anzubringen, die auf die Fahrstreifen weisen, für die die einzelnen Schilder gelten, kann zweckmäßig sein. Kann ein Schild so nicht angebracht werden oder ist das Verbot nur vorübergehend, wie an Baustellen, notwendig, so ist auf der rechten Seite der Straße eine weiße Tafel aufzustellen, auf welcher die Fahrstreifen durch schwarze Pfeile wiedergegeben sind und das Verbotszeichen in der "für Schilder vorgeschriebenen Größe in dem betreffenden Pfeilschaft dargestellt ist. Diese Art der Bekanntgabe ist nur zulässig, wenn Verbote für nicht mehr als zwei Fahrstreifen erlassen werden. Werden die Verbote so erlassen, so sind sie durch die gleichen Schilder mit Entfernungsangabe auf einem Zusatzschild anzukündigen. 2. Bei Schildern der Zeichen 209 bis 214 kann es genügen, wenn die Schilder neben dem Fahrstreifen aufgestellt werden, für den sie gelten. V I . Zusatzschilder zu einem Vorschriftszeichen müssen unmittelbar unter diesem angebracht werden (vgl. aber Zeichen 205); das gilt auch, wo mehrere Vorschriftszeichen angebracht sind. V I I . Soll die Geltung eines Vorschriftszeichens auf eine oder mehrere Verkehrsarten beschränkt werden, so ist vor der sinnbildlichen Darstellung der Verkehrsart oder der Verkehrsarten das Wort „nur" anzugeben. Soll eine Vekehrsart oder sollen Verkehrsarten ausgenommen werden, so ist der sinnbildlichen Darstellung das Wort „frei" anzuschließen. V I I I . Wegen der Angabe von zeitlichen Beschränkungen auf Zusatzschildern vgl. I I I 13 zu den §S 39 bis 43. Übersicht RNr. Amtliche Begründung zu $ 41 (allgemein) 1 und zu Abs. 1 und 2 Erläuterungen zu Abs. 1 und 2 2-4 2 a) Rechtsnatur der Vorsdiriftszeichen 3 b) Wo sind Schilder anzubringen? c) Zusatzschilder und „besondere" 4 Zusatzschilder 5-23 Die einzelnen Zeichen des Abs. 2 1. Warte- und Haltgebote 5-9 a) An Bahnübergängen — Z. 201 5 b) An Kreuzungen und 6-7 Einmündungen Z. 205 — Vorfahrt gewähren! (6), Z. 206 — Halt! Vorfahrt gewähren! (7), c) Bei verengter Fahrbahn — Z. 208 — Dem Gegenverkehr 8 Vorrang gewähren! 2. Vorgeschriebene Fahrtrichtung 9-10 Z. 209, 211, 214 — Rechts, Hier rechts, Geradeaus und rechts 9 10 Z. 220 — Einbahnstraße 3. Vorgeschriebene Vorbeifahrt Z. 222 — Rechts vorbei 11 12-13 4. Haltestellen Z. 224, 226 — Straßenbahnen, 12 Kraftfahrlinien 13 Z. 229 — Taxenstand 5. Sonderwege Z. 237, 239, 241 — Radfahrer, 14 Reiter, Fußgänger 6. Verkehrsverbote 15-17 Z. 250 — Verbot für Fahrzeuge aller Art, Z. 251, 253 — Verbot für Kraftwagen, Verbot für Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t und Zugmaschinen, Z. 262—266 — tat-
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RNr. sächliches Gewicht, Breite, Höhe, Länge (15), Z. 267 — Verbot der Einfahrt (16), Z. 268, 269 — Schneeketten vorgeschrieben, Verbot für Fahrzeuge mit einer Ladung von mehr als 3000 1 wassergefährdender Stoffe (17) 7. Streckenverbote 18-21 Z. 274 — Zulässige Höchstgeschwindigkeit (Anlage: V O vom 24. 3. 72 (Höchstgeschwindigkeits-V)) (18), Z. 275 — Zulässige Mindestgeschwindigkeit (19), Z. 276, 277 — Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art, für LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t sowie alle L K W und Zugmaschinen mit Anhängern (20), Z. 278—282 — Ende der Stredsenverbote (21) 8. Haltverbote 22-23 Z. 283, 286 — Haltverbot, eingeschränktes Haltverbot (22), Z. 290—292 — Zonenhaltverbot (23) (3)
(4)
Markierungen 1. Fußgängerüberweg — Z. 293 2. Haltlinie — Z. 294 3. Fahrstreifenbegrenzung und Fahrbahnbegrenzung — Z. 295 4. Einseitige Fahrstreifenbegrenzung — Z. 296 5. Pfeile auf der Fahrbahn — Z. 297 6. Sperrflächen — Z. 298 7. Parkflächenmarkierungen 8. Grenzmarkierung für Parkverbote — Z. 299 Vorübergehende begrenzung
Fahrstreifen-
24-32 24 25 26 27 28 29 30 31 32
V o r s c h r i f t s z e i d i e n — rechtl. B e d e u t u n g
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Amtliche Begründung Zu $ 41 Der Paragraph ist ungewöhnlich umfangreich. Daraus die Forderung ableiten zu wollen, ihn in verschiedene Paragraphen aufzuteilen, hieße den Aufbau des II. Abschnitts verkennen. Die Aufteilung dieses Abschnitts in Paragraphen ist eine bloße Konzession an das, was sonst in Gesetzen üblich ist, und auch an den Aufbau des I. Abschnitts des Entwurfs. Sie ist zugleich eine die Lesbarkeit des Verordnungszwecks erheblich verbessernde Abweichung vom Aufbauprinzip der StVO (alt), die ja den gesamten Verkehrszeichenteil, ohne Unterteilung in Paragraphen und ohne in die Augen fallende Übersichtlichkeit, in ihrer Anlage zusammenfaßte. Die Aufteilung in Paragraphen ist sonst dazu da, die Gesetze lesbar zu machen. Diese Lesbarkeit wird hier auf andere, weit wirkungsvollere Weise durch die eingestreuten Abbildungen der Zeichen erreicht. Wer sich beruflich mit der Lektüre von Gesetzen befaßt, der muß freilich etwas umlernen, denn ein Gesetz in Form eines Bilderbuchs mit beigegebenem Text gibt es bisher nicht. Auch der fachkundige Leser wird sich leicht hineinfinden. Er muß sich ebenso, wie es der laienhafte Leser ohne weiteres tut, nach den Zeichen richten. Der diesen jeweils beigegebene Text ist möglichst knapp gehalten und daher leicht zu überschauen. Selbstverständlich muß die Reihenfolge der Zeichen geordnet sein, wenn Lesbarkeit und Übersichtlichkeit erreicht werden sollen. Dem ist Rechnung getragen. Unter den Schildern werden im Prinzip die reinen Gebotszeichen vorangestellt; die Zeichen gemischten Charakters folgen und den Schluß bilden die reinen Verbotszeichen. Darüber hinaus werden diese Gruppen im Absatz 2 nach sachlichen Gesichtspunkten unterteilt. Gebotszeichen sind Warte- und Haltgebote (Nummer 1), die Zeichen für vorgeschriebene Fahrtrichtung (Nummer 2) und vorgeschriebene Vorbeifahrt (Nummer 3). Zeichen mit Mischcharakter sind die Haltestellenzeichen (Nummer 4) und die Zeichen für Sonderwege (Nummer 5). Die Verbotszeichen sind unterteilt in Verkehrsverbote (Nummer 6), in Streckenverbote (Nummer 7) und in Halteverbote (Nummer 8). Der Absatz 2 bringt zunächst die Schilder, der Absatz 3 die wenigen Fahrbahnmarkierungen mit Anordnungscharakter. Zu Absatz 1: Der Absatz wiederholt das, was nun schon seit Jahrzehnten gilt, daß nämlich die Gebote und Verbote nicht durch eine dahinter stehende Verordnung, sondern durch die bloße Aufstellung des Zeichens erlassen werden. Wie der Bundesgerichtshof zutreffend bemerkt (4. 12. 1964 VerkMitt. 1965 Nr. 15), steht der Bundesminister für Verkehr von jeher auf dem Standpunkt, daß die amtlichen Vorschriftzeichen nicht die rechtliche Natur von Rechtsverordnungen haben. Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung mit überzeugenden Gründen beigetreten; er verweist vor allem mit Recht auf die Funktionsgleichheit aller verkehrsregelnder Maßnahmen, die eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung der Weisungen und Zeichen der Polizeibeamten und der Farbzeichen (jetzt: Lichtzeichen) einerseits und der Verkehrszeichen und -einrichtungen andererseits, wie sie in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur häufig vertreten wird, verbietet. Da zudem auch die überwiegende Mehrzahl der Vertreter dieser gegnerischen Auffassung im Ergebnis die Rechtsgültigkeit regelnder Verkehrszeichen und -einrichtungen nicht in Zweifel zieht, sieht sich der Bundesminister für Verkehr nicht veranlaßt, sich durch Ergänzungen des § 6 StVG eine Subdelegationsbefugnis geben zu lassen. Zu Absatz 2: Der Absatz macht zunächst wieder bekannt, wo die Schilder stehen. Dann wird ausgesprochen, daß sie dort (oder von dort an, nämlich bei Streckenverboten und bei Haltverboten) zu befolgen sind, wo sie stehen. Die letzten Sätze der einleitenden Bemerkungen dienen dem Zweck, die Zusatzschilder zu Vorschriftzeichen im Interesse der Eindeutigkeit des Rechtsbefehls tunlichst zu beschränken. a) Rechtliche Bedeutung der Vorschriftszeidien (Abs. 1) D i e in d e r alten S t V O k l a r e r als „ G e b o t s - u n d V e r b o t s z e i c h e n " b e z e i c h n e t e n V e r k e h r s zeichen h e i ß e n n u n m e h r „ V o r s c h r i f t s z e i c h e n " . I m G e g e n s a t z z u d e n G e f a h r z e i c h e n des § 40 e n t h a l t e n sie A n o r d n u n g e n , d e r e n M i ß a c h t u n g b u ß g e l d b e d r o h t ist. W a s in § 39 allgemein z u r rechtlichen B e d e u t u n g d e r V e r k e h r s z e i c h e n gesagt w u r d e , gilt auch f ü r sie; (s. § 39 R N r . 3—5). D a r n a c h sind sie V e r w a l t u n g s a k t e in d e r F o r m d e r A l l g e m e i n v e r f ü g u n g e n . Sie w e r d e n r e c h t s w i r k s a m d u r c h die o r d n u n g s g e m ä ß e A u f s t e l l u n g d e r Zeichen u n d A n bringung der Markierungen. Verkehrszeichen u n d Markierungen k ö n n e n rechtswirksam n u r von den zuständigen Behörden an öffentlichen Wegen angebracht werden. Die V o r aussetzungen f ü r die A n b r i n g u n g d e r Zeichen u n d die Z u s t ä n d i g k e i t sind in § 45 sowie in d e r V w v z u § 39 — § 41 geregelt. W e r d e n Bilder, die d e n V e r k e h r s z e i c h e n ä h n e l n , v o n P r i v a t e n an P r i v a t w e g e n a n g e b r a c h t , d a n n sind sie z w a r rechtlich nicht b e d e u t u n g s l o s , sie
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sind aber keine bußgeldbewehrten Anordnungen'). Daß Abs. 1 mit „Audi" beginnt, ist zunächst verwirrend, weil die im vorausgehenden § 40 beschriebenen Gefahrzeichen gerade keine Gebote und Verbote enthalten. Das „Auch" bezieht sich auf Teil I der StVO und auf §§ 36—38. Es stellt den Zusammenhang her mit den übrigen Anordnungen der StVO. 3
b) Wo sind die Schilder anzubringen? (Abs. 2) Zur Frage des Geltungsbereichs der Verkehrszeichen s. § 39 R N r . 5. Was über den Ort der Aufstellung in § 40 ausgeführt wurde, gilt im wesentlichen auch hier; (s. § 40 R N r . 4). Wie nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 für jeden von mehreren Fahrstreifen ein eigenes Lichtzeichen gegeben werden kann, können Anordnungen für einzeln markierte Fahrstreifen auch durch Verkehrszeichen gegeben werden. Während die Schilder sonst in der Regel rechts stehen, sind sie in diesem Falle über den einzelnen Fahrstreifen anzubringen. Im Gegensatz zu den Gefahrzeichen, die außerhalb geschlossener Ortschaften im allgemeinen 150 bis 250 m vor den Gefahrstellen stehen, stehen die Vorschriftszeichen innerund außerorts im allgemeinen dort, wo oder von wo aus an die Anordnung zu befolgen ist. Erscheint es zweckmäßig, Vorsdiriftszeichen ausnahmsweise in einer größeren Entfernung vor dieser Stelle anzubringen, dann ist die Entfernung auf einem Zusatzschild anzugeben. Wo die Vorsdiriftszeichen im einzelnen anzubringen sind, wird bei diesen und in der zugehörigen Vwv gesagt. Mit der Frage, wie Strecken und Verkehrsverbote für einzelne Fahrstreifen bekannt gemadit werden, befaßt sich V der Vwv zu § 41. I V der Vwv zu § 41 weist die Verkehrsbehörden an, bei Änderung von Verkehrsregeln, deren Mißaditung besonders gefährlich ist, z. B. bei Änderung der Vorfahrt, für eine ausreichende Übergangszeit den Fahrverkehr in angemessener Weise zu warnen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nadi, dann kommt eine Staatshaftung in Frage 2 ).
4
c) Zusatzschilder und „besondere" Zusatzschilder Abs. 2 S. 3 und 4 enthalten einen wichtigen Grundsatz. Der Geltungsbereich der Vorsdiriftszeidien kann grundsätzlich nicht durch Zusatzschilder erweitert, sondern nur beschränkt oder mit Ausnahmen versehen werden. Nur in den in S. 4 aufgeführten Ausnahmefällen können „besondere" Zusatzschilder etwas anderes bestimmen als die Zeichen ohne Zusatzschild anordnen würden. Es sind dies die Zeichen 237 (Radfahrer), 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art), 283 (Haltverbot), 286 (eingeschränktes Haltverbot) und hinter Z. 277 (Überholverbot). Zur Frage der rechtlichen Bedeutung und Auslegung von Zusatzsdiildern s. § 39 R N r . 7. Dort wird auch der von der Rechtsprechung eingehend erörterte Begriff des „Anliegerverkehrs" behandelt. III 16. der Wwv zu § 39 weist darauf hin, daß Zusatzsdiilder, wenn irgend möglich, nitht beschriftet werden sollen, sondern nur Sinnbilder zeigen sollen. Zur Frage der Sinnbilder s. § 39 R N r . 8. Die einzelnen Zeichen des Abs. 2 Vorbemerkung: Nach § 53 Abs. 3 können bis 1. 1. 73 anstelle der neuen, die entsprechenden alten Zeichen verwendet werden: Statt Z. 206 das frühere Bild 30 a der Anlage zur StVO 1937, statt Z. 220 — Bild 28, statt Z. 229 — Bild 31, statt Z. 241 — Bild 17 b, statt Z. 251 mit Zusatzschild — Bild 15, statt Z. 253 — Bild 13 a, statt Z. 277 — Bild 21 b mit Zusatztafel „LKW, Sattelkraftfahrzeuge und Züge", statt Z. 278 — Bild 21 mit Zusatztafel „Ende", statt Z. 280 — Bild 21 b mit Zusatztafel „Ende", statt Z. 281 — Bild 21 b mit Zusatztafel „LKW, Sattelkraftfahrzeuge und Züge" „Ende", statt Z. 286 — Bild 23. ' ) Zur Frage der Verkehrsbeschränkungen Forstwegen: Gräf, D A R 69, 202.
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an
2
) Anders nach der früheren Rechtslage: B G H ( Z ) 8. 4. 70, VerkMitt. 70, 49.
StVO § 41
Warte- und Haltgebote — Z. 201
1. Warte- und Haltgebote a) An Bahnübergängen: Zeichen 201
(auch liegend) Andreaskreuz
Es befindet sich vor dem Bahnübergang, und zwar in der Regel unmittelbar davor. Ein Blitzpfeil in der Mitte des Andreaskreuzes zeigt an, daß die Bahnstrecke elektrische Fahrleitung hat. Ein Zusatzschild mit schwarzem Pfeil zeigt an, daß das Andreaskreuz nur für den Straßenverkehr in Richtung dieses Pfeiles gilt. Zu Zeichen 201 Andreaskreuz I. Das Zeichen ist mit den Maßen der Anlage 4 Bild 1 zur Eisenbahn-Bau- und Betriebs-Ordnung auszuführen. II. Das Zeichen soll voll riibestrahlen. III. Die Andreaskreuze sind in der Regel möglichst nahe, aber nicht weniger als 2,50 m vor der äußeren Schiene aufzustellen. Davon soll nur aus zwingenden Gründen abgewidien werden. IV. Andreaskreuze sind am gleichen Pfosten wie Blinklichter oder Lichtzeichen anzubringen, und zwar unter diesen. V. Vgl. I I I 14 a) ff) zu den §§ 39 bis 43. VI. Wo in den Hafengebieten den Schienenbahnen Vorrang gewährt werden soll, müssen Andreaskreuze an allen Einfahrten aufgestellt werden. Vorrang haben dann auch Schienenbahnen, die nicht auf besonderem Bahnkörper verlegt sind. VII. Weitere Sicherung von Obergängen von Schienenbahnen mit Vorrang 1. Wegen der ständig zunehmenden Verkehrsdichte auf den Straßen ist die technische Sicherung der bisher nicht so gesicherten Bahnübergänge anzustreben. Besonders ist darauf zu achten, ob Bahnübergänge infolge Zunahme der Verkehrsstärke einer technischen Sicherung bedürfen. Anregungen sind der höheren Verwaltungsbehörde vorzulegen. 2. Auf die Schaffung ausreichender Sichtflächen an Bahnübergängen ohne technische Sicherung ist hinzuwirken. Wo solche Obersicht fehlt, ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang angemessen zu beschränken. Die Zeichen 274 sind in der Regel über den zweistreifigen Baken (Zeichen 159) anzubringen (vgl. jedoch Nummer 5). 3. Auf Straßen mit nicht unerheblichem Fahrverkehr ist von den dreistreifigen Baken (Zeichen 153 und 156) ab der für den Gegenverkehr bestimmte Teil der Fahrbahn durch Leitlinien (Zeichen 340) zu markieren, jedoch an gefährlichen Stellen, vor Halbschranken bei ausreichender Straßenbreite stets, von den zweistreifigen Baken (Zeichen 159) ab mindestens durch einseitige Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 296) für die Fahrtrichtung A. Daneben kann es sich dann aber auch empfehlen, das Oberholen durch Zeichen 276, die in der Regel über den zweistreifigen Baken (Zeichen 159) anzubringen sind, zu verbieten. 4. Vor technisch nicht gesicherten Obergängen von Schienenbahnen mit Vorrang ist jedes Oberholen, wenn die Straße dazu breit genug wäre, durch Zeichen 276 zu verbieten oder durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295 oder 296) unmöglich zu machen, und zwar auch dann, wenn der Fahrverkehr auf der Straße ganz unerheblich ist. Die Fahrstreifenbegrenzung sollte spätestens an der einstreifigen Bake beginnen, sonst mindestens 50 m lang sein; das Oberholverbotszeichen ist spätestens über der zweistreifigen Bake anzubringen, sonst mindestens 100 m vor dem Bahnübergang. 5. Wo nach § 19 Abs. 3 Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewidit über 7,5 t und Züge schon unmittelbar nach der einstreifigen Bake warten müssen, empfiehlt es sich, die Oberholverbotszeichen erst 30 m vor dem Obergang aufzustellen und Fahrstreifenbegrenzungen erst dort beginnen
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zu lassen; eine Geschwindigkeitsbeschränkung von den zweistreifigen Baken (Zeichen 159) ab ist dann unerläßlich. 6. Jedenfalls dort, wo Längsmarkierungen angebracht sind, empfiehlt es sich, auch eine Haltlinie (Zeichen 294), in der Regel in Höhe des Andreaskreuzes, zu markieren. 7. Vgl. auch zu den Zeichen 150 bis 162. 8. Bevor ein Verkehrsschild oder eine Markierung angebracht oder entfernt wird, ist das Bahnunternehmen — für die Bundesbahn deren Betriebsamt — zu hören. VIII. Straßenbahnen und die übrigen Sdiienenbahnen (Privatanschlußbahnen): 1. Ober die Zustimmungsbedürftigkeit der Aufstellung und Entfernung von Andreaskreuzen vgl. I I I zu § 45 Abs. 1. Außerdem sind, soweit die Aufsicht über die Bahnen nicht bei den obersten Landesbehörden liegt, die für dieAufsicht zuständigen Behörden zu beteiligen; sind die Bahnen Zubehör einer bergbaulichen Anlage, dann sind auch die obersten Bergbaubehörden zu beteiligen. 2. Der Vorrang darf nur gewährt werden, wenn eine solche Schienenbahn auf besonderem Bahnkörper verlegt ist, dies auch dann, wenn der besondere Bahnkörper innerhalb des Verkehrsraums einer öffentlichen Straße liegt. Eine Schienenbahn ist schon dann an einem Übergang auf besonderem Bahnkörper verlegt, wenn dieser an dem Übergang endet. Ein besondere Bahnkörper setzt mindestens voraus, daß die Gleise durch ortsfeste, körperliche Hindernisse vom übrigen Verkehrsraum abgegrenzt und diese Hindernisse auffällig kenntlich gemacht sind; abtrennende Bordsteine müssen weiß sein. I X . 1. Straßenbahnen auf besonderem Bahnkörper, der nicht innerhalb des Verkehrsraums einer öffentlichen Straße liegt, ist in der Regel durdi Aufstellung von Andreaskreuzen der Vorrang zu geben. An solchen Bahnübergängen ist schon bei mäßigem Verkehr auf der querenden Straße oder wenn auf dieser Straße schneller als 50 km/h gefahren wird, die Anbringung einer straßenbahnabhängigen, in der Regel zweifarbigen Lichtzeidienanlage (vgl. 5 37 Abs. 2 N r . 3) oder von Schranken zu erwägen. Auch an solchen Bahnübergängen über Feld- und Waldwege sind Andreaskreuze dann erforderlich, wenn der Bahnübergang nicht ausreichend erkennbar ist; unzureichende Übersicht über die Bahnstrecke kann ebenfalls dazu Anlaß geben. 2. a) Liegt der besondere Bahnkörper innerhalb des Verkehrsraums einer Straße mit Vorfahrt oder verläuft er neben einer solchen Straße, so bedarf es nur dann eines Andreaskreuzes, wenn der Schienenverkehr für den kreuzenden oder abbiegenden Fahrzeugführer nach dem optischen Eindruck nicht zweifelsfrei zu dem Verkehr auf der Straße mit Vorfahrt gehört. Unmittelbar vor dem besonderen Bahnkörper darf das Andreaskreuz nur dann aufgestellt werden, wenn so viel Stauraum vorhanden ist, daß ein vor dem Andreaskreuz wartendes Fahrzeug den Längsverkehr nicht stört. Wird an einer Kreuzung oder Einmündung der Verkehr durch Lichtzeichen geregelt, so muß auch der Straßenbahnverkehr auf diese Weise geregelt werden, und das auch dann, wenn der Bahnkörper parallel zu einer Straße in deren unmittelbarer Nähe verläuft. Dann ist auch stets zu erwägen, ob der die Schienen kreuzende Abbiegeverkehr gleichfalls durch Lichtzeichen zu regeln oder durch gelbes Blinklicht mit dem Sinnbild einer Straßenbahn zu warnen ist. b) H a t der gleichgerichtete Verkehr an einer Kreuzung oder Einmündung nicht die Vorfahrt, so ist es kaum je zu verantworten, der Straßenbahn Vorrang zu geben.
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b) An Kreuzungen und Einmündungen: Zeichen 205
Vorfahrt gewähren! Das Schild steht unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung. Es kann durch dasselbe Schild mit Zusatzschild (wie „100 m") angekündigt sein. Wo Schienenfahrzeuge einen kreisförmigen Verkehr kreuzen, an Wendeschleifen oder ähnlich geführten Gleisanlagen von Schienenbahnen, enthält das Zeichen mit dem Sinnbild einer Straßenbahn auf einem darüber angebrachten Zusatzschild das Gebot: „Der Schienenbahn Vorfahrt gewähren!". 750
Warte- und Haltgebote — Z. 205, 206
Zu Zeichen 205 Vorfahrt
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gewähren!
I. Das Zeichen hat Seitenlängen von je 900 mm, gerechnet von den Schnittpunkten der Seitenlinien. II. Jedenfalls auf Straßen mit erheblicherem Verkehr müssen die Schilder rückstrahlen oder, solange Beleuchtung erforderlich ist (§ 17 Abs. 1), von innen oder außen beleuchtet sein. III. Ist neben einer durchgehenden Fahrbahn ein Fahrstreifen angebracht, welcher der Einfädelung des einmündenden Verkehrs dient (Beschleunigungsstreifen), darf das Zeichen nur vor dem Beginn des Beschleunigungsstreifens stehen. Vgl. I I I zu Zeichen 340. IV. Ober Kreisverkehr vgl. I X zu den Zeichen 209 bis 214. V. Außerhalb geschlossener Ortschaften muß das Zeichen auf Straßen mit schnellerem oder stärkerem Verkehr in einer Entfernung von mindestens 100 bis 150 m durch dasselbe Zeichen mit der Entfernungsangabe auf einem Zusatzschild angekündigt werden. Innerhalb geschlossener Ortschaften kann es auf kurze Entfernung so angekündigt werden.
Amtlidie Begründung
Zu Zeichen 205: Das Zeichen, das bisher die Bezeichnung „Vorfahrt achten!' hatte, ist mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die die Rechtsprechung mit dem sogenannten vereinsamten Dreieckszeichen hat, „aufgewertet" worden. Das Zeichen ordnet nunmehr in Obereinstimmung mit dem Weltabkommen an, daß Vorfahrt zu „gewähren" sei. Die bisherige Regelung, die die Gültigkeit des Gebots von zureichender Doppelbeschilderung abhängig gemacht hat, kann nicht aufrechterhalten werden; praktisch wird es auch übrigens in Zukunft nur solche Doppelbeschilderung geben. Die neue Regelung sichert besser.
Zeidien 206 (mit schmalem, weißem Rand)
7
Halt! Vorfahrt gewähren!
Das unbedingte Haltgebot ist dort zu befolgen, wo die andere Straße zu übersehen ist, in jedem Fall an der Haltlinie (Zeichen 294). Das Schild steht unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung. Das Haltgebot wird außerhalb geschlossener Ortschaften angekündigt durch das Zeichen 205 mit Zusatzschild STOP 100 m
Innerhalb geschlossener Ortschaften kann das Haltgebot so angekündigt sein. Der Verlauf der Vorfahrtstraße kann durch ein Zusatzschild zu den Zeichen 205 und 206
ra i bekanntgegeben sein. 751
§ 41
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Vwv Zu Zeichen 206 Haiti Vorfahrt gewähren! I. Die parallelen Seiten des Zeichens haben voneinander einen Abstand von 900 mm, bei Übergrößen von 1050 mm. Die Buchstabenhöhe beträgt ein Drittel der Schildhöhe, die Sdiriftstärke ein Siebentel der Buchstabenhöhe (Engschrift). Die Stärke des weißen Randes entspricht der Strichstärke. II. Das Zeichen muß stets voll rüdcstrahlen oder, solange Beleuchtung erforderlich ist (§ 17 Abs. 1), von innen oder außen beleuchtet sein. III. In der Regel ist eine Haltlinie (Zeichen 294) anzubringen, und zwar dort, wo der Wartepflichtige die andere Straße übersehen kann. Ist es nicht möglich, die Linie dort anzubringen, so empfiehlt sich die Fahrbahnmarkierung „STOP" (Nummer 3 vor Zeichen 350) unmittelbar vor dem Rand der anderen Straße. Diese Fahrbahnmarkierung kann auch zusätzlich zu der Haltlinie zweckmäßig sein. IV. Das Zeidien muß außerhalb gesdilossener Ortschaften mindestens 100 bis 150 m vor der Kreuzung oder Einmündung angekündigt werden. Zu den Zeidien 20! und 206 I. Die Zeichen müssen unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung stehen. II. Als negatives Vorfahrtzeichen ist in der Regel das Zeidien 205 zu wählen. Das Zeichen 206 ist nur dann aufzustellen, wenn 1. die Sichtverhältnisse so schlecht sind oder die Straße mit Vorfahrt so stark befahren wird, daß die meisten halten, oder wenn es 2. wegen der örtlichkeit (Einmündung in einer Innenkurve oder in eine besonders schnell befahrene Straße) schwierig ist, die Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der anderen Straße zu beurteilen, oder wenn es 3. sonst aus Gründen der Sicherheit notwendig erscheint, einen Wartepflichtigen zu besonderer Vorsicht zu mahnen (z. B. in der Regel an der Kreuzung zweier Vorfahrtstraßen). Anhaltspunkte bieten oft die Unfalluntersuchungen. Ergeben diese, daß die Unfälle darauf zurückzuführen sind, daß die W a r t e p f l i c h t e n die Kreuzung übersehen oder ihre Wartepflicht nicht erfaßt haben, so ist eine Verbesserung der optischen Führung anzustreben. Haben die Unfälle andere Ursachen, so empfiehlt es sich häufig, das Zeichen 206 aufzustellen, wenn nicht die Errichtung einer Lichtzeichenanlage angezeigt ist. III. Eine Beleuchtung der negativen Vorfahrtzeichen ist an Kreuzungen außer in den Fällen VI zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 und 2 immer dann geboten, wenn eine Straße mit Wartepflicht eine Straßenbeleuchtung hat, die den Eindruck einer durchgehenden Straße entstehen läßt. Eine Beleuchtung empfiehlt sich auch, wenn die Beleuchtungsverhältnisse in der Umgebung so sind, daß die Erkennbarkeit der Zeichen beeinträchtigt ist. Vgl. auch III 6 b) zu den §§ 39 bis 43. IV. Übergrößen sind überall dort in Erwägung zu ziehen, wo der Verkehr besonders wegen seiner Schnelligkeit, negative Vorfahrtzeichen nicht erwartet. V. Wo eine Lichtzeichenanlage steht, sind die Zeichen in der Regel unter oder neben den Lichtzeichen am gleichen Pfosten anzubringen. VI. Kreuzt eine Straße mit Wartepflicht eine Straße mit Mittelstreifen, so ist zu prüfen, ob zusätzlich zu den vor der Kreuzung stehenden Zeichen 205 oder 206 auf dem Mittelstreifen ein Zeichen 205 aufgestellt werden soll, um an die Wartepflicht vor der zweiten Richtungsfahrbahn zu erinnern. VII. Die Beschilderung von Kreuzungen und Einmündungen 1. Jede Kreuzung und Einmündung, in der vom Grundsatz „Rechts vor Links" abgewichen werden soll, ist sowohl positiv als auch negativ zu besdiildern, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb gesdilossener Ortschaften. Ausgenommen sind nur Feld- und Waldwege; aber auch sie sind zu beschildern, wenn der Charakter des Weges für Ortsfremde nicht ohne weiteres zu erkennen ist; dabei wird häufig die negative Beschilderung genügen. Solch einseitige Beschilderung darf an sonstigen Kreuzungen und Einmündungen allenfalls dann erwogen werden, wenn sich Kreuzungen und Einmündungen häufen und darum positive und negative Vorfahrtzeichen so dicht aufeinander folgen, daß ortsfremde Verkehrsteilnehmer verwirrt würden. Zuvor ist in solchen Fällen zu erwägen, ob nicht auf andere Weise abgeholfen werden kann, z. B. durch Einführung wegführender Einbahnstraßen, bei einem unbedeutenden Seitenweg durch Gestaltung der Einmündung nach Art einer Grundstücksausfahrt. 2. Endet eine Vorfahrtstraße oder kann einer weiterführenden Vorfahrtstraße (vgl. dazu II 6 a) zu Zeichen 306 und 307) oder einer Straße, auf der an mehreren vorausgehenden Kreuzungen und Einmündungen hintereinander das Zeichen 301 aufgestellt ist, an einer Kreuzung oder Einmündung die Vorfahrt nicht gegeben werden, so ist stets ein negatives Vorfahrtzeichen aufzustellen. Dieses ist außerhalb geschlossener Ortschaften dann stets anzukündigen, innerhalb geschlossener Ortschaften jedenfalls dann, wenn der Verkehr nicht durch Lichtzeichen geregelt ist. Das negative Vorfahrtzeichen soll dann jeweils auf beiden Seiten der Straße aufgestellt und gegebenenfalls über der Fahrbahn wiederholt werden. Auch seine zusätzliche Wiedergabe auf der Fahrbahn (vgl. Nummer 3 vor Zeidien 350)
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Warte- und H a l t g e b o t e — Z. 205—208
§ 41
kann in Frage kommen. Solch verstärkte Kennzeichnung sowie die Ankündigung der Wartepflicht durch negative Vorfahrtzeichen mit Entfernungsangabe ist darüber hinaus auf Straßen mit schnellerem und stärkerem Verkehr, insbesondere mit stärkerem Lastkraftwagenverkehr sowie dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Verkehr eine solche Regelung nicht erwartet. 3. Vgl. auch II—IV zu $ 8 Abs. 1. 4. Zusatzschild „abknickende Vorfahrt*. Das Zeichen ist 500 mm hoch und 500 mm breit. Über die Zustimmungsbedürftigkeit vgl. III. 1 a) zu $ 45 Abs. 1; über abknickende Vorfahrt vgl. ferner II. 4 zu den Zeichen 306 und 307 und IV. zu Zeichen 301. Amtliche Begründung Zu Zeichen 206: Das bisherige dreieckige Haltgebotsschild (Bild 30 a alt) kann nicht beibehalten werden, weil es international unbekannt ist. Die Mehrheit auch der europäischen Länder hat für das achteckige Schild gestimmt, das sich außerhalb Europas in langen Jahren bewährt hat. Die Ausgestaltungsvorschrift (»mit schmalem, weißen Rand") ist hier unentbehrlich, weil ein weißer oder gelber Rand im Europäischen Zusatzabkommen hier ausdrücklich gefordert wird. Auch hier wird, wie bei Zeichen 205, das Gebot »Vorfahrt achten!* zu dem Gebot »Halt! Vorfahrt gewähren!" erweitert. Im übrigen ist die Bedeutung gleich der des alten Zeichens. Das Ankündigungszeichen fällt als einziges aus dem System, wonach Zeichen und Ankündigungszeichen gleich sein müssen. Es ist international vereinbart und muß außerhalb wie innerhalb geschlossener Ortschaften so aussehen. Die Entfernungsangabe auf dem Zusatzschild ist nur ein Beispiel; die sonst übliche Diktion (wie »100 m") mußte hier aus redaktionellen Gründen wegbleiben. Erläuterungen
zu Z. 206
Z. 206 gebietet nicht nur »Halt!", sondern auch „Vorfahrt gewähren!". D a aber die Vorfahrt abschließend in § 8 geregelt ist, verstößt derjenige, der nicht hält und dabei die Vorfahrt verletzt, gegen § 41 in Tateinheit m i t § 8 3 ). Das Zeichen kann mit Rechtswirksamkeit nur an einer Stelle aufgestellt werden, an der ein Vorfahrtsfall nach § 8 eintreten kann. Das ist z. B. nicht der Fall bei der Einmündung eines besonderen Bahnkörpers in eine öffentliche Straße 4 ). W o z u halten ist ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 2. D e r Fahrzeugführer m u ß dort übersehen k ö n n e n , ob er einen Vorfahrtsberechtigten gefährdet oder wesentlich behindert*). Zusätzlich kann durch eine Haltlinie (Z. 294) angeordnet werden, w o zu halten ist. Wie lange z u halten ist sagt das Gesetz nicht. Es hängt v o m Einzelfall ab. Allerdings m u ß für die übrigen Verkehrsteilnehmer erkennbar sein, daß der Haltepflichtige anhält, damit sie sidi darnach richten können*). Zur „Abknickenden Vorfahrt" s. § 8 R N r . 24—27.
c) Bei verengter Fahrbahn: Zeichen 208
D e m Gegenverkehr Vorrang gewähren! Zu Zeichen 208 dem Gegenverkehr
Vorrang
gewährenI
I. Am anderen Ende der Verengung muß das Zeichen 308 aufgestellt werden. II. Die Zeichen 208 und 308 dürfen nur verwendet werden, wo für die Begegnung mehrspuriger Fahrzeuge nicht genügend Raum und die Verengung beiderseits überschaubar ist. Sonst kommt z. B. die Errichtung einer Einbahnstraße (Zeichen 220) oder die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen in Be3 4
) BayObLG 19. 8. 58, DAR 59, 50. ) Hamm 28. 7. 66, VerkMitt. 67, 7 = DRspr. II (291) 151 b.
48 StVO + StGB
») Vgl. für die frühere Rechtslage: Düsseldorf 28. 1. 70, VRS 39, 292. «) A. M. Düsseldorf 6. 9. 61, VerkMitt. 62, 35.
8
§ 41
StVO
Möhl
tracht. Lichtzeichen sind in der Kegel dann nicht zu entbehren, wenn auch nur zu gewissen Tageszeiten starker Verkehr herrscht. III. Welcher Fahrtrichtung der Vorrang einzuräumen ist, ist auf Grund der örtlichen Verhältnisse und der beiderseitigen Verkehrsmenge zu entscheiden. Bei einseitiger Straßenverengung sollte im Zweifel dieselbe Rechtslage geschaffen werden, die nach § 6 an vorübergehenden Hindernissen besteht. IV. Der wartepflichtige Verkehr soll, der Verkehr mit Vorrang kann durch ein Gefahrzeichen für verengte Fahrbahn (z. B. Zeichen 120) gewarnt werden. Erläuterungen
zu 2 .
208
Das Gebot, dem Gegenverkehr „Vorrang" zu gewähren, verbietet jede Beeinträchtigung des bevorrechtigten Verkehrs. Dieser wird schon dann beeinträchtigt, w e n n audi nur die Besorgnis seiner Beeinträchtigung hervorgerufen wird 7 ). Zur Einräumung des Vorrangs gehört es audi, dem Bevorrechtigten das ungehinderte Verlassen der Engstelle zu ermöglichen 8 ). Wie der nach § 8 Vorfahrtsbereditigte verliert auch der nach Z. 208 Bevorrechtigte seinen Vorrang nicht, w e n n er zu schnell fährt 9 ). Ist allerdings Gegenverkehr bei der Einfahrt des nach Z. 208 Wartepfliditigen in die Engstelle noch nicht sichtbar, dann hat der später auftauchende Gegenverkehr keinen Vorrang 1 0 ).
2. Vorgeschriebene Fahrtrichtung
Q Zeichen
209
Rechts
Zeichen
Hier
211
rechts
& Zeichen
Geradeaus
214
und
rechts
Andere Fahrtrichtungen werden entsprechend vorgeschrieben. Vwv Zu den Zeichen 209 bis 214 Vorgeschriebene Fahrtrichtung I. Die Zeichen stehen an Kreuzungen und Einmündungen. II. Sie dürfen nur aufgestellt werden, wo andere Fahrtrichtungen möglich sind, aber verboten werden müssen. III. In Abweichung von den abgebildeten Grundformen dürfen die Pfeilrichtungen dem tatsächlichen Verlauf der Straße, in die der Fahrverkehr eingewiesen wird, nur dann angepaßt werden, wenn dies zur Klarstellung notwendig ist. IV. Die Zeichen „Hier rechts" und „Hier links" sind hinter der Stelle anzubringen, an der abzubiegen ist, die Zeichen „Rechts" und „Links" vor dieser Stelle. Das Zeichen „Geradeaus" und alle Zeichen mit kombinierten Pfeilen müssen vor der Stelle stehen, an der in eine oder mehrere Richtungen nicht abgebogen werden darf. V. Die Zeichen „Hier rechts" und „Hier links" dürfen nur durch die Zeichen „Rechts" beziehungsweise „Links" angekündigt werden, die anderen Zeichen durch diese selbst. Erforderlichenfalls ist die Entfernung auf einem Zusatzschild anzugeben. VI. Die Zeichen sollen, wenn sie in Verbindung mit Lichtzeichen ohne Pfeile verwendet werden, auch bei Tag von innen beleuchtet sein. Sie sind über oder neben den Lichtzeichen anzubringen. Vgl. auch X 4 und 5 zu S 37 Abs. 2 Nr. 1 und 2. VII. Abbiegeverbote, insbesondere das Verbot des Linksabbiegens, steigern nicht bloß die Leistungsfähigkeit von Kreuzungen, sondern können auch der Sicherheit dienen. Stets ist zuvor auch zu prüfen, 7
) BayObLGSt 63, 112 (23. 365 = VerkMitt. 63, 62 118 b-c. 8 ) BayObLGSt 66, 34 (16. 224 = VerkMitt. 66, 51 144 e.
754
4. 63) = VRS 25, = DRspr. II (291) 3. 66) = VRS 31, = DRspr. II (291)
») BayObLGSt 63, 201 (1. 10. 63) = VerkMitt. 64, 3 = VkBl. 64, 330 = VRS 26, 315 = DRspr. II (291) 115 b; vgl. Saarbrücken 14. 2. 69, VerkMitt. 69, 72 (L). 10 ) BayObLGSt 67, 111 = VerkMitt. 68, 9 = DAR 67, 336 = VRS 34, 139 = DRspr. II (291) 159 e.
StVO
Vorgeschriebene F a h r t r i c h t u n g — Z . 209—220
§ 41
ob nicht an anderer Stelle durch die Verlagerung des Verkehrs neue Schwierigkeiten auftreten. Es kann sich empfehlen, dem unterbundenen Abbiegeverkehr den zweckmäßigsten Weg zu zeigen z. B. durch Zeichen 468. VII. Vgl. auch V 2 zu $ 41 und über die Zustimmungsbedürftigkeit III 1 d) zu § 45 Abs. 1. IX. Kreisverkehr 1. Wo kreisförmigem Verkehr die Richtung vorgesdirieben werden soll, ist gegenüber jeder einmündenden Straße auf der Mittelinsel das Zeichen 211 anzubringen. Erforderlichenfalls ist zusätzlich in den einmündenden Straßen das Zeichen 209 anzubringen; wenn die einmündende Straße tangential auf den Platz zuführt, kann es sich empfehlen, stattdessen das Zeichen „Geradeaus* aufzustellen. 2. Ist der Kreis stark befahren, so ist, soweit der Verkehr nicht sogar durch Lichtzeichen geregelt werden muß, eine Vorfahrtregelung durch Verkehrszeichen erforderlich. An allen Einmündungen ist dann das Zeichen 205 aufzustellen und in der Kreisfahrbahn das Zeichen 301. Auch wenn der Kreis im Zuge einer Vorfahrtstraße liegt, ist deren Benutzern bei der Einfahrt die Vorfahrt zu nehmen. 3. Wenn die Voraussetzungen von II zu § 8 Abs. 1 vorliegen, kann eine Vorfahrtregelung nach dem Grundsatz »Rechts vor Links* in Frage kommen. Diese Möglichkeit ist besonders dann gegeben, wenn der Zufahrende annähernd geradeaus in den Kreis einfahren kann und der im Kreis Befindliche wegen des Abknickens der Kreisfahrbahn an dieser Stelle langsamer fahren muß als der Zufahrende. 4. Straßenbahnen, die die Mittelinsel überqueren, ist regelmäßig die Vorfahrt zu geben (vgl. Zeichen 205). Lichtzeichen sind vorzuziehen. Amtliche Begründung Zu Zeichen 209 bis 214: Die Zeichen 209 und 211 erhalten zur Verdeutlichung zweierlei .Namen*; diese besagen, daß die Zeichen 209 und 214 schon vor der Stelle stehen, an der abzubiegen ist, u. U. sogar erheblich vor ihr, das Zeichen 211 an oder hinter ihr. Erläuterungen
zu Z . 214
B e f i n d e t sich an einer A m p e l k r e u z u n g auch auf d e r l i n k e n F a h r b a h n s e i t e eine A m p e l u n d ist das Z. 214 n u r an d e r r e c h t e n A m p e l a n g e b r a c h t , d a n n k a n n ein F a h r e r d e r l i n k e n F a h r z e u g r e i h e , d e r die rechte A m p e l nicht o d e r n u r u n t e r e r s c h w e r t e n U m s t ä n d e n sehen k a n n , entschuldigt sein, w e n n er nach links abbiegt 1 1 ). D a s Z . 214 k a n n nicht d a d u r c h e r setzt w e r d e n , d a ß in d e r S t r a ß e , in die nicht abgebogen w e r d e n soll, n u r f ü r A b b i e g e r s i d i t b a r ein Z . 267 ( V e r b o t d e r E i n f a h r t ) a n g e b r a c h t w i r d , w ä h r e n d d e r V e r k e h r auf dieser S t r a ß e i m ü b r i g e n nach b e i d e n R i c h t u n g e n zulässig sein soll 1 2 ). Zeichen 220
Es steht parallel zur Fahrtrichtung und schreibt allen Verkehrsteilnehmern auf der Fahrbahn die Richtung vor, Fußgängern jedoch nur, wenn sie Fahrzeuge mitführen.
Zu Zeichen 220 Einbahnstraße I. Das Zeidien ist 300 mm hoch und 800 mm breit. II. Beschilderung von Einbahnstraßen 1. Das Zeichen 220 ist stets längs der Straße anzubringen. Es darf weder am Beginn der Einbahnstraße noch an einer Kreuzung oder Einmündung in ihrem Verlauf fehlen. Am Beginn der Einbahnstraße und an jeder Kreuzung ist es in der Regel beiderseits aufzustellen, wenn aus beiden Richtungen der kreuzenden Straßen Verkehr kommen kann. » ) BayObLG 8. 12. 67, DAR 68, 165.
48 •
12
) BayObLGSt 68, 117 (29. 11. 68) = VRS 37, 143 = VerkMitt. 69, 29 = DRspr. II (291) 175 e.
§ 41 StVO
Möhl
2. Bei Einmündungen (auch bei Ausfahrten aus größeren Parkplätzen) empfiehlt sich die Anbringung des Zeichens 220 gegenüber der einmündenden Straße, bei Kreuzungen hinter diesen. In diesem Fall soll das Zeichen in möglichst geringer Entfernung von der kreuzenden Straße angebracht werden, damit es vom kreuzenden Verkehr leidit erkannt werden kann. Um Ortsfremden die Orientierung über die Vorfahrtverhältnisse zu erleichtern, kann es sich empfehlen, ein positives Vorfahrtzeichen vor einer Kreuzung oder Einmündung auch dann aufzustellen, wenn von dort kein Verkehr kommen kann, weil es sich um eine wegführende Einbahnstraße handelt. 3. In den kreuzenden und einmündenden Straßen sind die Zeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung" (z. B. Zeichen 209, 214) in der Regel nicht zu entbehren. 4. Das Zeichen 353 ist am Beginn der Einbahnstraße dann aufzustellen, wenn das Zeichen 220 dort nicht so angebracht werden kann, daß es für den Einfahrenden leicht erkennbar ist, im Verlauf der Einbahnstraße nur dort, wo deren Benutzern Zweifel auftauchen können, ob der Straßenzug noch immer Einbahnstraße ist. 5. Ist nur ein Teil eines Straßenzuges Einbahnstraße, so ist an deren Ende durch das Zeichen 125 zu warnen, in der Fortsetzung der Straße dem Gegenverkehr z. B. durch das Zeichen 209 die Fahrtrichtung vorzuschreiben; eine Unterstützung durch Fahrbahnmarkierungen (Leitlinien und Pfeile) empfiehlt sich. Wird dagegen die Einbahnstraße bis zum Ende der Straße weitergeführt, so ist der Benutzer der Einbahnstraße nur dann durch das Zeichen 125 zu warnen, wenn sich dies nicht aus der Gestaltung der Ortlichkeit von selbst versteht. Die Einfahrt aus der entgegengesetzten Richtung in die Einbahnstraße ist durch Zeichen 267 zu sperren. Soll auf Einbahnstraßen das Halten auf beiden Seiten untersagt werden, so sind die Zeichen 283 oder 286 beiderseits aufzustellen. III. Straßenbahnverkehr in beiden Richtungen auf der Fahrbahn ist mit dem Sinn und Zweck von Einbahnstraßen nicht zu vereinbaren. IV. Die Einführung von Einbahnstraßen ist erwünscht, weil diese die Sicherheit und die Flüssigkeit des Verkehrs, vor allem auch der öffentlichen Verkehrsmittel fördern, übrigens auch Parkraum schaffen. Allerdings bedarf es in jedem Fall der Abwägung der durch die Einrichtung von Einbahnstraßen berührten Interessen. Es muß insbesondere vermieden werden, daß ortsfremden Kraftfahrern dadurch unangemessen erschwert wird, sich zurechtzufinden; Wegweiser können helfen. In jedem Fall ist darauf zu aditen, daß für den Gegenverkehr eine gleichwertige (Einbahn-)Straßenführung in nicht zu großem Abstand zur Verfügung steht, und es ist endlich zu vermeiden, daß durch diese Maßnahmen die Verkehrsbehinderungen nur auf andere Straßen verlagert werden.
Amtliche Begründune
Zu Zeichen 220: Das Zeichen des Weltabkommens enthält eine Inschrift nicht; es ist aber gestattet, die Beschriftung »Einbahnstraße" einzufügen. Davon wird Gebrauch gemacht, weil sich so den an die Inschrift gewohnten deutsdien Verkehrsteilnehmern besser klarmachen läßt, was das Zeichen bedeutet. Der Text bringt sachlich keine Änderung; er wird systemgerecht hierher überführt. Einbahnstraßen ohne diese Kennzeichnung gibt es künftig nicht mehr. Vgl. auch Zeichen 353.
3. Vorgeschriebene Vorbeifahrt
Zeichen 222
Rechts vorbei „Links vorbei" wird entsprechend vorgeschrieben. Vwv Zu Zeichen 222 Rechts vorbei I. Ist das Zeichen von innen beleuchtet, so darf es innerhalb geschlossener Ortschaften in verkleinerter Ausführung aufgestellt werden, wenn dies zur Raumersparnis, z. B. an Fahrbahnteilern oder sonstigen Verkehrsinseln, geboten ist. Der Durchmesser muß dann aber mindestens 400 mm betragen. II. Es ist wegen der Verwechslungsgefahr mit den Zeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung" streng darauf zu achten, daß die Pfeile genau in einem Winkel von 45° schräg abwärts weisen. III. Die Durchfahrt zwischen zwei in der Fahrbahn liegenden Haltestelleninseln sollte aus Sicherheitsgründen durch das Zeichen „Rechts vorbei" gesperrt werden.
756
Vorgeschriebene Vorbeifahrt — Z. 222; Haltestellen— Z. 224, 226
StVO § 41
IV. Sind in der Mitte der Fahrbahn Inseln oder Fahrbahnteiler erriditet, so ist an ihnen das Zeichen .Rechts vorbei* anzubringen. Diese Anordnungen durch Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) oder Sperrflächen (Zeichen 298) zu unterstreichen, wird sich häufig empfehlen. V. Das Zeichen soll nur verwendet werden, wenn zwischen ihm und dem Verkehrsteilnehmer, an den es sich wendet, Gegenverkehr nicht zugelassen ist. VI. Es widerstrebt dem Sinn der Zeichen, wenn sowohl das Zeichen „Rechts vorbei* als auch das Zeichen „Links vorbei* an einem Hindernis auf der Fahrbahn angebracht werden, um damit darzutun, daß das Hindernis beiderseits umfahren werden darf. Das ist erforderlidienfalls durch geeignete Maßnahmen, wie durch Aufstellung von Absperrbaken mit nach beiden Seiten fallenden Streifen, Anbringung von Fahrbahnmarkierungen und dergleichen deutlich zu machen.
_
,
Amtliche Begründune 8 8
Zu Zeichen 222:
Um deutlich zu machen, daß ein schräg abwärts weisender Pfeil eine andere Bedeutung hat als die in andere Richtungen weisenden, ist dieses Zeichen von den Zeichen 209 bis 214 deutlich abgesetzt worden. Die Namensänderung verdeutlicht es. Das bisherige Zeichen „Kreisverkehr* kann leider nicht beibehalten werden. Es findet sich zwar auch im Weltabkommen, gibt aber im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage dem Verkehr im Kreis nicht die Vorfahrt, sondern soll nur auf die besondere Streckenführung hinweisen. Es ist aus Sicherheitsgründen unmöglich, dasselbe Zeichen mit im entscheidenden Punkt geänderter Bedeutung auch künftig zu zeigen. Wie das Zeichen mit seiner bisherigen Bedeutung durch geeignete Beschilderung ersetzt werden kann, wird die Vwv sagen.
4. Haltestellen Zeichen 224
Zeichen 226
) B a y O b L G S t 59, 77 = VkBl. 59, 371 = V R S 17, 3 0 2 . 1 9 ) So auch schon für die frühere Rechtslage: Celle 12. 6 . 59, V R S 17, 4 5 0 = D R s p r . I I ( 2 9 1 ) 63 d. 2 ») B G H ( Z ) 2 2 . 1. 63, V R S 24, 175 = M D R 8
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63, 4 0 0 = VerkMitt. 63, 4 9 = D A R 63, 193. ) Düsseldorf 2 6 . 3. 64, V R S 27, 3 8 0 = V e r k Mitt. 65, 9 1 . 2 a ) Anders für die frühere Rechtslage: Düsseldorf 1. 11. 53, D A R 53, 2 4 2 . 23) Hamm 8. 5. 64, V R S 28. 138 = VkBl. 6 4 , 616.
21
StVO § 41
Verkehrsverbote — Z. 267—269
Das Zeichen steht auf der rechten Seite der Fahrbahn, für die es gilt, oder auf beiden Seiten dieser Fahrbahn.
Zu Zeichen 267 Verbot der
Einfahrt
I. Das Schild darf so gewölbt sein, daß es auch seitlich erkennbar ist. II. Es muß und darf nur dort aufgestellt werden, wo die Einfahrt verboten, aber aus der Gegenrichtung Verkehr zugelassen ist. Es ist vor allem zu verwenden, um die Einfahrt in eine Einbahnstraße aus entgegengesetzter Richtung zu sperren. III. Für Einbahnstraßen vgl. zu Zeichen 220. Erläuterungen
zu Z.
267
Ist der Fahrzeugverkehr durch Z. 267 (mit Z. 220) in einer Fahrtrichtung verboten, dann umfaßt das Verbot auch das Befahren des Gehwegs in der gesperrten Richtung (abgesehen v o m Verstoß gegen § 2 Abs. I) 24 ). Zeichen 268
Zeichen 269
Schneeketten sind vorgeschrieben
Verbot für Fahrzeuge m i t einer Ladung v o n m e h r als 3 0 0 0 1 wassergefährdender Stoffe
Zu Zeichen 268 Schneeketten
sind
vorgeschrieben
Das Zeichen darf nur gezeigt werden, solange Schneeketten wirklich erforderlich sind. Zu Zeichen 269 Verbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung I. Das Zeichen sollte in der Regel nur auf Anregung der für die Reinhaltung des Wassers zuständigen Behörde aufgestellt werden. Diese ist in jedem Fall zu hören. II. Wassergefährdende Stoffe sind Flüssigkeiten, weldie die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig verändern können, vor allem Erdöl, Benzin, Dieselkraftstoff, Petroleum, Heizöl und Teeröl, aber auch Säuren und Laugen. III. Vgl. auch zu Zeichen 354 und über die Zustimmungsbedürftigkeit III 1 a) zu § 45 Abs. 1.
Amtliche Begründung
Zu Zeichen 268: Das Zeichen ist dem weltweiten Abkommen entnommen. Es kann in den Alpen, aber auch in Mittelgebirgen von Nutzen sein. Zu Zeichen 269: Das Zeichen ist auf europäischer Ebene vorgesehen. Was wassergefährdende Stoffe sind, braucht Tankwagenbesitzern nicht erläutert zu werden; daß als Maß Liter genannt werden, gibt zudem einen Anhaltspunkt. Die Vwv wird sich dazu äußern. Eine untere Grenze zu ziehen, hier 3000 1, ist notwendig. Die Grenzziehung ist nach Anhörung von Sachverständigen erfolgt, die u. a. die Größe der auf dem Markt befindlichen Tankfahrzeuge und die zu Aufräumungsarbeiten vorhandenen Geräte berücksichtigt haben; sie deckt sich mit internationalem Vorschlag.
24
) Hamburg 29. 9. 65, VRS 30, 382 = VerkMitt. 66, 23 = DRspr. II (291) 145 b.
§ 41
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7. Streckenverbote Sie beschränken den Verkehr auf bestimmten Strecken. Zeichen 274
Zulässige Höchstgeschwindigkeit
verbietet, schneller als mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu fahren. Sind durch das Zeichen innerhalb geschlossener Ortschaften bestimmte Geschwindigkeiten über 50 km/h zugelassen, so gilt das für Fahrzeuge aller Art. Zu Zeichen 274 Zulässige Höchstgeschwindigkeit I. Gründe für Geschwindigkeitsbeschränkungen: Geschwindigkeitsbeschränkungen sollten, außer wenn unangemessene Geschwindigkeiten mit Sicherheit zu erwarten sind, nur auf Grund von Verkehrsbeobachtungen oder Unfalluntersuchungen dort angeordnet werden, wo diese ergeben haben, daß 1. für den Fahrzeugführer eine Eigenart des Straßenverlaufs nicht immer so erkennbar ist, daß er seine Geschwindigkeit von sich aus den Straßenverhältnissen anpaßt. Das kann vor allem der Fall sein, a) wenn in Kurven, auf Gefällstrecken mit Kurven und an Stellen besonders unebener Fahrbahn häufiger Kraftfahrzeugführer die Gewalt über ihr Fahrzeug verlieren, ohne durch die Begegnung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zu einer Änderung ihrer Fahrweise gezwungen worden zu sein. An solchen Stellen sollten Geschwindigkeitsbeschränkungen aber nur ausgesprochen werden, wenn Warnungen vor der Gefahrstelle (durch Zeichen 103 oder 105 oder durch Richtungstafeln — vgl. § 43 Abs. 3 Nr. 3 Buchst, b —, durch Zeichen 108 oder durch Zeichen 112) nicht ausreichen. b) wenn an einer Kreuzung oder Einmündung auf der bevorrechtigten Straße so schnell gefahren wird, daß der Wartepflichtige die Fahrzeuge mit Vorfahrt nicht rechtzeitig sehen kann; 2. auf einer bestimmten Strecke eine Verminderung der Geschwindigkeitsunterschiede geboten ist. Das kann vor allem der Fall sein a) außerhalb geschlossener Ortschaften auf einseitig oder beiderseits bebauten Straßen, wo durch den Anliegerverkehr häufiger Unfälle oder gefährliche Verkehrslagen entstanden sind, b) auf Strecken, auf denen längs verkehrende Fußgänger oder Radfahrer häufiger angefahren oder gefährdet worden sind, c) vor Stellen, an denen Verkehrsströme zusammengeführt oder getrennt werden (vgl. auch II zu § 7), d) auf Steigungsstrecken und Gefällstrecken, auf denen große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen langsamer fahrenden Lastkraftwagen und schnellen Personenkraftwagen häufiger zu Unfällen oder gefährlichen Situationen geführt haben, e) in bevorrechtigten Kreuzungszufahrten, wenn für Linksabbieger keine Abbiegestreifen markiert sind, f) außerhalb geschlossener Ortschaften vor Lichtzeichenanlagen; 3. die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten von anderen Verkehrsteilnehmern unterschätzt oder nicht erwartet worden sind. Das kann außerhalb geschlossener Ortschaften vor allem der Fall sein a) in bevorrechtigten Kreuzungszufahrten im Verlauf schnell befahrener Straßen, b) an Kreuzungen und Einmündungen im Zuge von Fahrbahnen mit insgesamt vier oder mehr Fahrstreifen für beide Richtungen, ferner, wenn der auf die Fahrbahn einfahrende oder aus ihr ausfahrende Linksabbieger den durchgehenden Verkehr kreuzen muß oder sonstiger kreuzender Verkehr vorhanden ist, c) auf Strecken, auf denen Fußgänger beim Oberschreiten der Fahrbahn häufiger angefahren worden oder in Gefahr geraten sind. II. Der Umfang der Geschwindigkeitsbeschränkung richtet sich nach der Art der Gefahr, nach den Geschwindigkeiten, die dort gefahren werden und nach den Eigenarten der örtlichkeit, vor allem nach deren optischem Eindruck. Es empfiehlt sich, die zulässige Höchstgeschwindigkeit festzulegen: 1. Im Falle I I a ) auf die Geschwindigkeit, die bei nasser Fahrbahn noch sicher gefahren werden kann; 2. im Falle I I b ) auf die nach den Sichtverhältnissen angemessene Geschwindigkeit;
764
Geschwindigkeitsbeschränkung — Z. 274
StVO
§ 41
3. in den Fällen I 2 a), b), d) und 3 a) auf diejenigen Geschwindigkeiten, die etwa 85 % der Kraftfahrer von sich aus ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen, ohne überwachende Polizeibeamte und ohne Behinderung durch andere Fihrzeuge nicht überschreiten. Erweist sich oder ist mit Sicherheit zu erwarten, daß diese Beschränkung nicht ausreicht, so ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit noch weiter herabzusetzen. Dann bedarf es aber regelmäßiger Überwachung; 4. im Falle I 2 c) sind die Geschwindigkeiten der zusammenführenden oder zu trennenden Verkehrsströme einander anzugleichen; 5. in den Fällen I 2 e), f) und 3 b) auf höchstens 70 km/h; 6. in den Fällen I 3 c) in der Regel auf 50 km/h. Liegt diese Geschwindigkeit erheblich unter der Übung von 85 % der Kraftfahrer und ist eine regelmäßige Überwachung nicht möglich, so darf eine zulässige Geschwindigkeit über 50 km/h allenfalls dann erwogen werden, wenn zusätzlich ein Überholverbot ausgesprochen wird. 7. Als zulässige Höchstgeschwindigkeit dürfen nicht mehr als 100 km/h angeordnet werden. 8. Zulässige Höchstgeschwindigkeiten sollten nur auf volle Zahlen (z. B. 80, 60, 40 km h) festgesetzt werden. III. Beschilderung: Das Zeichen 274 soll so weit vor der Gefahrstelle oder Gefahrstrecke stehen, daß die Fahrzeugführer auch dann noch rechtzeitig auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit verzögern können, wenn sie das Zeichen, z. B. bei Nacht, erst aus geringer Entfernung erkannt haben. Außerhalb geschlossener Ortschaften kann sich eine erhebliche Entfernung empfehlen; sie kann bis zu 150 m betragen. IV. Geschwindigkeitsbeschränkungen für längere Strecken: 1. Sie können sich empfehlen, wenn es aus Sicherheitsgründen erforderlich ist, die Zahl der Überholungen zu vermindern, ein Überholverbot aber einen zu starken Eingriff bedeuten würde (vgl. I 1 zu Zeichen 276). 2. Auf Straßen für beide Richtungen mit insgesamt vier Fahrstreifen ohne Mittelstreifen oder sonstige bauliche Trennung sollte die zulässige Höchstgeschwindigkeit höchstens 90 km/h betragen. 3. Eine dichte Aufeinanderfolge von Strecken mit und ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen oder von Strecken mit solchen Beschränkungen in verschiedener Höhe sollte vermieden werden. Ist zu befürchten, daß wegen häufigen Wechsels der zugelassenen Geschwindigkeiten Unklarheiten auftreten, so ist zu prüfen, ob an einzelnen Stellen auf eine Geschwindigkeitsbeschränkung verzichtet werden kann. Ist das aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht möglich, so empfiehlt es sich, für die Gesamtstrecke eine einheitliche Höchstgeschwindigkeit vorzuschreiben. In diesen Fällen ist allerdings durch regelmäßige Überwachung dafür zu sorgen, daß diese Höchstgeschwindigkeit auch eingehalten wird. 4. Gilt so (Nummer 1 bis 3) die Geschwindigkeitsbeschränkung für eine längere Strecke, so sollte an jenem Zeichen 274 die jeweilige Länge der restlichen Verbotsstrecke auf einem Zusatzschild angegeben werden. V. Auf Autobahnen und Straßen mit schnellem Verkehr empfiehlt es sich, bei starker Herabsetzung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit diese stufenweise herabzusetzen (z. B. auf Autobahnen 100 km/h, dann 80 km/h und dann 60 km/h). Die Geschwindigkeitsstufen sollen je 20 km/h und der Mindestabstand zwischen ihnen dann je 200 m betragen. VI. Ist durch das Zeichen 274 innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geschwindigkeit über 50 km/h zugelassen, so darf das Zeichen nicht mit einem Gefahrzeichen verbunden werden. Die Zulassung von Geschwindigkeiten über 50 km/h empfiehlt sich auf Straßen, die größere Verkehrsbedeutung haben (z. B. Ausfallstraßen) und baulich so gestaltet sind, daß sie dem Kraftfahrer den Eindruck vermitteln, sie dienten in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Der Fußgängerquerverkehr ist durch Lichtzeichen zu schützen; Stangen- oder Kettengeländer können sich empfehlen. An anderen Stellen darf es keinen nennenswerten Fußgängerquerverkehr geben. Fußgängerüberwege (Zeichen 293) dürfen nicht angelegt werden, vgl. II 1 zu § 26. Der Fahrverkehr muß an sämtlichen Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt haben. Auch das Abbiegen sollte weitgehend durch Zeichen 209 ff. (vorgeschriebene Fahrtrichtung) oder auch durch Zeichen 295 (Fahrstreifenbegrenzung) auf der Fahrbahnmitte verboten werden, wenn nicht besondere Fahrstreifen für den Abbiegeverkehr angelegt sind. Höhere Geschwindigkeiten als 70 km/h sollten nicht erlaubt werden. Vgl. II zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 und 2. VII. Wegen Verwendung des Zeichens an Bahnübergängen vgl. VII zu Zeichen 201 und an Arbeitsstellen vgl. IV 2 a) dd) zu § 43 Abs. 3 Nr. 2. _ _ ., , Amtliche Begründung Zw Zeichen 274 bis 282: Die diese Zeichen zusammenfassende Nummer 7 erhält die Überschrift „Streckenverbote". Der Begriff ist neu, aber wohl ohne weiteres verständlich; es handelt sich um Verbote, die für eine bestimmte Strecke gelten, für die .Verbotsstrecke", wie sie im Text genannt wird. Im Vorentwurf wa-
765
§ 41
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ren, an sidi sachgerecht, hier auch die nunmehr unter der folgenden Nummer 8 erwähnten Haltverbote eingereiht. Die Notwendigkeit sie, übrigens wie im Weltabkommen, besonders zu behandeln, ergibt sich daraus, daß die Bedeutung beider Schildergruppen, namentlich die Strecken, für die sie Verbote anordnen, verschieden sind und deshalb ein gemeinsamer Text nur noch schwer lesbar wäre. Soweit die Schilder neu sind, sind sie dem Weltabkommen entnommen.
Zu Zei&en 274: Durch das Zeichen werden entsprechend Satz 2 alle in § 3 Abs. 3 zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten heraufgesetzt, auch die der Nummer 2. Doch dürfen die Fahrzeuge, denen durch Vorschriften der StVZO eine Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben ist, diese auch unter den Voraussetzungen des Satzes 2 nicht überschreiten.
Erläuterungen zu 2 . 274 Während früher § 9 Abs. 4 StVO 1937 innerhalb geschlossener Ortschaften ausnahmsweise eine höhere Geschwindigkeit als 50 km/h zuließ, enthält § 3 hierüber nichts. Der Text zu Z. 274 bestimmt lediglich, daß eine durch Z. 274 dort zugelassene höhere Geschwindigkeit für Fahrzeuge aller Art gilt. Eine Überschreitung dieser ausnahmsweise zugelassenen höheren Geschwindigkeit ist darnach nunmehr eine Ordnungswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Nr. 7 (Z. 274) und nicht nach § 3. Anlage zu Z. 274 Verordnung über die versuchsweise Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen außerhalb geschlossener Ortschaften (Höchstgeschwindigkeits-V) Vom 16. März 1972 (BGBl. I S. 461) Auf Grund des § 6 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Dezember 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 837), zuletzt geändert durch das Kraftfahrsachverständigengesetz vom 22. Dezember 1971 (Bundesgesetzbl. I S. 2086), wird mit Zustimmung des Bundesrates verordnet: S 1 (1) Die Führer von Personenkraftwagen sowie von anderen Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2,8 t dürfen außerhalb geschlossener Ortschaften auch unter günstigsten Umständen nicht schneller als 100 km/h fahren. (2) Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nidit auf Autobahnen (Zeichen 330) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nidit auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben. (3) Soweit Kraftfahrzeuge nadi Absatz 1 Anhänger mitführen, bleibt § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 (Bundesgesetzbl. I S. 1565) unberührt. S 2 Die Straßenverkehrsbehörden können mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die zulässige Höchstgeschwindigkeit nadi § 1 Abs. 1 für die dort genannten Kraftfahrzeuge auf bestimmten Straßen oder Straßenstrecken außerhalb geschlossener Ortschaften durch Zeichen 274 bis auf 120 km/h erhöhen. S 3 Im übrigen bleiben die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung unberührt und gelten entsprechend für diese Verordnung. Die in den §§ 1 und 2 genannten Zeichen sind die der Straßenverkehrs-Ordnung.
766
Höchstges-Benutzen der Standspur zum Überholen s. Kz. 3095 1070
Bei zwei ge21«) trennten Fahrbahnen nidit die rechte Fahrbahn benutzt
ZBS
Soweit nicht § 315 c StGB
->• Einbahnstraße s. Kz. 5560, 5565 ->- Dauerlichtzeichen s. Kz. 5300, 5310 ->-Auf Autobahn/Kraftfahrstraße entgegen der Fahrtrichtung gefahren s. Kz. 3130 Gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen 1100
—bei Gegenverkehr
2111«)
ZBS
—
80—300«)
«) Anfrage KBA «) Soweit nicht § 315 c StGB
1105
—beim Überholtwerden
2 III")
ZBS
—
80—300«)
c) Anfrage KBA e) Soweit nicht § 315 c StGB
860
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
1108 1110
1115
Tatbestand
§§ der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
— in übersieht- 2111«) lidier Kurve — a n Kuppe/in 2 I I 1 e) unübersichtlidier Kurve/ bei sonstiger Unübersichtlichkeit a)
ZBS
30
e
ZBS
80—300 Auf Autobahn/Kraftfahrstraße s. Kz. 3140 1120
Schienenbahn, die in der gleichen Richtung fuhr, nicht durchfahren lassen
2 III
ZBS
1130
Als Radfahrer 2IV unter Verkehrsbehinderung nebeneinander gefahren a )
ZBS
1135
Als Radfahrer/ Benutzer eines Fahrrads mit Hilfsmotor den rechten Seitenstreifen nidit benutzt
ZBS
2IV
a
) TB konkretisieren wegen § 2 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 und 2 StVO
->• Fußgänger mit Fahrzeug s. Kz. 4030, 4040 Geschwindigkeit Zu schnell gefahren 1200
— im Hinblick 3 1 3 e) auf die übersehbare Strecke
ZBS
100»)
c) Anfrage KBA ®) Soweit nicht § 315 c StGB
861
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
1205
— in Kurve
311«)
ZBS
100»)
c) Anfrage KBA e) Soweit nicht § 315 c StGB
1210
— an Straßenkreuzung/ Einmündung
3 1 1 e)
ZBS
30—100 °)
c) Anfrage KBA ®) Soweit nicht § 315 c StGB
1215
— bei schlechten 3 1 2 Straßenverhältnissen/ Sichtverhältnissen/Witterungsverhältnissen
ZBS
20 b)
30—100 »)
b) i. grf. F. c) Anfrage KBA
1220
— in Hinblick 3 1 2 auf persönliche Fähigkeit ^/Eigenschaft des Fahrzeugs»)/ Eigenschaft der Ladung a]
ZBS
20 b)
30—100 °)
»)TB konkretisieren b) i. grf. F. c) Anfrage KBA
1225
— auf schmaler Fahrbahn
ZBS
20 b)
30—100 o)
b) i. grf. F. c) Anfrage KBA
ZBS
10
314
> A m Fußgängerüberweg s. Kz. 4110, 4120 - > An Bahnübergang s. Kz. 3250 An Straßenbahnhaltestelle s. Kz. 3300 ->- Mit Krankenfahrstuhl s. Kz. 3800 1230
862
Zu langsam ge- 3 II fahren und Verkehr behindert a ) e)
а
) TB konkretisieren б) ungefähre km/h-Zahl angeben
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
1240
Tatbestand
SS d e r StVO
Die vorgeschrie- 41 II Nr. 7 bene Mindestgeschwindigkeit (Z. 275) f) von . . . km/h unterschritten 8)
Zustand.
ZBS
StVO Verwarnungsgeld DM 10
Geldbuße DM
_
Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit e) i)
— um nicht mehr als 10 km/h
1255
- um mehr als 10 km/h
1260
- um mehr als 15 km/h
1265
- um mehr als 20 km/h
1270
- um mehr als 25 km/h
1275
- um mehr als 30 km/h
1280
- um mehr als 40 km/h
Bemerkungen
') T E mit S 3 Abs. 2 StVO möglich; s. Kz. 1230 g) Genaue km/hZahl angeben
g) Genaue km/hZahl angeben >) Angeben, ob innerhalb/ außerhalb geschlossener Ortschaft
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von . . . . km/h überschritten 1250
Anh.
ZBS
3 III Nr. 1, bei VerZBS kehrszeichen ZBS i. V. m. 42 I I I ' (Z. 310)/ 3 III Nr. 2/18 V/ ZBS 41 II Nr. 7 (Z. 274)ZBS
10
s) i) s. o.
—
g) i) s. o.
40
St) i) s. o.
60
g)') s. o.
100 o)
c) Anfrage KBA g) i) s. o.
ZBS
150
c) Anfrage KBA g) i) s. o.
ZBS
200 °) d)
e) Anfrage KBA d) F V innerhalb geschlossener Ortschaft i. d. R . g) ¡) s. o.
20
863
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
1285
1290
Möhl §§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
ZBS — um mehr als 3 III 50 km/h Nr. 1, bei Verkehrszeichen i. Y . m. 42 III (Z. 310)/3 III Nr. 2/18 V/ ZBS — um mehr als 41 II 60 km/h Nr. 7 (Z. 274)
Geldbuße DM
Bemerkungen
300 o) d)
c) Anfrage K B A d)FV i . d . R . g) i) s. o.
400 o) d)
c) Anfrage K B A d) F V i . d . R . g) ') s. o. g) Genaue km/hZahl angeben •>) Abstand in mm angeben
Abstand S) h) Keinen genügenden Sicherheitsabstand eingehalten bei einer Geschwindigkeit 1300
— von weniger 4 1 1 als 50 km/h
ZBS
10
g) b) s. o.
1310
— von mehr als 50 km/h
411
ZBS
20
g) !>) s. o.
1320
um nidit 411 mehr als ein Drittel
ZBS
60 c)
- Behindern/ Gefährden eines Schienenfahrzeugs als Linksabbieger an einem Wediselliditzeichen s. Kz. 5290 Halten/Parken im Fahrraum der Schienenbahn s. Kz. 2120, 2470 ->- Falsches Überholen eines Schienenfahrzeugs s. Kz. 1510 Personenbeförderung Personen befördert 3400
— ohne beson- 2 1 1 deren Sitz Nr. 1 ' ) auf Kraftrad
ZBS
10
f) T E mit § 35 a StVZO; vgl. Kz. 7410, 7420
3410
— ohne geeignete Sitzgelegenheit auf Zugmaschine
ZBS
10
f
3420
— i n Wohnwa- 2 1 1 gen hinter Nr. 3 einem Kraftfahrzeug
ZBS
20
3430
Mehr als adit 21 II 1 Personen auf der Ladefläche eines Lkw beförderte)
ZBS
20 b)
Bis zu acht Personen auf der Ladefläche eines Lkw befördert S)
211 Nr. 2 f)
30—100
) T E mit § 35 a StVZO; vgl. Kz. 7400
b) i. grf. F. S) Personenzahl angeben S) Personenzahl angeben
899 57 '
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
3440
Möhl SS der StVO
— ohne daß sie 21 II 1 die Ladung begleiten/auf der Ladefläche arbeiten müssen/ mit einem für den Arbeitgeber eingesetzten Fahrzeug zu ihrer Arbeitsstelle befördert werden/ von ihrer Arbeitsstelle zurückbefördert werden
Zuständ. Verwarnungsgeld DM ZBS
20
Geldbuße DM
Bemerkungen
Personen verbotswidrig befördert 3450
— auf der Lade- 21 II 2 fläche eines Anhängers a )
ZBS
20 b)
30—100
») TB konkretisieren b) i. grf. F.
3455
—ohne geeig- 21 II 3 nete Sitzgelegenheit auf einem Anhänger, der für land- u. forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt wird»)
ZBS
20
—
») TB konkretisieren
3470
Auf der Ladeflädie eines LKw/eines Anhängers während der Fahrt verbotswidrig gestanden a )
ZBS
10
—
») TB konkretisieren
3480
Auf einsitzigem 21 III Fahrrad Person über sieben Jahre mitgenommen
ZBS
5
—
900
21 II 4
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
3485
Tatbestand
SS der StVO
Kind unter sie- 21 III ben Jahren auf Fahrrad ohne besonderen Sitz/ ohne Radverkleidung/ohne Fußstützen mitgenommen
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
ZBS
5
ZBS
201)
30—300
») TB und Folgen konkretisieren 1) ohne erhebliche Belästigung/Behinderung/ Gefährdung
Ladung 3500
Ladung/Ladeeinriditungen mangelhaft gesichert a )
221
3510
Verbotswidrig 22IV 2') Fahrzeug/Zug geführt, dessen Länge zusammen mit der Ladung mehr als 20 m betrug
ZBS
20 b)
50—500
b) i. grf. F. f ) Bei Uberlänge eines Zugs/ Sattelfahrzeugs TE mit § 32 Abs. 1 StVZO; vgl. Kz. 7204
3520
Verbotswidrig 22 II 2 für land- und forstwirtschaftliche Zwecke eingesetztes Fahrzeug geführt, dessen Breite zusammen mit der Ladung mehr als 3 m betrug
ZBS
20»>)
30—100
b) i. grf. F.
3530
Verbotswidrig 22 I I I Fahrzeug/Zug geführt, dessen Breite zusammen mit der Ladung mehr als 2,5 m betrug
ZBS
20 b)
30—300
b) i. grf. F.
901
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
3540
Möhl §§ der StVO
Verbotswidrig 22 II 1 Fahrzeug/Zug geführt, dessen Höhe zusammen mit der Ladung mehr als 4 m betrug
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
ZBS
20 b)
30—300
b ) g r f . F.
Auf Autobahn s. Kz. 3030 ->• Leerfahrzeug s. Kz. 4450, 4455, 4460 Mit Fahrzeug/ Zug gefahren, 3550
—dessen Ladung22III nadi vorne hinausragte
ZBS
20b)
50—500
b) i. grf. F.
3560
—dessen Ladung 2 2 I V 1 bei einer Fahrt von mehr als 100 km Entfernung nadi hinten hinausragte
ZBS
20 b)
50—500
b) i. g r f . F.
3570
—dessen L a d u n g 2 2 I V ohne jede 3—5 Kenntlichmachung/ ohne ausreichende Kenntlichmachung nach hinten um mehr als 1 m über die Rückstrahler hinausragte
ZBS
20b)
50—500
b) ¡.
902
grf.F.
Stvo
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
3580
3590
Tatbestand
§§ der StVO
— dessen Ladung 22 V 1 ohne jede Kenntlichmachung/ ohne ausreichende Kenntlichmachung seitlich um mehr als 40 cm über die Leuchten hinausragte —bei dem ein- 22 V 2 zelne Stangen/ einzelne Pfähle/waageredit liegende Platten/andere schlecht erkennbare Gegenstände seitlich hinausragten a ) ->- Verbotswidriges Überschreiten der zulässigen Achslasten/ Gesamtgewichte s. Kz. 4440
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
ZBS
20 t)
50—500
b) i. grf. F.
ZBS
20b)
50—500
») TB konkretisieren b) i. grf. F.
ZBS
10
Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers 3600
Sicht des Fahr- 231 f ) zeugführers durch die Ladung/die Besetzung/den Zustand des Fahrzeugs (z. B. vereiste Scheiben) beeinträchtigt»)
a
) TB konkretisieren 0 TE mit § 35 b StVZO möglich; vgl. Kz. 7450
903
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
->- Siditbeeinträditigung durch Ausrüstung s. Kz. 4470 Fahrzeug/Zug/ Gespann 3610
904
— m i t Mangel 23120 der Ausstattung/des Zustands/der Ladung/der Besetzung geführt ») •)
ZBS
5—20
—
») TB konkretisieren f ) TE mögl. mit §§ 36, 41, 43, 63, 65 StVZO; vgl. Kz. 7600 ff, 7700 ff, 7850 ff, 8600, 8720 v) Sonderregelung aus StVO oder StVZO hat Vorrang. Soweit dort der Pflichtverstoß näher angesprochen wird, ist der Satz diesen Kennzahlen zu entnehmen, auch wenn diese im Einzelfall (wie z. B. bei Führern im Ausland zugelassener Fahrzeuge) nidit herangezogen werden können. Bei mehreren Mängeln sind die in Betracht kommenden Einzelsätze zusammenzuzählen.
Stvo
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
3620
— mit Mangel 2312 der Ausstattung/des Zustands/der Ladung/der Besetzung geführt, der die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigte a) v)
ZBS
—
30—500 0)
») TB konkretisieren o) Anfrage KBA i) s. o. •) s. o.
3630
Kennzeichen schlecht lesbar/ nicht lesbar
23 13 ')
ZBS
2—10
—
') TE mit § 23 Abs. 3 i. V. m. S 60 Abs. 1. S. 4 StVZO möglich; vgl. Kz. 6530
3640
Kraftfahrzeug/ 23 14 *) Anhänger/Fahrrad während des Tages verbotswidrig ohne vorgeschriebene Beleuchtungseinriditungen/ohne betriebsbereite Beleuchtungseinrichtungen geführt a )
ZBS
2 w ) —20 —
») TB konkretisieren ') TE mit § 23 I 2 StVO und §§ 49 a ff StVZO bei fehlender Beleuchtungseinrichtung möglich; vgl. Kz. 3610, 3620, 8000 ff w ) Radfahrer
3650
Fahrzeug bei 23 II unterwegs aufgetretenem Mangel gebotswidrig») nicht aus dem Verkehr gezogen
ZBS
5—20 b)
a
30—300
) TB konkretisieren b) i. grf. F.
->• Verbotswidriges Überschreiten der zulässigen Achslasten/ Gesamtgewichte s. Kz. 4440 905
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Radfahrer, FShrer eines Kraftrads Als Radfahrer/ Führer eines Kraftrads 3700
— a n anderes 23 III 1 Fahrzeug angehängt
ZBS
5
3710
—freihändig gefahren
23 I I I 2
ZBS
2
3720
— verbotswid23 III 3 rig Füße von den Pedalen/ den Fußrasten genommen
ZBS
2
->- Fahren bei Dunkelheit ohne jede Beleuchtung/ mit unzureichender Beleuchtung s. Kz. 2800 - > Fahren bei Tage mit nidit vorschriftsmäßiger Beleuditungseinriditung/nicht betriebsbereiter Beleuchtungseinrichtung s. Kz. 3640 ->- Unzulässiges Nebeneinanderfahren s. Kz. 1130 Abbiegen ohne/ohne richtiges Ankündigen s. Kz. 1800
906
Geldbuße DM
Bemerkungen
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
- > Einordnen beim Abbiegen s. Kz. 1810 ->- Unvorsichtiges Einbiegen vom Radweg/ vom Seitenstreifen auf die Fahrbahn s. Kz. 1950 ->- Vorschriftswidriges Abstellen eines unbeleuchteten Fahrrads auf der Fahrbahn s. Kz. 2930 ->• Mitnahme von Personen über 7 Jahren s. Kz. 3400, 3480 Vorschriftswidrige Mitnahme eines Kindes unter 7 Jahren s. Kz, 3400, 3485 ->- Unzulässiges Führen von Tieren s. Kz. 4300—4340 ->• Niditbenutzen des Radwegs (Zeidien 237) s. Kz. 5590
907
Stvo Anh. Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Krankenfahrstuhl 3800
Mit Kranken24 II fahrstuhl schneller als mit Schrittgeschwindigkeit auf Gehweg/auf Seitenstreifen gefahren
ZBS
10
Fußgänger Als Fußgänger verbotswidrig 4000
— auf der Fahr- 25 1 1 , 2/ bahn gegangen 25 IV 2
ZBS
2
4010
— außerhalb ei- 2 5 1 3 ner geschlossenen O r t schaft am rechten Fahrbahnrand gegangen
ZBS
5
4020
— nebeneinan2514 der auf der Fahrbahn gegangen
ZBS
5
4030
—beim Mitfüh-25111 ren eines Fahrzeugs/ eines sperrigen Gegenstands andere Verkehrsteilnehmer auf einem Gehweg/einem Seitenstreifen erheblich behindert
ZBS
5
ZBS
5
— beim Mitführen eines Fahrzeugs 4040
908
am linken 25 II 2 Fahrbahnrand gegegangen
Geldbuße DM
Bemerkungen
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
4050
Tatbestand
SS der StVO
unzuläs25 II 2 sigerweise nach links eingeordnet
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM ZBS
2
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
— die Fahrbahn 4060
nicht zügig 25 III 1 überquert/ nicht auf dem kürzesten Weg überquert
ZBS
2
—
4065
außerhalb 25 III 1 einer Kreuzung/einer Einmündung überquert
ZBS
2
—
4070
außerhalb 25 Ed einer 1,2 Lichtzeichenanlage überquert/ an einer Lichtzeidienanlage außerhalb einer Markierung überquert
ZBS
5
—
4075
außerhalb 25 HI eines Fuß- 1, 2 gängerüberwegs (Zeichen 293) überquert
ZBS
5
ZBS
2
4090
— ein Stangen- 2 5 I V 1 geländer/ein Kettengeländer/eine sonstige Absperrung a ) überschritten
—
a) T B konkretisieren
909
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
->- Unachtsames Betreten/ Uberqueren der Fahrbahn s. Kz. 1000—1030 ->- Verletzen der Wartepflicht an Vorfahrtstraße beim Mitführen eines Fahrzeugs s. Kz. 1790 Betreten einer Autobahn/ Kraftfahrstraße s. Kz. 3180, 3190 Verletzen der Wartepflicht an Bahnübergang s. Kz. 3240 ->• Warten auf öffentliches Verkehrsmittel an nicht vorgesehener Stelle s. Kz. 3360 ->- Mißachten eines Zeichens/einer verkehrsregelnden Weisung eines Polizeibeamten s. Kz. 5020, 5050, 5080, 5110 ->• Mißachten eines Wechsellich tzeichens s. Kz. 5220
910
Möhl §§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld D M
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
->- Mißachten der Einbahnregelung bei Mitführen eines Fahrzeugs s. Kz. 5565 ->• Niditbenutzen eines gekennzeichneten Gehwegs s. Kz. 5590
Fußgängerüberweg Als Führer eines Fahrzeugs an Fußgängerüberweg (Zeichen 293) 4100
— verbotswid2611,2 rig nicht gewartet
ZBS
20
4110
— m i t über2612 höhter Geschwindigkeit herangefahren
ZBS
—
50 c)
c) Anfrage KBA
4120
— mit über2612 höhter Geschwindigkeit herangefahren und nicht gewartet
ZBS
—
100 c) d)
c) Anfrage KBA d) FV i. d. R. bei Gefährdung
ZBS
10
Als Führer eines Fahrzeugs 4130
— b e i stocken- 2 6 I I dem Verkehr verbotswidrig auf den Fußgängerüberweg (Zeichen 293) gefahren
911
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
— an Fußgängerüberweg (Zeichen 293) verbotswidrig überholt/an anderem Fahrzeug vorbeigefahren 4140
ohne Gefährdung von Fußgängern
26 III
ZBS
4150
mit Gefährdung von Fußgängern
26 I I I e )
ZBS
4190
Sonstiges Fehl- 26IV verhalten an einem Fußgängerüberweg a )
20
ZBS
5—20
100 ß) d)
«) Anfrage KBA d)FV i . d . R . ®) Soweit nicht § 315 c StGB
—
a
) TB konkretisieren
Verbände Als Verantwortlicher 4200
— eine Kindergruppe/Jugendgruppe nidit veranlaßt, den Gehweg zu benutzen
2714
ZBS
10
4210
— einen ge27 VI schlossenen Verband auf der Brücke im Gleichschritt marschieren lassen
ZBS
20 b)
30—100
b) i. grf. F.
4220
— nicht dafür 27 V gesorgt, daß die einschlägigen Vorschriften a ) beachtet wurden
ZBS
5—20 b)
30—100
») TB konkretisieren b) i. grf. F.
912
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
4230
Tatbestand
§§ der StVO
Geschlossenen l l l i . V. m. Verband der 27 II Bundeswehr/ des Bundesgrenzschutzes/ der Polizei/ einen Leichenzug/eine Prozession/einen anderen geschlossenen Verband») in der Bewegung unterbrochen
Zustand.
StVO Verwarnungsgeld DM
ZBS
5—20 b)
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
30—100
») T B konkretisieren b) ¡. grf. F.
Tiere Als Tierhalter/ für die Tiere Verantwortlicher 4300
— Haustiere/ 28 I 3 Stalltiere ohne geeignetes/ ohne ausreichendes Begleitpersonal auf die Straße gelassen
ZBS
5
4310
— T i e r e vom 2813 Kraftfahrzeug aus geführt
ZBS
5
—
») T B konkretisieren
4320
— T i e r e » ) ver- 2 8 1 4 botswidrig vom Fahrrad aus geführt
ZBS
2
—
») T B konkretisieren
ZBS
5
Tiere bei Dunkelheit/bei schlechten Sichtverhältnissen ohne jede/ohne ausreichende Beleuchtung geführt/getrieben 4330
— i m beleuchte- 1 7 1 1 ten Bereich i. V. m. 28 II 2
913 58
StVO + S t G B
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
4340
Möhl §§ der StVO
— im unbeleuch- 1711 teten Bereich i. V. m.
Zustand. Verwarnungsgeld DM ZBS
Geldbuße DM
Bemerkungen
10
28 n 2
Übermäßige Straßenbenutzung
4400
Als Kraftfahrzeugführer verbotswidrig an einem Rennen a ) teilgenommen
291
30—300
ZBS
Als Veranstalter einer erlaubnispflichtigen Veranstaltung a )
a
4410
— diese ohne Erlaubnis durchgeführt
29 II 1,2
ZBS
—
40—400
4420
— nicht für die Einhaltung der Bedingungen/Auflagen/Verkehrsvorschriften gesorgt
29 II 3 f)
ZBS
20 b)
40—400
4430
Als Kraftfahrzeugführer verbotswidrig im geschlossenen Verband gefahren
29 n 1,2
ZBS
10
- > Uberholabstand s. Kz. 1370 Verbotswidrig ein Fahrzeug/ einen Zug geführt, 914
» ) T B konkretisieren
) TB konkretisieren
b) i. grf. F. f ) T E mit § 71 StVZO möglich; vgl. Kz. 8910
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
i. grf. F. f) TE mit § 34 StVZO mögl.; s. Kz. 7300 ff.
4440
— dessen Adis- 29 III 1«) lasten/Gesamtgewicht die zugelassenen Höchstgrenzen überschritt (unerlaubter Sdrwerlastverkehr)
ZBS
20 b)
30—300
b)
4450
— dessen Länge 29 III 1') 20 m überschritt
ZBS
20 b)
30—300
b)
4455
— dessen Breite 29 III 1 f) 2,5 m überschritt
ZBS
20 b)
30—300
4460
— dessen Höhe 29 III 1 f) mehr als 4 m beträgt
ZBS
2 0 b)
30—300
ZBS
10
i. grf. F. ') TE mit § 32 StVZO mögl.; vgl. Kz. 7204 b) i. grf. F. f)TE mit § 32 StVZO mögl.; vgl. Kz. 7200 i. grf. F. ') TE mit § 32 StVZO mögl.; vgl. Kz. 7202
b)
->• Überschreiten der zugelassenen Abmessungen durch die Ladung s. Kz. 3510—3540 4470
—ohne ausrei- 291112') chendes Siditfeld
0 TE mit § 35 b Abs. 2 StVZO mögl.; vgl. Kz. 7450
->• Sichtbehinderung durch Ladung/Besetzung/Zustand des Fahrzeugs s. Kz. 3600 Lärmschutz Beim Benutzen eines Fahrzeugs unnötigen Lärm verursacht 915 58 *
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
4500
Möhl SS der StVO
— durch Laufen-30 11, 2 0 lassen des Motors/durch Türenschlagen/in sonstiger Weise a )
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
ZBS
10 b)
30—100
a)
TB konkretisieren b) i. grf. F. f) TE mit $ 49 Abs. 1 StVZO möglich; vgl. Kz. 7950
->- Lärmbelästigung durch mangelhafte Sicherung der Ladung s. Kz. 3500 ->• Übermäßige Rauchentwicklung/Abgasentwicklung s. Kz. 1040 4510
Durdi unnützes 3 0 1 3 Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaft andere belästigt
ZBS
10 b)
30—100
b)
i. grf. F.
4520
Durdi unerlaub- 30 II te Kraftfahrzeug-Veranstaltung a ) die Nachtruhe gestört
ZBS
—
40—400
a)
TB konkretisieren
->- Mißbräuchliche Abgabe von Sdiallzeichen s. Kz. 2710 ->- Benutzen einer vorschriftswidrigen Hupe s. Kz. 2720 916
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
->- Rennen und sonstige erlaubnispflichtige Veranstaltungen s. Kz. 4400— 4420 ->- Lautspredierbetrieb/Werbung s. Kz. 4800, 4820— 4840 Sonntagsfahrverbot 4600
4650
An Sonntag/ 30 III 1 gesetzlichem Feiertag verbotswidrig LKw mit Anhänger/LKw über 7,5 t in Betrieb genommen Sport, Spiel Verbotswidrig auf der Fahrbahn/auf einem Seitenstreifen gespielt/Sport getrieben a )
31
ZBS
20 b)
100 o)
ZBS
2—10
—
b) i. grf. F. c) Anfrage KBA
a
) TB konkretisieren
x
) Abstrakte Gefährdung genügt; soweit eine Verkehrsbeeinträditigung nicht vorliegt, kann ein Verstoß gegen Art. 18, 66 BayStrWG oder S S 7, 8 FStrG gegeben sein
Verkehrshindernisse In einer Weise, die den Verkehr gefährden/erschweren kann*)
917
Stvo Anh. Kennzahl
4700
4710
4720
Tatbestand
— die Straße beschmutzt/ benetzt
Möhl
SS der StVO
32 I 1 «)
Zuständ.
ZBS
Verwarnungsgeld DM 10 b)
Geldbuße DM
30—100
Bemerkungen
b) i. grf. F. Soweit nicht § 315 c StGB
e)
— Gegenstand 3 1 1 1 ») auf der Straße liegen lassen/ auf die Straße verbracht
ZBS
10 b)
— einen ver32 I 2 «) kehrswidrigen Zustand nicht beseitigt/nicht/ nicht ausreichend kenntlich gemacht 1 )
ZBS
10 b)
30—100
a)
ZBS
5 b)
30
») T B konkretisieren b) i. grf. F. e) Soweit nicht « 315 c StGB
30—100
b) i. grf. F. Soweit nicht § 315 c StGB
e)
T B konkretisieren b) i. grf. F. e ) Soweit nicht § 315 c StGB
- > Haltendes Fahrzeug s. Kz. 2 6 0 0 — 2620 ->• Liegengebliebenes Fahrzeug s. Kz. 2650—2670 4730
Ungeschützte 32 II e) Sense/ungeschütztes Mähmesser/ungeschützten Mähbalken/ungeschütztes anderes gefährliches Gerät a ) mitgeführt Werbung, Propaganda, andere Verkehrsbeeinträchtigung Verbotswidrig
4800
— Lautsprecher betrieben
3 3 1 1 Nr. 1
ZBS
—
30—300
4810
-Ware/Leistung ») auf der Straße angeboten
33 I I Nr. 2
ZBS
10 *>)
30—100
918
a)
T B konkretisieren b) i. g r f . F.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVO
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Anh.
Bemerkungen
Geldbuße DM
4820
— außerhalb ge- 33 1 1 N r . 3 schlossener Ortschaft Werbung/ Propaganda betrieben durch Bild/ Schrift/Licht/ Ton»)
ZBS
20 b)
30—100
» ) T B konkretisieren b) i. grf. F.
4830
—durch inner- 3 3 1 2 örtliche Werbung/Propaganda den Verkehr außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gestört»)
ZBS
20 b)
30—100
a
4840
— Fahrzeug nur 33 I 3 zum Zwecke der Werbung umhergefahren/geparkt
ZBS
20 b)
30—100
b) ¡. grf. F.
30
») TB konkretisieren
) TB konkretisieren b) i. grf. F.
->- Unnützes Hin- und Herfahren s. Kz. 4510 4850
— Einrichtung 33 II 1 verwendet/ angebracht,/ die einem Verkehrszeichen gleicht/ die einer Verkehrseinrichtung gleicht/ die mit einem Verkehrszeichen/einer Verkehrseinrichtung verwechselt werden kann/ welche die Wirkung eines Verkehrs-
KVB
919
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Bemerkungen
Geldbuße DM
zeidiens/einer Verkehrseinrichtung beeinträchtigt a ) 4860
— m i t Verkehrs-33 II 2 zeichen/mit Verkehrseinriditung geworben/Propaganda betrieben »)
KVB e)
—
30
ZBS
20 b)
30—100
») TB konkretisieren ®) Soweit im Verkehr begangen, ist ZBS zuständig
->- Lärmsdiutz s. Kz. 4500, 4520 Verkehrsunfall Als Beteiligter nach einem Verkehrsunfall 4900
— nicht sofort gehalten
3411«)
4910
—sich nicht über die Unfallfolgen vergewissert
3411«)
4920
—keine Maß3411«)') nähme zur Sicherung des Verkehrs getroffen
->- Verkehrsstockung s. Kz. 1990 920
b) i. g r f . F. ) Soweit nicht S§ 142, 330 c oder andere Vorschrift des StGB
e
ZBS
20b)
30—100
b) i. grf. F. o) Soweit nicht SS 142, 330 c oder andere Vorschrift des StGB
ZBS
20b)
30—100
b) i. grf. F. ®) Soweit nicht SS 142, 330 c oder andere Vorschrift des StGB ') T E mit S 15 StVO möglidi; s. Kz. 2650— 2670
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
->- Liegenbleiben von Fahrzeugen s. Kz. 2650—2670 ->• Freimachen einer Gasse s. Kz. 3170 Sonderrechte 4950
Sonderrecht 35 VIII«) nicht mit der gebührenden Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit/Ordnung ausgeübt a )
ZBS
20 b)
ZBS
5/10
ZBS
—
30—100
a) TB konkretisieren b) i. grf. F. °) Soweit nidit eine Vorschrift des StGB verletzt ist, etwa § 315 c. Gegenüber Einzelbestimmungen der StVO ist § 35 Abs. 8 StVO jedoch die speziellere Norm
80 °)
c) Anfrage KBA
->• Unerlaubtes Fahren im geschlossenen Verband s. Kz. 4430 'Warnkleidung 4975
Bei Arbeiten auf 35 VI 2 der Fahrbahn keine auffällige Warnkleidung getragen Zeichen, Weisungen des Polizeibeamten Haltanordnung eines Polizeibeamten mißachtet
5000
— als Führer ei- 361, II nes Kraftfahr- Nr. 1, IV zeugs
921
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Mohl SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
5010
— als Führer 361, II eines anderen Nr. 1, IV Fahrzeugs a )
ZBS
—
40
5020
— als sonstiger Verkehrsteilnehmer a )
361,11 Nr. 1, IV
ZBS
2/5
—
Bemerkungen
a
) TB konkretisieren
» ) T B konkretisieren
Warteanordnung/Räumanordnung eines Polizeibeamten mißachtet 5030
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
361, II Nr. 2, IV
ZBS
20
5040
— als Führer 361, II eines anderen Nr. 2, IV Fahrzeugs a )
ZBS
10
a
5050
— Als sonstiger Verkehrsteilnehmer a )
ZBS
2/5
») TB konkretisieren
361, II Nr. 2, IV
) TB konkretisieren
» ) T B konkretisieren
Sonstige verkehrsregelnde Weisung a ) eines Polizeibeamten mißachtet 10
5060
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
361, III
ZBS
5070
— als Führer 361, III eines anderen Fahrzeugs a )
ZBS
a
) TB konkretisieren
5080
— als sonstiger 36 I, III Verkehrsteilnehmer a )
ZBS
a
) T B konkretisieren
Weisung eines Polizeibeamten zum Anhalten mißachtet 922
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Zustand. Verwarnungsgeld DM
Kennzahl
Tatbestand
5090
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
361, V
ZBS
10
5100
— als Führer 361,V eines anderen Fahrzeugs a )
ZBS
5
a) TB konkretisieren
5110
— als sonstiger 361,V Verkehrsteilnehmer a )
ZBS
2
») TB konkretisieren
5120
Nach links unter 36 II Nr. 1 Behinderung eines Schienenfahrzeugs abgebogen, nachdem der Verkehr durdi Anordnung eines Polizeibeamten freigegeben war
ZBS
20 b)
SS der StVO
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
—
40
b) i. grf. F.
80—300 c)
c) Anfrage KBA e) Soweit Wechsellich tzeidien durch Zeigerregler gegeben, zusätzlich § 53 III Nr. 2 StVO i. V. m. § 49 IV Nr. 7 StVO als verletzte Vorschrift anführen
->• Behinderung von Schienenfahrzeugen beim Abbiegen im übrigen s. Kz. 1830, 1832, 1855, 1857 Wedbselliditzeidien, Dauerlich tzeidien Rotlicht mißachtet 5200
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
37 I, II e)
ZBS
923
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVO
5210
371, II e) — als Führer eines anderen Fahrzeugs a )
5220
— als sonstiger Verkehrsteilnehmer a )
Zustand. Verwarnungsgeld DM ZBS
371, II
ZBS
Geldbuße DM
40
Bemerkungen
a
) TB konkretisieren «) Soweit Wediselliditzeidien durch Zeigerregler gegeben, zusätzlich § 53 III Nr. 2 StVO i. V. m. § 49 IV Nr. 7 StVO als verletzte Vorschrift anführen »)TB konkretisieren
Unzulässiges Einfahren in Kreuzung/ Einmündung bei stockendem Verkehr s. Kz. 1990 Haltlinie s. Kz. 5650 Bei Gelb-RotLicht in die Kreuzung/Einmündung/den Fußgängerüberweg eingefahren (Frühstart) 5230
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
371, II
ZBS
5240
— als Führer 371, II eines anderen Fahrzeugs a )
ZBS
Bei Gelblicht noch in die Kreuzung/die Einmündung/ den Fußgängerüberweg eingefahren 924
30
20
») TB konkretisieren
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVO
StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
5250
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
371, II
ZBS
20
5260
— als Führer 371,11 eines anderen Fahrzeugs a )
ZBS
10
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
a) T B konkretisieren
Bei grünem Pfeil/gelbem Diagonallicht die Kreuzung/die Einmündung nicht geräumt 5270
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
371, II
ZBS
20
5280
— als Führer 371, II eines anderen Fahrzeugs a )
ZBS
10
5290
Nach links unter 371, II Behinderung eines Schienenfahrzeugs abgebogen, nachdem der Verkehr durch Grünlicht freigegeben war
ZBS
20 b)
a
) T B konkretisieren
40
b) i. grf. F.
c) Anfrage K B A
- V Regelung durdi Polizeibeamte s. Kz. 5120 Das Dauerlichtzeichen „rote gekreuzte Schrägbalken mißachtet 5300
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
371, III
ZBS
80 c)
5310
— als Führer 371, III eines anderen Fahrzeugs
ZBS
40
925
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
§§ der StVO
Zuständ.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
- > Fahrbahnbenutzung s. Kz. 1050—1135 Parken trotz rotem Dauerlicht s. Kz. 2280
Blaues Blinklicht, gelbes Blinklicht, Einsatzhorn 5400
Blaues Blinklicht 3 8 1 1 zusammen mit Einsatzhorn mißbräuchlich benutzt
ZBS
20 b)
5410
Blaues Blinklicht 38 II mißbräuchlich benutzt
ZBS
10
5420
Einsatzhorn mißbräuchlich benutzt
381
ZBS
10
5430
Einsatzfahrzeug 3 8 1 mit eingeschalteten Sondersignalen (Blaulicht und Einsatzhorn) verbotswidrig nicht Platz gemadit
ZBS
10
5440
Gelbes Blinklicht 38 III mißbräuchlich benutzt Vorsdiriftzeichen s. Kz. 3200—3260 ->- Parken bei Andreaskreuz s. Kz. 2360, 2370
926
ZBS
10
40
b) i. grf. F.
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
- > „Vorfahrt gewähren" (Zeichen 205) s. Kz. 1720, 1730, 2310 ->• Parken näher als 10 m vor Zeichen 205/ Zeichen 206 s. Kz. 2310 Vorschriftzeidien Stopsdiild (Zeichen 206) mißachtet 5500
— als Führer eines Kraftfahrzeugs
41 II Nr. 1 b
ZBS
10
80 c) m)
c) Anfrage KBA m )Bei grober Nichtbeachtung
5510
41 II — als Führer eines anderen Nr. 1 b Fahrzeugs
ZBS
10
40 m)
m )Bei
ZBS
10
ZBS
10
grober Nichtbeachtung
Zeichen 206 s. auch Kz. 2310 ->• Vorfahrtverletzung s. Kz. 1700— 1770 ->- Mißachten der Haltlinie s. Kz. 5650 5520
Bei verengter 41 II Fahrbahn GeNr. l c genverkehr den Vorrang nicht gewährt (Zeichen 208) Verbotswidrig
5530
— bei Zeichen 41 n 209/Zeichen Nr. 2 ' ) 211/Zeichen 214/Zeichen 297 links abgebogen
f)
TE mit § 9 StVO bei Behinderung des Gegenverkehrs 927
Stvo
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
5540
Möhl
SS der StVO
41 II — bei Zeichen 209/Zeichen Nr. 2 f ) 211/Zeichen 214/Zeidien 297 rechts abgebogen
Zustand. Verwarnungsgeld DM ZBS
10
41 II Nr. 2
ZBS
10
— — als Führer 41 II eines Fahr- Nr. 2 zeugs a ) befahren
ZBS
Geldbuße DM
Bemerkungen
f
) T E mit § 9 Abs. 3 S. 2 StVO möglich; vgl. Kz. 1870
20
a
) T B konkretisieren
ZBS
20
» ) T B konkretisieren ') T E mit § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO (Zeidien 267) möglich; vgl. Kz. 5620
ZBS
10
->- Abbiegen s. Kz. 1800— 1890 5550
— bei Zeidien 209/Zeichen 211/Zeidien 297 geradeaus gefahren — Einbahnstraße (Zeidien 220) entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung
5560
5565
5570
als Fuß41 II gänger Nr. 2 ' ) beim Mitführen eines Fahrzeugs a ) auf der Fahrbahn benutzt — a n Zeidien 41 II 222 rechts/ Nr. 2 links vorbeigefahren - > Haltestelle (Zeidien 224, Zeidien 226) s. Kz. 3300— 3360
928
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern)
Kennzahl
Tatbestand
SS der
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld D M
Geldbuße DM
Bemerkungen
- V Parken bei Haltestellenschild s. Kz. 2340 ->- Taxenstand (Zeichen 229) s. Kz. 2350 ->• Parken an Taxenstand s. Kz. 2350 — Radweg (Zeidien 237)/ Reitweg (Zeichen 239)/ gekennzeichneten Gehweg (Zeichen 241) benutzt 5580
als Führer eines Kraftfahrzeugs
41 II Nr. 5 f)
ZBS
10
—
f) T E mit § 2 StVO möglich; vgl. Kz. 1050—1060
5585
als son41 II stiger Ver- Nr. 5 f) kehrsteilnehmer
ZBS
5
—
l)TEmit$2 StVO möglich; vgl. Kz. 1050—1060
ZBS
5
—
5590
—Radweg 41 II (Zeichen 237)/ Nr. 5 Reitweg (Zeichen 239)/ gekennzeichneten Gehweg (Zeichen 241) als Radfahrer/Reiter/ Fußgänger nicht benutzt ->• Parken (Halten) auf Radweg/ Gehweg s. Kz. 2420 (2110) Gesperrte Straße befahren
929 59
StVO + S t G B
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
5600
— unter Miß41 II achten eines Nr. 6 Sperrschilds (Zeichen 250/ Zeichen 251/ Zeichen 253)
ZBS
10 b)
30
b) i. grf. F.
5605
—unter Miß- 4111 achten einer Nr. 6 Gewichtsbeschränkung (Zeichen 262/ Zeichen 263)
ZBS
10/20 7)
30—400 7)
7) Für jede angefangene Tonne, die über dem zugelassenen Gewicht liegt, sind 10 DM anzusetzen
5610
—unter Miß41 II achten einer Nr. 6 Maßbesdiränkung (Zeichen 264/ Zeichen 265/ Zeichen 266)
ZBS
10
—
5620
Verbot der Ein- 41 II fahrt (Zeichen Nr. 6 «) 267) mißaditet
ZBS
20
—
5630
Entgegen Zeichen 268 ohne Schneeketten gefahren
41 II Nr. 6
ZBS
20
—
5640
Auf einer durch 41 II Zeichen 269 ge- Nr. 6 sperrten Straße mehr als 3 000 1 •wassergefährdende Stoffe befördert
ZBS
->- Höchstgeschwindigkeitsregelung (Zeidien 274) s. Kz. 1250— 1290 930
30—100
f)TE mit Verstoß gegen § 41 Abs. 2 Nr. 2 StVO (Zeichen 220) möglich; vgl. Kz. 5560, 5565
SIVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§S der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
ZBS
2
—
10 b)
60
Anh.
Bemerkungen
- > Mindestgeschwindigkeitsregelung (Zeichen 275) s. Kz. 1240 ->• Überholverbot (Zeichen 276/277) s. Kz. 1440—1450 Haltverbot (Zeichen 283) s. Kz. 2040, 2250 ->• Eingesdiränkttes Haltverbot (Zeichen 286) s. Kz. 2050, 2260 ->- Zonenhaltverbot (Zeichen 290), Parkscheibe (Bild 291) s. Kz. 2550— 2584 ->- Fußgängerüberweg (Zeidien 293) s. Kz. 4100— 4190 5650
Haltlinie (Zeichen 294) mißachtet
41 i n Nr. 2
Mißachten des Stopschilds s. Kz. 5500, 5510 5660
Fahrstreifenbegrenzung/ einseitige Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295/Zeichen 296) verbotswidrig überfahren/ überquert
41 III ZBS Nr. 3/ 41 III Nr. 4/ auch i. V. m. 41 I V möglich
b) i. grf. F.
931 59
• Gleichzeitiger Verstoß gegen Überholverbot s. Kz. 1450— 1456 ->- Halten trotz Fahrbahnbegrenzung s. Kz. 2060 ->- Parken bei Fahrstreifenbegrenzung s. Kz. 2410 ->- Richtungspfeile zwischen Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 297) s. Kz. 5530, 5540 und 5550 ->• Parken (Halten) trotz Richtungspfeilen auf der Fahrbahn s. Kz. 2270 (2070) 5670
Sperrfläche (Zeichen 298) befahren Überholen unter Befahren einer Sperrfläche s. Kz. 1460 Grenzmarkierung für Parkverbot (Zeichen 299) s. Kz. 2430
932
41 III Nr. 6
ZBS
10
Geldbuße DM
Bemerkungen
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
Riditzeidien 5700
Abknickender Vorfahrtstraße gefolgt, ohne dies rechtzeitig und/oder deutlidi anzukündigen
24 II 9
ZBS
10
5720
Als Führer eines 42 VI ZBS Lkw/eines Zuges Nr. 1 d. S. 3 außerhalb einer geschlossenen Ortschaft verbotswidrig den linken von drei oder mehr in einer Richtung verlaufenden Fahrstreifen benutzt
20
Zeichen 301/ Zeichen 306 s. Kz. 1700— 1760 ->• Parken auf Vorfahrtstraße (Zeichen 306) s. Kz. 2400 ->- Ortstafel (Zeichen 310) s. Kz. 1250— 1290 ->• Parkplatz (Zeichen 314) s. Kz. 2440 Parken auf Gehweg (Zeichen 315) s. Kz. 2390 ->- Autobahn (Zeichen 330) s. Kz. 3000— 3190 933
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
->- Kraftfahrstraße (Zeichen 331) s. Kz. 3000— 3190 ->- Leitlinie (Zeichen 340) s. Kz. 1650— 1680, 1810 ->• Fußgängerüberweg (Zeichen 350) s. Kz. 4100— 4190 ->• Einbahnstraße (Zeichen 220) s. Kz. 5560, 5565 ->- Richtgeschwindigkeit (Zeichen 380) s. auch Kz. 1230 Verkehrseinrichtung 5750
Durch Sdiranke/ 43 - Parkuhr s. Kz. 2500—2530 Zeichen 295/ Zeichen 296 s. Kz. 5660 und die dort aufgeführten Verweisungen
934
ZBS
10
»)TB konkretisieren f ) T E mit § 2 StVO möglich; vgl. Kz. 1060, 1070
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der
StVO
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
Zeichen 297 s. Kz. 2070, 2270, 5530, 5540 und 5550 ->-Zeichen 298 s. Kz. 1460, 5670 ->- Lichtzeichenanlage s. Kz. 5200— 5310, 5820 Baustelle Als Unternehmer 5800
— vor Baubeginn 45 VI«) verbotswidrig keine Anordnungen der zuständigen Behörde eingeholt
ZBS
5810
— Anordnung») 45 VI«) der zuständigen Behörde nicht befolgt
ZBS
20 b)
5820
— Lichtzeichen- 45 VI anlage nicht bedient
ZBS
20
3 0 - -300
e
3 0 - -100
a
3 0 - •100
a) TB konkretisieren 2) Wird eine Bedingung oder eine Befristung nicht eingehalten, so fehlt es an einer wirksamen Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung
) Soweit nicht § 315 c StGB
) TB konkretisieren b) i. grf. F. e ) Soweit nicht § 315 c StGB
Ausnahmegenehmigung, Erlaubnis 5900
Auflage ») z) zu 46 III 1 i. einer Ausnahme- V. m. 49 IV genehmigung/ Nr. 4 Erlaubnis nidit befolgt
ZBS
935
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
->- Auflage zu einer Fahrerlaubnis s. Kz. 6070 Ausnahmegenehmigung/ Erlaubnisbescheid 5910
—nicht mitgeführt
46 III 3
ZBS
5
5920
— auf Verlangen einer zuständigen Person nicht ausgehändigt
46 III 3
ZBS
5
ZBS
—
Verkehrsunterricht 5950
936
Vorladung zum 48 Verkehrsunterricht nicht befolgt
60
Bemerkungen
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern)
StVO
Anh.
Anlage 2
Verstöße gegen die StVZO Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Teilnahme am Verkehr im allgemeinen 6000
2 1 1 ) Am Straßenverkehr trotz körperlicher Mängel/geistiger Mängel teilgenommen
ZBS
—
30—300
e
6010
Als Erziehungs- 2 1 2 berechtigter/ Verantwortlicher nicht die nötige Vorsorge getroffen, um eine Verkehrsgefährdung durch ein Kind/ eine sonst zu beaufsichtigende Person auszuschließen a )
ZBS
—
30—100
») T B konkretisieren
6020
Fahrzeug/Tier trotz Untersagung geführt»)
311°)
ZBS
50—100
») T B konkretisieren ®) Soweit nicht § 37 StGB, §§ 21, 25 StVG
6030
Auflage beim Führen eines Fahrzeugs/eines Tieres nicht beachtet
311
ZBS
30—50
) Soweit nicht §§ 316, 330 a oder andere Vorschrift des StGB
->- Kraftfahrzeug s. Kz. 6070
937
Möhl
StVO Anh. Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Führen von Kraftfahrzeugen 6050
Führerschein 4 II 2 nidit mitgeführt/ nidit ausgehändigt
ZBS
5
6060
Ausbildungs6 II 3 schein mit deutscher Übersetzung nicht mitgeführt/nicht ausgehändigt
ZBS
5
6070
Auflage a) beim Führen eines Kraftfahrzeugs nicht beachtet
12 II 1
ZBS
—
50—100
6075
Auflage der 12 II 1 Nachuntersuchung nidit beachtet
ZBS
—
50—100
->- Anderes Fahrzeug/Tier s. Kz. 6030 Auflage zu einer Ausnahmegenehmigung/Erlaubnis nach § 46 StVO s. Kz. 5900 6080
Führerschein 12aI3 der Klasse 2 nach Ablauf der Geltungsdauer nidit abgeliefert
KVB
—
50
6085
Führerschein 15b VI nach der Entziehung der Fahrerlaubnis nidit abgeliefert
KVB
—
50
938
») TB konkretisieren
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
6090
Tatbestand
§§ der StVZO
Ausländischen 15b VI Fahrausweis nach der Entziehung der Fahrerlaubnis nidit zur Eintragung der Entziehung vorgelegt
Zustand.
KVB
StVO Anh. Verwarnungsgeld DM —
Geldbuße DM
Bemerkungen
50
Höchstdauer und Nachweis der täglichen Lenkung von Kraftfahrzeugen m)
m
6100
Als Fahrer 15a I/II Höchstdauer der täglidien/der wöchentlichen Lenkung übersdiritten
ZBS
—
100
6110
Als Halter das 1 5 a I I a Uberschreiten i. V. m. der Höchstdauer 15 a I/II der täglichen/ wöchentlichen Lenkung angeordnet/ zugelassen Als Fahrer
ZBS
—
100
6120
— die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht eingelegt
15 a i n
ZBS
20
—
6130
— Fahrtennadiweis nicht/ nicht ordnungsgemäß geführt/nicht aufbewahrt
15 a I V
ZBS
20
—
) § 15 a StVZO ist durch § 10 Abs. 2 der D V Verordnung (EWG) Nr. 543/69 weitgehend außer Kraft gesetzt worden und gilt nunmehr für Linienomnibusse
939
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
SS d e r
StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
6140
— Fahrtennach- 15 a I V weis nidit mitgeführt/ nicht ausgehändigt
ZBS
20
6150
Als Arbeitgeber 15 a I V abgeschlossenen Fahrtennadiweis nicht zur Verfügung gehalten
KVB
20
—
Fahrgastbeförderung mit Kraftfahrzeugen 6200
Verbotswidrig 15 d l ohne Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gefahren
ZBS
—
150
6210
Führerschein zur 15 d FahrgastbeförII 2 derung verbotswidrig nidit mitgeführt/nicht ausgehändigt
ZBS
5
—
Als Halter 6220
— Fahrgastbe15 d m förderung angeordnet/zugelassen, obwohl der Führer des Fahrzeugs/ Zugs die erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß
ZBS
—
150
6230
— Meldung über 15 g die Einstellung eines Kraftdroschkenführers/ Mietwagenführers un-
KVB
20
—
940
Bemerkungen
Vcrwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern)
Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVO
Zuständ.
StVO
Verwarnungsgeld D M
Anh.
Bemerkungen
Geldbuße DM
terlassen/ unvollständig abgegeben
Einschränkung und Entziehung der Zulassung 6300
Am Straßenver- 1 7 1 kehr trotz Verbots/entgegen einer Beschränkung teilgenommen
100
KVB
Nach Betriebsuntersagung 6310
— Kennzeichen 17 II 1 •>) nicht entstempeln lassen
KVB
20
n
) Soweit ohne ausreichenden Versicherungsschutz i. V. m. § 29 d I StVZO
6320
17 I I 2 n) — Kraftfahrzeugschein/ Anhängerschein/den nach § 18 V erforderlichen Nachweis nicht abgeliefert
KVB
20
n
) s. o.
6330
Anhängerverzeichnisse zur Eintragung der Entstempelung nicht vorgelegt
17113")
KVB
Zulassungspflicht 6400
Gebraucheines 181,111 zulassungsi. V . m. 19 Pflichtigen Fahrzeugs ohne Zulassung °)
ZBS
—
100
°) Gilt auch nach Erlöschen der Betriebserlaubnis
941
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVZO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
6410
Gebrauch eines 181, III betriebserlaub- i. V. m. 19 nispflichtigen Fahrzeugs ohne Betriebserlaubnis o)
ZBS
—
100
o) s . 0 .
6420
Gestattung des 181,111 Gebrauchs eines i. V. m. 19 zulassungspflichtigen Fahrzeugs ohne Zulassung °)
ZBS
—
100
s. o.
6430
Gestattung des 181, III Gebrauchs eines i. V. m. 19 betriebserlaubnispflichtigen Fahrzeugs ohne Betriebserlaubnis °)
ZBS
—
100
o) s . o.
6440
Selbstfahrende 18IV 3 Arbeitsmaschine i. V. m. von nicht mehr 64 b als 20 km/h Hödistgesdiwindigkeit/einachsige land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschine von nicht mehr als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht beschriftet
ZBS
5
—
6450
Entgegen § 18 IV StVZO amtliches Kennzeichen nicht geführt
ZBS
10
6460
Betriebserlaub- 18 V nis/der Betriebserlaubnis entsprechenden Nachweis nicht mitgeführt/nicht ausgehändigt a )
ZBS
5
942
—
a
) TB konkretisieren
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
Zuständ.
6470
Erforderlichen 18 V I Nachweis für ein Halbin § 18 II Nr. 2 satz 2 und 6 a StVZO genanntes Fahrzeug nidit aufbewahrt/nicht ausgehändigt a )
ZBS
6480
Betriebserlaub18 VI nis/der Betriebserlaubnis entsprechenden Nachweis für den Motor eines Kleinkraftrades/ eines FmH nicht mitgef ührt/nicht ausgehändigt
ZBS
StVO Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
a
) TB konkretisieren
Amtliche Kennzeidien ->- Versidierungskennzeichen vgl. Kz. 6950 mit 6970 6500
Ohne amtlidi zugeteiltes Kennzeidien gefahren
23 III i. V. m. 60
ZBS
—
80
6510
Unvorschriftsmäßig gestaltetes/unvorschriftsmäßig angebrachtes Kennzeidien geführt
23 III i. V. m. 60
ZBS
10
—
6520
Kennzeichen ohne den vorgeschriebenen Dienststempel geführt
23IV1, 2
ZBS
10
—
943
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
6530
Verdecktes/ verschmutztes Kennzeichen geführt
Möhl SS der StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
23 III i. V. m. 6014 e)f)
ZBS
10
24 S. 2
ZBS
5
—
KVB
10
—
Bemerkungen
«) Soweit nicht SS 22 I 3 StVO ') T E mit § 23 I 3 StVO möglich; vgl. Kz. 3630
Ausfertigung des Kraftfahrzeugoder Anhängerscheines 6550
nicht mitgeführt/nicht ausgehändigt Änderungen der Angaben in den Kraftfahrzeugpapieren/bei zulassungsfreien Fahrzeugen, für die ein amtliches Kennzeichen zugeteilt ist, in der Kartei
6600
nicht gemeldet») 2 7 1 1
Standort-/ Besitzerwedisel 6610
Bei Standort27 II wedisel des Fahrzeugs neues Kennzeichen nicht beantragt
KVB
10
6620
Vorübergehen27 II de Standortverlegung nidit angezeigt
KVB
10
6630
Bei Fahrzeug27 III 1 Veräußerung Anschrift des Erwerbers nicht angezeigt
KVB
10
944
a
) T B konkretisieren
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
6640
Bei Fahrzeugerwerb neue Kraftfahrzeugpapiere/neues Kennzeichen nicht beantragt
27 III 2
KVB
10
6650
Fahrzeugerwerb zum Wiederverkauf nidit angezeigt
27 III 3
KVB
10
6660
Am Straßenver- 27 III 5 kehr trotz des Halbsatz 1 Betriebsverbots nach § 27 III 4 teilgenommen
KVB
—
KVB
10
2812
ZBS
—
80
besonderen 2813 Kraftfahrzeug- Anhängerschein/ -ausweis nach § 28 I nicht mitgeführt/ nicht ausgehändigt
ZBS
10
—
Bemerkungen
100
->- Verstoß gegen die Pflichten nach einer Betriebsuntersagung vgl. Kz. 6310 mit 6330 Dauerstillegung 6670
nicht unverzüg- 2 7 V I lieh angezeigt/ Kennzeichen nicht entstempeln lassen Bei Priifungs-/ Probe-/Überführungsfahrt
6700
6710
rotes Kennzeidien nicht geführt
945 60 S t V O + S t G B
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
6720
Möhl SS der StVZO
nicht vor2811 schriftsmäßiges Kennzeichen geführt
Zuständ. Verwarnungsgeld DM ZBS
10
Geldbuße DM
->-bei verdecktem/verschmutztem Kennzeichen vgl. Kz. 6530 6730
rotes Kenn- 28 m 1 zeidien/ Kraftfahrzeug-/ Anhängerschein nach Verwendung nicht unverzüglich abgeliefert
KVB
10
6740
Kraftfahr28 III 3 zeug-/Anhängersdiein nidit/mangelhaft ausgefüllt
KVB
10
6750
Aufzeidi28 III 4 nungen nidit/ mangelhaft geführt
KVB
—
30—60
6760
Verzeichnis nicht ausgehändigt
28 III 5
KVB
10
—
6770
rotes Kenn- 28 III 6 zeichen/ Kraftfahrzeug*/ Anhängerschein nach Zeitablauf nicht unverzüglich abgeliefert
KVB
10
—
946
Bemerkungen
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVZO
StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
Überwachung der Kraft-Fahrzeuge und Anhänger P) Überschreitungszeit in Monaten angeben
Vorführungstermin zur Hauptuntersuchung überschritten P) 6800
— um mehr als 291 i. V. m. Ziff. 4 der 2 bis zu 4 Anl. VIII Monaten
KVB
20
6802
— um mehr als 29 I i. V. m. KVB 4 bis zu 9 Ziff. 4 der Monaten Anl. VIII
—
6804
— u m mehr als 2 9 I i . V . m . 9 bis zu 14 Ziff. 4 der Monaten Anl. VIII
KVB
100
6806
— u m mehr als 29 I i . V. m. 14 Monate Ziff. 4 der Anl. VIII
KVB
250
50
Vorführungstermin zur Zwischenuntersuchung überschritten P)
P)
s. o.
P)
s. o.
P)
s. o.
P)
s. o.
P) Überschreitungszeit in Monaten angeben
6810
— u m mehr als 2 9 I i . V . m . 1 Monat bis Ziff. 9 der zu 3 Monaten Anl. VIII')
KVB
20
6812
— u m mehr als 2 9 I i . V. m. 3 bis zu 6 Ziff. 9 der Monaten Anl. VIII *)
KVB
—
6814
— u m mehr als 291 i.V. m. 6 Monate Ziff. 9 der Ani. V i l i ' )
KVB
6820
Prüfbuch nicht/ 291 i. V. m. KVB mangelhaft ge- Ziff. 2,3 der führt/nicht aus- Anl. VIII gehändigt
40
80
') TE möglich mit § 29 I StVZO i. V. m. Ziff. 4 der Anl. VIII; vgl. Kz. 6800 mit 6806 P) s. o. ' ) P) s. o.
f
) P)
s. o.
10
947 60«
Stvo
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
6830
Mängel nicht fristgemäß beseitigt
Ziff. 8 I der Ani. vin
KVB
20
6840
Ein als verkehrsunsidier festgestelltes Fahrzeug verwendet a )
29 III ')
KVB
—
250
»)TB konkretisieren f) Regelmäßig TE mit § 31 StVZO
6850
Ohne Plakette nach Anl. IX zur StVZO gefahren
29IV e )
ZBS
5
—
e)
6860
29 VI 2 Am StraßenHalbverkehr trotz Verbots/entge- satz 1 gen einer Beschränkung teilgenommen
Möhl Zustand. Verwarnungsgeld DM
KVB
Geldbuße DM
Bemerkungen
Soweit nicht Kz. 6800 mit 6806 zutreffend
100
->- Verstoß gegen die Pflichten nach einer Betriebsuntersagung vgl. Kz. 6310 mit 6330 6870
Einrichtung ») 29 VII *) geführt, die mit der in Ani. IX beschriebenen Plakette verwechselt werden kann
ZBS
5
KVB
20
Trotz fehlenden Versicherungsschutzes 6900
948
Kraftfahrzeug-/ 2 9 d l l Anhängersdiein/ bei zulassungsfreien Fahrzeugen, für die ein amtliches Kennzeichen zugeteilt ist, die
») TB konkretisieren f) TE mit § 29 IV StVZO möglich; vgl. Kz. 6850
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVZO
Zustand.
StVO Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
amtliche Besdieinigung über die Zuteilung des Kennzeidiens nicht unverzüglich abgeliefert 6910
Kennzeichen nicht entstempeln lassen
29 d 1 1
KVB
6920
Anhängerver29 d 1 2 zeichnis zur Eintragung der Entstempelung nicht vorgelegt
KVB
20
Versicherungskennzeichen 6950
Kein gültiges Versicherungskennzeichen geführt
29eli)
ZBS
10
9) Soweit ohne Versicherungsschutz vgl.
SS 1, 6
PflVersG.
6960
Bescheinigung 29 e II 3 über das Versicherungskennzeidien nicht mitgeführt/nicht ausgehändigt
ZBS
6970
Unvorschrifts29 e III mäßig gestaltetes i. V. m. Versicherungs60 a I kennzeichen geführt
ZBS
10
->-Bei unvorschriftsmäßig angebrachtem Versicherungskennzeichen vgl. Kz. 8500 ->-Bei verdecktem oder verschmutztem Versicherungskennzeichen vgl. Kz. 8510
949
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVZO
Zuständ.
Verwarnungsgeld DM
Bemerkungen
Geldbuße DM
- > Bei verwechslungsfähigem Zeichen vgl. Kz. 8520 Beschaffenheit des Fahrzeugs — Grundregel 7000
Unvorschrifts30 *) mäßig gebautes/ ausgerüstetes Fahrzeug in Betrieb genommen a )
ZBS
30—300
») T B konkretisieren r ) Nur anwendbar, soweit nidit Sonderbestimmungen eingreifen
Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge 7100
Ein Fahrzeug/ 311 einen Zug miteinander verbundener Fahrzeuge geführt, ohne zur selbständigen Leitung geeignet zu sein »)
ZBS
20 b)
30—100
») T B konkretisieren b) i. grf. F.
ZBS
20 b)
30—100
a
Als Halter eines Fahrzeugs Inbetriebnahme angeordnet/zugelassen, — obwohl ihm bekannt ist/ bekannt sein muß, 7110
950
daß der 31 II Führer nicht zur selbständigen Leitung geeignet ist»)
) T B konkretisieren b) i. grf. F.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
StVO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
daß das Fahrzeug Mängel hat, die die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigen, und zwar 7120
mangel- 31 II hafte Reifen
ZBS
—
75 c) s)
c) Anfrage KBA, wenn zugleich Führer ») Geldbuße je Reifen
7125
in son- 31 II stigen Fällen, z. B. mit mangelhafter Bremse, Lenkung oder Anhängerkupplung
ZBS
—
150
°)s.o. t) Geldbuße je Mangel
7130
— mit mangel- 31 II haft gesicherter Ladung unter erheblicher Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit
ZBS
—
150«)
«) s. o.
7140
— mit einer Be- 31 II Setzung, die die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt
ZBS
—
150 «)
«) s. o.
*)
— unter Überschreiten der zulässigen Gewichte, 951
stvo Anh. Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Achslasten und Anhängerlasten um mehr als 7150
10 °/o
31 n i. V. m. 34, 42
ZBS
100»)
c) s. o.
7152
15 •/«
31 n i. V. m. 34, 42
ZBS
150»)
°) s. o.
3i n
ZBS
200 0)
o) s. o.
7154
— 20 %
i. V. m. 34, 42
7156
25 o/o
31 n i. V. m. 34, 42
ZBS
300 °)
c) s. 0.
7158
30 »/»
31 n i. V. m. 34, 42
ZBS
500 o)
o) s. o.
Als Halter/als Beauftragter des Halters Fahrtenbuch 7160
— mangelhaft geführt
31 a 2
ZBS
20
—
7170
— nicht geführt 31 a 2
ZBS
—
100
7180
— nicht aufbewahrt/nicht ausgehändigt
ZBS
31a 3
100
Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger Abmessungen von Fahrzeugen und Zügen Zulässige Abmessungen bei einem Kraftfahrzeug/Anhänger/Zug überschritten u ) 952
u
) Übersdireitungen in m angeben
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Bemerkungen
f) TE mit S 22 oder S 29 StVO möglidi; vgl. Kz. 3510 mit 3590, 4450 mit 4460 «) s. o.
—
30—200
f) n) s. o.
ZBS
20 T )
30—200
ZBS
—
30—100
ZBS
—
150
— in der Breite
32110
ZBS
7202
— in der Höhe
3 2 1 2 f)
ZBS
7204
— in der Länge
3 2 1 3 i)
Durdi am Um- 32 III riß des Fahrzeugs hervorragenden Teil») Verkehr mehr als unvermeidbar gefährdet
Geldbuße DM
Anh.
30—200
7200
7210
StVO
f) u) s. o. ) Bei Oberschreitungen bis zu 1 m
T
») TB konkretisieren
Mitführen von Anhängern 7220
Unzulässigen 32 a Anhänger mitgeführt/unzulässiges Mitführen eines Anhängers gestattet ->- Anhängelast hinter Kraftfahrzeug vgl. auch Kz. 7800—7812
Sdileppen von Fahrzeugen 7230
Kraftfahrzeug als Anhänger verbotswidrig betrieben a )
3311, II Nr. 1 , 6
ZBS
50
a
) TB konkretisieren
953
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
§§ der StVZO
Zustand. Verwarnungsgeld D M
Geldbuße DM
Bemerkungen
Achslast und Gesamtgewicht, Laufrollenlast von Gleiskettenfahrzeugen ->• niditmotor. Fahrzeuge vgl. Kz. 8600 Genaue Überschreitung in °/o angeben
Fahrzeug geführt unter Überschreitung der zulässigen Gewichte, Achslasten und Anhängelasten w ) 20 b)
50
b) i. grf. F. w)s. o.
ZBS
150«=)
c) Anfrage KBA w)s. o.
— u m mehr als 3 4 I I I 20 »/o i. V. mfl 42 1,112
ZBS
300«)
c) w) s. o.
Angaben über 34IV zulässige Achslast/zulässiges Gewicht fehlen/ sind mangelhaft
ZBS
7300
— bis zu 10 °/o
34 III i. V. m. 42 1,112
7302
— um mehr als 34 III 10 °/o bis 20 o/t i. V. m. 42 1,112
7304
7310
ZBS
Zulässige Laufrollenlast/zulässiges Gesamtgewicht bei Gleiskettenfahrzeugen überschritten 7320
— bis zu 10 %
34 VI, VII
ZBS
20 b)
50
b) i. grf. F. o.
w )s.
7322
— u m mehr als 34 VI, VII 10 °/o bis 20 °/o
ZBS
—
150 c)
C) Anfrage KBA w ) s. o.
7324
— u m mehr als 34 VI, VII 20®/»
ZBS
—
300 c)
c) Anfrage KBA w ) s. o.
954
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
7350
7370
7400
7410
7420
7450
Tatbestand
SS der StVZO
Omnibus überbesetzt a ) 8) 34 a I, II, III
Motorleistung zu gering»)
35
Sitze Fehlen eines fest 35 a I I f ) angebrachten Beifahrersitzes bei Zugmaschine
Fehlen von Sitz/35 a III Handgriff/Fuß- 11) stützen bei Beförderung eines Beifahrers auf Kraftrad Fehlender Sitz/ 35 a III unzureichender 2 *) Schutz für die Füße bei Mitnahme eines Kindes unter 7 Jahren auf Kraftrad ->- Fahrräder § 21 II StVO; vgl. Kz. 3480, 3485 Ausreichendes Sichtfeld für den Fahrzeugführer fehlt 35 b l l « )
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
ZBS
30—300
TB konkretisieren e) Personenzahl angeben
ZBS
30—100
») TB konkretisieren
ZBS
10
ZBS
10
ZBS
10
ZBS
10
a)
{)
Bei Beförderung eines Beifahrers TE mit § 211 Nr. 2 StVO; vgl. Kz. 3410 f ) Teilweise TE mit § 211 Nr. 1 StVO; vgl. Kz. 3400
f) Teilweise TE mit § 21 I StVO; vgl. Kz. 3400
—
') TE mit § 231 1 StVO oder § 29 III 2 StVO möglich; vgl. Kz. 3600 und 4470 955
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Feuerlöscher in Kraftomnibussen ») TB konkretisieren
7500
Vorgeschriebe35 g l , I I ner Feuerlöscher fehlt/ist mangelhaft/ist nicht ordnungsgemäß untergebracht a )
ZBS
10
7510
Prüfungstermin 35 g IV für Handfeuerlöscher überschritten
ZBS
5
ZBS
—
40
ZBS
10
—
Erste-HilfeMaterial Verbandskasten in KOM 7550
—fehlt/ist mangelhaft
35 h l
7560
— ist nicht ord- 35 h II nungsgemäß untergebracht Erste-HilfeMaterial in sonstigen Kraftfahrzeugen e )
7570
—fehlt/ist 35 h i n mangelhaft/ ist nidit ordnungsgemäß untergebracht -*-Bei Kraftfahrzeugen, die vor dem 1. 1. 1970 in Verkehr gekommen sind; vgl. § 72 n StVZO zu § 35 h III
956
e) Soweit nicht KOM
ZBS
10
—
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§§ der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Anh.
Bemerkungen
Geldbuße DM
Bereifung und Laufflädien ->• niditmotor. Fahrzeuge vgl. Kz. 8600 Kraftfahrzeug/ Zug geführt 7600
—mit Reifen, 36IbisIV; der weniger V 1 bis 5 als die vorgeschriebene Profiltiefe aufweist
ZBS
50»)
x
7610
—mit Reifen, der auf der gesamten Lauffläche kein Profil aufweist
36IbisIV; V 1 bis 5
ZBS
100 *)
*) s. o.
7620
—mit sonst 36IbisIV; unvorschrifts- V 1 bis 5 mäßigem Reifen
ZBS
50—100 *)
*) s. o.
7630
—mit unvor36IbisIV; schriftsmäßi- V 1 bis 5 ger Gleiskette/Band
ZBS
20 b)
50—100 7)
b)i. grf.F. 7) Geldbuße je mangelhafte Gleiskette/ Band
ZBS
10
ZBS
—
50
») TB konkretisieren
) Geldbuße je mangelhaften Reifen
Radabdeckungen bei Kraftfahrzeug/Anhänger 7640
fehlt/ist mangelhaft
36 a 1
Gleitsdiutzvorrichtungen und Schneeketten 7650
Bodengreifer/ 371 einem Bodengreifer ähnliche Einrichtung vorschriftswidrig benutzt »)
957
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
7660
Möhl SS der StVZO
Unvorschrifts- 37 II mäßige Schneekette benutzt a )
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
ZBS
20
—
ZBS
2
—
Bemerkungen
a)
TB konkretisieren
TB konkretisieren
Scheibenwischer 7690
fehlen/sind mangelhaft
40 n
Bremsen und Unterlegkeile ->• Nichtmotor. Fahrzeuge vgl. Kz. 8720, 8740 7700
Fahrzeug mit unzureichender Betriebsbremse geführt a )
41IV bis ZBS VI, VIII, IX, XI, XII, XIII
30—300
a)
7710
Fahrzeug mit unzureichender Feststellbremse geführt a )
41 v, vn
ZBS
30—300
» ) T B konkretisieren
7720
41 X Anhänger mit Auflaufbremse unzulässig mitgeführt
ZBS
100
7730
Bremsenlosen 41X1 einachsigen Anhänger unzuläsig mitgeführt
ZBS
50
7740
Keine ausrei41 XIV chenden Unterlegkeile mitgeführt
ZBS
10
7750
Zusätzliche Dauerbremse mangelhaft
ZBS
—
XII
41 XV
50
Anhängelast hinter Kraftfahrzeugen Beim Mitführen eines Anhängers hinter Kraftrad/ 958
») TB konkretisieren
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS d « StVZO
StVO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
Personenkraftwagen/Lastkraftwagen a ) Anhängelast überschritten — bis zu 10 °/o
ZBS
7802
— u m mehr als 10 °/o
ZBS
50
7804
— um mehr als 15°/«
ZBS
100
7806
— um mehr als 20%
ZBS
150
7808
— um mehr als 25 °/o
ZBS
200
7810
— um mehr als 30 °/o
ZBS
250
7812
— u m mehr als 40 °/o
ZBS
300
ZBS
50
a) TB konkretisieren
30
a
7800
421 I. V. m. 34
20
->- Uberladung siehe Kz. 7300 ff. 7820
Hinter Kraftrad/42 II Personenkraftwagen unzulässigen Anhänger mitgeführt a ) Abmessungen vgl. Kz. 7200 mit 7210 ->- Mitführen von Anhängern vgl. Kz. 7220 Einrichtungen zur Verbindung von Fahrzeugen
7850
Unvorsdirifts431 mäßige Einriebtung zur Verbindung von Fahrzeugen verwendet a )
ZBS
—
) TB konkretisieren
959
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
7860
Zulässigen Ab- 43 III 1 stand zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug überschritten
ZBS
10
7870
Absdileppstan- 43 III 2 ge/Abschleppseil nicht ausreichend erkennbar gemacht
ZBS
10
47Ii.V.m. Anl. XI, XIII, XIV»)
ZBS
20 b)
30—300
b) i. g r f . F. f ) TE mit § 1 II StVO möglich; vgl. Kz. 1040
b) i. grf. F. ' ) T E mit § 1 II StVO möglich; vgl. Kz. 1030
Abgase 7900
Übermäßige Abgasentwicklung Geräusdientwicklung
7950
Übermäßige Geräuschentwicklung
4910
ZBS
20 b)
30—300
7960
Messung der Geräuschentwicklung verweigert
49 II 1
ZBS
—
30
Beleuchtungseinrichtungen ->- Kennzeichenbeleuchtung vgl. Kz. 8400 Kleinkrafträder bis 40 km/h und Fahrräder mit Hilfsmotor vgl. Kz. 8880, Fahrräder vgl. Kz. 8850, übrige nicht motor. Fahrzeuge vgl. Kz. 8800 960
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Tatbestand
Kennzahl
8000
Unzulässige Beleuchtungseinrichtung a ) angebracht
StVO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
ZBS
10
50 II
SS der StVZO
49 a l l
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
a
) T B konkretisieren
Scheinwerfer 8010
-
ZBS
10
—
8012
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
49 a 1 2 , II, III i. V. m. 50 m
ZBS
10
—
8014
— nicht ständig 49 a 1 2 betriebsbereit i. V. m. 50 II
ZBS
10
—
8016
— verdeckt/ verschmutzt
ZBS
10
—
8018
— hat unzu50 V 1 f) reichende Beleuchtungsstärke
ZBS
10
—
50 V 2
ZBS
10
49 a 1 2 i. V. m. 50 V 2
ZBS
10
51»)
ZBS
10
49 a 1 2 , ZBS II, II i. V. m. 51 z)
10
fehlt
49 a 1 2 ' )
') T E möglich mit § 50 V 1 StVZO; vgl. Kz. 8018 ') T E möglich mit § 49 a I 2 StVZO; vgl. Kz. 8016
Fernlichtkontrollampe 8020
-
fehlt
8022
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
—
Begrenzungsleuchte/Parkleuchte 8030
-
8032
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
8034
— nicht ständig 49 a 1 2 betriebsbereit i. V . m . 51
ZBS
10
8036
— verdeckt/ verschmutzt
ZBS
10
fehlt
49 a I 2
—
*) Bei Anbaugeräten i. V. m. § 53 b StVZO *) s. o.
—
961 61 S t V O + S t G B
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
§§ der StVZO
Zuständ.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Schlußleuchte 8040
— fehlt
53 I, III *)
ZBS
10
8042
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
49 a 1 2 ,
ZBS
10
n,in
—
2) s. o. z
) s. o.
z
) s. o.
z
) s. o.
i. V. m. 53
I, HI z )
8044
— nicht ständig 49 a 1 2 betriebsbereit i. V. m. 53 1,111
ZBS
10
8046
— verdeckt/ verschmutzt
49 a l 2
ZBS
10
8050
-
53, II, III
ZBS
10
8052
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
49 a 1 2 , II, III i. V. m. 53 II, III
ZBS
10
8054
— nicht ständig 49 a 1 2 betriebsbereit i. V. m. 53
ZBS
10
— verdeckt/ verschmutzt
49 a 1 2
ZBS
10
Bremsleuchte fehlt
—
n,ra
8056
Rückstrahler 8060
— fehlt
53 I V 2)
ZBS
10
8062
— nicht vorschriftsmäßig angebracht
49 a 1 2 , II, III i. V. m. 53 IV
ZBS
10
8066
— verdeckt/ verschmutzt
49 a 1 2
ZBS
10
—
53 a I, II 54 b f )
ZBS
10
—
—
Warndreieck/ Warnleuchte/ windsichere Handlampe 8100
962
fehlt/ist mangelhaft a )
a) T B konkretisieren f) T E mit § 15 StVO möglich; vgl. Kz. 2650 und 2665
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
StVO
Zuständ.
Verwarnungsgeld DM
53 a IV, V ' )
ZBS
10
54
ZBS
10
55 0
ZBS
5
561
ZBS
10
SS der StVZO
Geldbuße DM
Anh.
Bemerkungen
Warnblinkanlage 8110
fehlt/ist mangelhaft a ) m )
—
») T B konkretisieren f) T E mit § 15 StVO möglich; vgl. Kz. 2650 und 2660 m)Bei Kraftfahrzeugen, die vor dem 1. 1. 1970 in Verkehr gekommen sind, vgl. § 72 II StVZO zu § 53 a V
Fahrtrichtungsanzeiger 8140
fehlt/ist mangelhaft Vorrichtung für Sdiallzeidien
8160
fehlt/ist mangelhaft ->- Fahrräder und Schlitten vgl. Kz. 8680, Fahrräder mit Hilfsmotor und Kleinkrafträder bis 40 km/h vgl. Kz. 8690
f) T E mit §§ 1 II und 16 III StVO möglich; vgl. Kz. 2700 und 2720
Rfidtspiegel 8180
fehlt/ist mangelhaft nichtmaschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 8760
963 61 •
Stvo Anh. Kennzahl
Tatbestand
Möhl SS der StVZO
Zustand.
Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Fahrtsdireiber 8200
fehlt/ist mangelhaft a )
57 a l l
ZBS
20
—
») T B konkretisieren
8210
Betrieb des Fahrtschreibers unvorschriftsmäßig a )
57 a l l 1
KVB
20
—
a
) T B konkretisieren
8220
Eintragung auf dem Schaublatt fehlt/ist mangelhaft »)
57 a II 2
ZBS
20
—
a
) T B konkretisieren
8230
Unzulässiges 57 a Schaublatt ver- 1 1 3 , 5 wendet/kein Ersatzschaublatt mitgeführt a )
ZBS
20
—
a
) T B konkretisieren
8240
57 a II 4 Schaublatt auf Verlangen nicht Halbvorgelegt/ nicht satz 1 aufbewahrt a )
ZBS
20
—
a
) T B konkretisieren
581
ZBS
2
591, II
ZBS
5
n
) Bei Fahrzeugen, die vor dem 1.10.1969 in Verkehr gekommen sind, vgl. § 72 i n StVZO zu § 59 n
60IV
ZBS
10
Geschwindigkeitsschild 8300
fehlt/ist mangelhaft Fabrikschild/ -nummer
8350
fehlt/ist mangelhaft n )
Ausgestaltung und Anbringung von amtlichen Rennzeichen 8400
964
Kennzeichenbeleuchtung fehlt/ist mangelhaft
—
StVO
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
§S der StVZO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
8410
Kennzeichen an 60 V der Rückseite des letzten Anhängers fehlt
ZBS
10
—
8420
Einrichtung a ) 60 VII geführt, die mit Kennzeichen/ Nationalitätszeichen verwediselt -werden/die deren Wirkung beeinträchtigen kann
ZBS
5
—
Anh.
Bemerkungen
») TB konkretisieren
->- Amtliches Kennzeichen siehe Kz. 6510 mit 6530 Versidierungskennzeidien 8500
unvorschriftsmäßig angebracht
60 a II, III
ZBS
10
8510
verdeckt/verschmutzt
60aI4
ZBS
10
8520
Einrichtung ») 60 a V geführt, die mit dem Versicherungskennzeichen verwechselt •werden/die dessen Wirkung beeinträchtigen kann
ZBS
5
») TB konkretisieren
->- Versidierungskennzeichen siehe Kz. 6950 mit 6970 Andere Straßenfahrzeuge als Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger 965
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl
SS der StVZO
Zuständ.
Verwarnungsgeld D M
Geldbuße DM
Bemerkungen
ZBS
20 b)
30—100
a) T B konkretisieren b) i. grf. F.
») T B konkretisieren
Abmessung/ Achslast/ Gewicht/ Bereifung 8600
ist unvorschrifts- 63 mäßig a ) ->- maschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 7200 mit 7204, 7300 mit 7350 und 7600 mit 7660
Bespannung 8650
Unzulässige BeSpannung von Fuhrwerken a )
64 II
ZBS
5
—
8660
Unzulässige Stoßzügel verwendet
64 II 3
ZBS
5
—
ZBS
5
Vorrichtung für Sdiallzeidien an Fahrrädern/ Schlitten 8680
fehlt/ist unvor- 64 a schriftsmäßig ->- maschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 8160, Fahrräder mit Hilfsmotor und Kleinkrafträder bis 40 km/h vgl. Kz. 8690
966
Stvo
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
Bemerkungen
Zuständ.
Verwarnungsgeld DM
ZBS
10
ZBS
5
ZBS
20 b)
30—100
a) TB konkretisieren b) i. grf. F.
65 III
ZBS
10
—
») TB konkretisieren
66
ZBS
5
§§ der StVZO
Geldbuße DM
Anh.
Vorrichtung für Schallzeichen an Fahrrädern mit Hilfsmotor/ Kleinkrafträdern bis 40 km/h 8690
8700
fehlt/ist unvorschriftsmäßig
64 a i. V. m. 67 a IV 5
Bezeichnung des Besitzers eines Gespannfahrzeugs fehlt/ist man64 b gelhaft Bremsen an niditmaschinengetriebenen Fahrzeugen
8720
fehlen/sind man- 65 I, II gelhaft a ) ->- maschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 7700 mit 7750
8740
Zusätzliche Hilfsmittel zur Bremse unzulässig verwendet a ) Rückspiegel an nichtmasdiinengetriebenen Fahrzeugen »)
8760
fehlt/ist mangelhaft -V Kraftfahrzeuge vgl. Kz. 8180
967
StVO
Anh.
Kennzahl
Tatbestand
Möhl §§ der StVZO
Zuständ. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
Beleuchtungseinrichtungen an nichtmaschinengetriebenen Fahrzeugen (ausgenommen Kleinkrafträder bis 40 km/h, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder) maschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 8000 mit 8066 ->• Kleinkrafträder bis 40 km/h und Fahrräder mit Hilfsmotor vgl. Kz. 8880 ->• Fahrräder vgl. Kz. 8850 8800
Leuchten fehlen/66 a sind unzulässig/ I—III vorschriftswidrig angebracht a )
ZBS
10
—
8810
Rückstrahler fehlt/ist mangelhaft
66 a IV
ZBS
10
—
8820
Leuchten/Rückstrahier sind verdeck t/versdimutzt/blenden
66 a V
ZBS
10
—
67
ZBS
5
—
a)
TB konkretisieren
Beleuchtungseinrichtungen am Fahrrad/ Anhänger/ Beiwagen 8850
968
fehlen/sind unzulässig/ vorsdiriftswidrig
») TB konkretisieren
Stvo Anh.
Verwarnungs- und Bußgeldkatalog (Bayern) Kennzahl
Tatbestand
SS der StVZO
Zustand. Verwarnungsgeld DM
Geldbuße DM
Bemerkungen
angebracht/ verdeck t/versdimutzt a ) Beleuditungseinriditungen am Kleinkraftrad bis 40 km/h/ Fahrrad mit Hilfsmotor 8880
fehlen/sind mangelhaft
67 a IV
ZBS
10
nicht mitgeführt/ 70 III a aufbewahrt/ ausgehändigt a )
ZBS
10
—
a
ZBS
10/20 b)
30—100
b) i. grf. F. i ) T E mit S§ 22, 29 StVO möglich; vgl. Kz. 3510 mit 3560 und 4420
->- maschinengetriebene Fahrzeuge vgl. Kz. 8000 mit 8066 ->- sonstige Fahrzeuge vgl. Kz. 8800 Urkunden über Ausnahmegenehmigungen 8900
) TB konkretisieren
Auflagen bei Ausnahmegenehmigungen 8910
nidit nadigekommen
71 *)
969
StVO
Möhl
Anh.
Anlage 3
Verstöße gegen die VOInt. Kennzahl
Tatbestand
§§ der VOInt.
Zustand. Verwarnungsgeld DM
9000
Ohne inter1 nationalen/ ausländischen Zulassungsschein gefahren
ZBS
9010
Internationalen/ 1,10 ausländischen Zulassungsschein nicht mitgeführt/ nicht vorgezeigt
ZBS
5
9020
Im Ausland zu- 2 gelassenes Kraftfahrzeug ohne Zollkennzeichen/ ohne Nationalitätskennzeichen geführt
ZBS
5
9030
Internationalen 4,10 Führerschein/ ausländischen Fahrausweis nicht mitgeführt/ vorgezeigt
ZBS
5
904C
Auflage in einer 13 Ausnahmegenehmigung nicht beachtet
ZBS
10/20 b)
970
Geldbuße DM
Bemerkungen
30—300
30—100
b)i. grf.F.
StGB
Auszug aus dem Strafgesetzbuch Vorbemerkung Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Anordnung eines Fahrverbots gehörten bis zum Straßenverkehrssicherungsgesetz vom 19. 12. 52 (BGBl. I 832) allein zum Aufgabenbereich der zuständigen Verwaltungsbehörden (§ 4 StVG, § 3 StVZO). Die Maßregeln waren seit den Grundzügen (§ 27) und auch in den weiteren Gesetzesänderungen (G. vom 13. 12. 33, RGBl. I 1058; G. v. 7. 11. 39, RGBl. I 2223) für Personen vorgesehen, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben (vgl. dazu Müller/Rüth StVR 22. Aufl. Bd. 1, § 4 StVG R N r . 1). Das StraßenverkehrssicherungsG 1952 übertrug durch die Einfügung des § 42m in das StGB die Befugnis zur Fahrerlaubnisentziehung den Strafgerichten für die Fälle, in denen ein Täter wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung, die er bei oder im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der dem Führer eines Kraftfahrzeugs obliegenden Pflichten begangen hat, zu einer Strafe verurteilt oder lediglich wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen wird. Hierdurch wurde die Fahrerlaubnisentziehung nunmehr überwiegend eine gerichtliche Maßregel der Sicherung und Besserung. Die amtliche Begründung (BT-Drucks. Nr. 2674/49) sowie der Ausschuß-Beridit (BT-Drucks. Nr. 3774/49) führen zur Begründung der Einfügung des § 42m an, daß die Entziehung der Fahrerlaubnis für den Betroffenen oft schwerer wiege als die Strafe und der Richter die Strafe für die Verkehrszuwiderhandlung nur dann gerecht bemessen könne, wenn auch die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis in solchen Fällen in seiner Hand liegt (vgl. dazu audi Müller/Rüth a. a. O. R N r . 3). Das StraßenVerkSichG 1952 tretungen durch die Einfügung widerhandlungen hingegen in § bedroht, „wer die Sicherheit des gefahr herbeiführte, daß er
"J
hat außerdem die besonders gefährlichen Verkehrsüberdes § 315a zu Vergehen aufgewertet und fahrlässige Zu316 mit Strafsanktion versehen. Mit Gefängnisstrafe war Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigte und eine Gemein-
1. Anlagen oder Beförderungsmittel beschädigt, zerstört oder beseitigt, Hindernisse bereitet oder einen ähnlidien Eingriff vornimmt, 2. ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, 3. ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel sich nicht sidier im Verkehr bewegen kann und keine Vorsorge getroffen ist, daß er andere nidit gefährdet, oder 4. in grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Weise die Vorfahrt nicht beaditet, falsch überholt oder an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen oder -einmündungen zu schnell fährt." Die genannten Verkehrsverstöße konnten vordem lediglich als Übertretungen mit Geldstrafe bis zu 150.— DM oder einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen bestraft werden. Das 2. Straßen VerkSichG vom 26. 11. 64 (BGBl. I 921) fügte § 37 ein, der die geriditliehe Anordnung eines kurzfristigen Fahrverbots als Nebenstrafe zuläßt. Diese Maßnahme sollte dem Richter die Möglichkeit eröffnen, Kraftfahrzeugführer mit einem „Denkzettel" zu versehen und sie so vor einem erneuten Rückfall zu warnen. Es ist nur für die Täter 971
2
Vorbemerkung
StGB
Rüth
gedacht, die im Kraftverkehr einmal versagt haben, für ihn aber noch nicht ungeeignet sind (so auch amtl. Begr., BT-Drucks. IV/651 und Bericht des Rechtsausschusses zu Drucks. IV/2161). Das gleiche Gesetz hat den bisherigen § 4 2 m in die §§ 42m bis 42o aufgegliedert, es aber bei der Zuständigkeit der geriditlichen Fahrerlaubnisentziehung als Maßregel der Sicherung und Besserung belassen. Durch das 2. StraßenVerkSichG wurden auch die Tatbestände des § 315a in die §§ 315b und 315c aufgeteilt. Die Bestrafung von Fahrlässigkeitstaten ist in diese Bestimmungen eingearbeitet. Neu hinzugefügt sind die §§ 315d und 316. § 42m gilt i. d. F. des 1. S t r R G v o m 25. 6. 69 (BGBl. I 645), die §§ 315b, 315c, 316 i. d . F . der Bekanntmachung des StGB v o m 1. 9. 69 (BGBl. I 1445) Das Zweite Gesetz zur R e f o r m des Strafrechts (2. S t r R G ) v o m 4. 7. 1969 (BGBl. I 717), geändert durch Ges. v o m 20. 5. 1970 (BGBl. I 505), hat den Allgemeinen Teil des StGB zum Teil neu gefaßt. Die Vorschriften über das Fahrverbot einschließlich der hierbei anrechenbaren Fristen, sowie über die Fahrerlaubnisentziehung wurden geringfügig redaktionell, nicht jedoch grundlegend sachlich geändert. Das 2. S t r R G soll am 1. 10. 1973 in Kraft treten. Die Vorschriften über das Fahrverbot und die Fahrerlaubnisentziehung i. d. F. dieses Gesetzes lauten:
§ 44 Fahrverbot (1) Wird jemand wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugffihrers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. (2) Darf der Täter nach den für den internationalen Kraftfahrzeugverkehr geltenden Vorschriften im Inland Kraftfahrzeuge führen, ohne daß ihm von einer deutschen Behörde ein Führerschein erteilt worden ist, so ist das Fahrverbot nur zulässig, wenn die Tat gegen Verkehrsvorschriften verstößt. (3) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Für seine Dauer wird ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein amtlich verwahrt. In ausländischen Fahrausweisen wird das Fahrverbot vermerkt. (4) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Fahrausweis zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. § 51 Anrechnung (1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist. (2) . . . (3) . . . (4) • . . 972
Vorbemerkung
StGB
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111 a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich. § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis (1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht. (2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen 1. der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c), 2. der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), 3. der Verkehrsflucht (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder 4. des Vollrausches (§ 330 a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht, so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. (3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein wird im Urteil eingezogen. § 69 a Sperre f ü r die Erteilung einer Fahrerlaubnis (1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß f ü r die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann f ü r immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet. (2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird. (3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist. (4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111 a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten. (5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. 973
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(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich. (7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre sechs Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend. § 69 b Internationaler Kraftfahrzeugverkehr (1) Darf der Täter nach den für den internationalen Kraftfahrzeugverkehr geltenden Vorschriften im Inland Kraftfahrzeuge führen, ohne daß ihm von einer deutschen Behörde ein Führerschein erteilt worden ist, so ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nur zulässig, wenn die Tat gegen Verkehrsvorschriften verstößt. Die Entziehung hat in diesem Falle die Wirkung eines Verbots, während der Sperre im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, soweit es dazu im innerdeutschen Verkehr einer Fahrerlaubnis bedarf. (2) In ausländischen Fahrausweisen werden die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre vermerkt. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften des Strafgesetzbuches in der z. Z. geltenden Fassung (Bek. v. 1. 9. 69, BGBl. I 1445) § 37 Fahrverbot (1) Wird jemand wegen einer strafbaren Handlung, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. (2) Darf der Täter nach den für den internationalen Kraftfahrzeugverkehr geltenden Vorschriften im Inland Kraftfahrzeuge führen, ohne daß ihm von einer deutschen Behörde ein Führerschein erteilt worden ist, so ist das Fahrverbot nur zulässig, wenn die Tat gegen Verkehrsvorschriften verstößt. (3) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Für seine Dauer wird ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein amtlich verwahrt. In ausländischen Fahrausweisen wird das Fahrverbot vermerkt. (4) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Fahrausweis zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Fassung: Die Bestimmung des § 37 in seiner jetzigen Form wurde durdi Art. 1 Nr. 2 des 2. StraßenverkehrssichG vom 26. 11. 64 (BGBl. I 921) in das StGB eingefügt. Die Verhängung eines Fahrverbots war vordem allein der Verwaltungsbehörde vorbehalten. Schrifttum 1. Zum StraßenverkehnsicherungsG.: Härtung: NJW 65, 86. Lackner; JZ 65, 120. 974
Nüse: JR 65, 41. Waräa: MDR 65, 1.
StGB
Fahrverbot
§ 37
2. Zum Fahrverbot: Bode: „Voraussetzungen des Fahrverbots" DAR 70, 57. Cramer: „Die Austauschbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis gegen ein Fahrverbot" N J W 68, 1774. Koch: „Fristbeginn beim Fahrverbot" DAR 66, 343. Pohlmann: „Das Fahrverbot in vollstreckungsrechtlicher Sicht" Rpfl. 65, 73. Wollentin-Breckerfeld: „Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten bei der Festsetzung des Fahrverbots" N J W 66, 632. Vgl. audi amtliche Begründung zu BT-Drudcs. IV/2161 und Bericht des Rechtsausschusses hierzu, abgedruckt bei Härtung, 2. Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs, 1965; verwaltungsreditliche Maßnahmen bei Verhängung eines Fahrverbots: BMV in VkBl. 66, 48. Vgl. auch § 59 a StVollstrO. Übersicht RNr. 1 1 2 3-9 3
I. Vorbemerkung 1. Rechtsnatur 2. Zweck des Fahrverbots II. Voraussetzungen des Fahrverbots 1. Strafbare Handlung 2. Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs. Pflichtverletzung eines Kraftfahrzeugführers 4 , 5 3. Bedeutung der Tat 6-8 4. Ermessensentscheidung des Geridits 9 III. Inhalt und Umfang des Fahrverbots 10,11 IV. Dauer des Fahrverbots 12-19 1. Dauer und Anrechnung der vor13-18 läufigen Maßnahmen 2. Beginn der Verbotsfrist 19
RNr. 20 V. Durchführung des Fahrverbots VI. Verhältnis des Fahrverbots zur Fahrerlaubnisentziehung 21-25 1. Anordnung von Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung nebeneinander 21 2. Ersetzung des Fahrverbots durch die Fahrerlaubnisentziehung 22 3. Ersetzung der Fahrerlaubnisentziehung durch ein Fahrverbot 23, 24 4. Erhöhung der Geldstrafe bei Wegfall des Fahrverbots 25 VII. Fahrverbot gegen außerdeutsche Kraftfahrzeugführer 26-28 VIII. Strafbare Verletzung des Fahrverbots 29 IX. Verfahrensfragen 30
I. Vorbemerkung 1. Rechtsnatur
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Das Fahrverbot wurde v o m Gesetzgeber in den Absdinitt „Strafen" des StGB eingefügt und kann nur angeordnet werden, w e n n der Täter w e g e n einer strafbaren H a n d l u n g zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt wird. Das Fahrverbot ist aus diesen Gründen als Nebenstrafe gekennzeichnet 1 ). Das Fahrverbot als Maßregel der Sicherung und Besserung auszugestalten, wurde bei den parlamentarischen Beratungen abgelehnt 2 ). Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot unterscheiden sich u. a. darin, daß erstere die Feststellung der Ungeeignetheit als Kraftfahrzeugführer, das Fahrverbot hingegen dessen Eignung voraussetzt (vgl. R N r . 21 unten). Außerdem m u ß dem als ungeeignet für den öffentlichen Straßenverkehr befundenen Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis e n t z o g e n werden, während das Fahrverbot als „Kann"-Bestimmung ausgestaltet ist (vgl. R N r . 9 unten). D i e Rechtsprechungspraxis zieht die dogmatische Grenze zwischen der Fahrerlaubnisentziehung als Maßregel der Sicherung und Besserung einerseits und dem Fahrverbot als Nebenstrafe andererseits nicht scharf, weil das kriminalpolitische Ziel, den Täter durch Fahrerlaubnisentziehung und Einziehung des Führerscheins oder durch ein Fahrverbot mit amtlicher Verwahrung des Führerscheins v o m öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen, mit beiden Maßnahmen verwirklicht wird. Cramer 3 ) bezeichnet deshalb die rechtlidie K o n struktion des Fahrverbots als Nebenstrafe und die Fahrerlaubnisentziehung als Maßregel der Sicherung und Besserung als Etikettenschwindel. Er hat insofern sicher nicht unrecht, >) Je zu § 37 StGB LK/Schäfer, R N r . 1; Cramer StVR R N r . 1, Schönke-Sdiröder RNr. 1; Dreher Anm. 2; Lackner-Maassen Anm. 2; Cramer N J W 68, 1764; BayObLG DAR 67, 138 = VRS 32, 347; amtl. Begr. zu BT-
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Drudts. IV/651 und BT-Drudcs. IV/2161. ) Vgl. Lackner JZ 65, 92. ) Cramer StVR § 37 StGB R N r . 11; Cramer N J W 68, 1764.
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als gerade die amtl. Begr. darauf hinweist, das Fahrverbot diene u. a. dazu, den Täter zu warnen und diese Warnungsfunktion auch jeder Maßregel der Sicherung und Besserung eigen ist. 2
2. Zweck des Fahrverbots Der kriminalpolitische Zweck des Fahrverbots erschöpft sich vor allem darin, „den Täter vor dem Rückfall zu bewahren und ihm ein Gefühl dafür zu vermitteln, was es bedeutet, vorübergehend ohne Führerschein zu sein" 4 ). Das Fahrverbot hat überwiegend spezialpräventiven Charakter und ist für nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer, die sich noch nicht als ungeeignet erwiesen haben, also weniger gravierendes Unrecht begangen haben5), als Warnungs- und Besinnungsstrafe (sog. Denkzettelfunktion) gedacht®). „Bei dem Fahrverbot steht seinem Wesen und seiner Wirkung nach nicht die Vergeltung für begangenes Unrecht im Sinne einer Kriminalstrafe, sondern die an ein strafbares Verhalten neben der eigentlichen Strafe geknüpfte Pflichtermahnung zur künftigen Beachtung der Verkehrsregeln im Vordergrund" 7 ). Allerdings setzt die Verhängung eines Fahreverbots eine Pflichtverletzung von „einigem Gewicht" voraus 8 ). — Vgl. dazu auch RNr. 6—8 unten. § 37 StGB ist ebenso wie § 25 StVG mit dem Grundgesetz vereinbar9). II. Voraussetzungen des Fahrverbots
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1. Strafbare Handlung Der Täter muß eine strafbare Handlung begangen, d. h. rechtswidrig und schuldhaft gegen eine Strafnorm verstoßen haben und deshalb zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt werden. Ohne Bedeutung ist, ob die Strafe ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung ist, ob es sich um vorsätzliche oder fahrlässige Taten handelt oder der Täter nur wegen eines versuchten Delikts bestraft wird. Entscheidend ist der Ausspruch einer Strafe, gleichgültig, ob die Strafe auch vollstreckt wird, sei es daß eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 29 Abs. 4 StGB unterbleibt. Strafbemessung nach § 51 Abs. 2 StGB hindert die Anordnung des Fahrverbots nicht. Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit läßt auch die Anordnung eines Fahrverbots nicht zu. Gleiches gilt, wenn nach § 16 StGB von Strafe abgesehen wird 10 ) oder nach § 27 JGG die richterliche Entscheidung sich auf den Schuldspruch beschränkt11), weil in beiden Fällen keine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt, es also an einer Hauptstrafe fehlt und bei deren Fehlen auch die Festsetzung einer Nebenstrafe nicht zulässig ist. Bei Jugendlichen kann jedoch ein Fahrverbot auch neben Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln (§§ 2, 6, 8 Abs. 3, §§ 75, 76 JGG) angeordnet werden"). Bei Ordnungswidrigkeiten scheidet die Anwendung des § 37 aus. Die Anordnung eines Fahrverbots richtet sich in diesen Fällen nach den Voraussetzungen des § 25 StVG. Keine Voraussetzung ist, daß die strafbare Handlung im Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs erfolgte, sie muß nur im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeugführung begangen worden sein oder eine Pflichtverletzung des Kraftfahrzeugführers darstellen (vgl. ) So audi amtl. Begr. zu BT-Drucks. IV/651 und BT-Drucks. IV/2161, abgedruckt audi bei Härtung, Zweites Straßenverkehrssicherungsgesetz 1965. 5 ) So audi Cramer StVR § 37 R N r . 1. •) So auch LK/Schäfer § 37 R N r . 2; Cramer StVR § 37 R N r . 1; Warda G A 65, 65; Hamburg D A R 65, 215 = V R S 29, 179. ') BVerfG N J W 69, 1623 zu $ 25 StVG. «) Hamburg D A R 65, 215 = V R S 29, 179; Braunschweig V R S 31, 104; Stuttgart Justiz 67, 174; Celle N J W 68, 1101; Ladener J Z 65, 92; Warda G A 65, 65. 4
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») Vgl. BVerfG N J W 69, 1623 zu § 25 StVG. ) LK/Schäfer, § 37 RNr. 6; Schönke-Schröder, R N r . 10; Lackner-Maassen, § 37 StGB Anm. 3c. " ) LK/Schäfer, s. Fußn. 10; Warda G A 65, 65; a. A. Dreher, $ 37 StGB Anm. 2; Krumme/ Sanders/Mayr StVR $ 37 StGB Anm. I X ; Lackner-Maassen, s. Fußn. 10. 1 J ) Soweit ersichtlich übereinstimmende Ansicht: vgl. LK/Schäfer a . a . O . R N r . 3; SdiönkeSchröder a. a. O. R N r . 9; Dreher, s. Fußn. 11; Lackner-Maassen s. Fußn. 10; Warda G A 65, 65. 10
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Fahrverbot
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R N r . 4, 5 unten). Es genügt deshalb auch eine strafbare Führung eines Kraftfahrzeugs auf Privatgrund (z. B. verschuldete Körperverletzung bei Kraftfahrzeugführung oder Erregung ruhestörenden Lärms durch Hin- und Herfahren auf dem Privatgrundstück). Daß sich das Fahrverbot nicht auf Führung von Kraftfahrzeugen außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums erstreckt (vgl. R N r . 11 unten), steht dem nicht entgegen. 2. Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs. Pflichtverletzung eines Kraftfahrzeugführers Die Anordnung eines Fahrverbots ist nur zulässig, wenn die strafbare Handlung, derentwegen der Täter zu einer Strafe verurteilt worden ist, bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der ihm als Kraftfahrzeugführer obliegenden Pflichten begangen wurde. Beide Begriffe decken sich mit denen des § 42m Abs. 1. Zur Auslegung der Begriffe kann deshalb auf die Bemerkungen in R N r . 10—20 zu § 42m verwiesen werden. Bei oder im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs kann nicht nur der Fahrzeugführer, sondern audi der Halter eine Straftat begehen (vgl. R N r . 16 zu § 42m). Die zweite Alternative hingegen bezieht sich nur auf den Führer des Fahrzeugs. Kraftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 1 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Zum Begriff des Kraftfahrzeugs vgl. R N r . 10 zu § 42m. Führung eines Kraftfahrzeugs s. R N r . 12,19 zu § 42m, R N r . 4—9 zu § 315c und R N r . 3—7 zu § 316 StGB. Unter Pflichtverletzung ist die Außerachtlassung der dem Kraftfahrzeugführer obliegenden Pflicht zur Einhaltung aller verkehrsrechtlichen Vorschriften zu verstehen. Sie kann deshalb auch begangen werden durch verkehrswidriges Verhalten des Kfz.-Führers im ruhenden Verkehr. Der Kraftfahrzeughalter kann gegen eine dem Kraftfahrzeugführer obliegenden Pflicht nicht verstoßen, somit scheiden Verstöße gegen Steuer- und Versicherungsvorschriften vielfach aus13). Die Benutzung eines nicht versicherten Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ist jedoch eine Verletzung der dem Kraftfahrzeugführer obliegenden Pflicht. Der selbst nicht das Fahrzeug Führende (und auch nicht mitfahrende Halter) hat aber, soweit er die Fahrt angeordnet oder zugelassen hat, die Straftat im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs begangen. 3. Bedeutung der Tat Die Rechtsprechung verlangte bei Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, solange diese noch Übertretungen waren, als Voraussetzung für die Anordnung eines Fahrverbots eine „Pflichtverletzung von einigem Gewicht" 14 ). Verstöße gegen Bestimmungen der StVO und StVZO sind jedoch seit 1. 1. 69 Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße und als Nebenfolge auch mit einem Fahrverbot nach § 25 StVG geahndet werden können, das die von der Rechtsprechung für Verkehrszuwiderhandlungen vordem geforderte Gewichtigkeit der Tat bereits als gesetzliche Voraussetzung der Anordnung eines Fahrverbots bei Ordnungswidrigkeiten aufzählt. Cramer 1 5 ) folgert daraus, der Wegfall der Verkehrszuwiderhandlungen als Übertretungen könne nur auf „Kosten des § 42m StGB gehen, Fahrerlaubnisentziehung sei nur noch bei gravierenden Verstößen der in § 42m Abs. 2 aufgezählten Delikte angebracht, sonst aber, insbesondere bei Ersttätern, sei nur die Verhängung eines Fahrverbots gerechtfertigt". Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, weil sie keine ausreichende Grundlage im Gesetz findet. Ein Fahrverbot kommt dann nicht in Frage, wenn der Täter durch die Tat bewiesen hat, daß er zur Führung eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist; denn das Faherverbot setzt gerade die Feststellung der Geeignetheit voraus, es ist nicht als teilweiser Ersatz für die Fahrerlaubnisentziehung gedacht 16 ). Nach wie vor kann nicht jeder bei oder im Zusammen) So auch Cramer S t V R § 37 R N r . 21. ) Vgl. Hamburg V R S 29, 179 = D A R 65, 215. 1 5 ) Cramer a. a. O . R N r . 9. 1S
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) Hierauf weist insbesondere schon die amtl. Begr. zu BT-Drudcs. IV/651 und IV/2161 hin; auch abgedruckt bei Härtung „Zweites Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs" 1965.
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StVO + S t G B
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hang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs begangene Pflichtverstoß ein Fahrverbot rechtfertigen. Es k o m m t vielmehr nur bei erheblichen Taten in Betracht und setzt voraus, daß es dem Verschulden des Täters und dem Maß seiner Pflichtwidrigkeit entspricht und neben der Hauptstrafe erforderlich ist, um den Strafzweck zu erreichen 18 ). Im Vordergrund steht der mit dem Fahrverbot verfolgte spezialpräventive Zweck, den Täter durch einen fühlbaren Denkzettel zur künftigen Beachtung der Verkehrsregeln anzuhalten. Es kann nur angeordnet werden, wenn der Täter dieser Mahnung im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch bedarf 1 7 ). H a t allein schon das durchgeführte Strafverfahren den Täter so sehr beeindruckt, daß nach Überzeugung des Tatrichters mit künftigen Verkehrsverstößen nicht zu rechnen ist, besteht unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention kein Bedürfnis für ein Fahrverbot 1 9 ). Wenn auch der Gesichtspunkt der Spezialprävention im Vordergrund steht, können auch Gründe der Generalprävention zur Verhängung eines Fahrverbots führen, weil dieser Gedanke jeder Strafe, auch einer Nebenstrafe innewohnt 2 0 ). 8
Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um ein Fahrverbot zu rechtfertigen, war in der Rechtsprechung zunächst umstritten. Die frühere Rechtsprechung verlangte die Feststellung entweder wiederholter, hartnäckiger Mißachtung der Verkehrsvorschriften oder eines Verstoßes unter erschwerenden Umständen 2 1 ), bei einmaliger Pflichtverletzung die Feststellung besonderer Leichtfertigkeit 2 2 ), oder einer gewichtigen Pflichtverletzung 2 3 ), oder aber, daß es sich um einen leichtsinnigen, nachlässigen oder sonst pflichtvergessenen K r a f t fahrer handelt 2 4 ). U n t e r Berufung auf diese Rechtsprechung und insbesondere auf die zu § 25 S t V G ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 25 ), die sich aber nicht auf § 37 S t G B bezieht, vertrat Hamm 2 6 ) zu dem nur für Straftaten geltenden § 37 die Auffassung, daß einmalige Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften nur dann Anlaß für die Anordnung eines Fahrverbots sein könne, wenn der Täter sich besonders verantwortungslos verhalten hat. Dieser Ansicht trat Oldenburg 2 7 ) entgegen und legte die Frage dem B G H vor. Dieser entschied 28 ), ein Fahrverbot nach § 37 S t G B setze bei einem Vergehen nicht voraus, daß der Täter Verkehrsvorschriften wiederholt und hartnäckig mißachtet oder im Falle einer einmaligen Zuwiderhandlung sich besonders verantwortungslos verhalten hat. Eine solche Einschränkung sei schon deshalb nicht gerechtfertigt meint der B G H zu Recht, weil ein Fahrverbot nur bei „erheblichen T a t e n " in Betracht komme. Bei Vergehen sei Voraussetzung für die Nebenstrafe des Fahrverbots lediglich, daß es dem Verschulden des Täters und dem Maß seiner Pflichtwidrigkeit entspreche und neben der Hauptstrafe erforderlich ist, den Strafzweck zu erreichen. Zutreffend weist der B G H wie auch schon das O L G Oldenburg daraufhin, es hänge zwar oft vom Zufall ab, ob ein verkehrswidriges Verhalten schließlich als eine Ordnungswidrigkeit oder ein Vergehen zu beurteilen sei, die verschuldeten Auswirkungen einer Tat gehören aber nach § 13 Abs. 2 Satz 2 S t G B zu den Umständen, denen bei der Strafzumessung Gewicht beizulegen ist. Auch verkehrswidriges Verhalten ohne Schadensfolge kann ein Fahrverbot rechtfertigen, wie z. B. Nötigung durch zu dichtes Heranfahren an den Vordermann auf eine längere Strecke, um ihn zur Freigabe des Überholstreifens zu veranlassen 28 ). O b bei Übertretungen strengere, dem § 25 S t V G entsprechende Anforderungen an die Anordnung eines Fahrverbots zu stellen sind, ließ der B G H 3 0 ) offen. Die Frage dürfte jedoch zu bejahen sein, weil nur bei erheblichen Verstößen mit nicht geringem Schuldgewicht ) Vgl. Braunschweig VRS 31, 104; Celle NJW 68, 1101; 69, 1187; Koblenz NJW 69, 282. 18 ) BGH NJW 72, 1332. 18 ) So auch LK/Schäfer, § 37 StGB RNr. 8. 2 0 ) So auch LK/Schäfer § 37 StGB RNr. 9; BayObLG GA 67, 316 = MDR 67,510; Janiszewski DAR 70, 85, 87; Cramer StVR § 37 StGB RNr. 39; a. A. Bode DAR 70, 58; Jagusdi 19. Aufl. $ 37 StGB Anm. 3. 2 1 ) Saarbrücken VRS 37, 310. 17
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) Hamm VRS 36, 177. » ) Koblenz VRS 36, 93. 2 4 ) Koblenz NJW 69, 262. BVerfGE 27, 36 = NJW 69, 1623. Hamm DAR 71, 217 = MDR 71, 416. 2 7 ) Oldenburg VRS 42, 193 = NJW 72, 504. 2 e ) BGH NJW 72, 1332 = DAR 72, 246. 2») Düsseldorf VerkMitt. 71, 76 Nr. 92. 3») S. Fußnote 28. 22
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Fahrverbot
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und nicht unbedeutenden Folgen sowohl aus spezialpräventiven wie auch generalpräventiven Überlegungen ein Fahrverbot sdiuld- und tatangemessen ist 31 ). 4. Ermessensentscheidung des Gerichts Die Anordnung des Fahrverbots ist in das Ermessen des Gerichts gestellt. Nach der amtl. Begr. 32 ) wurde „bewußt davon abgesehen, das Fahrverbot an weitere sachliche Voraussetzungen zu knüpfen. Dies würde seine Anwendung in der Praxis in nidit vertretbarer Weise erschweren. Das Fahrverbot sollte eine möglichst bewegliche und dem Einzelfall anpassungsfähige Rechtsfolge sein". Wie jede Ermessensentscheidung bedarf aber auch die Anordnung des Fahrverbots pflichtgemäßer Abwägung und eingehender Begründung im Urteil. Grundlage für die Beurteilung, ob ein Fahrverbot erforderlich ist, ist ebenso wie bei Festsetzung der Hauptstrafe das Maß der Schuld des Täters 33 ). Geringes Verschulden rechtfertigt das Fahrverbot nicht. Da auch die Tatfolgen bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind (vgl. § 13 Abs. 2 StGB), müssen auch diese bei der Ermessensentscheidung hinsichtlich des Fahrverbots in die Überprüfung miteinbezogen werden. Grundsätzlich werden nur Pflichtverletzungen von „einigem Gewicht" die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen 34 ) (vgl. dazu R N r . 6—8 oben); so z. B. wenn der Täter durch schuldhaft verkehrswidrige Fahrweise eine erhebliche abstrakte Gefährdung oder eine konkrete Gefahr verursacht hat 35 ). Während bei Vergehen die Erheblichkeit des Verstoßes keiner besonderen Begründung bedarf 34 ), muß die erhebliche Störung der Rechtsordnung bei Übertretungen vom Tatrichter besonders dargelegt werden 37 ). Bei Wiederholungstätern (Mehrfachtätern) kann die Erheblichkeit der Schuld schon aus dem Maß an Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung und den Belangen der anderen Verkehrsteilnehmer hergeleitet werden und ein Fahrverbot rechtfertigen, auch wenn im Einzelfall die Tat an sich unbedeutend ist 38 ). Bei Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens hat der Tatrichter auch zu prüfen, in welchem Umfang der Täter durch das Fahrverbot getroffen wird und ob es neben der verhängten Strafe notwendig ist. Hierbei kann es im Einzelfall nicht ohne Bedeutung sein, ob der Täter beruflich auf den Gebrauch des Kraftfahrzeugs angewiesen ist oder seinen Führerschein benötigt 39 ), ob seine berufliche Stellung die Gefahr künftiger Rechtsbrüche nicht naheliegend erscheinen läßt 40 ). Wirtschaftliche Gesichtspunkte allein aber können für die Frage, ob ein Fahrverbot nach § 37 StGB auszusprechen ist, grundsätzlich keine Berücksichtigung finden 4 1 ); sie sind nur insoweit von Bedeutung, als die Gefahr eines drohenden Fahrverbots bei nochmaliger Zuwiderhandlung einen künftigen Verstoß wegen der damit verbundenen finanziellen Nachteile unwahrscheinlich macht. III. Inhalt und Umfang des Fahrverbots Grundsätzlich erstreckt sich das Fahrverbot auf alle Arten von Kraftfahrzeugen, gleichgültig ob sie fahrerlaubnispfliditig oder fahrerlaubnisfrei sind 42 ). Es geht also weiter als die Fahrerlaubnisentziehung, die nur die fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge erfaßt. Das ) Im Ergebnis ebenso Sdiönke-Schröder, § 37 StGB R N r . 6, 16; Cramer S t V R § 37 S t G B R N r . 39 unter Hinweis auf Hamburg V R S 29, 179; Lackner J Z 65, 95; Warda GA 65, 65, 74. 3 2 ) BT-Drucks. IV/651 und IV/2161. 3 3 ) Köln M D R 71, 415; LK/Schäfer § 37 R N r . 11; Dreher § 37 Anm. 2 ; so schon: Braunsdrweig V R S 31, 104; Frankfurt N J W 70, 1334. 3 4 ) LK/Schäfer § 37 R N r . 11; Jagusch § 37 S t G B Anm. 3 ; SAönke-Sdiröder, § 37 R N r . 6 ; a. A. Dreher § 37 Anm. 2 ; Frankfurt N J W 70, 1334; vgl. zu § 37 StGB vor Inkrafttreten des § 25 StVG n. F . : Hamburg V R S 29, 179; Celle N J W 68, 1101; Saarbrücken V R S 37, 310; Warda GA 65, 76. 31
) So auch LK/Sdiäfer, s. Fußnote 34; vgl. auch BayObLG bei Rüth D A R 70, 261. s«) B G H N J W 72, 1332. 3 7 ) So audi Cramer S t V R § 37 R N r . 39. 3 8 ) Ebenso LK/Sdiäfer, R N r . 11; Dreher Anm. 2 ; Schönke-Schröder R N r . 6 je zu $ 37. 3 ») Vgl. Stuttgart, Justiz 67, 174. 4 ») Vgl. Celle N J W 68, 1101; ebenso audi LK/ Schäfer, s. Fußn. 34. 4 1 ) Anders beim Fahrverbot nach § 25 S t V G , das sdion bei geringfügigeren Zuwiderhandlungen ausgesprochen werden kann; vgl. BayO b L G 5. 3. 70 bei Rüth, D A R 70, 260. 4 2 ) Hamm V R S 34, 367; Oldenburg VerkMitt. 69, 5. 35
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StGB
Rüth
Fahrverbot kann aber auch auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen besdiränkt werden. O b der Tatrichter nun die Fahrzeuge ausdrücklich ausnimmt, auf die sich das Fahrverbot nicht erstrecken soll, oder überhaupt das Fahrverbot nur in bezug auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausspricht, ist gleichgültig, weil die Fassung des Urteilstenors im einzelnen nicht vorgeschrieben ist; er muß nur eindeutig, klar und verständlich sein 44 ). Eine Fahrverbotsbeschränkung wird jedoch nicht die Regel, sondern nur die Ausnahme sein 44 ), weil grundsätzlich bei Zuwiderhandlungen, die ein Fahrverbot rechtfertigen, nur der Ausschluß von allen Kraftfahrzeugarten die Denkzettel- und Besinnungsfunktion dieser N e benstrafe erfüllen kann 4 5 ) und ein Versagen im Kraftverkehr regelmäßig Rückschlüsse auf das Führen von Kraftfahrzeugen schlechthin nahelegt und eine Beschränkung auf bestimmte Fahrzeugarten meist den Zweck der Nebenstrafe vereiteln oder doch beeinträchtigen würde 4 6 ). Es sind aber ebenso wie bei der Fahrerlaubnisentziehung Einzelfälle denkbar, den Täter von der Führung bestimmter Fahrzeuge nicht auszuschließen (vgl. § 42n Abs. 2 StGB). Zu denken ist hier v o r allem an Berufskraftfahrer oder Landwirte, die die Straftat nicht während der Berufs- bzw. Arbeitszeit begangen haben, vielmehr nach Feierabend die Verfehlung mit ihrem ihnen zu Privatfahrten zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeug begangen haben. Der Begriff der Fahrzeugart deckt sidi mit dem des § 42n N r . 2 S t G B . Auf die Ausführungen unter der dortigen R N r . 19 darf verwiesen werden. Das Fahrverbot erschöpft sich in dem Verbot, Kraftfahrzeuge in dem im Urteil bestimmten Umfang während der dort bestimmten Dauer zu führen. Begriff des Kraftfahrzeugs: R N r . 4 oben und § 42m R N r . 10; Führung eines Kraftfahrzeugs: § 42m R N r . 12, § 315c R N r . 4 — 9 ; § 316 R N r . 3—7 mit der Einschränkung, daß die §§ 315c und 316 sich auf jede Fahrzeugführung beziehen, § 37 aber ebenso wie § 42m die Führung eines K r a f t fahrzeugs voraussetzt. Durch das Fahrverbot wird dem Täter (Verurteilten) untersagt, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, was sich aus der Fassung „im Straßenverkehr" ergibt (Begriff des öffentlichen Straßenverkehrs: § 142 R N r . 2 — 9 und § 315c R N r . 2). I m Gegensatz zur Fahrerlaubnisentziehung verliert beim Fahrverbot der davon Betroffene nicht die ihm erteilte Fahrerlaubnis. Es wird ihm nur verboten, während einer bestimmten Dauer von ihr Gebrauch zu machen. IV. Dauer des Fahrverbots 1. Dauer und Anrechnung der vorläufigen Maßnahmen Die Mindestdauer des Fahrverbots beträgt einen Monat, die Höchstdauer 3 Monate. Die Gesetzesformulierung „von einem Monat bis zu drei Monaten" erlaubt ein Fahrverbot bis zu drei Monaten einschließlich. Dies ergibt sich vor allem aus der amtlichen Begründung 4 7 ), in der ausdrücklich ausgeführt wird, daß „mit Rücksicht auf die Zweckbestimmung der Nebenstrafe und auf die gebotene eindeutige Abgrenzung gegenüber der Entziehung der Fahrerlaubnis" „das Höchstmaß der Verbotsfrist von drei Monaten" bestimmt wurde. Wird wegen mehrerer Straftaten nach § § 74, 75 S t G B eine Gesamtstrafe gebildet, so ist daneben nach § 74 Abs. 3 S t G B nur ein Fahrverbot zulässig, auch wenn mehrere Strafen die Anordnung des Fahrverbots rechtfertigen, da die Nebenstrafe nicht als Nebenfolge der Einzelstrafe, sondern der Gesamtstrafe erscheint 48 ). Aus diesem Grund darf die zulässige Höchstdauer von 3 Monaten auch bei Bildung einer Gesamtstrafe nicht überschritten wer« ) Ebenso LK/Schäfer § 37 StGB RNr. 16. " ) Schönke-Schröder § 37 StGB RNr. 17; LK/ Schäfer § 37 StGB RNr. 16; Cramer StVR § 37 StGB RNr. 43. 4 5 ) Ebenso Cramer, s. Fußn. 44. 4«) So LK/Schäfer, s. Fußn. 44. 4 7 ) BT-Drudks. IV/651 und IV/2161.
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) Vgl. dazu LK/Mösl, $ 74 StGB RNr. 12; LK/Sdiäfer § 37 StGB RNr. 32; Cramer StVR § 37 StGB RNr. 41; Schönke-Sdiröder § 37 StGB RNr. 28 und § 76 StGB RNr. 2; Dreher § 76 StGB Anm. 1 B; BGHSt. 12, 85; 14, 381; BayObLG VRS 31, 186 = DAR 66, 270 = GA 67, 95; vgl. auch Warda GA 65, 84.
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Fahrverbot
den. Dies gilt auch bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nach § 76 StGB, § 460 S t P O 4 ' ) , bei der die früheren Hauptstrafen und damit auch die in den früheren Entscheidungen ausgesprochenen Nebenstrafen in Wegfall kommen und durch die neugebildete Gesamtstrafe einschließlich des Fahrverbots ersetzt werden. Wird gegen ein eine Gesamtstrafe aussprechendes Urteil ein Rechtsmittel eingelegt und wird der Angeklagte in der Rechtsmittelinstanz wegen einer T a t freigesprochen, so daß eine Einzelstrafe wegfällt, so verstößt es nicht gegen das Verschlechterungsverbot, wenn wegen der anderen Taten ein Fahrverbot in gleicher Höhe aufrechterhalten wird, wenn auch nur eine der zur Verurteilung führenden Taten unter den Voraussetzungen des § 37 begangen wurde 5 0 ). Werden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig abgeurteilt und liegen bei beiden Taten die Voraussetzungen für die Anordnung eines Fahrverbots vor (Straftat nadi $ 37 S t G B , Ordnungswidrigkeit nach § 25 StVG), muß § 74 Abs. 3 S t G B analog angewendet werden. Es darf also auch in diesen Fällen nur ein Fahrverbot ausgesprochen werden* 1 ), wobei aber bereits im Urteilstenor auf die §§ 37 S t G B und 25 S t V G hinzuweisen ist; in den Urteilsgründen sind die Voraussetzungen des Fahrverbots bei beiden Taten darzulegen und im einzelnen zu begründen. D e r Ausspruch zweier Fahrverbote ist nicht gerechtfertigt, weil es dem Sinn und Zweck des § 74 Abs. 3 und des 5 37 Abs. 1 S t G B widerspräche, wonach die Fahrverbotsfrist in einer gerichtlichen Entscheidung 3 Monate nicht überschreiten darf und im R a h m e n einer Entscheidung nur einmal auf eine gleichartige Nebenstrafe (Nebenfolge) erkannt werden darf. D e r Ansicht Wardas 5 5 ), es könne für jede Einzeltat ein gesondertes Fahrverbot verhängt werden, aus Gründen der Urteilsklarheit solle aber nur für eine T a t ein Fahrverbot ausgesprochen werden, kann deshalb nicht zugestimmt w e r d e n " ) . V o m dogmatischen Standpunkt kann Wardas Meinung allerdings nicht als gänzlich abwegig bezeichnet werden, weil die 55 74, 76 S t G B für Strafen (Freiheitsund Geldstrafen) gelten, aber keine Anwendung finden, wenn wegen der Straftat auf Geldstrafe, wegen der Ordnungswidrigkeit auf Geldbuße erkannt wird und deshalb auch Nebenstrafe und Nebenfolge nebeneinander nicht mehr von vorneherein unzulässig sind.
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Wurde gegen einen T ä t e r in verschiedenen Verfahren mehrfach rechtskräftig auf ein Fahrverbot erkannt, ohne daß die Voraussetzungen für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe vorliegen, werden hierdurch die in den einzelnen Verfahren ausgesprochenen Fahrverbotsfristen nicht berührt. Die Summe der Verbotsfristen kann deshalb die Dreimonatsgrenze in diesem Fall nicht unerheblich übersteigen. Die Fahrverbote werden nacheinander vollstreckt; die Fristen laufen nicht gleichzeitig 84 ).
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Die Fahrverbotsfrist verkürzt sich mit der sich aus 5 60 Abs. 1 S t G B ergebenden E i n schränkung um die Zeit, in der dem T ä t e r die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen war, oder sein Führerschein nadi 5 94 S t P O verwahrt, sichergestellt oder beschlagnahmt war (% 60 Abs. 4 StGB). Die Anrechnung dieser Frist erfolgt kraft Gesetzes durch die Strafvollstreckungsbehörde, ohne daß es eines besonderen Ausspruchs bedarf 5 5 ). Die Abkürzung der Verbotsfrist im Hinblick auf die schon bestehenden vorläufigen Maßnahmen ist unzulässig 58 ), weil auf diese Weise eine Doppelanrechnung herbeigeführt würde 5 7 ). Obersteigt oder erreicht die anrechenbare Frist der vorläufigen Maßnahmen die Fahrverbotsfrist, ist das
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« ) Vgl. dazu LK/Mösl, $ 76 StGB RNr. 10; im übrigen s. Hinweise in Fußnote 48. 5 «) BayObLG DAR 66, 270 VRS 31, 186 = GA 67, 95. 51) Ebenso LG Stuttgart NTW 68, 461 = DAR 68, 131; Cramer StVR S 37 StGB RNr. 41; Schönke-Schröder 5 37 StGB RNr. 28; abweichend: Warda GA 65, 85. «*) GA 65, 85. ) BGHSt. 5, 179 = NJW 54, 163 m. abl. Anm. Sdimidt-Leichner = LM Nr. 2 zu § 42m StGB m. Anm. Busch. 4t ) BGH, Fußnote 48; BGHSt. 10, 333 = VRS 13, 260 = JZ 58, 130 m. abl. Anm. Härtung; BGH VRS 15, 112. 5 °) BGHSt. 17, 218 = VRS 23, 206, erg. auf Vorlegungsbeschluß von Celle NJW 62, 128. " ) Köln VRS 41, 356.
) Hamm DAR 63, 218. BGH VRS 30, 275. ) BGHSt. 10, 333 = JZ 58, 130 m. abl. Anm. Härtung; BGH VRS 37, 350; Braunsdiweig VRS 17, 342; Oldenburg VRS 21, 110; BayObLG bei Rüth DAR 66, 259; Schmidt DAR 65, 153; a. A. KG VRS 11, 357; Dreher § 42m Anm. 3 A b. 55 ) Vgl. Stuttgart DAR 61, 169; NJW 61, 690 m. abl. Anm. Härtung; Oldenburg VRS 21, 110; Schleswig SdilHA 62, 148; VerkMitt. 64, 90; 66, 42. M) BGHSt. 15, 316 = VRS 21, 40; Celle DAR 57, 106; Braunsdiweig VRS 17, 342; Oldenburg VRS 21, 110; Schleswig SdilHA 62, 148. « ) Vgl. Hamm VRS 12, 272; Oldenburg VRS 58
21, 110.
) Vgl. KG VRS 15, 196. ») BGH VRS 27, 184; vgl. audi Oldenburg VRS 27, 264.
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993 63 StVO + S t G B
§ 42m
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Bei Beteiligung mehrerer an der mit Strafe bedrohten Handlung kann ein Teilnehmer diese auch dann im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs begangen haben, wenn er es nicht eigenhändig gelenkt h a t " ) . 17
Die sehr weitgehende Interpretation des Begriffs „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs" durch die Rechtsprechung, stieß vor allem im Schrifttum vielfach auf Ablehnung 6 1 ). Die gegen die Rechtsprechung, vor allem des B G H , vorgebrachten Bedenken sind nicht überzeugend; denn die gerichtliche Fahrerlaubnisentziehung ist schon nach dem Wortlaut des § 42m nicht auf Verkehrsverstöße beschränkt. Auch entspricht es dem der amtlichen Begründung (vgl. R N r . 1, 2 oben) zu entnehmenden Zweck des Gesetzes, dem Strafrichter die Möglichkeit zu eröffnen, bei allen im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangenen Straftaten die Eignung des Täters als Kraftfahrzeugführer zu überprüfen und hierbei die Aufgaben wahrzunehmen, die vor dem 1. Straßenverkehrssicherungsgesetz 1952 allein der Verwaltungsbehörde oblagen, mit der Einschränkung, daß die Eignungsprüfung vom Strafrichter nur innerhalb des Bereichs vorzunehmen ist, den er auch bei Abwägung der sich aus der Tat ergebenden Schuld bei Würdigung aller Umstände in Bezug auf die Strafbemessung zu berücksichtigen hat 62 ).
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Kein Zusammenhang besteht, wenn sich der Täter erst nach der Beendigung der Fahrt zur Tat entschließt und das Fahrzeug auch nicht zur Flucht benutzt 6 3 ), wenn der Täter seiner Leidenschaft zum Autofahren frönt und deshalb seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt (§ 170 d StGB) oder wenn er nach einem Unfall, den ein betrunkener Kraftfahrer verursacht und verschuldet hat, vortäuscht (§ 145d StGB), er selbst habe das Fahrzeug zur Unfallzeit gesteuert 64 ) oder wenn er sich ohne Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs, einem Polizeibeamten gegenüber mit einem gefälschten Führerschein ausweist 65 ) oder sich mit einem gefälschten Führerschein bei einer Bank betrügerisch Geld verschafft. Zusammenhang ist auch zu verneinen, wenn der Täter die mit Strafe bedrohte Handlung nur bei Gelegenheit der Kraftfahrzeugbenutzung begeht, ohne daß die Führung des Kraftfahrzeugs die Tatbegehung ermöglicht oder erleichtert hat 66 ). 3. Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers
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Täter einer mit Strafe bedrohte Handlung unter Verletzung von Pflichten eines Kraftfahrzeugführers kann nur sein, wer das Kraftfahrzeug selbst führt. Der Begriff der Kraftfahrzeugführung deckt sich mit dem der Fahrzeugführung der §§ 315c, 316 StGB (vgl. R N r . 10 ff. zu § 315c und R N r . 3—7 zu § 316), jedoch mit der Einschränkung, daß § 42m nur die Führer von Kraftfahrzeugen erfaßt. Die einem Kraftfahrzeugführer obliegenden Pflichten ergeben sich grundsätzlich aus den Vorschriften der StVO, StVZO und dem StVG 6 7 ), sowie den Bestimmungen des StGB, aber auch aus Verordnungen des sog. Nebenstrafrechts wie z. B. der Arbeitszeitordnung, der BOKraft. des PersBefG. Soweit die Zuwiderhandlungen sich in der Erfüllung des Tatbestandes einer Ordnungswidrigkeit erschöpfen, kommt § 42m nicht in Betracht (vgl. R N r . 4 oben), vielmehr muß die Pflichtverletzung den Tatbestand einer Strafbestimmung verletzen.
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Eine Pflichtverletzung des Kraftfahrzeugführers wird einmal anzunehmen sein bei Verstößen gegen Fahrvorschriften oder bei einem Fehlverhalten in Bezug auf sonstige von einem Kraftfahrzeugführer zu erfüllende Pflichten, gleichgültig ob er diese durch Tun oder Unterlassen verletzt. Es kommen deshalb als Ursache mit Strafe bedrohter Handlungen nicht nur typische Verkehrsdelikte in Frage, wie z. B. die Inbetriebnahme eines verkehrsunsicheren Kraftfahrzeugs (§ 23 StVO i. V. m. den Bau- und Betriebsvorschriften der 60 61
) BGH VRS 37, 350. ) So Härtung JZ 54, 137; JR 54, 306; SdimidtLeichner NJW 54, 163; Gülde RdK 54, 115; Müller StVR, 21. Aufl., Seite 174; Cramer StVR § 37 StGB RNr. 29; Sdiönke-Sctröder § 42m StGB RNr. 17.
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) Vgl. BGHSt. 17, 218; BGH VRS 16, 424 = VerkMitt. 60, 1 Nr. 1 m. Anm. Booß. BGHSt. 22, 328 = VRS 36, 348. Hamm VRS 13, 452 = DAR 58, 16. Vgl. Celle MDR 67, 1026. Hamm VRS 25, 186; 28, 260. Vgl. dazu Hamm VRS 13, 450.
) 64 ) 65 ) 66 ) 67 ) 63
E n t z i e h u n g der Fahrerlaubnis
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§ 42m
S t V Z O , §§ 32 ff.), nicht ausreichende Kenntlichmachung liegengebliebener K r a f t f a h r z e u g e (§ 15 S t V O ; S 315c Abs. 2 N r . g S t G B ) , Überschreitung der täglichen Arbeitszeit oder der zulässigen täglichen Lenkungszeit (S 15a S t V Z O ) , Außerachtlassen der Verkehrsvorschriften, Verkehrszeichen, sondern auch andere m i t Strafe b e d r o h t e H a n d l u n g e n , die nicht in erster Linie dem Schutz des Straßenverkehrs dienen, wie z. B. K ö r p e r v e r l e t z u n g , fahrlässige T ö tung, N ö t i g u n g , wenn deren T a t b e s t a n d durch eine Pflichtverletzung des Täters als K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r erfüllt ist. S o u. a., wenn der T ä t e r das v o n ihm geführte K r a f t f a h r z e u g als A n g r i f f s m i t t e l gegen Menschen oder G ü t e r vorsätzlich einsetzt oder andere Rechtsgüter verletzt, z. B. durch Laufenlassen des M o t o r s ruhestörenden L ä r m verübt 6 8 ). Auch die unbef u g t e B e n u t z u n g eines K r a f t f a h r z e u g s i. S. des § 248b S t G B kann ausreichen, ebenso wie auch der Diebstahl eines K r a f t f a h r z e u g s , weil der T ä t e r hierdurch seine auf C h a r a k t e r mängel beruhende mangelnde E i g n u n g als K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r bewiesen hat 6 9 ). Überläßt der K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r vorsätzlich einer fahruntüchtigen oder einer nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis befindlichen Person das K r a f t f a h r z e u g , so macht der K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r sich dadurch einer S t r a f t a t schuldig (z. B. A n s t i f t u n g , Beihilfe zu einem Vergehen nach § 316 S t G B ) , hat gegen seine Pflicht als K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r verstoßen u n d die Voraussetzungen f ü r die A n w e n d u n g des § 42m geschaffen 7 0 ), selbst wenn der H a l t e r des K r a f t f a h r z e u g s anwesend ist 7 1 ). D e r Führer eines abgeschleppten Fahrzeugs ist nicht K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r , weil das abgeschleppte K r a f t f a h r z e u g weder K r a f t f a h r z e u g noch A n hänger ist ( § 1 8 S t V Z O ) ; ihm k a n n die Fahrerlaubnis deshalb nicht entzogen werden 7 2 ), anders bei angeschleppten K r a f t f a h r z e u g e n , u m den M o t o r in G a n g zu setzen oder bei geschleppten K r a f t f a h r z e u g e n nach § 33 S t V Z O . — Hinsichtlich der Pflichten des H a l t e r s vgl. R N r . 16 oben. D i e eine Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigende Pflichtverletzung m u ß jedoch v o n einigem Gewicht sein, was insbesondere der Fassung des Gesetzes „wenn sich aus der T a t ergibt, daß er z u m Führen v o n K r a f t f a h r z e u g e n ungeeignet i s t " zu entnehmen ist. Nicht jede Pflichtverletzung k a n n deshalb eine Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigen. Mangelnde Eignung, vgl. auch R N r . 21 ff. unten. 4. Ungeeignetheit zur F ü h r u n g eines K r a f t f a h r z e u g s D i e mangelnde E i g n u n g z u m Führen v o n K r a f t f a h r z e u g e n m u ß sich aus der begangenen T a t ergeben. Stellt der Tatrichter mangelnde E i g n u n g fest, m u ß er die Fahrerlaubnis entziehen; die Entscheidung liegt also nicht in seinem Ermessen 7 3 ). Im Einzelfall kann jedoch v o n der E n t z i e h u n g abgesehen werden, wenn die T a t Ausnahmecharakter hat 7 4 ).
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a) auf G r u n d der T a t Als Erkenntnisquelle f ü r die B e a n t w o r t u n g der Frage, ob die E n t z i e h u n g im Einzelfall geboten ist, erwähnt § 4 2 m nicht die Persönlichkeit des Täters, sondern die begangene T a t . H i e r u n t e r ist der gesamte geschichtliche V o r g a n g im verfahrensrechtlichen Sinn zu verstehen (§ 264 S t P O ) 7 5 ) . D i e T a t als A u s g a n g s p u n k t der Eignungsbeurteilung soll nach der amtl. B e g r ü n d u n g z u m 2. S t r a ß e n V e r k S i d i G sicherzustellen, daß sich die Wertung des Eignungsmangels v o r allem „auf die begangene T a t u n d darüber hinaus grundsätzlich nur auf diejenigen Z ü g e der Persönlichkeit des T ä t e r s stützt, die m i t der T a t irgendwie z u s a m m e n h ä n g e n " . Eignungsmängel, die z u m Tatgeschehen nicht beigetragen haben, d ü r f e n nicht be• 8 ) So auch Sdiönke-Schröder 16. Aufl. § 42m RNr. 16. ••) Ebenso audi BGHSt. 5, 179; 17, 218; Bruns GA 54, 188; a. A. Sdiönke-Schröder RNr. 17; Kohlrausdi-Lange Anm. IV b; Härtung J Z 54, 139; Cramer StVR RNr. 29; vgl. zum Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs: RNr. 12 bis 18 oben.
°) Vgl. Hamm VRS 12, 272; Braunsdiweig VRS 18, 342. ) Vgl. BGH N J W 59, 1883; Braunsdiweig NdsRpfl. 59, 163; Celle DAR 57, 106. 7 2 ) A. A. Sdiönke-Schröder RNr. 16. 73 ) BayObLG Blutalkohol 71, 465; Braunschweig NdsRpfl. 69, 214. 7 4 ) BayObLG, Fußnote 73. ™) Celle VRS 30, 178. 7
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rücksichtigt werden 7 8 ). Der Umstand, daß vorhandene Mängel im R a h m e n des E r m i t t lungs- und Strafverfahrens lediglich offenbar wurden, genügt nicht 77 ). So kann auch ein Alkoholgenuß, der sich nach den Feststellungen z u m Tatgeschehen in Bezug auf den Unfall oder die Fahrweise des Angeklagten nicht ausgewirkt hat, nicht Anlaß z u r gerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sein 78 ); gleiches gilt f ü r eine frühere, bereits abgeurteilte T r u n k e n h e i t s f a h r t im Hinblick auf den neuerlichen ohne Alkoholgenuß verursachten nicht allzu schweren Unfall 7 9 ). Auch andere körperliche Mängel k ö n n e n Ungeeignetheit n u r dann beweisen, wenn sie den Tatablauf unmittelbar negativ beeinflußten, die Tat eine Folgew i r k u n g dieses Mangels war 8 0 ); Auch geistige Störungen, die ohne Einfluß auf den Geschehensablauf waren, k ö n n e n nicht zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung herangezogen werden 8 1 ). Nach der T a t eingetretene Zurechnungsunfähigkeit oder aufgetretene körperliche Mängel lassen die gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nicht zu 82 ). In diesen Fällen bleibt n u r die Fahrerlaubnisentziehung durch die Verwaltungsbehörde nach § 4 StVG, § 3 StVZO. 23
Rechtsirrig wäre es, in jedem Falle n u r der Tat allein Bedeutung beizumessen 83 ). Gewisse Taten tragen allerdings die V e r m u t u n g der Ungeeignetheit in sich. Sie sind in § 42m Abs. 2 zusammengefaßt. Die dortige Aufzählung enthält aber n u r Beispiele. Inwieweit eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters vorzunehmen ist, hängt v o n der Schwere der Tat ab; je gravierender sie ist, umsoweniger braucht das Persönlichkeitsbild des Täters berücksichtigt werden (vgl. R N r . 26 unten).
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N u r erhebliche Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen, die in dem Geschehensablauf in Erscheinung getreten sind, rechtfertigen die A n o r d n u n g der Maßregel, wobei dem Ausmaß der Schuld bei der T a t a u s f ü h r u n g das entscheidendste Gewicht beikommt 8 4 ); der Erfolg ist nicht das ausschlaggebende Kriterium 8 5 ); so ist Fahrerlaubnisentziehung nicht ohne weiteres schon die Folge einer durch verkehrswidrige Fahrweise verursachten u n d verschuldeten fahrlässigen Tötung 8 6 ), Ein einmaliger Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift kann die Feststellung mangelnder Eignung grundsätzlich nicht begründen, wenn er nicht ein besonderes Maß an Verantwortungslosigkeit aufzeigt 8 7 ); keine Ungeeignetheit z. B., wenn der Täter einmal aus Unachtsamkeit die V o r f a h r t mißachtet, sich in der Geschwindigkeit der herannahenden Fahrzeuge verschätzt 88 ) oder ihm ein Verkehrsverstoß infolge unzulänglicher Überlegung unterlaufen ist 89 ). Eignungsmangel ist auch zu verneinen, wenn der Unfall auf eine grob verkehrswidrige Mitverursachung eines anderen Verkehrsteilnehmers herbeigeführt wurde, insbesondere wenn diesen ein überwiegendes Verschulden trifft* 0 ), es sei denn, der Tatbeitrag des Täters o f f e n b a r t f ü r sich allein betrachtet schon dessen U n z u verlässigkeit, was z. B. bei Trunkenheitsfahrten allgemein anzunehmen ist. 7
«) So schon BGHSt. 5, 168 = NJW 54, 159 m. Anm. Schmidt-Leichner = JZ 54, 123 m. Anm. Härtung S. 138 = VRS 6, 21 = DAR 54, 41; RdK 55, 10; VerkMitt. 54, 2; BGHSt. 7, 165 = NJW 55, 557 m. Anm. Schmidt-Leichner = RdK 55, 74; BGHSt. 15, 393 = VRS 30, 430 = DAR 61, 199 = NJW 61, 1269; Braunschweig NJW 53, 1882; VRS 14, 356 = DAR 58, 163; DAR 58, 193; Celle NJW 54, 562; DAR 56, 248; Düsseldorf VRS 6, 29 = RdK 54, 30 = NJW 54, 165 m. Anm. Schmidt-Leichner; Hamm NJW 54, 812 = DAR 54, 63; Hamburg NJW 55, 1000 = DAR 55, 166; Karlsruhe DAR 54, 162; Oldenburg RdK 55, 111; Stuttgart VRS 10, 130; vgl. audi Bruns GA 54, 161, 185; Gülde RdK 54, 115; Härtung JZ 58, 131; Lackner JZ 65, 121; Schmidt-Leidiner NJW 53, 1849.
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Ebenso LG Hannover NdsRpfl. 66, 224. Düsseldorf VRS 36, 96 = DAR 69, 24. Celle VRS 30, 178. Kurzsiditigkeit: BGHSt. 15, 393; Düsseldorf MDR 58, 621; Hamm DAR 57, 187. Düsseldorf DAR 58, 241. BGHSt. 15, 393; vgl. auch BGH DAR 61, 199; Hannover NdsRpfl. 66, 224. BGH VRS 13, 210. Vgl. LG Karlsruhe DAR 59, 105. BGH VRS 7, 353 = DAR 54, 280. BGHSt. 5, 168 u. a. BGHSt. 7, 165, 357; BGH bei Martin DAR 61, 78. BGH, Fußnote 87 und VRS 10, 213; 22, 35. BGH DAR 56, 161. BGH VRS 10, 213.
Entziehung der Fahrerlaubnis
StGB
§ 42m
Die Ungeeignetheit des Täters muß auf Grund der Tat zur Uberzeugung des Gerichts feststehen; gleiches gilt für die künftige Gefährlichkeit des Täters im Hinblick auf die Allgemeinheit* 1 ). N u r dann kann bei schwereren Delikten oder hartnäckigen Verfehlungen die Persönlichkeitswürdigung außer Betracht bleiben, also wenn die Tat allein sdion den Schluß auf die Ungeeignetheit sidier zuläßt. Zweifel genügen nicht.
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b) Würdigung der Gesamtpersönlidikeit Eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters ist nicht in jedem Fall erforderlieh. Hierzu hat schon das O L G Braunschweig 92 ) einige auch heute noch gültige Grundsätze entwickelt: aa) Sie ist entbehrlich, wenn die Schwere der Tat allein die Ungeeignetheit beweist 93 ) oder die Tat keine typischen Zeichen für die Ungeeignetheit enthält; im ersten Fall Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung notwendig, im zweiten Fall unzulässig, selbst wenn die Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit ungünstig ist, sie kann also unterbleiben, weil es schon an der Voraussetzung für eine Fahrerlaubnisentziehung, nämlich einer die Ungeeignetheit aufzeigenden Tat fehlt 9 4 ); bb) sie ist erforderlich, wenn die Tat die begründete Vermutung der Ungeeignetheit nahelegt oder die Tat typische Zeichen für die Ungeeignetheit enthält; Zweifel wirken sich zu Gunsten des Täters aus.
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Die Würdigung der Gesamtpersönlichkeit hat von der begangenen Tat auszugehen und an sie anzuknüpfen. Diese muß körperliche, geistige oder sittliche Mängel des Täters aufgedeckt haben, die erkennen lassen, daß er die im Interesse der Verkehrssicherheit an einen Kraftfahrzeugführer zu stellenden strengen Anforderungen nicht erfüllt 9 5 ). Hierbei ist die Tat als Lebensäußerung der Gesamtpersönlichkeit des Täters zu würdigen 96 ), wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Täter bisher ein einwandfreies Verhalten als K r a f t fahrzeugführer zeigte, einschlägig vorbestraft ist, oder mehrmals schon wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten mit Bußgeld belegt werden mußte 97 ), oder sonstige Umstände in Erscheinung getreten sind, die einen Schluß auf mangelndes Verantwortungsbewußtsein im Straßenverkehr zulassen 98 ). Charakterlidie UnZuverlässigkeit kann Ungeeignetheit als Kraftfahrzeugführer begründen. Lediglich ein allgemeiner Charaktermangel macht aber nicht schlechthin ungeeignet, vielmehr nur dann, wenn er im Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeugs im öffentl. Straßenverkehr (vgl. R N r . 12 bis 18 oben) gefährlich zutage getreten ist 99 ). Vorstrafen alleine beweisen Ungeeignetheit nicht. Zwar ist wissenschaftlich nachweisbar, daß Täter allgemeiner Straftaten (mit nicht unerheblichen nicht verkehrsrechtlichen Vorstrafen) auch zur Begehung von Verkehrsdelikten neigen 100 ); dennoch reichen sie allein zum Nachweis der Ungeeignetheit als Kraftfahrzeugführer nicht aus. Sie können deshalb bei der Eignungsprüfung grundsätzlich nur dann herangezogen werden, wenn sie Schlüsse auf die Unzuverlässigkeit des Täters im Hinblick auf die Teilnahme als Kraftfahrzeugführer im öffentlichen Straßenverkehr zulassen 101 ). Die Praxis der Verwaltungsbehörden und die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Zuverlässigkeit des Täters und seiner Eignung als ) BGHSt. 7, 176; Braunschweig DAR 68, 193 = VRS 14, 356; Düsseldorf VerkMitt. 66, 60. 92 ) DAR 58, 193. So auch Köln MDR 66, 690. 94 ) So audi Cramer StVR § 42m RNr. 37. •«) BayObLGSt. 54, 7. »•) BayObLGSt. 54, 7; BGHSt. 5, 168. " ) Vgl. BGH VRS 14, 282. »«) Vgl. BGHSt. 7, 165; BGH VRS 7, 357; Düsseldorf NJW 54, 166; Hamm DAR 54, 63. 91
•») So auch BGHSt. 5, 168 = NJW 54, 159 m. zust. Anm. Schmidt-Leidiner; BGH VRS 16, 424; Celle VRS 30, 178; Oldenburg RdK 55, 111; ebenso auch Cramer StVR § 42m RNr. 31; Guelde RdK 54, 115; Härtung J Z 54, 137; J R 54, 306. I M ) Vgl. Hamm DAR 61, 230; vgl. aber Köln DAR 57, 23. 101 ) BayObLG VkBl. 58, 35; KG VRS 6, 384; Weigelt DAR 57, 233).
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§ 42m
StGB
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Kraftfahrzeugführer sind auf § 42m nicht ohne weiteres übertragbar, weil die Ausgangsgrundlagen jeweils verschieden sind (§ 4 S t V G : „erweist sich jemand als ungeeignet"; § 42m S t G B : „wenn sich aus der T a t " (Straftat) „ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist"). Wiederholte geringfügige Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften können im Verwaltungsgerichtsverfahren die Fahrerlaubnisentziehung bei Mehrfachtätern 1 0 2 ) rechtfertigen 10 ' 1 ). Der Strafrichter kann Ordnungswidrigkeiten nur im Rahmen der Täterpersönlichkeitsprüfung würdigen, wenn die zur Aburteilung anstehende Tat eine mit Strafe bedrohte Handlung ist. Außerachtlassung polizeilicher Vorladungen kann nach gegenwärtiger Rechtslage im Rahmen des Entziehungsverfahrens nicht nachteilig für den Täter gewertet werden 1 0 4 ). 28
I m Rahmen der Würdigung der Gesamtpersönlichkeit wurde von der Rechtsprechung als Eignungsmangel anerkannt (Einzelfälle): rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr auch ohne daß die Tatbestandsmerkmale des § 315c Abs. 1 N r . 2 S t G B erfüllt zu sein brauchen 1 0 5 ); Häufung von Verkehrsdelikten 1 0 6 ); wiederholte Verstöße gegen Haftpflichtversicherungsvorschriften 1 0 7 ); auf Gleichgültigkeit oder Gedankenlosigkeit (auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit) beruhender Mißachtung der Vorschriften über den ordnungsgemäßen Zustand des Kraftfahrzeugs 1 0 8 ); Fahren ohne Fahrerlaubnis oder trotz Fahrverbots 1 0 9 ); Verkehrsflucht, auch wenn die konkreten Merkmale nach § 42m Abs. 2 N r . 3 nicht erfüllt sind 1 1 0 ); Alkoholmißbrauch, insbesondere wenn die neue T a t ebenfalls wieder unter dem Einfluß von Alkohol begangen wurde 1 1 1 ); Rauschmittelsucht 1 1 2 ); Benutzung des Kraftfahrzeugs zu Straftaten, sei es, daß er Leistungen für das Kfz erschwindelt 113 ), oder Kraftfahrzeugvermieter betrügt 1 1 4 ) oder das Kraftfahrzeug benutzt, um Kreditwürdigkeit vorzutäuschen 115 ). — Vgl. auch R N r . 12 bis 18 oben. Ein Kraftfahrzeugführer, der bei Dunkelheit verkehrswidrig überholt und hierbei Fußgänger verletzt ist nicht stets ungeeignet i. S. des § 42m Abs. 1, sondern nur dann, wenn die Würdigung der Persönlichkeit, soweit sie in der Tat zum Ausdruck k o m m t , ergibt, daß seine Fahrweise auf einen Mangel an diarakterlidier Zuverlässigkeit beruht 1 1 4 ).
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Verhalten des Täters nadi der Tat (Unfall) kann bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt werden 1 1 7 ). Monatelanges unfallfreies Fahren nach der Tat genügt, insbesondere nach einer Trunkenheitsfahrt nicht zur Beseitigung der Bedenken gegen die Eignung 1 1 8 ). Leugnen des Angeklagten oder entsprechendes Prozeßverhalten dürfen bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ohne weiteres negativ beurteilt werden 1 1 9 ). Uneinsichtigkeit kann künftige Gefährdung bedeuten, wenn der Täter trotz erwiesener Schuld und seines feststehenden grob verkehrswidrigen Verhaltens dabei bleibt, sich richtig verhalten zu haben 1 2 0 ). Andererseits kann aufrichtige Reue oder auch die freiwillige Rückgabe des Führerscheins, insbesondere der Verzicht auf die Fahrerlaubnis zu Gunsten des Täters gewürdigt werden 1 2 1 ). Auf mangelnde Fahrpraxis kann Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ) Vgl. Müller/Rüth StVR 22. Aufl., % 4 StVG RNr. 23. ) OVG Berlin VRS 42, 234. 1 0 4 ) Anders nodi nadt früherer Rechtslage: Hamm VerkMitt. 58, 69 Nr. 140. 1 0 5 ) BGH VRS 8, 289; 16, 424; ebenso Hamm DAR 54, 63; Düsseldorf RdK 55, 29. 10 °) BGH VRS 13, 212; 15, 112; BayObLG VkBl. 58, 35. 1 0 7 ) Lüneburg, DAR 72, 55. 1 0 8 ) Vgl. BGH VRS 13, 212; 14, 282; 21, 283. 1 0 9 ) Schleswig DAR 67, 21. 1 1 0 ) Vgl. BGH VRS 22, 35; BayObLG VRS 15, 41. » i ) BGH VRS 16, 424; 17, 25; 23, 443; KG DAR 55, 92; VerkMitt. 54, 3; Braunschweig 102
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DAR 58, 193; Düsseldorf NJW 61, 979; Hamm VRS 26, 281. ) KG VRS 15, 416. 1 1 3 ) BGHSt. 5, 179; BGH VRS 30, 275. 1 1 4 ) BGH VRS 15, 112; 23, 206 = BGHSt. 17, 112
218.
) BGHSt. 5, 179; jeweils a. A. Cramer RNr. 31. 1 1 6 ) Zweibrücken VRS 38, 263. 1 1 7 ) Celle VRS 9, 348. 1 1 8 ) Stuttgart VerkMitt. 55, 67. 1 1 9 ) Hamm VRS 36, 95. 1 2 0 ) Mohr NJW 57, 941, 1750; Lienen N J W 57, 1140, 1750; a. A. Görres NJW 57, 1428; vgl. auch Hamm DAR 61, 169. 1 2 1 ) BGH bei Martin DAR 58, 98. 115
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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gestützt werden 1 2 2 ). Einmaliges menschliches Versagen reicht für eine Entziehung nicht aus 123 ), vor allem wenn nur leichte Fahrlässigkeit die Ursache des Versagens ist 1 2 4 ), oder wenn die T a t in Bezug auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters Ausnahmediarakter hat 1 2 8 ). Die Würdigung der Täterpersönlichkeit hat alle subjektiven und objektiven Umstände zu umfassen, die in der Tat zum Ausdrude gekommen sind 1 2 8 ). Diese Abwägung muß in den Urteilsgründen ihren Niederschlag finden. Bei einen wiederholt einschlägig vorbestraften Angeklagten kann die Anordnung einer Fahrerlaubnisentziehung nicht mit der formelhaften Begründung verneint werden, das Gericht habe sich auf Grund des persönlichen Eindrucks von dem Angeklagten nicht davon überzeugt, die Leichfertigkeit beruhe auf einer grundsätzlichen Unzuverlässigkeit als Kraftfahrer 1 2 7 ). c) Künftige Gefährdung Die Entziehung der Fahrerlaubnis als Maßregel der Sicherung und der Besserung setzt voraus, daß die konkreten Umstände des Einzelfalls aus der Tat auf eine vom Angeklagten ausgehende künftige Gefährdung der Allgemeinheit schließen lassen. Wird dies verneint, ist die Anordnung der Maßregel nicht zulässig 128 ). Der frühere Meinungsstreit, ob Ungeeignetheit genügt oder die Feststellung einer Gefährlidikeitsprognose zu erfolgen hat oder ob die Feststellung der Ungeeignetheit zugleich eine Gefährlichkeitsvermutung enthält 1 2 '), dürfte als erledigt betrachtet werden können.
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d) Zeitpunkt der Beurteilung der Eignungsfrage Maßgebend für die Beurteilung der Eignungsfrage ist der Zeitpunkt der Entscheidung durch den Tatrichter 1 3 0 ). Es können daher auch Umstände berücksichtigt werden, die zwischen der Tat und dem Tag der Hauptverhandlung hervorgetreten sind1®1). Die Entziehung hat zu unterbleiben, wenn eine künftige Gefährdung nach der Uberzeugung des Gerichts nicht zu befürchten ist, weil hierfür ein den Schutz der Allgemeinheit bezweckendes Bedürfnis nicht mehr besteht 1 3 2 ). Diese Annahme ist i. d. R . bei Taten, die besonders schwere Verstöße darstellen, nicht gerechtfertigt; hierunter sind aber grundsätzlich nur Delikte zu verstehen, die in § 42m Abs. 2 aufgezählt sind (zur Widerlegung der Ungeeignetheit bei diesen Taten vgl. Rdn. 35, 36 unten). W a r dem Angeklagten bis zum Erlaß des Urteils (Berufungsurteils) die Fahrerlaubnis nadi § l i l a S t P O lange Zeit entzogen, kann dies ein Umstand sein, von der endgültigen Fahrerlaubnisentziehung abzusehen, wenn durch die vorläufige Entziehung der Täter schon hinreichend gewarnt ist, so daß eine künftige U n geeignetheit nicht mehr angenommen werden kann 1 3 3 ); auch wenn die vorläufige E n t ziehung kürzer war als die Mindestfrist 1 8 4 ). Andererseits steht aber auch die Tatsache, daß die Fahrerlaubnis nicht vorläufig entzogen worden war und der Täter sich zwischen der Tat und dem Tag der Urteilsfindung weder strafbar gemacht hat noch verkehrsrechtlich sonst in Erscheinung getreten ist, der Entziehung wegen künftiger Gefährdung nicht schon von vorneherein entgegen 1 5 5 ), weil sich jeder, gegen den ein Verfahren schwebt, i. d. R . ordentlich verhalten wird. Aus diesem Grund kann auch der Umstand, daß der Täter nadi ) Hamm VRS 13, 32. ) BGH VRS 7, 357; 10, 213; 21, 263; 22, 35; BGHSt. 7, 165. 1 2 4 ) BGH DAR 56, 161. 1 2 5 ) BayObLGSt. 70, 180 = VRS 40, 12. 12 «) BGHSt. 6, 185; 7, 165; 10, 382. 1 2 7 ) Vgl. Hamm DAR 59, 212. 1 2 8 ) Vgl. BGHSt. 7, 165, BGH DAR 56, 190; Hamm DAR 56, 162; 57, 105; vgl. auch Dreher J Z 54, 543; Guelde RdK 54, 117; 55, 51; Jagusch DAR 55, 97; Martin DAR 55, 73. 1 2 8 ) Vgl. Cramer StVR § 42m RNr. 38; Maassen NJW 53, 202; Schmidt-Leichner N J W 53, 1849; Bruns GA 54, 166; Lackner MDR 53, 74. 122
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) So insbes. amtl. Begr. zum 2. Straßen VerkSichG, VkBl. 65, 20. ) Düsseldorf NJW 69, 438; Sdiönke-Sdiröder § 42m RNr. 52; so audi schon BGHSt. 7, 165, Anm. Sdimidt-Leidiner hierzu in N J W 55, 557; BGH DAR 55, 167; Celle VRS 9, 348. 1 S 2 ) BGH DAR 55, 167; 56, 190; Düsseldorf, Fußnote 131; Stuttgart VRS 10, 130. 1 M ) Düsseldorf, Fußnote 131; Hamm VRS 42, 276; BayObLG NJW 71, 206 = VRS 39, 12; Köln VRS 31, 353; 41, 101. 1 3 4 ) BayObLG VRS 40, 12. 1 3 5 ) Oldenburg VRS 15, 336.
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einem Unfall lange Zeit bis zum Tag der Hauptverhandlung unfallfrei gefahren ist1®4 als alleiniges für ihn sprechendes Merkmal die Verneinung der Ungeeignetheit i. d. R . nur dann rechtfertigen, wenn die begangene, zur Aburteilung anstehende Tat nicht besonders schwer wiegt und nicht schon aus ihr der Eignungsmangel entnommen werden muß 137 ). Das Prozeßverhalten sowie Uneinsiditigkeit können nur unter besonderen Voraussetzungen als zusätzliches Anzeichen für die Ungeeignetheit herangezogen werden (vgl. R N r . 29 oben). Schwere Verletzungen des Täters mit Dauerfolgen stehen der Feststellung der Ungeeignetheit nicht entgegen, auch wenn sie Fahrunfähigkeit zur Folge haben 138 ), denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei Belassung der Fahrerlaubnis der Täter trotz bestehender körperlicher oder geistiger Mängel, ein Kraftfahrzeug zu führen versucht. Auch wäre es widersinnig, würde der Strafrichter die künftige Ungeeignetheit des Täters als Kraftfahrzeugführer gerade deshalb verneinen, weil er durch den Unfall schwerwiegende gesundheitliche Schäden davongetragen hat, die ihn außerstande setzen werden, ein Kraftfahrzeug zu führen; die Verwaltungsbehörde aber andererseits diese nunmehr bestehenden Mängel zur Grundlage eines Entziehungsverfahrens machen kann. Eine Bindung der Verwaltungsbehörde an den Spruch des Strafrichters besteht dann nicht, wenn dieser die Ungeeignetheit zwar auf Grund der Tat bejaht, die künftige Gefährdung aber infolge nach der Tat eingetretener körperlicher Mängel deshalb verneint, weil der Täter seiner Ansicht nach kein Kraftfahrzeug mehr führen kann. Schwere gesundheitliche Einbußen können deshalb dem Strafrichter keine Veranlassung geben, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen. Eine Verlängerung der Sperrfrist wegen der nunmehr bestehenden körperlichen oder geistigen Mängel ist jedoch unzulässig 139 ). Daß die Verneinung der Ungeeignetheit nicht zulässig ist, wenn ein schwer Verletzter möglicherweise wiederhergestellt werden kann, weil in diesem Fall seine potentielle Gefährlichkeit bestehen bleibt, schließt auch Cramer 1 4 0 ) nicht aus. 32
Wirtschaftliche oder finanzielle Gründe sind bei der Prüfung der Eignungsfrage grundsätzlich ohne Einfluß 1 4 1 ). Sie können jedoch in einigen Ausnahmefällen bei nicht besonders schwerwiegender Tat im Einzelfall von Bedeutung für künftige Gefährlichkeit sein 142 ). Das Interesse der Bundeswehr am Fortbestehen der Fahrerlaubnis für Dienstzwecke ist ebenso unbeachtlich 143 ), wie das Interesse eines anderen Dienstherrn oder des Arbeitgebers. e) Verhältnismäßigkeit
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Ob die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung erforderlich ist, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen (§ 42a Abs. 2 StGB). Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 42m Abs. 1 Satz 2 (eingefügt durch das 1. S t r R G ) bedarf es dieser Prüfung bei der Faherlaubnisentziehung jedoch nicht. Dies ist einmal schon deshalb gerechtfertigt, weil bei der Beurteilung der Ungeeignetheit sowieso schon die Frage der Verhältnismäßigkeit insofern von Bedeutung ist, als die Entziehung bei nur leichten Verstößen nicht angeordnet werden darf, weiter aber auch deshalb, weil die Entziehung die Rechte des von der Maßregel Betroffenen weit weniger einschränkt, als bei der Anordnung anderer Maßregeln der Sicherung und Besserung. IV. Vermutung der Ungeeignetheit (Abs. 2)
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1- Gesetzliche Vermutung Der durch das 2. StraßenVerkSichG 1964 eingefügte Abs. 2 enthält einen Katalog, welche Straftaten den Täter in der Regel als Kraftfahrzeugrührer ungeeignet erscheinen lassen. «) So audi Düsseldorf VerkMitt. 71, 59 Nr. 70. ) So audi BGH VRS 14, 286; Hamm DAR 57, 190; Stuttgart VerkMitt. 55, 67; 56, 53. 13S ) So audi BGHSt. 7, 165; a. A. Dreher J Z 54, 343; Cramer StVR $ 42m RNr. 39; Sdiönke-Sdiröder § 42m RNr. 52. 3 > ») BGH NJW 61, 1269. 13
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«») Cramer StVR § 42m RNr. 39. ) BGH bei Dallinger MDR 54, 398; Oldenburg NdsRpfl. 54, 232; Stuttgart VerkMitt. 55, 67; Sdiönke-Schröder RNr. 53. 142 ) So audi Celle DAR 56, 248; Cramer StVR § 42m RNr. 39. 14S ) Köln MDR 67, 514.
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Das Gesetz geht hierbei von der Überlegung aus, daß die aufgeführten Zuwiderhandlungen 1. d. R . einen solchen Grad des Versagens oder der Verantwortungslosigkeit des Täters offenbaren, daß damit zugleich auch dessen Eignungsmangel feststeht 144 ). Abs. 2 enthält aber keine abschließende Regelung, so daß auch andere als dort aufgeführte Straftaten die Entziehung rechtfertigen; es müssen jedoch Delikte sein, die in Art und Schwere den in Abs. 2 genannten gleich zu bewerten sind 145 ). Die wesentlichste praktische Bedeutung des Abs. 2 liegt vor allem darin, daß der Richter bei Vorliegen aller Voraussetzungen die sonst erforderliche Gesamtabwägung der Umstände, die für oder gegen die Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechen, unterlassen kann, aber sorgfältig zu prüfen hat, ob ausnahmsweise besondere Gründe die Annahme der Eignung rechtfertigen 144 ). 2. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung Die gesetzliche Vermutung der Ungeeignetheit nach Abs. 2 ist widerlegbar. Der Tatriditer ist deshalb gehalten zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die den seiner allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstoß in einem anderen Licht erscheinen lassen als den Regelfall, oder die nach der Tat die Eignung günstig beeinflußt haben 147 ). Insoweit ist Raum für die selbständige riditerlidie Beurteilung des Eignungsmangels, wobei der Tatrichter die Tat gegen die Täterpersönlichkeit abzuwägen hat 148 ). Die amtliche Begründung führt als besonderen Umstand beispielsweise notstandsähnliche Lagen an, die das Verhalten des Täters zwar nicht voll entschuldigen, aber immerhin begreifbar erscheinen lassen. Der weiteren Erwägung der amtlichen Begründung, daß der Zweck der Maßregel im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Tatrichter durch lange Zeit vor dem Urteil erfolgten Sicherstellung (Beschlagnahme) des Führerscheins oder vorläufige Faherlaubnisentziehung erreicht sein kann, hat sich die Rechtsprechung zu Recht bereits angesdilosesn 149 ).
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Ausnahmesituationen, in denen von der Regelmaßnahme, der Entziehung der Fahrerlaubnis, abgesehen werden kann, sind äußerst selten. Sie können grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der sichere Nachweis der Ungefährlichkeit des Täters erbracht ist, der Täter werde gleiche oder ähnliche Straftaten nicht mehr begehen 150 ). Zweifel gehen in diesem Fall zu Lasten des Täters 1 5 1 ). Einmaliges Versagen eines langjährigen Kraftfahrers reicht jedenfalls bei einer Trunkenheitstat für die Ausnahme von der Regelentziehung ebensowenig aus wie die Tatsache, daß er während des Laufs des Strafverfahrens beanstandungsfrei gefahren ist 152 ). Die künftige Gefährlichkeit des Täters kann auch bei Taten nach § 42m Abs. 2 StGB verneint werden, z . B . bei notstandsähnlidien Fällen: ein unter Alkoholeinfluß stehender Arzt wird überraschend zu einem Patienten gerufen 1 5 4 ); ein Betrunkener will vor den Angriffen anderer mit seinem Pkw entfliehen 154 ), ein Kraftfahrer wird von seinem Arbeitgeber oder dessen Beauftragten insbesondere unter Anordnung von Sanktionen zur Fahrt mit einem Kraftfahrzeug (Lkw) genötigt 155 ). Wird in Unkenntnis des Täters die Wirkung des Alkohols erheblich verstärkt und führt so zur Fahruntüchtigkeit, oder ist die Trunkenheit eines bislang nicht beanstandeten Kraftfahrers auf eine ihm nicht bekannte organisdi bedingte Alkoholintoleranz zurückzuführen und ist die Gefahr, die Tat könnte sich wiederholen, ausgeschlossen, kann ein Ausnahmefall angenommen werden 15 *). H a t der Täter unbewußt hochprozentigen Alkohol zu sich genommen, der ihm heimlidi von anderen ins ) So amtl. Begr., s. Fußnote 4. ) So amtl. Begr., s. Fußnote 4 und Cramer StVR RNr. 41. 14S ) So auch amtl. Begr., s. Fußnote 4; Köln MDR 66, 690. »«) Köln MDR 66, 690. 148 ) Stuttgart VRS 42, 357; BayObLG, Urt. 22. 12. 71, 1 St 118/71. 14 ») Köln VRS 41, 101; Bremen VRS 31, 454. 15 °) BGH VRS 25, 426. 144
145
) Vgl. Braunschweig VRS 14, 356; ebenso Cramer StVR RNr. 47. 1 5 ! ) Düsseldorf VerkMitt. 71, 59 Nr. 70. 153 ) Hamm DAR 57, 77. 154 ) Nüse JR 65, 43; Cramer StVR RNr. 48. 155 ) Hamm DAR 57, 77. 1 M ) Celle NJW 63, 2385; KG VRS 26, 198; Oldenburg DAR 56, 263; Stuttgart VRS 35, 19. läl
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Bier geschüttet wurde, wird eine Ausnahmesituation wohl kaum angenommen werden können, wenn ihn hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt insofern ein Verschulden trifft als er die Wirkung des Alkohols bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte bemerken können oder schon die Menge des genommenen Bieres Bedenken hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit hätten aufkommen lassen müssen 1 5 7 ); die Meinung Cramers ( S t V R R N r . 48) unter Bezugnahme auf Jagusch (§ 42m Anm. 8) von der Fahrerlaubnisentziehung könnte bei „unverschuldeten" Trunkenheitsfahrten abgesehen werden, ist irreführend, weil ein Vergehen nach § 315c oder 316 bei Fehlen der subjektiven Tatbestandselemente nicht vorliegt und damit § 42m Abs. 2 nicht anwendbar ist. Ist in diesen Fällen ein Vergehen der Volltrunkenheit anzunehmen, besteht sowieso keine Veranlassung, von der Regelmaßnahme abzusehen. Grundsätzlich wird auch der Nachweis nur leichter Fahrlässigkeit die Annahme einer Ausnahmesituation nicht rechtfertigen; es wird hierbei jedoch auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommen, insbesondere wenn die Tat dem Bewertungsmaßstab nidit entspricht, der den in Abs. 2 genannten Delikten zukommt 1 5 8 ). So ist die Anordnung der Maßregel z. B. nicht erforderlich, wenn ein Täter im Zustand rauschbedingter Fahruntüchtigkeit sein Kraftfahrzeug nur wenige Meter fortbewegen will, um es aus einer Parkverbotszone zu verbringen, oder es nur in eine wenige Meter entfernte Hofeinfahrt zu stellen, insbesondere um einen verkehrswidrigen Zustand zu beseitigen 1 5 9 ). Ist ein unter Alkoholeinfluß stehender Kraftfahrer besonders langsam und vorsichtig gefahren und hat er nur verkehrsarme Straßen benutzt, zwingt dies nicht zur Verneinung künftiger Gefährdung 1 6 0 ); die A r t der Tatausführung kann jedoch im Einzelfall, insbesondere wenn sie persönlichkeitsfremde Züge aufweist, zu der berechtigten Annahme veranlassen, der Täter besitze das erforderliche Verantwortungsbewußtsein, die Belassung der Fahrerlaubnis berge keine künftige Gefährdung in sich 181 ). Dies erfordert aber eine besonders sorgfältige Abwägung aller Einzelumstände von Tat und Täter 1 6 2 ). Die Annahme, der Täter werde sich künftig jeglichen Alkoholgenusses vor oder während der Benutzung eines Kraftfahrzeugs enthalten, reicht für die Annahme eines Ausnahmefalles nidit aus 163 ). H a t eine Frau im Zustand der Schwangerschaft eine schwere Verkehrsflucht begangen, so kann eine Fahrerlaubnisentziehung evtl. unterbleiben, wenn sie zur Tatzeit körperlich und seelisch durch die Schwangerschaft beeinträchtigt war, so daß ihr Verschulden in einem milderen Licht erscheint 164 ). 3. Die tatbestandsmäßigen Handlungen i. S. des Abs. 2 37
Abs. 2 zählt die besonders gravierenden und gefährlichen Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen des S t G B im einzelnen, aber auch abschließend auf. Da Abs. 1 auch im Rahmen des Abs. 2 gilt, kann die Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung als R e gelmaßnahme nur dann erfolgen, wenn der Täter die Tat als Führer eines Kraftfahrzeugs oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs ( R N r . 12 bis 18 oben) begangen hat. Führung eines Fahrzeugs, das kein Kraftfahrzeug (vgl. R N r . 10, 11 oben) ist, genügt nicht. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Ungeeignetheit R N r . 35, 36 oben. a) Abs. 2 N r . 1
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Erfaßt werden alle Begehungsformen des Vergehens der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 3 1 5 c ; gleichgültig ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelte, oder die Tat im Versuchsstadium steckengeblieben ist. b) Abs. 2 N r . 2
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Vorsätzliche und fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen § 316 rechtfertigen Fahrerlaubnisentziehung als Regelmaßnahme. Bei Trunkenheit am Steuer hat sich der Täter i. d. R . Hamm VRS 26, 281 = DAR 64, 137. ) Vgl. amtl. Begr., Fußnote 4. 1S») Hamburg VRS 8, 290 = DAR 55, 115. 1 6 0 ) Stuttgart NJW 55, 431. ,58
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) Vgl. Darmstadt DAR 53, 97; KG DAR 54, 187; so auch Cramer StVR RNr. 48. ) KG VRS 26, 198. 1 6 3 ) Stuttgart VerkMitt. 56, 78. 1 6 4 ) BayObLG VRS 15, 41.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 42m
bereits allein durch diese Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Eine Ausnahme hiervon verlangt Umstände, die die Trunkenheitsfahrt als einen allein durch sie veranlaßten und ihretwegen weitgehend verständlichen einmaligen Vorgang erscheinen lassen 145 ).Beruht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auf einem charakterlichen Mangel (Trunkenheitsfahrt eines Berufs-Lkw-Fahrers mit seinem privaten Pkw), so ist es nur beim Vorliegen ganz besonderer Umstände gerechtfertigt, von der Sperre Lastkraftwagen auszunehmen 14 *). Aus der Feststellung, der infolge Alkoholgenusses fahruntüchtige Kraftfahrer habe wegen seines Zustandes von der Führung des Fahrzeuges abgesehen und das Steuer einer Person überlassen, die keinen Führerschein besitzt, läßt sich grundsätzlich nicht zu seinen Gunsten auf sein Verantwortungsbewußtsein als Kraftfahrer schließen 147 ). Alkoholgenuß, der sich nach den Schuldfeststellungen im Tatgeschehen nicht ausgewirkt hat, kann nicht Anlaß zur gerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sein 168 ). c) Abs. 2 Nr. 3 Nur besonders schwere Fälle der Verkehrsflucht nach § 142 StGB haben die Faherlaubnisentziehung als Regelmaßnahme zur Folge. Voraussetzung ist, daß der in Abs. 2 Nr. 3 genannte schädigende Erfolg objektiv eingetreten ist und der Täter dies weiß oder wissen kann. Ist bei dem Unfall weder ein Mensch getötet noch erheblich verletzt worden, noch an einer fremden Sache ein bedeutender Schaden entstanden, liegen die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung der Ungeeignetheit nicht vor, auch wenn der Täter irrigerweise den Eintritt eines erheblichen Schadens annimmt. In diesem Fall wird aber die Tat und die in Erscheinung getretene subjektive Einstellung des Täters eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach Abs. 1 nahelegen.
4Q
Abs. 2 Nr. 3 ist nicht auf die Fälle des § 142 Abs. 3 StGB beschränkt. Eine nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen setzt einmal eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens voraus, wobei ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen ist, Überempfindlichkeit eines einzelnen Menschen also außer Betracht zu bleiben hat. Hautabschürfungen, eine Beule, leichte Prellung, kleinere Schnittverletzungen sind nicht erheblich; führen Verletzungen zu starken Blutverlusten, muß von einer erheblichen Verletzung ausgegangen werden. Audi ein durch den Unfall erlittener Schock ist nicht unerheblich, weil er unvorhergesehene Folgen nach sich ziehen kann. Auf der Suche nach objektiver Abgrenzung wird man eine nicht unerhebliche Verletzung eines Menschen grundsätzlich dann annehmen müssen, wenn ein Unfallverletzter unverzüglich ärztlicher Versorgung bedarf. Verletzung des Unfallflüchtigen zählt nicht zu den die Regelmaßnahmen auslösenden Voraussetzungen.
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Den Begriff „bedeutender Schaden" an einer fremden Sache abzugrenzen, bleibt der Rechtsprechung überlassen. Auf eine starre Schadensgrenze von 400.— DM wollte man sich bei der Fassung des Gesetzes nicht festlegen 1 **). Dies durchaus zu Recht, weil eine verbindliche Grenze von vorneherein im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung und nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Reparaturkosten bei den verschiedenen Fahrzeugtypen nicht zu finden ist. Bedeutend kann ein Sachschaden aber nur sein, der erheblich über den Schaden hinausgeht, der schon für die Tatbestandsmäßigkeit der Verkehrsfludit ausreicht. Man kann auch nicht auf die Definition der Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert zurückgreifen, weil § 42m Abs. 2 Nr. 2 allein auf den tatsächlich eingetretenen Schaden und nicht auf die Gefährdung abstellt. Der Wert der Sache selbst ist nicht entscheidend. Allerdings kann an einer praktisch wertlosen Sache auch kein erheblicher Schaden entstehen. Werden durch den Unfall mehrere Sachen beschädigt, ist die Summe aller Schäden ausschlaggebend. Eigener Sachschaden scheidet bei der Scha-
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w») Neustadt V R S 28, 21; Stuttgart V R S 35, 19. »«•) Hamm N J W 71, 1618. « ' ) Oldenburg V R S 27, 264.
«K>) Düsseldorf V R S 36, 96. > 89 ) Vgl. Bericht des Reditsausschusses Drucks. IV/2161.
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§ 42m
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densberechnung aus. Fremd für den Täter ist eine Sache, an der er nach bürgerlichem Recht nicht Alleineigentum hat. Aus diesem Grund ist bei der Prüfung des bedeutenden Schadens auch die Beschädigung des vom Täter selbst geführten, ihm aber nicht gehörenden Fahrzeugs zu berücksichtigen. Wurde nur dieses Fahrzeug beschädigt, k o m m t es darauf an, ob der Täter sich durch die Entfernung von der Unfallstelle überhaupt einer Verkehrsflucht schuldig gemacht hat (vgl. dazu § 142 S t G B R N r . 26). 43
Die schweren Unfallfolgen muß der Täter entweder kennen oder kennen können. Im Gegensatz zu § 142 Abs. 3, der Vorsatz oder bedingten Vorsatz zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes erfordert, genügt im Rahmen des § 42m Abs. 2 N r . 3 auch Fahrlässigkeit, aber nur in Bezug auf den Schadenserfolg, nicht hinsichtlich der tatbestandsmäßigen Begehung der Verkehrsflucht, die Vorsatz voraussetzt. Es genügt also, wenn der Täter in Kenntnis des Unfalls sich von der Unfallstelle entfernt und auf Grund der A r t des U n fallgeschehens mit den tatsächlich eingetretenen schweren Schadensfolgen bei der erforderlichen Anspannung seines Gewissens hätte rechnen müssen. d) Abs. 2 N r . 4
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Volltrunkenheit nach § 330a S t G B genügt zur Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung als Regelmaßnahme dann, wenn die in diesem Zustand begangene mit Strafe bedrohte Handlung ein Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung, der Trunkenheit im Verkehr oder ein Vergehen der Verkehrsflucht nach schweren Unfallfolgen ist. V. Die Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung 1. Die gerichtliche Entscheidung
45
Liegen die Voraussetzungen des § 42m vor, liegt es nicht im Ermessen des Richters, ob er die Fahrerlaubnis entzieht oder ein Fahrverbot nach § 37 StGB verhängt 1 7 0 ), er hat vielmehr zwingend die Fahrerlaubnisentziehung anzuordnen 1 7 1 ). Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Führerschein im Urteil einzuziehen und eine Sperrfrist nach § 42n S t G B festzusetzen.
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Die Urteilsformel sollte lauten: „Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen. Der ihm erteilte Führerschein (Listen-Nr.) wird eingezogen. D e m Angeklagten darf für die Dauer von . . . keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden" 1 7 2 ). D e r Benennung des Beginns der Sperrfrist ab Rechtskraft des Urteils bedarf es nicht, weil sich diese Frist aus dem Gesetz ergibt. Die Festsetzung einer anderen Frist widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und ist unzulässig. In den Urteilsgründen muß die Fahrerlaubnisentziehung nach § 267 Abs. 6 S t P O begründet werden. Formelhafte Wendungen oder lediglich die Wiederholung des Gesetzeswortlauts reichen jedenfalls bei einer Entziehung nach Abs. 1 nicht aus 17 *). Bei Entziehung wegen einer der in Abs. 2 genannten mit Strafe bedrohten Handlungen ist eine eingehende Begründung entbehrlich; liegen jedoch Anhaltspunkte vor, aus denen auf eine Ausnahmesituation geschlossen werden kann, muß sich der Tatrichter hiermit auseinandersetzen. Kam auf Grund der Tat die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, sieht das Gericht jedoch davon ab, muß die Nichtanordnung begründet werden (§ 267 Abs. 6 Satz 2 StPO). H e b t das Berufungsgericht auf Beschwerde des Angeklagten die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung auf, ihr Grund sei weggefallen, weil die vom Amtsgericht festgesetzte Sperrfrist von 5 Monaten inzwischen fast abgelaufen war, so muß es, wenn es die Fahrerlaubnisentziehung in dem nachfolgenden Berufungsurteil aufrechterhält, diese Entscheidung ausführlich begründen 1 7 4 ). ®) BGH VRS 30, 274; Braunschweig NdsRpfl. 69, 214. 1 7 1 ) So sdion BGHSt. 5, 176; Stuttgart NJW 53, 1882; 54, 1657; Oldenburg DAR 54, 89; Koln NJW 56, 113.
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) BGH bei Martin DAR 67, 96. ) So audi BGH VRS 7, 357; KG DAR 57, 102; Hamm DAR 59, 212. I 7 4 ) Hamm VRS 42, 276. 172
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Entziehung der Fahrerlaubnis
§ 42m
Strafaussetzung zur Bewährung schließt Entziehung der Fahrerlaubnis nicht aus 175 ). H a t der Tatrichter gewichtige Gründe für die Strafaussetzung zur Bewährung angeführt, so ist er verpflichtet zu erläutern, warum trotz der Erwartung eines gesetzmäßigen und geordneten Lebens die Entziehung der Fahrerlaubnis gleichwohl notwendig ist 17 *). Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter ausführt, gerade die Entziehung im Zusammenhang mit der Strafaussetzung übe eine so hinreichende Einwirkung auf den Angeklagten aus, daß künftiges Wohlverhalten erwartet werden darf, ohne daß es der Vollstreckung der Strafe bedürfe 1 7 7 ). D e r Fahrerlaubnisentzug darf aber nicht damit gerechtfertigt werden, daß dem Täter Strafaussetzung bewilligt wurde und ohne die fühlbare Sühne der Fahrerlaubnisentziehung mit einem weiteren Fehlverhalten geredinet werden muß 1 7 8 ), weil in diesem Fall die Entziehung als Nebenstrafe verhängt wird.
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Die Anordnung der Sicherungsverwahrung macht die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht überflüssig; sie ist neben ihr zu verhängen, wenn die Voraussetzungen des § 42m vorliegen 179 ). H a t das Gericht nur eine Sperrfrist festgesetzt, die Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen aber irrtümlich unterlassen, so kann doch die festgesetzte Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis als selbständige Entscheidung bestehen bleiben, ist also nicht unwirksam 1 8 0 ). Sie gilt aber nur für eine künftige Fahrerlaubniserteilung, läßt die bestehende unberührt. D e r Täter kann also nach wie vor mit der ihm belassenen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge der entsprechenden Klasse straffrei führen. Wurde die Festsetzung einer Sperrfrist übersehen und nur die Fahrerlaubnis entzogen, kann die Verwaltungsbehörde sofort eine neue Fahrerlaubnis ausstellen, weil keine Sperrfrist läuft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß jedenfalls die noch laufende Mindestsperrfrist für die Verwaltungsbehörde verbindlich ist 1 8 1 ), weil insoweit eine für diese verbindliche gerichtliche Entscheidung nicht getroffen wurde und es nicht der Verwaltungsbehörde obliegt, eine gerichtliche Entscheidung auszulegen. H a t der Tatriditer die Festsetzung einer Sperrfrist bewußt unterlassen und i'n den schriftlichen Urteilsgründen ausgeführt, daß es einer solchen nicht mehr bedürfe, weil dem Angeklagten die Fahrerlaubnis lange Zeit vorläufig entzogen oder sein Führerschein lange Zeit sichergestellt war, so ist auf das Rechtsmittel des Angeklagten der Ausspruch über die Fahrerlaubnisentziehung vom Rechtsmittelgericht aufzuheben; denn die Bemerkung, es bedürfe keiner Sperrfrist mehr, enthält zugleich die Feststellung mangelnder künftiger Gefährlichkeit (vgl. R N r . 30 oben und § 42n R N r . 1). Das Rechtsmittelgericht kann auf ein Rechtsmittel des Angeklagten die unterbliebene Fahrerlaubnisentziehung oder Sperrfristfestsetzung nidit „nachholen", weil dem das Versdilechterungsverbot der §§ 331, 358 S t P O entgegensteht 1 8 2 ). 2.
Umfang der Entziehung
Die Fahrerlaubnis kann nur insgesamt entzogen werden 1 8 3 ). Die verschiedentlich früher vertretene Ansicht, sie könne auf einzelne Fahrzeugarten beschränkt werden 1 8 4 ), ist insbesondere durch die Fassung des § 42n widerlegt 1 8 5 ). Wird die Fahrerlaubnis entzogen, verliert der Angeklagte damit insgesamt das Recht, Kraftfahrzeuge zu führen, es sei denn, das Gericht hat von der Sperre einzelne Fahrzeuge nach § 42n ausgenommen 1 8 6 ). Die gerichtliche Fahrerlaubnisentziehung umfaßt auch alle dem Täter erteilten Sonderfahrerlaub) BGH VRS 29, 14; Dusseldorf NJW 61, 979; Sdileswig VerkMitt. 57, 59 Nr. 97; Celle DAR 57, 130. 17S ) BGH VRS 29, 14. 1 7 7 ) So audi Koln DAR 57, 187; Hamm JMB1 NRW 57, 53. 1 7 8 ) Hamm VRS 12, 429. " » ) BGH VRS 30, 274 = GA 66, 180. 18 °) Braunschweig NdsRpfl. 61, 230. 1 8 1 ) So Jagusch §§ 42m—o, Anm. 11. 175
4g
) Ebenso Hamm VkBl. 59, 396; a. A. nodi LG München DAR 56, 192. 183 ) BGHSt. 6, 183; BGH VerkMitt. 57, 39; Karlsruhe DAR 59, 48; Köln VRS 19, 270; Celle NJW 61, 133. 1 8 4 ) So noch Celle NJW 54, 1170; vgl. audi Sdiönke-Sdiröder § 42m RNr. 58. 185 ) So audi Cramer StVR S 42m RNr. 53. 1 8 e ) Vgl. Hamm VRS 26, 345; AG Wuppertal DAR 61, 340. 182
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nisse 187 ). Sollten nur diese entzogen werden, ist hierfür die Verwaltungsbehörde zuständig 188 ). Die Bindung des § 4 Abs. 2 StVG und des § 15b Abs. 2 StVZO gilt nicht für die Sonderfahrerlaubnisse. 50
Die Entziehung der Fahrerlaubnis verbietet nur die Führung fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge. Nadi Rechtskraft der Entziehung darf der Täter fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen. Aus diesem Grund kann die Verhängung eines Fahrverbots neben einer Fahrerlaubnisentziehung in Einzelfällen ausnahmsweise dann sinnvoll sein, wenn der Täter für die Dauer bis zu 3 Monaten gänzlich aus dem Kraftverkehr ausgeschaltet werden soll. Die Maßregel nach § 42m schließt die gleichzeitige Anordnung eines Fahrverbots als Nebenstrafe nicht aus 189 ). 3. Erlöschen der Fahrerlaubnis
51
Die Fahrerlaubnis erlischt nach Abs. 3 Satz 1 kraft Gesetzes mit der Rechtskraft des die Entziehung aussprechenden Urteils. Bis zu diesem Tag bleibt die Fahrerlaubnis bestehen, es sei denn, sie wurde nach § l i l a StPO vorläufig entzogen. Das Erlöschen hat die Bedeutung, daß sie nach Ablauf der Sperrfrist nicht wieder aufleben kann, vielmehr ist sie von der Verwaltungsbehörde neu zu erteilen 190 ). Die Verwaltungsbehörde kann in dem Verfahren auf Neuerteilung die Eignung des Bewerbers in vollem Umfang erneut prüfen, ohne gegen verfassungsrechtliche Grundsätze zu verstoßen 191 ). Die Fahrerlaubnisentziehung ergreift nur eine vorhandene (oder vorhanden gewesene, vgl. R N r . 53 unten), nicht aber eine erst nach Rechtskraft der Entscheidung erteilte Fahrerlaubnis 192 ). Wird während des Laufs einer Sperrfrist von der Verwaltungsbehörde irrtümlich, z. B. weil sie von der ergangenen gerichtlichen Entscheidung keine Kenntnis hat, eine Fahrerlaubnis erteilt, ist dieser Verwaltungsakt rechtswirksam, nicht nichtig; er ist jedoch fehlerhaft und kann widerrufen werden; bis zum Widerruf ist die erteilte Fahrerlaubnis gültig 193 ). — Vgl. R N r . 60 unten. 4. Einziehung des Führerscheins
52
Das Gericht hat mit der Entziehung der Fahrerlaubnis auch die Einziehung des Führerscheins anzuordnen (Abs. 3 Satz 2). Von der Einziehungsentscheidung werden alle Führerscheine erfaßt, die der Täter besitzt, Führerscheine nach §§ 4, 5 StVZO, der Verwaltungsbehörden nach § 14 StVZO, Bundeswehrführerscheine, Führerschein nach § 15d StVZO, ohne daß es eines besonderen Ausspruchs bedarf 194 ). Die Einziehung hat keine konstitutive Bedeutung, sondern soll nur mißbräuchlicher Benutzung vorbeugen. Die Vollstreckung der Einziehung erfolgt nach § 463 StPO. Wurde im Urteil die Einziehung des Führerscheins auszusprechen übersehen, so kann dies nachträglich durch Beschluß erfolgen, weil die Einziehung keine Beschwer für den Angeklagten bedeutet, da der Führerschein lediglich eine Beweisurkunde dafür ist, daß die in diesem bezeichnete Person im Besitz einer Fahrerlaubnis ist 195 ) und der Angeklagte, dem die Fahrerlaubnis entzogen wurde, somit keinen Anspruch auf weitere Belassung dieses Ausweispapiers hat. Der nachträgliche Einziehungsbeschluß ist als Vollstreckungsmaßnahme i. S. des § 463 StPO zu werten. Eingezogen können nur Führerscheine werden, die Behörden der B R D ausgestellt haben. Dazu gehören auch die ausländischen Fahrzeugführer von deutschen Behörden nach dem « ' ) B G H VerkMitt. 71, 9 N r . 13. 1 8 8 ) Vgl. Müller/Rüth StVR 22. Aufl. Bd. 1, § 15k StVZO R N r . 2; Jagusdi $ 15k StVZO Anm. 1. 1 8 9 ) Düsseldorf VerkMitt. 70, 68 N r . 82; vgl. auch LK-Sdiäfer § 37 RNr. 13. 1 9 °) So schon K G VerkMitt. 57, 61; BayObLG V R S 18, 212 = D A R 60, 120.
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) ) ) I91) 19 ») 191 192 193
BVerfG N J W 67, 29; Schneider BB 70, 427. Hamm VRS 26, 345. Hamm, Fußnote 192. Hamm V R S 12, 429. Vgl. Müller/Rüth StVR 22. Aufl. $ 4 StVZO RNr. 4.
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Entziehung der Fahrerlaubnis
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Internat. Abk. 1926 i. V. m. der IntVO vom 12. 11. 34 erteilten internationalen Führerscheine (vgl. § 42o R N r . 6). Ausländische Führerscheine s. § 42o. Führerscheine, die von Behörden der D D R ausgestellt sind, müssen grundsätzlich als deutsche Führerscheine angesehen werden. Die früher vertretene Ansicht, daß sie inländischen, von einer Behörde der BRD ausgestellten Führerscheinen gleichzustellen sind 1 "), kann nach der gegenwärtigen politischen Entwicklung nicht mehr aufrechterhalten werden. Auch wenn die D D R von der BRD völkerrechtlich nicht anerkannt ist, handelt es sich bei ihr um einen selbständigen — de facto — Staat, dessen Rechtsordnung mit der der BRD nicht identisch ist. Auch die zwischen der BRD und der D D R geschlossenen Verträge sprechen f ü r eine de-facto-Anerkennung. Die von Behörden der D D R ausgestellten Führerscheine müssen deshalb analog dem § 42o als ausländische Führerscheine angesehen werden. Ihre Einziehung in der BRD käme einem unzulässigen Eingriff in innerstaatliche Rechte eines anderen Staates gleich1*7).
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5. Gerichtliche Fahrerlaubnisentziehung im Fall bereits anderweitig entzogener Fahrerlaubnis Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann nicht angeordnet werden, wenn der Täter überhaupt noch nie eine Fahrerlaubnis besaß 198 ). War dem Täter jedoch die Fahrerlaubnis in einem anderen Verfahren rechtskräftig entzogen worden, steht dies einer neuerlichen Entziehung nicht im Wege199). Das Gericht ist in diesem Fall nicht auf die Anordnung einer selbständigen Sperrfrist nach § 42n Abs. 1 beschränkt. Zutreffend bemerkt hierzu der BGH, dem sich das BayObLG angeschlossen hat, daß bei anderweitig rechtskräftig entzogener Fahrerlaubnis der Sicherungszweck bei bloßer Festsetzung einer Sperrfrist nicht so zuverlässig erreicht werden kann wie bei nochmaliger Entziehung der Fahrerlaubnis, weil die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die frühere Entscheidung evtl. durch Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist oder im Wege eines Wiederaufnahmeverfahrens in Wegfall kommen kann.
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Der Täter ist noch im Besitz einer Fahrerlaubnis wenn der Führerschein beschlagnahmt, sichergestellt oder verlorengegangen ist. Der bloße Nichtbesitz des Führerscheins hat auf die erteilte Fahrerlaubnis keinen Einfluß 200 ). VI. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § l i l a StPO Liegen dringende Gründe f ü r die Annahme vor, daß einem Täter durch Urteil die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, so kann ihm im Ermittlungsverfahren durch den Ermittlungsrichter und soweit das Verfahren bei dem erkennenden Gericht anhängig ist, durch dieses die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden (§ l i l a StPO). Von der vorläufigen Entziehung können bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden (§ l i l a Abs. 1 Satz 2 StPO). Die endgültige Fahrerlaubnisentziehung gestattet dies nur im Rahmen der Sperrfrist-Festsetzung nach § 42n Abs. 2 StGB, was im Endergebnis jedoch die gleiche praktische Auswirkung hat. Die Anordnung der vorläufigen Entziehung ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie die endgültige Entziehung 201 ). Ist der Führerschein vom Täter freiwillig abgefiefert worden und sichergestellt, ist f ü r die vorläufige Entziehung kein Raum 202 ), da mit der vorläufigen Entziehung keine bessere vorläufige Sicherungsmaßnahme erreicht wird wie mit der Sicherstellung und Verwahrung des Führerscheins und die Strafsanktionen f ü r Fahren nach vorläufig entzogener Fahrerlaubnis oder trotz sichergestellten Führerscheins •W) ) 198 ) 19»)
So Rüth D A R 57, 439. So auch Sdiönke-Schröder § 42o R N r . 2a. BGHSt. 10, 94. BGHSt. 6, 398 = N J W 53, 1719; BayObLG N J W 63, 359 = VerkMitt. 63, 23 N r . 34. 2M ) Vgl. Köln VRS 26, 199.
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) Vgl. Löwe-Rosenberg/Dünnebier § l i l a StPO Anm. II. ) So auch Löwe-Rosenberg/Dünnebier § l i l a StPO Anm. I I I 1; Sdiönke-Sdiröder § 42m R N r . 61; Jagusch § l i l a StPO Anm. 3; a. A. Cramer StVR § 42m R N r . 62.
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nach § 21 S t V G gleich sind (anders nach früherem Recht). Untersuchungshaft madit die Anordnung der vorläufigen Entziehung nicht überflüssig 203 ). Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist mit der Beschwerde nach § 305 S t P O anfechtbar. V I I . Rechtsmittel gegen Fahrerlaubnisentziehung 56
Wurde die Fahrerlaubnis durch Urteil nach § 42m entzogen, ist eine auf diese Maßnahme beschränkte Anfechtung dann zulässig, wenn sie einer selbständigen Würdigung zugänglich ist, ohne daß hierbei auf den nicht angefochtenen Teil der Urteilsgründe eingegangen werden müßte 2 0 4 ). H a t der Tatrichter für die Anordnung der Fahrerlaubnisentziehung und für die Dauer der Sperrfrist von einander trennbare Gründe angeführt, so kann die Anfechtung auch lediglich auf die Länge der Sperrfrist beschränkt werden 2 0 5 ). Auch bei der Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung nach § 23 S t G B kann die Entziehung der Fahrerlaubnis selbständig angefochten werden 2 0 6 ); denn die Voraussetzungen der §§ 23 und 4 2 m unterscheiden sich in wesentlidien Punkten: § 23 setzt die Erwartung künftigen Wohlverhaltens voraus, § 42m stellt es grundsätzlich auf die Tat ab. Strafaussetzung zur Bewährung und Fahrerlaubnisentziehung stehen nur dann i. d. R . in einem untrennbaren Zusammenhang, wenn in beiden Fällen Grundlage der gerichtlichen Entscheidung die Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit (vgl. dazu R N r . 2 6 — 2 9 oben) war 2 0 7 ), oder das Gericht der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis dieselben Erwägungen zugrundegelegt hat wie der Entscheidung über die Strafaussetzung 2 0 8 ); die beschränkte Anfechtung der Fahrerlaubnisentziehung ist dann unwirksam; das Rechtsmittel ergreift in diesem Fall i. d. R . die gesamte Strafzumessung, nur in Ausnahmefällen wird es nur die Strafaussetzungsfrage miterfassen 2 0 9 ). Ebenfalls unwirksam ist eine getrennte Anfechtung der Maßregel, wenn die zu ihrer Begründung dargelegten Urteilsgründe in Widerspruch mit den Ausführungen zur Strafaussetzungsfrage stehen 2 1 0 ).
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Die Anfechtung der Strafzumessung ergreift grundsätzlich auch die Anordnung der Maßregel, weil letztere in der Praxis weitgehend wie eine Nebenstrafe gehandhabt wird und sie auf den Betroffenen meist auch wie eine Nebenstrafe wirkt 2 1 1 ). Zur Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte vgl. im einzelnen Löwe-Rosenberg/Gollwitzer 22. Aufl. Erläuterungen zu § 318 StPO.
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Die Maßregel unterliegt dem Verschlechterungsverbot der §§ 331, 358 StPO 2 1 2 ). Ein Verstoß hiergegen liegt grundsätzlich nicht vor, wenn das Rechtsmittelgericht anstelle der Fahrerlaubnisentziehung auf ein Fahrverbot erkennt, da es t r o t z seiner Eigenschaft als Nebenstrafe wegen ihrer geringeren Dauer und Niditentziehung der Fahrerlaubnis den Angeklagten nicht schlechter stellt 2 1 3 ). Nach Cramer 2 1 4 ) soll ein Ubergang von der Fahrerlaubnisentziehung zur sdiuldbezogenen Nebenstrafe des Fahrverbots dann nicht möglich ) Ebenso Cramer a . a . O . ; Löwe-Rosenberg/ Dünnebier, Fußnote 202; a. A. Jagusch, Fußnote 202. 2 0 4 ) BGHSt. 6, 183; BGH VRS 18, 347; KG VRS 26, 198; Schleswig SchlHA 54, 261; BayObLG bei Rüth DAR 65, 284. 2 0 5 ) BGH VRS 21, 262; Celle NdsRpfl. 65, 45 ; Bremen DAR 65, 216; Schleswig DAR 67, 21. 2 0 8 ) BGH VRS 21, 40; 25, 426; a. A. Braunschweig NJW 58, 679; Köln VRS 16, 422. 2 0 7 ) Hamm VRS 32, 17. 2 0 8 ) KG VRS 40, 276. 20 ») Braunschweig NJW 58, 679; Köln VRS 16, 422 = NJW 59, 1237. 203
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°) BGH bei Martin DAR 56, 66; 60, 69; BGH VRS 17, 36. ) BGHSt. 10, 379; BGH VRS 17, 192; 19, 110; 20, 117; BayObLG N J W 57, 511; 66, 678; BraunsAweig NJW 55, 1333; Celle VRS 10, 210; Frankfurt NJW 55, 1331; KG VRS 32, 115; a. A. nodi KG VRS 26, 24; Müller NJW 60, 804. 2 1 2 ) BGHSt. 5, 178; VRS 30, 272; Köln NJW 65, 2309; vgl. auch Bender DAR 58, 202; Dettinger MDR 54, 148. 2 1 3 ) Frankfurt VRS 34, 35; NJW 68, 1793; Stuttgart NJW 68, 1792. 2 1 4 ) NJW 68, 1764. 21
211
StGB § 42n
Sperrfrist
sein, wenn die Entziehung als echte Maßregel der Sicherung und Besserung, z. B. wegen körperlicher oder geistiger Mängel ausgesprochen worden ist 215 ).
VIII. Fahren nadi entzogener Fahrerlaubnis Führen eines Kraftfahrzeugs nach entzogener Fahrerlaubnis ist nach § 21 StVG strafbar. Strafbar ist audi der Halter. Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Kraftfahrzeugführers oder Halters genügt. Das Fahrzeug kann eingezogen werden (§ 21 Abs. 3 StVG). Die Verhängung einer weiteren Sperrfrist ist möglich 218 ). Audi andere Personen können sich als Anstifter oder Gehilfen strafbar machen 217 ). — Vgl. audi RNr. 55 oben. Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen nadi entzogener Fahrerlaubnis ist nidit strafbar, weil durch die nadi § 42m getroffene Entscheidung nur fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge betroffen werden. Da audi die gerichtliche Fahrerlaubnisentziehung nur die vorhandene Fahrerlaubnis erfaßt, ist eine von der Verwaltungsbehörde nach Rechtskraft des Urteils irrigerweise oder in Unkenntnis des ergangenen Urteils erteilte Fahrerlaubnis solange gültig, bis die Erteilung widerrufen ist, weil es sich insoweit nicht um einen nichtigen Verwaltungsakt handelt 218 ). Fahrerlaubnisse, die von der Verwaltungsbehörde vor Rechtskraft des geriditlidien Urteils erteilt wurden, sind mit dem Eintritt der Reditskraft des die Entziehung aussprechenden Urteils entzogen, audi wenn das Gericht von dieser Fahrerlaubniserteilung keine Kenntnis hatte. Zum subjektiven Tatbestand des § 21 StVG vgl. Müller/Rüth StVR 22. Aufl. Bd. 1 § 21 StVG RNr. 26 ff.
§ 42n Sperrfrist für Fahrerlaubnisentziehung (1) Entzieht das Geriebt die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß f ü r die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf J a h r e n oder f ü r immer keine neue F a h r e r laubnis erteilt werden darf (Sperre). Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet. (2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird. (3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei J a h r e n vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist. (4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ l i l a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre u m die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unters chreiten. (5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingeredinet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde Hegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der F a h r e r laubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führersdieins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich. (7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von K r a f t fahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre sechs Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein J a h r gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend. 215 ) 21
So audi Cramer StVR § 37 StGB RNr. 12. «) Vgl. Müller/Rüth StVR 22. Aufl. Bd. 1, § 21 StVG RNr. 45.
2 ") 218
Vgl. dazu Müller/Rüth a. a. O. RNr. 35 ff. ) So audi Hamm VRS 26, 345.
1009 64 StVO + S t G B
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StGB
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Fassung: $ 42n hat das 2. Straßenverkehrssidierungsgesetz v o m 26. 11. 1964 (BGBl. I 921) in das StGB eingefügt. Er entspricht im wesentlichen dem § 42m Abs. 3 Satz 2, 3, 5 a. F. N e u ist Abs. 1 Satz 2 (selbständige Sperrfrist), der aber nur die bislang bereits bestehende Rechtsprechung gesetzlich legitimierte. SArifttum Bieler: Zur vorzeitigen Aufhebung der Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Blutalkohol 70, 112. Diether: Zweifelsfragen b. Berechnung der Sperrfrist nach $ 42n Abs. 5 StGB, Rpfleger 68, 179. Geppert: Bemessung der Sperrfrist bei der strafgeriditlidien Entziehung der Fahrerlaubnis, Berlin 1968. Geppert: Totale und teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 71, 2154. Geppert: Auswirkungen einer früheren strafgeriditlidien Entziehung der Fahrerlaubnis und der dort festgesetzten Sperrfrist auf die Bemessung einer neuen Sperrfrist, MDR 72, 280. Möhl: Anrechnung einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf die endgültige Sperre, DAR 65, 45. Oske: Zur Frage der Zulässigkeit der Anschlußsperrfrist im Rahmen des $ 42n StGB, MDR 67, 449. Rteger: Sonderbehandlung bestimmter Fahrzeugarten bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § l i l a StPO, SS 42m und 42n StGB, DAR 67, 43. Seib: Vorzeitige Aufhebung der Sperre nadi S 42n Abs. 7 StGB, DAR 65, 209. Seth: Beginn der Sperrfrist im Strafbefehlsverfahren, DAR 65, 292. Theuerka»{: Erteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist ($ 42m Abs. 3 S. 2 StGB), DÖV 64, 446. Weihrauch: Die Ausnahmen bei der Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 71, 829. Vgl. auch Schrifttum zu S 42m StGB. ÜbersiAt RNr. I. Pflidit zur Festsetzung einer Sperrfrist 1 II. Dauer der Sperrfrist (Abs. 1, 3) 2, 3 «1. Bemessung „ J c r Sperrfr.st , „ der 4-8 2. Entziehung auf Lebenszeit 9, 10 3. Selbständige Sperrfrist 11 4. Mehrfache Entziehung und Festsetzung einer Sperrfrist 12 a) bei Bildung einer Gesamtstrafe 13 b) bei noch laufender, früher verhängter Sperrfrist 14, 15 5. Verkürzung der Mindestsperrfrist bei vorläufiger Fahrerlaubnisentziehung, Sicherstellung oder Besdilagnahme des Führersdieins (Abs. 4, 6) 16-18
RNr. III. Ausnahmen von der Sperrfrist (Abs. 2) 19 Bestimmte, Fahrzeugarten 20 2. Zulässigkeit der Ausnahme 21 3 . Beschränkte Fahrerlaubniserteilung der Verwaltungsbehörde 22 IV. Beginn und Ende der Sperrfrist ( A b s - ?) , , 23-26 Beginn und Ende nach Satz 1 23 2 - Anzuredinende Fristen 24 3. Strafbefehlsverfahren 25 Revisionsverfahren 26-28 v - Vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist 29 Voraussetzungen 30, 31 2. Gerichtsbeschluß 32 VI. Bindung der Verwaltungsbehörde an gerichtliche Sperrfristentscheidung 33
I. Pflidit zur Festsetzung einer Sperrfrist Hat das Gericht dem Verurteilten die Fahrerlaubnis entzogen, ist es verpflichtet, auch eine Sperrfrist zu bestimmen, binnen deren die Verwaltungsbehörde dem Täter keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf, oder daß die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer untersagt wird. Die in Abs. 1 genannte zeitliche Frist kann sich nach Abs. 3 verlängern oder gemäß Abs. 4, 5, 6 verkürzen. Unterläßt das Gericht bewußt die Festsetzung einer Sperrfrist, z. B. weil es im Hinblick auf die Dauer der vorläufigen Entziehung nicht mehr erforderlich erscheint, wird damit zugleich auch die künftige Gefährdung verneint. Die Verwaltungsbehörde ist nicht gehindert, sofort eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gleiches gilt, wenn das Gericht die Festsetzung einer Sperrfrist übersehen hat, da in diesen Fällen nicht kraft Gesetzes die Mindestsperrfrist gilt 1 ). Hat das Gericht nur eine Sperrfrist be>) Vgl. dazu auch % 42m RNr. 48; a. A. Jagusch 19. Aufl. SS 42m—o Anm. 11.
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stimmt, gilt diese nur für die Zukunft und läßt die bereits erteilte Fahrerlaubnis bestehen (§ 42m R N r . 48). Weder die unterlassene Fahrerlaubnisentziehung noch die übersehene oder bewußt unterlassene Sperrfristfestsetzung können auf alleiniges Rechtsmittel des Verurteilten durch das Rechtsmittelgericht nachgeholt werden, weil beide Maßnahmen dem Verschlechterungsverbot nach §§ 331, 358 S t P O unterliegen. Für eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO ist kein Raum. II. Dauer der Sperrfrist Die Dauer der Sperrfrist beträgt nach Abs. 1 Satz 1 sechs Monate bis fünf Jahre, in besonderen Fällen kann audi die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis für immer untersagt werden. Bei zeitlicher Begrenzung der Sperrfrist erhöht sich nadi Abs. 3 das Mindestmaß der Sperre auf 1 Jahr, wenn in den letzten 3 Jahren vor der T a t gegen den Täter bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist. Hierbei sind aber die Vorschriften des seit 1. 1. 72 in K r a f t befindlichen Bundeszentralregistergesetzes zu beachten, das in den §§ 49 und 61 Verwertungsverbote für getilgte, tilgungsreife und nicht in das Zentralregister zu übernehmende Vorstrafen enthält. Abs. 3 gilt nur hinsichtlich vorausgegangener gerichtlicher Fahrerlaubnisentziehungen und Sperrfristfestsetzung; verwaltungsbehördliche Fahrerlaubnisentziehungen begründen keinen Rückfall 3 ).
2
Das Mindestmaß der Sperrfrist kann sich nach Abs. 4 um die Zeit verkürzen, in der die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen war, der Führerschein in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt war (Abs. 6). — Vgl. dazu R N r . 16—18 unten. Die Sperrfrist beginnt nach Abs. 5 Abs. 2 mit der Rechtskraft des Urteils (vgl. R N r . 23 ff. unten). Eine zeitliche Sperrfrist kann deshalb nicht kalendermäßig bestimmt werden'), sondern ist nach Jahren, Monaten, evtl. auch Wochen oder Tagen, also nach Zeitabschnitten, zu bemessen 4 ). H a t der Erstrichter in unzulässiger Weise das Ende der Sperrfrist auf einen bestimmten Kalendertag festgesetzt, so läßt sich hieraus rechnerisch entnehmen, für welche Zeit der Erstrichter die Sperrfrist anordnen wollte. Das Rechtsmittelgericht ist deshalb nicht gehindert, die vom Vorderrichter kalendermäßig bestimmte Frist durch den Zeitabschnitt zu ersetzen, der zwischen Verkündung eines Urteils und dem im Tenor angeführten Tag liegt. Es verstößt hierbei nicht gegen das Verschlediterungsverbot der §§ 331, 358 StPO, wenn sich hierbei eine Sperrfrist ergibt, die den vom Erstrichter genannten Endtermin überschreitet, weil der Terminierung des Erstrichters nur die Bedeutung beigemessen werden kann, weldie Länge der Sperrfrist er noch für erforderlich gehalten hat 6 ). Wollte der Erstrichter es weniger auf die Dauer der Sperrfrist als vielmehr auf die Errichtung eines bestimmten Alters abstellen, wird das Rechtsmittelgericht die noch festzusetzende Frist besonders sorgfältig abzuwägen haben; aber auch hier kann kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot erblickt werden, wenn es die kalendermäßig bestimmte Frist unter Überschreitung des Endtermins durch den entsprechenden Zeitabschnitt ersetzt.
3
1. Bemessung der Sperrfrist Für die Bemessung der gerichtlichen Sperrfrist gelten die gleichen Grundsätze wie für die Fahrerlaubnisentziehung. Sie richtet sidi nadi der Dauer der noch zu erwartenden voraussichtlichen Gefährlichkeit des Täters"), wobei die gesamten Umstände des Einzelfalles und das Persönlidikeitsbild des Täters würdigend berücksichtigt werden müssen 7 ). Auch sind ) So audi amtl. Begr. VkBl. 65, 20; Cramer StVR RNr. 10; Jagusdi §$ 42m—o Anm. 13. s ) Saarbrücken NJW 68, 458; BayObLG NJW 66, 2371 = VRS 31, 355 = DAR 66, 303. 4 ) Ebenso audi Sdiönke-Sdiröder RNr. 8; Jagusch §§ 42m—o Anm. 11, Abs. 5. 5 ) BGHSt. 5, 178 = VRS 6, 21 = DAR 54, 41; ebenso audi Cramer StVR RNr. 7; vgl. auch BayObLGSt. 65, 140 = VRS 30, 94 = NJW 66, 896. 2
«) BGHSt. 15, 397; BGH VRS 7, 303; 16, 350; 17, 340; 20, 430; 21, 262; 23, 443; 31, 106; Braunsdiweig VRS 14, 356; Dusseldorf VerkMitt. 64, 47; Hamm DAR 57, 187; KG VRS 15, 414; Karlsruhe VRS 17, 117; Hamburg VRS 10, 355; Oldenburg VRS 14, 386; vgl. auch Bender DAR 58, 201. 7 ) BGHSt. 6, 398; VRS 7, 301; 21, 262; vgl. auch Köln DAR 56, 195.
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alle zwischen Tat und Urteil eingetretenen Umstände zu werten, weil audi für die Bemessung der Sperrfrist der Tag der Urteilsfällung maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist 9 ). Bei zeitlicher Sperrfristbegrenzung ist auch die durch die Fahrerlaubnisentziehung bewirkte erzieherische Wirkung zu beachten 8 ). Wirtschaftliche und finanzielle Gesichtspunkte spielen bei Festsetzung der Sperrfrist grundsätzlich ebensowenig eine Rolle, wie bei der Fahrerlaubnisentziehung selbst; ist der Verurteilte jedoch durch die Entziehung der Fahrerlaubnis beruflich empfindlich getroffen, kann die Annahme berechtigt sein, die Erziehungsmaßnahme werde bei ihm eher zum Erfolg führen 1 0 ), was eine sorgfältige Abwägung aller U m stände durch den Richter voraussetzt 1 1 ). Bei jugendlichen Tätern, die sich noch in der Entwicklung befinden, bedarf die Dauer der notwendig festzusetzenden Sperrfrist einer besonders abwägenden Beurteilung, weil die vielleicht noch bestehenden Charaktermängel mit fortschreitender Reife ausgeglichen werden können 1 2 ). 5
Die Länge der Sperrfrist ist in den Urteilsgründen ebenso wie die Entziehung selbst zu begründen. Die Festsetzung einer langdauernden Sperrfrist bedarf besonders eingehender Begründung und Auseinandersetzung mit allen Einzelheiten 13 ); sorgfältige Erwägungen sind vor allem dann geboten, wenn die Maßnahme der Entziehung erstmals verhängt und eine längere Sperre angeordnet wird, die den Angeklagten in seiner beruflichen Entwicklung einschneidend trifft 1 4 ), oder wenn auf die zeitige Höchstdauer (5 Jahre) erkannt wird; dies gilt auch bei Bejahung groben Verschuldens und schwerwiegender Tatfolgen oder bei Straftaten nadi § 42m Abs. 2, weil auch die Bemessung der Sperrfrist auf die künftige Gefährlichkeit des Täters abzustellen ist 15 ). Erkennt das Gericht trotz vorläufiger Fahrerlaubnisentziehung auf eine längere Sperrfrist, so ist sie insbesondere bei einem Berufskraftfahrer besonders eingehend zu begründen 1 *). Der Umstand, daß der Täter unter dem Eindruck eines von ihm selbst verschuldeten Unfalls sein Fahrzeug verkauft, darf i. d. R . bei der Bemessung der Sperrfrist nicht zu seinen Gunsten verwertet werden 17 ). Nachtrunk von Alkohol nach einem Unfall kann die Dauer der Sperrfrist nur dann für den Angeklagten nachteilig beeinflussen, wenn das Nachtrinken als Ausdruck einer Rechtsfeindschaft anzusehen ist, die von besonderer Gefährlichkeit des Täters zeugt 18 ). H a t das Gericht den Angeklagten wegen eines Verbrechens bestraft (z. B. 1 Jahr Freiheitsstrafe wegen Notzucht), die Tat als solche aber verhältnismäßig milde beurteilt, dann genügt es nicht, die Fahrerlaubnisentziehung mit einer Sperrfrist von 3 Jahren allgemein mit den Worten zu begründen, die Fahrerlaubnisentziehung sei bei den gegebenen Umständen gerechtfertigt 19 ). Eine Bezugnahme auf die außergewöhnlichen Umstände des Falles, die im Rahmen der Schuldfeststellungen oder im Rahmen der Strafzumessungsbegründung eingehend dargelegt wurden, kann aber im Einzelfall die bei der Entziehung der Fahrerlaubnis mit der höchsten zeitigen Sperrfrist geforderte nähere und ausführliche Begründung ersetzen 20 ).
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Körperliche oder geistige Mängel, die erst nach der Tat oder auf Grund des Unfalls aufgetreten sind, sind ohne Einfluß auf die Länge der Sperrfrist 2 1 ); auch schon vor der Tat vorhandene Eignungsmängel können nur dann für den Täter nachteilig berücksichtigt werden, wenn sie zur Straftat beigetragen haben 22 ).
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Vorstrafen des Täters können bei Bemessung der Sperrfrist berücksichtigt werden, soweit sie nach dem B R Z G noch verwertet werden dürfen. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, aus vielen im Bereich der allgemeinen Kriminalität liegenden Vorstrafen auf die Gefährlichkeit 8) BayObLGSt. 54, 10; Köln DAR 57, 23. ®) BGH VerkMitt. 56, 55; KG VRS 8, 266; Schleswig SchlHA 54, 328. 10 ) Vgl. Celle DAR 56, 248. " ) Vgl. BGH VRS 7, 353; DAR 56, 161; VerkMitt. 55, 11. 12 ) BGH VRS 21, 263. BGH VRS 16, 350; 21, 262; 23, 443; 29, 14; 31, 106. " ) BGH VRS 36, 16 = DAR 69, 49. 1012
) BGH VRS 16, 350; 22, 35; 23, 443; 29, 14; 33, 424; 37, 350. ) BGH VRS 19, 108. " ) Hamm VRS 11, 205. 18 ) Saarbrücken VRS 24, 31. " ) Saarbrücken NJW 65, 2313. 20 ) BGH VRS 34, 272 = DAR 68, 131. 21 ) BGH NJW 61, 1269. 22 ) BGH, Fußnote 21; Jagusch §§ 42m—o Anm. 11, 5. Absatz; a. A. Hamm DAR 57, 187. 15
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des Täters audi in Bezug auf den Straßenverkehr zu schließen und dies bei der Bemessung der Sperrfrist für den Angeklagten belastend zu würdigen 2 3 ). H a t der Angeklagte eine längere Freiheitsstrafe zu verbüßen, ist zu prüfen, ob daneben es noch einer Fahrerlaubnisentziehung, insbesondere einer längeren Sperrfrist bedarf, ober ob durch die Strafverbüßung der Schutzzweck schon erreicht ist 2 4 ). Es darf aber nidit allgemein davon ausgegangen werden, daß ein Strafverfahren allein schon bei den meisten Angeklagten als hinreichende Warnung anzusehen ist, so daß weitere Verstöße gegen die Verkehrssicherheit nicht zu befürchten sind; eine Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und aller Einzelumstände ist auch hier unerläßlich 2 5 ). H a t der Angeklagte durch sein Verhalten oder durch seine A r t der Verteidigung die Ermittlungen verzögert oder in der ersten Instanz Entlastungszeugen nicht benannt, kann ihm dies im Hinblick auf die Länge der vom Gericht zu bestimmenden Sperrfrist nicht zum Nachteil gereichen, wenn er bei der A r t seiner Verteidigung nur von dem ihm zustehenden Recht Gebrauch gemacht hat und hinsichtlich der unterlassenen Zeugenbenennung die Gründe nicht aufgeklärt werden können 2 4 ).
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2. Entziehung auf Lebenszeit Die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit ist für besonders schwerwiegende Verkehrsverstöße vorbehalten 2 7 ). Die Maßnahme setzt schwerste und chronische Verkehrskriminalität voraus, bei der eine Besserung nicht zu erwarten ist 28 ). Dies bedarf einer besonders sorgfältigen Prüfung und eingehender Würdigung und Begründung 2 8 ). O b eine E n t ziehung der Fahrerlaubnis für immer notwendig ist, bedarf auch bei einem 80jährigen näherer Begründung 3 0 ); denn bei Anordnung einer lebenslangen Sperre kann es grundsätzlich nicht auf das Alter des Täters ankommen 3 1 ), weil eine Reihe von altersbedingten Gebrechen durch Willensmängel ausgeglichen werden können 3 2 ). Bei nicht behebbare k ö r perliche oder geistige Mängel, die zur Tat beigetragen haben, sind allerdings in jedem Fall zu berücksichtigen. D e m Richter wird hierzu aber meist die erforderliche Sachkenntnis fehlen, Beiziehung eines Sachverständigen ist i. d. R . unerläßlich. Eignungsmängel, die zum Tatgeschehen nicht beigetragen haben, oder erst nach der Tat aufgetreten sind, können ebensowenig wie die Fahrerlaubnisentziehung selbst (vgl. § 42m Rdn. 22), die Untersagung einer Fahrerlaubniserteilung für immer rechtfertigen 3 3 ).
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Vorstrafen allein, soweit sie überhaupt noch nach §§ 49, 61 B R Z G verwertbar sind, können eine lebenslange Sperre nicht begründen. Entscheidend ist die A r t und die Zahl der Verfehlungen, das Verhalten des Täters insgesamt, die Gesamtfahrleistung des Täters; der bloße Hinweis auf die früheren Verurteilungen genügt nicht; vielmehr hat der Tatrichter in den Urteilsgründen die Vorstrafen unter Anführung von Tat, Tatzeit und Höhe der Strafe darzulegen 34 ). Frühere Geldstrafen und kurzfristige Freiheitsstrafen fallen für eine lebenslange Sperrfrist nicht entscheidend ins Gewicht"). Vorstrafen, die ein Täter als J u gendlicher oder Heranwachsender erhalten hat, sind wegen der in diesem Alter i. d. R . noch nicht abgeschlossenen Entwicklung eines Menschen mit großer Zurückhaltung zu berücksichtigen. Ist nur der Schuldspruch rechtskräftig (nur im Strafausspruch angefochtene Urteile oder Entscheidungen der Jugendgerichte nach § 27 J G G ) , können die hierzu getroffenen
) BGH VRS 15, 338. 2 " ) Bremen VRS 10, 278. »») BGH VRS 5, 42; 6, 33; 19, 192; BayObLGSt. 54, 48 = VRS 7, 187; Hamm VRS 8, 53. 287
2 M ) BGH VRS 24, 34; Celle MDR 66, 432. s»5) Nach BGH, Fußnote 294, audi der mitfahrende Halter, der der Ehemann der Fahrerin ist; bedenklich! 29 «) So auch BayObLGSt. 56, 241 = VRS 12, 115; BGHSt. 15, 5; a. A. Schönke-Schröder RNr. 39 zu § 142. 297 ) Vgl. BGH VRS 6, 33.
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vorbeifahrende Fahrzeuge wirft, wer Äste von Bäume absägt, die vor vorbeifahrende Kraftfahrzeuge fallen, die dabei zu Schaden kommen. H a t jemand jedoch ein Hindernis auf der Fahrbahn geschaffen und sidi dann vor einem Unfall vom T a t o r t fortbegeben, hat er sidi nicht „nach einem Verkehrsunfall" der Feststellung entzogen. 70
Nach Ansicht des K G 2 ' 8 ) kann auch jemand, der am T a t o r t zurückbleibt und durch Täuschungshandlungen die Flucht des Unfallbeteiligten deckt, Mittäter sein. Dieser Meinung wird man sidi jedoch nur in besonders gelagerten Fällen anschließen können, wenn, wie bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Vorgang, besonders enge verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zwischen Fliehenden und Täuschendem bestehen; die Annahme von Beihilfe liegt aber näher. 2.
Teilnahme
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Teilnahme zu einem Vergehen der Verkehrsflucht ist in jeder F o r m denkbar, da § 142 kein eigenhändiges, sondern echtes Sonderdelikt ist. Alle Teilnahmeformen sind möglich 8 "). Anstiftung und Beihilfe kommen bei den Personen in Betracht, die nicht selbst wartepflichtig sind. Für die Anstiftung gelten die allgemeinen Grundsätze. Anstifter ist auch, wer einen Gutgläubigen veranlaßt, die ihm obliegende Wartepflicht zu verletzen® 00 ).
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Beihilfe begeht, wer die Flucht eines Unfallbeteiligten unterstützt, fördert, ermöglicht. Den Fahrzeuginsassen trifft an sich keine Verantwortung dafür, ob der Fahrzeugführer seiner Wartepflicht genügt; billigt er dessen Weiterfahrt und fährt er in dessen Fahrzeug mit, so reicht dies für die Annahme einer Beihilfebehandlung noch nicht aus, weil ihn grundsätzlich keine Rechtspflicht trifft, den Fahrer zum Warten an der Unfallstelle zu veranlassen. H a t der Insasse den Tatentschluß des Fahrzeugführers zur Flucht herbeigeführt, ist Anstiftung, hat er den bereits beim Fahrzeugführer vorhandenen Tatentschluß, sich zu entfernen, vorsätzlich bestärkt, ist Beihilfe anzunehmen 8 0 1 ). Jede Beistandsleistung durch die die Flucht des Unfallbeteiligten erleichtert, ermöglicht wird, ist Beihilfehandlung® 01 ). Beihilfe begeht z. B., wer nach einem Verkehrsunfall die Steuerung des beteilgten K r a f t fahrzeugs anstelle des vorherigen Fahrzeugführers übernimmt und dann mit dem Wartepflichtigen wegfährt 3 0 3 ). Verursacht ein volltrunkener Kraftfahrer einen Verkehrsunfall und begeht danach Verkehrsflucht, die wegen Unzurechnungsfähigkeit nur als fahrlässige Rauschtat nach § 330a S t G B strafbar ist, so begeht der Beifahrer, der den Kraftfahrzeugführer mit dem Unfallwagen von der Unfallstelle wegfährt, zwar keine Beihilfe zur fahrlässigen Rauschtat, wohl aber zur Verkehrsflucht® 04 ), wobei es gleichgültig ist, ob der Gehilfe den T ä t e r für zurechnungsunfähig oder zurechnungsfähig hält, da der Gehilfe (ebenso wie Anstifter, Mittäter) von der Schuld des anderen Beteiligten unabhängig ist (§ 50 Abs. 1 StGB). Nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät genügt für eine strafbare Anstiftung oder Beihilfe eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Haupttat, die nicht schuldhaft begangen zu sein braucht.
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Beihilfe zur Verkehrsflucht kann auch durch Unterlassen geleistet werden, wenn der Mitfahrer ein Weisungsrecht gegenüber dem Fahrer besitzt und nach dem Unfall den Fahrer nicht veranlaßt, zu halten. Ein solches Weisungsrecht wird von der Rechtsprechung i. d. R . bei Arbeitgebern oder (Dienst-)Vorgesetzten angenommen® 05 ). Die hiergegen von Schönke-Schröder (§ 142 R N r . 40) erhobene Kritik ist nicht berechtigt, wenn man bedenkt, daß i. d. R . der Arbeitnehmer, der Untergebene, schon im Nichttätigwerden des Arbeitgebers, des Vorgesetzten, eine Billigung seiner Handlung erblicken und in seinem Tatentschluß bestärkt werden kann. «>) VRS 10, 453. ) Vgl. KG VRS 10, 453. 3 0 0 ) So auch Cramer StVR § 142 RNr. 69; Roxin „Täterschaft und Tatherrsdiaft" S. 367; im Ergebnis ebenso Stuttgart VRS 17, 272; vgl. audi Lange JZ 59, 560. 2
2M
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®01) ®02) ®°®) ®04) ®»5)
Vgl. BGH VRS 5, 279. BGH VRS 16, 267; 23, 207. KG VRS 6, 291. Cramer GA 61, 97. BGH VRS 24, 34; Düsseldorf VerkMitt. 66, 42 Nr. 76.
Verkehrsflucht
StGB § 142
Beihilfe ist möglich bis zur Beendigung (also nicht nur bis zur Vollendung) der Verkehrsfludit. H a t der Täter den Fluditort erreicht, ist i. d. R . Beendigung der T a t anzunehmen. H a t er z. B . Bekannte aufgesucht, hat diesen von der Tat berichtet und lassen ihn diese in ihrer Wohnung ausschlafen, kann hierin keine Beihilfehandlung mehr liegen' 0 4 ). VI. Innerer Tatbestand D e r innere Tatbestand des § 142 erfordert vorsätzliches Handeln. Bedingter Vorsatz genügt®07). Eine Absicht, die Aufklärung des Unfalls überhaupt zu verhindern, ist nicht erforderlich® 08 ), es genügt vielmehr der Wille, die alsbaldige Feststellung am Unfallort zu vereiteln. Fahrlässigkeit genügt nicht. D e r Vorsatz des Täters muß alle äußeren, objektiven Tatbestandsmerkmale umfassen; er muß also wissen (Vorsatz) oder damit rechnen und billigend in Kauf nehmen (bed. Vorsatz), daß sich ein Unfall ereignet hat, daß sein Verhalten zu dessen Verursachung beigetragen haben kann, daß er sich vom Unfallort entfernt und hierdurch die alsbaldigen Feststellungen vereitelt oder erschwert. D e r Wille zur Handlung (Fludit, Entschluß zum Fliehen) muß stets unbedingt sein; das Wissen um den Erfolg der T a t (Unfall mit Sachschaden über 1 0 , — D M , eigene Mitverursachung, Feststellungsvereitelung), kann im Sinne des „billigend Inkaufnehmens" bedingt sein®0*).
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1. Kenntnis des Verkehrsunfalls Täter muß wissen, an einem die Wartepflicht (vgl. R N r . 18, 19 oben) auslösenden V e r kehrsunfall (vgl. R N r . 3, 10—15 oben) beteiligt zu sein (vgl. R N r . 18 oben), bei dem ein Mensch getötet oder verletzt oder eine fremde Sache nicht gänzlich belanglos (vgl. R N r . 11 ff. oben) beschädigt wurde®10). D a auch bedingter Vorsatz genügt, reicht es aus, daß der T ä t e r mit diesem Geschehensablauf redinet und auch unter der sich ihm aufdrängenden Annahme, als Beteiligter in Betracht zu kommen® 11 ), sich von der Unfallstelle entfernt und dabei in Kauf nimmt, seiner Wartepflicht nicht zu genügen. W e r auf dunkler Straße auf einen Gegenstand heftig auffährt oder wer an der Erschütterung seines Fahrzeugs einen Zusammenstoß erkennt, insbesondere dann, wenn während der Fahrt hierbei die Windschutzscheibe zersplittert, muß mit Unfall rechnen; fährt er trotzdem weiter, ist in der Regel Vorsatz, wohl stets aber bedingter Vorsatz anzunehmen®1®).
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Die Vorstellung des Täters, es sei nur eigener Schaden entstanden, schließt den Vorsatz aus, bei Zweifeln über entstandenen Fremdschaden liegt bedingter Vorsatz vor41®). H i n sichtlich des Fremdschadens genügt es, daß der Täter mit einem nicht ganz unerheblichen Schaden (über 1 0 , — D M , vgl. R N r . 11 ff. oben) gerechnet hat®14). Beruft sich der Täter darauf, er habe nur mit einem belanglosen Schaden gerechnet, wird sich der Tatrichter, wenn er dies nicht glaubt, mit allen Einzelheiten des Unfalls (Schwere des Schadens, akustische Wahrnehmungsmöglichkeit) auseinandersetzen müssen. Die Vorstellung des Täters, einen Schaden verursacht zu haben, muß bewiesen werden; je geringer der Schaden ist, um so höhere Anforderungen sind an die subjektiven Tatbestandselemente zu stellen® 15 ); die Lebenserfahrung kann aber zur Abwägung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Angeklagten herangezogen werden; hierbei ist von der Sachverhaltsvorstellung eines Laien auszugehen®1*). Aus der Aufforderung eines Insassen zum Anhalten ist zu schließen, daß der Fahrer die mindestens naheliegende Möglichkeit seiner Beteiligung an dem Unfall erkannt und bei der Entfernung vom Unfallort zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt
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®°«) Vgl. BGH VRS 16, 267; Cramer StVR § 142 RNr. 70. ®»7) BGHSt. 7, 112; BGH VRS 5, 41; 11, 425; BayObLG DAR 52, 109; VRS 4, 211; Stuttgart VerkMitt. 58, 12. ®°«) BGH VRS 4, 57; Köln JMB1.NRW 53, 258; BayObLG DAR 56, 15; Düsseldorf VerkMitt. 60, 74 Nr. 112. »O») Koblenz DAR 63, 244; Braunsdiweig VRS 17, 417; Karlsruhe DAR 60, 52.
»«) BGH VRS 30, 45; KG VRS 13, 265. ' » ) Vgl. Neustadt VRS 5, 601. ®12) BGH VRS 6, 364; 30, 45; 37, 263; BGH VerkMitt. 68, 25; Nürnberg VersR 68, 339. * " ) Daliinger MDR 57, 266. » " ) BGH VRS 37, 263; BayObLG VRS 16, 351. ®15) Hamm VRS 42, 360; VerkMitt. 61, 35 Nr. 50; BayObLG VRS 24, 123. 31«) BayObLGSt. 54, 48 = VRS 7, 189. — Vgl. RNr. 78.
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hat 8 1 7 ). Andererseits kann der bedingte Vorsatz hinsichtlich der Kenntnis des Unfalls nicht schon aus jeder Mitteilung durch einen Geschädigten abgeleitet werden; es wird insoweit auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, z. B. auf die A r t der Mitteilung, die Person des Mitteilers 3 1 8 ). In der Regel entfällt bedingter Vorsatz bei Mitteilung von der Unfallbeteiligung durdi einen anderen nur dann, wenn der Täter überzeugt ist, er werde offensichtlich zu Unrecht verdächtigt 3 1 9 ). Vgl. R N r . 79 unten. 77
Die Frage, ob ein Kraftfahrer hinsichtlich der akustischen Wahrnehmung eines Unfalls als Durchschnittsfahrer anzusehen ist, vermag ein Kfz-Sadiverständiger nicht zu beantworten; vielmehr ist darüber, wenn notwendig, ein ärztliches Gutachten einzuholen 3 2 0 ).
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D e r Tatrichter hat sich in den Urteilsgründen mit der Kenntnis des Täters vom Unfall und der (Mit-)verursachung auseinanderzusetzen. D e r subjektive Tatbestand kann nicht damit begründet werden, der Täter habe nach der Lebenserfahrung mit der Möglichkeit eines nicht ganz belanglosen Sachschadens rechnen müssen 321 ). Mit der Feststellung des T a t richters, der T ä t e r habe erklärt, einen Gegenstand angefahren und überfahren und einen erheblichen Sachschaden verursacht zu haben, ist jedoch die Kenntnis des Täters, einen Unfall verursacht zu haben, genügend dargetan, ohne daß in den Urteilsgründen auf die weiteren Einzelheiten näher eingegangen zu werden braucht 3 2 2 ). 2. Kenntnis der Verursachung
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D e r Täter muß wissen oder zumindest damit rechnen, daß er als (Mit-)Verursacher des Unfalls in Frage kommt 3 2 3 ). Die Aufforderung eines Insassen des Kraftfahrzeugs an den Fahrzeugführer, anzuhalten, läßt den Schluß zu, der Fahrer habe die naheliegende Möglichkeit einer Unfallbeteiligung erkannt und sich zumindest mit bedingtem Vorsatz von der Unfallstelle entfernt 3 2 4 ). Auch die Mitteilung des Geschädigten 325 ) (vgl. R N r . 76 oben), wie auch die anderer Personen, rechtfertigen die Annahme, der Fahrzeugführer habe seine Unfallbeteiligung erkannt oder zumindest in Betracht gezögen, es sei denn, die Mitteilung über eine Unfallbeteiligung ist offensichtlich abwegig. Bestehen Zweifel über eine Unfallbeteiligung, so begründen diese eine Wartepflicht. Ein allzu strenger Maßstab an das Beurteilungsvermögen eines nicht sachverständigen möglichen Beteiligten kann jedoch nicht angelegt werden; vielmehr ist davon auszugehen, wie sich ihm nach seinen eigenen Wahrnehmungen und Fähigkeiten der Sachverhalt darstellt 3 2 4 ). Das Vertrauen auf die Schuldlosigkeit am Unfall ist ohne Bedeutung, weil es nach 5 142 nur auf die Mitverursachung ank o m m t . Letztere wird ein Kraftfahrzeugführer i. d. R . nur dann von vorneherein verneinen können, wenn er das Bewußtsein hat, jeder Dritte oder die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten würden eine Unfallbeteiligung nicht in Erwägung ziehen. W e r nach Anhörung verschiedener Personen am Unfallort zu der Uberzeugung k o m m t , er scheide als U n fallbeteiligter aus und werde grundlos verdächtigt, handelt nicht vorsätzlich im Sinne des § 142, wenn er sich von der Unfallstelle entfernt 3 2 7 ). 3. Fremdes Feststellungsinteresse
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D e r Vorsatz muß auch die Annahme des fremden Feststellungsinteresses umfassen 3 2 8 ). Bei belanglosem Schaden fehlt es schon an dem Begriff eines Unfalls (vgl. R d n . 11 ff. oben), so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob ein Feststellungsinteresse des „Geschädigten" besteht. Bei einem Schaden über 1 0 , — D M jedoch ist fremdes Feststellungsinteresse objektiv zu bejahen. H a t der Schädiger Zweifel hinsichtlich der H ö h e des Schadens und liegt dieser über der genannten Grenze, entfernt sich der Unfallbeteiligte zumindest mit bedingtem Vorsatz von der Unfallstelle. Bei Irrtum über die Schadenshöhe: siehe R N r . 88 ff. ) ) 31 ») 32 °) 321 ) 322) 323) 317
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BGH VRS 15, 338. Vgl. Karlsruhe DAR 60, 52 = NJW 60, 195. Braunschweig VRS 17, 417. Vgl. Neustadt DAR 61, 170. BayObLG VRS 24, 123. Vgl. RNr. 76. BGH VRS 37, 263. BGHSt. 15, 1; BGH VRS 4, 46; 5, 41; 20, 58.
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) BGH VRS 15, 338. ) Vgl. Karlsruhe DAR 60, 52. «) BayObLGSt. 54, 48 = VRS 7, 189; Hamm VRS 15, 264. 3 2 7 ) Vgl. Braunsdiweig VRS 17, 417. 32 «) BGH VRS 19, 188; Frankfurt NJW 60, 20, 324 325 32
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unten. Bei einem Unfall mit größerem Sachschaden oder mit Personenschaden liegt die Annahme fremden Feststellungsinteresses nahe. Auf den vom Täter geltend gemaditen Irrtum, er habe ein Feststellungsinteresse des Geschädigten oder Verletzten als nicht gegeben erachtet, sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen 3 2 '). Sind bei einem Unfallbeteiligten keine äußeren Verletzungen zu bemerken und klagt er auch nicht über irgendwelche Schmerzen, so braucht nicht ohne weiteres mit inneren Verletzungen und einem deshalb gegebenen Feststellungsinteresse gerechnet zu werden 3 3 0 ). Gehört das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug einem Dritten, so ist grundsätzlich ein Feststellungsinteresse des Fahrzeugeigentümers zu bejahen 3 3 1 ). Stehen jedoch Unfallverursadier und Geschädigter zueinander in einem nahen Verwandtschafts- oder Freundschaftsverhältnis, so liegt i. d. R . die Annahme nahe, der Geschädigte ist an einer Beweissicherung im Wege polizeilicher Feststellungen und Ermittlungen am Unfallort nicht interessiert (vgl. N r . 33 oben). 4. Vereitelung alsbaldiger Feststellungen, Fluchtvorsatz D e r Vorsatz des Täters muß sich auch darauf beziehen, daß durch die Entfernung von der Unfallstelle (Flucht), alsbaldige Feststellungen vereitelt werden 3 3 2 ). Hinsichtlich der E n t fernung von der Unfallstelle, der Flucht, ist direkter Vorsatz erforderlich, sie kann begrifflich nicht mit bedingtem Vorsatz ausgeführt werden. Letzterer reicht aber aus in bezug auf die durch die Fludit in Frage gestellten notwendigen Feststellungen. So muß der Täter wissen oder für möglich halten, daß alsbaldige Feststellungen am Unfallort möglich sind 533 ) und daß er solche Feststellungen durch seine Flucht vereitelt. Mit dem Einwand, er habe sich von dem Unfallzeugen persönlich erkannt gehalten, kann der Täter den subjektiven Tatbestand nicht von vorneherein ausräumen 3 3 4 ). Ein Vergehen der Unfallflucht ist auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn der Täter und sein Fahrzeug festgestellt sind 335 ), seine Beteiligung aber noch einer Klärung bedarf 3 3 6 ). Ein Entziehungswille ist auch dann anzunehmen, wenn der Täter sich von der Unfallstelle entfernt, um die Polizei aufzusuchen, auf dem Wege dorthin aber eine halbe Stunde sich in einer Gastwirtschaft aufhält 3 3 7 ). Es genügt auch die Entfernung in der Erkenntnis, der Unfall und die Beteiligung daran könne von der Polizei nur in seiner Gegenwart an der Unfallstelle aufgeklärt werden 3 3 8 ).
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Ein Verzicht des Verletzten oder Geschädigten an der Unfallstelle auf weitere FestStellungen schließt den Fluchtvorsatz mit Feststellungsentziehungswillen aus, weil in diesem Fall schon die Wartepflicht entfällt (vgl. R N r . 27 ff. oben).
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Zur Verwirklichung des inneren Tatbestandes der Unfallflucht reicht es aus, daß der Täter weiß, durch seine Entfernung von der Unfallstelle werde für den zu dieser Zeit nicht ermittelten Geschädigten die Unfallaufklärung erschwert. O b der Täter geglaubt hat, sich nadi seiner Flucht mit dem Geschädigten einigen zu können, ist unbeachtlich 339 ). Bei der Prüfung ob sich der Täter von der Unfallstelle in Feststellungsvereitelungsabsicht entfernt hat, sind alle Einzelumstände, auch das Verhalten des Täters nach der Entfernung einer eingehenden Würdigung zu unterziehen 3 4 0 ). Wer sich an der Unfallstelle um den Verletzten kümmert, ihm seinen Namen gibt und sich den des Verletzten notiert und schließlich verspricht, seine Versicherung zu verständigen, wird kaum mit Fluchtvorsatz sich entfernen 3 4 1 ); das gleiche gilt für den, der eine Besuchskarte mit Namen und Anschrift und den sonst notwendigen Angaben am beschädigten K f z bei einfach gelagertem Sachverhalt und geringem Sachschaden hinterläßt (vgl. ») Saarbrücken VRS 21, 48. °) So aud> Cramer StVR S H2 RNr. 59; a. A. Celle VRS 11, 285 = NJW 56, 1330. ä«1) BGHSt. 9, 267; Stuttgart VRS 16, 190; Bremen DAR 56, 250, 284; Celle NJW 59, 831. 3 3 2 ) BGHSt. 4, 144 = VRS 5, 359. »») Vgl. Hamburg VRS 32, 359. 32
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) Hamm VRS 5, 602. ) BayObLG DAR 56, 15. Sä«) Bremen NJW 55, 113. Hamm VRS 13, 137. 3 3 8 ) Neustadt VkBl. 54, 62. 3 s ») Saarbrücken VRS 21, 48. 3 4 0 ) BGH VRS 30, 283. 3 4 1 ) Neustadt, VRS 14, 440. 334 335
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R N r . 21 oben). Die Besuchskarte allein reicht allerdings nicht aus, um alle notwendigen Feststellungen treffen zu können 3 4 2 ). 84
Steht bei geringem Schaden fest, daß der Unfallbeteiligte sich zwar von der Unfallstelle entfernt hat, aber gerade den Geschädigten verständigen wollte, so spricht dies gegen einen Fluchtvorsatz 3 4 3 ). Der innere Tatbestand kann dann entfallen, wenn ein berufsmäßiger, unbestrafter Kraftfahrer nadi vergeblicher Suche nach dem Fahrer des beschädigten Fahrzeugs sich entfernt und den Vorfall alsbald seinem Arbeitgeber unter Angabe der Kennzeichennummer des anderen Fahrzeugs zwecks weiterer Veranlassung meldet 3 4 4 ). Eine Entfernung von der Unfallstelle mit Feststellungsvereitelungsvorsatz ist auch zu verneinen, wenn der Täter, der mit dem anderen Unfallbeteiligten persönlich bekannt ist, mit dessen Kenntnis vorübergehend eine nahe der Unfallstelle gelegene Gaststätte aufsucht, in der er weiteren Alkohol zu sich nimmt 3 4 5 ).
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Die Absicht sich von der Unfallstelle zu entfernen, um sich über einen Polizeibeamten bei dessen in der Nähe befindlichen Vorgesetzten zu beschweren, verträgt sich nicht mit der Annahme, der Täter habe die A r t seiner Unfallbeteiligung verheimlichen wollen 344 ). Die Tatsache, daß der Täter den bereits ins Krankenhaus abtransportierten verletzten Mitfahrer mitteilen läßt, er werde für Leistung von Schadensersatz Sorge treffen, in Verbindung mit der Meldung an die Versicherung spricht gegen die Annahme des Entziehungsvorsatzes 3 4 7 ). Wer sich von der Unfallstelle entfernt, um die Polizei zu verständigen, will i. d. R . die erforderlichen Feststellungen nicht verhindern oder erschweren, wenn dies der geeignete Weg ist, alsbaldige Feststellungen zu ermöglichen; Entfernung mit Fluchtvorsatz scheidet somit aus 3 4 8 ); es sei denn, die Entfernung von der Unfallstelle zwecks Herbeiholung der Polizei diente gerade dazu, die Art der Beteiligung am Unfall zumindest nicht unerheblich zu erschweren.
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H a t der Unfallbeteiligte sein Fakrzeug erst etwa 20 m nach der Unfallstelle, wenn auch noch in ihrer Sichtweite, angehalten und läßt es stehen, so muß der Tatrichter nach den Gründen dieses Verhaltens forschen, weil sich aus ihnen der Vorsatz der Verkehrsflucht ergeben kann 3 4 9 ). Erlauben die mit der Unfallaufnahme befaßten Polizeibeamten einem Unfallbeteiligten, sich von der Unfallstelle zu entfernen, weil sie sich in dem von dem Unfallbeteiligten nicht herbeigeführten, aber von diesem ausgenutzten Irrtum befinden, er sei nur ein Zeuge, so begeht der Unfallbeteiligte durch die Entfernung keine Flucht 350 ). Will sich der Täter lediglich der Feststellung durdi die Polizei, nicht aber durch den Geschädigten entziehen, so erfüllt die Entfernung von der Unfallstelle nicht den inneren Tatbestand des § 142 351 ). Ein Entziehen durch Entfernung vom Unfallort allein der Polizei und nicht dem Verletzten gegenüber kann aber nur dann in Betracht kommen, wenn der Täter vor Entfernung von der Unfallstelle dem Feststellungsinteresse des Geschädigten objektiv Genüge getan hat und weitere Feststellungen im wesentlichen nur noch dem Strafverfolgungsinteresse dienen können 3 5 2 ). Vgl. auch R N r . 62, 2. Absatz. 5. Entfallen des Vorsatzes
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß Vorsatz nach § 51 Abs. 1 StGB entfallen kann, wenn sich der Täter aus Verwirrung, Kopflosigkeit, Bestürzung, Furcht, Schrecken von der Unfallstelle entfernt 3 5 3 ). So kann durch die mit einem Unfall verbundene seelische ) ) 344) 3«) 3«) *«) 348 ) 342 343
Celle NJW 56, 560 = DAR 56, 221. Düsseldorf VerkMitt. 68, 76. BayObLG bei Rüth DAR 64, 240. BayObLG VkBl. 69, 564. BGH VRS 19, 188. Karlsruhe VRS 22, 440. Stuttgart MDR 56, 245.
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») BGH VRS 25, 259. ®) BGH VerkMitt. 64, 9 Nr. 14. " ) KG DAR 67, 331 = J Z 67, 469 m. Anm. Schröder; Oldenburg NJW 68, 2019. M 2 ) Hamm VRS 41, 108. 353 ) BGH VRS 8, 207; 18, 201; Frankfurt VRS 28, 262. 34 35 3
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Erschütterung eine so hochgradige Verwirrung, Bestürzung oder Furcht ausgelöst werden, daß entweder der Vorsatz für die in diesem Zustand begangene Unfallfludit entfällt oder eine erhebliche verminderte Zurechnungsfähigkeit i. S. § 51 Abs. 2 S t G B für diese Tat anzunehmen ist 8 5 4 ). Ein derartiger Ausnahmezustand, der durch vorangegangenen Alkoholgenuß begünstigt wird, kann bei dem Betroffenen seelische Tiefenmechanismen aktivieren und Handlungsweisen zur Folge haben, die nicht mehr rational gesteuert sind, weil sich der Betroffene vor dem Erlebnis, dessen seelisdie Verarbeitung nicht gelingt, in einen psychologischen Dämmerzustand flüchtet 3 5 5 ). Dieser Ausnahmezustand wird daher durch das Unfallerlebnis nicht etwa vorübergehend wieder aufgehoben, sondern gerade erst ausgelöst. Allerdings sind solche Fälle nach dem Ergebnis ärztlicher Forschung sehr selten. D e r seelische Ausnahmezustand setzt eine erhebliche psychische Vorbelastung voraus und äußert sich regelmäßig in einem deutlich als Angst- und Schockreaktion erkennbaren Verhalten, das den Regeln eines Vernunft- und zweckgerichteten Handelns im Hinblick auf die erstrebte Verschleierung der Straftat zuwiderläuft 3 5 4 ). Doch dürfte Zurechnungsunfähigkeit oder auch verminderte Zurechnungsfähigkeit ( § 5 1 Abs. 2 StGB) eines Kraftfahrers als Folge der mit dem Unfall verbundenen seelischen Erschütterungen wohl selten vorkommen 3 5 7 ). Kopflosigkeit braucht aber noch keine Bewußtseinsstörung i. S. des § 51 Abs. 1 oder 2 zu sein 3 5 8 ). N u r wenn die Denk- und Handlungsfähigkeit ausgeschlossen ist, fehlt es an einem Feststellungsentziehungsvorsatz 3 5 9 ). Aus einem zielbewußten Verhalten des Täters nach dem Unfall kann, muß aber nicht gefolgert werden, daß Einsichts- und H e m mungsvermögen bei Begehung der Verkehrsfludit nicht beeinträchtigt waren 3 6 0 ). Ein Unfallschock ist aber selten so stark, daß er zu unbewußtem und daher unvorsätzlichem Wegfahren führt 3 4 1 ), ist grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen zu bejahen 3 * 8 ) und bedarf der Begutachtung durch einen Sachverständigen 343 ). Die Dauer eines Unfallschocks ist begrenzt; nur in Verbindung mit Hirnverletzungen, Gehirnerschütterungen, u. U . auch unter dem Einfluß von Alkohol kann er länger andauern 3 4 4 ). K o m m t der medizinische Sachverständige zu dem Ergebnis, daß bei dem Angeklagten infolge Unfallschocks in Verbindung mit einer Blutalkoholkonzentration in 1 , 8 % die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 S t G B für die Unfallflucht nicht auszuschließen seien, so muß der Tatrichter bei gegenteiliger Auffassung mit den Darlegungen des Sachverständigen in einer Weise sidi auseinandersetzen, woraus sich die erforderliche eigene Sachkunde zur Begründung seiner Auffassung und zur Widerlegung der Ansicht des Sachverständigen und damit die rechtsfehlerfreie Abstandnahme von der weiteren Aufklärung der Zurechnungsfrage durch einen auf diesem Sachgebiet erfahrenen Sachverständigen ergeben 3 6 5 ). Es ist denkfehlerhaft, das Vorbringen eines Unfallbeteiligten, er sei nach dem Unfall unter der Einwirkung einer Schockwirkung weitergefahren, mit der Erwägung als widerlegt anzusehen, er habe nicht das Nächstliegende getan, nämlich nicht sofort angehalten 8 4 4 ). Nach der Rechtsprechung obliegt dem Täter nach Abklingen des Unfallschocks eine Rückkehrpflicht zur Unfallstelle 3 4 7 ). Zur Rückkehrpflicht siehe R N r . 52—56 oben. 6.
Irrtum Irrtum über Tatumstände oder über die nach § 142 bestehenden Rechtspflichten kann
zu Straffreiheit führen. ) Vgl. dazu BGH in VRS 20, 47 mit weiteren Nadiweisen. S55) Vgl. Hirschmann in Kriminalbiologisdie Gegenwartsfragen 1960, Heft 4, S. 44. *•*) Vgl. dazu Hirsdimann a. a. O. S. 56. 3 " ) BGH VerkMitt. 61, 31 Nr. 41. 3 5 8 ) BGH VRS 5, 279. 3 5 > ) BGH VRS 8, 207; 16, 186. M») BGH VRS 20, 47. M4
) BGH VersR 66, 579, 915 m. Anm. Gaisbauer. ) BGH VersR 67, 29. 43 s ) Zweibrücken VRS 38, 42. M 4 ) Vgl. BGH VRS 32, 434; Hamm VRS 42, 24. 3 6 5 ) Köln NJW 67, 1521. 3 4 4 ) Hamm, VRS 37, 431. 3 « ) BGH DAR 61, 75; a. A. Jagusdi 19. Aufl. § 142 StGB Anm. 8 Seite 1098. 381 M2
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a) Tatbestandsirrtum 39
Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter über die Tatumstände des gesetzlichen Tatbestandes sich im Irrtum befindet; er beseitigt den Vorsatz und führt zur Straffreiheit (§ 59 StGB). Tatbestandsirrtum ist z. B. anzunehmen, wenn Täter irrig meint, es sei kein Schaden entstanden oder dieser sei so unbedeutend, daß von einem Unfall nidit gesprochen werden kann (vgl. R N r . 11—15 oben) 348 ). An vorsätzlichem Handeln fehlt es, wenn der Täter glaubt, der festgestellte Schaden sei nicht auf den von ihm verursachten Zusammenstoß zurückzuführen 8 "), oder nur das eigene, dem Täter gehörende Fahrzeug sei beschädigt worden. Vergewissert sich der Täter über den Umfang des eingetretenen Schadens nicht, sondern nimmt er nur an (besser hofft er), es sei nur unbedeutender Schaden entstanden, so ist es grundsätzlich eine Frage der Beweiswürdigung, ob der Tatrichter das Vorbringen des Angeklagten glaubt. Je größer der Schaden, um so eher wird der Fahrzeugführer den Anstoß bemerkt haben und um so unglaubwürdiger wird der behauptete Irrtum über den Umfang des Schadens sein und je näher dürfte die Annahme zumindest bedingten Vorsatzes liegen 370 ). In diesem Sinne ist auch die Entscheidung von Düsseldorf 3 7 1 ) zu verstehen, das ausführt, daß der Vorsatz nicht ausgeschlossen wird, wenn der Täter sich der Verursachung eines Unfallschadens bewußt geworden ist, den Sdiaden sich als belanglos vorstellt, ohne sich Gewißheit darüber verschafft zu haben. H a t der Täter jedoch an der Unfallstelle angehalten, die Folgen des Zusammenstoßes geprüft und hierbei bei gewissenhafter Prüfung die irrige Überzeugung gewonnen, es sei kein Sdiaden entstanden, so ist in der Regel Fluchtvorsatz nach § 59 Abs. 1 StGB zu verneinen 372 ).
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Vorsatz ist ausgeschlossen, wenn der Täter irrig meint, der Geschädigte habe auf Feststellungen verzichtet 373 ) oder der Geschädigte lege überhaupt keinen Wert auf Feststellungen 374 ), oder wer annimmt, gegen ihn bestehe kein Verdacht der Unfallbeteiligung 37 ®), überhaupt wenn der Täter über Umstände irrt, die seine Wartepflicht betreffen 3 7 *). Der Vorsatz des Täters wird aber nicht bereits durch dessen Vorstellung ausgeschlossen, nur er habe Ersatzansprüche 377 ). Glaubt der Täter, der feststellungsbereite Dritte habe ihn und sein Fahrzeug erkannt und entfernt er sich deshalb von der Unfallstelle, so entfällt dadurch noch nicht der Fluchtvorsatz, weil an der Unfallstelle auch Feststellungen über die Art der Beteiligung zu dulden sind und der Tatbestandsirrtum sich somit nicht auf alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bezieht 378 ). b) Verbotsirrtum
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Verbotsirrtum beseitigt nicht den Vorsatz, entschuldigt nur bei Unvermeidlichkeit, bei Vermeidbarkeit kann Vorsatzstrafe nach den Grundsätzen des Versuchs gemildert werden. Verbotsirrtum ist anzunehmen, wenn der Täter zwar den Umfang des Schadens richtig erkannt hat, er aber irrig annimmt, es handle sich hierbei um einen die Wartepflicht nicht begründenden Schaden 37 '). Glaubt der Täter, wartepflichtig sei nur, wer für die Unfallfolgen haftet, wird grundsätzlich vermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen sein; ebenso dann, wenn der Täter glaubt, sich entfernen zu dürfen, weil seine Person und das von ihm benutzte Fahrzeug festgestellt sind 3 8 0 ); Gleiches gilt bei der Annahme, es seien keine fest«8) Hamm VRS 5, 40; 7, 366; JMBl.NRW 61, 88; BayObLG VRS 14, 187; 24, 123; KG VRS 13, 265. 3 M ) Karlsruhe DAR 60, 52; Braunschweig VRS 17, 417; Köln VerkMitt. 64, 14 Nr. 20. 3 7 0 ) Vgl. KG VRS 13, 265. 3 " ) VRS 20, 118. 372 ) Düsseldorf, Fußnote 371. 3 " ) Bremen VRS 10, 278; Köln VRS 27, 344. 3 7 4 ) KG 15, 116; Hamm VRS 17, 415; Hamburg NJW 60, 148. 3
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) BGH NJW 60, 2060 m. Anm. Lienen; NJW 61, 325 m. Anm. Gansdiezian-Findc. «) Köln VRS 27, 344; a. A. Stuttgart VRS 17, 272. 377 ) Celle VRS 11, 285. 378 ) Vgl. Hamm VRS 5, 602. 37 °) BayObLG VRS 14, 187; Hamm VRS 19, 429; KG VRS 13, 265. **) BayObLG DAR 56, 15. 375
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stellungsbereiten Personen anwesend und werden auch alsbald nicht eintreffen 3 8 1 ). In Verb o t s i r r t u m (nicht vorsatzausschließendem Sachverhaltsirrtum) befindet sich, wer n u r den Kfz-Führer f ü r feststellungspfliditig hält, nidit aber jeden anderen Mitverursadier 3 8 2 ), ebenso, wer annimmt, der Wartepflicht unterlägen n u r die Fahrer der beteiligten Fahrzeuge, oder der irrigen Ansicht ist, n u r wer den Unfall verschuldet hat, sei warte- u n d feststellungspfliditig. In all den genannten Fällen ist der I r r t u m i. d. R . vermeidbar; es wird jedoch bei der Frage der Vermeidbarkeit die Person des Täters, seine Lebenserfahrung, seine geistige Regsamkeit, seine Stellung im Beruf u. s. w. zu beachten sein 388 ). H a t der Täter geglaubt, er d ü r f e sich unangenehmen Auseinandersetzungen entziehen u n d deshalb den U n f a l l o r t verlassen, so k a n n ein entschuldbarer Verbotsirrtum vorliegen 394 ). D e r Unfallbeteiligte, der einem D r i t t e n die Klärung des Sachverhalts überträgt, m u ß in eigener V e r a n t w o r t u n g die Zulässigkeit der Weiterfahrt p r ü f e n ; der I r r t u m über den U m fang dieser Pflicht ist ein Verbotsirrtum 3 8 5 ). Ist ein junger, unbeholfener Mensch verletzt, der keine Feststellungen verlangt, darf hieraus noch nidit auf einen Verzicht auf Feststellungen geschlossen w e r d e n ; e n t f e r n t sich der Unfallbeteiligte t r o t z d e m von der U n f a l l stelle, weil er irrig meint, ein wirksamer Verzicht auf weitere Feststellungen sei erfolgt, so handelt er meist in einem nicht entschuldbaren Verbotsirrtum 3 8 6 ). Meint ein Unfallbeteiligter irrigerweise, mit Rücksicht auf dringende geschäftliche Angelegenheiten u n d bei der Geringfügigkeit des entstandenen Schadens genüge die Übergabe der Visitenkarte, so liegt audi hier i. d. R . vermeidbarer Verbotsirrtum vor 387 ).
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VII. Strafbemessung 1. Allgemeine Strafzumessungsgründe Bei der Strafzumessung sind die §§ 13 ff. StGB zu beachten. Auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften wird verwiesen. Ergänzend darf erwähnt werden, daß die Strafe audi nach § 142 grundsätzlich dem Verschuldungsgrad u n d der Tatschwere Rechnung zu tragen hat, die sich vorwiegend nach der H ö h e des Schadens und dem Grad der Beeinträchtigung des geschützten Feststellungsinteresses bestimmen 3 8 8 ). Unerheblich ist, ob der Geflohene den U n f a l l verschuldet hat 390 ). Moralisierende Erwägungen, daß die Verkehrsfludit eine besonders verwerfliche T a t sei, sind n u n m e h r schon nach § 13 StGB verfehlte Strafbemessungsgründe 3 8 1 ). H a t t e sidi der Täter unter Sdiockeinwirkung v o m U n f a l l o r t entfernt, ohne daß hierdurch vorsätzliches H a n d e l n ausgeschlossen war, kann dies strafmildernd berücksichtigt werden 3 9 2 ), ebenso freiwillige Rückkehr z u r Unfallstelle 393 ), oder wenn der Täter von vorneherein z u r Schadenersatzleistung entschlossen war 394 ). Geringe Unfallfolgen sind strafmildernd zu berücksichtigen.
93
Straferschwerend k ö n n e n verwertet w e r d e n : die Schwere des Unfalls, eine mit der Unfallflucht gleichzeitig begangene andere Straftat, z. B. unterlassene Hilfeleistung 3 9 5 ), Verhalten nach dem Unfall, wie z. B. Naditrunk 3 9 ").
94
Der Unreditsgehalt einer Verkehrsflucht in dem Bewußtsein, einen Menschen angefahren zu haben, ist wesentlich höher, als bei der bloßen A n n a h m e eines Sachschadens 397 ). So k ö n nen schwere Unfallfolgen allgemein strafverschärfend ins Gewicht fallen 398 ). X») BGHSt. 4, 144 = VRS 5, 359; BayObLG DAR 58, 106; a. A. Hamm VRS 18, 248, das in diesem Fall einen Tatbestandsirrtum annehmen will. M2) BayObLG VRS 12, 115. 83 s ) BGH VRS 24, 34. 384 ) BayObLG DAR 56, 15. ä"85) Stuttgart VRS 17, 272. 388 ) Hamm VRS 19, 429. M7 ) Hamm VRS 8, 53. 8 " ) Cramer StVR § 142 RNr. 72. 39 °) BGH VRS 18, 423; 19, 426.
391
) Im Ergebnis ebenso Cramer RNr. 72; Jagusdi 19. Aufl. § 142 Anm. 13, 2. Abs.; Krumme DAR 68, 234. 392 ) BGH VRS 18, 201; 19, 120; 24, 189. 3 3 » ) BGH VRS 25, 115. 394 ) BayObLG bei Rüth DAR 68, 225. 395 ) BGH VRS 32, 437. 3M ) BGHSt. 17, 143; Oldenburg NJW 68, 1293; vgl. dazu audi die kritischen Bemerkungen von Baumann in NJW 62, 1793. 397 ) BGH VRS 18, 290. 39 «) Vgl. BGH VRS 4, 52; Köln VRS 4, 419.
1057 67 StVO + S t G B
§ 142
StGB
Rüth
Stand der Täter bei Tatausführung unter Alkoholeinfluß, ist dies i. d. R . zu seinen Gunsten bei der Strafzumessung zu werten; ob verminderte Zuredinungsfähigkeit nadi § 51 Abs. 2 StGB vorliegt, ist schon bei nur geringem Alkoholgenuß zu prüfen. Eine verhängte Freiheitsstrafe kann nach den allgemeinen Bestimmungen des § 23 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen bei schweren Unfallfolgen ist Fahrerlaubnisentziehung Regelmaßnahme (§ 42m Abs. 2 N r . 3 StGB). 95
2. Besonders schwere Fälle Abs. 3 des § 142 droht für besonders schwere Fälle eine Freiheitsstrafe nicht unter
gg
6 Monaten an (Höchststrafe 15 Jahre, § 18 StGB). In der Praxis sind die Fälle, in denen der Regelstrafrahmen (2 Jahre Freiheitsstrafe) nidit ausreicht, selten 399 ). Die Rechtsprechung nimmt einen besonders schweren Fall grundsätzlich dann an, wenn die Tat unter Berücksichtigung aller Umstände die Fälle, die erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommen, an Strafwürdigkeit so übertrifft, daß der Regelstrafrahmen zur Sühne nicht mehr ausreicht 400 ). Hierbei sind alle Einzelheiten gegeneinander abzuwägen, die für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung sind 401 ). Auch solche Umstände können in Betracht gezogen werden, die sich nidit unmittelbar aus dem Verhalten bei der Flucht ergeben, aber einen Schluß auf das allgemeine Verantwortungsbewußtsein des Täters im Straßenverkehr und dessen Persönlichkeit ermöglichen 402 ). Nach BGH 4 0 3 ) kann die Annahme eines besonders schweren Falles auch aus dem Verhalten des Täters vor dem Unfall abgeleitet werden; so soll auch ein Wiederholungsfall ein besonders schwerer Fall sein können 4 0 4 ). Ein besonders schwerer Fall muß i. d. R . angenommen werden, wenn der Täter sich um einen bei dem Unfall Schwerverletzten nicht kümmert und er die Schwere der Verletzung kannte oder sie zumindest für möglich hielt 405 ). Der Verurteilung wegen Verkehrsunfallflucht in einem besonders schweren Fall steht es nicht entgegen, daß sich — vom Täter bemerkt — ein Polizeibeamter um den Verletzten kümmerte 4 0 6 ). Feststellungen, der Täter habe gewußt, daß er einen Menschen überfahren hatte und dieser schwer verletzt sein mußte, ferner, daß er, wenn er wegfahren würde, den Verunglückten erneut überfahren müsse, reichen zur Bejahung eines besonders schweren Falles aus 407 ), Es muß auch von einem besonders schweren Fall dann gesprochen werden, wenn der Täter zielstrebig darum bemüht gewesen ist, als Täter nicht entlarvt zu werden und der Unfallschaden von einiger Schwere ist 4 0 8 ); der für die Annahme eines besonders schweren Falles der Unfallflucht erforderliche sehr hohe Unrechts- und Schuldgehalt kann jedoch auch unabhängig von der Schwere der Unfallfolgen allein darin liegen, daß die Art der Flucht besonders verwerflich ist, etwa weil sie ungewöhnlich hartnäckig, rücksichtslos und gefährlich durchgeführt wurde, z. B. vorsätzliche Gefährdung des verfolgenden Polizeibeamten 4 0 9 ). Die hiergegen von Jagusdi erhobenen Bedenken 410 ) erscheinen nicht gerechtfertigt. Seiner Meinung, diese Rechtsprechung beruhe noch auf den überholten Vorstellungen über den Zweck des § 142 aus der Ursprungszeit der Vorschrift, kann nicht beigepflichtet werden. Sicher ist die Schwere des begangenen Unrechts zunächst bei der Straftat zu berücksichtigen, die die Unfallfolgen herbeiführte. Diese sind aber wohl nach allgemein anerkannter Rechtsprechung für den Tatbestand der Verkehrsflucht nidit ohne Bedeutung; so hängt z. B. die Wartepflicht von den eingetretenen Unfallfolgen ab, die Entziehung der Fahrerlaubnis ist als Regelmaßnahme einer Verkehrsflucht nur bei schwerwiegenden Folgen vorgesehen (§ 42m Abs. 2 N r . 3 StGB). Der Art der Ausführung der Tat, die Beweg" ) Ebenso Jagusdi Anm. 14 zu § 142; vgl. dazu auch Wahle in GA 69, 161. 400 ) BGH VRS 5, 288; 6, 35 = BGHSt. 5, 124 = L M Nr. 1 zu § 142 m. Anm. Frankel; VRS 9, 29, 350; 11, 49; 14, 194; Oldenburg VRS 11, 53. 401 ) BGH VRS 12, 185. 402 ) BGH VRS 17, 185. 403 ) VerkMitt. 62, 62 Nr. 98. 3
1058
) BGH VRS 5, 529. ) BGH VRS 5, 279; 17, 36; 22, 271; 27, 105; 28, 359; 33, 108; 37, 263; Hamm VRS 33, 339. 4 M ) BGH VRS 40, 21. 4 " ) BGH VRS 33, 108. 408 ) BGH VRS 25, 38. 409 ) BGHSt. 18, 9 = DAR 62, 366. 41 ») 19. Aufl. § 142 Anm. 14. 404 405
Verkehrsflucht
StGB
§ 142
gründe u n d Ziele des Täters, sowie seine Gesinnung, das Maß der Pflichtwidrigkeit, der bei der T a t aufgewendete Wille sowie die A r t der A u s f ü h r u n g der Tat, sind Strafzumessungsgründe des § 13 StGB. Diese v o m Gesetz vorgesehenen Strafbemessungsgründe ihren Grundgedanken nach auch d a f ü r heranzuziehen, ob die T a t als besonders schwerer Fall anzusehen ist, erscheint gerechtfertigt, weil die Frage, ob ein besonders sdiwerer Fall anzunehmen ist oder nicht, lediglich eine Strafzumessungsfrage ist. D a ß der gesetzliche Strafrahmen in der Praxis noch nie ausgeschöpft wurde, spricht nicht dagegen. In dem Änderungsentwurf der Bundesregierung ist eine erhöhte S t r a f d r o h u n g f ü r besonders schwere Fälle nicht vorgesehen. VIII. Konkurrenzfragen 1. Tatmehrheit Tatmehrheit ist grundsätzlich anzunehmen zwischen Verkehrsflucht u n d der schuldh a f t e n H e r b e i f ü h r u n g eines Verkehrsunfalls, da diese Taten mit dem Unfall abgeschlossen sind 411 ). Verursacht z. B. ein K r a f t f a h r e r einen Verkehrsunfall mit Sach- oder Personenschaden u n d e n t f e r n t sich v o n der Unfallstelle, ist nach neuerer Rechtsprechung in jedem Fall zwischen Unfall u n d Verkehrsflucht Tatmehrheit anzunehmen, auch wenn der Täter bei Unfallverursachung wegen Trunkenheit fahruntüchtig war u n d diese Tat deshalb (auch) als ein Vergehen der (fahrlässigen) Straßenverkehrsgefährdung zu beurteilen ist, weil auch die T r u n k e n h e i t s f a h r t m i t dem Unfall beendet ist und der Entschluß zur Flucht als eine andere Tat im materiellrechtlichen anzusehen ist 412 ). Es k o m m t nicht darauf an, ob der Täter nach dem Unfall k u r z angehalten h a t oder nicht, wie ein Teil der Rechtsprechung f r ü h e r annahm 4 1 ').
97
Dauerstraftaten haben dann nicht die K r a f t mehrere andere Straftaten z u r Tateinheit zu verbinden, wenn eine der anderen Taten sdiwerer wiegt 414 ). Diese Frage spielt jedoch bei der D«uerstraftat der T r u n k e n h e i t s f a h r t (§ 315c Abs. 1 N r . la, § 316 StGB) insofern keine entscheidende Rolle, weil diese regelmäßig dann endet, wenn sich der Täter nadi einem von i h m verursachten Unfall z u r Flucht entschließt. Nach dem Unfall beginnt eine von einem neuen Willensentschluß getragene selbständige Handlung 4 1 5 ). Wurde z. B. der Unfall durch tateinheitlich zusammentreffende Vergehen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 N r . la, Abs. 3 u n d der fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen T ö tung (§§ 230, 222 StGB) verursacht und verschuldet u n d e n t f e r n t sich der Angeklagte vom U n f a l l o r t (nach Anhalten oder ohne Verminderung der Fahrt), so stellt sich die Weiterf a h r t als Vergehen der Verkehrsflucht (S 142), rechtlich zusammentreffend m i t einem (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Vergehen der T r u n k e n h e i t im Verkehr (§ 316 StGB) dar 418 ). Das Problem, ob eine minderschwere Tat, zwei andere untereinander selbständige Straftaten, von denen die eine m i t schwererer Strafe b e d r o h t ist als die mit beiden Taten ideell konkurrierende, zwischen allen Delikten tateinheitliches Zusammentreffen herbeiführen k a n n , stellt sich in diesem Zusammenhang ü b e r h a u p t nicht (vgl. aber R N r . 100 unten).
9g
2. Tateinheit Tateinheit ist anzunehmen zwischen Verkehrsflucht und den strafbaren Handlungen, die der D u r c h f ü h r u n g der Flucht dienen; so kann Verkehrsflucht tateinheitlich zusammen411
) BGH VRS 5, 530; 9, 353; 21, 118; 31, 109; Hamm VRS 18, 113; KG VRS 35, 347; Celle VRS 36, 352; Köln VRS 37, 36. 412 ) BGHSt. 21, 203 = BGH NJW 67, 942 = VRS 32, 364; Hamm VRS 35, 349; a. A. Martin in LM § 316 Nr. 16; Jagusdi Anm. 16 zu § 142, Cramer StVR § 315c StGB RNr. 104.
413
414
) Vgl. Hamm VRS 32, 32; 33, 29; KG VRS 35, 347; BayObLG bei Rüth in DAR 66, 260.
) Vgl. dazu LK/Mösl RNr. 12 zu § 73 StGB. ) BayObLG bei Rüth in DAR 68, 226. 416 ) BayObLG, Fußnote 415. 415
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§ 142 StGB
Rüth
treffen: mit unterlassener Hilfeleistung nadi § 330c S t G B 4 1 7 ) ; mit Aussetzung nach § 221 S t G B 4 1 8 ) ; mit räuberischem Diebstahl nach § 252 S t G B 4 1 ' ) ; mit Widerstand gegen Polizeibeamten ( § 1 1 3 StGB), die den Täter festhalten wollen 4 2 0 ); mit Nötigung nach § 240 S t G B oder mit bei Durchführung der Flucht begangener vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 S t G B 4 2 1 ) ; mit (versuchtem) Mord, Totschlag (§§ 211, 212 StGB), wenn der Verletzte liegen gelassen wurde und hierdurch mangels unverzüglicher Hilfeleistung stirbt 4 2 2 ); mit unbefugter Fahrzeugbenutzung nadi § 248b S t G B ; mit Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG), sowie mit den erst auf der Flucht begangenen Verkehrsverstößen, so z. B. mit Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder mit einer auf der Fluchtfahrt begangenen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB), sowie mit fahrlässiger Verkehrsgefährdung durch Hindernisbereiten (§ 315b StGB), um die Durchführung der Flucht zu sichern, oder wenn Täter das durch den Unfall entstandene Hindernis vorsätzlich unbeseitigt zurückläßt und hinsichtlich der dadurch für fremdes Leben oder Gut geschaffenen Gefahr fahrlässig handelt 4 2 3 ). Ist das gesamte Verhalten des Täters von Anfang an von dem Gedanken beherrscht, unter allen Umständen eine Blutentnahme zu verhindern, so liegt Tateinheit zwischen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, evtl. hierbei begangener gefährlicher Körperverletzung und Verkehrsflucht vor 4 2 4 ). Begeht ein Täter im Zustand der Volltrunkenheit mehrere mit Strafe bedrohte Handlungen, die er z. T . unter dem Gesichtspunkt des § 330a S t G B , im übrigen deshalb zu verantworten hat, weil er den Geschehensablauf in verantwortlidiem Zustand in Gang gesetzt hat (sog. actio libera in causa), so stehen diese Handlungen zueinander in Tateinheit 4 2 5 ). H a t der Täter z. B. eine Trunkenheitsfahrt mit Unfall im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen und wird er deshalb nach den Grundsätzen der actio libera in causa nadi § 315c Abs. 1 N r . l a (Abs. 3) S t G B für schuldig befunden und begeht er anschließend Verkehrsfludit, die als Rauschtat (§ 330a StGB) zu werten ist, so ist die auf einem neuen Vorsatz beruhende Rauschfahrt materiellreditlidi eine Tat (nur Vergehen nadi § 330a), die jedoch mit der Tat, deren Geschehensablauf in verantwortlichem Zustand in Gang gesetzt wurde (§ 315c Abs. 1 N r . l a StGB) in Tateinheit steht 4 2 *). Die auf der Flucht begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten werden nach § 17 O W i G nicht verfolgt. 100
Denkbar ist, daß eine Dauerstraftat die zum Unfall führenden sdiuldhaften Handlungen und die anschließende Unfallfludit zu einer einheitlichen Tat verbindet, wenn sie sowohl hinsichtlich der Unfalltat wie auch hinsichtlich der Verkehrsflucht die schwerere Strafe androht 4 2 7 ), soweit der Unfall nicht als Zäsur anzusehen ist, der die Einheitlichkeit des Dauerdelikts aufhebt 4 2 8 ). Tateinheit herstellen zwisdien fahrlässiger Körperverletzung und Verkehrsflucht kann z. B. ein Vergehen nach § 248b StGB 4 2 9 ).
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Tateinheit zwischen mehreren Vergehen der Verkehrsflucht liegt dann vor, wenn der Täter bei der Weiterfahrt nach dem Unfall einen weiteren Unfall verursacht und die Fahrt abermals fortsetzt 4 3 0 ). Die Annahme eines fortgesetzten Vergehens ist mangels Vorliegens von Gesamtvorsatz i. d. R . zu verneinen. Ist beim zweiten Unfall jedoch die Verkehrsflucht nach dem ersten Unfall schon beendet, ist zwischen beiden Taten Tatmehrheit anzunehmen 4 3 1 ). H a t sich der Täter vom Unfallort mit Fluchtvorsatz entfernt, kehrt er wieder ) BGH GA 56, 120; DAR 63, 75 = VRS 25, 42; VRS 32, 437; a. A. Sdiönke-Sdiröder § 142 RNr. 57. 4 1 8 ) So auch Sdiönke-Sdiröder § 221 RNr. 14. «») BGH VRS 21, 113. 42 °) BGH VRS 13, 136. 4 2 1 ) BGH VRS 13, 136. 4 2 2 ) BGHSt. 7, 288; BayObLG NJW 57, 1485; Cramer StVR § 142 RNr. 76; a. A. Sdiönke-Sdiröder § 142 RNr. 57. 4 2 3 ) Hamm VRS 25, 193. 417
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) ) 42 «) 4") 428) 42>)
BGH VRS 39, 184. Hamm VRS 40, 191. BGHSt. 17, 333 = VRS 23, 212. Vgl. LK/Mösl RNr. 12 zu § 73 StGB. Vgl. BGHSt. 21, 203. Ebenso Sdiönke-Sdiröder RNr. 60; Cramer RNr. 78 je zu § 142 StGB. «0) BGH VRS 4, 122; 9, 353. 4 3 1 ) BGH VRS 25, 36; 29, 185; Celle VRS 33, 113.
424 425
StGB § 142
Verkehrsfludit
zurück und entfernt sich abermals, so ist dies nur eine Unfallflucht 4 8 2 ) und kein fortgesetztes Vergehen der Verkehrsfludit. I X . Verfahrensrechtliche Fragen Zwischen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 N r . l a , Abs. 3 S t G B und nachfolgender Verkehrsfludit besteht Tatidentität i. S. des § 264 StPO 4 3 3 ). Es k o m m t nidit darauf an, ob der Täter nach dem Unfall kurz angehalten oder die Fahrt nicht unterbrochen hat 4 ' 4 ). Keine Tatidentität liegt vor, zwischen Straßenverkehrgefährdung und Verkehrsfludit einerseits und den nadi Beendigung der Verkehrsflucht auf der weiteren Trunkenheitsfahrt begangenen Straftaten (z. B . einer erneuten Straßenverkehrsgefährdung) 4 * 5 ). Bestritten war, ob der Angeklagte, der wegen eines schuldhaft verursachten Verkehrsunfalles und eines damit sachlich zusammentreffenden Vergehens der Verkehrsfludit verurteilt wurde, sein Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen Verkehrsfludit beschränken könne. Hamm 4 3 6 ) hielt die Beschränkung grundsätzlich für unzulässig; Köln 4 ® 7 ) hingegen war, wie das B a y O b L G 4 " ) , der Ansicht, die Beschränkung sei zulässig wenn sich die Beurteilung des Sadiherganges der Verkehrsfludit von dem vorausgegangenen Unfall trennen lasse und einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zugänglich sei. Schließlich entschied der B G H 4 3 9 ) auf Vorlegungsbesdiluß des B a y O b L G , die Einheitlichkeit des Geschehens im Sinne des § 264 StPO, die sich auf die schuldhafte Herbeiführung eines Unfalls und die sich anschließende, nach § 74 S t G B sachlich und rechtlich selbständige Verkehrsflucht erstreckt, stehe für sich allein der Zulässigkeit einer Beschränkung des Rechtsmittels auf die Verurteilung wegen Verkehrsflucht nidit entgegen. Wurde der Angeklagte wegen eines durdi Trunkenheit bedingten Verkehrsunfalls (§ 315c Abs. 1 N r . l a , ev. Abs. 3 N r . 1 oder 2 StGB) und eines damit sachlich zusammentreffenden, ebenfalls im Zustand rauschbedingter Fahruntüditigkeit begangenen Vergehens der Verkehrsfludit (rechtlich zusammentreffende Vergehen nadi § 142 und § 316 StGB) verurteilt, so ist eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Verkehrsfludit unzulässig, weil die mit der Verkehrsfludit rechtlich zusammentreffende Trunkenheitsfahrt mit der den Unfall verursachenden Rauschfahrt rechtlich nur einheitlich beurteilt werden kann 4 4 0 ). B e schränkung des Rechtsmittels auf Verkehrsfludit und Trunkenheit ist dann zulässig, wenn der Angeklagte erst durch Nachtrunk fahruntüditig geworden ist 4 4 1 ). Eine wahlweise Feststellung von Alleintäterschaft, Mittäterschaft oder Nebentätersdiaft ist zulässig. Das Gericht hat den Angeklagten, wenn es ihn nicht entsprechend der Anklage und dem Eröffnungsbeschluß als Alleintäter verurteilen, sondern die erwähnte Wahlfeststellung treffen will, gemäß § 265 StPO auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen. Auf dem Unterbleiben dieses Hinweises kann das Urteil unter Umständen auch dann beruhen, wenn der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen auch als Mittäter oder Nebentäter alle Tatbestandsmerkmale der ihm zur Last gelegten T a t in eigener Person verwirklicht hat 4 4 2 ). Eine wahlweise Feststellung, der T ä t e r habe sidi entweder eines Vergehens der Verkehrsflucht oder eines Vergehens der Volltrunkenheit (§ 330a StGB) schuldig gemacht, ist unzulässig 443 ). « 2 ) BGH bei Martin DAR 60, 67. 4 3 3 ) BGHSt. 23, 141 = VRS 38, 120 = DAR 70, 74; so sdion Celle DAR 66, 137, VRS 36, 352. 4 3 4 ) BGHSt. 23, 270; a. A. BayObLG VRS 38, 271, das in seinem Vorlegungsbesdiluß Tatidentität verneinte, wenn der Täter nach dem Unfall, sei es auch nur kurz, angehalten hat. ««) BGH, Fußnote 434.
») Hamm VRS 40, 19; 41, 155; NJW 71, 771 m. Anm. Lemmel NJW 71, 1225. «7) Köln VRS 40, 110. 4 3 8 ) BayObLG VRS 40, 428. 43 ») BGHSt. 24, 185 = DAR 71, 271 = N J W 71, 1948 = VRS 41, 255 = J R 72, 203 m. Anm. Meyer; Karlsruhe VRS 40, 207. 44 °) BayObLGSt. 71, 45 = VRS 41, 26. 4 « ) BayObLG DAR 72, 216. 4 4 2 ) Düsseldorf DAR 70, 190. 4 4 3 ) BayObLGSt. 68, 28. 43
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§ 315b
StGB
Rüth
X . Zivilrechtliche Fragen § 142 dient dem privaten Feststellungsinteresse. Man wird deshalb die Bestimmung als Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB betrachten müssen und dem Geschädigten einen Ersatzanspruch gegen den Unfallflüchtigen insoweit zuzubilligen haben, als ihm Kosten zu dessen Ermittlung entstanden sind. Der Geschädigte braucht die Ermittlungen der Polizei nicht abzuwarten, weil er seinen privaten Anspruch gegen den Schädiger auch ohne bei der Polizei Anzeige gegen diesen zu erstatten, verfolgen kann. Nur bei völliger Überflüssigkeit der Nachforschungen, z. B. weil ein Anruf bei der zuständigen Polizeibehörde genügt hätte, Name und Anschrift des Schädigers zu erfahren, wird ein Ersatzanspruch bezüglich der durch die Ermittlungen entstandenen Unkosten aus dem Gesichtspunkt der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht zu verneinen sein. Nach gegenwärtiger Rechtslage gelten hinsichtlich der Schadensregulierung zwischen Geschädigten und dem geflüchteten, später aber ermittelten Schädiger keine Besonderheiten. Der Vorschlag von Jagusch 444 ), alle ungeklärten Fragen zu Lasten zu Flüchtigen zu werten, erscheint in dieser Allgemeinheit bedenklich. Wieweit nadi dem Grundsatz des Beweises des ersten Anscheins dem Unfallflüchtigen die Beweislast zufällt, kann nur nach den U m ständen des Einzelfalles beurteilt werden. Kann das Fahrzeug, dessen Führer den Schaden verursacht hat, nicht ermittelt werden, steht es dem Geschädigten frei, seinen Anspruch nach § 12 PflVG bei dem Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen geltend zu machen. Die Stellung des Entschädigungsfonds wurde durch V O v. 14. 12. 65 4 4 5 ) der Verkehrsopferhilfe e. V., 2 Hamburg 1, Glockengießerwall 1 übertragen. Jedem unfallbeteiligten Kraftfahrzeugführer obliegt nach § 7 AKB gegenüber dem Versicherer die Pflicht, an der Unfallstelle die Aufklärung über den Hergang des Unfalls zu ermöglichen. Die Nichterfüllung dieser Pflicht ist eine Obliegenheitsverletzung, die nach § 7 Nr. V AKB Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer (nicht gegenüber den geschädigten Dritten) dann zur Folge hat, wenn das Verlassen des Unfallortes geeignet war, das Aufklärungsinteresse des Versicherers zu beeinträchtigen 44 *). — Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Müller/Rüth StVR, 22. Aufl., Bd. 2 § 7 AKB R N r . 7—11, 18.
§ 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (1) W e r die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder F a h r z e u g e zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet oder 3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib oder L e b e n eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem W e r t gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der T ä t e r unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die S t r a f e Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu zehn J a h r e n , in minder schweren F ä l l e n Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf J a h r e n . (4) W e r in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. " 4 ) Jagusch StVR 19. Aufl., § 142 StGB Anm. 10. ) BGBl. 65 I 2093; BGBl. III 925-6; Müller/ Rüth StVR 22. Aufl. Bd. 2 Seite 255.
44S
1062
" « ) Vgl. Frankfurt VersR. 71, 1006; Köln VersR. 72, 752.
StGB
Gefährl. Eingriffe i. d. S t r a ß e n v e r k e h r
§ 315b
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) § 315 Abs. 6 gilt entsprechend. Fassung § 315 b wurde durch das 2. StraßenverkehrssichG v o m 2 6 . 11. 1 9 6 4 (BGBl. I 9 2 1 ) eingefügt, in K r a f t seit 2. 1. 1 9 6 5 . E r gilt jetzt in der Fassung der Bekanntmachung des S t G B v o m 1. 9. 1 9 6 9 (BGBl. I 1445). § 3 1 5 b erfaßt im wesentlichen die Fälle des § 315 a Abs. 1 N r . l a a. F . und entspricht im Tatbestandsaufbau dem § 315 StGB. Die Bestimmung des § 315 b ist m i t dem Grundgesetz vereinbar ( B G H S t . 22, 3 6 5 = V R S 37, 363 = N J W 69, 1218 = M D R 69, 5 9 3 ; a. A . Isenbeck N J W 69, 174). Schrifttum Ambrock: Straßenverkehrsgefährdung durch Hindernisbereiten und Gemeingefahr, N J W 61, 1853. Härtung: Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, N J W 65, 86. > Kabel: Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, K u. v 65, 6. Isenbeck: Der ähnlidie Eingriff nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB, N J W 69, 174. Krumme: Straßenverkehrsgefährdung durdi Hindernisbereiten, K V R von A bis Z, bei „Verkehrsgefährdung, Hindernisbereiten', Erl. 1. Ladener: Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, J Z 65, 92, 120. Lienen: Das Zusammentreffen von Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Verkehrsdelikten, D A R 60, 223. Lütges: Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, Die Polizei 65, 1. Nüse: Zu den neuen Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs, J R 65, 41. Solbad), Kugler: Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr durch Hindernisbereiten und ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriffe gemäß § 315 b StGB, J R 70, 121. Warda: Das Zweite Gesetz zur Sidierung des Straßenverkehrs, M D R 65, 5. Weigelt: Täterkreis des § 315 a StGB (a. F.), D A R 61, 334. Übersicht I. Gesdiütztes Reditsgut — öffentlicher Straßenverkehr — II. Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs
RNr. 1 4
I I I . Herbeiführung einer konkreten Gefahr 1. Gefahr für Leib oder Leben eines anderen 2. Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert a) fremde Sadie b) Sadie von bedeutendem Wert IV. Die tatbestandsmäßigen Handlungen 1. Verhältnis des § 315 b zu § 315 c 2. Zerstören, Beschädigen, Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen a) Anlagen b) Fahrzeuge c) Zerstören, Beschädigen, Beseitigen
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V. VI.
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VII. VIII.
aa) Beschädigen bb) Zerstören cc) Beseitigen 3. Hindernisbereiten 4. Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff 5. Unterlassen Vollendung und Versuch Subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz 2. Absicht 3. Vorsatz-FahrlässigkeitKombination 4. Fahrlässigkeit Rücktritt und tätige Reue Konkurrenz 1. Rechtlicher Zusammenhang 2. Sachlicher Zusammenhang 3. Gesetzeskonkurrenz
RNr. 18-20 21 22 23-26 27-30 31 32 33 34, 35 36 37, 38 39 40 41,42 43 44
I. Schutzobjekt — öffentlicher Straßenverkehr Gesdiütztes R e d i t s g u t ist die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (Fahrzeuge, Fußgänger, R e i t e r ) auf d e m jedermann dauernd oder vorübergehend zugänglichen V e r kehrsraum. ö f f e n t l i c h e r V e r k e h r s r a u m sind audi die Fußgängerwege, die ausschließlich für die Benutzung v o n Fußgängern angelegt sind 1 ). 1) BGHSt. 22, 365 = V R S 37, 363 = 69, 1218 = M D R 69, 593.
NJW
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Auf welche Weise eine Fläche für den öffentlichen Straßenverkehr bestimmt wird, sagt weder die S t V O noch S t V Z O noch das StVG, noch das S t G B . Handelt es sich um einen Verkehrsraum, der durch öffentlidirechtliche Widmung nach dem Wegerecht für den Straßenverkehr bestimmt ist (z. B. Bundes-, Land-, Gemeinstraßen), ergibt sich keine Schwierigkeit. Hinsichtlich der anderen Flächen ist jeweils festzustellen, ob auf ihnen tatsächlich öffentlicher Straßenverkehr stattfindet, sie also dem öffentlichen Straßenverkehr eröffnet sind. Auf die Eigentumsverhältnisse k o m m t es nicht an. D e r Begriff der Öffentlichkeit läßt sich verkehrsrechtlich konkret nur negativ abgrenzen. Ist die Benutzung eines Weges, Platzes, einer Straße nur einem bestimmten, von vorneherein schon beschränkten und bekannten Personenkreis vorbehalten, schließt dies die Öffentlichkeit aus. Die Zahlung eines E n t geltes (Gebühr, Maut) nimmt einem Weg, einer Brücke jedoch nicht das Merkmal der Ö f fentlichkeit; dies gilt auch für Parkplätze und Parkhäuser, deren Benutzung jedermann gegen Zahlung der Parkgebühr freisteht 2 ), öffentlicher Verkehrsraum ist auch der Parkplatz einer Gastwirtschaft, der nur den von vorneherein nicht bestimmbaren Kreis der Gäste zur Verfügung steht, es sei denn, er ist nur den Übernachtungsgästen vorbehalten 3 ). Audi T a n k stellengelände 4 ) und Bankette öffentlicher Straßen sind ebenso öffentlicher Verkehrsgrund 5 ), wie die nur Fußgängern vorbehaltenen Wege 6 ), nicht jedoch der Straßengraben 7 ). Gestattet ein Geschäftsinhaber (oder Tankstellenbesitzer) für die Dauer der Öffnung seines Geschäftes die Benutzung einer bestimmten Verkehrsfläche für jedermann, so ist diese insoweit öffentlicher Verkehrsgrund. Bekundet er aber eindeutig z. B. durch Absperrung des Geländes mittels Ketten oder in ähnlicher Weise, daß er für die Zeit der Betriebsruhe oder der Schließung des Betriebes die Benutzung der Verkehrsfläche nicht dulden will, scheidet sie für diese Zeit als öffentlicher Verkehrsraum aus 8 ). Straßen, die für Anliegerverkehr frei sind, sind öffentlicher Verkehrsraum, weil der Kreis der Benützer dieser Straße nicht von vorneherein begrenzt werden kann 9 ); gleiches gilt für Ladestraßen eines Güterbahnhofs 1 0 ), oder eines Flughafens 1 1 ), sowie für Forstwege. Grundsätzlich nicht öffentlich ist das Gelände einer Kaserne oder eines Fliegerhorsts, wenn dessen Betreten nur gegen Aushändigung eines Tagespassierscheines gestattet ist 1 2 ); Zufahrtsstraßen zum Ubungsgelände der Bundeswehr gehören hingegen grundsätzlich zum öffentlichen Verkehrsraum 1 8 ). Ein privater Parkplatz, der nur den Hauseinwohnern, Vereinsmitgliedern, den Angehörigen einer bestimmten Firma, bestimmten Behördenangehörigen zur Verfügung steht, ist kein öffentlicher Verkehrsgrund, ebensowenig der Hofraum, den nur die Anwohner oder Angestellten eines benadibarten Geschäfts (Firma) benutzen dürfen 1 4 ). II. Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs ist gegeben, wenn durch die in Abs. 1 N r . 1 bis 3 aufgezählten Handlungen für andere Verkehrsteilnehmer eine gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr möglich ist. Die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist ebenso vollwertiges Tatbestandsmerkmal 1 5 ), wie die Beeinträchtigung der Sicherheit der in § 315 genannten Verkehrsbetriebe, weil das 2. StrVerkSidiG bei der Neu) Bremen, NJW 67, 990; Düsseldorf VRS 39, 204; Bullert DAR 63, 325; Stuttgart VRS 30, 210; a. A. Müller-Forwerk MDR 63, 721. 3) BGHSt. 16, 7 = NJW 61, 1124 = VRS 20, 45. 4 ) BayObLGSt. 62, 249 VRS 24, 69 = J R 63, 192 m. Anm. Martin; Hamm VRS 30, 452 5 ) BGH VRS 14, 58; Oldenburg VRS 13, 368; Celle DAR 58, 278. •) Sdileswig VerkMitt. 71, 66 Nr. 80. Hamm VRS 39, 270; VerkMitt. 71, 60 Nr. 72. 2
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) Hamburg VRS 37, 278. ») BGH VerkMitt. 57, 14; Hamm VerkMitt. 59, 24. M) Köln VRS 16, 55; Hamm VRS 16, 306; Saarbrücken DAR 62, 188; Celle DAR 65, 8
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" ) BGH VerkMitt. 63, 44. ) Celle NJW 58, 1739 = DAR 59, 22; BayObLGSt. 62, 266 = VRS 24, 304. 1 3 ) Oldenburg VRS 33, 90. » ) Brausdiweig VRS 27, 458. 1 5 ) So audi Cramer StVR S 315b RNr. 8; a. A. KG DAR 59, 269; Koblenz NJW 57, 232. 12
StGB § 315b
Gefährl. Eingriffe i. d. Straßenverkehr
fassung der §§ 315 bis 316 die Sicherheitsbeeinträchtigung in § 315 und § 315 b ausdrücklich aufgeführt, in den §§ 315 a und 315 c aber gestrichen hat. Für die Erfüllung des T a t bestandsmerkmals der Sicherheitsbeeinträchtigung genügt es, daß die Einwirkung generell geeignet ist, den etwa stattfindenden öffentlichen Straßenverkehr zu gefährden. Verhaltensweisen, die im konkreten Fall so harmlos sind, daß sie zu keiner Beeinträchtigung des Verkehrs führen können scheiden aus 16 ). D e r Nachweis der tatsächlichen Beeinträchtigung ist insoweit nicht erforderlich 1 7 ). Man wird bei § 315 b von einem dreistufigen Tatbestandsaufbau 1 8 ) sprechen müssen: 1. Handlung nach Abs. 1 N r . 1 bis 3, die sich 2. auf den öffentlichen Straßenverkehr bezieht und dessen gefahrlose Abwicklung allgemein beeinträchtigen kann, und 3. eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem W e r t herbeiführt. Rechtsprechung und Schrifttum, die zu dem Begriff der „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" nach § 315 a S t G B a. F. Stellung genommen haben 1 9 ), müssen als teilweise überholt angesehen werden 2 0 ), weil § 315 b n. F. nur die Tatbestandsmerkmale des ; 315 a Abs. 1 N r . 1 a. F. übernommen hat, die übrigen früher in § 315 a a. F. aufgezählten Begehungsformen nunmehr in dem neugefaßten § 315 c enthalten sind, der die Sidierheitsbeeinträchtigung nicht mehr einleitend aufführt, sondern mit den Worten beginnt: „Wer im Straßenverkehr". Mäße man jedoch dem Begriff „im Straßenverkehr" des § 315 c die gleiche Bedeutung bei wie der „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" des § 315 b, so hätte das 2. StrVerkSichG zwar eine sprachliche, nicht jedoch eine sachliche Änderung gebracht, was der Gesetzgeber aber ersichtlich nicht beabsichtigte, sonst hätte er die W o r t e : „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" in allen Bestimmungen gestrichen.
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III. Herbeiführung einer konkreten Gefahr Gemeinsames Tatbestandsmerkmal ist in § 315 b Abs. 1 wie in § 315 c die Herbeiführung einer konkreten Gefahr entweder für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Es genügt jede Individualgefahr einer Person oder einer Sache von bedeutendem Wert. Der Eintritt einer „Gemeingefahr" ist seit der Neufassung durch das 2. StraßenVerkSichG nicht mehr erforderlich. Gefahr ist ein Zustand, bei dem der Eintritt einer Verletzung oder eines Schadens wahrscheinlicher ist, als deren Ausbleiben 8 1 ). Es wäre verfehlt, aus dieser Definition schließen zu wollen, die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts tendiere nach einer prozentualen Abwägung, die nicht durchführbar ist. Vielmehr kann von einer Gefahr nur dann gesprochen werden, wenn die tatsächlich festgestellten Umstände die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses begründen 2 2 ). Eine konkrete Gefahr kann nur dann angenommen werden, wenn ein bestimmtes O b j e k t (Person oder Sache) in einer Weise in den Gefahrenbereich gelangt ist, daß seine Sicherheit unmittelbar beeinträchtigt ist, es nur vom Zufall abhängt, ob es verletzt wird oder nicht 2 8 ). Die Rechtsprechung orientiert sich zu Recht bei der Auslegung des Begriffs der k o n kreten Gefahr am Erfolg der gefahrträchtigen Handlung. D e r Begriff wird dadurch zwar dogmatisch und theoretisch nicht voll erfaßt, ist aber wohl das in der Praxis einzig verwertbare Kriterium 2 4 ). w) >') 18 ) ")
So auch Cramer StVR § 315b RNr. 8. So auch Scfaönke-Schröder $ 315b RNr. 4. So Dreher § 315b Anm. 3. Vgl. KG DAR 59, 269; Koblenz NJW 57, 232; Schleswig SchlHA 55, 204; vgl. auch Blei NJW 57, 620; Schmidt-Leichner NJW 55, 1298. 2 0 ) Ähnlich auch Ladtner-Maassen § 315b Anm. 3.
) Vgl. BGHSt. 8, 28; 13, 70; BGH VRS 11, 63; 13, 205; 16, 131, 452; BGH NJW 68, 1244. 2 2 ) BGHSt. 18, 272. M ) Ähnlich auch Cramer StVR § 315c StGB RNr. 52; Schwander SchwZStr. 66, 450. 2 4 ) A. A. Cramer StVR § 315c StGB RNr. 49. 21
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Da § 315 b ein konkretes Gefährdungsdelikt ist, muß der Eintritt der Gefahr in jedem Fall bewiesen werden 25 ). Die Gefahr muß im Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang und zwar durch die in § 315 b Abs. 1 verbotenen Handlungen herbeigeführt werden 26 ). 1. Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen 7
Anderer ist jeder, der nicht Täter oder Tatbeteiligter ist. Der Gefährdete braucht nicht Verkehrsteilnehmer zu sein. Gefährdet werden können auch Mitfahrer, insbesondere auch Verwandte, Bekannte, Freunde des Fahrzeugführers 2 7 ). Gefährdet kann auch der Polizeibeamte werden, der ein Kraftfahrzeug anhalten will 28 ). Keine Gefahr für Leib oder Leben wird herbeigeführt, wenn nur ganz unerhebliche Verletzungen oder Schädigungen als wahrscheinlich zu erwarten sind. So genügt es z. B. nicht für die Annahme einer konkreten Gefahr, daß durch die Notbremsung einer Straßenbahn die Fahrgäste „heftig durcheinander gerüttelt" wurden 2 9 ); denn die Notbremsung ist grundsätzlich nur eine Behinderung, auch wenn sie erforderlich war, um einen Unfall, also den Eintritt eines Schadens zu verhindern. Sie reicht nur dann für die Annahme einer konkreten Gefahr aus, falls der Eintritt eines Unfalls nahelag, das Fahrzeug z. B. während des Bremsvorganges ins Schleudern oder auf das Bankett geriet oder erst knapp vor dem Hindernis zum Stehen kam. Es kommt nicht darauf an, ob ein besserer Fahrzeugführer die Verkehrslage ohne Gefährdung hätte meistern können. Der Eintritt einer konkreten Gefahr genügt; es braucht keine Person verletzt zu sein. Wird eine Person nur geringfügig verletzt, schließt dies die Annahme des § 315 b deshalb nicht von vorneherein aus, es sei denn, es war von Anfang an nur mit ihr zu rechnen, der Eintritt einer größeren Verletzung zumindest unwahrscheinlich. Droht der Eintritt einer Verletzung, die als Körperverletzung i. S. des § 223 StGB anzusehen ist, muß eine Gefährdung in jedem Fall angenommen werden. 2. Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert a) Fremde Sachen
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Fremd ist eine Sache für den Täter oder Beteiligten, die nicht in seinem Alleineigentum steht. Maßgeblich sind grundsätzlich die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse 3 0 ); diese können jedoch bei der Beurteilung, ob eine Sache für den Täter im Sinne der §§ 315 bis 315c StGB fremd ist, nicht das alleinige Kriterium sein. Vielmehr entscheidet das wirtschaftliche Eigentum. So ist für einen Täter eine Sache nicht fremd, die im Eigentum einer G m b H steht, dessen Anteile ihm allein gehören 31 ). Auch eine vom Täter unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache oder zur Sicherung einem Dritten übereignete Sache, ist nicht aus dem wirtschaftlichen Eigentumsbereich des Täters ausgeschieden und für ihn deshalb nicht fremd. Die Gefährdung des vom Täter benutzten, ihm nicht gehörenden Fahrzeugs genügt nicht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Sachgefährdung, wenn es Mittel der Gefährdung (Tatwerkzeug) ist 32 ). Will der Täter jedoch nur das von ihm geführte, nicht in seinem Eigentum stehende Fahrzeug gefährden, insbesondere beschädigen oder zerstören, so ist eine konkrete Sachgefährdung i. S. des § 315 b dann zu bejahen, wenn durch diese Handlung ) Stuttgart NJW 52, 114; BayObLG NJW 54, 1090, 1258; Hamm NJW 54, 85; Düsseldorf NJW 56, 1044; Köln MDR 56, 693. 26 ) Vgl. BGHSt. 5, 297. » ) Vgl. BGHSt. 6, 232; VRS 7, 117; 13, 474; NJW 54, 1255; 57, 1888; DAR 58, 19; BayObLG JR 54, 469 mit zust. Anm. Härtung NJW 54, 1258; KG VRS 14, 288. 2«) BGH VRS 34, 120; 37, 430; NJW 68, 456; vgl. audi Nüse JR 65, 41; Lackner JZ 65, 124. 2S ) Zweibrücken VRS 32, 376. 25
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) So audi Schönke-Schröder Vorbem. vor § 306 StGB, RNr. 15. 31 ) KG VRS 13, 43. 32) BGHSt. 11, 148; VRS 42, 97; Schleswig NJW 65, 1727; Stuttgart NJW 66, 2280 m. Anm. Möhl in JR 67, 107; Celle NJW 67, 1767; 70, 1091; Braunschweig VRS 32, 443; Hamm NJW 67, 943; Cramer NJW 64, 1836; Lackner JZ 65, 124; a. A. Härtung NJW 66, 15; 67, 909; vgl. auch Warda MDR 65, 5; Nüse JR 65, 41; Cramer StVR § 315c RNr. 58; Schönke-Sdiröder § 306 RNr. 9.
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zugleich die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs beeinträchtigt wird, andernfalls kommt grundsätzlich nur eine Sachbeschädigung in Frage. b) Bedeutender Wert Ob eine Sache von bedeutendem Wert ist, ist nach ihrem wirtschaftlichen, nämlich dem finanziellen Wert zu beurteilen. Unerheblich ist ihre Funktion für den einzelnen oder die Allgemeinheit 33 ). Grundsätzlich ist somit der Verkehrswert einer Sache entscheidend; ihr evtl. Liebhaberwert ist ohne Bedeutung. Auch die Reparaturkosten müssen außer Betracht bleiben 34 ). Werden mehrere Sachen gefährdet, so ist ihr Wert zusammenzurechnen 35 ).
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Ein bedeutender Wert wurde von der Rechtsprechung in folgenden Einzelfällen verneint: Leuchtsäule, 450 bis 589 D M ; Leuditpoller, 590 D M ; beschädigte Laterne, 450 D M oder 225 D M ; beschädigter Lichtmast, 424 D M ; beschädigtes Verkehrszeichen, 60 DM 3 5 *). Ein altes, schrottreifes Kraftfahrzeug ist kein bedeutender Sachwert mehr 3 *). Sind Zweifel vorhanden, ob das Fahrzeug einen bedeutenden Wert darstellt, sind Alter, Marke und Beschaffenheit des Fahrzeugs in den Urteilsgründen anzugeben 37 ). In den meisten Fällen jedoch, wird sich ein ausführliches Eingehen darauf in den Urteilsgründen erübrigen 38 ). Ein Leichnam steht i. d. R . nicht in fremdem Eigentum, ist auch keine Sache von Bedeutendem Wert").
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Bejaht wurde ein bedeutender Sachwert für Tanksäule mit Lichtmast 40 ). Droht objektiv bedeutenden Sachwerten nur unbedeutende (geringe) Gefahr, reicht dies nicht aus 41 ). Bei eingetretenem Sachschaden kann die Gefahr für die Sache durchaus größer, jedoch nicht geringer gewesen sein 42 ). Steht fest, daß im Einzelfall jeder nur denkbare Schaden eingetreten ist, kann er als Maßstab des Gefahrenumfanges angesehen werden 43 ). Diese dem Sinn des Gesetzes, nicht jedoch dem Wortlaut zu entnehmende Auslegung ist zu billigen. Sie darf jedoch nicht zu Fehlschlüssen führen. Abgrenzungssdrwierigkeiten werden in Einzelfällen nicht vermieden werden können. Ist die Höhe des eingetretenen Schadens in irgendeiner Weise vom Zufall bedingt, sei es, daß es sich z. B. um ein besonders stabiles Fahrzeug handelt oder weil der Fahrzeugführer das von ihm geführte Fahrzeug in eine Stellung zu bringen vermochte, in der es vor größerem Schaden bewahrt blieb, greift das Kriterium der Schadenshöhe für den Umfang der Gefahr nicht durch. So wird man besonders bei Unfällen im fließenden Verkehr von der Schadenshöhe auf die eingetretene Gefahr nicht schließen können. Anders z. B., wenn ein Fahrzeug aus einer Parklücke herausrangiert wird und der Fahrzeugführer Kratzer an der Stoßstange des hinter ihm geparkten Fahrzeugs hierbei billigend in Kauf nimmt.
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IV. Die tatbestandsmlßigen Handlungen 1. Das Verhältnis des § 315 b zu § 315 c Das Verhältnis des § 315 b zu § 315 c ist im Schrifttum bestritten und bietet in der Rechtsprechung manche Abgrenzungsschwierigkeiten. Der Streit resultiert aus der Recht» ) So schon K G V R S 13, 43; 14, 123; Bremen N J W 62, 1408; Celle V R S 15, 358; 17, 350; 19, 45; Hamm V R S 18, 438; 27, 26; Saarbrücken V R S 24, 282; Hamburg VerkMitt. 60, 81 Nr. 123; u. nach dem Redhtsstand des 2. Str.VerkSichG 1964: B a y O b L G D A R 69, 216. 3 4 ) Vgl. K G V R S 14, 123; Hamm D A R 64, 25. 3 5 ) Karlsruhe N J W 61, 133; Schröder G A 64, 230. 3 6 ») Hamm V R S 24, 26; 32, 451; 34, 445; 36, 421; D A R 64, 25; N J W 67, 1332; K G V R S 14, 123; Celle V R S 15, 358; Düsseldorf VerkMitt. 62, 88; Hamburg VerkMitt. 60, 81; Saarbrücken V R S 24, 282.
) Hamm V R S 18, 437; Karlsruhe D A R 62, 302; Bremen V R S 23, 9 7 ; a. A. noch K G V R S 12, 359. " ) So auch K G V R S 13, 4 1 4 ; Celle V R S 13, 139; Hamm V R S 13, 142. M ) A. A. Jagusch § 315b S t G B Anm. 2b, 2 Abs. am Ende, der im Hinblick auf die Rechtsprechung meint, Angaben über das Fahrzeug seien in jedem Fall unentbehrlich. 3 ») Celle N J W 60, 2017. 4 ») Hamm V R S 30, 452. Fußnoten 41)—43) siehe S. 1068. 38
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sprechung zu § 315 a a. F., der in Abs. 1 N r . 4 nur einige der besonders gefährlichen Verkehrsverstöße aufgezählt hatte, und deshalb in der Praxis die Neigung aufkommen ließ, den Begriff des „Hindernisbereitens" oder des „ähnlidien Eingriffs" i. S. des § 315 a Abs. 1 N r . 1 S t G B a. F. extensiv auszulegen. Das 2. StrVerkSichG (1964) hat die §§ 315 bis 316 neu gefaßt. D e r Katalog der besonders gefährlichen Verkehrsverstöße wurde in § 315 c Abs. 1 N r . 2 Buchst, a bis g erheblich erweitert. Damit ist abschließend klargestellt, welche Vorgänge des fließenden Verkehrs als Vergehen in Betracht kommen, wenn der Verstoß grob verkehrswidrig ist und der Täter rücksichtslos handelt. Gerade die beiden letztgenannten Tatbestandsmerkmale „grob verkehrswidrig" und „rücksichtslos" verbieten es, vom Gesetzgeber ersichtlich als weniger gefährlich gehaltenes verkehrswidriges Verhalten im fließenden Verkehr nach § 315 b, der diese objektive und subjektive Einschränkung nicht kennt, zu bestrafen. Nicht in § 315 c Abs. 1 N r . 2 aufgezählte Verkehrsverstöße können deshalb grundsätzlich nicht über § 315 b Abs. 1 N r . 2 oder 3 erfaßt werden, da es nicht gerechtfertigt ist, vom Gesetzgeber als weniger gefährliche und deshalb nicht katalogisierte Verkehrsverstöße unter die hohe Strafdrohung des § 315 b fallen zu lassen. 13
Die Rechtsprechung hat aus diesem Grund die Begriffe „Hindernisbereiten" und „ähnlicher Eingriff" grundsätzlich auf verkehrsfremde Vorgänge beschränkt 4 4 ). Selbst eine schwere und gefährliche Behinderung des Verkehrs, die ein Fahrzeugführer durch falsches Fahrverhalten bewirkt, ist i. d. Regel kein Bereiten eines Hindernisses. Jedoch kann nach h. M. verkehrswidriges Verhalten Hindernisbereiten oder ein ebenso gefährlicher Eingriff nadi § 315 b Abs. 1 N r . 2 oder 3 dann sein, wenn der Verkehrsvorgang sich als verkehrsfremder Eingriff darstellt, sich nicht allein in einem verkehrswidrigen Verhalten erschöpft, sondern der Täter absichtlich sich des von ihm geführten Fahrzeugs als Mittel bedient, andere Personen oder fremde Sachen von bedeutendem W e r t vorsätzlich zu gefährden 4 5 ). Zum Hindernisbereiten im fließenden V e r k e h r : R N r . 23 unten. Solbach/Kugler 4 ') wenden sich gegen die vom B G H und von der ihm folgenden Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung. Sie sind der Meinung, § 315 c erfasse jedes sicherheitsgefährdende Verhalten im Straßenverkehr als Verkehrsteilnehmer, § 315 b jedoch nur Eingriffe in den Straßenverkehr, ohne daß der Täter Verkehrsteilnehmer ist. Für diese Auslegung gibt das Gesetz m. E. keine hinreichenden Ansatzpunkte. 2. Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen
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D e r Begriff deckt sich im wesentlichen mit dem des § 315 Abs. 1 N r . 1, ersetzt jedoch den Ausdruck „Beförderungsmittel" durch „Fahrzeuge", weil im Straßenverkehr nur Fahrzeuge als Beförderungsmittel verwendet werden. Die auf die Anlagen oder Fahrzeuge einwirkende schädigende Handlung muß das Mittel der Sicherheitsbeeinträchtigung des öffentlichen Straßenverkehrs sein, muß der Gefährdung also zeitlich und ursächlich vorangehen und darf nicht Unfallfolge sein 47 ). Wer z. B. infolge überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern gerät und dadurch ein anderes Fahrzeug oder eine Verkehrssignalanlage beschädigt, ist nicht nach § 315 b Abs. 1 N r . 1 zu belangen, weil der Schaden nicht das Mittel der Gefährdung, sondern die Folge des gefahrträchtigen verkehrswidrigen Verhaltens war. Anders jedoch, wenn jemand absichtlich ein Fahrzeug anfährt, um dadurch einen Unfall herbeizuführen (vgl. dazu § 315 b Abs. 3 und R N r . 13 oben). « ) Celle DAR 55, 94; 59, 191; Köln VRS 13, 288; KG VRS 13, 44; Schleswig DAR 61, 311; VRS 29, 266; Zweibrücken VRS 32, 277. 4 2 ) Saarbrücken DAR 60, 53; Karlsruhe DAR 62, 301; BayObLG bei Rüth DAR 68, 226. **) So auch Cramer StVR § 315c StGB RNr. 61. 4 4 ) So auch schon nach § 315a Abs. 1 Nr. 1 1068
StGB a. F. z. B.: BGH J R 60, 425; Stuttgart DAR 59, 77. ) BGHSt. 21, 301 = VRS 33, 334; NJW 69, 1444. 4«) J R 70, 121. 4 7 ) So schon BGHSt. 5, 292; 8, 219; KG VRS 11, 208; 12, 372 zu § 315a Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. 45
StGB § 315b
G e f ä h r l . E i n g r i f f e i. d. Straßenverkehr a) Anlagen
Anlagen sind V o r r i d i t u n g e n , die auf den Verkehr auf öffentlichen Straßen einzuwirken geeignet und b e s t i m m t sind. Dies sind v o r allem Verkehrszeichen, Verkehrssignalampeln, Sperrvorrichtungen, Leitplanken, Leitzeichen (§§ 40 bis 43 S t V O ) , aber auch die z u m Straßenkörper gehörenden Teile wie Brücken, U n t e r - u n d Ü b e r f ü h r u n g e n , Passagen; nicht aber die Straße selbst 4 8 ). Z u den durch § 315 b Abs. 1 N r . 1 geschützten Anlagen gehören auch die Signaleinrichtungen der Schienenbahnen (so v o r allem der Straßenbahn), soweit diese am Straßenverkehr teilnehmen (§ 315 d). b) Fahrzeuge Fahrzeuge sind alle am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmenden B e f ö r d e r u n g s m i t t e l zur B e f ö r d e r u n g v o n Personen o d e r G ü t e r n . Geschützt sind Fahrzeuge aller A r t ( K r a f t fahrzeuge, F u h r w e r k e , F a h r r ä d e r , am Straßenverkehr teilnehmende Straßenbahnen), ohne Rücksicht auf die Antriebsart (Vergaser- oder E l e k t r o m o t o r , durch Menschenkraft bedient, v o n Tieren gezogen 4 '). E s m u ß sich jedoch u m ein Straßenfahrzeug handeln oder als solches nach § 315 d rechtlich beurteilt werden, so daß diejenigen Fortbewegungsmittel, die nach der S t V O als Fahrzeuge ausscheiden (§ 24 S t V O ) auch nicht zu den durch § 315 b geschützten Fahrzeugen zählen. c) Zerstören, Beschädigen, Beseitigen D i e B e g r i f f e des Zerstörens, Beschädigens, Beseitigens i. S. des § 315 b decken sich im wesentlichen m i t denen des § 315 und denen der §§ 303, 304 S t G B . A n d e r s als in den v o r genannten B e s t i m m u n g e n sind E i n g r i f f e nach § 315 b jedoch n u r insoweit relevant, als sie zu einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit (vgl. R N r . 4, 5 oben) f ü h r e n . Eine solche Beeinträchtigung hat die Rechtsprechung z. B. bejaht, wenn durch einen Steinwurf die Heckscheibe eines fahrenden P k w eingeschlagen wird, weil hierdurch der F a h r z e u g f ü h r e r irritiert werden kann 5 0 ). In der Rechtsprechung werden die B e g r i f f e Zerstören u n d Beschädigen nicht i m m e r scharf v o n einander getrennt; das liegt w o h l darin, daß beide gleichwertige Tatbestandsm e r k m a l e sind. Eine teilweise Z e r s t ö r u n g wird meist w o h l eine Beschädigung der Sache sein 5 1 ). Andererseits k a n n aber auch eine teilweise Z e r s t ö r u n g der Sache (hier Anlage, Beförderungsmittel) eine Z e r s t ö r u n g der Sache in ihrer S u b s t a n z sein 5 2 ). E s wird hier also auf den Einzelfall a n k o m m e n . D i e Wiederherstellungsmöglidikeit zur Unterscheidung, ob Z e r s t ö r u n g oder Beschädigung vorliegt, heranzuziehen, erweist sich als ungeeignet, weil dies die Gleichstellung des B e g r i f f s Zerstören m i t Vernichten bedeuten würde, eine vernichtete Sache z w a r auch zers t ö r t ist 5 3 ), aber eine zerstörte Sache noch nicht vernichtet zu sein braucht; außerdem k o n k u r r i e r t der Begriff Vernichtung in gewissen Fällen seinerseits wieder m i t d e m der Beseitigung. Auch auf die F u n k t i o n s f ä h i g k e i t die Unterscheidung allein zu stützen, wäre falsch, weil diese sowohl bei der Beschädigung, wie bei der Z e r s t ö r u n g aufgehoben oder beeinträchtigt sein können. A u s diesem G r u n d wird vielfach auf den U m f a n g der Beschädigung der Sache abgestellt u n d Z e r s t ö r u n g nur a n g e n o m m e n , wenn die Gebrauchsfähigkeit der Sache völlig a u f g e h o b e n ist 5 4 ). aa) Beschädigen Schrifttum u n d Rechtsprechung haben zunächst n u r die stoffliche V e r ä n d e r u n g einer Sache als Beschädigung angesehen 5 5 ). Schließlich hat das R G auch eine V e r m i n d e r u n g der G e « ) Ebenso Müller StVR 21. Aufl. Seite 463. ) So auch Cramer StVR § 315b RNr. 11; Jagusch $ 315b Anm. 3a; Schönke-Schröder § 315b RNr. 7. 5 °) Schleswig VerkMitt. 67, 21. 5 l ) So auch Dreher § 303 Anm. 2 B. 48
) So auch Sdiönke-Sdiröder § 303 RNr. 11. ) Dreher, Fußnote 51. ) So Dreher, Fußnote 51; Sdiönke-Schröder § 315 RNr. 12. 5 5 ) Vgl. RGSt. 32, 198; 33, 178; 39, 329; Frank § 303 Anm. II 1. 52 53
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§ 315b
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brauchsfähigkeit genügen lassen 56 ). In Anschluß an eine frühere Entscheidung 57 ) entschied dann das RG 5 8 ), daß als Beschädigung „jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf die Sache" anzusehen ist, „durch die die stoffliche Zusammensetzung der Sache verändert oder sonst ihre Unversehrtheit derart aufgehoben wird, so daß die Brauchbarkeit der Sache für ihre Zwecke vermindert wird". Dies ist jedoch zu eng, da eine nicht nur ganz geringfügige stofflidie Veränderung zur Annahme einer Sachbeschädigung ebenfalls genügen muß 59 ), nadi § 315 b jedoch nur dann, wenn dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden kann. 19
Eine zusammengesetzte Sache kann durch die Veränderung des tedinischen Zusammenhangs beschädigt werden. So ist das Zerlegen einer Sache Beschädigung, weil sie durch die Substanzveränderung zugleich deren bestimmungsgemäße Gebrauchsfähigkeit herabsetzt. Zu eng ist deshalb die Ansicht von Schönke-Schröder 60 ), der Zerlegung nur dann als Beschädigung wertet, sofern die Wiederherstellung größere Mühe macht. Die Entscheidung von Hamm 8 1 ), auf die er sich beruft, betrifft einen Fall, in dem die Sache in ihrer Gebrauchsfähigkeit überhaupt nicht beeinflußt wurde (dort war zu entscheiden, ob es als Sachbeschädigung anzusehen ist, wenn die Radkappen von einem Kraftfahrzeug abmontiert und neben das Fahrzeug gelegt wurden; das O L G H a m m hat diese Frage zu Recht verneint).
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Als Beschädigung von Anlagen oder Fahrzeugen im Sinne von § 315 b ist jede Beeinträchtigung zu verstehen, die diesen Einrichtungen den ihnen zugedachten Zweck nimmt, ohne daß sie zerstört werden. Verschmutzung eines Signals ist dann Beschädigung einer Anlage, wenn dadurch die Signalgebung nicht mehr erkannt werden kann; gleiches gilt für die unberechtigte Färbung oder Umfärbung von Signalleuchten. Beschädigung ist auch anzunehmen beim Entfernen einzelner Teile einer zusammengesetzten Sache, so daß die Anlage oder das Fahrzeug nicht mehr seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann. Wird durch die Beschädigung einer Anlage oder eines Fahrzeugs die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt, geschweige denn eine konkrete Gefahr herbeigeführt, so ist der Tatbestand des § 315 b nicht erfüllt. bb) Zerstören
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Eine Anlage oder ein Fahrzeug sind zerstört, wenn sie entweder in ihrer Substanz so erheblich beschädigt wurden, daß sie nicht mehr gebrauchsfähig oder vernichtet sind. Wird z. B. die Stromzufuhr zu einer Anlage unterbrochen (Kurzschluß oder Abknipsen der Leitung), so ist nicht Zerstörung, sondern Beschädigung anzunehmen. Wird auf die Anlage ohne Beschädigung seiner äußeren Substanz derart eingewirkt, daß zwar nicht die allgemeine Gebraudisfähigkeit, aber, wenn auch nur vorübergehend, die Funktion ausfällt (z. B. Anbringung eines Magnets an einer automatischen Steuerung), kann nicht von einer Zerstörung der Sache, in der Regel auch nicht von einer Beschädigung gesprochen werden; vielmehr ist ein „ähnlicher Eingriff" anzunehmen. cc) Beseitigen
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Beseitigen ist die räumliche Entfernung und dadurch Verhinderung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Anlagen oder Fahrzeugen. Eine Beeinträchtigung der stofflichen Substanz ist nicht notwendig. O f t wird das Beseitigen mit Diebstahl oder Raub konkurrieren, wenn der Täter die Sache an sich nimmt. Beseitigen erfordert aber nicht Zueignung, vielmehr genügt die örtliche Veränderung der Anlage oder des Fahrzeugs. 3. Hindernisbereiten
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Hindernisbereiten ist jeder Vorgang, der geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu beeinträchtigen 62 ). Der Begriff des Hinternisbereitens, der vor dem 1. StrVerkSichG als ) ") 58 ) 5»)
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Vgl. RGSt. 55, 169; 64, 251. RGSt. 43, 205. RGSt. 74, 14. Vgl. dazu auch BGHSt. 13, 207.
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°) § 303 RNr. 8. ) VRS 28, 437. 62 ) So auch Hamm VRS 30, 356. 6
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Gefährl. Eingriffe i. d. Straßenverkehr
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§ 315b
Vergehenstatbestandsmerkmal n u r bei der Transportgefährdung zu finden war, w u r d e vor allem im Bereich des Bahnverkehrs entwickelt u n d hat d o r t eine berechtigte weite Auslegung erfahren. Diese f ü r den Bereich des Straßenverkehrs in vollem U m f a n g zu übernehmen, ist nicht gerechtfertigt, weil im heutigen Straßenverkehr sich Verkehrsteilnehmer ständig gegenseitig irgendwie behindern werden. Die bloße Behinderung durch einen Verkehrsvorgang kann deshalb regelmäßig noch kein Hindernisbereiten oder ein ähnlicher gefährlicher Eingriff sein. Die in § 315 b u n d § 315 übereinstimmenden Begriffe sind aus diesem G r u n d e unterschiedlich auszulegen* 3 ). Vorgänge des fließenden Verkehrs sowie d u r d i Verkehrsvorgänge hervorgerufene Behinderungen sind somit grundsätzlich kein Hindernisbereiten i. S. des § 315 b, wenn sie über eine fehlerhafte Verkehrsteilnahme nidit hinausgehen« 4 ). Vgl. auch R N r . 13 oben, R N r . 26 unten. Einzelfälle: Kein Hindernis wird bereitet: wenn ein Lkw-Anhänger beim rückwärts Hineinschieben m i t Hilfe des L k w in eine E i n f a h r t zeitweilig so stehen bleibt, daß die A n hängerachse etwa 2,70 m in die Fahrbahn hineinragt 6 5 ); wenn an einem verkehrsunsicheren Lkw während der F a h r t auf öffentlicher Straße die Räder abspringen und dabei andere gefährden 6 9 ); Liegenlassen der Reifen auf der F a h r b a h n : R N r . 27 u n t e n ; wenn Gegenverkehr durch Scheinwerfer geblendet wird 6 7 ); bei M i t f ü h r u n g unzulässig breiter, schwer erkennbar seitlich herausragender Ladung eines Fahrzeugs auf sdimaler Straße 6 8 ); bei kurzfristiger Sperrung eines unbeschrankten Bahnübergangs 6 *); durch von einem Lkw herunterfallende Splittsteine, wodurch die Windschutzscheibe eines nachfolgenden P k w z e r t r ü m m e r t wird 7 0 ). Wer mit seinem M o t o r r a d stürzt und bewußtlos liegenbleibt, bereitet kein Hindernis 7 1 ), da dies n u r Folge eines Verkehrsvorganges, wenn auch evtl. verkehrswidrigen Verhaltens ist; gleiches gilt bei einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge, wenn dadurch ein D r i t t e r zu einer gefährlichen N o t b r e m s u n g gezwungen wird 7 2 ). Nach Düsseldorf 7 3 ) soll Parken auf Straßenbahnschienen kein Hindernisbereiten sein. H a t der Täter jedoch absichtlich das Fahrzeug in den Schienenbereich der Straßenbahn gestellt, ist sein Verhalten als Hindernisbereiten zu werten, i. S. des § 315 b jedoch n u r dann erheblich, wenn dadurch zugleich die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt (vgl. § 315 d) u n d eine konkrete Gefahr herbeigef ü h r t wird 7 4 ).
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Hindernisbereiten ist anzunehmen: bei Errichtung von Straßensperren, gleichgültig weleher Art, auf öffentlichen Straßen 7 5 ); Hinterlassen einer ö l s p u r , wenn dadurch andere in Gefahr geraten 7 6 ); pflichtwidriges Unterlassen der Sicherung einer Baustelle 77 ); Legen einer Telegraphenstange über die Fahrbahn 7 8 ); Spannen eines Drahtes über die Straße 7 9 ); Beschmutzen der Fahrbahn d u r d i Ackerwagen kann Hindernisbereiten sein 80 ); Treiben von Schafen auf die Bundesautobahn 8 1 ); andere gefährdendes Schließen einer Bahnschranke, wenn sich die Verkehrsteilnehmer hierauf nidit einstellen können, so daß z. B. die niedergehende Schranke ein Fahrzeug beschädigt oder das Fahrzeug d u r d i die unzeitgemäß niedergehende Schranke im Schienenbereich eingeschlossen wird 8 2 ).
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Vorgänge des fließenden Verkehrs sind dann ein Hindernisbereiten, wenn der Täter absichtlich handelt, das v o n ihm geführte Fahrzeug in verkehrsfremder A r t und Weise als Mittel benutzt, das Bereiten des Hindernisses also nicht bloß eine Folgeerscheinung, sondern
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«») BayObLGSt. 61, 243 = MDR 61, 1034. «4) BGHSt. 6, 220; JR 60, 425; Hamm NJW 65, 2167; Frankfurt DAR 17, 222. «') Hamm VRS 25, 119. ««) Stuttgart VRS 29, 193 = DAR 65, 276. 1 5 2 9 = D A R 7 2 > 2 7 g 1 0 7 ) Luff ZVerkSidi. 70, 53. 1 0 e ) Schlichtung Blutalkohol 70, 354. 1 M ) Celle VRS 7, 463; K G DAR 55, 277 = VerkMitt. 55, 47; Stuttgart VerkMitt. 56, 39. 1 1 0 ) Hamm DAR 70, 192. 104
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" » ) K G VRS 33, 265. ) Bremen DAR 59, 211; Hamburg VerkMitt. 61, 59. 1 1 3 ) Hamburg VRS 12, 145; DAR 57, 54. 1 1 4 ) Hamburg DAR 70, 192. U 5 ) Braunschweig NdsRpfl. 53, 48. 1 1 0 ) Oldenburg VRS 23, 47. 1 1 7 ) Vgl. Oldenburg DAR 56, 253; Hamm N J W 58, 1199 = DAR 58, 281. 112
Trunkenheit im Verkehr
StGB § 316
zeugen (vgl. dazu: berauschende Mittel, R N r . 33 ff. unten); oder daß die Arzneimittel dieselben Funktionen im Zentralnervensystem angreifen und beeinträchtigen wie der Alkohol» 8 ). Eine Steigerung der Alkoholwirkung ist grundsätzlich zu erwarten bei Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, sowie bei Narkosenadiwirkungen. Audi bei Anergetika, z. B. Pyramidon, Blutazologin und dgl., bei manchen Wurmmitteln, bei Opiaten, Antidiabetika, Antihypertonika, Tranquillizer (z. B . Librium, Mebrobarmat) sowie bei blutdrucksenkenden Mitteln wird von einer Steigerung der Kombinationseffekte berichtet 1 1 8 ). Das Merkblatt der Bundesärztekammer (Bundesgesundheitsamt) zählt als Medikamente, deren Wirkung insbes. bei Alkoholgenuß die Fahrtüditigkeit beseitigen können, u. a. auf: Narkosemittel, Hypnotika, Sedativa, Psychopharmaka, Antiepileptika, Antihistaminika, Stimulantien, Appetitzügler, spanile Muskelrelaxantien, Hochdruckmittel. Nadi Janitzki 1 2 0 ) sollen zusätzlich noch die Analgetika der Antiperetikareihe berücksichtigt werden. Schon geringe Mengen Alkohol können durch vorherige Gabe von Butarbarbituraten, wie sie z. B. in Schlafmitteln vorkommen, zu schwerer Trunkenheit führen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn zwischen Barbituratzufuhr und Alkoholgenuß viele Stunden liegen 1 2 1 ). Durch Zusammenwirken von Barbituraten und Alkohol in einer Menge, der eine B Ä K von l%o bis l,6%o entspricht, können nadi Osterhaus 1 2 2 ) Wirkungen auftreten, die in erheblichem Umfang über die Folgen hinausgehen, die sonst bei derartigen Alkoholmengen zu beobachten sind. Die Folgeerscheinung ist aber ein körperlicher Zusammenbruch, der plötzlich auftritt und bei dem es ausgeschlossen ist, daß der Betroffene weiter trinkt und dadurch eine höhere B Ä K erreicht. Es ist deshalb ausgeschlossen, daß ein Kraftfahrer, der mit einer B Ä K von 2,4%« im Zustand allenfalls verminderter Zurechnungsfähigkeit gefahren ist, einen Teil des Alkohols in einem durch Zusammenwirken von Barbituraten und Alkohol hervorgerufenen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit zu sidi genommen hat12®). Die von Biehl 1 1 4 ) vertretene Meinung daß Psychopharmaka auf die Verkehrstüchtigkeit keinen nachweisbaren negativen Einfluß haben, läßt sich nadi neueren wissenschaftlichen Untersuchungen in dieser Allgemeinheit wohl nicht aufrechterhalten 1 2 5 ).
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Nach Einnahme von Antabus und Irgopyrin können sich bei späterem Alkoholgenuß Vergiftungserscheinungen einstellen, die sich in Kreislaufstörungen, Übelkeit, Brechreiz, Mattigkeit, gelegentlich auch Ohrensausen, Sehen von Doppelbildern äußern1®"). Audi Saridon 1 2 7 ), Librium 1 2 9 ), Phanodorm 1 2 '), nicht aber jede schmerzstillende Tablette 1 »«) können die Alkoholwirkung wesentlich verstärken. D e r Blutalkoholspiegel wird durch die Einnahme von Medikamenten jedoch nicht beeinflußt 1 8 1 ). Vgl. auch: Berauschende Mittel, R N r . 33 ff. unten.
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Beruft sich ein Täter darauf, daß er infolge hinzukommender Wirkung eines Medikaments den Zustand seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nidit hätte erkennen können, bedarf dies besonders gründlicher Prüfung 1 ® 2 ). Vgl. dazu R N r . 69 unten. Für die Frage der Auswirkung der Kombination von Alkohol und Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit und die Zuredinungsfähigkeit lassen sidi allgemein verbindliche Beurteilungsnormen in bezug auf die eingenommenen Medikamentenmenge und die damit ) Linke DDeutsdiGesW 21, 49. »») Vgl. Ärzteblatt 61, 510. 12 °) Aktuelle Probleme der Verkehrsmedizin 66, 118
116.
) Doenidte-Kleinert MedKlinik 62, 835. 1 2 2 ) Blutalkohol 64, 395, 413. 1 2 S ) Hamburg DAR 70, 162; DAR 65, 27; Gaisbauer NJW 67, 1504. 1 2 4 ) Med. Welt 6, 1954. 1 2 5 ) Vgl. BGA-Gutaditen, erg. Stellungnahme S. 121
"•) Hamburg NJW 67, 1522 = VRS 32, 444; Elbel-Sdileyer Blutalkohol 2. Aufl. S. 53. 12') Oldenburg DAR 63, 304. 1 2 8 ) Stuttgart DAR 65, 135 = N J W 66, 410 m. Anm. Gaisbauer. 12») KG VRS 19, 111. 13 °) BayObLG VRS 15, 202. 1 3 1 ) KG VRS 27, 150. 1S2 ) Celle NJW 63, 2385 = VRS 26, 10.
22.
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3g
§316
StGB
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korrespondierende Höhe der BÄK nicht generell aufstellen. Primär entscheidend ist vielmehr stets die präzise Datenerhebung über den Ablauf des Fehlverhaltens im Verkehr und über den Zustand des Täters bei seinem Fehlverhalten, d. h. das Erscheinungsbild von Tat und Täterpersönlichkeit 133 ). Subjektiver Tatbestand s. R N r . 62, 69. 31
2. Führung nicht motorisierter Fahrzeuge Bei Führen nicht motorisierter Fahrzeuge (vgl. R N r . 3 ff. oben) hat die Rechtsprechung bisher einen absoluten BAK-Grenzwert, von dem ab eine absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen ist, noch nicht als gesichert anerkannt, da es nach dem BAG-Gutachten (S. 51 bis 53) wissenschaftlich gesicherte Unterlagen insoweit nidit (noch nicht) gibt. Dies gilt insbesondere auch f ü r Radfahrer, die den Kraftradfahrern nicht gleichgestellt werden können 134 ). Die früher im Schrifttum und in der Rechtsprechung hinsichtlich der Fahruntüditigkeit von Radfahrern vertretene gegenteilige Ansicht 135 ) läßt sich nicht aufrechterhalten.
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Für die Führer von Nicht-Kraftfahrzeugen k o m m t deshalb nur eine relative Fahruntüditigkeit in Frage, die nach den Umständen des Einzelfalls auf Grund der festgestellten Ausfallserscheinungen zu bestimmen ist (vgl. dazu auch R N r . 16 ff. oben). Ebenso wie bei Kraftfahrzeugführern hat die durch die Blutprobe ermittelte Alkoholbeeinflussung aber nur die Bedeutung, daß die Ausfallserscheinungen alkoholbedingt sein können. Der Kausalzusammenhang ist jedoch in jedem Einzelfall nachzuweisen 136 ). Naheliegenden anderen Ursachen f ü r die Ausfallserscheinungen ist nachzugehen und bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zu erwägen. N u r theoretisch entfernt liegende mögliche Ursachen, f ü r deren Annahme im Einzelfall keine vernünftigen Anzeichen hindeuten, können grundsätzlich unbeachtet bleiben. Bei hoher Blutalkoholkonzentration genügen grundsätzlich schon geringe Anzeichen f ü r die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit. Die in der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätze f ü r die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit bei Kraftfahrern (vgl. R N r . 17 oben) sind auf die Führer von Nicht-Kraftfahrzeugen mit der Maßgabe entsprechend übertragbar, daß es auf die 1,3%0-Grenze nicht ankommt. Ist alkoholbedingte Zurechnungsunfähigkeit oder erheblich verminderte Zuredinungsfähigkeit zu prüfen, werden schon geringfügige Trunkenheitssymptome f ü r die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ausreichen. Allerdings darf eine erheblich verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht allein zur Begründung herangezogen werden, weil es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt, daß ein vermindert zurechnungsfähiger Führer eines Fahrzeugs ohne motorische Antriebskraft schon allein aus diesem Grund auch fahruntüchtig sein muß.
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3. Berauschende Mittel Berauschende Mittel sind grundsätzlich nur solche, die in ihren Auswirkungen denen des Alkohols vergleichbar sind und zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens, der intellektuellen und motorischen Fähigkeiten führen 1 3 7 ). Dazu zählen grundsätzlich die in §§ 1 Abs. 1 und 4 BetmG vom 10. 1. 72138) aufgezählten Stoffe. Den Rauschgiften sind u. a. zuzuordnen: Opium, Rohkokain, Morphin, Heroin, Kokain, Haschisch, Marihuana, LSD13»). 133
) Frankfurt VRS 29, 476 = D A R 66, 106. ) BAG-Gutaditen S. 53; BSG VRS 34, 238 = N J W 68, 75; LSG Schleswig-Holstein Blutalkohol 65/66, 99 m. Anm. Schütz; so auch schon BGH N J W 63, 2083. 135 ) Vgl. Gaisbauer Blutalkohol 67, 204; Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Med. 2. Aufl. S. 268; Berg, Gerichtliche Med., 6. Aufl. S. 162; Elbel-Sdileyer, Blutalkohol 2. Aufl. S. 196; Händel-Lodiner-Rauschke, Handbuch für Verkehrsstrafsachen S. 613; Mueller, Gerichtliche Med. S. 759; Schütt DRiZ 65, 292; BSG N J W 56, 1579; 63, 607; H a m m (2,2 %o) 134
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«6) 137 ) 13e ) 139)
DAR 59, 54; Stuttgart (1,91 %o) N J W 56, 1044 = VerkMitt. 56, 39; Düsseldorf (1,69 %o) VerkMitt. 58, 64 N r . 132; Celle (1,58 %o) VersR 61, 75; Oldenburg (1,71 %o) N J W 60, 1399; Karlsruhe N J W 65, 361. Vgl. dazu auch Möhl D A R 71, 4. Cramer StVR § 316 StGB R N r . 6. BGBl. I I . Vgl. dazu auch die Betäubungsmittel-GleichstellungsVOen v. 25. 10. 61, BGBl. I 1909 vom 24. 4. 63, BGBl. I 209; v. 21. 2. 67, BGBl. I 197, her. 382, v. 6. 4. 71, BGBl. I 315 und Bek. v. 23. 2. 67, BGBl. I 228.
Trunkenheit i m V e r k e h r
StGB
§ 316
A u d i M e d i k a m e n t e k ö n n e n zu den berauschenden Mitteln zählen, wenn sie zu rauschähnlichen Zuständen f ü h r e n . Dies gilt zunächst einmal f ü r alle alkoholhaltigen M e d i k a mente, wie z. B. Klosterfrau-Melissengeist 1 4 0 ) oder andere Stärkungs- oder homöopathische Mittel, die h ä u f i g A l k o h o l enthalten, u n d f ü r die Arzneien, die Rauschgifte i m Sinne des B e t m G oder der Betäubungsmittel-GleichstellungsVOen enthalten. E s liegt nahe, v o n den M e d i k a m e n t e n diejenigen z u den berauschenden Mitteln im Sinne des § 316 zu zählen, die nach dem A r z n e i m i t t e l G 1 4 1 ) auf A n o r d n u n g der zuständigen Behörden nur m i t bestimmten Warnhinweisen auf Behältnissen, U m h ü l l u n g e n , Packungsbeilagen in den V e r k e h r gebracht werden d ü r f e n , weil die A n n a h m e begründet ist, daß auch bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch b e s t i m m t e Personen gefährdet werden k ö n n e n oder daß sie allein oder im Z u s a m m e n w i r k e n m i t anderen A r z n e i m i t t e l n oder bestimmten Lebens- oder Genußmitteln die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen. Die Rechtsprechung w u r d e bisher n u r selten m i t der Frage befaßt, ob ein M e d i k a m e n t zu den berauschenden Mitteln zählt. Dies hat einmal seine Ursache darin, daß eine m e d i k a mentöse Beeinflussung v o n den E r m i t t l u n g s b e a m t e n m i t A u s n a h m e eines äußerlidi bereits deutlich erkennbaren Rauschzustandes z. B. nach G e n u ß v o n Haschisch, H e r o i n u. dgl. k a u m im Erscheinungsbild des Täters sichtlich feststellbar ist. D i e Beamten werden deshalb bei auffallender Fahrweise ihre E r m i t t l u n g e n auf eine Alkoholbeeinflussung konzentrieren. Z u m anderen sind audi die gegenwärtig vorhandenen u n d den E r m i t t l u n g s b e h ö r d e n zur V e r f ü g u n g stehenden Untersuchungsstellen auf die Feststellung medikamentöser Beeinträchtigung n u r ungenügend eingerichtet. Deshalb stößt es auch auf Schwierigkeiten, mittels chemischer Ü b e r p r ü f u n g die A r t des M e d i k a m e n t s u n d seine Beeinflussung auf den T ä t e r festzustellen, wenn dieser über die E i n n a h m e der M e d i k a m e n t e keine A n g a b e n macht. Wissenschaftlich erwiesen ist es jedoch, daß es hunderte v o n Medikamenten oder anderen Präparaten gibt, die die Fahruntüchtigkeit nachteilig beeinflussen können. Eine wissenschaftliche A b g r e n z u n g , welche M e d i k a m e n t e als Rauschgifte anzusehen sind, ist bisher nicht abschließend erfolgt. Das K G 1 4 2 ) hat P h a n o d o r m als berauschendes Mittel gewertet; Phenotiazin w u r d e v o m L G Waldshut 1 4 3 ) als Rauschmittel angesehen. O b P s y c h o p h a r m a k a zu den Rauschmitteln rechnen, ist umstritten. D i e Ansicht v o n Biehl 1 4 4 ), daß sie keine leistungsmindernde Wirk u n g haben, d ü r f t e nach neueren Forschungen nicht m e h r aufrechtzuhalten sein. C r a m e r 1 4 5 ) rechnet sie allgemein zu den berauschenden Mitteln, wie insbes. auch V a l i u m und L i b r i u m . D a s O L G Stuttgart 1 4 «) hat L i b r i u m als berauschendes Mittel nicht grundsätzlich anerkannt. D i e Frage, ob ein M e d i k a m e n t ein berauschendes Mittel ist, ist insofern v o n praktischer Bedeutung, als bejahendenfalls eine B e s t r a f u n g nach § 316 S t G B in Frage k o m m t , hat es jedoch n u r als M e d i k a m e n t die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, k a n n nur eine O r d n u n g s widrigkeit nach § 2 S t V Z O a n g e n o m m e n werden, weil der Gesetzgeber die durch geistige Mängel bedingte Fahruntüchtigkeit nicht als T a t b e s t a n d s m e r k m a l in das abstrakte G e f ä h r dungsdelikt des § 316 S t G B ü b e r n o m m e n hat. E s geht deshalb nicht an, jedes die Leistungsfähigkeit m i n d e r n d e M e d i k a m e n t als berauschendes Mittel einzuordnen, da der Gesetzgeber gerade den Rauschzustand in den §§ 315a, 315c und 316 S t G B als speziellen U n t e r f a l l des geistigen Mangels einer Sonderregelung z u g e f ü h r t hat. A l s berauschende Mittel k o m m e n deshalb nur M e d i k a m e n t e in Betracht, die einen d e m Alkoholrausch ähnlichen Z u s t a n d erzeugen. Auszuscheiden haben als berauschende Mittel deshalb v o n vorneherein solche Arzneien, die die Psyche eines Menschen nicht beeinflussen, auch wenn sie indirekt auf das Verhalten des Einzelnen i m Straßenverkehr einwirken k ö n n e n (z. B. A b f ü h r m i t t e l , Juck14
°) Oldenburg DAR 56, 253. ) I. d. F. v. 23. 6. 64, BGBl. I 365 mit weit, hier nicht einschlägigen Änd., vgl. Schlegelberger „Recht der Gegenwart" Stichwort: Arzneimittel.
141
) VRS 19, 111. ) Zit. bei Wagner-Wagner/Händel, Handbuch für Verkehrsmedizin S. 84. >44) MedWelt 6, 1954. 1 4 ä ) StVR § 3 1 6 StGB RNr. 6. 146 ) DAR 65, 135 = VRS 29, 36. 142
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reiz oder Allergien verursachende Mittel). Nicht in den Kreis der berauschenden Mittel einzubeziehen sind auch Medikamente, die u. U. zu Muskelkrämpfen f ü h r e n können, oder die Ursache f ü r gelegentliche Aufmerksamkeitsausfälle sind, weil diese weder Kennzeichen eines Rauschzustandes sind, noch rauschähnliche W i r k u n g haben. Grundsätzlich k ö n n e n n u r die Medikamente in den Kreis der berauschenden Mittel aufgenommen werden, die das Hemmungs-, Wahrnehmungs-, Reaktionsvermögen herabsetzen, die motorischen K r ä f t e des Menschen beeinträchtigen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob diese W i r k u n g n u r von einer bestimmten Dosis an eintritt, sondern ob sie diese W i r k u n g allgemein herbeizuf ü h r e n geeignet sind. So k ö n n e n z. B. Psychopharmaka in bestimmter Dosierung eingenommen, eine beruhigende ausgleichende W i r k u n g haben, größere Mengen aber u. U . zu rauschähnlichen Zuständen f ü h r e n . Nicht ausgeschlossen ist es auch, daß eine Rauschwirkung erst durch eine Kombination von Medikamenten eintritt. Für die Beurteilung, ob das v o n dem Verdächtigen eingenommene Medikament als Rauschmittel betrachtet werden muß, ist die Zuziehung eines Sachverständigen i. d. R. unentbehrlich. 36
Es gibt keine allgemeinen Erfahrungssätze wie z. B. bei der Alkoholbeeinflussung, v o n welcher Dosis an berauschende Mittel die Fahrtüchtigkeit beschränken oder beseitigen. Für berauschende Mittel nennt weder Rechtsprechung noch Schrifttum eine allgemein gültige absolute Grenze; sie wird naturwissenschaftlich auch kaum zu finden sein. Die Frage der Fahrtüchtigkeit ist deshalb in jedem Einzelfall, soweit auf dem Einfluß berauschender Mittel oder von Medikamenten beruhend, an H a n d der erhobenen Daten zu p r ü f e n . Hierbei wird bei K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r n ein strengerer Maßstab anzulegen sein, als bei F ü h r e r n nichtmotorisierter Fahrzeuge. Soweit es sich bei den berauschenden Mitteln u m Medikamente handelt, verdient der subjektive Tatbestand besondere Beachtung (vgl. R N r . 62 unten). IV. Feststellung der Blutalkoholkonzentration
37
Für die Feststellung der H ö h e der Blutalkoholkonzentration wurden verschiedene Verfahren entwickelt. Die bekanntesten sind das W i d m a r k - V e r f a h r e n u n d die A D H - M e t h o d e ( R N r . 38, 39 unten). Beide sind f ü r forensische Zwecke ausreichend spezifisch u n d liefern bei geschultem Personal und ständiger fachlicher Aufsicht ausreichend genaue Werte. Absolute Genauigkeit ( = Übereinstimmung des Untersuchungsergebnisses mit der Wirklichkeit) ist bei physikalischen Messungen und chemischen Bestimmungen prinzipiell unerreichbar. Mit beiden Verfahren können deshalb n u r Annäherungswerte gefunden werden. Werden bei der Blutentnahme die Richtlinien u n d Arbeitsanweisungen des BGA-Gutaditens nicht eingehalten, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der so ermittelte Mittelwert forensisch verwertbar ist 14 '). Das von der amerikanischen Armee nach Kingsley-Current angewandte Verfahren z u r Blutalkoholbestimmung d ü r f t e als zuverlässig a n e r k a n n t sein 148 ).
37a
Mit der verschiedentlich geäußerten Ansicht, daß zwischen dem Blutalkoholgehalt u n d der Fahrtüchtigkeit eines K r a f t f a h r e r s kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe u n d die BÄK kein geeigneter Maßstab f ü r die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit sei, weil die Auswirkungen des Alkoholgenusses auf die Fahrweise nicht von der Alkoholkonzentration im Blut, sondern in erster Linie von derjenigen im Gehirn abhänge, h a t sich schon das BGAGutachten (S. 39, 42 ff.) auseinandergesetzt u n d sie als u n z u t r e f f e n d bezeichnet14®). Es h a t hierzu u. a. ausgeführt, daß diese Ansicht es auf die seit langem bekannte Differenz zwischen Blut- und Hirnalkoholspiegel v o r Erreichung des „Verteilungsgewichts" abstelle, obwohl die ohnehin äußerst geringen Unterschiede sehr rasch ausgeglichen würden u n d v o r der Erreichung des Verteilungsgewichts eine eindeutige Koppelung zwischen dem Alkoholgehalt des 147 148
) Hamburg DAR 68, 334. ) Cramer StVR § 316 StGB RNr. 19 unter Hinweis auf LG Bamberg NJW 66, 1176 = VRS 31, 112.
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) 275 ) »•) 277 ) 278 ) «»)
Hamburg VerkMitt. 65, 51 Nr. 78. Hamm VRS 34, 128. Vgl. Hamm NJW 65, 119. Hamm DAR 60, 84. Hamburg VerkMitt. 66, 61. Vgl. Celle VerkMitt. 63, 87 Nr. 136; Hamm Blutalkohol 65/66, 158. 28 ») KG VRS 33, 265. !81 ) Hamm DAR 70, 192; Blutalkohol 65/66, 243. 282 ) Hamm Blutalkohol 65/66, 243.
283 ) 284
Hamm Blutalkohol 72, 79. ) KG VRS 33, 265. ) Saarbrücken DAR 63, 21; Hamm DAR 70, 192. S8 «) BGH VRS 34, 360. 287 ) BGA-Gutaditen, erg. Stellungnahme S. 19, 25. 288 ) Luff ZVerkSidi. 70, 53. 28 ») Sdilichting Blutalkohol 70, 354. 295
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Verkennt ein Ausländer, in dessen H e i m a t die Wirkungen des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit nicht so allgemein bekannt sind wie in der BRD, seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, so entschuldigt ihn dies nicht, da er sich v o r seiner Teilnahme als K r a f t fahrer am öffentlichen Straßenverkehr über die Besonderheiten der hierzulande geltenden Verkehrsvorschriften unterrichten muß 2 9 0 ).
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Steuert ein infolge Alkoholgenusses (l,75%o BÄK) Fahruntüchtiger ein K r a f t f a h r z e u g in der irrigen A n n a h m e eines Notstandes, so k a n n die Vermeidbarkeit dieses Irrtums 2 9 1 ) nicht schon daraus hergeleitet werden, daß der Täter durch den Alkoholgenuß seine Fähigkeit zu sachgemäßen Überlegungen selbst herabgesetzt hat 292 ).
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Grundsätzlich ist von jedem Fahrzeugführer zu erwarten, daß er v o r der Einnahme eines Medikamentes ( R N r . 26 ff.) p r ü f t , ob es die W i r k u n g des Alkohols erheblich verstärken kann, oder ob das Medikament u. U. als berauschendes Mittel zu werten ist. Wer die W i r k u n g eines Medikamentes nicht kennt, m u ß grundsätzlich die Gebrauchsanweisung lesen oder sich anderweitig Gewißheit über dessen W i r k u n g verschaffen 2 8 3 ). Der Ansicht, daß die Vergewisserungspflicht ohne Einschränkung zu bejahen ist 294 ), kann nicht in vollem U m f a n g zugestimmt werden. Es wird insbesondere auf die A r t des Medikaments und auf den Bildungsgrad des Täters ankommen. Wer z u r Beruhigung ihm unbekannte Tabletten (z. B. Valium) einnimmt, m u ß damit rechnen, daß diese in Verbindung mit dem Alkoholgenuß schädliche Wirkungen haben k ö n n e n ; ein K r a f t f a h r e r m u ß u n t e r diesen Umständen grundsätzlich den Alkoholgenuß meiden 295 ). Vergewisserungspflicht w u r d e bejaht bei einem Arzt 2 9 6 ), einem Rechtsanwalt 2 9 7 ), sowie auch bei einem Journalisten 2 9 8 ). Wer im K r a n k e n haus in stationärer oder beim A r z t in ambulanter Behandlung ist u n d von dem behandelnden A r z t ein Medikament verabreicht b e k o m m t , kann im allgemeinen darauf vertrauen, daß er auf die Wirkungsweise der Medikamente aufmerksam gemacht wird 2 9 9 ). Bei einem Blutalkoholgehalt von 2%o, der zu einer verminderten Zurechnungsfähigkeit f ü h r e n kann, k o m m t es auf die zusätzliche Einwirkung eines Medikaments jedoch nicht an 300 ). Nach wissenschaftlich begründeter E r f a h r u n g ist es ausgeschlossen, daß der Täter durch Einnahme v o n Medikamenten und nachfolgendem geringen Alkoholgenuß in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Vergiftungszustand gerät u n d dann schuldlos weiter Alkohol zu sich n i m m t , der eine BÄK v o n 2%o u n d den E i n t r i t t der Fahruntüchtgikeit zur Folge hat 301 ), weil das Zusammenwirken von Alkohol u n d Medikamenten i. d. R . „explosionsartig zu einem Zusammenbruch: Bewußtlosigkeit, Taumeln, danach stundenlangem Schlaf" führt 3 0 2 ). Wird ein alkoholhaltiges Medikament über Stunden hinweg schluckweise eingenommen, braucht der Täter das Ansteigen der BÄK nicht unbedingt zu bemerken, wenn der starke Alkoholgehalt des Medikaments ihm u n b e k a n n t war 303 ). 4. Zuredinungsunfähigkeit und actio libera in causa a) Zurechnungsunfähigkeit
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Durch den G e n u ß alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel kann der Täter in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand geraten ( § 5 1 Abs. 1 StGB). H a t der Täter sich vorsätzlich oder fahrlässig durch die genannten Mittel in den die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt u n d begeht er in diesem Z u 29tl
) Hamm DAR 63, 255 = VkBl. 64, 36 = Blutalkohol 63/64, 235. 291 ) Putativnotstand, vgl. dazu LK/Baldus § 54 RNr. 21. *»2) Hamm VRS 14, 431 = NJW 58, 271; VRS 20, 232; Oldenburg VRS 29, 264. » 3 ) Vgl. Händel NJW 65, 1999; Blutalkohol 69, 201. *»4) So Braunschweig DAR 64, 170 und Händel in Blutalkohol 69, 201. 2 5 » ) So Hamm VRS 42, 281.
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29
°) ) ) 299 ) 207
298
300
) ) »)
301
3 2
303
)
Oldenburg DAR 63, 304. Köln VRS 32, 349 = JZ 67, 183. Frankfurt DAR 70, 162. Stuttgart DAR 65, 135 = VRS 29, 36 = NJW 66, 410 m. Anm. Gaisbauer. Frankfurt VRS 29, 476. Hamm VRS 32, 278. Gaisbauer NJW 67, 1504; Osterhaus Blutalkohol 63/64, 395; Hamburg VRS 28, 62; Frankfurt VRS 29, 476; DAR 70, 162. Hamm VerkMitt. 69, 18 Nr. 34.
StGB
Trunkenheit im Verkehr
§ 316
stand eine mit Strafe bedrohte Handlung, kann er wegen Volltrunkenheit nach § 330a S t G B verurteilt werden. Die erhebliche Verminderung der Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 51 Abs. 2 StGB), berührt nur den Strafausspruch, muß aber nicht zu einer Strafminderung führen 3 0 4 ). Insbesondere bietet ein selbstverschuldeter Alkoholrausch im allgemeinen keinen Anlaß zur Herabsetzung der Strafe» 05 ). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zustand des Täters zur Zeit der Tat. Bei Genuß von Alkohol wird mit Volltrunkenheit und Zurechnungsunfähigkeit grundsätzlich erst mit einer B Ä K von 3%o und darüber zu rechnen sein'0®). Bei Vorliegen besonderer Umstände (z. B. Besinnungslosigkeit des Täters während der Ausführung der Fahrt, hochgradige Alkoholvergiftung) kann schon bei einer B Ä K von etwa 2%o Zurechnungsunfähigkeit angenommen werden 3 0 7 ). Andererseits kann auch eine hohe B Ä K (z. B. 2,7%o) niemals alleiniger und ausschlaggebender Maßstab für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Persönlichkeit i. S. von § 51 S t G B sein 808 ). Es k o m m t stets auf die Umstände des Einzelfalles an 3 0 0 ). Schon bei einer B Ä K von 2,5%o sind Erörterungen über die Zurechnungsfähigkeit notwendig 310 ). Die Beiziehung eines Sachverständigen wird grundsätzlich unerläßlich sein' 1 1 ), wenn auch der Tatrichter gegenüber dem Sachverständigen seine selbständige Stellung gemäß der vom B G H 3 1 2 ) entwickelten Grundsätze zu wahren hat. Stellt der Tatrichter eine Reihe von Umständen fest, die jeder für sich nur einen beschränkten Beweiswert für die volle Zurechnungsfähigkeit des Täters haben, so ist er rechtlich nicht gehindert, aus der Gesamtheit dieser Umstände zu schließen, der Täter habe trotz erheblichen Alkoholgenusses doch nicht so viel zu sich genommen, daß seine Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich beeinträchtigt gewesen sei 313 ). Es ist rechtsfehlerhaft, bei der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von mehreren möglichen Abbauwerten den niedrigsten zugrunde zu legen 3 1 4 ), vielmehr ist in diesen Fällen grundsätzlich von dem höchstmöglichen Abbauwert auszugehen 3 1 5 ).
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Die Zurechnungsfähigkeit ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn der Täter außerstande ist, das Unrecht seiner T a t einzusehen, vielmehr genügt es, wenn der Täter nicht mehr in der Lage ist, gemäß dieser Einsicht zu handeln, er seinen Willen nicht mehr steuern kann 3 1 '). Planmäßiges Handeln läßt für sich allein den Schluß auf Zurechnungsunfähigkeit nicht zu 3 1 7 ). Eine durch Trunksucht hervorgerufene Wesensänderung kann Krankheitswert haben und damit für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen zu einer Beseitigung der Hemmungsfähigkeit i. S. von § 51 Abs. 1 S t G B führen und zwar auch dann, wenn der Täter bei der T a t (gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Widerstand, Fahren ohne Fahrerlaubnis) äußerlich noch zweck- und zielgerichtet handeln konnte 3 1 8 ). Ist infolge der Alkoholbeeinflussung das Hemmungsvermögen des Fahrzeugführers ausgeschlossen oder läßt sich insoweit keine eindeutige Entscheidung treffen, so ist § 316 unanwendbar; Urteilsgrundlage bildet dann § 330a StGB 3 1 9 ), soweit der T ä t e r nicht nach den Grundsätzen über die vorverlegte Schuld zu verurteilen ist.
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Eine B Ä K von nicht mehr als 2%o begründet im allgemeinen keine erhebliche Verminderung und damit keinen Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit nach § 51 Abs. 1 S t G B . Bei einem Blutalkoholgehalt von 2%o und mehr kann sowohl eine erhebliche Verminderung
73
) Saarbrücken VRS 38, 111; BGHSt. 7, 29; Hamm N J W 72, 1149. » ) BGHSt. 5, 283. 3 M ) Hamm N J W 58, 271 = VRS 14, 431; VRS 39, 345; DAR 72, 132. 3 0 7 ) Düsseldorf NTW 66, 1175, Anm. Gaisbauer NTW 66, 1877; Oldenburg VRS 29, 264; BGH VRS 23, 209. 3 0 8 ) Oldenburg Blutalkohol 70, 402. 3 0 0 ) BGH VRS 28, 190; Koblenz VRS 37, 190. 31 ») BGH VerkMitt. 63, 1; Bremen VRS 30, 277; Hamm DAR 72, 133. 3M
3 5
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317
Vgl. Weltzien DAR 53, 48. BGHSt. 7, 238; 8, 113. BGH Blutalkohol 65/66, 530. KG VRS 30, 279. BGH VRS 23, 209; Hamm DAR 70, 161; VRS 41, 410; DAR 72, 132. BGH VRS 23, 209; vgl. dazu im einzelnen auch LK/Lange § 51 StGB RNr. 22. Vgl. BGH GA 71, 365. BGH, Blutalkohol 70, 474. Oldenburg VRS 29, 264. 1145
§316
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der Zurechnungsfähigkeit als auch, insbesondere bei Hinzutreten weiterer Umstände, Zurechnungsunfähigkeit vorliegen. Will der Tatrichter beides verneinen, muß er, falls nicht eine actio libera in causa vorliegt, sich darüber äußern, warum die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 oder 2 StGB mit Sicherheit ausgeschlossen werden können 3 2 0 ). Eine nervlich bedingte „Labilität" eines Täters macht allerdings schon bei einer B Ä K um l,5%o Erörterungen über Zurechnungsfähigkeit notwendig 3 2 1 ). 74
Bei einer Blutalkoholkonzentration über 2%o kann eine erheblich verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht von vornherein und schlechthin ausgeschlossen werden 3 2 2 ). Will der Tatrichter sie trotzdem verneinen, bedarf dies einer eingehenden Begründung 3 2 3 ). Die Zurechnungsfähigkeit eines Täters kann aber schon bei einer nicht unwesentlich unter 2%o liegenden B Ä K erheblich vermindert sein 324 ), weil eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung nicht allgemein erst jenseits einer bestimmten B Ä K beginnt, sondern individuell verschieden ist 3 2 5 ). So kann eine B Ä K von 1,7 bis l,8%o z. B. bei einem trinkungewohnten magenkranken Menschen zu einer erheblichen Verminderung seiner Zurechnungsfähigkeit führen, nicht aber bei einem gesunden Menschen 3 2 8 ). Dies gilt vor allem bei Kumulation von Medikamenten und Alkohol, eventuell noch hinzukommender Erregung 3 2 7 ) oder beim Zusammenwirken von Alkohol und niedrigem Blutdruck 3 2 8 ). b) actio libera in causa
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H a t ein Täter eine Rauschfahrt im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit unternommen, ist zu prüfen, ob er die Ingangsetzung des Geschehnisablaufs, also die Ursache für die spätere Verfehlung, in noch verantwortlichem Zustand gesetzt hat. Ist dies erwiesen, muß er unter Anwendung der Grundsätze über die vorverlegte Schuld (aktio libera in causa) nach der Vorschrift bestraft werden, gegen die er verstoßen h a t ; § 330a S t G B tritt zurück, § 51 Abs. 1 S t G B k o m m t nicht zum Zug 3 2 0 ). W e r z. B . in Kenntnis des Umstandes, daß er später noch ein Fahrzeug führen werde, bis zur Zurechnungsunfähigkeit alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich nimmt und anschließend tatsächlich noch ein Fahrzeug führt, kann weder nach § 51 Abs. 1 S t G B freigesprochen, noch wegen Volltrunkenheit nach § 330a S t G B verurteilt werden, ist vielmehr nach § 316 S t G B zu bestrafen; gleiches gilt für die §§ 315a, 315c StGB 3 3 0 ).
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Eine vorsätzliche Tat nach § 316 (vorsätzliche actio libera in causa) setzt voraus, daß der Täter schon bei Einnahme der berauschenden Getränke oder Mittel entweder weiß, er werde in einen fahruntüchtigen Zustand geraten und anschließend noch ein Fahrzeug führen, oder dies zumindest billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz); nicht erforderlich ist, daß sich der Vorsatz des Täters über die Fahruntüchtigkeit hinaus auf die Herbeiführung der Zurechnungsunfähigkeit bezieht 3 3 1 ). Die Annahme einer vorsätzlichen actio libera in causa wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Zurechnungsfähigkeit des Täters schon in dem Zeitpunkt erheblich vermindert war, in dem er die entscheidende Ursache bewußt gesetzt hat; ob ein Täter allerdings in diesem Zustand auch den Erfolg (Durchführung der Fahrt mit einem Fahrzeug) noch mindestens billigend in Kauf nahm, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden 3 3 2 ). ) ») ") >!3) »") '") »») 327) 3M) s») s»0) 3M 3 3
BayObLG bei Rüth in DAR 66, 260. Vgl. KG VRS 12, 352. Koblenz VRS 37, 32. Hamm VRS 39, 345. Vgl. BGH VRS 17, 187. Vgl. BayObLG Blutalkohol 71, 132. BGH VRS 30, 277. Frankfurt DAR 70, 162. Vgl. BayObLG NJW 69, 1583. BGH VRS 21, 45; Hamm VRS 12, 118. vgl. dazu LK/Lange § 51 StGB RNr. 73, 74 mit weit. Nachweisen von Schrifttum und
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Rechtsprechung; BGH NJW 55, 1037; BayObLG DAR 67, 278 = MDR 67, 943; VRS 38, 112 = NJW 69, 1583; KG VRS 19, 111; Bremen VRS 20, 439; Oldenburg DAR 63, 304. 3 S 1 ) BGHSt. 21, 381 = NJW 68, 658 = JZ 68, 273 m. Anm. Cramer; Zweibrücken DAR 70, 105; a. A. Schönke-Schröder $ 51 StGB RNr. 38. SS2) Vgl. Düsseldorf VRS 23, 100 = NJW 62, 684.
T r u n k e n h e i t im Verkehr
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§ 316
Eine fahrlässige Tat (fahrlässige actio libera in causa) ist anzunehmen, wenn der Täter während des Alkoholgenusses damit hätte rechnen müssen, er werde anschließend noch mit seinem Fahrzeug fahren, wobei er ebensowenig wie bei der Vorsatztat ( R N r . 76 oben) zu bedenken braucht, das Fahrzeug später im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit zu b e n u t zen 333 ). Wenn der Täter in verantwortlichem Zustand fahrlässig die entscheidende Ursache f ü r seine spätere Verfehlung gesetzt hat, die er dann in einer f ü r ihn voraussehbaren Weise begangen hat, während seine Zurechnungsfähigkeit möglicherweise erheblich vermindert war, so findet § 51 Abs. 2 StGB i. d. R . keine Anwendung 3 3 4 ). Die fahrlässige actio libera in causa setzt aber nicht n u r voraus, daß der Erfolg, das Fahren in fahruntüchtigem Zustand, allgemein voraussehbar ist, sondern auch, daß der k o n k r e t e Gesdiehensablauf nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt 338 ). Ein K r a f t f a h r e r , der mit seinem K r a f t f a h r z e u g eine Gastwirtschaft aufsucht, u m d o r t Alkohol zu trinken, m u ß grundsätzlich damit rechnen, er werde sein Fahrzeug in fahruntüchtigem Zustand zur H e i m f a h r t benutzen. E r h a t deshalb Vorsorge zu treffen, die eine spätere Fahrzeugbenutzung in fahruntüchtigem Zustand ausschließt. Allein die ursprüngliche Absicht, nach Alkoholgenuß nicht mehr zu fahren, genügt nicht zur Verneinung eines Vergehens nach 5 316 und z u r A n n a h m e eines Vergehens der Volltrunkenheit nach § 330a StGB 83 "). H a t sich z. B. der Täter nach einem U m t r u n k in der Gaststätte zur Übernachtung eingemietet, liefert er aber nicht die Wagenschlüssel ab u n d f ä h r t er später mit seinem Fahrzeug in einem durch Alkoholgenuß f a h r u n tüchtigen u n d die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand t r o t z d e m nach Hause, h a t er fahrlässig gegen § 316 verstoßen, weil er damit redinen mußte, im Zustand alkoholbedingter E n t h e m m u n g unbedachte Entschlüsse zu fassen' 37 ).
77
Ebenso ist zu beurteilen, wenn der Täter zwar bei Trinkbeeinn die Wagenschlüssel einem anderen gibt, aber nicht daran gedacht hat. daß er Ersatzschlüssel bei sich f ü h r t u n d schließlich u n t e r deren Benutzung mit seinem Pkw. in volltrunkenem Zustand nach Hause fährt 33 ®). Als unzureichende Vorsorge geeen die spätere F a h r z e u e f ü h r u n e ist auch das Abstellen des Fahrzeugs auf einem von der Gastwirtschaft etwas entfernten Platz anzusehen33®) u n d rechtfertigt deshalb die A n n a h m e einer fahrlässigen actio libera in causa. Der Volltrunkenheitstatbestand des § 330a StGB ist n u r in den Fällen zu bejahen, in denen der Täter den Entschluß z u r F a h r z e u g f ü h r u n g erst im Zustand des die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausches f a ß t u n d während des Trinkens diesen Geschehensablauf weder billigend in Kauf n a h m u n d auch nicht damit rechnete, solchen unbedachten E n t schluß zu fassen. VI. Reditswidrigkeit Die Rechtswidrigkeit der Rauschfahrt nach § 316 StGB kann ebenso wie bei anderen Straftaten bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ausgeschlossen sein. Von den in Rechtslehre u n d Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgründen k o m m e n wohl n u r N o t w e h r u n d übergesetzlicher N o t s t a n d in Frage. Eine Rauschfahrt nach § 316 im Rahmen einer N o t w e h r m a ß n a h m e w i r d aber kaum in Betracht zu ziehen sein, ist jedoch denkgesetzlich nicht unmöglich. Größere praktische Bedeutung k o m m t dem übergesetzlichen N o t stand der Güterabwägung zu, wonach es gerechtfertigt ist, ein geringerwertiges Rechtsgut zu gefährden, u m ein höherwertiges zu retten. Das Indiz dieser W e r t u n g ist im Strafrahmen zu s u j i e n ' 4 0 ) . Je geringer die Aussicht auf R e t t u n g eines Rechtsgutes ist, u m so weniger ist die Eingehung einer abstrakten Gefahr durch die T r u n k e n h e i t s f a h r t gerechtfertigt 3 4 1 ). D a 333
) BGHSt. 17, 333; VRS 23, 209, 435; Hamm Blutalkohol 65/66, 161. ) BGH VRS 21, 45; fahrl. a. 1. i. c. schließt bei Vorsatztat § 51 Abs. 2 aber nidit allg. aus: Hamm DAR 72, 133. "5) Celle VRS 40, 16. M «) BayObLG VRS 33, 271 = DAR 67, 278; Oldenburg DAR 63, 304.
M4
337) Celle NJW 68, 1938; BayObLG VRS 33, 271 = DAR 67, 278; Köln VRS 32, 261 = NJW 67, 306 = DAR 67, 137. 338 ) Hamm Blutalkohol 65/66, 244. '*•) Köln MDR 67, 514. 34 °) Vgl. BGHSt. 13, 199. M1 ) Vgl. dazu auch Müller/Rüth StVR Bd. 1 S 24 StVG RNr. 24. 1147
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jede Rauschfahrt eine abstrakte Gefahr und sogar die Möglichkeit einer Gefährdung oder Verletzung von Menschen in sich birgt, ist eine Rauschfahrt bei Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter nur gerechtfertigt, wenn die Gefahr für das bedrohte Rechtsgut erheblich größer ist als die abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs durch den fahrtüchtigen Fahrzeugführer 342 ). So kann z. B. die Fahrt eines betrunkenen Kraftfahrers gerechtfertigt sein, der zu einer Unfallstelle fährt, um verunglückten Personen die erforderliche Hilfe zu leisten 343 ) und die Trunkenheitsfahrt das einzige Mittel ist, Rettung zu bringen 344 ). Allerdings dürfen während der Trunkenheitsfahrt andere Verkehrsteilnehmer nicht in eine erhebliche Gefahr gebracht werden 345 ); auch darf das mit der Fahrt eingegangene Risiko nicht so groß sein, daß dadurch die ganze Rettungshandlung als Hilfsmaßnahme in Frage gestellt wird. 79
Glaubt der Täter irrig, in gerechtfertigter Notmaßnahme zu handeln, kann seine Tat entschuldigt sein, wenn der Irrtum nicht selbst auf Fahrlässigkeit beruht. Der Irrtum des Täters ist aber nicht schon deshalb vorwerfbar, weil er sich infolge des Alkoholgenusses der Fähigkeit beraubt hatte, die gegebene Lage klar abzuwägen und nüchtern zu überlegen 346 ). Die Durchführung einer Trunkenheitsfahrt auf Grund dienstlichen Befehls ist nicht gerechtfertigt, weil jeder Beamte und Soldat die Ausübung eines Befehls verweigern kann, wenn seine Befolgung die Begehung einer Straftat zur Folge hat (vgl. § 22 WStG, § 56 BBG und die entsprechenden Bestimmungen in den Beamtengesetzen der Länder). VII. Teilnahme
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Täter eines Vergehens nach § 316 StGB kann nur der Fahrzeugführer sein (Begriff: R N r . 3 bis 7 oben), da § 316 ein eigenhändiges Delikt ist. Andere Personen kommen nur als Anstifter oder Gehilfen in Betracht. Für die Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln, sig setzt also vorsätzliches Handeln bei Täter und Teilnehmer voraus. Bedingter Vorsatz genügt. Eine fahrlässige Nebentäterschaft ist beim eigenhändigen Delikt ausgeschlossen347). Im übrigen gelten für die Teilnahme die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts (§§ 48, 49 StGB). § 50 StGB ist zu beachten. 1. Anstiftung
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Anstiftung setzt vorsätzliche Bestimmung des Täters zu dessen vorsätzlicher Tat voraus 348 ). Sie ist z. B. anzunehmen, wenn der Fahrzeugführer seine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit erkannt hat, aber erst durch Zureden des die Fahruntüchtigkeit des Fahrers kennenden Dritten (Anstifters) sich zur Durchführung der Fahrt entschließt. Es reicht aus, wenn Fahrzeugführer und Anstifter Zweifel an der Fahrtüchtigkeit haben, die mangelnde Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, aber billigend in Kauf nehmen. Wer aber die Zweifel des Fahrers an seiner Fahruntüchtigkeit zerstreut und dieser dann in der irrigen Annahme, fahrtüchtig zu sein, ein Fahrzeug führt, kann nicht als Anstifter belangt werden, weil der Täter nur fahrlässig gehandelt 349 ) hat. 2.
82
Beihilfe
Beihilfe (§ 49 StGB) erfordert nach den allgemeinen Grundsätzen die vorsätzliche Förderung der ebenfalls vorsätzlichen Rauschfahrt des Täters. Hält sidi letzterer aus Fahrlässigkeit für fahrtüchtig, ist Beihilfe zu dieser Tat rechtlich ausgeschlossen350). Beihilfe zu einer Rauschfahrt nach § 316 StGB kann durch R a t oder durch sonst psychisch den Entschluß des Täters fördernde Maßnahmen, aber auch in Form physischer Unterstützung ge2) Cramer StVR § 316 StGB R N r . 4 4 ; Hamm VRS 36, 27. 3 4 3 ) Hamm VRS 20, 232. 3 " ) Vgl. Hamm N J W 58, 271 = VRS 14, 431. 3 4 5 ) Vgl. Hamm VRS 20, 232; Stuttgart Justiz 63, 3 8 ; Koblenz MDR 72, 885. 34
1148
«) ) 8) 349) 350) 34
347
34
Hamm VRS 14, 431 = N J W 58, 271. Vgl. BGHSt. 18, 6. Vgl. LK/Busdi § 48, insbes. R N r . 8. LK/Busch § 48 R N r . 6. Vgl. dazu LK/Busch § 49 RNr. 12.
StGB
Trunkenheit im Verkehr
§ 316
leistet werden 3 5 1 ). Wer die Fahruntüchtigkeit eines anderen erkennt oder diese zumindest billigend in Kauf nimmt, ihm aber trotzdem ein Fahrzeug zur Verfügung stellt, leistet Beihilfe zur Trunkenheitsfahrt, wenn der Täter die Trunkenheitsfahrt ebenfalls vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich durchführt. Beihilfe zu § 316 kann auch durch Unterlassen geleistet werden, wenn eine Rechtspflicht bestand, die vorsätzliche Trunkenheitsfahrt des Täters zu verhindern 3 5 2 ). Sie kann sich auch aus vorangegangenem Tun ergeben; hierfür reicht aber eine bloße Zechgemeinschaft allein noch nicht aus 353 ). Vielmehr ist der, der einem K r a f t fahrer Alkohol in größeren Mengen ausschenkt, nur dann verpflichtet, diesen an der anschließenden Fahrt mit seinem Kraftwagen zu hindern, wenn zwischen beiden eine enge Lebensgemeinschaft besteht, die eine besondere Fürsorgepflicht begründet, und wenn bei dem Kraftfahrer ein hoher Trunkenheitsgrad erkennbar ist, der eigenverantwortliches Handeln i. d. R . ausschließt 354 ). Vgl. R N r . 8 unten. 3.
Nebentäter
In der Praxis spielt die Frage, wann eine Teilnahme an einem Vergehen nach § 316 möglich ist, ersichtlich keine entscheidende Rolle. Die Rechtsprethung mußte sich aber in einer Reihe von Fällen damit befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Teilnahme zu den vom Täter während der Trunkenheitsfahrt begangenen anderen Straftaten (z. B. § 230, § 222 StGB) anzunehmen ist. Da es sich hierbei aber grundsätzlich um fahrlässige Taten handelt, wurde die Frage in der Rechtsprechung nicht unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe, sondern der fahrlässigen Nebentäterschaft geprüft.
83
Wer einen Angetrunkenen überredet, mit seinem Kraftfahrzeug zu fahren, die Fahruntüchtigkeit des Fahrers zwar nicht erkannt, aus den Umständen des Einzelfalles aber hätte erkennen können, ist für einen von dem Fahrzeugführer verursachten Unfall, sowie auch für den Tod eines dabei verunglückten Menschen nach § 222 StGB i. d. R . mitverantwortlich 355 ), weil die Folgen einer Trunkenheitsfahrt grundsätzlich voraussehbar sind 356 ). Mit außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Geschehensabläufen braucht der Dritte nicht zu rechnen.
84
Wer als Gastwirt einem Kraftfahrer Alkohol eingeschenkt hat, ist regelmäßig nur dann verpflichtet, das Weiterfahren des Gastes mit angemessenen und ihm möglichen Mitteln zu verhindern, wenn der Gast offensichtlich so betrunken ist, daß er sich nach verständiger Beurteilung nicht mehr eigenverantwortlich verhalten kann 3 5 7 ). Mit dieser Entscheidung hat der B G H seine frühere weitergehende Auffassung eingeschränkt 358 ) und die Einschreitungspflicht durch die Zumutbarkeit der Tätigkeitsentfaltung und die A r t der psychischen Verfassung des unmittelbaren Täters begrenzt. Der B G H leitet die Pflicht des Gastwirtes aus § 16 Abs. 1 N r . 3 GastG ab, der den Pflichtenkreis des Gastwirtes umschreibt. Aus dieser Entscheidung darf aber nicht geschlossen werden, daß nur die dem Gaststättengesetz unterliegenden Personen eine Rechtspflicht trifft, die Trunkenheitsfahrt unter den gegebenen Voraussetzungen nach Möglichkeit zu unterbinden 3 5 9 ). Vielmehr obliegt auch dem privaten Gastgeber grundsätzlich die gleiche Handlungspflicht. Für ihn können keine anderen Maßstäbe gelten. Auch er kann als fahrlässiger Nebentäter für die auf der Fahrt begangenen Zuwiderhandlungen in Betracht kommen 3 6 0 ). Der Fahrzeughalter oder der von diesem mit den Halterpflichten Beauftragte Abs. 2 S t V Z O , § 10 Abs. 2 OWiG) darf die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs einen fahruntüchtigen Fahrzeugführer weder anordnen noch zulassen. Wird dieser faltspflicht nicht genügt, wurde insbesondere die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers « ) Vgl. LK/Busch § 49 RNr. 17 ff. ) LK/Busdi § 49 RNr. 18. 3 5 S ) Vgl. BayObLG NJW 53, 556; KG VRS 10, 138; Düsseldorf VRS 30, 355; auch Cramer GA 61, 97. 3 5 4 ) Düsseldorf NJW 66, 1175. 3 5 5 ) KG VRS 11, 357.
) ") ) 359) 36 °)
3
356
352
3
358
(§31 durch Sorgnicht
vgl. Härtung J R 58, 390. BGHSt. 19, 152 = VRS 26, 110. Vgl. BGHSt. 4, 20 = VRS 5, 208. So auch Cramer StVR § 316 RNr. 46. So auch Cramer a. a. O. unter Hinweis auf Schönke-Schröder vor § 51 StGB RNr. 92; vgl. auch Geilen JZ 65, 469. 1149
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§316
StGB
Rüth
hinreichend ü b e r p r ü f t , obwohl sich nach den Umständen des Einzelfalles Zweifel an dessen Fahrtüchtigkeit hätten aufdrängen müssen, k ö n n e n H a l t e r oder dessen Beauftragter (z. B. der eigenverantwortlich handelnde Betriebsleiter) f ü r die von dem Fahrzeugführer begangenen Straftaten (z. B. fahrlässige Tötung) als fahrlässige N e b e n t ä t e r strafrechtlich m i t verantwortlich sein3®1). Bemerkt der im Fahrzeug mitfahrende Kfz.-Halter, daß der Fahrzeugführer während der F a h r t Alkohol t r i n k t u n d dadurch in einen f a h r u n t ü d i t i g e n Z u stand gerät, hat er dessen Weiterfahrt sofort zu unterbinden, andernfalls er f ü r die Folgen der T r u n k e n h e i t s f a h r t selbst einzustehen hat 3 6 2 ). VIII. K o n k u r r e n z 86
Das Vergehen der T r u n k e n h e i t im Verkehr nach § 316 ist Dauerstraftat. Es t r i t t gegenüber § 315c Abs. 1 N r . la als subsidiär zurück. Mit der Rauschfahrt ideell konkurrierende Ordnungswidrigkeiten werden neben der Straftat nicht verfolgt (§ 17 OWiG). Sie gewinnen erst dann selbständige Bedeutung, wenn der angenommene Rauschzustand entweder nicht vorliegt oder nicht beweisbar ist. Die D u r c h f ü h r u n g der T r u n k e n h e i t s f a h r t ist als ein einheitliches Geschehen, somit als eine Tat im Sinne des § 264 StPO anzusehen. Kurze Fahrtunterbrechungen (z. B. auch solche von l'/2stündiger Dauer) beseitigen nicht die Einheitlichkeit der T a t im verfahrensrechtlichen Sinn 363 ); auch materiellrechtlich ist bei kurzen Fahrtunterbrechungen grundsätzlich nur eine Tat anzunehmen, wenn das Fahrtziel von vorneherein feststeht 364 ). Die A n nahme einer fortgesetzten Tat scheidet deshalb grundsätzlich aus. H a t t e der Täter jedoch, als er die Fahrt unterbrach, nicht die Absicht, mit dem Fahrzeug weiterzufahren, b e r u h t die Weiterfahrt somit auf einem neuen Entschluß, wird m a n von zwei sachlich zusammentreffenden Vergehen nach § 316 auszugehen haben. Wurde v o m Täter im Zustand der T r u n kenheit ein Verkehrsunfall verursacht, so ist das Vergehen der (fahrlässigen, evtl. vorsätzlichen) Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 N r . l a StGB mit der H e r b e i f ü h r u n g des Unfalls beendet. Die Weiterfahrt b e r u h t auf einem neuen Entschluß 385 ) u n d stellt sicii deshalb im materiellrechtlichen Sinn als selbständige Tat dar (tateinheitlich zusammentreffende Vergehen nadi § 316 u n d § 142 StGB) 396 ). Verfahrensrechtlich jedoch liegt auch in diesem Falle n u r eine Tat i. S. des § 264 StPO vor 367 ). Die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs im Sinne des § 264 StPO macht jedoch f ü r sich allein eine Rechtsmittelbesdiränkung auf die Verurteilung wegen Verkehrsflucht rechtlich zusammentreffend m i t T r u n k e n h e i t im Verkehr noch nicht unzulässig 368 ). Da jedoch die tatbestandsmäßige Verflechtung zwischen schuldhafter H e r b e i f ü h r u n g eines trunkenheitsbedingten Verkehrsunfalles u n d der anschließend begangenen Verkehrsflucht einer beide Ereignisse umfassenden Trunkenheitsf a h r t sehr eng ist, kann der Schuldspruch nicht geteilt werden 3 6 9 ); eine getrennte Anfechtung ist in diesen Fällen nicht möglich. IX. Strafzumessungsfragen 1. Allgemeines
87
Die frühere Auffassung, daß Trunkenheitsdelikte grundsätzlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe erfordern u n d die Aussetzung der Strafvollstreckung n u r bei leichten u n d durchschnittlichen Fällen gerechtfertigt ist 370 ), ist durch das 1. S t r R G v o m 25. 6. 1969 371 ) überholt. Für die Bestrafung der Trunkenheitsdelikte gelten n u n m e h r die §§ 13, 14, 16, 17, "Ol) BGHSt. 18, 359 = VRS 25, 147; Hamburg VRS 21, 305; 25, 433; NJW 64, 2027; Hamm VRS 23, 107. 36 2) BGH VRS 4, 608. 3«3) Celle DAR 66, 137 = VRS 30, 196. »61) Karlsruhe VRS 35, 267 = Justiz 68, 286. 365) Vgl. dazu im einzelnen § 315c RNr. 75.
1150
366
) § 142 RNr. 97, 98. Vgl. BGH DAR 70, 74. ) BGHSt. 24, 185; Karlsruhe NJW 71, 157. 369 ) BayObLGSt. 71, 45; vgl. audi BGHSt. 24, 185 jeweils mit weiteren Nachweisen. 37 °) Vgl. BGHSt. 22, 192 = VRS 35, 106. 371 ) BGBl. 69 I 645. 367 ) 368
StGB
Trunkenheit im Verkehr
§ 316
23 StGB. Nicht anwendbar ist § 15 StGB, da die §§ 315a, 316 S t G B auf diese Vorschrift nicht verweisen. Verschiedentlich haben sich Verkehrsstrafrichter in der B R D zusammengefunden und Strafzumessungsfragen erörtert. Entgegen Jagusch 372 ) sind die auf diesen Tagungen letztlich zustandegekommenen sog. „Strafzumessungsempfehlungen" weder verfassungswidrig noch sonst unzulässig. Auf die zutreffenden Ausführungen von Middendorf 3 7 3 ), Händel 3 7 4 ), Seib 3 7 6 ) und Dünnebier 3 7 6 ) darf verwiesen werden. Die sog. Strafzumessungsempfehlungen entbehren jeder Verbindlichkeit, sie bezwecken nur, Richtern mit extremen Auffassungen hinsichtlich der Strafbemessung Material an die Hand zu geben, ihre eigene Ansicht zu überprüfen. Darüber hinaus dient es der Rechtssicherheit, ähnlich gelagerte Fälle auch ähnlich zu ahnden und zu bestrafen 3 7 7 ). Aufgabe der folgenden Ausführungen soll es sein, einige Grundsätze darzulegen, die von der Rechtsprechung in bezug auf die Bestrafung von Trunkenheitstätern im Hinblick auf die nach dem 1. 4. 1970 geltenden Bestimmungen des 1. S t r R G entwickelt wurden. 2.
Freiheitsstrafe
Unerläßlich ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter nur, wenn eine Geldstrafe hierzu nicht ausreicht 378 ). Es kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, daß allein schon eine überdurchschnittlich große Tatschuld eines Ersttäters einer Trunkenheitsfahrt die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerläßlich macht 3 7 8 ). I m Einzelfall kann jedoch schwerwiegendes Verschulden oder eine große Gefährlichkeit der Tat ein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 S t G B sein 38 "). Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe kann ausnahmsweise auch bei einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt eines bisher nicht bestraften Kraftfahrers geboten sein; hat der Tatrichter diese Uberzeugung rechtsfehlerfrei gewonnen, ist sie revisionsrichterlicher Nachprüfung entzogen 3 8 1 ), wenn der Tatrichter seine Uberzeugung in den schriftlichen Urteilsgründen eingehend dargelegt und abgewogen hat, wie eine auch sehr hohe Geldstrafe auf den Täter wirken wird 3 8 2 ).
3g
Vorstrafen können sowohl straferschwerend berücksichtigt werden 3 8 3 ), wie auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder die Versagung von Strafaussetzung rechtfertigen. Seit Inkrafttreten des Bundeszentralregistergesetzes vom 18. 3. 1971 3 8 4 ) am 1. 1. 1972 unterliegen sie jedoch einem absoluten Verwertungsverbot, soweit sie getilgt oder tilgungsreif sind (§ 49 B Z R G ) oder in das Bundeszentralregister nicht übernommen werden (§§ 60, 61 B Z R G ) . Greifen diese Verwertungsverbote nicht ein, kann eine einschlägige Vorstrafe bei einer Wiederholungstat als persönlichkeitsbezogener Umstand die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerläßlich machen; jedoch darf auch bei Wiederholungstätern die Unerläßlichkeit einer Freiheitsstrafe nicht schematisch bejaht werden 3 8 5 ). Dies gilt auch bei bedingt vorsätzlicher, aber folgenlos gebliebener Trunkenheitsfahrt 3 8 6 ). Bei einem Wiederholungstäter werden aber die besonderen Voraussetzungen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe meist gegeben sein 387 ). Ein Tatrichter läßt die Persönlichkeit des Täters und sein Vorlegen außer Acht und entscheidet deshalb rechtsfehlerhaft, wenn er dem Umstand nicht das ihm zukommende Gewicht beimißt, daß der Täter innerhalb der Bewährungszeit rückfällig geworden ist 3 8 8 ).
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) ) »«) 37 ») 3n) S77) 372 373
) ) 581) 382)
S79 s80
NJW 70, 401, 1865. Blutalkohol 70, 284. Blutalkohol 70, 204. k + v 69, 452. JR. 70, 241. So auch Kaiser Blutalkohol 72, 141. Stuttgart VRS 39, 417. Stuttgart, Fußnote 378. Köln DAR 71, 300. Frankfurt DAR 72, 48. Frankfurt NJW 72, 298; Braunschweig Blutalkohol 70, 475; Koblenz MDR 70, 693;
) ) 38ä) 383 384
386 387
388
) ) )
Hamburg VerkMitt. 71, 57 Nr. 67; Zweibrücken Blutalkohol 70, 330; VHS 38, 40. BGH VRS 41, 349. BGBl. I 243. Hamm VRS 41, 410; Blutalkohol 71, 63, 463; 70, 479; Düsseldorf VerkMitt. 71, 58 Nr. 88. Frankfurt DAR 72, 49. Koblenz Blutalkohol 71, 463; BayObLG 1. 3. 72, 1 St 156/71; Köln VRS 39, 418; Blutalkohol 71, 467. KG Blutalkohol 72, 276. 1151
§316
StGB
Rüth
Der bloße Hinweis auf eine Vorstrafe oder die Begehung der neuen Tat innerhalb der Bewährungsfrist genügen zur Begründung einer Freiheitsstrafe jedoch nicht 389 ). Nicht rechtsfehlerhaft ist es jedoch, die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen einen mit einem Blutalkoholgehalt v o n 2,7%« auf nächtlicher Straße unfallfrei gefahrenen Pkw.Führer als zur Einwirkung auf den Täter unerläßlich anzusehen, wenn die Tat etwa 10 Monate nach einer einschlägigen V o r t a t (2,14%o), weniger als 4 Monate nach deren Aburteilung, innerhalb der zugebilligten Bewährungsfrist u n d weniger als einen Monat nadi N e u erteilung der entzogen gewesenen Fahrerlaubnis begangen wurde 3 6 0 ). Bei einem mehrfach rückfälligen Trunkenheitstäter ergibt die Würdigung der Person regelmäßig die Unerläßlichkeit auch einer n u r kurzfristigen Freiheitsstrafe 3 9 1 ). Eine Vorstrafe wegen tateinheitlicher Vergehen der fahrlässigen Verkehrsgefährdung und der fahrlässigen T ö t u n g reicht aber f ü r sich allein nicht aus, u m die Unerläßlichkeit einer Feriheitsstrafe z u r Einwirkung auf den Täter zu begründen 3 9 2 ). Ein nach der Straftat liegendes Verhalten darf n u r dann strafschärfend herangezogen werden, wenn es Schlüsse auf ihren Unrechtsgehalt zuläßt oder Einblick in die innere, zu mißbilligende Einstellung des Täters zu seiner Tat zuläßt 392 "). 90
Zur Verteidigung der Rechtsordnung 3 8 3 ) ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe dann unerläßlich, wenn zu besorgen ist, daß die Verhängung einer Geldstrafe die Rechtstreue der Bevölkerung gefährden könnte 3 9 4 ). Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, daß in schwereren Fällen der F ü h r u n g eines Kraftfahrzeugs im Zustand alkoholbedingter Fahruntauglichkeit allgemein oder auch n u r regelmäßig die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich sei 395 ). Jedoch wird bei Trunkenheitsfahrten m i t schwerwiegenden, nicht wiedergutzumachenden Folgen die Verteidigung der Rechtsordnung häufiger als bei den meisten sonstigen Rechtsverletzungen den Anspruch einer, wenn auch n u r kurzfristigen Freiheitsstrafe verlangen; dies gilt auch bei unbescholtenen Ersttätern 3 9 6 ). Bedürfnisse der Allgemeinheit nach Recht und Sicherheit im Straßenverkehr u n d die in überfüllten Straßen einer Großstadt von jedem K r a f t f a h r e r zu verlangende Gesetzestreue begründen noch nicht die Unerläßlichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung 3 9 7 ). Auch der allgemeine Hinweis auf die Z u n a h m e v o n T r u n kenheitstaten im Verkehr genügt nicht 398 ). Eine bedrohliche Z u n a h m e der Trunkenheitsdelikte soll nach Koblenz 399 ) eine Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen. Das gilt jedoch nur, wenn der Tatrichter einen solchen Einstellungswandel in erfahrungswissenschaftlich überzeugender Weise festgestellt u n d dargelegt hat, daß ihm nur durch die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen entgegengewirkt werden kann 4 0 0 ). Bei Wiederholungstätern ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung nicht immer unerläßlich; dies gilt auch bei bedingt vorsätzlicher, aber folgenloser T r u n k e n h e i t s f a h r t eines verkehrsstrafrechtlich vorbelasteten Kraftfahrers 4 0 1 ). Eine Freiheitsstrafe kann aber aus G r ü n d e n der Einwirkung auf den Täter geboten sein 402 ). 3. Geldstrafe.
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Die Verhängung einer Geldstrafe bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr richtet sich nach den Grundsätzen des § 14 StGB 402 "). Es wäre rechtsfehlerhaft, die P r ü f u n g , ob eine 389
) Schleswig Blutalkohol 70, 396; SdilHA 71, 94. 39 ») Köln Blutalkohol 70, 250. 391 ) Hamm VRS 40, 11 = VerkMitt. 71, 4 Nr. 5. 382 ) Hamm Blutalkohol 71, 238. 392 ") BGH NJW 71, 1758. 39S ) Vgl. LK/Koffka § 14 RNr. 14. 394 ) Stuttgart VRS 39, 417. 395 ) BayObLG Blutalkohol 70, 400; Köln Blutalkohol 71, 61 = VerkMitt. 70, 21 Nr. 3; VRS 39, 27. 1152
396
) BayObLG Blutalkohol 72, 210 = VRS 42, 179 = DAR 72, 130; vgl. audi BGHSt. 24, 64. 397 ) Köln DAR 71, 300. 398 ) Hamm DAR 70, 328. 399 ) Blutalkohol 71, 69. 40 °) Frankfurt VRS 42, 182 = DAR 72, 49. 401 ) Frankfurt, Fu. 4 2 ° ) Zweibrücken Blutalkohol 70, 332 = DAR 70, 164; Hamm DAR 72, 244. 402«) Vgl. Tröndle MDR 72, 461.
StGB
Trunkenheit im Verkehr
§ 316
Geldstrafe den Strafzweck erfüllt, bei Trunkenheitsdelikten zu unterlassen. Audi kann die Frage, ob Geld- oder Freiheitsstrafe, nicht schlechthin oder überwiegend von den Tatfolgen abhängig gemacht werden 4 0 3 ). Bei Ersttätern wird bei Vergehen nach § 316 wohl primär eine Geldstrafe in Erwägung zu ziehen sein, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls, die im einzelnen näher darzulegen sind, die Verhängung einer Freiheitsstrafe gebieten (vgl. R N r . 88 ff. oben). Auch bei Wiederholungstätern sind Geldstrafen nicht allgemein ausgeschlossen, vielmehr wird es im einzelnen auf die A r t der Vorstrafen, die Sdiuldform der neueren Tat, der A r t ihrer Begehung ankommen 4 0 4 ). Will das Gericht für einen durch schweren Alkoholmißbrauch verursachten tödlichen Verkehrsunfall (nur) eine Geldstrafe verhängen, so muß es in den Urteilsgründen regelmäßig darlegen, weshalb keine Freiheitsstrafe von 6 Monaten oder mehr in Betracht k o m m t und weshalb eine kürzere Freiheitsstrafe nicht zur Einwirkung auf die Persönlichkeit des Täters oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich ist 4 0 5 ). Die Bemessung der Geldstrafe riditet sich nadi den allgemeinen Grundsätzen der §§ 27, 28, die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 29 StGB. Nach Hamburg soll bei einer Geldstrafe in Höhe eines monatlichen Nettoverdienstes die Bewilligung von Ratenzahlungen entbehrlich sein, wenn der Verurteilte einen Kredit zu günstigen Bedingungen aufnehmen kann 4 0 "). Auch bei Verkehrsstraftaten ist das Gericht durch das Verschlechterungsverbot nicht daran gehindert, eine ursprünglich festgesetzte Geldstrafe angemessen zu erhöhen, wenn ein neben einer Geldstrafe angeordnetes Fahrverbot aufgehoben wird. Jedoch ist dies nur mit der Einschränkung zulässig, daß nach der Fallgestaltung sich auch die erste A r t der Ahndung innerhalb des Bereichs für das Strafzumessungsermessen hielt, die Ersatzfreiheitsstrafe nicht erhöht wird und die neue Geldstrafe innerhalb eines vertretbaren Verhältnisses zu der in alter Höhe belassenen Ersatzfreiheitsstrafe bleibt 4 0 7 ). Für die Grenze, bis zu der die Geldstrafe angemessen erhöht werden darf, gelten die Grundsätze des BGH-Beschlusses vom 11. 11. 1970 4 0 8 ). 4. Strafaussetzung zur Bewährung Strafaussetzung zur Bewährung ist bei Trunkenheitsdelikten nach den gleidien Grundsätzen zu bewilligen, wie bei anderen Straftaten. Die Entscheidung nadi § 23 Abs. 1 S t G B ist keine Ermessensentscheidung; die Vollstreckung von Freiheitsstrafen unter 6 Monaten ist, günstige Sozialprognose vorausgesetzt, zur Bewährung auszusetzen, Strafen von 6 M o naten bis zu einem Jahr unter den gleichen Voraussetzungen, jedoch nur dann, wenn nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet 4 0 '). Da bei Vergehen allein nach § 316 S t G B Strafen von über 6 Monaten kaum in Frage kommen, spielt die Frage der Verteidigung der Rechtsordnung insoweit kaum eine Rolle. Erst beim Zusammentreffen mit anderen Straftaten (z. B. fahrlässiger Tötung) wird die Frage akut. Die Strafzumessung und auch die Zubilligung oder Versagung der Strafaussetzung ist grundsätzlich eine dem Tatrichter obliegende Würdigung. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn der Tatrichter von unrichtigen oder unvollständigen Erwägungen ausgegangen ist oder von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat 4 1 0 ). Audi wenn eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten zur Einwirkung auf den Täter nach § 14 S t G B unerläßlich ist, muß deren Vollstreckung bei günstiger Sozialprognose ausgesetzt werden 4 1 1 ), falls nadi Überzeugung des Gerichts gerade die Warnfunktion der Vollstreckung den Täter von weiteren Straftaten abzuhalten geeignet ist. ) Hamm VRS 39, 330. ° ) Vgl. BayObLG Blutalkohol 70, 334; Hamm VRS 40, 100; Karlsruhe DAR 71, 188. 4 0 S ) Stuttgart VRS 41, 413. 40 «) VerkMitt. 71, 58 Nr. 69. 4 0 ') Köln VRS 40, 257 = VerkMitt. 71, 40 Nr. 48. 40s
4 4
°8) VRS 40, 54. ) Vgl. im einzelnen dazu LK/Koffka § 23 RNr. 23 ff. 4 1 0 ) Hamm VRS 41, 96. 4 " ) BGH VRS 41, 181 = NJW 71, 1415. 4
40B
1153 73 StVO + S t G B
§ 316
StGB
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A u d i Taten, die noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen zugrunde liegen, können bei der Prüfung künftigen Wohlverhaltens unter gewissen Voraussetzungen verwertet werden, z. B. daß der Täter sich durch eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung wegen einer gleichartigen Tat nicht hat warnen lassen 412 ). Das Gericht darf jedoch nicht allein von der Tatsache der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung ausgehen, sondern hat in diesem Fall die dieser Entscheidung zugrunde liegende Tat selbständig zu würdigen. Steht diese Würdigung allerdings mit neuen Tatsachen des späteren Verfahrens in Widerspruch, können diese unter bestimmten Voraussetzungen evtl. einen Wiederaufnahmeantrag nach § 358 N r . 5 StPO begründen.
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Es ist rechtsfehlerhaft, Strafaussetzung zur Bewährung allein mit der Erwägung zu bewilligen, es genüge, daß der Täter nunmehr die wegen der Vortat verhängte Strafe, deren Vollstreckung ausgesetzt wurde, verbüßen müsse, weil der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer erneuten einschlägigen Straftat in § 25 S t G B nicht zwingend vorgeschrieben ist 4 1 3 ). Nicht rechtsfehlerhaft ist es jedoch, die Warnungsfunktion des voraussichtlichen Widerrufs der Strafaussetzung für die frühere Strafe im Rahmen der Persönlichkeitsprognose mitzuberücksiditigen, wobei es sich je nach Lage des Falles rechtfertigen läßt, die Bewährungserwartung ohne Vollstreckung der neuen Strafe zu verneinen oder zu bejahen 4 1 4 ), weil der Umstand, daß die neue Tat innerhalb einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde, allein nicht geeignet ist, von vorneherein eine schlechte Prognose zu stellen und es einen Rechtssatz, daß Vorstrafen schlechthin eine Strafaussetzung zur Bewährung ausschließen, nicht gibt 4 1 5 ). Vielmehr k o m m t es auch in diesem Fall stets auf den Einzelfall an41®). Bei einem rückfälligen Täter kann die Strafvollstreckung aber grundsätzlich nur dann abermals ausgesetzt werden, wenn Umstände vorliegen, aus denen trotz der schlechten Erfahrungen, die mit ihr gemacht worden sind, eine günstige Prognose hergeleitet werden kann. Die Annahme einer günstigen Prognose bedarf in diesem Fall besonders eingehender Darlegungen 4 1 7 ). Bei einem labilen Alkoholiker, der wenige Monate nach Verbüßung einer einschlägigen Freiheitsstrafe wieder unter Alkohol am Straßenverkehr teilnimmt, kann eine günstige Prognose nur unter ganz besonderen, im einzelnen darzulegenden Umständen in Betracht kommen 4 1 8 ). Trunkenheitsfahrten können symptomatisch f ü r die mangelnde Reife eines Heranwachsenden sein 41 *).
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Die bloße Erwägung, der Angeklagte zeige Reue und Einsicht, und sein Fehlverhalten beruhe nicht auf einer rechtsfeindlichen Gesinnung, sondern auf dem Zusammentreffen ungünstiger äußerer Faktoren, genügt nicht für eine günstige Prognose 4 2 0 ). D a maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose nicht die Zeit der Tat, sondern die des Urteilserlasses ist 421 ), müssen Veränderungen in den Lebensumständen des Täters, die nach der T a t eingetreten sind, bei der Persönlichkeitsprognose mitwiegen 4 2 2 ); gleiches gilt, wenn der Eintritt künftiger Tatsachen gewiß ist 4 2 3 ). Eigene schwere Verletzungen mit Dauerfolgen können, wie schon nach früherem Recht 4 2 4 ) Strafaussetzung auch nach § 23 Abs. 1 S t G B n. F. rechtfertigen.
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Unter gewissen Voraussetzungen kann auch eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 2 Jahren ausgesetzt werden (§ 23 Abs. 2). Dies ist eine Ausnahmevorschrift, die namentlich die Berücksichtigung einer Konfliktslage ermöglichen soll 4 2 5 ). D a der Strafrahmen des ) Vgl. LK/Koffka § 23 RNr. 18; Stuttgart NJW 61, 1491; Hamm NJW 65, 924. ) Zweibrücken VRS 41, 182. 4 1 4 ) Köln VRS 42, 96; Blutalkohol 71, 299, 467. 4 1 6 ) Köln VRS 42, 94; LK/Koffka § 23 RNr. 17; Sdiönke-Schröder § 23 RNr. 25. « « ) Köln VRS 39, 418; Blutalkohol 71, 467. 4 1 7 ) KG VRS 41, 254; Hamm DAR 72, 245. 4 1 8 ) Stuttgart DAR 71, 270. 412 413
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Frankfurt NJW 70, 957. Stuttgart VRS 39, 420. LK/Koffka § 23 RNr. 13. Köln VRS 39, 418; Hamm VRS 38, 257. Zweibrücken VRS 41, 182. Vgl. Braunschweig NJW 64, 2263; Köln NJW 66, 895. 4 2 5 ) BGHSt. 24, 3; BGH VRS 43, 172.
StGB
Trunkenheit im Verkehr
§ 316
§ 3 1 6 Strafen nur bis zu einem Jahr androht, k o m m t die Bestimmung des § 23 Abs. 2 nur zur Anwendung, wenn § 316 mit anderen Strafbestimmungen konkurriert (z. B . § 142) oder anstelle des § 316 z. B . die §§ 315c Abs. 1 Nr. l a , 222 anzuwenden sind 429 ). Bei Strafen zwischen 6 Monaten und 1 J a h r darf die Vollstreckung nicht ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet (§ 23 Abs. 3) 4 2 7 ). Eine Freiheitsstrafe über 6 Monate für ein Vergehen nach § 316 k o m m t praktisch kaum vor. Strafen in dieser H ö h e werden meist nur bei Trunkenheitsfahrten nach § 315c Abs. 1 N r . l a (Abs. 3) S t G B mit schweren Unfallfolgen (z. B. fahrlässiger Tötung oder (mit) erschwerter Verkehrsflucht) verhängt. Bei Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt mit schweren Unfallfolgen (§ 315c Abs. 1 N r . l a . Abs. 3 StGB) ist die Aussetzung der zwischen 6 Monaten und einem J a h r betragenden Freiheitsstrafe nicht schon „in aller Regel" nach § 23 Abs. 3 S t G B n. F. ausgeschlossen. In einem solchen Falle gebietet vielmehr die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nur dann, wenn angesichts der besonderen Umstände des Falles zu besorgen ist, daß die Aussetzung der Strafe auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen würde 4 2 8 ). Eine solche Befürchtung liegt bei gehäuft auftretenden Straftaten mit nicht wiedergutzumachenden Schäden, wie Trunkenheitsfahrten mit schweren Unfallfolgen, näher als bei sonstigen Rechtsverletzungen. Ist diese Befürchtung nach den Umständen des Einzelfalles zu bejahen, dann kann die Aussetzung der Vollstreckung nicht allein mit dem Hinweis auf ein besonders günstiges Persönlichkeitsbild des nicht vorbestraften Täters begründet werden 4 2 8 ). Bei schweren Folgen einer Trunkenheitsfahrt kann die Verteidigung der Rechtsordnung auch gegenüber einem Ersttäter sowohl die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten, als auch ihre Vollstreckung unerläßlich machen; dafür kann das stetige und deutliche Ansteigen einschlägiger Straftaten bedeutsam sein 430 ). Die statistisch nachgewiesene Zunahme von Trunkenheitsdelikten rechtfertigt Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung bei Freiheitsstrafen über 6 Monaten nur bei begründeter Annahme, daß gerade die Vielzahl der Strafaussetzungsbewilligungen die Rechtstreue der Bevölkerung nachteilig beeinflußte. Das Rechtsmittel kann auf die Strafzumessung wirksam beschränkt werden. Es ergreift in diesem Fall auch die Strafaussetzungsfrage. Die Beschränkung auf das Strafmaß ist jedoch unwirksam, wenn die Feststellungen zur Schuld lückenhaft und widerspruchsvoll sind, insbesondere den Schuldumfang nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen 431 ). Auch nach Inkrafttreten des § 14 S t G B n. F. ist die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Strafaussetzungsfrage nicht ausgeschlossen 432 ); die enge Verbindung der Erwägungen zur Persönlichkeit bei den §§ 14 und 23 S t G B bedingen allerdings nunmehr häufig die Untrennbarkeit der Straf- von der Aussetzungsfrage; ausschlaggebend sind aber die Umstände des Einzelfalles 4 "). 5. Absehen von Strafe Auch bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr kann unter den Voraussetzungen des § 16 S t G B von Strafe abgesehen werden. Das Absehen von Strafe beschränkt sich aber auf seltene Ausnahmefälle, in denen eine Strafe offensichtlich verfehlt ist 4 3 4 ). Zu berücksichtigen und abzuwägen sind nicht nur die objektiven Folgen, die bei dem Täter eingetreten sind, sondern auch verschuldete nachteilige Auswirkungen auf dritte, dem Täter nicht verwandtschaftlich nahestehende Personen 4 3 5 ). § 16 Satz 1 S t G B ist nicht schon dann «») ") ) 429)
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Vgl. LK/Koffka S 23 RNr. 39, 43. Vgl. LK/Koffka § 23 RNr. 25—38. BGHSt. 24, 40, 64. BGHSt. 24, 64 = VRS 40, 253; ebenso Celle Blutalkohol 71, 58; Koblenz DAR 71, 106; Oldenburg Blutalkohol 70, 246. Hamm VRS 40, 342.
) Hamm VRS 42, 197; DAR 72, 245; vgl. auch BayObLG MDR 71, 508. ) BGHSt. 11, 393; 24, 165; Hamm VRS 42, 355. 4 3 3 ) Köln Blutalkohol 71, 467; Hamm VRS 42, 355. «