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German Pages 270 Year 1964
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 21
Städteerneuerung und Eigentumsordnung Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 25. bis 27. September 1963
Duncker & Humblot · Berlin
Städteerneuerung und Eigentumsordnung
S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 21
Städteerneuerung und Eigentumsordnung Vorträge und Diskussionsbeiträge der verwaltungswissenschafilichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 25. bis 27. September 1963
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, B e r l i n Gedruckt 1964 bei A l b e r t Sayffaerth, B e r l i n 61 Printed in Germany
Vorwort Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer hat i n der Zeit vom 25. bis zum 27. September 1963 eine Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung durchgeführt, auf der hervorragende Sachkenner aus der Bundesrepublik und den wichtigsten europäischen Ländern (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz) das Thema „Städteerneuerung und Eigentumsordnung" behandelt haben. M i t der Tagung war beabsichtigt, die an einem solchen Thema besonders interessierten deutschen Fachleute aus den Kreisen der Städteplaner, Kommunalpolitiker und Verwaltungsjuristen über die gegenwärtige Lage der Beziehungen zwischen Planung und Recht i m Städtebau, insbesondere über das Verhältnis von Städteerneuerung und Eigentumsordnung, i n außerdeutschen Staaten zu unterrichten. Den Teilnehmern an der Tagung sollte durch die Referate ein B i l d darüber gegeben werden, auf welchen rechtlichen Voraussetzungen die Städteerneuerung i n anderen Staaten beruht und m i t welchen rechtlichen Schwierigkeiten sie dort zu kämpfen hat. Die Ergebnisse der Tagung sollten ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, ob die gegenwärtige Lage der Beziehungen zwischen Städteerneuerung und Eigentumsordnung i n der Bundesrepublik, gemessen an vergleichbaren Verhältnissen i n anderen europäischen Staaten, Anlaß dazu gibt, auf eine Umgestaltung des geltenden Rechts nach den Erfordernissen der Städteerneuerung hinzuwirken. Der vorliegende Band der Schriftenreihe enthält die Referate, die auf der Tagung gehalten worden sind, und i m Anschluß an jedes Referat — i n möglichst wortgetreuer Wiedergabe — die Diskussionsbeiträge. Die Hochschule entspricht damit dem Wunsch zahlreicher Teilnehmer der Tagung, die Referate und die Diskussionsbeiträge gedruckt zu sehen. Sie hält ihre Veröffentlichung aber auch deshalb für angezeigt, w e i l sie i n ihnen einen beachtlichen Beitrag zu der Erörterung von Problemen erblickt, die, wie hervorragende Fachleute meinen, für die Gestaltung unserer Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. Es wäre deshalb auch zu wünschen, daß die m i t der Tagung angeregte, rechtsvergleichende Behandlung dieser
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Vorwort
Probleme — trotz aller weiterverfolgt würde.
ihr
innewohnenden
Schwierigkeiten —
Den an der Tagung beteiligten in- und ausländischen und Diskussionsrednern ist die Hochschule nicht nur für nahme, sondern auch dafür zu herzlichem Dank verpflichtet, Veröffentlichung ihrer Ausführungen an dieser Stelle haben.
Referenten ihre Teildaß sie der zugestimmt
Speyer, den 1. A p r i l 1964 Professor Dr. Carl Hermann
Ule
Inhalt Professor Dr. Carl Hermann wissenschaften Speyer:
Ule, Rektor der Hochschule für Verwaltungs-
Vorwort
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Staatssekretär Fritz Dupprö, Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, Mainz: Eröffnungsansprache
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Ministerialdirigent Dr. Friedrich Halstenberg , Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, Bad Godesberg: Städteerneuerung Deutschland
und
Eigentumsordnung
in
der
Bundesrepublik 17
Aussprache: Oberbürgermeister Bockelmann,
Frankfurt/Main
52
Dr. Wendt, Essen
55
Ltd. Regierungsdirektor Scharnberg, Hamburg
58
Baudirektor a. D. Dr. Reichow, Hamburg
59
Ministerialdirigent Dr. Halstenberg , Bad Godesberg
61
Hof rat Dr. Friedrich Krzizek, Verwaltungsgerichtshof Wien: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der Bundesrepublik Österreich
63
Aussprache: Stadtbaurat Dr. Krebs, Salzgitter-Lebenstedt Verwaltungsgerichtsrat Dr. Stich, Neustadt/Weinstraße N. N Hofrat Dr. Krzizek, Wien
85 85 86 86
Fürsprecher Dr. R. Stüdeli, Schweizerische Vereinigung f. Landesplanung, Zürich: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der Schweiz
93
Aussprache: Wiss. Assistent Baumert,
Berlin
117
Senatspräsident Meyer, Lüneburg
117
Fürsprecher Dr. Stüdeli, Zürich
119
Professor Dr. Carl Hermann
Ule:
Vorwort zu den ergänzenden Darlegungen Hofrats Dr. Friedrich Hof rat Dr. Friedrich
Krzizek,
Krzizek
119
Verwaltungsgerichtshof Wien:
Eigentumsschutz und Enteignungsentschädigung in Österreich
121
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Inhalt
Dr.-Ing. Manlio Budinis, Société Generale Immobiliare — Ufficio Studi —, Rom: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Italien
125
Aussprache: Professor Dr. Ule, Speyer Stadtbaurat Schmidt, Augsburg
140 140
Dr. Wendt, Essen Delegierter des Stadtrates Marti, Zürich
141 143
Wiss. Assistent Baumert, Berlin Professor Dr. Albers, München Dr. Budinis, Rom Professor Dr. Ule, Speyer
144 144 145 149
Professor Dr. Franz Wastiels, Ministerie van Openbare Werken, Bestuur van de Stedebouw un die Ruimteligke Ordening, Brüssel: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Belgien
151
Aussprache: Oberbürgermeister Bockelmann,
165
Frankfurt/Main
Ministerialrat Ziegler, Stuttgart N. N Verwaltungsgerichtsrat Dr. Stich, Neustadt/Weinstraße Professor Dr. Wastiels, Brüssel
165 166 166 167
Dr. Walter Schindler, Redakteur der British Broadcasting Company, London: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Großbritannien
169
Aussprache: Professor Dr. Mayer, Speyer Fürsprecher Dr. Stüdeli, Zürich Ltd. Regierungsdirektor Scharnberg, Hamburg Ltd. Baudirektor Fürlinger, Berlin Regierungsdirektor Carlsson, Hamburg Wiss. Rat Dr. Schroeder, Berlin Dr. Schindler, London
186 188 188 190 191 192 193
Sousdirecteur Maurice-François Rouge, Ministère de la Construction, Paris: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Frankreich
195
Aussprache: Regierungsdirektor Johannsen, Kiel Dr. Schindler, London Verwaltungsgerichtsrat Dr. Stich, Neustadt/Weinstraße Stadtbaurat Dr. Krebs, Salzgitter-Lebenstedt Studienassessor Oswald, Freiburg/Breisgau Delegierter des Stadtrates Marti, Zürich Wiss. Assistent Baumert, Berlin Sousdirecteur Rouge, Paris
216 216 217 217 217 218 218 218
Inhalt Dr. F. J. Beurike, Ministerie van Volkshuisvesting en Bouwnijverheid, s' Gravenhage: Städteerneuerung und Eigentumsordnung in den Niederlanden
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Aussprache: Professor Dr. Ule, Speyer
233
Ministerialrat Ziegler , Stuttgart Senatspräsident Meyer , Lüneburg N. N Ltd. Baudirektor Fürlinger, Berlin Dr. Beunke, s' Gravenhage
234 235 235 235 236
Schlußaussprache: Professor Dr. Ule, Speyer Professor Dr. Albers , München Professor Dr. Ule, Speyer Ltd. Regierungsdirektor Dr. Haas, Hamburg Senatspräsident Meyer , Lüneburg Sousdirecteur Rouge, Paris Delegierter des Stadtrates Marti, Zürich Dr. Schindler, London Ltd. Baudirektor Fürlinger, Berlin Dr. Schüler, Ludwigsburg Stadtbaurat Dr. Krebs, Salzgitter-Lebenstedt Professor Dr. Ule, Speyer N. N Ministerialrat Ziegler, Stuttgart Professor Dr. Ule, Speyer
237 238 241 242 244 246 247 249 251 252 252 253 253 254 256
Anhang
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I. Gesichtspunkte für die Vorträge der Tagung: „Städteerneuerung und Eigentumsordnung"
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I I . Schrifttum
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Rednerverzeichnis
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Eröffnungsansprache Von Fritz Duppre
Das Thema, das dieser verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung gestellt ist, ist nicht nur — wie es auf den ersten Blick den A n schein haben könnte — ein juristisches. Es erfordert auch die Berücksichtigung gewichtiger sozialer, wirtschaftlicher und nicht zuletzt finanzieller Gesichtspunkte und trägt politische Züge i n des Wortes ursprünglichster Bedeutung. Bis zu einem gewissen Grad ist allerdings regelmäßig bei juristischen Untersuchungen auf den Gesamtbereich der Lebensbeziehungen, die von der Thematik erfaßt werden, einzugehen. Das Außergewöhnliche des vorliegenden Themas scheint m i r jedoch i n dem Umfang und der Intensität der hier neben der juristischen Frage zu behandelnden Sachbereiche und ihrer Auswirkungen zu liegen. Es geht nicht nur u m die Frage, welche Grenzen einer Städtesanierung i m Hinblick auf die verfassungsmäßigen Garantien des Eigentums gesetzt sind. Wenn diese Frage auch i m M i t telpunkt der Erörterungen stehen wird, so setzt sie doch eine Untersuchung des Umfangs und der Möglichkeiten der Städteerneuerung voraus. A m Anfang steht sicherlich die Frage, ob eine Städteerneuerung notwendig und aktuell ist. Darüber braucht man weder zu streiten, noch sich lange zu unterhalten. Vielerorts ist der Bau neuer Gebäude, neuer Straßenzüge, ja ganz neuer Stadtviertel eine gebieterische Folge der Kriegszerstörungen und der Wohnungsnot i n der Nachkriegszeit. Was liegt näher, als diesen Aufbau auszunutzen für eine Verbesserung und Anpassung des Städtebaues an die Erfordernisse des modernen, i n vieler Hinsicht gewandelten Lebens m i t seinen höheren Anforderungen an Zweckmäßigkeit, Gesundheit, Behaglichkeit und Komfort. Die Chancen, die sich hierfür i m Laufe der letzten Jahre des letzten Jahrzehntes boten, sind leider Gottes nicht überall genutzt worden. Vielfach deshalb nicht, w e i l das rapide Wachstum der Wirtschaftskraft und die damit verbundenen steigenden A n sprüche und Forderungen nicht i n diesem Ausmaße vorhersehbar waren. Das mag verzeihlich sein. Die Chancen blieben aber auch ungenutzt, weil es an einer vorausschauenden Planung unter Berücksich-
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Fritz Duppré
tigung der sich ändernden, schnell verändernden Verhältnisse gefehlt hat. Wo die Fehlerquellen auch immer liegen mögen, die Aufgabe der Städteerneuerung bleibt gestellt; und weiter stellt sich die Frage nach der flächenmäßigen Abgrenzung des zu erneuernden Gebiets. Wenn der Ausdruck Städteerneuerung allein vom Wortsinn her ausgelegt würde, dürfte sich eine zu enge Begrenzung ergeben. Eine Aufspaltung nach städtischen und ländlichen Verhältnissen ist nicht mehr zeitgemäß. Städte und ländliche Gebiete unterscheiden sich für den hier interessierenden Fragenbereich nur hinsichtlich der Dichte der Bevölkerung. Die unerwünschten Folgen der Verdichtung gilt es zu beseitigen, was allerdings i n erster Linie auf die größeren Städte zutrifft. Aber schon die Forderung, künftig die Entstehung solcher Verdichtungen und ihre Auswirkungen zu vermeiden, besteht für alle Siedlungsgebiete auch und gerade für die gänzlich neu zu bauenden Siedlungen. I m Vordergrund aller Erneuerungsmaßnahmen sollte jedoch der Gesichtspunkt stehen, daß wertgleiche Lebensverhältnisse i n Stadt und Land herzustellen sind. Das Anliegen, ungesunde Wohnungen zu beseitigen und die Wohnsiedlungsgebiete so zu gestalten, daß für die menschliche Gesundheit möglichst günstige Bedingungen gegeben sind, daß für die Durchgrünung und für Naherholungsgebiete gesorgt ist, daß der Verkehrsfluß gewährleistet und eine sinnvolle Zuordnung von Wohnung und Arbeitsplatz erreicht wird, all das gilt nicht nur für die Städte, sondern für alle Wohnsiedlungsgebiete. Meine Damen und Herrn, das macht deutlich, daß die Städteerneuerung weder auf eine Städtesanierung beschränkt bleiben noch die dörfliche Siedlung ausschließen kann und darf. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß die Städteerneuerung auszurichten ist an den Grundsätzen, die für die Raumgestaltung schlechthin gelten und daß diese Grundsätze das Leitbild bestimmen, das der Erneuerung unserer Siedlungsgebiete zugrunde zu legen ist. Es muß angestrebt werden, unter Berücksichtigung der Belange der Wirtschaft, des sozialen und kulturellen Lebens, der Versorgung und der Erholung ein Höchstmaß an gesunden Lebensbedingungen zu sichern. Die Zielsetzung hat sich insoweit i m Vergleich zu den ersten Jahren der Nachkriegszeit verändert. So sind i n den Begriff der Städteerneuerung kulturelle, hygienische und vor allem soziale Tatbestände und Erfordernisse einbezogen und ihre Aufgaben aus der Begrenzung einer spezifisch städtebaulichen Schau herausgenommen. Alle Forderungen, die an die neuzeitliche Gestaltung der Siedlungsgebiete erhoben werden, gipfeln i n der übergeordneten Aufgabe, dem Menschen zum Wohnen, Arbeiten und zur Erholung i n räumlicher Hinsicht optimale Bedingun-
Eröffnungsansprache
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gen zu schaffen. Der Raumzustand bei dem unvermeidlich engen Zusammenleben soll menschenwürdig beschaffen sein und bleiben. Die Städteerneuerung stellt sich daher als eine komplexe Aufgabe dar, die von den Fragen der Raumordnung und Landesplanung über den Städtebau bis zu detaillierten raumbedeutsamen Einzelmaßnahmen zahllose Probleme und Fragen aufwirft. Es geht darum, überalterte, erneuerungsbedürftige Bebauungsgebiete den modernen Lebens- und Arbeitsverhältnissen anzupassen, neuzuschaffenden Siedlungsraum so zu gestalten, daß die städtische Lebensform, die auf die Dauer auch für die ländlichen Bereiche zu fordern ist, nicht i n einer Steinwüste erstarrt. Durch Aufgliederung und Durchgrünung soll die natürliche Landschaft hineinragen i n das städtische Gefüge. Die ständig stärker werdende Verdichtung von Menschen auf engstem Raum soll nicht als unabwendbare Erscheinung hingenommen, sondern die Zusammenballungen durch gezielte Maßnahmen aufgelockert werden. Arbeitsplatz und Wohnung müssen sinnvoll zueinander geordnet sein, so daß einerseits die Industrie m i t ihren Einflüssen die Wohnungsbezirke nicht stört, andererseits die Zufahrtswege zur Arbeitsstätte sich i n einer zumutbaren Entfernung halten. Straßen und Wege sollen einerseits einen reibungslosen Verkehrsfluß innerhalb der Stadt selbst gewährleisten, andererseits den städtischen Raum verkehrsgünstig an das überörtliche Straßennetz anschließen. Auch i m übrigen sollen die städtischen Anlagen und Planungen sich sinnvoll i n das Umland einfügen. Die Eigenarten und die Raumsituation der näheren und weiteren Umgebung müssen bei den planerischen Maßnahmen beachtet werden. Eine Städteerneuerung, die die Entwicklung und Planung jenseits der Stadtmauern außer acht ließe, wäre heute mehr denn je lebensfremd und schädlich. Dieser keineswegs vollständige Katalog der Aufgaben, die der Städteerneuerung i m weiteren Sinne gestellt sind, beweist ihre Bedeutung. Die räumliche Form, die der Mensch von heute dem städtischen bzw. dem der Stadt angepaßten Leben gibt, w i r d i n die Lebensbedingungen von Generationen hineinwirken. Eine vorausschauende Planung muß alle auf die Raumgestaltung einwirkenden Faktoren berücksichtigen und w i r d meist ohne eine Abstimmung der vielfach divergierenden Belange nicht möglich sein. Innerhalb dieser Gesamtschau muß die Problematik betrachtet werden, die i m Mittelpunkt dieser Arbeitstagung steht. Sinnvolle, großzügige Städteerneuerung w i r d ohne Bodenbeanspruchung nicht möglich sein. Das Recht des Eigentümers, nach freiem Belieben seinen Grund und Boden baulich zu gestalten, w i r d i n Einzelfällen stärker beschränkt werden müssen, als es i m Rahmen der Sozialbindung der Fall ist.
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Fritz Duppré
Weiträumige städtebauliche Anlagen werden ganz ohne Enteignungen nicht möglich sein. Zunächst gilt es zu beachten, daß das Grundgesetz i n Art. 14 eine grundsätzliche Wertentscheidung zugunsten des Eigentums getroffen hat. Gleichzeitig stellt die Verfassung die i n der Institution des Eigentums begründete Eigentumsfreiheit aber unter einen allgemeinen sozialen Vorbehalt und dehnt damit das Bekenntnis zum Sozialstaat auch unmittelbar bis i n die Rechtssphäre des einzelnen Staatsbürgers aus. Die sich daraus ergebende soziale Bindung des Eigentums beruht auf der Verantwortung, die i n jeder gesunden Sozialordnung m i t dem Besitz verbunden ist. Daraus ergeben sich, meine Damen und Herren, meines Erachtens wichtige Hinweise für den Gesetzgeber. Dem Geist des Grundgesetzes entspricht es, eine Enteignung nur dann und nur insoweit vorzusehen, als für den Eigentümer weniger schwerwiegende Eingriffe — bei denen er unter Beibehaltung des Eigentums seine Sache zur Förderung der dringenden Anliegen der Gemeinschaft einsetzt — nicht i n Betracht kommen, w e i l er entweder zu einer derartigen Verwendung nicht fähig oder nicht bereit ist. Für unser Thema gilt es jedoch, zuvor die Grenze zwischen entschädigungsloser Sozialbindung des Eigentums und entschädigungspflichtiger Enteignung zu finden. Die Versuche, zu einer allgemeingültigen Lösung zu gelangen, sind vielfältig. Schon lange sind Rechtsprechung und Wissenschaft davon abgerückt, daß nur i n dem Entzug des Eigentums eine Enteignung zu sehen sei. Bereits unter dem Einfluß des A r t . 153 der Weimarer Verfassung ist die Eigentumsgarantie unter Verzicht auf die überkommene Abgrenzung ausgedehnt worden auf alle Hoheitsakte der öffentlichen Hand, die das Eigentum selbst zwar bestehen ließen, aber die Verfügungs- und Nutzungsrechte einer derart starken Beschränkung unterwarfen, daß diese einer Enteignung gleichkamen. Nach dem Grundgesetz hat man sich unter Fortführung und Verfeinerung dieser Erkenntnis insbesondere bemüht, Kriterien für eine Abgrenzung der Sozialbindung von der Enteignung zu finden. Unterschiedliche Merkmale sind dafür entwickelt worden, die hier nur angedeutet werden können. Eine der Hauptmeinung sieht jede Eigentumsentziehung oder auch nur Eigentumsbelastung, die den Inhaber ungleich trifft und zu einem besonderen, den übrigen Eigentümern nicht zugemuteten Opfer zwingt, als Enteignung an. Eine andere Auffassung stellt auf die Schwere des Eingriffs und dessen Zumutbarkeit für den Eigentümer ab. Trotz aller oftmals herausgestellten Unterschiede führen beide Theorien i n der Praxis meist zu denselben Ergebnissen: man kommt nicht u m die Prüfung herum, ob die konkrete Maßnahme die dem Eigentümer zustehenden Verfügungs- und Nutzungsrechte i n so hohem Maße beschränkt, daß dieser Eingriff
Eröffnungsansprache
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nicht mehr zumutbar und daher nach Grundsätzen des Enteignungsrechts Entschädigung zu leisten ist. Die Städteerneuerung w i r d den Privateigentümer besonders i n der baulichen Nutzung seiner Grundstücke beschränken. I n Deutschland konnte der Eigentümer noch nie nach freiem Belieben Bauwerke auf seinem Grund und Boden errichten. Baubeschränkungen sind i m Baurecht, wenn es auch i m Grundsatz die Baufreiheit bejaht, seit jeher bekannt. Dem deutschen Recht ist sogar die Untersagung jeder Bebauung, z. B. i n der gesetzlichen Regelung des Naturschutzes, der Denkmalpflege und der Sicherung des Straßenverkehrs, nicht fremd. I n dünnbesiedelten Ländern ist die Nutzung des Bodens zum Wohle der A l l gemeinheit nicht von so großer und entscheidender Bedeutung. I n M i t teleuropa w i r k t sich A r t und Umfang der Nutzung auf die gesamte Bevölkerung aus und w i r d damit zu einem Problem ersten Ranges. Die verfassungsmäßige Sozialbindung w i r d daher hier an den Eigentümer — insbesondere bezüglich der baulichen Nutzung seiner Grundstücke — höhere Anforderungen stellen. Das gewaltige Ausmaß der Zerstörung nach dem Krieg und die heutige Notwendigkeit, die Städte den neuzeitlichen Anforderungen entsprechend zu gestalten, kann nicht ohne Rückwirkungen auf den Grad der Sozialgebundenheit des Eigentums sein. Denn der soziale Vorbehalt des Grundgesetzes für das Eigentum und die Tatsache, daß dem Eigentumsrecht durch Gesetz Schranken gezogen werden können, beweist, daß es einen absoluten, unabänderlichen Gehalt des Eigentums nicht gibt. Die Schutzwürdigkeit des komplexen Rechtsstatus w i r d weitgehend durch die sozialen Notwendigkeiten bestimmt. Je stärker das Allgemeinwohl Neugestaltung, Sanierung und Verbesserungen der Bebauungsgebiete erfordert, desto weitgehender w i r d die Bindung durch Bauverbot und Nutzungsbeschränkung sein, der das Grundeigentum unterliegt. Noch problematischer ist die Frage, ob dem Eigentümer außer bestimmten Duldungs- und Unterlassungspflichten i m Rahmen der Sozialbindung auch ein aktives Handeln obliegen kann. I m Grundsatz ist das zu bejahen; allerdings liegt die Grenze zur entschädigungspflichtigen Enteignung i m Hinblick auf die m i t jeder Rechtspflicht zu bestimmten Handlungen verbundene stärkere Beeinträchtigung der privaten Rechtssphäre noch näher. Einige vergleichbare Regelungen ergeben für eine nähere Betrachtung des Fragenkreises bedeutsame Hinweise: Zwar muß i n diesem Zusammenhang die Pflicht des Eigentümers zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes, der von seiner Sache ausgeht, unberücksichtigt bleiben, da sie nur Ausfluß des Grundsatzes ist, daß der Eigentümer immittelbare Gefährdungen Dritter
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Fritz Duppré
durch seine Sache vermeiden muß. Auch der Hinweis auf die naturschutzrechtliche Regelung, nach der der Eigentümer zu Erhaltungsmaßnahmen für vorhandene Pflanzungen verpflichtet werden kann, hilft wenig weiter, da die Regelung i m wesentlichen auf der Erwägung beruht, daß der Eigentümer einen ordnungsgemäßen Zustand seiner Sache zu gewährleisten hat. Auch die i m BBauG eingeführte Baulandsteuer berührt i m Kern nicht die Ausdehnung der Sozialbildung auf ein positives Tun, da sie nicht unmittelbar ein bestimmtes Verhalten des Eigentümers i n bezug auf seinen Grund und Boden verlangt, sondern nur die Untätigkeit zu einem abgabepflichtigen Tatbestand erklärt. A m ehesten könnte i n den Umlegungsregehmgen eine M i t w i r k u n g des Eigentümers gesehen werden, die einem aktiven Handeln nahekommt. Wenn der Eigentümer veranlaßt wird, sein Grundeigentum i n die Umlegungsmasse einzubringen und sich gegebenenfalls bei der Neuverteilung hinsichtlich einer nicht durch Grund und Boden ausgleichbaren Spitze m i t Geld abfinden zu lassen, so ist die Grenze zur Enteignung nahezu erreicht. Diese Feststellung gilt auch für die i m BBauG vorgesehene Regelung, wonach dem Eigentümer ein Prozentsatz seiner Grundfläche als Ausgleich für Vorteile der Umlegung abgezogen werden kann. Diese, den Grenzbereich zur Enteignung sehr ausschöpfenden Regelungen werden wohl für die Erfordernisse der Städteerneuerung noch nicht ganz ausreichen. Es könnten Maßnahmen zu erwägen sein, die noch mehr eine M i t w i r k u n g des Eigentümers durch aktives Handeln voraussetzen. Z u denken ist insbesondere an eine unmittelbare Beteiligung des Eigentümers an der Städteerneuerung, sei es m i t eigener Bautätigkeit durch Abbruch und Wiederaufbau, sei es durch finanzielle Beiträge zu Maßnahmen dieser A r t , wenn sie die Gemeinschaft ausführt. Soweit ein Eigentümer nicht bereit oder nicht fähig ist, hierbei mitzuwirken und die schon erwähnten Umlegungen nicht ausreichen, w i r d allerdings die Enteignung als ultima ratio nicht zu vermeiden sein. Meine Damen und Herren, wie immer habe ich mich u m die Abgrenzung des Untersuchungsfeldes und die Errichtung einiger orientierender Hinweisschilder bemüht. Sollte ich meine abschließende Meinung zu sagen aufgefordert sein, dann würde diese etwa lauten: Es muß das Ziel sein, ein Maximum an aufgelockerter Stadt- und Siedlungsstruktur m i t familiengerechten gesunden Wohnungen und städtischen Einrichtungen i n zumutbarer Entfernung zu schaffen, und zwar mit einem Minimum an Eigentumsbeeinträchtigung.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der Bundesrepublik Deutschland* Von Friedrich Halstenberg
Herr Minister Lücke, der Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, wie auch sein Staatssekretär Professor Dr. Ernst, an dessen Stelle ich zu sprechen die Ehre habe, lassen Ihnen durch mich ihre Grüße übermitteln. Beide haben den Plan dieser verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung zum Thema Stadterneuerung und Eigentumsordnung aufrichtig begrüßt und die V e r w i r k lichung dieses Vorhabens gern gefördert. Das Thema der Tagung ist für die Bundesrepublik aktuell. Der Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes, i n dem wichtige Fragen der Stadt- und Dorferneuerung geregelt werden, w i r d gegenwärtig i m Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung bearbeitet. Zu der Notwendigkeit, ein solches Gesetz noch i n dieser Legislaturperiode zu erreichen, hat sich die Bundesregierung i n ihrer Regierungserklärung ausdrücklich bekannt. Nutzen der Rechtsvergleichung; Voraussetzungen Bei den Vorüberlegungen zur Gestaltung des Städtebauförderungsgesetzes sind ausländische Regelungen und Erfahrungen, soweit die Informationen reichten, berücksichtigt und ausgewertet worden. Die Grundlage dazu bildete eine rechtsvergleichende Sammlung und Auswertung der ausländischen Gesetzestexte. Bei dieser Arbeit hat sich wiederum eine Beobachtung bestätigt, die der vergleichenden Rechtswissenschaft längst geläufig ist. Man entdeckt, freudig überrascht, eine Vorschrift, deren Übernahme die gesuchte Lösung des Problems darzustellen scheint. Solch vordergründig schnelle Entdeckerfreude währt meist nicht lange. Bei der sorgfältigen Uberprüfung w i r d sich erst offenbaren, ob die Übernahme einer Vorschrift aus dem fremden i n das eigene Recht überhaupt möglich • Das Referat ist für die Veröffentlichung überarbeitet und ergänzt worden. Ein Schrifttumsverzeichnis befindet sich im Anhang I I , S. 262 ff. 2
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Friedrich Halstenberg
und erfolgversprechend ist. Solche Prüfung setzt vor allem die Kenntnis des fremden Rechtssystems voraus, i n das die einzelne Norm eingebettet ist. Ein typisches Beispiel dafür bietet das wegen seiner Wirksamkeit i n Deutschland viel gerühmte englische Planungsrecht. Seine isolierte Übertragung i n das deutsche Verwaltungsrecht hätte wenig Nutzen; denn die Effizienz des englischen Planungsrechtes ergibt sich zum entscheidenden Teil aus Normen außerhalb des Planungsrechtes, z.B. des dortigen Kommunalverfassungsrechtes, des Kommunalsteuerrechtes und des Kommunalfinanzsystems. W i l l man die Ubertragbarkeit einer Norm fremden Rechtes bewerten, so muß man alle mitwirkenden benachbarten Normen i n die Überlegung einbeziehen. Wer verfügt schon über solch subtile Kenntnis fremder Rechtssysteme und ist zugleich i m speziellen Rechtsbereich so beheimatet, daß er diese Aufgabe i n der Studierstube lösen könnte? Da h i l f t nur die unmittelbare Begegnung der Männer vom Fach, wie diese Arbeitstagung sie zuwege bringen wird. Referate und Aussprachen werden dazu, wie w i r hoffen, den Blick hinter die Rechtsfassade öffnen. Damit meine ich das: eine nur aus dem Gesetzeswortlaut entnommene Norm zeigt — zumal dem fremden Leser — oft nicht den wahren Inhalt. Jedenfalls für die gegenwärtige Gesetzgebung gilt, daß nicht selten politische Wunschvorstellungen zu euphorischen Formeln verleiten, deren Rechtsgehalt i n der Praxis auf ein M i n i m u m der genährten Erwartungen zusammenschrumpft, und andererseits sind die kasuistischen Detailregelungen bekannt, deren Motiv manchmal i n dem Mißtrauen gegen Exekutive und Jurisdiktion liegt, manchmal aber auch aus wenigen i n der Sache nicht bedeutenden aktuellen Anlässen herrühren. Aber eben diese Motive und Begleitumstände kann man aus der Ferne des ausländischen Betrachters aus dem Gesetzeswortlaut, den man dazu noch übersetzt vor sich sieht, nicht erkennen. W i r haben Anlaß zu der Hoffnung, daß auch i n diesem Punkt die persönliche Begegnung i m Rahmen dieser Arbeitstagung die Erkenntnismöglichkeiten erhöht und damit i m ganzen zu einem nützlichen und fruchtbaren Erfahrungsaustausch führt, der die bevorstehende deutsche Städtebauförderungsund Sanierungsgesetzgebungsarbeit gewiß befruchten wird. Dieses Einleitungsreferat soll über die grundsätzliche Einführung hinaus zugleich den deutschen Beitrag darstellen und die deutsche Rechtssituation m i t derjenigen der hier zu Worte kommenden Nachbarländer vergleichbar machen. Gleichwertigkeit der Stadt- und Dorferneuerung Obgleich das Veranstaltungsthema allein die „Städteerneuerung" bezeichnet, möchte ich mich darauf nicht beschränken, sondern m i t
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deutlicher Betonung neben der Stadterneuerung auch die Dorferneuerung i n meine Darstellung einbeziehen. Stadt- und Dorferneuerung sind nicht nur sachlich gleichwertige, sondern auch i n ihrem Gewicht durchaus vergleichbare Aufgaben. Sie hängen auch, wie noch darzustellen sein wird, i n enger ursächlicher Verknüpfung miteinander zusammen. Die i n den großen Städten und i n den kleinen Dörfern so ganz unterschiedlichen Krankheitssymptome geben allerdings auf den ersten Blick sehr wenig zu erkennen, wie stark sie i n den Entstehungsursachen und i n den Möglichkeiten ihrer Behebung miteinander verbunden sind. Soweit die rein baulichen Mängel, die Überalterung des Bestandes und die verbreitet unterbliebenen Modernisierungen den Sanierungstatbestand darstellen, sind i n Stadt und Land die jahrzehntelange Wohnungsnot, die dadurch veranlaßte Wohnungszwangswirtschaft und die Althausmietenpolitk, also die Ausscheidung oder Beschränkung der marktwirtschaftlichen Antriebskräfte, als i n Stadt und Land gleichartige Ursachen anzusprechen. Der i m Vollzug befindliche gesetzlich geregelte Übergang zur Überführung der Wohnungswirtschaft i n die Marktwirtschaft stellt damit zugleich auch einen Beitrag zur Lösung der Sanierungs- und Modernisierungsfrage dar, kann aber gleichwohl den Staat nicht aus seiner Verpflichtung entlassen, trotz grundsätzlicher Anerkennung individueller Verantwortung dem Althausbesitz bei der Durchführung der Sanierung und Modernisierung angemessene Hilfen zu gewähren.
Umfang und Arten der Sanierung Über die Größenordnung der i n Stadt und Land zu sanierenden Einzelobjekte vermittelt uns eine repräsentative Untersuchung, die von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung i m Auftrag des Bundesministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordung durchgeführt worden ist, eine ungefähre Vorstellung. Die vorliegenden Ergebnisse sind i m Jahre 1962 i m Jahresbericht dieses Ministeriums wie folgt zusammengefaßt worden: Vom normalen derzeitigen Wohnungsbestand des Bundesgebietes (ohne Berlin und Saarland) m i t 15,5 Millionen Wohnungen sind rund 5,7 vH, d.h. etwa 900 000 Wohnungen, zum Bewohnen ungeeignet und müssen abgebrochen werden. Diese Wohnungen weisen eine derartige Zahl von Sanierungsmerkmalen auf, daß ein Umbau nicht mehr wirtschaftlich vertretbar ist. 2*
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Friedrich Halstenberg Weiterhin sind rund 23 vH, also etwa 3,5 Millionen Wohnungen, sanierungsbedürftig. Diese Wohnungen weisen i n der Regel mehrere schwerwiegende Mängel auf, deren Beseitigung zum Teil umfangreiche bauliche Investitionen am Haus oder i n der Wohnung erfordern.
Die dritte Gruppe des Wohnungsbestandes, das sind rund 22 vH, etwa 3,4 Millionen Wohnungen, ist verbesserungs- und modernisierungsbedürftig. Die Wohnungen i n dieser Gruppe sind i m allgemeinen durch wirtschaftlich tragbare, meist kleinere bauliche Maßnahmen verbesserungsfähig. Von dem Gesamtwohnungsbestand von 15,5 Millionen sind also nur rund 49 vH, d. h. etwa 7,6 Millionen, Neubauwohnungen und nicht verbesserungsbedürftige Altbauwohnungen. I n diesen Werten sind noch nicht die Sanierungsobjekte enthalten, die sich aus städtebaulichen und strukturellen Aufgaben ergeben. Den erwähnten Einzelobjektsanierungen steht die Aufgabe der Flächensanierung gegenüber. Hier handelt es sich u m solche Erneuerungsmaßnahmen, die ausgelöst werden durch: übermäßige bauliche Ausnutzung, unzuträgliche Vermischung von Wohnungen und Arbeitsstätten, Beeinträchtigungen durch Geräusche, Erschütterungen, Staub, Rauch, A b gase, Gerüche, Abwässer, Ablagerungen, durch die unzulängliche Ausstattung des Baugebietes m i t Freiflächen, m i t Spiel-, Sport-, Erholungs- und Grünflächen, m i t Anlagen des Gemeinbedarfs und Gemeinschaftslanlagen sowie die unbefriedigende versorgungs- und verkehrsmäßige Erschließung des Gebietes. Über das Ausmaß dieser Sanierungsaufgaben stehen weder Berechnungen noch hinreichend fundierte Schätzungen zur Verfügung. Das gleiche gilt auch für die Stadtund Dorferneuerungsmaßnahmen, die i m Zuge der Verkehrssanierung und der Agrarstruktursanierung notwendig werden. I n den zuletzt genannten Gruppen liegen die eigentlichen politischen, rechtlichen und planerischen Probleme. Ein besonders beherrschender Gesichtspunkt dabei ist der i n der Mehrzahl der i n Betracht kommenden Fälle gegebene überörtliche Zusammenhang. Regionale Aspekte der Stadterneuerung Jedem m i t der Sache Befaßten ist der die großräumige und die regionale Struktur kennzeichnende Sachverhalt bekannt. Die überkommene Siedlungs-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur ist unter dem Anprall der industriegesellschaftlichen Völkerwanderung aus dem Gleichgewicht geraten. Städte und ihre früher ländlichen Nachbargemeinden haben sich zu neuen Symbiosen miteinander verbunden, ohne daß Verwaltungsformen geschaffen wurden, die es
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zu rechter Zeit vermocht hätten, Ordnung und Maß zur Wahrung gemeinsamer Interessen zu erhalten. Daß solche über die Stadt hinausgreifende Stadterneuerung nötig ist, wissen w i r alle. Der Maßstab ist die Region, ein Gebiet, das stets eine große Anzahl beteiligter Gemeinden umfaßt. I n solchen mehrgemeindlichen verstädterten Großsiedlungsräumen lebt und arbeitet zur Zeit die Hälfte der Bundesbevölkerung. I n solchen Raumeinheiten zu denken, dazu zwingt übrigens auch schon die Sanierung i m überkommenen Sinne; denn wo anders als i n den noch aufnahmefähigen Aufnahmeräumen sollen die Ersatzbauten für die Wohnungen und Betriebe errichtet werden, deren Sanierungsbedürftigkeit durch zu dichte Innenstadtbebauung ausgelöst wird. Stadterneuerung als funktionsgerechter Stadtumbau läßt der City — oder verschafft ihr erst —, was i h r gebührt, nämlich die zentralen Dienste. Stadterneuerung muß auch der Städtenachbarschaft gewähren, was ihr gebührt, nicht nur Wohnungen, sondern auch Arbeitsplätze. I n ihrer richtigen, d.h. besseren Zuordnung liegt eine weitere wichtige Aufgabe. I h r Ausmaß ist dadurch gekennzeichnet, daß z. Z. noch fast jeder vierte Berufstätige i n der Bundesrepublik Pendler ist. Viele von ihnen müssen unzumutbar lange Arbeitswege auf sich nehmen.
Regionale Aspekte der Dorferneuerung Erst allmählich verschafft sich die Erkenntnis Geltung, daß Aufgaben der Neuordnung i n gleicher Dringlichkeit wie i n den großen Städten und ihren Nachbarstädten auch i n den kleinstädtischen und i n den ländlichen Bereichen gestellt sind. Leiden viele große Städte an der Überbeanspruchung ihrer technisch-räumlichen Tragfähigkeit, so ist i n immer größer werdenden ländlichen Bereichen die Tragfähigkeit bei weitem unterschritten. Die Disparität der landwirtschaftlichen Einkommen ist ein allgemein bekanntes Beweisanzeichen. Die Unterschreitung der gebotenen Mindestausstattung m i t kommunalen Diensten ist ein anderes Symptom. Die Folge ist die weithin noch anhaltende Tendenz zur Abwanderung i n die ökonomisch und zivilisatorisch attraktiv erscheinenden Zentren. Unnötig zu sagen, daß weitere größere Bevölkerungsverlagerungen für keine der Beteiligten wünschenswert sind. Also müssen auch i m kleinstädtischen und i m ländlichen Bereich an der Wurzel angreifende Ortserneuerungsmaßnahmen großen Stiles ergriffen werden. Die dazu geeigneten zentralen Orte, Hauptdörfer, Klein- und Mittelstädte müssen auf- und ausgebaut werden. Für die kleineren und kleinsten Gemeinden bedeutet eine solche selektive Entwicklung allerdings i n manchen Fällen Beschränkungen, die
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nur dadurch tragbar gemacht werden können, daß auch i n ländlichen Bereichen Gemeindenachbarschaften sich i n echter Funktions-, Vorteils- und Lastenverteilung miteinander verbinden. Auch hier ist die Größenordnung bedeutend. Es gilt, noch für Hunderttausende aus der Landwirtschaft ausscheidender Arbeitskräfte m i t ihrer Mantelbevölkerung wirtschaftliche Grundlagen i n ländlichen Räumen zu schaffen. Eine überschlägige Addition der i n verschiedenen landesplanerischen und regionalstatistischen Untersuchungen festgestellten ausbaubedürftigen zentralen Orte führt zu dem Ergebnis, daß weit mehr als 1000 Hauptdörfer, Klein- und Mittelstädte noch erheblicher Aus- und Umbaumaßnahmen bedürfen, u m ihre Funktion i m regionalen Rahmen ausüben zu können. Dabei ist eines festzuhalten: Ursache, Motiv und Anlaß zu diesen säkularen Maßnahmen sind nicht die Planer, Städtebauer und Bürgermeister. Hätten sie diese Aufgaben erdacht und wären sie auf ihre Kraft angewiesen, so wäre wenig Grund zu großer Hoffnung. Die zweifelsfreie Realität, die zwingende Notwendigkeit des hier grob Skizzierten ergibt sich aus der Durchschlagskraft der wirksam werdenden Kräfte.
Stadt- und Dorferneuerung im Zuge der großen Trends Unter den Kräften, die die Stadt- und Dorferneuerung bewegen, ist der Anspruch auf städtische Lebensformen die wirkungsvollste und die am weitesten verbreitete. Die Bevölkerungsmassen, die diesen A n spruch geltend machen, werden seine Befriedigung erreichen. Das bislang allein vorherrschende, w e i l als das am einfachsten erscheinende Mittel, ist die Binnenwanderung zu den Plätzen, die die gesuchte städtische Lebensform darbieten. So tragen die Menschen, die u m der Stadt w i l l e n dieses Ziel suchen, ihrerseits dazu bei, die i n vielen großen Städten vorhandenen Uberlastungserscheinungen noch zu mehren. Die Alternative heißt, das billigerweise zu erwartende Mindestmaß an zivilisatorischen Leistungen den Menschen auch außerhalb der Städte zugänglich zu machen. M i t solchem Schritt soll niemandes Freizügigkeit begrenzt, soll niemand i n seinen privaten Entscheidungen gehindert werden. Nur darum geht es, den Menschen die wirklich freie Wahl des Lebensplatzes zu ermöglichen und nicht, sei es der wirtschaftlichen Existenz halber, sei es des erwarteten Zivilisationsstandes halber, die Heimat verlassen und die Stadt suchen zu müssen. Neben dem geschilderten zentripetalen Trend ist ein zentrifugaler Zug festzustellen. Millionen Menschen, die der Enge und Hast der Stadt überdrüssig geworden sind, verlangen gebieterisch nach der Wohnruhe i n der Landschaft vor den Toren der Stadt. Aufhalten kann man
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auch diese Bewegung nicht. Hier haben w i r nur die Wahl, unsere Landschaft zerstören zu lassen oder die Bewegung i n geordneten, gestalteten, durchgrünten Wohngebieten aufzufangen. Neben den i n erster Linie von den unmittelbaren menschlichen Bedürfnissen ausgehenden Bewegungen w i r k t sich die laufende Umstrukturierung der gewerblichen Wirtschaft auf den Stadt- und Dorfumbau aus. Verlagerungen i m Gewicht der einzelnen industriellen Branchen und die zunehmende Automatisierung lösen bedeutende qualitat i v und quantitativ sich ändernde Flächenansprüche aus, die i n vielen Stellen nicht mehr am bisherigen Unternehmensstandort befriedigt werden können und Ersatz- bzw. Ausweich- und Erweiterungsstandorte notwendig machen. Große Wandlungen i m Standplatz und Raumanspruch der Betriebe ergeben sich auch daraus, daß die zur Zentralität drängenden Dienstleistungsbetriebe selbst und m i t dem von ihnen ausgelösten Verkehrsbedürfnis wachsen. Auch i n diesem Zusammenhang ist noch einmal der i n der Landwirtschaft sich vollziehende Strukturwandel anzusprechen, der m i t der Verringerung der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe, der Notwendigkeit, diese baulich und technisch auf den modernsten Stand zu bringen, m i t der Freisetzung einer großen Anzahl von bisher i n der Landwirtschaft Tätigen, m i t der Notwendigkeit ihrer Unterbringung i n gewerblichen Arbeitsplätzen der bedeutendste Bewegungsfaktor für den Dorfumbau ist. A l l diese hier nur stichwortartig angesprochenen Fakten und Tendenzen zeigen, daß Stadt- und Dorferneuerung i m gesellschaftlichtechnisch-ökonomischen Trend unserer Zeit liegen.
Raumordnung als Koordinationsinstrument bei der Stadt- und Dorferneuerung Bei der gegenwärtigen Kommunalfinanzstruktur kann die Stadt- und Dorferneuerung — von Sonderfällen abgesehen — nicht allein aus den den betroffenen Gemeinden zur Verfügung stehenden M i t t e l n bew i r k t werden. Gewiß sind, zumal bei der Beseitigung baulicher Mängel, die Eigentümer i n ihre Pflicht gerufen, für den ordnungsmäßigen Zustand ihrer Grundstücke und Gebäude selbst einzustehen. Doch w i r d der Staat kaum seine Verpflichtung leugnen können, dem durch vier Jahrzehnte von der Marktwirtschaft ausgeschlossenen Hausund Grundbesitz eine Hilfe für die Behebung zumindest derjenigen Mängel zu gewähren, die darauf zurückzuführen sind, daß die gestoppten Mieten einige Jahrzehnte hindurch nicht für Instandhaltung und Modernisierung, geschweige denn für die notwendigen Erneuerungs-
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rücklagen, ausreichten. I n der Frage, wie diesem Sachverhalt i n gerechter und zugleich systematisch befriedigender Weise entsprochen werden kann, sind noch keine Entscheidungen gefallen. Fehlt auch zur Zeit noch das spezielle Finanzierungsinstrumentarium für die Stadtund Dorferneuerung, so stehen doch bereits Haushaltsmittel für einzelne fachliche Bereiche der Stadt- und Dorferneuerung zur Verfügung, z.B. M i t t e l für den sozialen Wohnungsbau, für den Straßenund Wegebau, für die Agrarstrukturverbesserung, für wasserwirtschaftliche Maßnahmen, für den Schul-, Krankenhaus- und Sportstättenbau, für die regionale Wirtschaftspolitik usw. Der Erfolg der Stadt- und Dorferneuerung w i r d wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, diese aus den verschiedenen Etats der einzelnen Ressorts des Bundes und der Länder fließenden M i t t e l unter Zugrundelegung einer im grundsätzlichen homogenen Entwicklungspolitik miteinander und m i t den planerischen Vorstellungen der Gemeinden zu koordinieren. Diese Koordination ist die Aufgabe der staatlichen Raumordnungspolitik — nicht nur der Länder, sondern auch des Bundes. Dabei kommt es entscheidend darauf an, daß eine Verständigung über die i n der Sache anzustrebenden Ziele herbeigeführt und gesichert wird. I n dieser Forderung stimmen die Landesregierungen m i t der Bundesregierung überein. Während einige Länder der Ansicht sind, daß zur rechtsförmlichen Sicherung dieser einheitlichen - Zielvorstellungen eine Verwaltungsvereinbarung ausreiche, ist die Bundesregierung m i t den übrigen Landesregierungen der Ansicht, daß ein Raumordnungsgesetz vorzuziehen ist. Die Entscheidung über diese Frage w i r d bei Gelegenheit der bevorstehenden Beratungen über die Regierungsvorlage und einen Initiativgesetzentwurf zum Raumordnungsgesetz i n absehbarer Zeit fallen.
Stadt- und Dorferneuerung: Notwendige Bestandteile der Raumordnungspolitik Die staatliche Raumordnung ist nicht nur ein notwendiges Koordinationshilfsmittel zur Verwirklichung der Ziele der Stadt- und Dorferneuerung; das Verhältnis ist gegenseitig: Recht verstandene Stadtund Dorferneuerung sind zugleich unentbehrliche Maßnahmen i m Rahmen der Raumordnungspolitik. Diesen Zusammenhang stellt der Raumordnungsbericht der Bundesregierung i n aller Deutlichkeit heraus. Nach der Darlegung der besonderen Problematik, die i n den überlasteten Verdichtungsgebieten einerseits und i n den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebieten andererseits festzustellen ist, stellt der Bericht die ursächliche Verknüpfung der großräumigen und der regionalen Strukturprobleme dar:
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„Die strukturellen Mängel sind i n ihrer Ursache, ihrer Entstehung, ihrem Zustand und i n ihrer weiteren Entwicklung miteinander eng verbunden. Dies beruht i n erster Linie darauf, daß i n der Vergangenheit die starke Bevölkerungskonzentration i n den Verdichtungsgebieten zu Lasten der beiden anderen Problemgebiete ging. Das gilt auch für die zugleich als ursächlich zu betrachtende außerordentlich starke Diskrepanz des Industriebesatzes. Das i n der Realsteuerkraft und i n dem Bruttoinlandsprodukt zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsgefälle, zugleich auch ein solches der eigenständigen kommunalen Ausstattung und der sonstigen Infrastruktur, fördert die Zunahme der Bevölkerung und des Industriebesatzes i n den überlasteten Verdichtungszonen und hemmt die Industrialisierung und die Entwicklung der Bevölkerung i n den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebieten. Ein wichtiges Element, das alle Problemgebiete miteinander und sie zugleich m i t den Zwischenzonen verbindet, liegt i n den Verlagerungen des Gewichtes der drei Wirtschaftsbereiche. Das heißt: I n den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebieten und i n den stärker agrarisch bestimmten „Zwischengebieten" ist die Eingliederung der aus der Landwirtschaft Ausscheidenden i n das außerlandwirtschaftliche Erwerbsleben von besonderer Bedeutung. Bislang ist ein großer Teil der aus der Landwirtschaft Ausgeschiedenen nur i m Wege der Abwanderung i n die überlasteten Verdichtungsgebiete i n das außerlandwirtschaftliche Erwerbsleben eingegliedert worden. So hat der Strukturwandel innerhalb der Wirtschaftsbereiche zugleich die Bevölkerungsverteilung i n einer Weise beeinflußt, die die Problematik i n beiden betroffenen Gebietskategorien verschärft hat. Zwar w i r d i m Zuge der Automatisierung auch ein zunächst geringer, aber wachsender Teil der Industriebeschäftigten freigesetzt. Doch werden diese Beschäftigten ohne weiteres von den sonstigen W i r t schaftsbereichen, besonders dem Dienstleistungsgewerbe, aufgenommen. Diese Verschiebung bewirkt aber zugleich eine zunehmende Verdichtung; denn die Arbeitsplätze des Dienstleistungssektors finden ihren Standort aus funktionellen Gründen vornehmlich i n den Verdichtungsgebieten. Die i n manchen Bereichen der industriellen Produktion festzustellende Verlagerung an die Ballungsränder ist dem Dienstleistungsgewerbe meist nicht möglich. Die Menschen, die die zurückbleibenden Gebiete aus Mangel an ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten oder/und wegen des ungenügenden Leistungsstandes öffentlicher Einrichtungen verlassen, ziehen größtenteils i n die Verdichtungsgebiete und fördern dadurch die Uberlastungserscheinungen. Sie verursachen der Allgemeinheit nicht nur i n den Zu-
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Wanderungsgebieten Aufwendungen bzw. Verluste, sondern auch i n ihrer früheren Heimat. I n den Zuwanderungsgebieten müssen sie m i t allen öffentlichen Einrichtungen bedient werden, die fast ausnahmslos neu erstellt werden müssen. I n ihrer früheren Heimat waren diese Menschen zwar nicht m i t allen Einrichtungen, w o h l aber m i t einem Teil davon ausreichend versorgt. Diese Einrichtungen können wegen der Abwanderung eines Teiles der Bevölkerung nicht mehr v o l l ausgelastet und von der i n diesen Gebieten zurückbleibenden Bevölkerung unterhalten werden. Darüber hinaus müssen i n den Verdichtungsgebieten für die zuwandernden Menschen nicht nur neue Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser usw. errichtet werden, die auch bei einer ausreichenden Versorgung dieses Teiles der Bevölkerung i n der früheren Heimat notwendig gewesen wären, sondern bedingt ganz allgemein durch die räumliche Verdichtung noch mehr aber durch das Tempo des Prozesses, steigen auf einigen Gebieten i n den Verdichtungsräumen die Kosten überproportional an. Dies zeigt sich vor allem bei den Verkehrseinrichtungen, aber auch bei allen anderen Einrichtungen, die nur dadurch i n einer für die wachsende Bevölkerung ausreichenden Kapazität erstellt werden können, daß vorhandene Anlagen vorzeitig durch größere, leistungsfähigere ersetzt werden, oder auch dadurch, daß bebaute Grundstücke weit vor Ende ihrer betriebsüblichen Nutzungsdauer zugunsten der notwendigen Erweiterungsmaßnahmen für öffentliche Einrichtungen geopfert werden müssen." Dieser „circulus vitiosus" ist kein Naturgesetz. Ohne Zweifel bedarf es zur Erbringung typischer Zivilisations- und Kulturleistungen städtischer und i n gewissem Umfange auch großstädtischer, ja weltstädtischer Konzentrationen. Solche Konzentrationen sind i n einem erheblichen Umfange als technisch-wirtschaftliche Notwendigkeiten anzuerkennen. Diesem Bedürfnis ist aber, was Konzentrationen groß- und weltstädtischer Dimensionen anlangt, i n der Bundesrepublik Genüge getan. Die zentralen Orte und Konzentrationsräume höchster Ordnung befinden sich i n der Bundesrepublik auch i n einer relativ günstigen räumlichen Verteilung, so daß m i t den Mitteln der modernen Verkehrstechnik aus nahezu allen Gebietsteilen zentrale Dienste höchster Ordnung erreicht werden können. Somit bedarf es auch aus dem Gesichtspunkt der regionalen Streuung zentraler Orte höchster Ordnung nicht der Entwicklung etwa vorhandener Großstädte zu Weltstädten. Der Sog der Großstädte und Konzentrationsräume konnte sich i n den Nachkriegsjahren vor allem nur deshalb so entfalten, w e i l die großen Wanderungsbewegungen aus dem Osten — teils unmittelbar, teils nach Zwischenstation i n vorläufigen Aufnahmeräumen — i m Gange
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waren und ihr Ziel suchten. Eine nochmalige bedeutende Binnenwanderung aus den ländlichen i n die großstädtischen Räume w i r d nur stattfinden, wenn mangelnde Dorferneuerung und allzu lang verzögerte ländliche Umstrukturierung die Menschen aus den Dörfern und aus den ländlichen Regionen vertreiben. Die Umstrukturierung i m landwirtschaftlichen Sektor ist eine Aufgabe, der sich der Staat — auch, wenn der raumpolitische Gesichtspunkt ganz und gar i n Wegfall käme — schon deshalb nicht entziehen kann, w e i l die Zusammenhänge m i t der Einfügung i n den Gemeinsamen M a r k t auf der Hand liegen. Von ernst zu nehmender Seite w i r d dazu die Ansicht vertreten, daß die Dorferneuerung m i t dem erreichbaren Ziele, dem dort lebenden Menschen eine Chance zum Bleiben zu gewähren, bedeutend geringere Aufwendungen erfordert, als wenn eben diese Menschen die m i t mannigfachen Ballungsproblemen schon belasteten Konzentrationsräume zusätzlich belasten. Die Situation des 6. Jahrzehnts dieses Jahrhunderts ist m i t dem ersten Nachkriegsjahrzehnt nicht zu vergleichen. Auch der i n diesem Zusammenhang oft gebrachte Vergleich m i t der Verstädterungsbewegung i n der Welt ist für die Bundesrepublik ohne Beweiswert. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß — vor allem i n den unterentwickelten und gering besiedelten Ländern — die notwendige Steigerung der Produktivität der Bildungsmöglichkeiten und der Versorgung eines beschleunigten Konzentrationsprozesses bedürfen. Diesen Konzentrationsprozeß aber hat, wie oben dargelegt, die Bundesrepublik bereits hinter sich gebracht, so daß jetzt i n einer i n ruhigeren Bahnen verlaufenden Entwicklung das Recht m i t Besonnenheit, Überlegung und gerechtem Ausgleich gewogen, beraten, entschieden und verwirklicht werden kann.
Das Rechtsinstrumentarium der Stadt- und Dorferneuerung Stadt- und Dorferneuerung i n dem hier umschriebenen umfassenden Sinne bedarf eines Rechtsinstrumentariums, welches i n der Bundesrepublik zum Teil schon vorhanden ist, zum anderen noch geschaffen werden muß. Das für die örtliche Planung und die Durchführung der Stadt- und Dorferneuerung geltende Recht w i r d i m zweiten Hauptteil dieses Referates unter dem besonderen Aspekt des Tagungsthemas dargestellt werden. Zuvor sei ein knapper Uberblick über das Recht der überörtlichen Planung, das heißt der Regionalplanung, der Landesplanung und der Bundesraumordnung gegeben.
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Friedrich Halstenberg Die Landesplanungsgesetzgebung
Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verfügen bereits über Landesplanungsgesetze1. I n Niedersachen, i m Saarland und i n Rheinland-Pfalz liegen Entwürfe solcher Gesetze — i n unterschiedlichen Verfahrensstadien — vor. Alle diese Gesetze haben bei einer erstaunlichen Vielfalt der Begriffe und der technischen Einzelheiten das eine gemeinsam, daß sie sich auf Verfahrens- und Organisationsnormen beschränken. (Lediglich der Gesetzentwurf von Rheinland-Pfalz soll, wie der Ministerpräsident dieses Landes jüngst i n einer Rede erklärt hat, materielle Planungsgrundsätze enthalten.) Nach der Inkraftsetzung dieser letzten noch i m Entwurfsstadium befindlichen Planungsgesetze ist das Landesplanungsrecht der Länder vollständig; denn für die drei Stadtstaaten ist der Erlaß von Landesplanungsgesetzen gegenstandslos. Nach der zwingenden gesetzlichen Vorschrift des Bundesbaugesetzes ist nämlich für das gesamte Gebiet auch dieser Stadtstaaten ein Flächennutzungsplan aufzustellen. Neben diesem hätte ein landesplanerischer Plan keinen vernünftigen Sinn.
Die Regionalplanung in den Landesplanungsgesetzen Zum gesetzgeberischen Zuständigkeitsbereich der Landesplanungsbehörde gehört auch die Regionalplanung. Nach allen genannten Landesplanungsgesetzen bzw. -entwürfen ist die Aufstellung von regionalen Plänen zulässig und i m Grundsatz gleichartig geregelt; derartige Pläne bedürfen, wenn sie eine Bindungskraft auslösen sollen, der Genehmigung, Zustimmung und Anerkennung des Staates. Unterschiedlich geregelt ist die Trägerschaft der regionalen Planung. Drei Typen sind i m Prinzip zu unterscheiden: nämlich staatliche Behörden (zumeist sind es die Regierungspräsidien, Bezirksregierungen, Bezirksplanungsstellen) oder Landkreise als Träger staatlicher Auftragsangelegenheit oder besondere regionale Planungsgemeinschaften. Die reinste Ausprägung des ersten Typs, der ausschließlich staatlichen Zuständigkeit für die Regionalplanung, bietet das Bayerische Landesplanungsgesetz. Den Typ der regionalen Planungsgemeinschaft regelt am eindeutigsten das Baden-Württembergische Landesplanungsgesetz. Soweit i n den Landesplanungsgesetzen die Landkreise als Träger der Baden-Württemberg Bayern Hessen Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein
19.12.1962 21.12.1957 4. 7.1962 7. 5.1962 5. 7.1961
(GBl. 1963 (GVB1. (GuVBl. (GVB1. (GuVBl.
S. 1) S.323) S.311) S.229) S.119)
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Regionalplanung benannt sind, ist i n der Regel auch deren Zusammenschluß zu regionalen Planungsgemeinschaften zugelassen, z. B. i m hessischen und i m schleswig-holsteinischen Landesplanungsgesetz. Eine besondere Organisationsform enthält das nordrhein-westfälische Landesplanungsgesetz, welches den drei sogenannten Landesplanungsgemeinschaften eine besondere gesetzliche Funktion einräumt.
Sondergesetzliche Regionalplanung Obgleich es i n der Bundesrepublik bereits eine große Anzahl regionaler Planimgsgemeinschaften, kommunaler Arbeitsgemeinschaften und ähnlicher Gemeinschaftseinrichtungen gibt, die auf regionaler Ebene wirken, und obgleich diese Einrichtungen wesentlich zur Verbreitung des Gedankengutes der Raumplanung beigetragen haben, erweisen sie sich doch nicht als ausreichend, u m i n echten Kollisionsfällen den Ausgleich und die Entscheidung herbeiführen zu können. Aus dieser Erwägung hat sich das Land Niedersachsen entschlossen, für die Region Hannover einen höheren Kommunalverband ins Leben zu rufen, dem die Ordnung und Gestaltung des Großraums Hannover obliegt. Dieser Verband ist durch ein besonderes Landesgesetz gegründet worden und ist damit nach mehr als vier Jahrzehnten der erste Nachfolger des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Ähnliche Pläne sind auch i n anderen Regionen verfolgt worden, ohne bislang ihr Ziel erreicht zu haben. Ein Fall, i n dem ohne durchgreifende Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage die nötige Koordination kaum erreichbar erscheint, bietet der Raum der vorläufigen Bundeshauptstadt.
Interkommunale Planung im Bundesbaugesetz Beschränken sich die gestellten Koordinationsaufgaben auf kleinere Räume, städtebaulich zusammenhängende Siedlungsgebiete, so bietet das Bundesbaugesetz m i t dem Planungsverband eine organisatorische Gestaltungsmöglichkeit, m i t der städtebauliche Planungs- und Vollzugsaufgaben i m gemeindenachbarschaftlichen Rahmen gelöst werden können. Einem solchen Planungsverband können die Aufstellung der städtebaulichen Pläne, d.h. des Flächennutzungsplanes und der Bebauungspläne, wie auch die Durchführung der i m Bundesbaugesetz geregelten Sicherungs- und Vollzugsmaßnahmen übertragen werden. Kann die zwischengemeindliche Planungskoordination auf den Flächennutzungsplan beschränkt werden, so genügt es i n manchen Fällen auch, einen gemeinsamen Flächennutzungsplan aufzustellen, der i n § 3 des Bundesbaugesetzes vorgesehen ist.
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Das Bundesbaugesetz selbst enthält auch Grundnormen für die Anpassung der kommunalen Bauleitpläne an die Ziele und Pläne der Landesplanung und Raumordnung. Zum Vollzug dieser materiellen Vorschrift haben einige Landesplanungsgesetze Verfahrensvorschriften erlassen, dabei auch zu der umstrittenen Frage Stellung genommen, ob es i m Hinblick auf A r t i k e l 28 des Grundgesetzes und § 6 des Bundesbaugesetzes einer materiellen Rechtsnorm bedarf, u m die Bindung der Gemeinden auszulösen. So schreibt z. B. das Landesplanungsgesetz von Baden-Württemberg vor, daß sich die Gemeinden nur einem solchen Plane zu beugen brauchen, der durch eine Rechtsverordnung oder definitiv durch ein Landesgesetz sanktioniert ist. Die Mehrzahl der Bundesländer n i m m t zu dieser Frage eine andere Stellung ein und hält nur ein förmliches Planaufstellungsverfahren, nicht aber die Sanktionierung der Pläne durch Gesetz für erforderlich. Sieht man von dieser Streitfrage und von der Frage der Organisationsform für Regionalverbände ab, so ist die Feststellung zulässig, daß das Landesplanungsrecht den i m Blick auf die Stadt- und Dorferneuerung zu stellenden Forderungen durchaus genügt und die Voraussetzungen dafür bietet, daß i n den i m überörtlichen Zusammenhang durchzuführenden Fällen Pläne der Regional- und Landesplanung aufgestellt und durchgesetzt werden können.
Die Bundesraumordnung Weniger befriedigend ist noch der gegenwärtige Rechtszustand der Raumordnung des Bundes. Seine Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten sind auf diesem Gebiete beschränkt. Umfassende Verwaltungs- und Rechtssetzungszuständigkeiten hat der Bund nur i m Bereich seiner Fachplanungen, insbesondere der Bundesfernstraßen, Bundeseisenbahnen, der Landesverteidigung. Daneben steht dem Bunde die Rahmengesetzgebungskompetenz für die Raumordnung nach Art. 75 Nr. 4 des Grundgesetzes zu. I n seinem Gutachten über die Baurechtskompetenz hat das Bundesverfassungsgericht dem Bunde ferner eine Zuständigkeit nach der Natur der Sache eingeräumt, weil dem Gesamtstaate die Raumplanung als eine nicht von der Hand zu weisende Aufgabe zustehe. Der Frage, ob diese Ansicht zutrifft, kommt jedoch keine praktische Bedeutung zu, w e i l die gegenwärtig betriebenen gesetzgeberischen Absichten sich auf die Rahmengesetzgebungskompetenz beschränken. Nachdem bereits i n der vorausgegangenen Legislaturperiode aus der Mitte des Bundestages von den i n der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Abgeordneten ein inter-
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fraktioneller Initiativgesetzentwurf vorgelegt worden war, ist dieser Schritt i m vorigen Jahre aus demselben Kreise wiederholt worden. Z u Beginn dieses Jahres hat die Bundesregierung ihre Vorlage unterbreitet. I h r Kern besteht i n der Aufstellung materieller Raumordnungsgrundsätze, m i t denen eine durchgehende Harmonisierung aller raumordnungspolitischen Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sichergestellt werden soll. Z u diesem Gesetzentwurf hat der Bundesrat i m sogenannten ersten Durchgang m i t knapper Mehrheit eine ablehnende Stellungnahme beschlossen, obgleich sich i n den voraufgegangenen Ausschußverhandlungen eine weitgehende Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte der Landesregierungen und der Bundesregierung hatte erzielen lassen. I n der Uberzeugung, daß der Erlaß eines Raumordnungsgesetzes notwendig ist und auch nicht durch das von einigen Ländern angeregte Verwaltungsabkommen ersetzt werden kann, hat sich die Bundesregierung entschlossen, dem Gesetzgebungsverfahren seinen Gang zu lassen. Dafür waren besonders die folgenden, ihrer Bedeutung wegen hier wörtlich zitierten Gesichtspunkte maßgebend: „Nach wie vor hält die Bundesregierung aus den i n ihrer Vorlage — Bundestagsdrucksache IV/1204 — dargelegten Gründen ein Bundesraumordnungsgesetz für erforderlich. Die rahmengesetzliche Festlegung materieller Grundsätze der Raumordnung bietet die Möglichkeit, die Raumordnung i m ganzen Bundesgebiet für alle hoheitlichen Planungsträger auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Dieses Ziel kann nach den i n der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen auf dem Wege freiwilliger Zusammenarbeit nicht immer erreicht werden. Selbst wenn einheitliche Grundsätze i n einem Vertrag zwischen Bund und Ländern festgelegt würden, so würde er nur die beteiligten Regierungen verpflichten, nicht aber die Landesparlamente oder dritte Planungsträger wie etwa die Gemeinden. Es dürfte außerordentlich schwierig sein, elf übereinstimmende Landesgesetze zu schaffen. Dies wäre aber Voraussetzung für eine i n den Grundzügen einheitliche Raumordnungspolitik. Die bundesgesetzliche Bestimmung der Raumordnungsgrundsätze w i r d es erleichtern, gemeinsame raumpolitische Ziele durchzusetzen, w e i l die Grundsatzentscheidungen damit i n weit stärkerem Maße dem Einfluß der interessierten und betroffenen Gruppen entzogen sein werden, als dies bei den einzelnen planerischen Entscheidungen häufig der F a l l ist. Die Bundesregierung ist auch der Uberzeugung, daß so grundlegende Entscheidungen, wie sie bei der Festlegung der materiellen Grundsätze der Raumordnung zu treffen sind, ihres politischen Ranges wegen i n die Hand des nach
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Friedrich Halstenberg Art. 75 Nr. 4 GG dafür werden sollten."
zuständigen Bundesgesetzgebers
gelegt
Die Raumordnungsgrundsätze I n der Erkenntnis, daß Raumordnungspolitik, auf welcher Ebene auch immer sie betrieben werde, sich nicht i n einer formalen Koordination erschöpfen kann, sondern der materiellen Konzeption bedarf, welche das sachliche Koordinationsziel darstellt, hat sich die Bundesregierung bereits i m vorigen Jahre entschlossen, für die raumbedeutsamen Maßnahmen und Investitionen des eigenen Geschäftsbereiches Raumordnungsgrundsätze festzulegen. Aus diesen Raumordnungsgrundsätzen haben sich die entsprechenden Vorschriften i n der Regierungsvorlage zum Raumordnungsgesetz ergeben. Diese Raumordnungsgrundsätze sind auch für den hier interessierenden Bereich der Stadt- und Dorferneuerung von nicht zu unterschätzendem Gewicht. Die einschlägigen Grundsätze Nr. 1, 4 und 5 waren Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen. I n den BundesratsausschußVerhandlungen gelang es jedoch, eine Formulierung zu finden, die sowohl den Gesichtspunkten der Bundesländer als auch Intentionen der Bundesregierung gerecht wird. Z u diesen Formulierungen hat sich inzwischen auch die Konferenz für Raumordnung durch einen übereinstimmenden Beschluß der Vertreter aller Landesregierungen und der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung hat diese Formulierung inzwischen offiziell autorisiert. Die i m Hinblick auf das Thema dieser Tagung besonders wichtigen Grundsätze lauten: 1. Die allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die kulturellen Einrichtungen sollen i n denjenigen Gebieten verbessert werden, i n denen die Lebensverhältnisse i n ihrer Gesamtheit i m Vergleich zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind; insbesondere sollen i n diesen Gebieten die Gemeinden m i t zentralörtlicher Bedeutung gefördert werden. 2. Gebiete m i t günstigen landwirtschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen sollen der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten und nur i n dem notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten vorgesehen werden. Gemeinden m i t zentralörtlicher Bedeutung sind zu erhalten und zu entwickeln. I n landwirtschaftlichen Gebieten, die der Bevölkerung kein ausreichendes Einkommen aus der Landwirtschaft ermöglichen, sollen zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten, vor allem i n Gemeinden m i t zentralörtlicher Bedeutung, geschaffen werden.
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3. Die Leistungskraft des Zonenrandgebietes soll gestärkt werden. 4. I n Gebieten mit einer übermäßigen Verdichtung von Bevölkerung und Arbeitsstätten (überlastete Verdichtungsräume) sollen Maßnahmen zur Strukturverbesserung ergriffen werden. I n Verdichtungsräumen sollen Maßnahmen vermieden werden, die zu einer Überlastung führen. 5. Einer Verkehrs- und versorgungsmäßigen A u f Schließung und Bedienung, die der angestrebten Entwicklung entspricht, ist Rechnung zu tragen. Die Regierungsvorlage enthält ferner einen die Siedlungsstruktur betreffenden Grundsatz. Dieser lautet: Es sind die Voraussetzungen für eine nach der Zweckbestimmung der verschiedenen Baugebiete planmäßig gegliederte und durch hinreichende Grünflächen aufgelockerte Besiedlung zu schaffen, die bei einem sowohl für den einzelnen zumutbaren als auch für die Volkswirtschaft tragbaren Aufwand für die Aufschließung breiten Schichten der Bevölkerung den Erwerb von privatem Eigentum an Grund und Boden ermöglicht. Dabei ist i n Stadt und Land auf die Neuordnung solcher Baugebiete Bedacht zu nehmen, die den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht entsprechen. Weitgehende Übereinstimmung in den materiellen Grundsatzfragen Der Tatsache, daß die Bundesregierung sich i n den entscheidenden materiellen Grundlagen der Raumordnung m i t den Bundesländern verständigen konnte, ist große Bedeutung beizumessen. Diese Bedeutung liegt vor allem darin, daß der die wirtschaftlich schwachen Regionen betreffende Grundsatz von allen Ländern, d.h. auch von denjenigen gebilligt worden ist, i n denen sich solche Gebiete i n besonderem Umfange befinden. A u f der anderen Seite beruht die Formulierung des die Verdichtungsgebiete betreffenden Grundsatzes auf einem von dem Stadtstaat Hamburg vorgelegten Vorschlag. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieses Land bei dem von i h m vorgelegten Vorschlag die besonderen Bedürfnisse großstädtischer Verdichtungsgebiete berücksichtigt hat und somit dieser Grundsatz eine Formulierung gefunden hat, die den berechtigten Interessen auch der Städte gemäß ist. Das für die Raumordnung federführende Bundesministerium, dessen Ansichten ich hier vertreten darf, strebt eine verständnisvolle Würdigung der Interessen der Städte und des flachen Landes an. Die Raumordnungspolitik der Bundesregierung ist kein Feind des flachen Landes, wenn sie die Stadterneuerung fördert, und ist kein Feind der Städte, wenn sie die Dorferneuerung fördert. 3
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Friedrich Halstenberg Der Vorrang der positiven Maßnahmen in der Raumordnung
Die Bundesregierung w i r d i m Rahmen des i n den nächsten Tagen i m Parlament vorgelegten und damit der Öffentlichkeit zugänglichen offiziellen Raumordnungsberichtes klarstellen, daß sie keine einseitige sei es stadtfeindliche, sei es stadtfreundliche Politik zu betreiben gedenkt. Es w i r d die Absicht der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht werden, i n ihrer Raumordnungspolitik den positiven, die Entwicklung i n bestimmten Räumen fördernden Maßnahmen den Vorrang zu geben und den der Bewahrung bedürftigen Räumen und Kräften Schutz zu gewähren. Eine solche positive Raumordnungspolitik w i r d eher als Verbote und Beschränkungen dazu beitragen, unerwünschte Entwicklungen zu hemmen. Dabei w i r d es jedoch als selbstverständlich angesehen, daß die öffentliche Hand selbst sich aller Maßnahmen enthält, die Störungen der angestrebten Ordnung und Entwicklung verursachen, vor allem zu einer Überlastung von Verdichtungsräumen führen. I m erwähnten Bericht w i r d ferner klargestellt werden, daß die noch immer verbreitete Meinung, die Raumordnungspolitik der Bundesregiegierung richte sich gegen alle Ballungsgebiete, nicht zutrifft. Die von der Raumforschung vorgelegten Abgrenzungsvorschläge für die Ballungsgebiete und für die Stadtregionen werden von der Bundesregierung zwar als wertvolle und interessante regionalstatistische Untersuchungen gewertet, die geeignet sind, Zustände und Entwicklungen aufzuzeigen. Diese Abgrenzungen erscheinen aber für darauf aufbauende raumpolitische Maßnahmen völlig ungeeignet. Insbesondere sind die von dem SARO-Gutachten festgestellten Ballungszonen nicht ohne weiteres m i t den i m Raumordnungsgesetz genannten überlasteten Verdichtungsräumen zu identifizieren. Nicht alle Ballungszonen sind überlastete Verdichtungszonen, nicht einmal Verdichtungsräume überhaupt. Es gibt auch Verdichtungsräume und überlastete Verdichtungsräume außerhalb der Ballungszonen. Z u ihrer Ermittlung bedarf es der Verwendung weiterer Kriterien als derjenigen, die i n dem Sachverständigengutachten zugrunde gelegt sind.
Notwendige Klarstellungen Wenn ich diese Feststellungen und Klarstellungen hier vortrage, so verfolge ich damit das Ziel, entstandene, vielleicht auch genährte Mißverständnisse und Irrtümer zu beseitigen und damit zugleich solche Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die der so notwendigen Verständigung i n dieser wichtigen Sache i m Weg stehen.
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Z u diesen Irrtümern, die aus dem Wege geräumt werden müssen, gehört auch die Behauptung, das Ministerium verbreite den Ruf „zurück aufs Land", wünsche „Industrie aufs Land" und strebe die „Entballung" an. Was Dezentralisation und Entballung i n dem Sinne der Zerschlagung oder Auflösung der vorhandenen Siedlungs- und Wirtschaftszentren anlangt, so lägen die Unsinnigkeit, die Undurchführbarkeit und die UnWirtschaftlichkeit solcher Ziele offen zutage. Solche Ziele können vernünftigerweise von keinem verantwortlich denkenden Politiker verfolgt werden. Bei der Entscheidung, ob ein Unternehmer seinen Standort i n den schon vorhandenen großen Konzentrationsräumen oder i n dazu geeigneten zentralen Orten wählt, soll der einzelne Unternehmer frei bleiben. Wohl halten w i r für richtig, den Unternehmer jedes Standorts m i t den durch ihn entstehenden Kosten zu belasten. W i r halten es auch für zulässig, an dazu geeigneten kleineren zentralen Orten m i t öffentlichen Mitteln i n gewissem Umfange Standortverbesserungen durchzuführen, die allemale nur nachholen können, was i n den traditionell begünstigten Standorten bereits an vorauserbrachter Leistung vorhanden ist. Abzulehnen ist die dritte Alternative, nämlich die Industrialisierung des flachen Landes schlechthin. Jedermann soll seinen Wohnsitz wählen, wo er es wünscht. W i r halten es wohl aber für eine Verfälschung der Freizügigkeit, wenn viele Dorfbewohner z. B. i m Zuge der landwirtschaftlichen Umstrukturierung nur noch die Wahl haben, entweder selbst i n die Stadt zu ziehen oder fernzupendeln. Hier halten w i r es für eine Verpflichtung der öffentlichen Hand, zwar nicht i n jedem Dorfe, aber an geeigneten Kristallisationspunkten ausreichende Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen, die außerdem notwendig sind, u m die ländliche Bevölkerung m i t den heute zu fordernden Zivilisationsleistungen versorgen zu können. W i r sind der Ansicht, daß Raumpolitik i m Rahmen der Verfassung betrieben werden kann und betrieben werden muß, daß i n der Raumordnungspolitik nur die Maßnahmen legitim und von Bestand sind, die sich auf objektive Maßnahmen begründen lassen und die auf die Ziele ausgerichtet sind und den staats- und gesellschaftspolitischen Werten verpflichtet sind, die sich aus dem Grundgesetz herleiten lassen. Baurechtliche Vorschriften für die Stadt- und Dorferneuerung Ohne die Bedeutung des Landesplanungs- und Raumordnungsrechtes als Voraussetzung für die Stadt- und Dorferneuerung zu schmälern, ist doch festzustellen, daß das Schwergewicht der bei der Sanierung zu lösenden Rechtsfragen i m Bereich des Baurechtes liegt. *
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Das i n die Zuständigkeit des Bundes fallende Baurecht für die städtebauliche Planung und deren Durchführung ist i m Bundesbaugesetz kodifiziert. Bei der Beratung dieses Gesetzes hat die Erörterung der Frage einen breiten Raum eingenommen, ob dieses Gesetz auch zugleich die besonderen Tatbestände der Sanierung zu regeln habe oder ob das einem später zu erlassenden Sanierungsgesetz überlassen werden solle. Die Entscheidung ist dahin gefallen, daß die Normen des Bundesbaugesetzes grundsätzlich für die Sanierungsfälle anwendbar sein sollten. Daher ist jeweils bei den einzelnen Institutionen des Bundesbaugesetzes geprüft worden, ob sie auch für die Aufgabe der Stadt- und Dorferneuerung geeignet wären. Einem künftigen Sanierungsgesetz sollten nur gewisse Ergänzungen überlassen werden. Das erklärt, daß die Sanierung i m Bundesbaugesetz nur an drei Stellen ausdrücklich angesprochen worden ist, nämlich bei der Kennzeichnung von Sanierungsgebieten i m Flächennutzungsplan, bei der Möglichkeit, ein erweitertes Vorkaufsrecht i n Sanierungsgebieten zu begründen und bei der Zulässigkeit der Anordnung von Bauverpflichtungen i n der Umlegung. Das Städtebauförderungsgesetz Die seit Erlaß des Bundesbaugesetzes gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse lassen sich dahin zusammenfassen, daß die grundlegenden Institutionen des Bundesbaugesetzes auch für die Sanierung geeignet sind, daß aber auf einige Ergänzungen des Bundesbaugesetzes und auf Vorschriften über das Verfahren, die Organisation und die Trägerschaft der Sanierung nicht verzichtet werden kann. I n Erkenntnis dieser Situation ist i n der letzten Regierungserklärung wiederum die Notwendigkeit der Schaffung eines Städtebauförderungsgesetzes als Grundlage der Erneuerung von Stadt und Land herausgestellt worden. Nach vorbereitenden Erörterungen m i t Sachkundigen aus dem kommunalen Sektor, aus dem Bereich der Länder und der Fachorganisationen ist der Referentenentwurf eines derartigen Städtebauförderungsgesetzes i m Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung erarbeitet worden. Die Verhandlungen zur Abstimmung dieses Entwurfes m i t den übrigen an der Materie beteiligten Bundesministerien sind aufgenommen worden. Bei dieser Sachlage ist es zwar noch nicht zulässig, den Entwurf der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, doch kann ich über die zugrunde liegenden Überlegungen und die Tendenz der Vorstellungen des Ministeriums i n diesem Kreise informieren. Zum besseren Verständnis w i l l ich dabei die einzelnen Institutionen des Bundesbaugesetzes und die vorzusehenden Ergänzungen i m Städtebauförderungsgesetz i m sachlichen Zusammenhang darstellen.
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Die Bauleitplanung und die Sanierung I n der Stadt- und Dorferneuerung nimmt die Aufstellung städtebaulicher Pläne einen ganz besonderen Rang ein. Abgesehen von den Fällen der Einzelobjektsanierung ist die Aufstellung eines verbindlichen Bebauungsplanes für die Erneuerungsgebiete unerläßlich. Wegen der den einzelnen betroffenen Eigentümern aufgebürdeten Leistungen und Opfer kann nur das förmliche, i n aller Öffentlichkeit sich vollziehende Planungsverfahren das geeignete Instrument darstellen. Nach dem System des Bundesbaugesetzes ist überdies der Bebauungsplan das einzige Instrument, städtebauliche Ziele verwaltungsmäßig durchzusetzen. Den i n der Sanierung der Stadt- und Dorferneuerung auftretenden planungsmethodischen und planungsrechtlichen Bedürfnissen genügt der Bebauungsplan des Bundesbaugesetzes i n jeder Beziehung. Der weitgespannte Inhalt des Katalogs zulässiger Festsetzungen erfaßt alle Gegenstände, die i n der Stadt- und Dorferneuerung von Belang sein können. Ergänzender Vorschriften für den Bebauungsplan bedarf es daher nicht. Dieselbe Feststellung ist auch für den Flächennutzungsplan zu treffen. I h m kommt allerdings für die Sanierung nicht eine derart tragende Bedeutung zu wie dem Bebauungsplan. Kenntlichmachung von Sanierungsgebieten im Flächennutzungsplan Bereits i m Bundesbaugesetz ist aber die Möglichkeit vorgesehen, i m Flächennutzungsplan Sanierungsgebiete zu kennzeichnen. Dieser Kennzeichnung von Sanierungsgebieten i m Flächennutzungsplan kommt aber eine rechtlich relevante Wirkung nicht zu. Diese Bestimmung gehört zu denjenigen, die ursprünglich für den Gesamtaufbauplan gelten sollte. Diese Planart wurde aber nach den Beratungsergebnissen des Bundestagsausschusses fallengelassen. Daher wurde diese Bestimmung i n den Flächennutzungsplan übernommen. Hier ist vorgeschrieben, daß Sanierungsgebiete „kenntlich gemacht werden sollen". I n der darin liegenden Publizitätswirkung erschöpft sich die Rechtskraft dieses Kenntlichmachens. Der Öffentlichkeit und den betroffenen Bürgern soll angezeigt werden, daß i n den i m Flächennutzungsplan kenntlich gemachten Gebieten städtebauliche Mißstände vorliegen, die demnächst oder später auf noch nicht näher festgelegte Weise beseitigt werden sollen. Intern bedeutet diese Kenntlichmachung, daß die Gemeinde bei der Erarbeitung des Bebauungsplanes den Tatbestand der Sanierungsbedürftigkeit zu berücksichtigen hat; denn auch dieser Inhalt des Flächennutzungsplanes unterliegt der Vorschrift, daß aus i h m die Bebauungspläne zu entwickeln sind.
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Friedrich Halstenberg Förmliches Sanierungsgebiet
Die eben dargestellte Vorschrift über bezeichnet als Sanierungsgebiete solche,
den
Flächennutzungsplan
„ i n denen zur Beseitigung städtebaulicher Mißstände besondere der Stadterneuerung dienende Maßnahmen erforderlich sind". Wenn an die förmliche Erklärung zum Sanierungsgebiet bestimmte über das Bundesbaugesetz hinausgehende Rechtshandhaben geknüpft werden sollen, muß das Städtebauförderungsgesetz die Voraussetzungen genauer umschreiben. Es könnte dabei zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Gebiet dann sanierungsbedürftig ist, wenn es städtebauliche Mißstände aufweist, die nur durch Beseitigung baulicher Anlagen oder durch wesentliche Umgestaltung des Gebietes zu beheben sind. Dabei können städtebauliche Mißstände vor allem darin gesehen werden, daß das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in i h m wohnenden und arbeitenden Menschen nicht entspricht. Zur Beurteilung der Frage, ob ein solches Gebiet sanierungsbedürftig ist, wäre insbesondere zu berücksichtigen: 1. Das Maß der baulichen Nutzung, 2. Die Beschaffenheit der Gebäude sowie die Belichtung, Besonnung und Belüftung der Wohnungen und Arbeitsstätten, 3. Die A r t und das Ausmaß der Vermischung von Wohnungen und Betrieben sowie ihre Auswirkung auf die Bewohner, 4. Die A r t der Nutzung unbebauter oder geringfügig bebauter Flächen, 5. Die Ausstattung des Gebietes m i t Flächen für Spiel und Erholung und Grünflächen sowie die sonstige Durchgrünung des Gebietes, 6. Die Erschließung des Gebietes, 7. Die Wasser- und Energieversorgung, die Ableitung von Abwasser, 8. Die Ausstattung des Gebietes m i t Anlagen des Gemeinbedarfes und m i t Gemeinschaftsanlagen, 9. Die Einwirkungen, die von Grundstücken, Betrieben oder Verkehrsanlagen ausgehen, insbesondere durch Geräusche, Erschütterungen, Rauch, Abgase, Gerüche, Ablagerungen. Gelegentlich vertretenen Empfehlungen, die Bewertung i n einem bis ins einzelne vorzuschreibenden Punkt- und Testsystem gesetzlich festzulegen, ist entgegenzuhalten, daß es außerordentlich schwierig ist, ein derartiges, auf alle Fälle anwendbares System zu finden, daß es ver-
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der BRD mutlich auch i m Hinblick auf die Entwicklung der Wertvorstellungen zu starr wäre und daß es der Gemeinde den Spielraum eigener Entscheidung i n einem kommunalpolitisch unerwünschten Maße entziehen würde. Die gesetzliche Definition der Sanierungsbedürftigkeit, die Aufzählung von Gesichtspunkten, die dabei zu berücksichtigen sind, stellen nur einen äußeren Rahmen für die Entscheidung der Gemeinde dar, der damit doch ein relativ breiter Beurteilungsspielraum überlassen bleibt. Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet Da der Begriff des Sanierungsgebietes i m Bundesbaugesetz bereits verwandt wird, empfiehlt es sich, dem soeben herausgearbeiteten besonderen Begriff eine entsprechend unterscheidende Bezeichnung zu geben, nämlich die eines „förmlichen Sanierungsgebietes". Die Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet muß von der Gemeinde in derselben Form vorgenommen werden, wie alle rechtsverbindlichen planerischen Entscheidungen, nämlich durch Beschluß der Vertretungskörperschaft der Gemeinde. Dieser Beschluß trägt den Charakter einer Ortssatzung. Er bedarf der staatsaufsichtlichen Genehmigung. Der Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet soll es nur bedürfen, wenn die Gemeinde das besondere sanierungsrechtliche Instrumentarium des Städtebauförderungsgesetzes i n Anwendung bringen w i l l ; d.h. wenn sie insbesondere eine Veränderungssperre, das erweiterte Vorkaufsrecht und die Bodenverkehrsgenehmigungspflicht herbeiführen w i l l . Es dürfte zweckmäßig sein, diese Rechtsfolgen m i t der Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet automatisch eintreten zu lassen; der Gemeinde bleibt die Freiheit, ob sie von den damit zugelassenen Rechtshandhaben auch tatsächlich Gebrauch machen w i l l . Eine der gesetzlichen Folgerungen der Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet muß darin bestehen, daß die Gemeinde nunmehr selbst gezwungen wird, für das Sanierungsgebiet einen förmlichen Bebauungsplan aufzustellen, wenn das noch nicht geschehen sein sollte. Materielle Grundsätze der Stadt- und Dorferneuerung Bereits i m Bundesbaugesetz ist die Vorschrift enthalten, wonach die Bauleitpläne sich den Zielen der Landesplanung und Raumordnung anzupassen haben. Diese Vorschrift gilt auch für die Stadt- und
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Dorferneuerung; doch dürfte es sich als zweckmäßig erweisen, diese allein auf die Bauleitplanung beschränkte Vorschrift auch auf alle sonstigen Maßnahmen der Stadt- und Dorferneuerung zu erstrecken, d. h. die Einbindung i n die überörtlichen Zusammenhänge auch für diejenigen Maßnahmen vorzuschreiben, die ohne Bebauungsplan durchgeführt werden können. Diese Vorschrift ist besonders dann von Bedeutung, wenn eine Gemeinde die Sanierung rein privatrechtlich, etwa nach Erwerb der Grundstücksflächen durchführen kann und daher auf die Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet und auf die Aufstellung von Bebauungsplänen verzichten könnte. Allgemeine städtebauliche Grundsätze für die Bauleitplanung sind i m Bundesbaugesetz bereits i n den §§ 1 Abs. 4 und 5 aufgestellt. Diese gelten auch für die Stadt- und Dorferneuerung. Sie werden durch das bereits oben erwähnte Bundesraumordnungs-Rahmengesetz eine weitere Ergänzung erfahren.
Veränderungssperre Der Sicherung der zukünftigen Planung während der Dauer des Planungsverfahrens dient die Veränderungssperre. Sie kann von der Gemeinde beschlossen werden und bewirkt, daß erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen der Grundstücke nicht vorgenommen werden dürfen, nicht genehmigungsbedürftige aber wertsteigernde bauliche Anlagen nicht errichtet oder wertsteigernde Änderungen solcher Anlagen nicht vorgenommen werden dürfen und genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen nicht errichtet oder geändert werden dürfen. (§14 BBauG.) Das Bundesbaugesetz bestimmt i n § 18, daß die Gemeinde eine Entschädigung zu leisten hat, wenn die Veränderungssperre länger als vier Jahre dauert und den Betroffenen dadurch Vermögensnachteile entstehen. Wegen der besonderen Schwierigkeiten, die sich für die Bauleitplanung i n den Sanierungsgebieten ergeben, ist es denkbar, daß die Erarbeitung und Aufstellung des Bebauungsplanes mehr als vier Jahre i n Anspruch nimmt. Es w i r d nicht selten i n Sanierungsgebieten das Bedürfnis entstehen, die Möglichkeit von Veränderungssperren über vier Jahre hinaus i n Anspruch zu nehmen, was auch nach den Bestimmungen des Bundesbaugesetzes möglich ist. Der Regelung innerhalb des Sanierungsgesetzes w i r d die Frage bedürfen, ob eine Verlängerung der entschädigungslosen Dauer der Veränderungssperre konzediert werden soll. Gegen einen Ausschluß der
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Entschädigung werden jedoch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Es könnte eher daran gedacht werden, für einen bestimmten zusätzlichen Zeitraum zwar die Geldentschädigung auszuschließen, jedoch dem Eigentümer das Recht einzuräumen, die Übernahme des Grundstückes zum Verkehrswert durch die Gemeinde zu verlangen. Diese Regelung würde eine den Bestimmungen des Grundgesetzes entsprechende Entschädigungsart darstellen. Nach Verständigung mit den an der Ausarbeitung des Referentenentwurfes beteiligten Sachverständigen, erscheint es notwendig und i m allgemeinen auch ausreichend, diese Regelung für das fünfte und sechste Jahr, also für zwei weitere Jahre, einzuräumen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Gemeinde die Entschädigungspflicht dadurch ausräumen kann, daß sie dem Grundstückseigentümer i m Ausnahmewege die Nutzung des Grundstückes zuläßt. Das setzt allerdings voraus, daß innerhalb des Zeitraumes von 4 bzw. 6 Jahren eine hinreichend konkrete Vorstellung über die Planungsabsichten zustande kommt. I n vielen Fällen w i r d diese Voraussetzung erfüllt werden können.
Das Vorkaufsrecht Als eines der Instrumente kommunaler Bodenpolitik, auch zur Vermeidung einer Enteignung, räumt das Bundesbaugesetz den Gemeinden ein gesetzliches Vorkaufsrecht ein. Dieses besteht jedoch nur in drei Fällen, nämlich a) an bebauten oder unbebauten Grundstücken, die i n einem Bebauungsplan für öffentliche Zwecke ausgewiesen oder i n ein Verfahren zur Bodenordnung einbezogen sind (§ 24 BBauG), b) für unbebaute Grundstücke i m Geltungsbereich eines Bebauungsplanes sowie i n Gebieten, für die eine Gemeinde die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen hat (§ 25 BBauG), c) für bebaute Grundstücke i n Sanierungsgebieten (§26 BBauG). Das zuerst genannte Vorkaufsrecht besteht schlechthin kraft Gesetzes. Die beiden anderen besonderen Vorkaufsrechte bedürfen der Einführung durch Satzung der Gemeinde. Nach allgemeiner Ansicht w i r d innerhalb der Sanierungsgebiete grundsätzlich ein gemeindliches Vorkaufsrecht für notwendig gehalten. Es ist daher daran gedacht, ein erweitertes Vorkaufsrecht sowohl an unbebauten als auch an bebauten Grundstücken zu begründen. Dazu ist an sich bereits durch die Bestimmungen des §25 und des §26 des Bundesbaugesetzes die gesetzliche Möglichkeit geboten. Es könnte jedoch aus
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Gründen der Verwaltungsvereinfachung daran gedacht werden, ein umfassendes gesetzliches Vorkaufsrecht als automatische Folge der Erklärung zum förmlichen Sanierungsgebiet eintreten zu lassen. Genehmigungsvorbehalte Nach dem Bundesbaugesetz umfaßt die Genehmigungspflicht den Bodenverkehr
für
a) die Grundstücksteilung innerhalb der Baugebiete b) die Auflassung und die Erbbaurechtbestellung i m Außengebiet, c) die Teilung i m Außengebiet, wobei i n den beiden zuletzt genannten Fällen Voraussetzung der Genehmigungspflicht ist, daß das Geschäft dem Zwecke der Bebauung oder kleingärtnerischer Dauernutzung dient. Diese Vorschriften werden ihre Wirksamkeit auch innerhalb der Stadt- und Dorferneuerung entfalten; doch reichen die Genehmigungstatbestände nicht aus, u m i n den Sanierungsgebieten den Eigentümer und die Vertragspartner vor Fehlinvestitionen zu schützen und solche Manipulationen zu vermeiden, die zu nicht gerechtfertigten, volkswirtschaftlich nicht zu verantwortenden und von der öffentlichen Hand zu tragenden Entschädigungserhöhungen führen. Es erscheint notwendig, innerhalb der Sanierungsgebiete alle Grundstücksteilungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Nur auf diese Weise kann erreicht werden, daß bis zum Inkrafttreten eines neuen Bebauungsplanes sanierungserschwerende Teilungen verhindert werden. Darüber hinaus erscheint es notwendig, i n Sanierungsgebieten solche Verträge einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen, durch die einem anderen ein Recht zum Besitz, zur Nutzung oder zur Bebauung des Grundstückes verschafft wird. Besonders neue langfristige Mietund Pachtverträge können bei einer Sanierung die Entschädigungsforderungen sehr erhöhen. Die Begründung der Genehmigungspflicht bedeutet, daß die i h r unterliegenden Rechtsgeschäfte ohne die schriftlich erteilte Genehmigung der Gemeinde unwirksam sind. Beendigung bestehender Besitz- und Nutzungsverhältnisse Zur Durchführung der Sanierung ist es notwendig, die Rechte zu beenden, die Dritten an den zu beseitigenden Objekten zustehen. I n der Mehrzahl der Fälle w i r d es sich u m Miet- und Pachtverträge handeln. Der Begründung neuer langfristiger Verträge dieser A r t kann durch die vernünftige Handhabe der Genehmigungspflicht entgegengewirkt wer-
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den, wobei grundsätzlich nicht die Genehmigung zu versagen, sondern darauf hinzuwirken ist, daß die Laufzeit der Verträge dem geplanten zeitlichen Ablauf der Sanierungsdurchführung angepaßt wird. Bereits bestehende Verträge und sonstige der Durchführung des Bebauungsplanes entgegenstehende Rechte, seien es obligatorische oder dingliche, können i m Wege der Enteignung aufgehoben werden. Diese Möglichkeit eröffnet die bereits darauf eingerichtete Vorschrift des § 86 Abs. 1 Ziffern 2 und 3 i n Verbindung m i t § 85 BBauG. I m Falle der Anwendung des Enteignungsrechtes sind aber die den Betroffenen dadurch entstehenden Vermögensnachteile zu entschädigen. Diese Folge kann vermieden werden, wenn vertragliche Nutzungsverhältnisse auf privatrechtlichem Wege, nämlich durch Kündigung, beendigt werden. Es erscheint daher zweckmäßig, i m künftigen Sanierungsrecht eine solche Regelung vorzusehen, nach der der Eigentümer gehalten ist, von vertragsmäßigen Kündigungsrechten so Gebrauch zu machen, daß die der Sanierung entgegenstehenden Rechte zur gebotenen Zeit gekündigt werden. Dazu w i r d das Recht der Gemeinde vorzusehen sein, von dem Eigentümer den Ausspruch dieser Kündigung zu verlangen oder auch, wenn der Eigentümer solcher Aufforderung nicht folgt, die Kündigung anstelle des Eigentümers auszusprechen. I m Falle der vertragsmäßigen Ausübung des Kündigungsrechtes w i r d eine Entschädigung nicht zu leisten sein. Dagegen w i r d eine vorzeitige Beendigung eines solchen Rechtsverhältnisses Entschädigungsverpflichtungen auslösen. Planimgsschadensersatz I m Bundesbaugesetz ist geregelt, in welchen Fällen eine Entschädigung auf Grund der Festsetzungen in Bebauungsplänen zu leisten ist. Dabei sind i n der Hauptsache zwei Gruppen zu unterscheiden: Die erste bildet die Festsetzung von öffentlichen Flächen, die zweite die Herabsetzung der baulichen Nutzbarkeit von Grundstücken. Die erste Gruppe bietet innerhalb der Sanierung keine besondere Problematik, die zweite um so vielmehr. Vor allem bei Sanierungen, deren Zweck i n der Herabsetzung der baulichen Nutzung insgesamt liegt, könnte dadurch i m Sinne des § 44 Abs. 1 eine EntschädigungsVerpflichtung ausgelöst werden, wenn nämlich eine bisher zulässige bauliche Nutzung eines bebauten oder unbebauten Grundstückes aufgehoben oder geändert w i r d und dadurch eine nicht unwesentliche Wertminderung des Grundstückes eintritt. Diese Entschädigungspflicht soll aber dann nicht gelten, „wenn die bisher zulässige Nutzung geändert wird, w e i l sie den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhält-
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Friedrich Halstenberg nisse oder an die Sicherheit der auf dem betroffenen Grundstück oder i m umliegenden Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht."
Durch diese Vorschrift des Bundesbaugesetzes w i r d i n einer großen Anzahl von Sanierungsfällen eine Entschädigung bereits ausgeschlossen. Ausschluß von Sanierungsvorteilen bei Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen M i t der Durchführung der Sanierung steigen entsprechend der Verbesserung der allgemeinen städtebaulichen Verhältnisse auch die Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke. Als Vorwegnahme künftiger Werterhöhungen werden Preissteigerungen i n vielen Fällen bereits dann einsetzen, wenn die Absicht der Sanierung bekannt und i n den einzelnen Stufen des Sanierungsverfahrens durchgeführt wird. Behält der ursprüngliche Grundstückseigentümer sein Grundstück, so soll i h m der damit verbundene Wertzuwachs ungeschmälert verbleiben; das ist die konsequente Folgerung daraus, daß auch i m allgemeinen Bau- und Planungsrecht eine Abschöpfung von Wertsteigerungen nicht vorgesehen, ja i n den parlamentarischen Beratungen ausdrücklich abgelehnt worden ist. Soweit es sich u m Einzelobjektsanierungen handelt, w i r d aber bei der Baugebietserneuerung meist eine Veränderung der Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse stattfinden müssen. I n vielen Fällen werden Neugestaltungsumlegungen durchgeführt, i n anderen Enteignungen angeordnet werden müssen. Es stellt sich die Frage, ob auch i n diesen Fällen bei der Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen die durch die Aussicht auf die Sanierung eingetretenen Wertsteigerungen Berücksichtigung finden sollen. Es handelt sich dabei nicht u m die Abschöpfung von Wertvorteilen, sondern durch Gesetz wäre als Inhalt des Eigentums festzustellen, daß durch die Einleitung der Sanierung entstehende, aber noch nicht realisierte Wertgewinne als nicht dem Eigentumsinhalt zugehörig deklariert werden. Umlegungsverfahren Die Umlegung, als das behördliche Verfahren, unzulängliche Grundstücksverhältnisse durch Neuordnung nach Zuschnitt, Lage und Größe zu verbessern, ist i m Bundesbaugesetz eingehend und abschließend geregelt. Innerhalb der Sanierung w i r d der Umlegung besondere Bedeutung zukommen. Alle wesentlichen, i n der Sanierung zu berücksichtigenden Besonderheiten haben bei der Gestaltung des Umlegungsverfahrens i m Bundesbaugesetz ihre angemessene Berücksichtigung erfahren.
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Innerhalb des Sanierungsverfahrens w i r d die Regelung des Abbruchs vorhandener Gebäude eine besondere Rolle spielen. Daher könnte es sich als zweckmäßig erweisen, vorzuschreiben, daß i m Umlegungsplan die abzureißenden und zu beseitigenden baulichen Anlagen besonders zu kennzeichnen sind. Auch dürfte sich empfehlen, klarzustellen, daß der Eigentümer nach Inkrafttreten des Umlegungsplanes verpflichtet ist, den von der Gemeinde angeordneten Abbruch zu dulden. Verpflichtung zur Wiederbebauung der Grundstücke — Baugebot Bei der rechtlichen Gestaltung der Umlegung wurde bereits i m Bundesbaugesetz die Möglichkeit eröffnet, i n Sanierungsgebieten die Zuteilung eines Grundstückes m i t der Verpflichtung zu verbinden, das Grundstück innerhalb einer näher zu bestimmenden Frist zu bebauen. Für den Fall, daß die Neuordnung der Grundstücke i n einem Umlegungsverfahren erfolgt, reicht diese Vorschrift (§59 Abs. 5 BBauG) aus. Es w i r d jedoch nicht immer notwendig sein, ein Umlegungsverfahren durchzuführen. Manchmal mag es ausreichen, die Grundstücksneuordnung den beteiligten Eigentümern oder einem privatrechtlichen Sanierungsträger zu überlassen. Aber auch dann muß es möglich sein, die Bauverpflichtung auszusprechen. Es erscheint daher geboten, i n einem Sanierungsgesetz der Gemeinde die Anordnung des Baugebotes auch dann zu ermöglichen, wenn die Sanierung ohne Umlegung durchgeführt wird. Auch hier muß an die Nichterfüllung des Baugebotes dieselbe Rechtsfolge geknüpft werden wie i m Umlegungsverfahren: w i r d das Grundstück nicht innerhalb angemessener Zeit bebaut, so kann die Gemeinde verlangen, daß das Grundstück an sie oder an einen von i h r zu benennenden Bauwilligen übereignet wird. Enteignung Das Bundesbaugesetz läßt für alle Bestimmungszwecke, die Inhalt eines Bebauungsplanes sind, die Enteignung zu, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, die einen so schweren Eingriff rechtfertigen. Eine Enteignung ist nach den Bestimmungen des Bundesbaugesetzes nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Enteignung erfordert, wenn der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann, wenn ein Grundstück aus dem öffentlichen Grundbesitz nicht zur Verfügung gestellt werden kann, wenn der Bewerber sich ernsthaft u m den freihändigen Erwerb eines geeigneten Grundstückes beworben hat und
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Friedrich Halstenberg wenn der Interessent glaubhaft macht, daß er das Grundstück nach angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwenden wird.
Von diesen Voraussetzungen gewährt das Bundesbaugesetz (in § 88) eine gewisse Erleichterung, wenn es sich u m Enteignungen aus „zwingenden städtebaulichen Gründen" handelt. I n diesem Falle genügt es nämlich, wenn sich der Bewerber nur u m den freihändigen Erwerb des betreffenden Grundstückes bemüht. Er braucht sich also nicht um andere vielleicht auch geeignet erscheinende Grundstücke zu bemühen. Zwingende städtebauliche Gründe liegen jedenfalls dann vor, wenn zur Erfüllung des Enteignungszweckes nur bestimmte Grundstücke i n Betracht kommen, etwa bei der Neuanlage oder Verbreiterung einer Straße. Es dürfte zweckmäßig sein, innerhalb des Sanierungsrechts diese Erleichterung der Enteignungsvoraussetzungen allgemein zuzugestehen; denn auch hier kommt es, soweit eine Enteignung überhaupt notwendig ist, gerade auf die einzelnen der Sanierung bedürftigen Grundstücke an.
Der Schutz des Eigentums in der Sanierung Die deutsche Wohnungs- und Baurechtsgesetzgebung hat es stets als ihre besondere Aufgabe angesehen, das Eigentum nicht nur i n dem durch zwingende Vorschriften des Grundgesetzes gesicherten Sinne zu respektieren, sondern darüber hinaus die Erhaltung und die breite Streuung privaten Eigentums zu fördern. Diesem Anliegen w i r d auch bei der Sanierungsgesetzgebung Rechnung zu tragen sein. Dem künftigen Sanierungsgesetz w i r d die Aufgabe zufallen, nach der positiven wie nach der negativen Seite h i n klare Tatbestände zu schaffen, die einerseits die Durchführung der Sanierung überhaupt ermöglichen, andererseits i n ihrem Rahmen bedeutsame rechtspolitische Ziele nicht gefährden. Auch für die Sanierung muß gelten, daß bei klaren Enteignungstatbeständen Entschädigung nach dem Verkehrswert zu zahlen ist. Eine Einschränkung gegenüber den sonstigen Regelungen scheint dahin vertretbar, daß solche Werterhöhungen ausgeschlossen werden, die auf die Aussicht auf Durchführung der Sanierung zurückzuführen sind. Diese Regelung findet ihren Anknüpfungspunkt i n den entsprechenden bewährten und als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannten Regelungen des Umlegungsverfahrens. I m Falle der verlängerten Veränderungssperre w i r d i m Sanierungsrecht für die Dauer von zwei Jahren die sonst bei der Veränderungssperre zu gewährende Entschädigung zwar nicht ausgeschlossen, aber
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doch i n der Weise modifiziert, daß keine Nutzungsausfallentschädigung, sondern nur die Übernahme des Grundstückes — natürlich zum Verkehrswert — verlangt werden kann. Wiederherstellung privaten Einzeleigentums nach Durchführung der Sanierung Der vorherrschende Zweck der Sanierung besteht i n der Schaffung städtebaulich einwandfreier Zustände. Der Eingriff i n die Eigentumssubstanz ist bei der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen weithin unvermeidbar. Die Sanierung darf aber nicht den Anlaß dazu bieten, gleichzeitig oder als Nebenzweck die Eigentumsverhältnisse auf Dauer zu verändern. Es w i r d daher i n Übereinstimmung m i t der von der Bundesregierung betriebenen Eigentumspolitik i n dem Städtebauförderungsgesetz durch eine Grundsatznorm zu sichern sein, daß schon bei der Planung auf die Möglichkeit Bedacht genommen wird, solche Eigentumsverhältnisse nach Durchführung der Sanierung wiederherzustellen, daß die ursprünglichen Eigentümer i n angemessener Weise wieder Eigentum erwerben. Bereits das Bundesbaugesetz enthält eine Reihe von vergleichbaren Vorschriften. So ist vorgeschrieben, daß die Gemeinde i m Vorkaufsrecht erworbene Grundstücke, soweit diese nicht für öffentliche Zwecke benötigt werden, privaten Bauwilligen anzubieten hat. Dasselbe gilt für i n der Enteignung erworbene Grundstücke, wenn der Zweck der Enteignung darin besteht, Grundstücke für die bauliche Nutzimg vorzubereiten. I n der Umlegung ist die Berücksichtigung der alten Eigentümer, soweit es sich nicht u m Kleinparzelleneigentümer handelt, vom Wesen dieses Verfahrens her zwingend vorgeschrieben. Diese Grundsätze gelten ausnahmslos auch für die Sanierung. Vorrang der privaten Initiative bei der Durchführung der Sanierung Die Respektierung des privaten Eigentums sollte i n einem kommenden Sanierungsrecht ihren Niederschlag auch darin finden, daß i n erster Linie die Eigentümer selbst berufen sind, die Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, wenn die private Rechtsposition dazu ausreicht. Auch sollten die Eigentümer die Möglichkeit haben, sich durch ein Betreuungsunternehmen ihrer Wahl bei der Durchführung der Sanierung beraten zu lassen oder auch die Sanierung i m ganzen durch einen Sanierungsträger an ihrer Stelle durchführen zu lassen. Durch die staatliche Aufsicht ist dabei sicherzustellen, daß einmal nur solche Betreuungsunternehmen und Sanierungsträger zugelassen werden, die auch zuverlässig
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und geeignet sind; auf der anderen Seite w i r d die Gemeinde darauf hinwirken müssen, daß die Sanierung, wenn sie durch die Eigentümer, unter Einschaltung eines Betreuungsunternehmens oder durch Sanierungsträger durchgeführt wird, auch zum Abschluß gelangt und nicht ungebührlich verzögert wird. I m hoheitlichen Bereich ist die Gemeinde der Träger des Sanierungsverfahrens. Wie ihr die Bauleitplanung obliegt, so w i r d auch das Sanierungsrecht die Stadt- und Dorferneuerung als eine gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe zu sichern haben. Bund und Länder w i r ken neben der Gemeinde an der Erfüllung dieser Aufgabe insoweit mit, als überörtliche Aufgaben anstehen. Die M i t w i r k u n g des Bundes an der Stadt- und Dorferneuerung w i r d i n erster Linie i n der Bereitstellung der i n seine Zuständigkeit fallenden Rechtsinstrumente und i n der Gewährung der von Bundes wegen zulässigen Finanzierungshilfen bestehen. Der Beitrag der Länder w i r d i n der Regelung der überörtlichen Fragen, i n der städtebaulichen Aufsicht und in der Gewährung von Finanzierungshilfen bestehen. Die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die finanzielle Verantwortung und Beteiligung zwischen den Gemeinden, den Ländern und dem Bunde erfolgt, ist noch nicht abschließend geklärt. Ihre Klärung ist aber dringlich; denn zwar w i r d die Verbesserung der baurechtlichen Instrumente eine der Voraussetzungen für die Verwirklichung der großen Sanierungsaufgaben der Zukunft bieten, doch steht es außer Zweifel, daß die Gemeinden allein m i t den ihnen bei der gegenwärtigen Finanzstruktur zustehenden Mitteln die großen Aufgaben der Stadt- und Dorferneuerung nicht werden lösen können. Das Sanierungsrecht in der verfassungsmäßigen Eigentumsordnung Nach den Darlegungen über die bundesbaugesetzlichen Rechtsinstrumente und die i n der Vorbereitung befindlichen Ergänzungen i m Rahmen eines Städtebauförderungsgesetzes erscheint eine zusammenfassende Würdigung unter dem Thema der Vortragsfolge angezeigt: Welche Stellung nimmt das bestehende und das künftige Sanierungsrecht i n der verfassungsmäßigen Eigentumsordnung der Bundesrepublik ein? Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14), die besagt, daß das Eigentum gewährleistet wird, läßt sich i n zwei Garantiefunktionen aufgliedern. Sie schützt das Eigentum als Institut und als konkretes Vermögensrecht. Die Institutsgarantie bedeutet die grundsätzliche
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Anerkennung des Sacheigentums. Dieses Institut darf i n seinem Wesensgehalt nicht angetastet werden (Art. 19 Abs. 2 GG); seine Substanz darf nicht aufgelöst werden. Der Gesetzgeber, an den sich diese Normen des Grundgesetzes wenden, ist nicht befugt, das Eigentum beliebig umzugestalten. Er kann und muß aber Inhalt und Schranken des Eigentumes bestimmen. Die Grenzen, die er dabei nicht überschreiten darf, ergeben sich aus einer von Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes als selbstverständlich vorausgesetzten Tradition des Eigentumsbegriffes und aus dem Zusammenhang der freiheitlichen Grundrechte des Grundgesetzes 2. Seinen konkreten Inhalt erlangt das Eigentum an bestimmten Gütern oder i n bestimmten Lebensbereichen durch die dem Gesetzgeber aufgegebene Gestaltung der Eigentumsbindungen. „Inhalt und Schranken (des Eigentums) werden durch die Gesetze bestimmt" (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Diese Ausformung des Eigentumsbegriffes ist dem Gesetzgeber nicht etwa freigestellt, sondern als Pflicht aufgegeben. Das bringt neben dem sozialstaatlichen Grundsatz des Artikels 20 Abs. 1 GG das Gebot i n Art. 14 Abs. 2 zum Ausdruck: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Solchen Bindungen ist das Eigentum an bestimmten Arten von Gegenständen oder i n bestimmten Lebensbereichen i n allen geschichtlichen Epochen unterworfen gewesen — wenn auch, was am Beispiel des Städtebaurechts zu verfolgen ist, i n unterschiedlichen Ausprägungen. Neben der hier zuerst umschriebenen institutionellen Garantie gewährleistet das Grundgesetz auch die individuelle Rechtsstellung des Eigentümers. Das zeigt sich sinnfällig i n der Vorschrift des Artikels 14 Abs. 3 GG: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das A r t und Ausmaß der Entschädigung r e g e l t . . . " So schützt das Grundgesetz nicht gegen den hoheitlichen Zugriff auf das individuelle Eigentum schlechthin; w o h l aber knüpft es die Zulässigkeit eines solchen Zwangseingriffs an strenge Voraussetzungen. Zu dem Begriff der Enteignung i m Sinne des Grundgesetzes gehört i n erster Linie die sogenannte „Enteignung i m klassischen Sinne"; sie zielt auf die Beschaffung von Gütern ab, deren Verfügbarkeit zur Erfüllung eines öffentlichen Zweckes erforderlich ist. Die klassische Enteignung kann man daher m i t Weber als einen „Güterbeschaffungsvorgang" bezeichnen. Neben diesem Güterbeschaffungsvorgang spielt die „Aufopferungsenteignung" eine bedeutende Rolle. Hier werden nicht 2 Hierzu eingehende Darlegungen mit Quellen bei Werner Weber: Eigentum und Enteignung, in: Neumann-Nipperdey-Scheuner: „Die Grundrechte", Bd. I I , 1954, S. 331 ff.
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Güter für einen bestimmten öffentlichen Zweck beansprucht; sondern es handelt sich u m andere Beeinträchtigungen der vermögensrechtlichen Stellung des Eigentümers. Sie löst, wie die klassische Enteignung, die Verpflichtung zur Entschädigungsleistung aus. Durch Jahrzehnte hindurch hat die Abgrenzung zwischen der Enteignung, vor allem der Aufopferungsenteignung, und der Eigentumsbindung Gerichtsbarkeit und Rechtswissenschaft vor schwierige Fragen gestellt, solange der Gesetzgeber der i h m obliegenden Verpflichtung, Enteignungs- und Eigentumsbindungstatbestände sauber gegeneinander abzugrenzen, nicht erfüllt hatte. Neben großen A u f gaben der Rechtsgestaltung lag hier das verfassungspolitische Schwergewicht des Bundesbaugesetzes. Einen weiteren Beitrag dazu w i r d — i n seinem baurechtlichen Teil — das Städtebauförderungsgesetz zu leisten haben. Bei den hier bereits getroffenen und bei den noch zu treffenden rechtsgestaltenden Entscheidungen sind aus der geschichtlichen Entwicklung des Eigentums wertvolle Erkenntnisse und Lehren zu ziehen. Geht das Grundgesetz erkennbar allgemein von dem Grundsatz aus, daß der Eigentumsbegriff als das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung zu betrachten und i n diesem Sinne nur einer evolutionären Gestaltung zugänglich ist, so gilt das ganz besonders für das Bodeneigentum i m städtebaulichen Bereich. Hier drückt sich zugleich die gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Funktion des Eigentums deutlich aus. Der Sozialpflichtigkeit entsprechende Eigentumsbindungen haben den Städtebau i n seinen guten Zeiten überhaupt erst ermöglicht. Die Anerkennung des gebundenen Eigentums war die Voraussetzung für die großen städtebaulichen Einzel- und Gemeinschaftsleistungen des M i t telalters. Das Bodenrecht beließ dem Grundherrn neben dem Zinsrecht ein umfassendes Aufsichts- und Einwirkungsrecht. Dem Bauherrn, der den Boden m i t baulichen Anlagen nutzte, stand ursprünglich nur der Besitz zu. So waren Anforderungen an die Anordnung der Gebäude und deren bauliche Gestaltung jederzeit durchsetzbar. Wuchs auch schließlich das Nutzungsrecht des Bauherrn und wurde der Grundherr am Ende der Entwicklung auf sein Zinsrecht beschränkt, so wurden die Ordnungs- und Gestaltungsregeln zunehmend durch kommunale Statuten übernommen. Z u m Inhalt des mittelalterlichen Eigentums am Bauboden hat stets die Baupflicht gehört, nicht nur die Verpflichtung zur erstmaligen Bebauung eines Baugrundstücks, sondern auch zur Errichtung von Ersatzbauten bei Einsturz, Brand, Baufälligkeit. Die Nichtbefolgung der Baupflicht konnte zum Rechtsverlust führen. Zum Inhalt des Eigentums am Bauboden gehörte auch, daß der
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der BRD
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Grundherr die Einteilung der Grundstücke i n Bauparzellen bestimmen und den Zuschnitt der Grundstücke ändern durfte. I n diesen m i t telalterlichen Baurechtsinstituten finden sich nahezu alle modernen Städtebaurechtsinstitute dem Grunde nach vorgezeichnet. Sie den Bedürfnissen dieses Jahrhunderts anzupassen, bedeutete daher keine revolutionären Schritte, sondern lediglich einen Anpassungsvorgang. Nur wer i n der langfristigen Entwicklung die kurz bemessene Periode des l i beralen Städtebaus überbewertet, könnte die Folgerichtigkeit der evolutionären Entwicklung leugnen. I n dieser kurzen Periode war die Idee der Sozialpflichtigkeit des Eigentums i n den Hintergrund gedrängt. Gerade i n dieser Zeit, i n der sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen besonders großen Umfanges m i t starker Intensität vollzogen, hätten der Städtebau und das Bau- und Bodenrecht besonders große Aufgaben zu lösen gehabt. Den Aufgaben, die die Industrialisierung, die Bevölkerungszunahme, die Bevölkerungswanderungen, kurz der Ubergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft stellten, ist der Städtebau des vorigen Jahrhunderts nicht gerecht geworden. Dieser Zeit entstammen die ärgsten Mißstände i n unseren Städten: hohe Ausnutzung der Grundstücke, massierte Bebauung ohne die notwendigste Begrünung und Freiflächen, fehlende Belichtung und Besonnung, unzureichende oder völlig fehlende Spielplätze und Erholungs- und Gemeinschaftsanlagen. Unter dem Zeichen eines unzulänglichen Städtebaus, i n den Elendsquartieren, entstand die soziale Frage. Dies macht den engen Zusammenhang zwischen Städtebau, Bau- und Bodenrecht und Gesellschaftspolitik auf der anderen Seite deutlich. Der Städtebau von heute hat nicht nur die Folgen der baulichen Fehlentwicklungen des Liberalismus, sondern zugleich auch dessen rechtspolitische Fehlentwicklung zu überwinden. Die Lösimg, zu der auch das i n der Vorbereitung befindliche Städtebauförderungsrecht einen bedeutenden Beitrag leisten muß, liegt i n der Anknüpfung an die geschichtliche Entwicklung des i n seinem Kern bewährten deutsch-rechtlichen Bau- und Bodenrechts.
Aussprache Oberbürgermeister
Bockelmann
Das Thema, m i t dem w i r uns i n diesen Tagen auseinandersetzen, heißt „Stadterneuerung und Eigentumsordnung". Folgerichtig ist Herr Dr. Halstenberg i n seinem einleitenden Referat von der Problemat i k der Stadterneuerung ausgegangen, u m dann zu untersuchen, ob unsere Eigentumsordnung und inwieweit unsere Eigentumsordnung, und ich möchte sagen darüber hinaus unsere Rechtsordnung überhaupt, die Lösung der Aufgaben, die vor uns stehen, möglich macht. Und w i r werden i n diesen Tagen i n einem internationalen Rechtsvergleich hören, wie es i n anderen Ländern aussieht. Ich möchte bei den Aufgaben, die Herr Dr. Halstenberg bei der Stadterneuerung behandelt hat, nur bei einem einzigen Punkt anknüpfen. Ich stimme m i t Herrn Dr. Halstenberg völlig darin überein, daß man nicht nur von Stadterneuerung sprechen, sondern die Problematik größer sehen sollte i m Sinne einer guten Raumordnung überhaupt und von Stadt- und Dorferneuerung sprechen sollte. Aber Herr Dr. Halstenberg hat, als er auf den Entwurf zur Raumordnung des Bundes zu sprechen kam, beinahe ein klein wenig polemisch gesagt, es seien Brücken nicht beschritten worden, man habe i m Bundesrat Widerstände gefunden. Er hat auch von Verbänden gesprochen; und es ist nicht sehr schwer zu erraten, daß damit auch der Deutsche Städtetag gemeint war. Wenn ich mich i n diesem Kreise umsehe, dann stelle ich fest, daß ich das einzige Präsidialmitglied aus dem Deutschen Städtetag bin. Ich glaube daher, zu einem Punkt etwas sagen zu sollen. Herr Halstenberg sprach von dem Mißverhältnis zwischen Raum, Wirtschaft und Bevölkerung, dem man begegnen müßte. Auch darin stimme ich überein. Aber dann kam ein Begriff, der mich veranlaßt hat, hierherzugehen, und das war die Problematik der Untragbarkeit. Es ist davon gesprochen worden, und da wurden ja sogar die Oberbürgermeister angesprochen, daß die Tragbarkeit eines guten Verhältnisses zwischen Raum, Wirtschaft und Bevölkerung überschritten sein könnte, und es wurde auch vom überlasteten Verdichtungsraum gesprochen, einem Begriff, der auch i m Entwurf zum Raumordnungsgesetz seinen Platz gefunden hat. Es ist m i r i m M a i auf dem üblichen Gespräch auf der Insel Mainau gelungen, Ihren Minister, Herr
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Halstenberg, davon zu überzeugen, daß man den Begriff „überlasteter Verdichtungsraum" doch möglichst durch „ungeordneter Verdichtungsraum" ersetzen sollte. Es ist mein Schicksal, i n Verdichtungsräumen tätig gewesen und noch tätig zu sein, einmal hier i n diesem Bereich Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg, — verzeihen Sie, Herr Staatssekretär, daß ich pietätlos gleich zwei Ländergrenzen überspringe, aber ich habe den Eindruck, daß das ein Ballungsraum ist, der ein einheitliches Siedlungs- und Wirtschaftsgebiet bildet — und ich b i n jetzt i n einem anderen Ballungsraum tätig: Frankfurt-Offenbach. Für beide Ballungsräume haben w i r durch dasselbe Institut Untersuchungen anstellen lassen, nämlich durch Herrn Prof. Wortmann, Hannover. Dieser kommt zu dem Ergebnis, daß beide Ballungsräume, beide Verdichtungsräume, noch i n der Lage sind, einen sehr erheblichen Teil von Bevölkerung aufzunehmen, von etwa 1,2 M i l l . auf 2 M i l l . zu wachsen, ohne daß deswegen die Lebensbedingungen i n diesen Ballungsräumen ungesund zu sein brauchten. Diese zwei Ballungsräume sind ja zwei nicht ganz unbedeutende i m Bereich der berühmten neun, die man immer nennt: Hamburg, Bremen, Hannover, München, Stuttgart, Nürnberg-Fürth, Rhein-Neckar, Rhein-Main und das Rhein-Ruhr-Gebiet. Daher frage ich mich, wo sind eigentlich diese überlasteten Ballungsräume, wenn zwei dieser Ballungsräume noch derartig wachsen können. Und ist es nicht sogar die Aufgabe unserer Zeit, diese Ballungsräume so zu ordnen, daß sie noch weitere Bevölkerungen aufnehmen können unter gesunden Lebensbedingungen? Ich denke dabei etwa an die Entwicklung i n der gesamten Welt. Prophezeit man doch, daß sich die Bevölkerung auf dieser Erde i n etwa 100 Jahren auf 20 Milliarden erhöhen wird. Ich denke an die Lehre von Fourastie, der besondere Untersuchungen darüber angestellt hatte, i n welcher Weise der tertiäre Beschäftigungssektor der Dienstleistungen relativ wächst gegenüber den produzierenden Beschäftigungssektoren i n der Landwirtschaft und i n der industriellen Produktion. Fourastie prophezeit ja, daß i n einer modernen Industriegesellschaft 80 v H der Menschen i m tertiären Beschäftigungssektor tätig sein werden und nur noch je 10 v H i n Landwirtschaft und Industrie. Das Verhältnis von 40:60 haben w i r schon i n den Vereinigten Staaten, von 50:50 bei uns durchschnittlich, aber i n Städten wie Frankfurt, wie Hannover haben w i r schon auch das Verhältnis von 60 v H Dienstleistung und 40 v H Industrie. Die Tendenz geht also i n diese Richtung. Dienstleistungen sind aber auf Kontaktnähe angewiesen und brauchen die City. Wenn das die Entwicklung unserer Zeit ist, müssen w i r also nicht damit rechnen, daß sich die Verdichtungsräume — und ich freue mich sehr, daß jetzt wenigstens dieser Begriff an die Stelle der
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Ballungsräume t r i t t —, noch mehr verdichten werden? Ist es nicht sogar die Aufgabe unserer Zeit, diese Verdichtungsräume noch mehr zu verdichten? Auch Dörfer gehören zu den Verdichtungsräumen. Oder soll sich die Menschheit irgendwie i n Streusiedlungen auf der Welt verteilen und dam i t den Verlust der Landschaft, der ja immer beklagt wird, noch weiter fördern? Ich bedauere sehr, daß man nicht den Begriff „Region", der ja jetzt eine Rolle spielt, ruhig aufgeteilt hat i n städtische Regionen und ländliche Regionen und von Stadtregionen spricht. — Aber das darf nicht sein aus vielerlei Gründen —. Wenn w i r jedoch jetzt schon von Verdichtungsräumen sprechen, noch viel glücklicher wären wir, wenn auch dieser wirklich mißlungene Begriff vom überlasteten Verdichtungsraum fallengelassen würde und man erkennen würde, daß es darum geht, die Verdichtungsräume zu ordnen, aber nicht zu entballen und zu entlasten und all diese Dinge, die nie eintreten werden. Sie werden noch weiter wachsen, und sie werden noch weiter verdichtet werden, aber sie müssen geordnet werden. Wenn man das richtig erkennt, dann, glaube ich, kommen w i r auch für den zweiten Teil unseres Themas, „Eigentumsordnung", zu den Überlegungen, die w i r anstellen müssen. Denn die richtigen Vorstellungen zu dem, was i m rechtlichen Bereich zu geschehen hat, u m die Aufgaben der Stadterneuerung zu erfüllen, gewinnen w i r erst, wenn w i r wirklich erkennen, daß es darauf ankommt, die Verdichtungsräume nicht zu entlasten und zu entballen, sondern zu ordnen. Dann zeigen sich uns die Mängel i n unserer Rechtsordnung, das Fehlen einer Rechtshandhabe etwa zur Bildung von Regionalverbänden, die die Aufgaben i n einem solchen Ballungsraum zu lösen vermögen, etwas, was ja vielleicht auch i n einem Rahmengesetz zu einer Raumordnung enthalten sein könnte. Und ich glaube, daß w i r dann auch sehr bald erkennen werden, daß unsere Eigentumsordnung nicht mehr geeignet ist, diese Problematik zu lösen, daß man einfach einen Eigentumsbegriff neu überdenken und neu überprüfen muß, der das Eigentum an Grund und Boden unter denselben Begriff subsumiert wie das Eigentum an einem Regenschirm. Dieser Vergleich stammt nicht von mir, sondern diesen Vergleich hat Otto v. Gierke vor hundert Jahren gebraucht. Und es ist recht interessant zu lesen, was Otto v. Gierke über die Entwicklung der Menschheit damals gedacht und geschrieben hat, als er sich dagegen wehrte, daß man das Eigentum an Grund und Boden etwa dem Eigentum an einer beweglichen Sache wie dem Regenschirm gleichsetzt, und ich habe den Eindruck, daß auch mein durchaus konservativer Gewährsmann in seinen Vorstellungen sehr viel weiter war als das heutige Bundesbaugesetz.
Aussprache Wenn w i r also wirklich diesen Aufgaben i n den Verdichtungsräumen eines Tages gerecht werden wollen, dann müssen w i r auch unseren Eigentumsbegriff und den Eigentumsbegriff an Grund und Boden neu überdenken. Wenn w i r nicht sehr viel beweglicher werden, dann werden w i r die Aufgaben der Zukunft i n unseren Städten nicht lösen können. Ich habe, als das Bundesbaugesetz auf dem Höhepunkt seiner Beratungen i m Bundestag stand, auf einer Tagung der Akademie für Städtebau und Landesplanung i n K i e l gefordert, man sollte doch wenigstens so etwas schaffen wie eine Enteignung dem Grunde nach, die es wenigstens ermöglichte, rechtzeitig und bald über Grund und Boden zu verfügen, und es dann ruhig einem prozessualen Verfahren überläßt, wie die Entschädigungsfrage gelöst wird. A n eine Lösung unserer Probleme i n den Städten m i t Erfolg heranzugehen, wenn w i r manchmal zwei, drei Jahre herumprozessieren müssen, bevor w i r ein Unfallkrankenhaus i n Angriff nehmen können, w e i l da so ein Schikanierzwickel dazwischen sitzt, ist schlechterdings nicht möglich. Und ich glaube, w i r würden die Frage, wie w i r unser Recht zu gestalten haben, u m unsere Aufgaben zu lösen, sehr viel besser klären können, wenn w i r zunächst mal reinen Tisch schafften und auch diese immer wieder etwas herumgeisternde Romantik von dem „Zurück aufs Land", „Entballung der Großstädte" und „Schluß m i t der Verdichtung" aufgeben und ganz klar erkennen würden, daß der Trend dahin geht, daß die Verdichtungsräume sich noch weiter verdichten werden und daß sie geordnet werden müssen. Wie schön wäre es, wenn man sich entschließen könnte, i n dem Entwurf zum Raumordnungsgesetz den überlasteten Verdichtungsraum durch den ungeordneten Verdichtungsraum zu ersetzen. Man würde sich einen klaren Blick schaffen, eine klare Aussicht schaffen auf das, was nottut. Dr. Wendt Anknüpfend an die Ausführungen von Herrn Oberbürgermeister Bockelmann glaube ich, daß w i r die richtige Lösung der hier angeschnittenen Fragen i n den Worten des Herrn Staatssekretär Duppre finden werden. Er sprach davon, daß wertgleiche Lebensverhältnisse i n Stadt und Land herzustellen sein müssen. Ich verstehe das Wort „wertgleich" nicht als „gleich", sondern, u m ein Beispiel zu nehmen, i n der Stadt brauchen w i r mehr Grünflächen, mehr Hallenschwimmbäder etc. pro Kopf der Bevölkerung als auf dem Dorfe. Wenn w i r die Sache so ansehen, dann glaube ich, werden w i r auch auf den richtigen Weg i n der Lösung dieser Aufgabe kommen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, daß i n den kleinen Gemeinden zu sehr geglaubt wird, man müsse hinsichtlich der zivilisatorischen Darbietungen dasselbe schaffen wie i n den Großstädten, wobei ich allerdings Schulen und
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solche Dinge wieder ausnehme. Ich habe es i n den Ausführungen von Herrn Ministerialdirigenten Dr. Halstenberg besonders begrüßt, daß er auf die aktive M i t w i r k u n g des privaten Grundbesitzes bei den künftigen Sanierungsaufgaben eingegangen ist, und hier scheint m i r i n der Tat auch eines der wichtigsten Dinge zu liegen. Herr Dr. Halstenberg hat in diesem Zusammenhang gesprochen von der moralischen Verpflichtung des Staates gegenüber dem Althausbesitz, der 40 Jahre lang m i t gebundenen Mieten nicht seine Rentabilität gehabt habe, und den man nun wieder i n den Stand setzen müsse, die künftigen städtebaulichen Aufgaben möglichst weitgehend aus eigener K r a f t zu finanzieren, d. h. eben selbst zu bauen. Hier vielleicht eine kleine Anregung zur Praxis: W i r bekommen ja nun i n den weißen Kreisen die freien Mieten und die Verordnung über die angemessen erhöhten Mieten, die den Haus- und Grundbesitzern eine gewisse Richtschnur dafür gibt, was sich der Staat so als angemessene Mieterhöhung denkt; warum nicht auch eine entsprechende Mieterhöhung alsbald i n den schwarzen Kreisen, i n den noch schwarzen Kreisen? Schließlich muß man sich ja doch sagen, daß die Mieter i n den Vorkriegshäusern, eigentlich, gemessen an den Nachkriegsmieten auch i m sozialen Wohnungsbau, 15 Jahre lang zu b i l l i g gewohnt haben und eigentlich heute ruhig nachziehen könnten. Das würde auch gleichzeitig die sogenannte Umschichtung leicht i n Gang bringen. Aber ich möchte diesen Gedanken nicht weiter ausführen. Zum Städtebaugesetz, über das sich Herr Ministerialdirigent Dr. Halstenberg hier i n dankenswerter Weise verbreitet hat, wäre zu sagen, daß es natürlich eine schwierige Auf gäbe ist, i n diesem Zeitpunkt, i n dem Erfahrungen m i t dem Bundesbaugesetz eigentlich noch kaum vorliegen — es w i r d ja erst seit zwei Jahren praktiziert —, nun schon zu sagen, wo es nicht reicht, wo es verbesserungsbedürftig ist und wo es speziell für die Sanierungsaufgaben nicht reicht. Ich möchte auf die Einzelheiten der Gedanken, die Herr Dr. Halstenberg hier zu dieser Frage entwickelt hat, nicht eingehen; das würde den Rahmen dieser Diskussion sprengen. Ich meine aber, man sollte doch i n diesen Tagen nicht zu schnell vorangehen, und m i r scheint auch die Notwendigkeit hierfür nicht gegeben zu sein, denn die Sanierung ist eine wahnsinnig teure Geschichte und w i r d nur sehr sehr allmählich i n Gang kommen können. Staatssekretär Prof. Dr. Ernst hat vor einigen Wochen i n irgendeinem Gremium gesagt, 70—80 v H der Sanierungskosten von Wohnsiedlungsgebieten seien unrentierlich. Wenn man annimmt, daß heute 20 000,— D M Baukosten sanierlich sind, dann käme man also i n etwa auf 80 000,— DM, die die öffentliche Hand je Wohnung i m Sanierungsgebiet auf den Tisch legen muß. Und das sind immerhin ganz erhebliche Posten.
Aussprache Schließlich noch ein Drittes. Herr Ministerialdirigent Dr. Halstenberg hat am Eingang seiner Ausführungen sehr interessant dargelegt, daß man das ausländische Planungsrecht nicht einfach unbesehen nach Deutschland übertragen könnte, daß man das Planungsrecht jeweils zu sehen habe i m Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung des allgemeinen Rechtssystems und auch der historisch gewachsenen Rechtsauffassungen i n den verschiedenen Ländern. Das scheint m i r aber auch sehr wesentlich zu gelten für das, was w i r i n Deutschland als Planungsrecht haben. Wir, die w i r m i t dem Städtebau und m i t den Raumordnungsfragen befaßt sind, sind immer gern geneigt, diese Dinge nur i n sich zu betrachten und nicht die Verzahnung m i t den großen übrigen Rechtsgebieten. Beispielsweise das landwirtschaftliche Grundstücksrecht, so wie es jetzt i m Grundstücksverkehrsgesetz niedergelegt worden ist, ist für die künftige städtebauliche Entwicklung nicht gerade sonderlich günstig, indem es die Kontrolle über den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr in die Hand einer Fachbehörde, der Landwirtschaftskammern, legt, die natürlich ihrer ganzen Natur nach, ihrer ganzen A r t nach die landwirtschaftlichen Belange i n erster Linie sehen. Das w i r d sich bei der Heranziehung landwirtschaftlich genützter Flächen m. E. noch unangenehm bemerkbar machen. Das zweite, was uns fehlt — Herr Oberbürgermeister Bockelmann hat es m i t großer Deutlichkeit angesprochen —, ist eine Rechtsgrundlage für die regionalen Verbände. Sie müßte dringend geschaffen werden. Das dritte aber — und das scheint m i r das schwierigste, aber auch das wichtigste Problem zu sein —, ist die Verknüpfung der Planungsaufgaben m i t unserem kommunalen Finanzsystem. Ich komme nicht aus der Kommunalverwaltung. Nehmen Sie m i r bitte nicht übel, wenn ich sage, daß auch dort Menschen sitzen und natürlich die Gewerbesteuer eine sehr interessante Sache ist, die es interessant macht, Gewerbebetriebe dahin zu ziehen, wo sie als Steuerzahler erwünscht sind. Und da sind nun einmal bei dieser A r t der Werbung die großen Städte den kleinen Gemeinden überlegen. Es ist dies meine feste Überzeugung, und ich weiß, daß das auch i n anderen Kreisen eingesehen w i r d : Solange w i r nicht zu einer Neuordnung unserer kommunalen Finanzen gelangen oder zu irgendeinem wirkungsvollen System des Ausgleichs, das diese konzentrierende Wirkung der Gewerbesteuer wieder neutralisiert, also einem wirkungsvollen Finanzausgleich oder etwas Derartigem, werden w i r m i t unseren ganzen Bemühungen u m eine bessere räumliche Ordnung nicht vorankommen. Das ist ein Ungeheuer heißes Eisen und etwas, das w i r nicht i n fünf bis zehn Jahren lösen sollen. W i r machen ja nun einmal einen Anfang, und man sollte doch den M u t haben, auch diese Frage jetzt einmal anzugrei-
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fen, d.h. zunächst einmal zur Diskussion zu stellen, wie man sie ändern kann. Ltd. Regierungsdirektor
Scharnberg
Herr Dr. Halstenberg hat zu Beginn seines dankenswerten Vortrages, als er i n den grundsätzlichen Ausführungen die politische Zielsetzung auch der Bundesregierung darlegen wollte, i n der Tat sehr scharf pointiert. Wenn ich ein Korreferat zu halten hätte, dann würde ich dazu eine ganze Reihe wohlabgewogener, vorsichtig formulierter Fragen aufwerfen. Aber ich glaube, der Kürze halber soll ich hier mich mal einfach i n die Rolle des advocatus diaboli begeben, auch wenn dann manches vielleicht polemischer klingt, als es gemeint ist. Sie haben zunächst zum Städtebauförderungsgesetz ganz besonders betont, daß w i r ja auch i n den Dörfern viele häßliche alte Häuser haben, daß viel getan werden muß. Nun, das ist unbestritten, und das w i r d bei dem ländlichen Wählervolk sicherlich auch sehr gut ankommen. Es wäre nicht das geringste dazu anzumerken, wenn das Füllhorn der Bundesmittel überliefe. Aber w i r hören ja doch auch gelegentlich aus Bonn Töne, die uns sagen wollen, daß man sich dort auch finanziell nahezu am Notstand bewege. Wenn das richtig sein sollte, dann wäre aber doch jede Regierung m i t sozialem Gewissen verpflichtet, zunächst etwas für die Menschen zu tun, die konzentriert i n Elendsgebieten sitzen. Dann müßte man ein Sanierungsgesetz entwickeln, das durchgreifend rechtlich und finanziell zunächst einmal dort hilft, wo schlimmste Elendsviertel bestehen. Nun, Sie haben die Einbeziehung der Dörfer dann verbunden m i t den Raumordnungsgedanken, die Ihnen ja besonders am Herzen liegen. Da haben Sie das sehr drastische Beispiel des Pappkameraden gebracht. Ich fürchte, ein klein wenig, Herr Dr. Halstenberg, fällt es auf Sie zurück, wenn ich m i r überlege, wie Sie nun die Argumente Ihrer Gegner behandelt haben, die ja doch i n Stadt und Land sehr zahlreich sind. Sehr bedeutende Häupter wiegen dort h i n und her zu dem Raumordnungsgesetz des Bundes, und es sind ja nicht nur Leute, die m i t dem Grundgesetz unter dem A r m herumlaufen und also Verfassungskompetenzfragen aufwerfen, obwohl ja auch diese Dinge nicht leicht zu nehmen sind. I h r Herr Staatssekretär hat erst kürzlich geschrieben, es sei mit dem ganzen Gesetz gar nichts getan, wenn es nicht die Zustimmung der Länder erhält. Es ist aber unverändert i m Bundestag eingebracht worden: und nicht einmal die zahlreichen Verbesserungen, die w i r ihnen i n den Bundesratsausschüssen abgerungen hatten, haben bis jetzt ihren Niederschlag gefunden. Die große Stadt, die Sie apostrophiert haben, und die ich vertrete, hat Ihnen gesagt, sehen Sie selbst, i n
Aussprache welcher Lage w i r sind. Für unseren Stadtstaat haben w i r schon viel mehr getan, als das ganze Gesetz überhaupt vorsieht. Über die Landesgrenzen hinaus gibt I h r Gesetz keine Möglichkeit, und damit ist es nicht nur für uns, sondern auch für andere Ballungsräume sehr fragwürdig. W i r haben auf freiwilliger Basis, ohne daß w i r dieses i m D r i t ten Reich geprägte Wort Raumordnung verwenden, durch gemeinsame Landesplanung eine ganze Menge getan, was Sie selbst immer i n Ihren Beispielen und Listen ja m i t anführen. Was soll uns das Gesetz mehr bringen? Auf der anderen Seite: Was kann es schaden? Es ist hier ja schon mehrfach dieses Stichwort von der Großstadtromantik, Entballung usw. gefallen. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Es ist wohl eine international gesicherte Erkenntnis der Planer, daß große Ballungsräume auch gewisse wirtschaftliche, soziale und kulturelle Funktionen haben, die ihnen das Umland einfach nicht abnehmen kann, längere Ausführungen erübrigen sich hier. Ich weiß auch, daß Herr Dr. Halstenberg das keineswegs verkennt. Was w i r aber fürchten, ist, daß ein so allgemein formulierter Leitsatz, wenn er Gesetzeskraft erhält und Maßstab w i r d für die Vergabe aller Bundesmittel i n irgendeinem Ressort, doch i n der Richtung verkannt wird, zunächst sei eine soziale Nivellierung i m Bundesgebiet, eine Anpassung der bäuerlichen Gebiete herbeizuführen. Nun, letzten Endes w i l l ich fragen, ist das überhaupt zu erreichen? Ich glaube, alle Bemühungen i n dieser Richtung, die über die Planung hinausgreifen, weit hinausgreifen, die versuchen, Lebens- und W i r t schaftsverhältnisse künstlich von Staats wegen zu beeinflussen, sind letztlich hoffnungslos. Das ist jedenfalls unsere historische Erfahrung. Da gibt es viele Beispiele. Das scheitert letztlich. Ich möchte eigentlich schließen m i t der Frage, sollte der Planer nicht bei seinem Leisten bleiben? Soll er nicht wirklich m i t planerischen Aufgaben und Möglichkeiten versuchen, ganz behutsam einzuwirken, aber nicht auf das hin, was man sieht, wenn man die Landesplanung aus der Raumordnung ausklammert, sondern m i t anderen staatlichen Machtmitteln versuchen, hier wirklich das Staatsgefüge zu verändern. Baudirektor
a. D. Dr. Reichow
Die Gesetzgebung i n bezug auf Dorferneuerung und Stadterneuerung muß forciert werden, wenn w i r auch hier i n diesen beiden Fragen nicht wie schon einmal beim Wiederaufbau der Städte die Chance verpassen wollen. Es ist tatsächlich so, daß die Umwandlung der Bevölkerung, von der Fourastie ausgeht, größtenteils schon erfolgt ist, daß also Dörfer, die heute 5000 Einwohner haben, nur noch 10 v H ländliche
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Bevölkerung haben. Die Leute pendeln i n die City von anderen Städten hinein. Derartige Kreise sind schon längst reif, verstädtert zu werden. Allein fünf solcher Gemeinden zwischen 5000 und 13 000 Einwohnern liegen augenblicklich bei m i r auf dem Reißbrett, und ich komme mangels Gesetzgebung keinen Schritt voran. Selbstverständlich ist das keine Angelegenheit, die vertagt werden kann, bis die Dinge i n den großen Ballungszentren geordnet sind. Die Dinge gehen ja außerdem ineinander über. Wer heute noch trennt zwischen den großen Ballungszentren und dem Problem der Verstädterung des flachen Landes, sieht, glaube ich, die Dinge falsch. Der Verstädterung unserer Existenz schlechthin, die ja notwendig ist durch die Rationalisierung der Landwirtschaft, von der Prof. Baade ausgeführt hat, daß sie bis zum Jahre 2000 erfolgt sein muß, wenn w i r die dann verdoppelte Erdbevölkerung vernünftig ernähren wollen, diese Verstädterung läßt eine Trennung i n der Planung für die Ballungszentren und für das flache Land nicht mehr zu. Ich habe auf unserer internationalen Städtebautagung i n Arnheim i n diesem Frühjahr gesagt, daß die Unterschiede, die heute zwischen Stadt und Land gemacht werden, i n Wirklichkeit nicht mehr bestehen. Die Probleme sind überall dieselben. W i r müssen Verkehrsplanungen machen, wo von den Überlandautobahnen bis zu den Stadtautobahnen ein lückenloser Zusammenhang besteht und die anderen Netze entsprechend angeschlossen werden. W i r müssen soziologische, volkswirtschaftliche und ähnliche Pläne ineinander überführen. Dann allerdings v e r w i r r t sich die Aufgabe zu einer solchen Vielfalt, daß das vorhin schon erwähnte notwendige Übel, die Gewerbesteuer, gelöst werden muß i n einer Form, die die Entwicklung i n vernünftige Bahnen lenkt. Die Gesetzgebung muß dringend auf diese übergeordnete Frage der Urbanisierung der Ballungsräume i n — Herr Oberbürgermeister Bockelmann hat es so genannt — geordnete Verdichtungsräume und geordnete ländliche Räume Rücksicht nehmen. Das muß i n einem Fluß lückenlos ineinander übergehen. Ich freue mich, i n Holland gesehen zu haben, daß i n diesem vielleicht übersichtlicheren kleineren Land die Dinge auch fortgeschritten sind, daß dort die Landesplanung und die Stadtplanung aufeinander eine Abstimmung erfahren haben, wie sie bei uns noch lange nicht gegeben ist. W i r haben mitten i n den verdichteten Gebieten, etwa zwischen K ö l n und Düsseldorf, die ja eine einzige Stadt i n Zukunft sein werden, Räume, i n denen die Ortsplanung so vorsintflutlich ist, daß man sich wundert, daß man da überhaupt von Ortsplanung spricht. Dort werden Auskiesungen vorgenommen, und die Teiche werden wieder zugeschüttet, und es ist nichts von Ufergestaltung oder von einer Pia-
Aussprache nung zugrunde gelegt, wie w i r sie i n den großen Ballungsgebieten infolge der meist intakten Planungsämter haben. Meine Bitte geht also dahin, Herr Dr. Halstenberg, daß Sie außer dem Gedanken der Dringlichkeit wenigstens meinen Wunsch mitnehmen möchten, die Dinge doch nicht so zu sehen: hie Städtetag, hie Landkreistag oder sonst etwas. Die Urbanisierung des ganzen Landes ist i n vollem Gange und erfordert ihre gesetzliche und finanzielle Steuerung. Ministerialdirigent
Dr. Halstenberg
Wenn meine Aufforderung, die ich ein wenig temperamentvoll vorhin i n den Saal geworfen habe, mißverstanden sein sollte, so möchte ich sie präzisieren. Es war mein Wunsch nach einem Gespräch, und ich bedanke mich bei Herrn Oberbürgermeister Bockelmann, daß dieses Gespräch m i t dieser Begegnung wieder i n Gang kommt. Der Austausch von Papier bringt uns i n diesem Punkt nicht mehr weiter. W i r müssen aus den gegenseitigen Unterstellungen heraus, und ich b i n eigentlich Herrn Scharnberg sehr dankbar, daß er nun wiederum m i r bestätigt hat, daß Entballung und die Gleichmacherei zwischen Dorf und Land abzulehnen wären. Meine Herren, ich w i l l sie nicht nicht. Entballung gibt es nicht. Eine Gleichmacherei zwischen Stadt und Land gibt es nicht. Das Zuschlagen der Türen der Städte gibt es nicht. Mein Wunsch war und bleibt, wer auf dem Lande bleiben w i l l , der soll bleiben können, wer i n die Stadt w i l l , soll hineingehen. Unsere Bürger entscheiden. Die Behauptung, w i r hätten aus einer Verständigung keine Konsequenzen gezogen, Herr Scharnberg, muß ich zurückweisen. Ich habe Ihnen dargelegt, daß i m Gesetzgebungsverfahren eine Änderung nicht mehr möglich war. Sie wissen als politischer Beamter, weshalb das nicht geht. Die Konferenz für Raumordnung hat i m ersten Grundsatz m i t unserer, der Bundesregierung, Zustimmung beschlossen, die allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und kulturellen Einrichtungen i n denjenigen Gebieten zu verbessern, die zurückgeblieben sind. Wo steht da etwas von Gleichmacherei? Herr Scharnberg, w i r haben i n der Bundeskasse nicht viel Geld. Mein Kollege, der hinter m i r sitzt, hat es noch ausdrücklich bestätigt für den Fall, daß ich es vergessen haben sollte. I n den Zonenrandgebieten ist m i t hundert Millionen pro anno i n den Sanierungsgebieten ein bedeutender Erfolg erzielt worden. M i t hundert Millionen D - M a r k können Sie i n einer großen Stadt ein paar Kilometer Brücken i m Zuge von Straßen bauen. Der Bund hat überhaupt nicht die Absicht, bedeutende M i t t e l i n das flache Land zu stecken, sondern möchte eine bescheiden angefangene Politik fortsetzen. Die Formulierung für die Ballungsgebiete heißt, i n Gebieten m i t einer übermäßigen Verdichtung von Bevölkerung und A r beitsstätten sollen Maßnahmen zur Strukturverbesserung ergriffen wer-
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den. Ja, was ist denn das anders als das Ziel der Ordnung? Und der zweite Satz, der geblieben ist, lautet, i n Verdichtungsräumen sollen Maßnahmen vermieden werden, die zu einer Überlastung führen. Was bleibt dann noch davon, wogegen Sie bei offenem Visier K r i t i k üben können? U m den letzten Zweifel auszuschließen, w i r d eine offizielle Verlautbarung i n Kürze ergehen; sie lautet: „Die von dem Sachverständigengutachten festgestellten Ballungszonen sind nicht ohne weiteres m i t den überlasteten Verdichtungsräumen gleichzusetzen. Z u ihrer Ermittlung bedarf es der Verwendung anderer und weiterer Kriterien als derjenigen, die i m Sachverständigengutachten zugrunde gelegt sind." Ich denke, solche Feststellungen könnten der Klarheit dienen und doch, wenn ich das B i l d noch einmal verwenden darf, den Pappsoldaten aus der Gefechtslinie herausziehen. W i r haben noch genügend Gegenstände, uns zu streiten, und w i r wollen uns über die Dinge streiten, über die w i r verschiedener Ansicht sind, und nicht mehr über die, über die w i r gleicher Ansicht sind. N i m wollte ich noch zum Schluß sagen, die Mahnung, daß die Regionalplanung verbessert werden muß, höre ich. Sie trifft meine eigene Überzeugung. Ich habe grünes Licht dafür, i n geeigneter Form zu überlegen und durch die i m geschäftsordnungsmäßigen Verfahren zulässige Beratung des Parlamentsausschusses auf die Verwirklichung dieser Anregung hinzuwirken. Und nun möchte ich mich verabschieden m i t der Versicherung, daß ich das, was m i r hier gesagt worden ist, gern meinen Chefs berichten w i l l , und daß ich mich sehr bedanke für geduldige Begleitung auf diesem Weg, wenn er Ihnen manchmal auch i n der letzten Stunde bei meinem durchgehenden Temperament nicht ganz behagt haben mag.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der Bundesrepublik Österreich* Von Friedrich Krzizek
I. 1. Europa ist ein alter Kulturboden. Seine Städte blicken meist auf eine Jahrhunderte, teilweise sogar auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurück. I n einzelnen Fällen bestanden an der gleichen Stelle schon i n der vorgeschichtlichen Zeit Siedlungen. Alle diese Städte sind i m Laufe ihrer Geschichte gewachsen. Dieses Wachstum ist aber nicht immer gleichmäßig, sondern vielfach sprunghaft gewesen. Es lassen sich an den Städten „Jahresringe" feststellen, wobei allerdings die einzelnen Ringe nicht auf ein Jahr, sondern auf viele Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte des Wachstums hinweisen. Meine Vaterstadt Wien ist hiefür ein Beispiel. I n der Nähe einer vorgeschichtlichen, am Schnittpunkt der Bernsteinstraße m i t der Donau gelegenen Siedlung errichteten die Römer ein befestigtes Lager, dessen Umrisse sich noch heute i n der Struktur der Stadt feststellen lassen. I m Umkreis dieses Lagers entstand Vindobona. Diese Siedlung ist nach Auflassung des römischen Lagers i n den Stürmen der Völkerwanderung untergegangen. I m Zuge der Ausbreitung des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation gegen Osten wurde an der gleichen Stelle später wieder eine Siedlung errichtet, die i m Mittelalter m i t W a l l und Graben umgeben wurde. Sie umfaßte das heute von der Ringstraße und dem K a i umschlossene Gebiet, den ersten Wiener Gemeindebezirk. Außerhalb des aus militärischen Gründen von jeder Verbauung freizuhaltenden Glacis entwickelten sich, von der Nähe der Stadt begünstigt, mehrere Ortschaften, die später i n die Stadt einbezogen wurden. Dieses Gebiet liegt heute zwischen der Gürtelstraße und dem Donaustrom. Auch über diesen Raum ist Wien hinausgewachsen, ohne daß sich bisher eine neue Abgrenzung gebildet hat. Eine ähnliche Entwicklung läßt sich auch an anderen Städten Österreichs feststellen. 2. Was ist die Ursache des Wachstums der Städte? I n erster Linie das Ansteigen der Bevölkerung überhaupt. Es ist bekannt, daß die Bevölkerung des deutschen Siedlungsraumes seit dem Ende des Dreißig* Ein Schrifttumsverzeichnis befindet sich i m Anhang I I , S. 265 ff.
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jährigen Krieges, also etwa seit 1648, bis heute, trotz der zahlreichen, i n diesem Zeitraum geführten Kriege, ständig und bedeutend zugenommen hat. Die Bevölkerungszunahme verteilte sich jedoch nicht gleichmäßig auf alle Siedlungen. Vielmehr haben die Städte eine viel größere Zuwachsrate aufzuweisen, als die Märkte und Dörfer. Diese Entwicklung hat sich i m letzten Jahrhundert noch verstärkt, jedoch nicht deswegen, w e i l die städtische Bevölkerung eine höhere Wachstumsrate aufweist als die ländliche. Das Gegenteil ist der Fall. Das starke A n wachsen der Bevölkerung i n den Städten ist vielmehr eine Folge der Landflucht. Uber deren Ursachen ist schon viel geschrieben und gesprochen worden. Ich persönlich bin der Meinung, daß der letzte Grund für das überdurchschnittliche Wachstum der Städte darin gelegen ist, daß die menschliche K u l t u r eben eine städtische K u l t u r ist. 3. Ob diese Entwicklung sinnvoll ist, ist strittig. Es gibt gewichtige Stimmen, die dies verneinen. So w i r d u. a. auf die Gefahren hingewiesen, die das Entstehen von Millionenstädten und das weitere Anwachsen der Millionenstädte m i t sich bringen. Ein Eingriff i n diese Entwicklung ist aber i n Staaten westlicher Prägung schwer möglich. Ich meine daher, daß man das Wachstum der Städte einfach als soziologisches Phänomen hinnehmen soll. Aufgabe der verantwortlichen Stellen i m Staat, i n den Ländern und Gemeinden kann es nur sein, diese Entwicklung i n geordnete Bahnen zu lenken. 4. Es muß jedoch auch auf eine gewisse rückläufige Entwicklung hingewiesen werden. Nach dem ersten Weltkrieg hat i n Österreich die sogenannte „Schrebergartenbewegung" einen großen Aufschwung genommen. Schrebergärten sind Kleingärten m i t einer bescheidenen Unterkunft, die viele Städter zu erwerben trachten, u m nach der Hast des Alltages, abseits von L ä r m und Getriebe der Großstadt, i m Grünen ihre Freizeit verbringen zu können. Ich erblicke darin eine Bestätigung der Gedanken des großen französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau über die Rückkehr zur Natur. Diese Bestrebungen verdienen gefördert zu werden. Es sind nicht die schlechtesten Elemente eines Volkes, die i h r oft schwer verdientes Geld lieber i n Baustoffen, Gartengeräten, Obst- und Blumensamen als i n Alkohol und Kartenspiel anlegen. Auch die Errichtung von Wochenendhäusern und Sommerhütten bringt aber für die Städte vielfach neue Schwierigkeiten m i t sich. Können die hiefür benötigten Grundflächen an geeigneter Stelle nicht i n ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden, entstehen die bekannten „Wilden Siedlungen", und zwar meist gerade i n den Gebieten, die für den späteren Ausbau der Stadt benötigt werden. Die Freimachung dieser Gründe stößt später aus verständlichen Gründen meist auf die allergrößten Schwierigkeiten.
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5. Das ständige Wachstum der städtischen Bevölkerung hat eine ständig steigende Nachfrage nach neuen Wohnungen und neuen Betriebsstätten und damit nach neuem Baugrund zur Folge. Ein Bedarf nach neuen Baugründen entsteht aber nicht nur, wenn die Einwohnerzahl einer Stadt wächst, sondern auch dann, wenn sie gleich bleibt oder sinkt. Der wesentliche Grund hiefür liegt i n dem Wandel der Anschauungen über die Anforderungen, die an eine Wohnung gestellt werden. Die Wohnkultur ist nicht i n allen Teilen Europas, nicht einmal i n allen Teilen Österreichs, die gleiche, wohl aber das Verlangen nach größeren, schöneren und moderneren Wohnungen. Welche Bedeutung der Bevölkerungsdichte zukommt, kann wieder an dem Beispiel Wiens gezeigt werden. Wien hatte i m Jahre 1910 als Reichshauptund Residenzstadt eines 54-Millionen-Reiches 2 083 497 Einwohner und 482 269 Wohnungen und am 31. 3. 1961 1 627 566 Einwohner und 675 774 Wohnungen 1 . Daß i m Jahre 1910 viel mehr Menschen i n viel weniger Wohnungen untergebracht werden konnten, war nur dadurch möglich, daß die Wohnungsdichte früher eine viel größere war. Nicht nur, daß Wohnungen überbelegt waren, weil viele Familien wegen der hohen Mieten gezwungen waren, i n viel zu kleinen Wohnungen zu wohnen, mußten sich überdies viele Ledige, aber auch Familien m i t K i n dern, m i t einem Untermietzimmer begnügen. Wer sich nicht einmal ein Untermietzimmer leisten konnte, mietete sich nur ein Bett und i n vielen Fällen sogar nur einen Schlafplatz i n einem Bett. Welche Folgen diese Verhältnisse i n sittlicher und gesundheitlicher Beziehung mit sich brachten, bedarf keiner weiteren Ausführung. 6. Das räumliche Wachstum einer Stadt läßt sich durch entsprechende Raumordnungsbestimmungen und deren sinnvolle Anwendung i n geordnete Bahnen lenken. Schwieriger dagegen ist es, andere Nachteile des Wachstums einer Stadt zu bekämpfen. Überall dort, wo sich eine Stadt aus kleinen Anfängen i n verhältnismäßig langen Zeiträumen zu einer großen Siedlung entwickelt hat, weisen der Stadtkern aber auch die eingemeindeten Gebiete vielfach noch die Struktur der alten Siedlungen auf. Dafür sind charakteristisch: Enge, gewundene Straßen, das Nebeneinanderbestehen von Wohngebäuden und gewerblichen Betriebsanlagen sowie von alten ebenerdigen und modernen hohen Gebäuden, ungesunde Wohnungen ohne jeden Komfort u. dgl. Alles dies w i r k t sich auf das Leben i n der Stadt nachteilig aus. Die Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs führt zu bedenklichen Verkehrsstauungen, das Fehlen eigener Wohn- und Industrieviertel bringt für beide Teile, die Bewohner und die Gewerbetreibenden, mannigfaltige Nachteile m i t sich. Ungesunde Wohnungen und das Vorhandensein von 1
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Statistisches Handbuch 1962, österreichische Staatsdruckerei.
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Elendsvierteln sind oftmals die Ursache von Krankheiten und sittlichen Verfehlungen. Alle diese Umstände zwingen dazu, die Städte zu erneuern. Dies ist aber nur durch großzügige Maßnahmen und i n großen Zeiträumen möglich. 7. Einige Zahlen sollen das Gesagte untermauern: Die Bevölkerung Österreichs stieg vom Jahre 1869 bis 1961 von 4 498 985 auf 7 073 807, also um ca. 57 v H an. Die Wachstumsrate ist jedoch nicht i n allen Bundesländern die gleiche. Seit dem Jahre 1869 haben nur die Bundesländer Salzburg und Vorarlberg ihre Bevölkerungszahl verdoppelt, gefolgt von Tirol (Zunahme 95 vH) und Wien (Zunahme 81 vH). Die geringste Zunahme weist das Burgenland m i t 7 v H auf. Für das hier interessierende Problem ist die Aufteilung des Wachstums der Bevölkerung unter Berücksichtigung der Größe der Gemeinden von besonderer Bedeutung. Die geringste Bevölkerungszunahme (7 vH) weisen die Gemeinden m i t höchstens 2000 Einwohnern auf. Eine mittlere Bevölkerungszunahme haben die Gemeinden zwischen 2001 und 5000 Einwohnern, wobei m i t steigender Gemeindegröße auch die Bevölkerungszunahme steigt, und zwar von 39 v H i n Gemeinden bis höchstens 2500 Einwohner bis auf 88 v H i n Gemeinden m i t 4001 bis 5000 Einwohnern. Verdreifachung der Bevölkerung zeigen die Gemeinden m i t mehr als 10 000 aber höchstens 100 000 Einwohnern. I n den Landeshauptstädten Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg und Wien ist eine unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung festzustellen. Die Bevölkerung von Linz und Salzburg hat sich mehr als vervierfacht, die Bevölkerung von Innsbruck fast vervierfacht, die Bevölkerung von Graz mehr als verdoppelt. Die Bevölkerung Wiens hat u m 81 v H zugenommen. Der A n t e i l der i n diesen fünf Großstädten lebenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung Österreichs ist von 25 v H i m Jahre 1869 auf 32 v H i m Jahre 1961 gestiegen2. Schließlich noch ein paar Zahlen zur Entwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs i n Wien. I m Jahre 1946 — die Verhältnisse i n der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg können hier außer Betracht bleiben — waren i n Wien 19 343 Kraftfahrzeuge gemeldet. Diese Zahl stieg i m Jahre 1950 auf 62 804, i m Jahre 1960 auf 203 139 und betrug am 1. 7.1963 25 3 0 633. II. 1. Die wichtigste gesetzliche Grundlage für die österreichische Eigentumsordnung ist auch heute noch das Allgemeine Bürgerliche Gesetz1 Rutschka, „Hundert Jahre Bevölkerungsentwicklung", österreichische Gemeindezeitung, Jg. 1963, H. 12. 5 Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt.
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buch vom Jahre 1811. § 354 dieses Gesetzes bestimmt: Als ein Recht betrachtet ist das Eigentum die Befugnis, m i t der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach W i l l k ü r zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. Ausgeführt w i r d dieser Grundsatz i m § 362, i n dem es heißt, daß kraft des Rechtes, frei über sein Eigentum zu verfügen, der Eigentümer i n der Regel seine Sache nach W i l l k ü r benützen oder unbenützt lassen kann; er kann sie vertraglich, ganz oder zum Teil, auf andere übertragen oder unbedingt sich derselben begeben, d. i. sie verlassen. Eine Beschränkung erfährt dieses Recht des Eigentümers jedoch schon durch die Bestimmung des § 364 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. Nach dieser Gesetzesstelle hat die Ausübung des Eigentumsrechtes nur insofern statt, als dadurch weder i n die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht noch die i n den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Diese Gesetze „zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles" sind die Verwaltungsvorschriften, worunter nach der österreichischen Terminologie alle die verschiedenen Gebiete der Verwaltung regelnden und von Verwaltungsbehörden zu vollziehenden Gesetze und Verordnungen zu verstehen sind. Eine weitere Einschränkung erfährt das Eigentum durch die Bestimmung des § 365 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, die lautet: Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigentum einer Sache abtreten. Diese Bestimmung wurde viele Jahrzehnte hindurch als ausreichende Rechtsgrundlage für eine Enteignung angesehen. Diese Ansicht änderte sich erst, als sich die Uberzeugung durchsetzte, daß auch das Handeln der Verwaltungsbehörden einer entsprechenden Determinierung durch ein Gesetz bedürfe. Daher bestimmte schon A r t . 5 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom Jahre 18674: Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur i n den Fällen und i n der A r t eintreten, welche das Gesetz bestimmt. Durch Art. 149 Bundesverfassungsgesetz vom Jahre 1920 wurden die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und damit auch die vorangeführte Bestimmung des Art. 5 unter verfassungsgesetzlichen Schutz gestellt. Damit ist der Schutz des Eigentums ein Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechtes geworden. Eine Änderung dieser Bestimmung bedarf daher i m Gegensatz zur Änderung eines einfachen Bundesgesetzes der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Dagegen gehört
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Gesetz vom 21.12.1867, RGBl. Nr. 142.
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die Eigentumsgarantie nicht zu den leitenden Grundsätzen der Verfassung, deren Änderung als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung anzusehen und einer obligatorischen Volksbefragung zu unterziehen wäre. Als solche werden nach der herrschenden Lehre nur das demokratische Prinzip, das bundesstaatliche Prinzip und das rechtsstaatliche Prinzip angesehen. M i t dem Inhalt des Eigentumsschutzes hat sich der Verfassungsgerichtshof zu wiederholten Malen befaßt 5 . Seine Rechtsprechung ist dahin zusammenzufassen, daß ein verfassungswidriger Eingriff i n das Eigentumsrecht nur dann vorliegt, wenn sich der Eingriff überhaupt auf kein Gesetz, nur zum Schein auf ein Gesetz oder auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt. Zum Schein stützt sich der Eingriff dann auf ein Gesetz, wenn das Gesetz i n denkwidriger Weise angewandt wird. Verfassungswidrig ist das Gesetz, wenn es von einem unzuständigen Gesetzgeber erlassen wurde oder gegen eine Verfassungsnorm verstößt. Damit erlangt die Frage Bedeutung, welche Autorität zur Erlassung von Bestimmungen zuständig ist, durch welche das Eigentum beschränkt oder aufgehoben wird. Hiezu ist zunächst zu sagen, daß eine Eigentumsbeschränkung immer nur auf Grund eines Gesetzes verfügt werden kann, w e i l das österreichische Verfassungsrecht weder gesetzesändernde noch gesetzesvertretende, sondern nur Ausführungsverordnungen kennt. Was insbesondere die Frage der Zuständigkeit zur Erlassung von Enteignungsbestimmungen anlangt, so bestimmt A r t . 10 Z. 6 Bundesverfassungsgesetz, daß Bundessache i n Gesetzgebung und Vollziehung die Enteignung zu Zwecken der Assanierung und sonstige Enteignungen sind, soweit sie nicht Angelegenheiten betreffen, die i n den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß zur Erlassung gesetzlicher Bestimmungen, durch welche das Eigentum beschränkt oder entzogen wird, jene Autorität (Bund oder Länder) zuständig ist, die nach den Kompetenzbestimmungen der österreichischen Bundesverfassung zur Regelung der Materie berufen ist, i n deren Rahmen und für deren Zwecke die Eigentumsbeschränkung oder -entziehung verfügt werden soll. Für die Zuständigkeit zur Erlassung gesetzlicher Vorschriften zum Zwecke der Städteerneuerungen kommen sowohl der Bund als auch die Länder i n Betracht. Eine Zuständigkeit des Bundes, allerdings nur zur Erlassung von Enteignungsbestimmungen, ergibt sich aus der bereits angeführten Verfassungsbestimmung des A r t . 10 Ziff. 6 Bundesverfassung: „Enteignung zu Zwecken der Assanierung". I m übrigen ist 5 Erkenntnisse v o m 14. 12. 1921, Slg. 71, v o m 21. 6. 1923, Slg. 222, und v o m 21.10. 1924, Slg. 334.
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die Gesetzgebung und Vollziehung Landessache, und zwar auf Grund des Kompetenztatbestandes Baurecht. Darunter versteht man i n Österreich die Gesamtheit der Normen, die bestimmen, wo und wie gebaut werden darf. Das Baurecht i m Sinne der österreichischen Verfassung umfaßt sowohl die Bestimmungen, die Auskunft darüber geben, wie der Grund beschaffen sein muß, der der Bebauung zugeführt werden soll (die sogenannte Bodenordnung) als auch die Bestimmungen, die besagen, wie das Bauwerk i m einzelnen auszuführen ist (die sogenannte Hochbauordnung). Zum Bodenrecht gehört auch die Raumordnung, also jene Bestimmungen, die sich m i t der Aufstellung und Abänderung von Entwicklungsplänen, Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen beschäftigen. Hinsichtlich der Zuständigkeit der Länder zur Erlassung von Raumordnungsgesetzen muß jedoch eine Einschränkung beachtet werden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 6 können, da die Raumordnung, verfassungsrechtlich betrachtet, ein komplexer Begriff ist, sowohl der Bund als auch die Länder raumordnende Tätigkeiten entfalten, jede dieser Autoritäten jedoch immer nur auf Gebieten, die nach der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung i n ihre Zuständigkeit fallen. Daher ist die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes i n Beziehung auf seine Verbauung, insbesondere für Wohn- und Industriezwecke einerseits und für die Erhaltung von i m wesentlichen unverbauten Flächen andererseits, der Gesetzgebung und Vollziehung nach insoweit Landessache, als nicht etwa einzelne dieser planenden Maßnahmen, wie insbesondere solche auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens, des Forstwesens und des Wasserrechtes, der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes ausdrücklich vorbehalten sind. 2. Eine Bestimmung, daß Eigentum verpflichtet, aus welcher die Sozialgebundenheit des Eigentums abgeleitet werden könnte, kennt die österreichische Rechtsordnung nicht. Sie würde, auch wenn sie vorhanden wäre, keine Änderung der Rechtslage bewirken. Denn die aus einer solchen allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmung abgeleiteten Pflichten und die diesen Pflichten entsprechenden Rechte könnten nach österreichischer Auffassung anders als durch Gesetz nicht begründet werden. Die Begründung solcher Rechte und Pflichten i m Wege der Verwaltungsübung oder der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts käme einer authentischen Interpretation eines Verfassungsgesetzes gleich, die nach österreichischer Auffassung nur dem Gesetzgeber, hier also dem Verfassungsgesetzgeber, zusteht. Welche Pflichten sich für den Eigentümer daraus ergeben, daß die schrankenlose Aus• Siehe das Erkenntnis vom 23. 6.1954, Slg. 2674.
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Übung des Eigentums sich zum Nachteil anderer oder der Allgemeinheit auswirken kann, hat die Rechtsordnung durch Aufstellung konkreter Normen festzusetzen. Solche Normen bestehen auch i n Österreich. Für die Städteerneuerung sind hier vor allem die Bestimmungen der Raumordnungsgesetze und der Landes-Bauordnungen anzuführen, die dem Eigentümer i n der baulichen Nutzung seines Grundes ohne jede Entschädigung weitgehende Beschränkungen auferlegen. Soweit solche Vorschriften nicht bestehen, bleibt es bei dem allgemeinen, i n den §§ 354 und 362 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch aufgestellten Grundsatz, daß der Eigentümer m i t der Substanz und den Nutzungen seiner Sache nach W i l l k ü r schalten und jeden anderen davon ausschließen kann. 3. Unter Enteignung ist nach österreichischer Auffassung jede staatliche Maßnahme zu verstehen, durch die ein einer physischen oder juristischen Person an einer bestimmten Sache zustehendes Privatrecht, insbesondere das Recht des Eigentums, aus Gründen des öffentlichen Wohles zugunsten eines anderen entzogen oder geschmälert wird. Die Enteignung kann entweder i n der dauernden oder zeitlich befristeten Entziehung des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte bestehen oder auch in anderweitiger Belastung des Eigentumsobjektes m i t dinglichen Rechten (Servituten) 7 . Neben diesen klassischen Fällen der Enteignung kennt die österreichische Rechtsordnung aber auch andere zwangsweise Eingriffe i n das Eigentum. So sieht beispielsweise das Wasserrechtsgesetz 1959 die Enteignung von Wassernutzungsrechten, also subjektiv-öffentlichen Rechten vor. I n der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle ist Gegenstand der Enteignung das Eigentumsrecht an Grund und Boden, i n einzelnen Fällen auch das Eigentum an beweglichen Sachen. Hier handelt es sich, sieht man von der Bewirtschaftung lebenswichtiger Güter i m Verlaufe eines Krieges ab, i n erster Linie um die Gewinnung von Baustoffen (Sand, Steine, Erde und Holz), die an Ort und Stelle vorhanden sind und zur Erreichung eines anderen Enteignungszweckes (z.B. zur Herstellung einer Eisenbahn oder einer Straße) benötigt werden. Aus dem Schweigen i m Art. 5 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger wurde i n Rechtsprechung und Literatur der Schluß gezogen, daß verfassungsmäßig eine Enteignung auch ohne Entschädigung zulässig ist. Die Diskussion über die Richtigkeit dieses Standpunktes ist noch nicht zum Abschluß gekommen 8 . Sie hat 7 Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes, I I . Bd., S. 112 f. 8 Siehe Adamovich-Spanner, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes, S. 460 ff.
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sich insbesondere i m Zusammenhang m i t den österreichischen Verstaatlichungsgesetzen entwickelt, durch die bedeutende Zweige der österreichischen Wirtschaft i n das Privateigentum des Staates überführt w u r den. Vorläufig sind jedoch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß der Verfassungsgerichtshof, auf dessen Meinung es hier i n erster Linie ankommt, von seinem bisherigen Standpunkt abzugehen beabsichtigt. Durch diese rechtliche Situation kommt i n Österreich der Frage, ob es sich bei einer gesetzlichen Bestimmung, die sich als ein Eingriff i n die Freiheit des Eigentums darstellt, u m eine Enteignungsbestimmung, die nur gegen Entschädigung erfolgen darf, oder u m eine Eigentumsbeschränkung handelt, die auch ohne Entschädigung zulässig ist, keine Bedeutung zu. Maßgeblich ist vielmehr nur, ob die Norm, die eine Eigentumsbeschränkung oder Eigentumsentziehung vorsieht, eine Entschädigung anordnet oder nicht. III. 1. Zerstörungen i n einem Ausmaß, wie sie die jugoslawische Stadt Skoplje i m Sommer dieses Jahres erlitten hat, hat keine österreichische Stadt weder i m ersten noch i m zweiten Weltkrieg erfahren. Die Notwendigkeit — wenn man w i l l : die Möglichkeit — eine Stadt vom Grund auf neu zu erbauen, war daher i n keinem Fall gegeben. Die Erneuerung der österreichischen Städte erweist sich jedoch aus dem gleichen Grund als notwendig, der auch für alle anderen Städte gegeben ist, nämlich deswegen, weil die Städte den an sie gestellten geänderten Anforderungen nicht mehr entsprechen. Dies gilt i n gleicher Weise für die Struktur der Stadt, für ihre Baulichkeiten und für ihre Verkehrsflächen. 2. Die Frage, welche Maßnahmen zum Zwecke der Erneuerung der Städte i n Österreich vorgesehen sind, läßt sich nicht allgemein beantworten, weil, worauf bereits hingewiesen wurde, sowohl das Planungsrecht als auch das Baurecht grundsätzlich Angelegenheiten der Länder bzw. der Gemeinden sind, eine Regelung auf Bundesebene daher nicht möglich ist. Dennoch können, dies liegt i n der Natur der Sache, gewisse gemeinsame Bestrebungen festgestellt werden. Bei allen städtebaulichen Maßnahmen muß zwischen solchen zur Erschließung neuer Siedlungsräume und solchen zur Neuordnung der bereits vorhandenen Siedlungsräume — der eigentlichen Stadterneuerung — unterschieden werden. Die rechtlichen Voraussetzungen für städtebauliche Maßnahmen sind, m i t Ausnahme des Bundeslandes Steiermark, dessen Bauordnung aus dem Jahre 1857 stammt und das nach der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes kein Planungsrecht besitzt, überall gegeben. Denn die Baubehörden haben es durch
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die Aufstellung und Abänderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen i n der Hand, sowohl den geordneten Ausbau als auch die Neuordnung der Stadt zu erzwingen. Sie sind hiebei allerdings vielfach auf die Initiative der Grundeigentümer angewiesen. Flächenwidmungs- und Bebauungspläne werden nämlich erst i m Falle einer Grundabteilung auf Bauplätze oder bei einer bewilligungspflichtigen Bauführung rechtswirksam. Nur diese Maßnahmen bedürfen einer baubehördlichen Bewilligung, die versagt werden kann, wenn das Vorhaben mit den Planungsabsichten i n Widerspruch steht. Auch hier sind jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse oftmals stärker als die gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verlegung eines Gewerbebetriebes — soweit dies überhaupt möglich ist — außerordentlich hohe Aufwendungen erfordert, sind die Baubehörden vielfach gezwungen, den Ausbau eines Gewerbebetriebes auch i n einem Wohngebiet zuzulassen. 3. Die Schaffung von Grün- und Erholungsflächen i n ehemaligem Bauland kommt praktisch nicht i n Frage. Nach der Auffassung maßgeblicher Stadtplaner sind solche Flächen nur sinnvoll, wenn sie ein gewisses Ausmaß nicht unterschreiten. Der Ankauf großer Grundflächen i m ehemaligen Bauland stößt aber wegen der damit verbundenen hohen Kosten bei den Stadtvätern fast immer auf unüberwindlichen Widerstand. Was möglich ist und auch geschieht, ist, daß i m Besitz der öffentlichen Hand befindliche, bisher anderen Zwecken gewidmete Grundflächen zu Grün- und Erholungsflächen ausgebaut werden. So ist z. B. die Stadt Wien i n der letzten Zeit m i t großem Erfolg dazu übergegangen, die entlang des Donaukanales und des Donaustromes vorhandenen Freiflächen zu Erholungsgebieten umzugestalten. Beschritten w i r d auch der Weg, den Voluptuarbesitz, insbesondere den des früheren Adels, der neben einem Palais meist noch große Freiflächen aufweist, aufzukaufen und ihn der Allgemeinheit zugänglich zu machen. 4. Eine unabdingbare Forderung nach Änderung des bestehenden Zustandes einer Stadt ergibt sich aus dem ständig steigenden Kraftfahrzeugverkehr. Z u seiner Bewältigung reichen die vorhandenen Verkehrsflächen nicht mehr aus, geschweige denn, daß es möglich wäre, schon derzeit auf den künftigen Verkehr ausreichend Bedacht zu nehmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verkehrssanierung der Städte sind gegeben, da sowohl das Bundesstraßengesetz als auch die LandesStraßenverwaltungsgesetze ausreichende Enteignungsbestimmungen enthalten. Von ihnen w i r d auch Gebrauch gemacht. Wenn dennoch nicht alles geschieht, was die Kraftfahrzeuglenker wünschen, so sind hiefür zwei Gründe maßgeblich: Einmal die hohen Kosten, die ein großzügiger Ausbau des Verkehrsnetzes erfordert, und zweitens, daß dadurch oftmals das zerstört würde, was den Reiz und die Besonderheit
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einer Stadt oder eines Stadtteiles ausmacht. A n zwei Beispielen soll dies anschaulich gemacht werden. Das Gebäude, i n dem meine Behörde, der Verwaltungsgerichtshof, seinen Sitz hat, ist die ehemalige böhmische Hofkanzlei, die die Kaiserin Maria Theresia durch den großen Barockbaumeister Fischer von Erlach errichten ließ und von der aus einstmals die Verwaltung des Königreiches Böhmen und Mähren von wenigen „Hofräten" gelenkt wurde. Gegenüber diesem Gebäude befindet sich das sogenannte alte Rathaus, gleichfalls ein bedeutender Barockbau, i n dem bis vor wenigen Jahrzehnten die Verwaltung der Stadt Wien ihren Sitz hatte. Z w i schen beiden Gebäuden verläuft die Wipplinger Straße, die an dieser Stelle neben zwei außergewöhnlich schmalen Gehsteigen nur eine zweispurige Fahrbahn aufweist. Natürlich stellt diese Straßenenge ein schweres Verkehrshindernis dar. Welcher Stadtplaner oder welche Stadtverwaltung hätte aber den Mut, den überdies unter Denkmalschutz stehenden Prachtbau Fischer von Erlachs — nur an dieser Seite der Straße kann die Verbreiterung durchgeführt werden — zur Gänze oder auch nur teilweise abzutragen. Das zweite Beispiel findet sich i n Grinzing, i n jenem Gebiete Wiens, das durch seine „Heurigen" weit über seine Grenzen hinaus bekannt ist. Das Zentrum von Grinzing weist noch die Struktur des ehemaligen Dorfplatzes auf. I n diesem Dorfplatz befindet sich eine Insel, die von wenigen völlig untergeordneten Gebäuden bestanden ist. Auch sie stellt ein bedeutendes Verkehrshindernis dar. Auch eine Regulierung dieses Gebietes, u m den Verkehr flüssiger zu gestalten, ist deswegen unmöglich, weil hiedurch der Charakter und die Eigenart dieses Gebietes vollständig verlorenginge. Diese beiden Beispiele, die sich unschwer vermehren ließen, zeigen die Grenzen der Verkehrssanierung einer Stadt auf. Daß eine solche unerläßlich ist, wurde bereits gesagt. Die Eigenart einer Stadt oder auch nur eines Stadtteiles darf aber dem Verkehr nicht geopfert werden. Diese Ansicht vertritt u. a. auch Arch. Viktor Gruen, ein gebürtiger Wiener, derzeit einer der bedeutendsten Architekten und Städtebauer der Vereinigten Staaten, wie sich aus seinem i m Rahmen der Europagespräche i n Wien am 12. Juni 1963 gehaltenen Vortrag „Licht und Schatten der europäischen Großstädte" ergibt. Dies bedeutet natürlich nicht, daß nicht auch i n Österreich umfangreiche und m i t erheblichen Kosten verbundene Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durchgeführt werden. Als solche sind zu nennen: Der Hau von Autobahnen, die den Fernverkehr an sich ziehen und dadurch den innerstädtischen Verkehr entlasten, die Anlage von Umfahrungsstraßen, die die gleiche Wirkung haben, der Umbau bestehender Straßenzüge zu Schnellverkehrsstraßen, die sich auf den Verkehr innerhalb bestimmter Stadtviertel günstig auswirken,
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die Verbreiterung und Begradigung vorhandener Straßen, die Schaffung von Uberführungen und Unterführungen und die Anlage von Fußgängertunneln. 5. Österreich ist bekanntlich ein sehr gebirgiges Land. Dies hat zur Folge, daß einzelne Siedlungen, z. B. der weltbekannte Kurort Badgastein oder das malerische Städtchen Hallstadt, schon derzeit über die von der Natur gegebenen Grenzen des Siedlungsraumes hinausgewachsen sind. Ebenso gibt es zahlreiche Großgemeinden, deren Gebiet zur Gänze verbaut ist. Dies hat dazu geführt, daß i n der Zeit der deutschen Besetzung Österreichs viele Städte durch Einbeziehung von Randgemeinden vergrößert wurden. Die meisten dieser Maßnahmen sind nach dem zweiten Weltkrieg wieder rückgängig gemacht worden, w e i l man der Meinung war, daß hier des Guten zu viel getan worden ist. Ob dies richt i g war, w i r d die Zukunft lehren. Dennoch steht praktisch für alle größeren Städte noch genügend Boden für die Ausbreitung zur Verfügung. Auch gesetzliche Hindernisse, etwa infolge mangelhafter Ausweisung von Bauland, schränken das Wachstum der Städte nicht ein. Schwierigkeiten bei der Beschaffung des erforderlichen Baugrundes ergeben sich aber aus der Höhe der Preise, die für aufgeschlossene, i n günstiger Verkehrslage gelegene Baugründe verlangt werden. Darunter hat insbesondere der soziale Wohnungsbau zu leiden, worunter hier der Wohnungsbau für die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung verstanden werden soll. Wer die hohen Grundpreise nicht bezahlen kann, aber doch bauen w i l l , ist gezwungen, unaufgeschlossene, i n ungünstiger Verkehrslage gelegene Baugründe zu kaufen, weil diese billiger sind. Dies führt, übertrieben ausgedrückt, dazu, daß u m den zusammenhängend verbauten Stadtkern, dort, wo die teuren und guten Baugründe gelegen sind, eine unverbaute Zone bestehen bleibt und die Verbauung erst wieder jenseits dieser Zone einsetzt. Wohl gibt es i n einzelnen Bauordnungen Bestimmungen, die den Baubehörden die Möglichkeit geben, dieser Entwicklung entgegenzuwirken 9 . Die Gesetze sehen aber auch vor, daß von diesen Bestimmungen Ausnahmen gewährt werden können. Davon w i r d natürlich i n Orten m i t größerer Wohnungsnot — das sind aber gerade die Städte — reichlich Gebrauch gemacht.
IV. 1. Die österreichischen Bauordnungen haben sich aus den Feuerlöschordnungen entwickelt. Sie entstammen i m allgemeinen der Zeit zwischen 1880 und 1910. Sie wurden alle mehrfach novelliert. Eine wirklich moderne Bauordnung besitzt nur die Bundeshauptstadt Wien. 9 z. B. die Bauordnung für Niederösterreich (§ 125) und die Bauordnung für Wien (§ 8).
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Es ist verständlich, daß m i t den überalterten Bauordnungen, i n welchen auch das Bodenrecht behandelt wird, die neuzeitlichen Probleme des Städtebaues nicht gemeistert werden können. Dies hat dazu geführt, daß zwei Bundesländer, nämlich Kärnten und Salzburg eigene Raumordnungsgesetze (Landesplanungsgesetze)10 erlassen haben. Weitere sind i n Vorbereitung. Bei derartigen Gesetzen muß aber die gegebene verfassungsrechtliche Situation berücksichtigt werden. Zwei Schranken sind dabei zu beachten. Einmal, daß durch die gesetzliche Regelung nicht i n die Planungshoheit des Bundes eingegriffen wird. Darauf wurde bereits hingewiesen. Weiter ist zu beachten, daß das örtliche Planungsrecht zum selbständigen Wirkungsbereich der Gemeinde gehört, der i n dem Umfang, i n dem er den Gemeinden am 1.10.1925 zustand, weder durch einfaches Bundesgesetz noch durch ein Landesgesetz eingeschränkt werden darf. Da nun fast allen österreichischen Gemeinden nach den Bestimmungen der Landesbauordnungen das Recht zur Aufstellung von Regulierungsplänen (Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen) eingeräumt war, ergibt sich, daß die Ordnung des Gemeinderaumes grundsätzlich Sache der Gemeinden ist. Diese Rechtslage wurde durch die Bundes-Verfassungsnovelle 196211 noch weiter zugunsten der Gemeinden abgeändert. Hinsichtlich des selbständigen Wirkungsbereiches der Gemeinden steht den Aufsichtsbehörden i m allgemeinen nur das Recht zu, die Beschlüsse der Gemeinde aufzuheben, wenn sie gegen bestehende Gesetze verstoßen. Das Recht, solche Beschlüsse abzuändern, besitzt die Aufsichtsbehörde nicht. Die Berücksichtigung überörtlicher Planungen ist daher weitgehend dem guten Willen der Gemeinden überantwortet. I n Wien sind die Verhältnisse besonders geregelt. Die Bundeshauptstadt Wien ist zugleich Gemeinde und Bundesland. Der Magistrat der Stadt Wien ist Gemeindebehörde, Bezirksverwaltungsbehörde (untere Verwaltungsbehörde) und A m t der Landesregierung 12 . Für Wien gilt die Bauordnung aus dem Jahre 1930. Sie enthält sehr eingehende Bestimmungen über das Planungsrecht. Schwierigkeiten ergeben sich für Wien daraus, daß der geschlossene Siedlungsraum der Stadt mehrfach über die politischen Grenzen hinausgewachsen ist und m i t den bebauten Gebietsteilen der Randgemeinden eine städtebauliche und wirtschaftliche Einheit bildet. I n diesen Teilen der Stadt ist die Planung Wiens weitgehend von den Planungsmaßnahmen der Randgemeinden abhängig. 10 Gesetz vom 10. 7. 1959, LGB1. für Kärnten Nr. 47, und Gesetz vom 13. 4.1956, LGB1. für Salzburg Nr. 19. 11 BGBl. Nr. 205/1962. 18 Siehe Art. 108 bis 112 Bundes-Verfassungsgesetz.
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2. I n allen diesen Fällen darf aber nicht übersehen werden, daß die Güte einer Verwaltung nicht nur von der gegebenen Rechtslage, sondern auch davon abhängig ist, inwieweit sie überhaupt i m Stande ist, die i h r anvertrauten Probleme des Soziallebens zu lösen. Aufgabe der Verwaltung ist es, auch dort Zweckdienliches zu leisten, wo keine oder keine ausreichenden Rechtsgrundlagen vorhanden sind. Dies ist, das darf ich, der ich auch andere Verwaltungen kenne, sagen, bei der österreichischen Verwaltung der Fall. Auch die Behörden des Bundeslandes Steiermark, das nach der Meinung des Verfassungsgerichtshofes kein Planungsrecht besitzt, lenken die bauliche Entwicklung ihrer Gemeinden i n vernünftige Bahnen. Zwischen der örtlichen Planung, der Landesplanung und der Planung des Bundes besteht ein gutes Einvernehmen. Bei der Aufstellung der Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen nimmt die Gemeinde auf die überörtlichen Planungsmaßnahmen ebenso Bedacht, wie die Planungsstellen des Landes und des Bundes auf die örtlichen Belange. Es wäre auch sinnlos, würde beispielsweise eine Gemeinde i n ihrem Flächenwidmungsplan einen Flugplatz an einer Stelle vorsehen, die hierfür nach der Meinung der Luftfahrtbehörden ungeeignet ist. Ebenso w i r d die Luftfahrtbehörde einen Flughafen i n der Nähe eines Wohngebietes dann nicht zulassen, wenn hiefür andere geeignete Gebiete zur Verfügung stehen. Wenn auch nicht i n allen Fällen schon von allem Anfang an zwischen den beteiligten Planungsbehörden Ubereinstimmung besteht, irgend wann w i r d doch eine Einigung erzielt. Das Vorhandensein mehrerer Planungsbehörden, die zueinander i n keinem Überordnungs- und Unterordnungsverhältnis stehen, mag nicht erwünscht sein, kann jedoch, soweit ich die Dinge überblicke, als ein ernster Nachteil nicht angesehen werden. Eine Ä n derung dieser Rechtslage wäre nur durch eine Änderung eines der tragenden Prinzipien der Verfassung, nämlich des bundesstaatlichen Prinzips, möglich. Sie steht aber außerhalb jeder Diskussion.
V. 1. Die Raumordnungs(Landesplanungs)Gesetze müssen bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Situation Landesgesetze sein. Dennoch greift auch der Bund i n jenen Gebieten, i n welchen i h m das Planungsrecht zusteht, i n die örtliche Planung ein. So kann die Bundesstraßenverwaltung eine Bundesstraße auch i n einem Gebiet vorsehen, das nach der örtlichen Planung für andere Zwecke bestimmt ist. Die Errichtung eines Flugplatzes oder eines Flughafens ist nicht davon abhängig, daß das i n Betracht kommende Gebiet von der örtlichen Planungsbehörde hiefür gewidmet ist. Ähnlich liegen die Rechtsverhältnisse bei der Herstellung von Eisenbahnanlagen. Durch die Festsetzung eines Bruchgebietes nach dem Berggesetz, das ist ein Gebiet, dessen Oberfläche voraus-
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sichtlich Einwirkungen durch den Bergbaubetrieb ausgesetzt sein wird, kann die Errichtung von Gebäuden unmöglich gemacht werden, selbst wenn solche nach geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen zulässig sind. Das gleiche gilt bei der Festsetzung eines Quellschutzgebietes durch die Wasserrechtsbehörde. Ein von der Baubehörde bewilligtes Bauvorhaben kann nicht ausgeführt werden, wenn hierfür eine Rodung notwendig ist, die von der Forstbehörde etwa deswegen nicht bew i l l i g t werden kann, weil es sich u m einen Schutz- oder Bannwald handelt. Jedoch ist auch hier darauf hinzuweisen, daß die nach dem Sachgebiet zuständigen Planungsbehörden selbst dort, wo dies i m Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, grundsätzlich i m gegenseitigen Einvernehmen vorgehen. 2. Hinsichtlich der örtlichen Planung, die i n Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist, ist zwischen Bundesländern zu unterscheiden, die ein eigenes Planungsgesetz (Raumordnungsgesetz) besitzen und solchen, i n welchen Planungsmaßnahmen lediglich auf Grund der Bestimmungen der Landesbauordnungen durchgeführt werden können. A u f die Sonderstellung Wiens und darauf, daß das Bundesland Steiermark nach der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes überhaupt kein Planungsrecht besitzt, wurde bereits hingewiesen. a) Was zunächst die Bundesländer anlangt, i n welchen die Bestimmungen der Landesbauordnung die alleinige Rechtsgrundlage für das Aufstellen von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen bildet, ist die Rechtslage i m wesentlichen folgende 15 : Die von den Fachleuten erstellten Pläne werden i n der Gemeinde durch eine bestimmte Zeit zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Jeder Gemeindeangehörige ist berechtigt, dagegen Einwendung (Berufung) zu erheben. Diese ist dem Gemeinderat bei der Entscheidung über die Entwürfe mitzuteilen. Der vom Gemeinderat, dem obersten beschlußfassenden Organ der Gemeinde, genehmigte Plan ist der Gemeindeaufsichtsbehörde (Bezirksverwaltungsbehörde oder Landesregierung) zugleich mit allen dagegen erhobenen Berufungen vorzulegen. Diesen Berufungen kommt jedoch nur die Eigenschaft einer Aufsichtsbeschwerde zu. Die Gemeindeaufsichtsbehörde kann den i h r vorgelegten Plan nur entweder bestätigen oder wegen Verletzung des Gesetzes aufheben. Eine Abänderung dieser Pläne oder die Erstellung eines anderen Planes steht ihr nicht zu. Es versteht sich jedoch von selbst, daß die Aufsichtsbehörde, wenn sie nur gegen einzelne Teile des Planes Bedenken hat, diese der Gemeinde mitteilt, um ihr die Möglichkeit zu geben, durch eine entsprechende Änderung des Planes die Aufhebung 13 Die Darstellung entspricht der durch die Bauordnimg für Niederösterreich gegebenen Rechtslage.
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des Gemeinderatsbeschlusses zu vermeiden. Der gleiche Vorgang w i r d auch dann eingehalten, wenn gegen den Plan zwar keine rechtlichen, wohl aber andere Bedenken, etwa i m Hinblick auf die Zweckmäßigkeit der Planung, bestehen. Eine einsichtige Gemeinde trägt auch solchen Bedenken Rechnung. b) Raumordnungsgesetze besitzen, wie bereits gesagt wurde, die Bundesländer Kärnten und Salzburg. Die durch diese Gesetze geschaffene Rechtslage soll an dem Beispiel des ältesten österreichischen Raumordnungsgesetzes, des Raumordnungsgesetzes für das Bundesland Salzburg 1 4 , dargestellt werden. Für das ganze Land oder für Teile desselben werden vom Land Entwicklungspläne aufgestellt, i n welchen jene Vorhaben i n ihren Grundzügen zusammengefaßt sind, die für eine geordnete, den öffentlichen Interessen entsprechende Flächennutzung maßgebend sind. Dabei ist ein Ausgleich i n den Vorhaben über Flächennutzungen zwischen Land und Gemeinde und zwischen den Gemeinden untereinander zu treffen. Die Entwicklungspläne können von der Landesregierung für verbindlich erklärt werden. I n diesem Falle sind die i n diesen Plänen aufgestellten Grundsätze für die Gemeinden bei der Aufstellung der Flächennutzungspläne anzuwenden. Genehmigungen oder Bewilligungen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften, die verbindlich erklärten Entwicklungsplänen widersprechen, dürfen nicht erteilt werden. Werden sie dennoch erteilt, so können sie von der Landesregierung für nichtig erklärt werden. Die Aufstellung von Flächennutzungsplänen ist Sache der Gemeinde. Als Nutzungsarten kommen Bauland, Verkehrsflächen und Grünland i n Betracht. I m Bauland können Gebiete für Wohnbauten, für Betriebsbauten, gemischte Baugebiete, Kleingartengebiete und Gebiete für Sportplätze und Spielplätze vorgesehen werden. Hinsichtlich der Aufstellung dieser Pläne gelten die gleichen Grundsätze wie für die Aufstellung der Regulierungspläne nach den Landesbauordnungen. Von der Landesregierung genehmigte Flächennutzungspläne sind für alle baulichen Maßnahmen (Grundteilungen, Bauführungen) maßgeblich. Für die Abänderung der Entwicklungspläne und der Flächenwidmungspläne gelten die gleichen Grundsätze wie für deren Aufstellung. Zur Vorbereitung der Aufstellung oder Abänderung dieser Pläne kann eine zeitlich befristete Bausperre verhängt werden. Hervorzuheben ist, daß nach dem Salzburger Raumordnungsgesetz den betroffenen Grundeigentümern Entschädigung gewährt werden kann, wenn durch die Planungsmaßnahme eine Entwertung ihres Grundbesitzes eintritt. 14
Gesetz vom 13.4.1956, LGB1. Nr. 19.
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3. Weitere Möglichkeiten der örtlichen Planung ergeben sich auf Grund des i n der Zeit der deutschen Besetzung i n Österreich eingeführten und i n mehreren Bundesländern noch als Landesrecht geltenden Wohnsiedlungsgesetzes15. Dieses sieht für Gebiete, die zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt wurden, die Aufstellung sogenannter W i r t schaftspläne vor, die die geordnete Nutzung des Bodens, insbesondere i m Hinblick auf die Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft und der Industrie, des Verkehrs, der Bebauung, der Erhaltung und des Schutzes des Heimatbildes, zu regeln haben. Ist ein Gebiet zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt worden, bedarf jedes Rechtgeschäft, das die Teilung eines Grundstückes, die Übertragung des Eigentums an einem solchen Grundstück oder Grundstücksteil sowie jede Vereinbarung, durch die einem anderen ein Recht zur Nutzung oder Bebauung eines Grundstückes oder Grundstücksteiles eingeräumt wird, der behördlichen Genehmigung. Diese ist zu versagen, wenn das Grundstück oder der Grundstücksteil bebaut werden soll und die Bebauung dem Wirtschaftsplan widersprechen würde. Auch ohne einen Wirtschaftsplan kann die behördliche Genehmigung versagt werden, wenn das Rechtsgeschäft den Intentionen des Gesetzes zuwiderläuft. Die Aufstellung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen ist i n einzelnen Bundesländern auch noch auf Grund der gleichfalls der deutschen Rechtsordnung entstammenden Verordnung über die Regelung der Bebauung 16 möglich. Sie enthält Vorschriften, die es der Behörde ermöglichen, Kleinsiedlungsgebiete, Wohngebiete, Geschäftsgebiete auszuweisen und Beschränkungen des Ausmaßes der Gebäude und der Geschoßanzahl festzusetzen und die Größe der Bauplätze zu bestimmen. 4. Eine Einflußnahme auf die örtliche Bebauung steht den Landesregierungen auch auf Grund der Naturschutzgesetze zu. Nach diesen Gesetzen können bestimmte Gebiete zu Naturschutzgebieten erklärt werden, i n welchen jede Änderung der Natur durch bauliche oder sonstige Maßnahmen entweder überhaupt unzulässig ist oder einer Bewilligung der Naturschutzbehörde bedarf. A u f diese Weise kann, unabhängig von der örtlichen Planung, die Errichtung von Gebäuden i n den Naturschutzgebieten hintangehalten werden. Besondere Bedeutung kommt diesen Gesetzen für die österreichischen Seen zu. Grundsätzlich darf i n einem Streifen von 500 m, landeinwärts vom Ufer eines Sees aus gemessen, kein Bauwerk ohne Bewilligung der Naturschutzbehörde errichtet werden. Leider sind diese Vorschriften erst i n einem Zeitpunkte erlassen worden, als viele österreichische Seen bereits so 15 Gesetz vom 22. 9. 1933, DRGB1. I S. 659, in Österreich eingeführt mit Verordnung vom 28. 2.1939, DRGB1.1 S. 382. 16 Verordnung vom 15. 2. 1936, DRGB1. I S. 104, eingeführt in Österreich mit Verordnung vom 28. 2.1939, DRGB1.1 S. 382.
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weit verbaut waren, daß sie derzeit für die Allgemeinheit überhaupt nicht mehr oder nur noch an einzelnen Stellen zur Verfügung stehen. VI. la) Dem Schutz des land- und forstwirtschaftlich genutzten Bodens und der Erhaltung eines gesunden Bauerntums dienen die i n allen österreichischen Ländern m i t Ausnahme von Wien bestehenden Grundverkehrsgesetze. Nach diesen bedarf die Veräußerung oder Verpachtung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke der Genehmigung der Grundverkehrsbehörden. Sie ist zu versagen, wenn anzunehmen ist, daß durch ein solches Rechtsgeschäft der Boden seiner bisherigen Verwendung entzogen wird. Für das Baurecht sind diese Gesetze insofern von Bedeutung, als durch sie der Erwerb land- und forstwirtschaftlich genutzter Liegenschaften zum Zwecke der Errichtung anderer als landwirtschaftlicher Gebäude unterbunden werden kann. b) Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs ergeben sich auch aus dein Bestimmungen der Bauordnungen über die Grundäbteilung. Darunter versteht man i n Österreich die Teilung von Liegenschaften zum Zwecke der Schaffung von Bauplätzen oder Kleingartenflächen. Solche Teilungen bedürfen grundsätzlich der Genehmigung der Baubehörden. Sie sind zu versagen, wenn Bauplätze i n einem Gebiete geschaffen werden sollen, das hiefür nicht vorgesehen ist oder wenn die geplanten Bauplätze hinsichtlich Gestalt und Größe den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Sinnvoll sind diese Bestimmungen nur dort, wo eine Grundteilung grundbücherlich nur durchgeführt werden darf, wenn hiefür die baubehördliche Bewilligung vorliegt. Dies ist leider nicht i n allen Bundesländern der Fall. 2. Ein Vorkaufsrecht oder ein Eintrittsrecht der öffentlichen Hand, insbesondere der Gemeinden, bei Grundstücken i m Bauland ist der österreichischen Rechtsordnung fremd. Die i n dieser Hinsicht früher vorhandenen Vorschriften wurden vom Verfassungsgerichtshof m i t der Begründung als verfassungswidrig aufgehoben, daß sie einen Eingriff i n das Zivilrecht darstellen, zu welchem die Länder nicht befugt sind. Bestimmungen über die Umlegung i m Bauland finden sich wohl i n einzelnen österreichischen Bauordnungen 17 . Sie werden jedoch praktisch nicht angewandt, weil das Verfahren sehr kompliziert, langwierig und kostspielig ist. Ein ähnlicher Erfolg wie durch die Umlegung w i r d dadurch erreicht, daß die großen Bauträger (die öffentliche Hand, 17
Wien.
z. B. in der Bauordnung für Innsbruck und in der Bauordnung für
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Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften) für ihre Großbauvorhaben die erforderlichen Grundflächen von den einzelnen Grundeigentümern durch Kauf oder Tausch erwerben und sodann zu einem oder mehreren Bauplätzen zusammenlegen. I n einzelnen Fällen geschieht dies auch durch Gemeinschaften des bürgerlichen Rechts, die sich zum Zwecke der Errichtung eines Wohnhauses i n der Form von Wohnungseigentum zusammenschließen. 3. Die Möglichkeit der Enteignung von Grundflächen zum Zwecke der Herstellung, Verbreiterung oder Umlegung öffentlicher Verkehrsflächen sieht sowohl das Bundesstraßengesetz als auch alle Landes-Straßenverwaltungsgesetze vor. Enteignungsmöglichkeiten bestehen ferner für die Anlage von Eisenbahnen, Flugplätzen und Flughäfen sowie zur Errichtung von Schutz- und Regulierungswasserbauten. Fälle der Enteignung regelt auch das Assanierungsgesetz 18 . Es sieht die Enteignung von Ergänzungsgrundstücken, Baulücken, abbruchreifer Bauten und Assanierungsgrundstücken vor. Ergänzungsgrundstücke sind solche, die zur rationellen Verbauung allein nicht geeignet sind. Baulücken sind Grundstücke m i t höchstens 30 m Frontlänge, die i n einem überwiegend verbauten Gebiete liegen. Z u den abbruchreifen Bauten gehören auch solche, deren Umbau aus öffentlichen Rücksichten notwendig ist. Unter Assanierungsgrundstücken sind solche zu verstehen, deren Enteignung zur zweckentsprechenden Assanierimg eines bestimmten Teiles eines Gemeindegebietes unbedingt notwendig ist. Enteignungsmöglichkeiten enthalten auch einzelne Bauordnungen, vor allem die Bauordnung für Wien, für jene Grundflächen, die der Eigentümer eines selbständig nicht bebaubaren Grundstückes zur Baureifmachung seines Grundes benötigt. Eine Enteignimg eines baureifen Bauplatzes zum Zwecke der bauordnungsgemäßen Bebauung kennt nur die Bauordnung für Wien. 4. I n allen vorangeführten Fällen ist eine Enteignung nur gegen Schadloshaltung möglich 19 . Darunter ist zu verstehen, daß dem Enteigneten jeder vermögensrechtliche Nachteil zu ersetzen ist, den er durch die Enteignung erleidet. Leider sind die Bestimmungen über die Ermittlung der Höhe der Entschädigung sehr dürftig. Dies führt dazu, daß jede Unklarheit des Gesetzes zugunsten des Enteigneten ausgelegt wird. Bereits die Ermittlung des Grundwertes bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Bestimmungen über die Ermittlung von Grundstückswerten, wie sie der III. Teil des Bundesbaugesetzes enthält, besitzt 18
Bundesgesetz vom 14. 6.1929, BGBl. Nr. 202. Für das Enteignungsverfahren von grundlegender Bedeutung das Eisenbahnenteignungsgesetz vom 18. 2. 1878, RGBl. Nr. 30 (wiederverlautbart BGBl. Nr. 71/1954). 10
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Österreich nicht. Wohl besitzen auch i n Österreich die Steuerbehörden Kaufpreissammlungen. Diese sind aber meist unzulänglich und ermöglichen keine sichere Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundes. Von einer Transparenz der Grundstückspreise ist auch i n Österreich keine Rede. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn ein Gebäude enteignet werden muß, an welchem Mietrechte bestehen, die hinsichtlich der Mietzinsbildung preisgeregelt sind. Selbst wenn i n einem solchen Falle dem Mieter ein Ersatzlokal oder eine Ersatzwohnung beigestellt werden kann, so verlangt dieser überdies noch die kapitalisierte Differenz zwischen seiner derzeitigen niedrigen Miete und der höheren Miete i n dem neuen Mietobjekt. Hier ist nicht nur strittig, ob ein solcher Anspruch i m Gesetz begründet ist, sondern auch welche Zeitdauer der Kapitalisierung zugrunde zu legen ist, etwa dann, wenn der Mieter eine juristische Person ist, für welche eine Lebenserwartung überhaupt nicht aufgestellt werden kann. Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung erfolgt teils durch die Verwaltungsbehörde 20 , teils durch das Gericht 21 . I n einzelnen Fällen w i r d die Höhe der Entschädigung zwar durch die Verwaltungsbehörde festgesetzt, jedoch steht es dem Enteigneten und dem Enteigner, manchmal nur dem Enteigneten, frei, gegen die Festsetzung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörde die Entscheidung des Gerichtes zu begehren 22 . Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt des Eigentumsüberganges, das ist i m allgemeinen die Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses, die dem Enteigner das außerbücherliche Eigentum an der enteigneten Sache verschafft. Spätere Werterhöhungen können grundsätzlich nur i n Form von Verzugszinsen berücksichtigt werden. Auch hier ist festzustellen, daß die gesetzliche Regelung äußerst dürftig ist, so daß der freien Rechtsfindung ein breiter Raum offensteht. 5. Eine Verpflichtung, baureife Bauplätze der Verbauung zuzuführen, besteht i n Österreich nicht. Ein Zwang zur Verbauung solcher Liegenschaften kann nur mittelbar durch Einleitung eines Enteignungsverfahrens ausgeübt werden. I n einzelnen Fällen kann nämlich der Enteignete die Enteignung dadurch abwehren, daß er den Grund selbst bauordnungsgemäß bebaut. 6. Eine Wertzuwachsabgabe, die den Wertzuwachs einer Liegenschaft zwischen Erwerb und Veräußerung steuerlich erfaßt, besteht derzeit 20 21 22
z. B. im Bereiche des Wasserrechtes. z. B. i m Eisenbahnrecht. z. B. nach der Bauordnung für Wien.
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i n Österreich nicht. Die nach dem ersten Weltkrieg erlassenen Wertzuwachssteuergesetze einzelner Bundesländer wurden i n der Zwischenzeit wieder aufgehoben. Sie sind meiner Meinung nach auch nicht geeignet, den Baulandmarkt günstig zu beeinflussen, weil es keine w i r k same gesetzliche Möglichkeit gibt, die Überwälzung der Steuer auf den Käufer zu verhindern. Der Wertzuwachs eines Grundstückes w i r d derzeit nur durch die Grundsteuer erfaßt. Wenn auch i n der letzten Zeit Bestrebungen i m Gange sind, den steuerlichen Einheitswert wenigstens annähernd an den tatsächlichen Wert der Grundstücke heranzuführen, so ist dies dennoch bisher noch nicht gelungen. Die Grundsteuer ist nicht so hoch, daß sie den Anreiz zum Horten von Baugrundstücken beseitigt. Der Kauf eines Baugrundstückes ist daher noch immer eine der sichersten und gewinnbringendsten A r t der Kapitalanlage. Ich möchte m i r hier noch ein paar Bemerkungen gestatten, die m i t dem Problem der Städteerneuerung zumindest mittelbar i m Zusammenhang stehen. Ich bin der Überzeugung, daß die Grundpreise, vor allem die Preise für Baugründe, eine Schlüsselstellung i m gesamten Baugeschehen besitzen, und zwar nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für die Städteerneuerung. Viele städtebaulichen Probleme scheitern, wie die Erfahrung zeigt, einfach an der Höhe der Grundpreise, die bei Durchführung der Maßnahmen bezahlt werden müssen. Seit der Aufhebung der Preisvorschriften für bebaute und unbebaute Grundstücke i m Jahre 1945 sind auch i n Österreich die Grundpreise für Bauerwartungsland, Rohbauland und Bauland besonders i n den sog. Bildungszentren in einem Maße gestiegen, das sich weder m i t der Geldverdünnung noch m i t dem allgemeinen Wirtschaftswachstum erklären läßt. Ich bin daher der Meinung, daß der Erneuerung der Städte die Ordnung des Baulandmarktes voranzugehen hat oder zumindest gleichzeitig i n Angriff zu nehmen ist. 7. Die Erschließungsbeiträge oder wie sie i n Österreich heißen, die Anliegerbeiträge sind grundsätzlich erst i m Baufall zu erbringen 23 , in einzelnen Fällen i m Zeitpunkt der Schaffung der Bauplätze 24 und nur i n ganz wenigen Fällen i n dem Zeitpunkt, i n dem die Gemeinde die öffentliche Verkehrsfläche herstellt 25 . Gegen eine Vorverlegung des Fälligkeitstermines w i r d vor allem eingewendet, daß die Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche eben jener Beitrag ist, den die Gemeinde zur Errichtung von Wohnhäusern oder gewerblichen Betriebsanlagen leistet, die schließlich auch i n ihrem Interesse gelegen ist.
*
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z. B. nach der Bauordnimg für Wien.
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z. B. nach der Bauordnung für Wien.
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z. B. nach der Bauordnung für die Landeshauptstadt Salzburg.
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8. Ein Planungswertausgleich findet i n Österreich nicht statt. Ansätze hiezu fanden sich lediglich i n der Bauordnung für Wien, wurden jedoch später wieder beseitigt. Meiner persönlichen Meinung nach ist der Gedanke des Planungswertausgleiches durchaus richtig, wenngleich ich die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten nicht unterschätze. Die Festsetzung eines Planungswertausgleiches erscheint m i r geradezu als ein Prüfstein dafür, inwieweit sich i n einem Staat die Uberzeugung durchgesetzt hat, daß die aus dem Gebot der Gerechtigkeit sich bei jeder Raumordnung zwangsläufig ergebenden Vorteile und Nachteile auf die betroffenen Grundeigentümer gleichmäßig aufgeteilt werden müssen. 9. Zwei Gesetzentwürfe, die für die Neugestaltung der Städte von großer Bedeutung wären, stehen schon seit längerer Zeit i n parlamentarischer Beratung, konnten bisher aber noch nicht verabschiedet werden, nämlich der Entwurf eines Landbeschaffungsgesetzes für Zwecke der Bebauung und der Entwurf eines neuen Assanierungsgesetzes. Der erste Gesetzentwurf ist von dem Grundgedanken getragen, daß jeder, der hiezu i n der Lage und willens ist, einen baureifen Bauplatz seiner widmungsgemäßen Verwendung, nämlich der Bebauung zuzuführen, durch die Einräumung eines Enteignungsrechtes hiezu auch i n die Lage versetzt werden soll. Die Enteignung kann der Betroffene jedoch dadurch abwehren, daß er selbst den Baugrund bauordnungsgemäß bebaut. Der zweite Gesetzentwurf soll die Enteignung ungesunder Wohnviertel ermöglichen, was nach dem derzeitigen Assanierungsgesetz, das nur die Enteignung einzelner Baugrundstücke kennt, nicht möglich ist.
Schlußbetrachtung Das Problem der Städteerneuerung ist, rechtlich gesehen, das Problem der Grenzen der Freiheit des Eigentums an Grund und Boden. Der Grund und Boden besitzt i n der Eigentumsordnung schon deswegen eine Sonderstellung, weil er nicht beliebig vermehrbar ist. Auch darf nicht übersehen werden, daß die schrankenlose Ausübung des Eigentums an Grund und Boden vielfach m i t den öffentlichen Interessen i n Widerspruch geraten muß. Daher kann auch die westliche Welt nicht auf jeden Eingriff i n die Freiheit des Eigentums an Grund und Boden verzichten. Eine Städteerneuerung ohne solche Eingriffe ist nicht möglich. Für diese Eingriffe ist grundsätzlich eine Entschädigung zu leisten. Dies entspricht dem Gebot der Gerechtigkeit. Aus dem gleichen Grund hat aber auch derjenige, der durch eine Planungsmaßnahme (die Städteerneuerung) einen finanziellen Vorteil erfährt, einen Beitrag zu dem Gelingen des Werkes zu leisten. Doch ist beides nicht so sehr eine rechtliche, als eine politische Frage.
Aussprache Stadtbaurat
Dr. Krebs
Ich hatte vor einigen Tagen Gelegenheit, mich i m Bereich der Singerstraße und Blutgasse i n Wien zu bewegen, wo eigentlich ein recht interessanter Teil Altstadtsanierung begonnen ist, ein kleiner Teil, i n dem man es i m Grunde doch über den goldenen Zügel macht, indem man diese nach heutigen Begriffen sehr verbauten Bereiche zwischen dem Deutschordenshaus und dem alten Gänsbühl m i t dem Kaufleuteviertel, den drei oder fünf Warenhäusern nach und nach zusammenkauft und sehr aufwertet durch die Qualität dessen, was i n diese Grundstücke hineingebaut w i r d an kleinen Geschäften, an Gaststätten spezieller A r t usw., durch die Wiedererschließung eines uralten Weges, der zu einer reinen Fußgängerpassage wird, abseits von dem lauten Verkehr. Ich habe versäumt, mich danach zu erkundigen, ob trotzdem gesetzliche Handhaben etwa der Enteignung oder so für diese sehr wichtige und hübsche Teilaufgabe der innersten Altstadt Wiens verwendet worden sind. Das wäre sehr interessant, w e i l man es i n Beziehung setzen könnte zu den Arbeiten, die soeben i n engsten Altstädten unserer bundesdeutschen Städte vorgenommen worden sind. Das Wiener Beispiel erschien m i r i m Ziel, auch i m gestalterischen Ziel, eine sehr glückliche Sache, bei der es wissenswert wäre: Wie kann man sich dabei gesetzlich und verwaltungsmäßig helfen? Verwaltungsgerichtsrat
Dr. Stich
M i r geht es nur darum, eine Frage zur Präzisierung zu stellen, die allerdings nicht diese städtebaulichen Erneuerungen i n juristischer Hinsicht betrifft. Ich habe den Eindruck, Herr Hofrat, daß man eigentlich bei Ihnen i n Österreich von einer echten Städteerneuerungswelle, wie sie bei uns anzulaufen beginnt, nur i n Wien selbst sprechen kann. Die Frage der Zuständigkeiten, die bei uns — wie Sie vielleicht heute morgen bemerkt haben — sehr stark i m Vordergrund steht, w i r d sich bei Ihnen i n Österreich i n gleicher Schärfe stellen. Deshalb würde mich interessieren, ob gerade Sie uns aus Ihrer Praxis am Verwaltungsgerichtshof auch etwas sagen können zu gewissen Abgrenzungsstreitigkeiten, ob es auch Abgrenzungsprobleme gibt etwa zwischen der Landesplanung, der Raumordnung — Sie haben ja Landesplanung und Raumordnung fast immer i n einem Zug genannt, wohl aus der Praxis heraus, daß beide
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Dinge allein den Ländern zustehen, Sie haben ja dem Bund nach der österreichischen Praxis nur eine Sonderplanungskompetenz für die Straßen, für die Eisenbahnen, für die Wasserprobleme zuerkannt, offenbar auch für die Verteidigung, wie bei uns auch —, ob dann i m Verhältnis der Bundesländer, denen diese Kompetenzen zustehen, zu den Gemeinden, ob da Abgrenzungsprobleme auftreten, ob schon Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vorliegen und was der Verwaltungsgerichtshof dazu zu sagen hat. Das wäre gerade für uns von Interesse, w e i l w i r auf diesen Bereichen noch sehr weitgehend in Neuland umhertappen und vielleicht wegen der ähnlichen staatsrechtlichen Verhältnisse i n Österreich doch einiges noch befruchtend m i t herübernehmen könnten. Deswegen nur diese Frage zu den Zuständigkeitsproblemen. Ein Redner aus der Mitte der Tagungsteilnehmer* Ich habe auch nur eine kleine Frage: Sie deuteten am Schluß Ihres Vortrags an, daß ein Landbeschaffungsgesetz i n Vorbereitung ist. Könnten w i r über dieses Gesetz, die Grundgesichtspunkte, etwas erfahren? Das würde sehr interessieren. Und als Nebenfrage dazu: Sie sprachen von den Grundstückskommissionen bei dem Grundstücksverkehr landwirtschaftlicher A r t i k e l usw. Ist an eine Kombination von diesen Kommissionen beim Landbeschaffungsgesetz gedacht? Denn die bisherigen Kommissionen können ja selber kein Land beschaffen, sie können ja praktisch nur genehmigen und haben, wenn ich richtig verstanden habe, i m wesentlichen den Schutz des Waldes und des Bauerntums wahrzunehmen. Hof rat Dr. Krzizek Zu dem Problem der Sanierung der Altstadt, also der Innenstadt Wiens, und hier besonders der Sanierung um das Gebiet der Blutgasse, ist folgendes zu sagen: Diese Sanierung geht auf eine Privatinitiative zurück. Der Grundeigentümer besaß auch das darauf befindliche Bauwerk, weil ja Grund und Boden und Bauwerk grundsätzlich i n der gleichen Hand sind. Die Wohnungen waren, da es sich u m ganz alte Wiener Häuser handelt, natürlich unter dem Mieterschutz, wie das i n Österreich heißt, d. h. ihre Mieten waren preisgeregelt. Die Gebäude waren sehr alt und bedurften hoher Instandhaltungskosten. Diese Instandhaltungskosten sind nach dem Mietengesetz grundsätzlich auf die Mieten überwälzbar, führen aber dazu, daß der Eigentümer von seinem Gebäude überhaupt keinen * Wegen Tonbandwechsels und anderer technischer Mängel konnten die Namen einiger Diskussionsredner nicht mehr ermittelt werden.
Aussprache Ertrag hat. Und nun setzt natürlich i n allen diesen Fällen ein Kampf u m den sogenannten Abtragungsauftrag ein, d. h. einen Polizeibefehl an den Eigentümer, das Gebäude aus Sicherheitsgründen abzutragen. Dieser Kampf ist der härteste, den der Grundeigentümer i m Laufe seiner Sanierung zu kämpfen hat. Denn nach der Rechtsprechung der Gerichte, die ja über das Bestehen oder die Auflösung von Mietverträgen, Bestandsverträgen, zu entscheiden haben, geht m i t dem Abtragungsauftrag, also m i t der Rechtskraft, der Vollstreckbarkeit des A b tragungsauftrages, der Bestandsgegenstand unter. Der Untergang des Bestandsgegenstandes führt aber zur ex lege Auflösung des Mietvertrages. Der Eigentümer hat es nur noch nötig, eine Räumungsklage gegen die Mieter einzubringen, also keine Kündigungsklage. Dieser Abtragungsauftrag ist als Polizeibefehl natürlich kein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, und es besteht auch kein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines Polizeibefehls, aber man versucht halt durch entsprechendes Ausmalen der Gefahren, durch Gutachten von Sachverständigen die Sache möglichst zu dramatisieren. Dazu kam i m vorliegenden Falle noch folgendes: Als alte Wiener Häuser standen alle diese Gebäude unter dem Denkmalschutz. Ein Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, darf vom Eigentümer nur m i t Bewilligung der Denkmalschutzbehörde, des Bundesdenkmalamtes, abgetragen werden. Auch dieser Kampf mußte von dem Eigentümer begonnen und zu siegreichem Ende geführt werden. I n dem Augenblick, wo der baupolizeiliche Abtragungsauftrag vorlag und das Bundesdenkmalamt seine Zustimmung zur Abtragung des Gebäudes erteilt hat, war es kein w i r t schaftliches Problem mehr, dort zu sanieren. Denn auf diesen hochwertigen Bauplätzen läßt sich natürlich ein Wohn- und Geschäftshaus, das ist ja die übliche Kombination, errichten, das dem Eigentümer die langentbehrte Rendite von seinem Grund und Boden wiederbringt. Soviel zu diesem besonderen Fall der Blutgasse. Was hier geschieht, ist kein Sonderfall. Es gibt eine Stelle i n Wien i n der Nähe des Grabens, wo gleichfalls ein reizendes altes Gebäude vorhanden ist, das aber nur an ein anderes Gebäude angeklebt ist, keine eigene Feuermauer hat, aber eben eine Eigentümlichkeit der inneren Stadt ist. Baufälligkeit war gegeben, der baupolizeiliche Auftrag konnte erteilt werden. Das Bundesdenkmalamt war auf das Entschiedenste dagegen. Was blieb der Stadtverwaltung übrig? Sie mußte das Haus kaufen und es völlig unwirtschaftlich so weit instand setzen, daß es also weder die Bewohner noch die Passanten gefährdete, damit eben dieses Wahrzeichen Wiens, wenn Sie wollen, erhalten bleibt. Das sind natürlich Detailprobleme, die bei jeder Städteerneuerung auftreten, und die ich m i r erlaubt habe, m i t dem Hinweis darzustellen, daß man dem Moloch Verkehr nicht die schönsten Teile einer Stadt opfern darf. Wo
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hier i m Einzelfall die Grenze zu finden ist, ist natürlich allgemein überhaupt nicht zu sagen. Nun zu dem zweiten Problem: Es ist nicht so, daß nur i n Wien saniert wird. Wenn ich ein Beispiel aus Wien gebracht habe, so liegt das einfach daran, daß ich Wiener bin. Ich darf aber bitte darauf hinweisen, daß z. B. i n Vorbereitung der Olympiade, die 1964 i n Innsbruck stattfindet, ganz große Sanierungsmaßnahmen i n die Wege geleitet worden sind, nicht nur, daß das Olympische Dorf gebaut wird, sondern, daß man auch die Verkehrsverhältnisse verbessert hat und hier z. B. die Trasse einer aufgelassenen Eisenbahnlinie dazu benutzt hat, Innsbruck m i t einer Ringstraße zu versehen, daß die berühmte Europabrücke bis dorthin fertig sein soll und vieles andere mehr. Ich bitte auf alle Fälle, nicht den Eindruck mitzunehmen, als ob sich das Sanieren der Altstädte auf Wien beschränken würde. Wenn das i n meinem Vortrag so herausgekommen ist, dann hat das seinen Grund nur darin, daß ich Wiener bin und m i r hier die Probleme einfach vor Augen stehen. Zum Zuständigkeitsproblem darf ich bitte noch folgendes sagen: Ich habe schon darauf hingewiesen, Raumordnung ist nach der Meinung des Verfassungsgerichtshofes ein komplexer Begriff: Sowohl der Bund kann auf den i h m zukommenden Gebieten planende, d. h. vorausschauende Maßnahmen treffen, als auch die Länder, und zwar diese vorwiegend durch die Aufstellung von Raumordnungsgesetzen, was bei uns gleichzusetzen ist m i t Landesplanungsgesetzen: jede Autorität nach den ihr zukommenden Gebieten. Nun — es soll keine K r i t i k an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes sein, sondern nur ein Hinweis — darf ich sagen, daß dies hier nicht klar herausgearbeitet wurde i n der Erkenntnis, daß zwischen einer Planungsmaßnahme und dem planmäßigen Vorgehen i n einer Sache ein wesentlicher Unterschied besteht. Daß die Bundesstraßenverwaltung ihre Bundesstraßen dorthin legen darf, wo sie w i l l , weil ihr für die Herstellung der Bundesstraßen ein Enteignungsrecht zur Verfügung steht, und daß keine Landesbehörde, weder die Gemeinden noch die Länder, befugt sind, den Bau einer Bundesstraße zu verhindern, hat m. E. m i t einer Raumordnungsmaßnahme auf gesetzlicher Grundlage nichts zu tun. Der Bund baut dort eine Bundesstraße; er w i r d sie sinnvoll planen, er w i r d nicht irgendwo die Bundesstraße errichten. Aber etwas ganz anderes ist doch, ob der Gesetzgeber Vorschriften erläßt, nach welchen sich die Rechtsunterworfenen einem bestimmten Plan unterordnen müssen, wie es etwa Raumordnungsgesetze der Länder sind, die bestimmen, daß der Osten Wiens für die Industrie, und der Westen Wiens für die Wohnsiedlung bestimmt ist. Hier besteht eine gesetzliche Norm, die besagt, wie der Boden genutzt werden soll. Das kommt leider i n den i n dieser Hinsicht grundlegenden Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes nicht zum Ausdruck.
Aussprache Eine einzige Bestimmung i n einem einzigen Gesetz gibt es, i n dem der Bund Planungsmaßnahmen i m Sinne einer gesetzlichen Regelung treffen kann, an die der Rechtsunterworfene gebunden ist, und zwar ist das eine Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes, die die Möglichkeit gibt, die Nutzung der Wasserkräfte eines bestimmten Gebietes, also nehmen Sie etwa der Donau oder der M u r oder der Salzach, zu regeln. Dann bestimmt er, daß also etwa die Salzach i n einem bestimmten Bereich nicht aufgestaut werden darf, oder wo sie aufgestaut wird, daß sie nur für Elektrizitätswerke und für keine anderen Wasserkraftwerke aufgestaut werden darf. Das sind echte Planungsmaßnahmen, während ich es nicht als eine Planungsmaßnahme ansehen kann, wenn die Luftfahrtbehörden eine Bewilligung zur Errichtung eines Flughafens erteilen und dabei auf Umstände Rücksicht nehmen, etwa die Nähe eines Wohngebietes; denn das t u n sie i n Vollziehung eines Gesetzes, ohne daß sie hier Normen unterworfen sind. Sie haben die Möglichkeit, die Bewilligung eines Flughafens zu versagen, wenn dagegen öffentliche Interessen stehen, und sie erkennen als solche öffentlichen Interessen an die Nähe eines Wohngebietes. Das, bitte, müssen Sie immer sehen. Ich habe mit viel Interesse heute vormittag gehört, daß hier ein Bundesgesetz i n Vorbereitung ist, das sich auf die Planung des deutschen Gebietes auswirken soll. Ein solches Gesetz wäre i n Österreich absolut unmöglich, weil dem Bund i n dieser Hinsicht keine Planungshoheit gegeben ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat hier keine Rechtsansicht zu haben. Er hat nur festzustellen, ob ein Gesetz i n einem konkreten Fall richtig oder falsch angewandt wurde. Kommt er zu dem Ergebnis, daß etwa ein Landesplanungsgesetz die Behörde zu einer Planungsmaßnahme ermächtigt, die i n die Zuständigkeit des Bundes fällt, dann muß der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung dieser gesetzlichen Bestimmung auf ihre Übereinstimmung m i t der Verfassung beantragen. Denn nur der Verfassungsgerichtshof ist i n der Lage, eine gesetzliche Bestimmung, die verfassungswidrig ist, aufzuheben. Die Funktion des Verwaltungsgerichtshofes besteht eben nur mehr darin, daß er feststellt, ob das Gesetz richtig angewandt ist. Einen Sinn hat die Frage natürlich auch für die österreichische Verfassungslage, dort wo unbestimmte Rechtsbegriffe auftreten, also etwa öffentliches Interesse. Dann kann der Verwaltungsgerichtshof sagen, das Luftfahrtgesetz ermöglicht der Behörde die Untersagung einer begehrten Bewilligung, weil öffentliche Interessen entgegenstehen. Unter diesen öffentlichen Interessen versteht der Verwaltungsgerichtshof auch Interessen, die m i t der Planungsabsicht der Gemeinden i n Widerspruch stehen. Der Kampf u m die Auslegung des Begriffes öffentliches Interesse ist bei uns i n Österreich also gerade entbrannt und w i r d i n kürze-
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ster Frist auch publizistisch von m i r und von anderen Herren behandelt werden. Aber das ist die einzige Möglichkeit, wo der Verwaltungsgerichtshof i n dieser Richtung eine Entscheidung treffen kann. Erkennt er als Inhalt eines unbestimmten Rechtsbegriffes auch die Möglichkeit der Berücksichtigung von Planungsmaßnahmen an, ist er der Meinung, daß das Gesetz zu Planungsmaßnahmen berechtigt, die von der unzuständigen Autorität getroffen wurde, hat er bei dem Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Bestimmung zu begehren. Zum Landbeschaffungsgesetz kann ich kaum jetzt Stellung nehmen. Ich habe den Grundgedanken herausgeschält. Ich w i l l mich auf ein paar wenige Gesichtspunkte beschränken, u m Ihnen den Inhalt dieses Gesetzes darzustellen. Die Möglichkeit soll geschaffen werden, daß jeder, der willens und finanziell dazu i n der Lage ist, einen Grund der bauordnungsgemäßen Bebauung zuführt, also ein Enteignungsfall. Diese Enteignung kann der Eigentümer dadurch abwehren, daß er selbst die Liegenschaft bauordnungsgemäß bebaut, denn dieses Gesetz muß ja die Aspekte vor Augen haben, die eben überhaupt der Bauordnung und der Landesplanung zugrunde liegen, also Ordnung des Gemeinderaumes, und daher kann eine Enteignung nicht dann schon statthaben, wenn der Eigentümer bisher das Grundstück der bauordnungsgemäßen Bebauung nicht zugeführt hat, sondern nur dann, wenn sie ausgeschlossen erscheint, entweder w e i l er nicht bauen kann oder nicht bauen w i l l . Aber diese Möglichkeit räumt i h m das Gesetz ein, daß er die Enteignung dadurch abwehrt, daß er selbst bebaut. I n dieses Gesetz eingebaut werden mußte ein Gedanke, der heute ja den sozialen Wohnungsbau beherrscht: die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel. Man hat sich also entschieden, zu sagen, auch der, der die M i t t e l nicht selbst hat, aber alle Voraussetzungen erfüllt, daß i h m Mittel seitens der öffentlichen Hand für diesen Aufbau zur Verfügung gestellt werden, darf enteignen. Daher mußte man aber auch dem Eigentümer die Möglichkeit eröffnen, zu sagen, ich w i l l bauordnungsgemäß bauen, ich w i l l gleichfalls öffentliche M i t t e l i n Anspruch nehmen, so daß dieses Gesetz, wenn Sie wollen, letzten Endes auf nichts anderes hinausläuft als auf eine A r t Initialzündung. Es muß einer irgendwann einmal den Gedanken fassen, hier ist ein hochwertiger Bauplatz, der soll bebaut werden. Und dann, wenn er einen entsprechenden Antrag einbringt, w i r d es dazu kommen, daß diese Liegenschaft bauordnungsgemäß bebaut wird. Hinsichtlich der Grundverkehrskommission darf ich folgendes sagen: hier handelt es sich wie bei der deutschen Grundverkehrsbekanntmachung nur u m den Schutz des Grund und Bodens vor Entfremdung, aber nicht vor Entfremdung durch Ausländer, sondern vor einer Entfremdung i m Sinne einer anderweitigen Nutzung. Kommt die Grundverkehrskom-
Aussprache mission zu dem Ergebnis, daß dieser Kauf- oder dieser Pachtvertrag dazu führen wird, daß der landwirtschaftlich genutzte Boden seiner bisherigen Nutzung entzogen wird, dann kann es die begehrte Billigung versagen. Sie kann kein Bauland beschaffen, das liegt nicht i n ihren Aufgabenbereichen oder auch i n ihrer Zielsetzung. Damit ist also schon klargestellt, daß nur der Schutz des landwirtschaftlichen Bodens vor Entfremdung Ziel und Aufgabe der hier i n Betracht kommenden Bestimmungen ist.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der Schweiz Von R. Stüdeli
L Bei der Arbeit am Vortrag, den zu halten ich die Ehre habe, bin ich m i r immer mehr der Komplexität des Problems bewußt geworden. Gewiß, die geltende Eigentumsordnung kann ohne besondere Schwierigkeiten dargestellt werden. Auch die Bestrebungen zu Abänderungen lassen sich aufzeigen. Hingegen handelt es sich bei der Städteerneuerung u m keine bekannte Größe. W i r dürfen nicht übersehen, daß die Stadt wohl noch eine politische Einheit darstellt, faktisch gesehen aber i n einem kaum übersichtlichen Beziehungsgeflecht steckt. Die Zahl der Postulate, sowohl die politisch zu einer Gemeinde gehörende Stadt als auch ihre Umgebung zu erneuern, ist auch i n der Schweiz nicht klein. Aber es wäre wohl vermessen, behaupten zu wollen, aus dem W i r r w a r r der Meinungen habe sich eine klare Vorstellung herausgeschält. Vielmehr muß wohl zugegeben werden, daß manche Städte unseres Landes kaum wissen, wie sie die auf sie eindringenden Aufgaben meistern sollen. Ich darf aber erfreulicherweise beifügen, daß sich am Horizont die ersten A n zeichen zur Überwindung der Schwierigkeiten abzeichnen. Sicher ist, daß ich Ihnen i n der heutigen Situation keine repräsentative Einstellung vortragen kann. Ich kann Ihnen nur meinen persönlichen Standpunkt darlegen, der selber — ich w i l l dies nicht verschweigen — i n manchen Teilen noch durchaus nicht genügend geklärt ist. Bei den Vorarbeiten für diesen Vortrag wurde m i r immer mehr klar, daß ich offen gestehen muß, zu wissen, daß ich nichts weiß. Wenn man meinem Referat zu sehr anmerkt, daß es aus dieser Situation entstanden ist, bitte ich Sie gütigst u m Entschuldigung.
H. Wenn w i r schon von Städteerneuerung zu sprechen haben, dürfte es klar sein, daß sich eine solche nur durch das M i t t e l der Planung erzielen läßt. Die besten Planungen sind nicht viel mehr als ein Fetzen mehr oder weniger schön angemaltes Papier, das unter Umständen dazu bei-
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getragen hat, die Bevölkerung einer Ortschaft oder Region zu beunruhigen, wenn sie sich nicht realisieren lassen. Planen muß daher m i t der Möglichkeit zur Realisation gleichgesetzt werden. Das Recht ist deshalb für die Planung von entscheidender Bedeutung 1 . Ich muß Sie daher vorerst über Grundzüge des Rechtes i n der Schweiz orientieren. Unser Land zählt gegen 3100 Gemeinden, die i m einen Kanton über ein größeres, im anderen über ein kleineres Maß von Autonomie verfügen. Uber den Gemeinden stehen 25 Kantone und Halbkantone; ihnen steht die oberste Ordnungsmacht zu, soweit diese nicht durch die Bundes-Verfassung dem Bund übertragen wurde. Dieser föderalistische Aufbau des Staates führt dazu, daß die Gemeinden, die Kantone und der Bund auf gewissen Gebieten Recht setzen. Auch beim besten Willen lassen sich gewisse Überschneidungen des Bundesrechtes, des kantonalen und des kommunalen Rechtes nicht verhüten. Man muß daher wissen, welches Recht i m Einzelfall gilt. Dabei wurde die Lösung so getroffen, daß das Bundesrecht dem kantonalen Recht vorgeht und das kantonale Recht dem Gemeinderecht, wobei der letztere Grundsatz vielleicht nicht überall i n allen Kantonen i n der gleich strikten Weise Geltung beanspruchen darf.
Das Bundesrecht geht also dem kantonalen Recht vor Dem Bund steht aber wenigstens bis heute keine Kompetenz zu, ein eigenes Planungs- und Baurecht zu erlassen. Trotzdem verfügt der Bund über einige Befugnisse, die die Gestaltung des kantonalen Rechtes und insbesondere der Planung beeinflussen. Die Bundesverfassung räumt z. B. dem Bund das Recht ein, i m Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Teiles derselben öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen und hiefür gegen volle Entschädigung das Recht der Enteignung geltend zu machen 3 . Dem Bund steht sodann die Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei sowie über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte zu. Erlauben Sie mir, daß ich hier einen Blick auf das Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei aus dem Jahre 1902 werfe, bevor ich die Aufzählung weiterer wesentlicher Planungskompetenzen des Bundes weiterführe. Obwohl dem Bund verfassungsmäßig nur die Oberaufsicht über die Forstpolizei zusteht 4 , stellte das erwähnte Gesetz den für die Raumplanung der Schweiz wichtigsten Grundsatz auf, den es gibt: das Waldareal der Schweiz soll nicht vermindert werden. Rodungen von 1
Vgl. E. Zimmerlin, Bauordnung der Stadt Aarau, Aarau 1960. Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 66 f. S. 66 f. 8 Art. 23 Bundesverfassung (BV). 4 Art. 24 BV. 2
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Wald sind daher nur ausnahmsweise zulässig und sollen i n der Regel durch Ersatzaufforstungen wettgemacht werden. Durch ein Bundesgesetz wurde also für den Waldboden ein Bauverbot aufgestellt, für das die öffentliche Hand keine Entschädigung zu bezahlen hat. Nur diesem glücklichen Umstand haben w i r es zu verdanken, daß ein Viertel des Bodens unseres Landes von Wald bedeckt ist, und daß die frühere Waldverteilung nach ihren Standorten i m wesentlichen erhalten werden konnte. Das Verbot, das Waldareal zu vermindern, wurde 1876 aufgestellt. Bei der Totalrevision des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei 1902 galt aber dieser Grundsatz als so selbstverständlich, daß sich der Bundesrat hiezu i n seiner Botschaft nicht einmal äußerte. Und doch birgt dieser Grundsatz für den Juristen einige wesentliche Fragen. War denn die Eidgenossenschaft zuständig, ein solches Gebot gestützt auf die ihr verfassungsmäßig zustehende Oberaufsicht zu erlassen? Oder hat der Bund den Verfassungsgrundsatz i n der Gesetzgebung strapaziert? Wenn w i r diese letzte Frage bejahen sollten, würde dies nicht dazu führen, daß an der Gültigkeit der erwähnten Gesetzesbestimmung gerüttelt werden könnte. Es gibt i n der Schweiz auf der Bundesebene keine Verfassungsgerichtsbarkeit Vielmehr sind die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen Beschlüsse auch für das Bundesgericht bindend 5 . Selbst wenn das Gebot, das Waldareal i n der Schweiz zu erhalten, gegen die Eigentumsgarantie verstoßen sollte, sei diese nun i n den Kantonsverfassungen oder der Bundesverfassung garantiert, gilt der Grundsatz auf der Gesetzesstufe, das Waldareal der Schweiz nicht zu vermindern, umumstößlich. W i r erkennen daraus zweierlei: 1. Nicht nur das Recht der Bundesverfassung, sondern auch das übrige Bundesrecht auf der Gesetzesstufe, beansprucht den Vorrang vor dem kantonalen Recht, und zwar sowohl vor dem kantonalen Verfassungs- wie Gesetzesrecht. 2. Ein Bundesgesetz hat Bestand, auch wenn es der eigenen Verfassung, auf der es beruht, widersprechen sollte. Kehren w i r zu den Kompetenzen der Eidgenossenschaft zurück, die sich auf die Raumplanung auswirken, so sind weiter zu nennen die Zuständigkeit zur Gesetzgebimg über die Landwirtschaft 8 , die Schiffahrt 7 , den Gewässerschutz 8, die Atomenergie 9 , über Bau und Betrieb der Eisen5 8 7 8 9
Art. Art. Art. Art. Art.
113 Abs. 3 BV. 31 bis Abs. 3 lit. c BV. 24 ter BV. 24 quater BV. 24 quinquies BV.
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bahnen 10 , über die Luftschiffahrt 1 1 und über das Post- und Telegrafenwesen 12 . Vor allem die Kompetenzen zur Landwirtschaftsgesetzgebung und zur Ordnung des Gewässerschutzes müßten ausführlich dargelegt werden können. Ich muß aus zeitlichen Gründen darauf verzichten. Obw o h l den öffentlichen Eisenbahnen das Recht zusteht, die Trassen neuer Eisenbahnlinien festzulegen und das dafür nötige Land zu enteignen, ist die Bundeskompetenz zur Ordnung des Eisenbahnwesens faktisch heute für die Planung von weit weniger Belang als jene zum Nationalstraßenbau. Seit fünf Jahren ist der Bund ermächtigt, auf dem Wege der Gesetzgebung die Errichtung und Benützung eines Netzes von Nationalstraßen sicherzustellen. Das Bundesgesetz über die Nationalstraßen vom 8. März 1960 bestimmt u. a., daß i n den Ausführungsprojekten beidseits der projektierten Straße Baulinien festzulegen sind. Bei ihrer Bemessung ist namentlich auf die Anforderungen der Verkehrssicherheit und der Wohnhygiene sowie auf die Bedürfnisse eines allfälligen künftigen Ausbaues der Straße Rücksicht zu nehmen. Die Beschränkung des Grundeigentums durch Baulinien begründet nur dann einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie i n ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommt. Damit stoßen w i r zum erstenmal auf den Tatbestand der sog. materiellen Enteignung, der uns später näher beschäftigen wird. Ich glaube, hier summarisch die Auswirkungen auf die Raumplanung gezeigt zu haben, die der Grundsatz: Bundesrecht bricht kantonales Recht, zur Folge hat. Damit, daß die kantonale oder kommunale Gesetzgebung gegen keine der erwähnten Kompetenzen des Bundes verstößt, ist es aber noch nicht getan. Vielmehr verbürgt die Bundesverfassung dem einzelnen Rechte, die i n jeder kantonalen und kommunalen Gesetzgebung zu berücksichtigen sind. So bestimmt Art. 4 unserer Bundesverfassung, daß alle Schweizer vor dem Gesetze gleich sind. Es gibt i n der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Ortes, der Geburt, der Familien oder von Personen. Diese Bestimmungen bilden die Grundlage einer ausgedehnten Praxis, i n der das Bundesgericht die einzelnen Auswirkungen der Rechtsgleichheit herausgeschält hat. Das Bundesgericht überprüft allerdings die Rechtsgleichheit i m staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur auf Willkür hin 1 3 . W i l l k ü r heißt, daß die Rechtsgleichheit i n einem besonders gravierenden Maße verletzt wird. Die gesamte Tätigkeit der Kantone und Gemeinden hat sich gleichwohl schlechthin nach dem Maßstab der Rechtsgleichheit zu richten. Diese ist zunächst einmal formeller 10 11 11 1S
Art. 26 BV. Art. 3 7 t e r B V . Art. 36 BV. Fleiner/Giacometti, a. a. O., S. 411 ff.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der S c h w e i z 9 7 Art, indem dem Bürger ein Anspruch auf rechtliches Gehör zusteht. Das w i l l bei der Planung heißen, daß die Behörde nicht einfach eines Tages dem betroffenen Grundeigentümer mitteilen kann, sein Grundstück befinde sich nun i n der Industriezone. Vielmehr muß dem Grundeigentümer das Recht eingeräumt werden, zu Planungsvorschlägen Stellung zu nehmen, abweichende Auffassungen zu vertreten und zu diesem Zwecke Rechtsmittel zu ergreifen. Besonders wesentlich sind die materiellen Auswirkungen. Die Rechtsgleichheit verlangt von der öffentlichen Hand, daß sie gerecht handelt. Das Gemeinwesen hat dafür zu sorgen, daß gleiche Verhältnisse gleich und ungleiche ungleich behandelt werden. Zudem gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 14. Das w i l l — etwas populär ausgedrückt — heißen, daß nicht m i t Kanonen auf Spatzen geschossen werden darf. Wenn z. B. aus ästhetischen Gründen der Blick auf eine erhöht gelegene Kirche gewahrt werden soll, w i r d das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn ein benachbartes, aber etwas tiefer gelegenes Grundstück m i t einem vollständigen Bauverbot belegt wird, obwohl eine Beschränkung der Bauhöhe den Zweck genügend hätte erfüllen können. Ungleiche Verhältnisse sind auch nach dem Gebot der Rechtsgleichheit ungleich zu behandeln. Eine Ausscheidung von Wohn- und Industriegebiet ist daher nach der Praxis zulässig. Es ist auch statthaft, das überbaubare Land i n Gebiete m i t verschieden hoher Ausnutzung und mit verschiedener Bauhöhe einzuteilen. Es kann allerdings Verhältnisse geben, bei denen die Anwendung der Rechtsgleichheit schwierig ist. Es ist nicht immer leicht, darüber zu befinden, ob das eine Quartier nur zweigeschossig m i t Ein- und Zweifamilienhäusern, das andere aber m i t fünfgeschossigen Mehrfamilienhäusern überbaut werden darf, auch wenn w i r voraussetzen, daß sowohl eine Zone niedriger und eine solche höherer Uberbauung i m öffentlichen Interesse liegt. Bei einer solchen Gebietsausscheidung w i r d sich das Prinzip der Rechtsgleichheit weitgehend darauf beschränken müssen, daß die getroffene Lösung sinnvoll erscheint und sich auf ernsthafte und sachliche Gründe stützen läßt. Es ist nicht zu bestreiten, daß i n der Regel eine Zonenplanung, die verschieden hohe Ausnützungen einführt, rasch zu einer dementsprechenden Bewertung des Bodens führt. Diese materiellen Folgen der Zonenplanung befriedigen gerade i m Hinblick auf die Rechtsgleichheit nicht. Es läßt sich aber offenbar nicht leicht ein zweckmäßiges M i t t e l finden, u m dieser Schwierigkeit beizukommen. Gesamthaft dürfen w i r feststellen, daß die i n der Bundesverfassung garantierte Rechtsgleichheit zwar für die Raumplanung Probleme aufwerfen kann, daß sie aber wenigstens nach der herrschenden Praxis einer zweckmäßigen Planung nicht entgegensteht. 14 Vgl. Max Imboden, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Stuttgart 1960, S. 121 f.
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Basel und
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Die Kantone sind verpflichtet, für ihre Verfassungen die Gewährleistungen des Bundes einzuholen. Der Bund übernimmt diese Gewährleistung, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Z u diesen gehört, daß die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen — i n Klammern w i r d beigefügt: repräsentativen oder demokratischen — Formen gesichert ist. Es würde zu weit führen, hier die Tragweite dieser Verfassungsbestimmung eingehender darzulegen. Ich möchte an dieser Stelle nur betonen, daß i n unserem Land alle wesentlichen Erlasse der Raumplanung in der Regel sowohl im Kanton wie in der Gemeinde den Stimmbürgern zum Entscheid vorgelegt werden müssen. Gewöhnlich handelt es sich um ein obligatorisches, seltener u m ein fakultatives Referendum. Sie werden verstehen, daß i n einer so ausgeprägten Demokratie jede Planungsmaßnahme wohl überlegt sein w i l l . Die Planung erfordert daher i n der Schweiz außerordentlich viel Kleinarbeit. Wenn der Fachberater und die politische Behörde eine gute Arbeit leisten und keine Zeit zu einer genügenden Aufklärung scheuen, lassen sich allgemeine planerische Vorschriften und Raumplanungen i n den Gemeinden i n der Regel gleichwohl einführen. Ein weiterer Grundsatz der Bundesverfassung ist wichtig. Diesmal aber nicht des geschriebenen, sondern des ungeschriebenen Verfassungsrechtes. M i t Ausnahme des Kantons Tessin gewähren sämtliche Kantonsverfassungen dem Bürger die Garantie des Eigentums. Das Bundesgericht hat nun aber entschieden, die Eigentumsgarantie gehöre zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes, so daß den entsprechenden geschriebenen Normen des kantonalen Rechtes keine selbständige Bedeutung zukomme. Adressat der Eigentumsgarantie ist der Staat. Durch die Eigentumsgarantie w i r d der private Eigentümer also nur gegen eine unrechtmäßige Beeinträchtigimg durch die Träger der staatlichen Gewalt, nicht aber durch Dritte, geschützt. Die Eigentumsgarantie garantiert das Eigent u m i m objektiven Sinn. Eine kantonale Verfassungsnorm, das private Grundeigentum sei zu verstaatlichen, würde daher i m staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht auf gehoben. Dabei ist allerdings nochmals darauf hinzuweisen, daß gegen eine gleiche Norm i n der Form eines bundesverfassungswidrigen Bundesgesetzes kein Schutz geboten würde, das das Bundesgericht i n seinen Entscheiden an die Bundesgesetzgebung gebunden ist. Theoretisch, aber wirklich nur theoretisch, könnte also die Eigentumsgarantie als objektive Norm selbst durch ein Bundesgesetz aus den Angeln gehoben werden. Aber auch das Eigentum i m subjektiven Sinn, d.h. das einzelne Eigentumsverhältnis, ist nicht so garantiert, daß es schlechthin unverletzlich ist. „Denn das Eigentum, bzw. sein Inhalt, w i r d überhaupt erst durch das positive Recht normiert. Die Eigentumsgarantie setzt also eine staatliche Eigentumsordnung voraus und garantiert das einzelne Eigentumsverhältnis
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nur m i t dem Inhalt, den i h m diese Ordnung jeweils gibt 1 5 ." Das Schweizerische Zivilgesetzbuch bestimmt denn auch, daß der Eigentümer einer Sache „nur" i n den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen kann. Das Eigentum am Grund und Boden und an seinen Bestandteilen, d. h. also den Bauten, die auf dem Grund und Boden stehen, w i r d einesteils durch privatrechtliche und andernteils durch öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen eingezäumt. Z u den privatrechtlichen Eigentumsbeschränkungen zählen natürlich i n erster Linie die nachbarrechtlichen. Sie sind dispositiver Natur und daher für die Raumplanung nicht besonders bedeutsam. Immer wichtiger wurden natürlich die öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen. Diese sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung 16 zulässig, wenn sie a) i m öffentlichen Interesse liegen, b) auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und c) gegen Entschädigung erfolgen, wenn sie i n ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommen, also eine materielle Enteignung bilden. Die formelle Enteignung bildet daher zur materiellen Enteignung nur eine quantitative Variation 1 7 , allerdings weniger i n finanzieller, als i n sachlicher Hinsicht. Es rechtfertigt sich, die einzelnen Bestandteile dieser Formel näher darzulegen. 1. Eine Eigentumsbeschränkung gilt dann als i m öffentlichen Interesse liegend, wenn sie vom Standpunkt des Gemeinwesens aus, das die ihm zugewiesene Staatsaufgabe zu erfüllen hat, als notwendig erscheint. Die Eigentumsbeschränkung darf daher weder i n einem privaten noch i n einem fiskalischen Interesse erfolgen. Es ist aber nicht nötig, daß das öffentliche Interesse die einzige und ausschließliche Triebfeder für die Eigentumsbeschränkung bildet; es genügt, daß der Eingriff vorwiegend i m öffentlichen Interesse erfolgt 18 . Das öffentliche Interesse an einer Norm fehlt aber auch dann, wenn ihre Anordnungen in hohem Grade unzweckmäßig sind, sei es, daß sie über ihr angebliches Ziel hinausschießen, sei es, daß sie es nicht erreichen können 19 . Ist m i t dem Erfordernis des öffentlichen Interesses zur klareren Bestimmung der Eigentumsgarantie viel gewonnen? Diese Frage läßt sich nicht leicht beantworten. Einerseits kann nicht übersehen werden, daß jede staatliche Handlung und nicht nur die Eingriffe i n das Eigentum i m Allgemeininteresse, i m öffentlichen Interesse also, zu erfolgen haben. Anderseits ist der Begriff des öffentlichen Interesses schillernd und ein15 R. Holzach, öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung und expropriationsähnlicher Tatbestand, Diss. Zürich 1951, S. 62. 16 Vgl. BGE 82 1 164 f. 17 Holzach, a. a. O., S. 83. 18 Holzach, a. a. O., S. 63 f. 19 Luder W., Das Baupolizeirecht als Beschränkung der Eigentumsfreiheit, Diss. Zürich 1951, S. 76. 7*
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deutig einer Evolution unterworfen. Das zeigen insbesondere zwei bundesgerichtliche Urteile aus der letzten Zeit. A. I m März 1961 legte die Hauptstadt des Kantons Wallis, Sitten, einen Quartierplan öffentlich auf, der für ein ziemlich großes Grundstück ein Bauverbot aufstellte, u m den Platz für die Durchführung größerer Festlichkeiten und Kongresse zu reservieren. Das Bundesgericht erklärte, eine Gemeinde dürfe sich nicht unter irgendeinem Vorwand möglichst viel Land vorbehalten, nur u m bei der Ortsplanung über einen großen Grundbesitz zu verfügen. Anderseits anerkennt es das Bedürfnis der Gemeinde, auch für öffentliche Zwecke, die sich erst i n der Zukunft erfüllen, Boden m i t einem Verbot für private Bauten zu belegen. Der öffentliche Zweck müsse aber möglichst klar festgelegt werden. I m vorliegenden Fall hielt es das öffentliche Interesse als gegeben. Eine Stadt, die heute 16 000 Einwohner zählt und i n wenigen Jahrzehnten auf 30 000 Einwohner anwächst, müsse u m so eher i n der Lage sein, einen Platz für die Durchführung größerer Festlichkeiten und Kongresse zur Verfügung zu stellen, als es sich u m eine Kantons-Hauptstadt handle 20 . Dieser Entscheid ist i n zweifacher Hinsicht bedeutsam. Einerseits anerkennt er die Befugnis der Gemeinden, Land für bestimmte öffentliche Zwecke vorzubehalten. Anderseits ist eindeutig zu erkennen, daß sowohl der Boden als auch der Zweck, dem dieser Boden dereinst zu dienen hat, zu lokalisieren sind. Man weiß heute, daß die öffentliche Hand i n städtischen Verhältnissen über einen Grundbesitz von ca. 60 m 2 pro Kopf der Bevölkerung verfügen muß, u m den Bedürfnissen der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Es genügt aber nicht, m i t dem Hinweis auf den nötigen Umfang an Boden i m Interesse der Allgemeinheit auf Grundstücken private Bauten zu verbieten. Für ein solches Bauverbot anerkennt das Bundesgericht das öffentliche Interesse nicht. B. I n manchen städtischen Agglomerationen unseres Landes herrscht Wohnungsnot. Diese ist w o h l i n Genf am größten. Die Partei der Arbeit des Kantons Genf — es handelt sich u m die kommunistische Partei — ergriff die Initiative zur Ergänzung des Gesetzes für den Bau billiger Wohnungen. I m Gesetz sollte bestimmt werden, daß dem Staat bei jeder Änderung der Bauzonen ein Vorkaufsrecht am betreffenden Gelände zustehe. Ist eine gütliche Einigung nicht möglich, sollte der Staat den Boden für den sozialen Wohnungsbau enteignen können. Der Große Rat des Kantons Genf beschloß, auf die Initiative nicht einzutreten, da deren Inhalt die Eigentumsgarantie und den Grundsatz des Vorranges des Bundesrechtes verletze. Die Beschwerde gegen diesen Nichteintretensentscheid wurde vom Bundesgericht m i t 4 zu 3 Stimmen gutgeheißen, so daß die i0
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Initiative dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden muß. Das Bundesgericht 21 erklärte, der Kanton könne durch einen allgemein verbindlichen Erlaß die Enteignung oder eine i n ihrer Wirkung entsprechende Maßnahme (Vorkaufsrecht) anordnen i m Rahmen von i m allgemeinen Interesse liegenden Maßnahmen auf dem Gebiete der Sozial- und W i r t schaftspolitik (Erstellung von Wohnungen zu mäßigen Preisen), sofern sich nur die Enteignung i n gewissen Grenzen halte, und das Privateigentum dabei nicht unterdrückt oder ausgehöhlt werde, öffentliches Vorkaufsrecht und Enteignung i n einem beschränkten Rahmen sind also zulässig, weil der soziale Wohnungsbau als öffentliches Interesse anerkannt wurde. Dieses bundesgerichtliche Urteil wurde i n manchen Kreisen eher als revolutionär denn als evolutionär gewertet. Was uns hier interessiert ist die Tatsache, daß immer weitere Anliegen der Allgemeinheit als öffentliches Interesse gelten, daß also die Grenzziehung zwischen öffentlichem Interesse und nicht-öffentlichem Interesse sehr fließend geworden ist. 2. öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Verlangt w i r d ein Gesetz i m materiellen Sinn 2 2 . Es muß sich also u m eine allgemeine Vorschrift handeln, die eine unbestimmte Zahl gleichartiger Fälle betrifft. Formell kann das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage i n der verschiedensten Weise erfüllt sein. „Es bleibt demnach unwesentlich, ob die betreffende Norm formelles Gesetz, Rechtsverordnung oder autonome Satzung, ja ausnahmsweise auch Gewohnheitsrecht sei 23 ." Vor allem wesentlich ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtes i n der Hinsicht, daß Eigentumsbeschränkungen, die über das bisher Übliche, also über das Baupolizeirecht, hinausgehen, i n der Regel der klaren gesetzlichen Grundlage nicht nur i m kommunalen, sondern auch i m kantonalen Recht bedürfen. Umstritten und noch nicht entschieden ist die Frage, ob doch i m einen oder anderen Kanton die Gemeinden auf Grund ihrer weitgehenden Autonomie Planungsvorschriften aufstellen dürfen, die i m kantonalen Recht keine Handhabe finden. Ich bitte Sie aber zu beachten, daß z. B. die Stadt Zürich für überbaute Grundstücke keine Baulandumlegung und damit keine Sanierung durchführen kann, w e i l das kantonale Recht die Gemeinden hiezu nicht ermächtigt. Das Erfordernis der klaren gesetzlichen Grundlage i m kantonalen Recht beschneidet also das Planungsrecht der Gemeinden empfindlich. Wenn w i r daher später auf die Stadtsanierung zu sprechen kommen und erkennen, daß wesentliche Teile eines solchen Programms 21
BGE 88 I 251 ff. Vgl. Aktuelle Probleme der örtlichen und regionalen Bauplanung, Schweiz. Verwaltungskurse an der Handels-Hochschule St. Gallen, 1962, S. 87. 23 Holzach, a. a. O., S. 66. 22
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nur durch Zonenexpropriationen möglich sind, setzen w i r voraus, daß die Kantone entsprechende Grundlagen schaffen. Über die erforderlichen Grundlagen verfügen heute, soviel m i r bekannt ist, dank dem kantonalen und kommunalen Recht nur die Städte Basel 24 und Luzern, wobei beide Städte auch i m Hinblick auf die Zuständigkeit zur Gesetzgebung Sonderfälle darstellen. 3. Nicht nur eine formelle, auch eine materielle Enteignung ist nur zulässig, wenn sie gegen Entschädigung erfolgt. Als materielle Enteignung gilt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, wenn sie dem Eigentümer einen bisher rechtmäßig ausgeübten oder wirtschaftlich verwerteten Gebrauch der Sache i n außerordentlich hohem und empfindlichem Maße einschränkt und dabei ausnahmsweise einen einzelnen oder einzelne wenige Eigentümer so trifft, daß diese ein allzu großes Opfer zugunsten der Allgemeinheit bringen müßten 25 . Diese Umschreibung wurde von erschiedenen Autoren kritisiert. Sie wiesen darauf hin, entscheidend für die Abgrenzung der materiellen Enteignung zur entschädigungslosen öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung sei die Intensität des Eingriffes. Hingegen stelle die Zahl der Grundeigentümer, die betroffen werde, kein brauchbares K r i t e r i u m dar 26 . W i r können uns hier m i t dieser K r i t i k , so verständlich sie scheint, nicht auseinandersetzen. Wesentlich ist, daß das geltende Recht i n unserem Lande jeden Quadratmeter Boden, der nicht bewaldet ist, als potentielles Bauland anerkennt, so daß jedes direkte Bauverbot entschädigt werden muß. Die Preise für das Bauland i n der Schweiz sind bekanntlich sehr hoch. Wenn eine Landschaft geschützt wird, um sie i n ihrer ursprünglichen Schönheit oder zur Erholung der Bevölkerung zu erhalten, fehlt i n der Regel das öffentliche Interesse für eine formelle Enteignung, auch wenn das öffentliche Interesse für ein Bauverbot anerkannt wird. Nehmen w i r an, der potentielle Baulandpreis beziffere sich auf 40 Franken pro Quadratmeter. Der Ertragswert dieses Landes w i r d sich i n der Regel u m einen Franken heru m bewegen. Das Gemeinwesen hat dann für ein direktes Bauverbot pro Quadratmeter 39 Franken zu bezahlen. Sie werden m i t m i r einiggehen, daß sich bei einer solchen Regelung die Anliegen des Landschaftsschutzes, der Erholung der Bevölkerung und natürlich auch der Erhaltung der Landwirtschaft auf die Dauer nur ganz ungenügend verwirklichen lassen. Aber auch naheliegendere Anliegen wie dasjenige, Immissionen von Autobahnen her möglichst zu verhindern, lassen sich nicht befriedigen. Es ist anzunehmen, das der Bundesrat den Abstand von Baulinie zu 24 Vgl. §§ 121 ff. des Straßengesetzes vom 14. 1. 1937 und Ed. Schweizer, Die Prinzipien des Basler Straßengesetzes in Schweiz. Zeitschrift für Straßenwesen 1927 Nrn. 7 bis 18. 25 BGE82I164. 28 Holzach, a. a. O., S. 130.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der S c h w e i z 1 0 3 Baulinie entlang den Nationalstraßen i n der Regel nur auf 50 und teilweise gar nur auf 40 Meter festlegen w i l l , damit der Nationalstraßenbau infolge von Entschädigungen für materielle Enteignungen nicht noch giganterische Zahlen erreicht, als dies heute schon der Fall ist. Eine Städteerneuerung, die unüberbautes Land einbezieht, das auf die Dauer nicht überbaut werden soll, läßt sich daher nur verwirklichen, wenn in der Schweiz das Bodenrecht grundlegend geändert wird. Es ist i m Rahmen dieses Vortrages nicht möglich, auf das Bodenproblem und die Vorschläge zu seiner Lösung einzutreten. Ebensowenig kann ich auf indirekte M i t t e l hinweisen, die — wenn sie eingeführt werden können, was politisch sehr schwierig ist — das geltende Bodenrecht weniger düster erscheinen lassen. Ich bin dadurch gezwungen, i m Rahmen der Stadterneuerung das Bedürfnis nach der Sicherung stadtnaher Erholungsflächen auszuklammern. Hier sei nur festgehalten, daß umfassende Raumplanung auf weite Sicht und für größere Räume nur möglich ist, soweit die sich aus der Raumordnung ergebenden Beschränkungen des Grundeigentums entschädigungslos durchgeführt werden können. Darauf wies der bekannte Professor für Zivilrecht an der Universität Bern, Prof. Dr. Peter Liver, i n einem nicht publizierten Referat vor dem Vorstand der Schweiz. Vereinigung für Landesplanung schon vor bald 20 Jahren hin. Seine Aussage bewahrheitet sich Tag für Tag mehr, je höher die Bodenpreise steigen. Gehen w i r zum Thema der Stadterneuerung über, so liegt der Versuch nahe, Sie m i t Zahlen zu überschütten, u m Ihnen die tatsächlichen Umstände für eine Städteerneuerung darzulegen. Darf ich Ihnen die Bekanntschaft m i t dem Zahlenmaterial ersparen und annehmen, daß Sie meinen Aussagen Vertrauen schenken, auch wenn sie zahlenmäßig nicht belegt sind? Die Schweiz verzeichnet i n den letzten anderthalb Jahrzehnten einen sehr starken Bevölkerungszuwachs. Dieser ist aber zum größeren Teil nicht auf den Geburtenüberschuß, sondern auf die Zuwanderung von Fremdarbeitern zurückzuführen. Die weitere Zuwanderung von Fremdarbeitern wurde vor kurzem vom Bundesrat vorerst für ein Jahr abgebremst. Es läßt sich noch nicht voraussagen, ob nicht der wirtschaftliche Druck zu weiteren Einwanderungen führen wird. Ich glaube allerdings eher, daß früher oder später eine nicht mehr überschreitbare Limite für Fremdarbeiter festgesetzt wird. Diese w i r d wohl — ich bedaure, wenn ich nun gleichwohl Zahlen nennen muß — bei wenigstens 600 000 und höchstens einer M i l l i o n liegen. Der Bestand von Fremdarbeitern hat die untere Limite bereits überschritten. Weitaus der größte Teil von ihnen darf aber die Familie noch nicht m i t sich bringen. Eine solche Bestimmung ist menschlich sehr hart. Sie w i r d kaum mehr lange haltbar sein. Wenn w i r an die Konsequenzen für den Wohnungsbau denken, w i r d uns beim Gedanken bange, daß die Fremdarbeiter, die vor allem aus dem Süden stammen, ihre oft
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sehr zahlreichen Familienangehörigen m i t sich bringen. Die heute schon vor allem i n den Städten und ihren Vororten und i n den Industriegemeinden sehr starke Nachfrage nach Wohnungen würde noch viel mehr verschärft. Der größte Teil der Fremdarbeiter ist als Bau- und Industriearbeiter tätig. Vor allem die Industriearbeiter sind zu einem großen Teil i n Städten und ihren Vororten, zu einem nicht geringen Teil aber auch i n industriereichen Ortschaften, die als halbstädtisch zu bezeichnen sind, tätig. I n den letzten Jahren sind i n der Schweiz zahlreiche neue Industrieunternehmen oder Niederlassungen bestehender Unternehmen entstanden. Die Zahl neuer Industriebetriebe i n den Städten ist sicher geringer als die Zahl jener, die aus der Stadt weggezogen sind. Aber der größte Teil der neuen Betriebe ließ sich i n relativ geringer Entfernung zur bisherigen Betriebsstätte nieder. Man kann also i m großen ganzen nicht von einer wesentlichen Dezentralisation sprechen; vielmehr muß angenommen werden, daß sich die neuen industriellen Arbeitsplätze innert einiger Jahre oder Jahrzehnte zum größeren Teil zwar nicht nach den politischen, w o h l aber nach den faktischen Grenzen i m Stadtgebilde befinden. Auch wenn nicht zu übersehen ist, daß da und dort echte, d. h. relativ weiträumige Dezentralisationen vorgenommen wurden, ist i m gesamten eine starke Konzentration der Wirtschaftstätigkeit i n einigen vorab städtischen Siedlungsräumen festzustellen 27 . Die ungenügende Dezentralisation industrieller Betriebe darf den Unternehmern nicht zum Vorwurf gemacht werden. I n vielen Fällen kann eine Verlegung des industriellen Standortes nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn darauf gezählt werden kann, daß der größte Teil der bisherigen Mitarbeiter und vor allem der qualifizierten Mitarbeiter auch am neuen Standort dem Betrieb die Treue hält. Die Erfahrung zeigt nun aber, daß zahlreiche A r beitskräfte nicht bereit sind, ihre Wohnungen zu verlassen. Dadurch werden die Unternehmungen i n vielen Fällen gezwungen, einen Standort zu wählen, der ihnen die weitere Mitarbeit der bisherigen Angestellten und Arbeiter sichert. Sie müssen also einen Standort suchen, der nahe der bisherigen Betriebsstätte gelegen ist. Verschiedene Gründe sind für dieses Verhalten der Mitarbeiter verantwortlich. Jedenfalls kommt dari n auch der Wunsch einer immer größer werdenden Bevölkerung zum Ausdruck, städtisch zu leben. Eine umfassendere Dezentralisation industrieller Betriebe hängt also davon ab, daß neue städtische Zentren geschaffen werden können. W i r werden darauf zu sprechen kommen. Aber selbst wenn alle Industriebetriebe aus den Städten und ihrem Umland wegziehen sollten, würde dadurch die Konzentrationstendenz der Bevölkerung i n den Städten und ihrer Umgebung nicht abgebremst. I m Gegen27
F. Kneschaurek, Jahrbuch der Eidgenössischen Behörden 1963, S. 207 ff.
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teil. Nach den Angaben von Fachleuten braucht ein Arbeitsplatz des tertiären Sektors, d. h. der Dienstleistungsbetriebe, zehnmal weniger Raum als ein Arbeitsplatz i n der Industrie. Wenn eine Industrie aus einer Stadt auszieht, läßt sich an ihrer Stelle gewöhnlich ein Dienstleistungsbetrieb nieder. Dieser Umschichtungsprozeß ist i m vollen Gange. Dabei bevorzugen Dienstleistungsbetriebe i n der Regel größere Zentren. Es ist noch wenig abgeklärt, i n welchem Ausmaß mit der Zeit auch Dienstleistungsbetriebe wirtschaftlich sinnvoll dezentralisiert werden können. Der Zürcher Regierungsrat ernannte 1956 eine Expertenkommission, der die Aufgabe übertragen wurde, einen Bericht über die Möglichkeiten der dezentralisierten Besiedelung innerhalb des Kantons Zürich zu erstatten. Die Kommission, die ihren Bericht 1958 ablieferte, ging von der Annahme einer Bevölkerungszunahme von 300 000 Personen für den ganzen Kanton Zürich innert ca. 30 Jahren aus. Nur nebenbei sei bemerkt, daß diese Bevölkerungszunahme praktisch erreicht ist. Die Expertenkommission war der Auffassung, von den 300 000 Einwohnern könnten 150 000 für eine dezentralisierte Besiedelung i n Frage kommen. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens sei eine aktive, lenkende Planung auf der Ebene des Kantons nötig, welche zur Bildung von Regionalzentren führe. Eine richtige Industriestandortspolitik sei der eigentliche Schlüssel zu einer gesamthaft riditigen Besiedelung des Kantons Zürich. Der Bericht der Expertenkommission ist zweifelsohne sehr lesenswert, auch wenn heute i m einen oder anderen Punkt eine andere Beurteilung Platz zu greifen scheint. Es geht jetzt weniger u m die Frage: Bildung von Regionalzentren zur Verlangsamung des Wachstums der Hauptstadt, als darum: Wie planen w i r die Weiterentwicklung der Hauptstadt und ihres Umlandes und wie gestalten w i r zugleich die übrigen Regionen m i t ihren Zentren? Tatsächlich ist denn auch anzunehmen, daß die Hauptstadt und i h r Umland bis zum Sättigungsgrad weiterhin mindestens durchschnittlich so stark wie die übrigen Regionen wachsen, auch wenn es gelingt, stärkere Regionen m i t ihren Zentren zu bilden. Sie werden bemerken, daß ich einige Schlußfolgerungen der Expertenkommission für diskutabel halte. W i r dürfen einerseits nicht übersehen, daß sich Auffassungen wandeln und nur aus ihrer historischen Gegebenheit richtig beurteilt werden können. Anderseits kommt der Expertenkommission das Verdienst zu, auf die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Dezentralisation hingewiesen zu haben. W i r können, wie schon zu Beginn erwähnt, nicht von einer schweizerischen Haltung zur Frage der Städteerneuerung und zu wesentlichen Problemen der Regionalplanung sprechen. Zusammenfassend zeichnet sich aber für den Kanton Zürich die Einstellung ab, daß sowohl die Dezentralisation zu fördern als auch die weitere Besiedelung der Stadt und ihres Umlandes planerisch bestmöglich vorzubereiten sind. Zur letzte-
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ren Aufgabe gehört i m vollen Ausmaß die Stadterneuerung. Es gibt also voraussichtlich i m Kanton Zürich kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Darf ich noch einen Augenblick bei den Fakten verweilen, die zur Stadterneuerung führen? Wenn Sie eine Stadt wie Zürich oder zahlreiche andere größere, mittlere, ja selbst kleine Städte unseres Landes besuchen, werden Ihnen zuerst die Altstädte gezeigt. Und das mit vollem Recht. Aus ideellen Gründen w i l l man die Altstädte möglichst erhalten. Manche Liegenschaften sind aber nach heutigen Auffassungen unzweckmäßig überbaut. Es lastet dann auf einzelnen Liegenschaften nicht selten ein wirtschaftlicher Durck, das Gebäude abzubrechen und neu aufzubauen. Dabei wollen natürlich die Eigentü ner oft einen rationellen, modernen Zweckbau aufstellen. Nicht selten w i r d auch auf unhygienische Wohnverhältnisse hingewiesen, welche saniert werden müßten. Gegen moderne Bauten wehren sich gewöhnlich jene Kreise, die die Altstädte möglichst integral erhalten wollen. I n manchen Altstadtgebieten herrscht daher eine Spannung zwischen den Forderungen der Erneuerer und der Traditionalisten. Vor allem u m die letzte Jahrhundertwende entstanden Stadtrandquartiere, deren Bauten oft weder ästhetisch noch hygienisch noch in ihrer Einteilung ein Kleinod bilden. I n diesen Quartieren ist der Druck nach einer Stadterneuerung am größten. Oft werden alte Gebäude abgerissen und durch neue ersetzt, deren Standort wiederum unzweckmäßig ist, w e i l sich der Abbruch und Neubau eines größeren Gebäudekomplexes nicht verwirklichen läßt. Zudem müssen einzelne Gebäude nicht selten Straßenbauten weichen. Wenn schon Neubauten anstelle der abgebrochenen Gebäude entstehen, können diese aus der Situation heraus oft wiederum nicht zweckmäßig gebaut werden. Hinter der Einzelerneuerung solcher überalterter, nicht erhaltenswerter Quartiere steckt keine Konzeption. Es ist daher mehr als verständlich, wenn immer wieder vor allem für diese Gebiete eine umfassende Sanierung gefordert wird. Immerhin gibt es in der Schweiz kaum typische Elendsviertel, deren Sanierung sich allein schon aus hygienischen oder sozialen Gründen aufdrängte. Auch das Bedürfnis nach der Sanierimg städtischer Wohngebiete infolge gesundheitsschädlicher Auswirkungen von Gewerbe- und Industriebetrieben spielt i n meinem Heimatland kaum eine Rolle. Dagegen ist die Zunahme des Verkehrs enorm. Da und dort müssen daher zur Verbreiterung oder gar zur Neuanlage von Straßen Bauten niedergerissen werden. Ihre Folgen zeichnen sich kaum i n einer Städteerneuerung ab. Zweifelsohne dürfte aber die Verkehrsplanung nicht mehr wie bisher vor allem vom Standpunkt eines guten Verkehrsnetzes Straßen erweitern oder neu bauen. Vielmehr gehört die gesamte Verkehrsplanung i n den Zusammenhang der Siedlungsplanung. Sachlich schafft
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daher die Notwendigkeit, den Verkehr zu bewältigen, das Bedürfnis nach Stadterneuerung, auch wenn diese Tatsache noch lange nicht überall anerkannt wird. Ich muß in diesem Zusammenhang auf folgendes hinweisen: Wegen der hohen Bodenpreise und der hohen Baukosten sind die Grundeigentümer i n den Städten bei Um- und Neubauten abgebrochener Gebäude immer mehr daran interessiert, anstelle von Wohnungen Büroräumlichkeiten und Läden zu schaffen. Sie erzielen dadurch i n der Regel eine höhere Rendite. Zudem ist die Nachfrage nach Büroräumlichkeiten und Läden infolge der schon erwähnten starken Zunahme der Dienstleistungsbetriebe groß. Immer mehr läßt sich daher die Neigung der Arbeitsplätze zur Dispersion erkennen.Nun ist es längst bekannt, daß sich i n größeren Städten der Verkehr von und zum Arbeitsplatz für weitaus den größten Teil der Arbeitenden nie m i t dem individuellen Verkehrsmittel bewältigen läßt. Die größeren Städte erreichen ihren Kulminationspunkt an Bevölkerung rasch oder haben diesen schon überschritten. Die Zahl jener Arbeitenden, die i n der Region wohnt, nimmt daher stark zu. Nach der Auffassung bester Fachleute kann aber der öffentliche Verkehr seine Aufgabe auf die Dauer nur bewältigen, wenn sich die Arbeitsplätze i m Stadtzentrum oder allenfalls noch zusätzlich in einem Nebenzentrum konzentrieren lassen. Wenn diese Auffassung richtig ist — und ich sehe einstweilen keine Anhaltspunkte, die sachlich begründet diese Stellungnahme entkräften könnten, — ergibt sich aus dem Erfordernis der Konzentration der Arbeitsplätze ein neuer, sehr starker Impuls zur Städteerneuerung. Wenden w i r uns nun der Frage zu, wann ein Stadtteil kraft obrigkeitlicher Anordnung erneuert werden soll. M i t dieser Frage bin ich beim heikelsten Punkt meines Vortrages angelangt. Denn ich glaube kaum, daß es bis heute gelungen ist, für die Stadterneuerung ein klares Modell zu erarbeiten. Und dies müßte doch die Voraussetzung bilden, u m die Frage zu beantworten. Sehen w i r einstweilen von den rechtlichen Bestimmungen ab. Nach meiner Meinung herrscht i n der Schweiz die Auffassung vor, daß sich die Planung den Gegebenheiten und den wirtschaftlichen Kräften anzupassen hat. Der Planer darf also nicht vom grünen Tisch aus ein Modell der Stadterneuerung aufstellen. Vielmehr sind zuerst sämtliche Gegebenheiten sorgfältig abzuklären. Dabei sind insbesondere die Interdependenzen zwischen der Stadt und den Gemeinden der Region mitzuberücksichtigen. Das Ziel muß dari n bestehen, die faktischen Kräfte, und zwar vor allem auch die w i r t schaftlichen Bedürfnisse, zu erkennen. Die Planung hat diese i n ihre Überlegungen gebührend einzubeziehen. Soweit nicht die wirtschaftlichen Kräfte eindeutig zu einer Fehlentwicklung führen, sollen sie nicht i n einer anderen Richtung beeinflußt werden. Anderseits muß die
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Planung entschlossen einen anderen Weg zu weisen suchen, wenn die faktischen, vor allem die wirtschaftlichen Trends einen Weg einschlagen, der offensichtlich zu unhaltbaren Zuständen führt. Jede Planung muß aber daran denken, daß eine Stadterneuerung, die z. B. zum Abbruch und zum Neubau eines Quartiers führt, die bisherige Struktur wesentlich verändert und andere Kräfte ruft, die i n einer pluralistischen Gesellschaft und i n einem so komplexen Gebilde, wie sie eine größere Stadt darstellt, kaum überblickt werden können. Denken w i r nur an alle jene Menschen, die i n alten Häusern eine billige Unterkunft hatten, und die nicht i n der Lage sind, einen hohen Mietzins zu bezahlen, denken w i r an deren soziale Bindungen an die bisherigen Bewohner des Quartiers, denken w i r aber auch an die zahlreichen Kleingewerbe, die es sich nicht leisten können, sich i n neuen Blöcken einzumieten. Soviel m i r bekannt ist, stechen die alten Quartiere, die u m die Jahrhundertwende entstanden sind und gewöhnlich als sanierungswürdig betrachtet werden, gewöhnlich durch ihren Quartiergeist und echte Nachbarschaftsbeziehungen hervor, während sich diese menschlichen Beziehungen i n neuen Quartieren kaum oder nur sehr schwer formen. Es gab m i r sehr zu denken, als ich i m Buche von Jane Jacobs über Tod und Leben großer amerikanischer Städte las, daß die Verbrechensquote i n neuen Quartieren, die anstelle von Slums erstellt wurden, regelmäßig anstieg. Ich kenne zwar für schweizerische Städte keine entsprechende Statistik, könnte m i r aber vorstellen, daß gerade die Sittlichkeitsverbrechen, die auch i n der Schweiz ständig zunehmen, vor allem i n zukünft i g locker, früher aber eng überbauten Gebieten eine steigende Tendenz zeigen könnten. Ich halte aus diesen Gründen dafür, daß es sich empfiehlt, nur sehr sorgfältig, nach gründlicher Abklärung und Abwägung aller Komponenten an die Aufgabe der Stadterneuerung heranzugehen. Ich w i l l versuchen, nach dieser deutlichen Reserve i m allgemeinen meine Auffassung zu einzelnen Formen der Stadterneuerung zu verdeutlichen: a) Die Sanierung von an sich erhaltungswürdigen Altstädten: Je erhaltungswürdiger eine Altstadt ist, u m so mehr soll sich die Sanierung auf das Gebäudeinnere beschränken; Altstadtsanierung kraft obrigkeitlicher Anordnung soll daher die Ausnahme bilden. Natürlich darf aus einer Altstadt kein Museum gemacht werden; verlöre sie ihre Vitalität, dann würde auch das Interesse an ihrer Erhaltung zurückgehen. Die besonders wertvollen Bauten i n einer Altstadt sind aber unbedingt äußerlich integral zu erhalten. Die anderen Bauten haben sich i n Form und Gestalt an das bestehende Aussehen der Altstadt zu halten. Vor allem i n Kreisen der Architektur, der Denkmalspflege und des Heimatschutzes w i r d immer wieder die Frage diskutiert, ob sich denn hinter einer traditionalistischen Fassade eine neuzeitliche
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der S c h w e i z 1 0 9 Raumeinteilung i m Innern verantworten lasse, ob denn nicht das Äußere dem Innern zu entsprechen habe. Ich sehe einstweilen keinen überzeugenden Grund, der dagegen spricht. Vielmehr ringt die moderne Architektur noch so sehr u m ihre Form, daß sie i n schützenswerten A l t städten wenigstens i n der Außenansicht der Häuser ruhig dem Überkommenen ihren Tribut zahlen darf. Es gibt für die modernen Architekten genug Gelegenheit, bei Bauten außerhalb von Altstädten eine Harmonie zwischen Innen und Außen herzustellen. b) I n einzelnen Quartieren oder Straßenzügen der gewöhnlich um die Jahrhundertwende entstandenen Stadtteile werden zahlreiche Häuser abgebrochen, die oft, wie schon erwähnt, unzweckmäßig neu erstellt werden müssen, w e i l sie das angrenzende Grundeigentum nicht i n die Erneuerung einbeziehen können. Ich halte dafür, daß gerade i n diesen Gebieten eine Durchmischung nach dem Alter erwünscht ist. Soweit sich ein langsam vollziehender Erneuerungsprozeß nicht als nachteilig erweist, soll er daher der privaten Initiative überlassen werden. I n einigen Fällen mag es denkbar erscheinen, sogar einen Quartierplan nach einer klaren Konzeption aufzustellen, der nach und nach verwirklicht wird. Eine Stadtsanierung m i t öffentlichen Mitteln erscheint m i r bei diesen Gebieten der Jahrhundertwende gerechtfertigt, wenn (a) Eigentümer, 'die i h r Haus abbrechen und neu bauen wollen, i m Hinblick auf f die Grundstücksverhältnisse daran gehindert werden, und sich die Nachbarn die Beseitigung dieser Behinderung teuer erkaufen lassen; (b) der Erneuerungsprozeß an einer bestimmten Stelle ein rasches Ausmaß annimmt, jedoch zu unbefriedigenden Lösungen führt. I n beiden Fällen müßte das Gebiet, für das die Stadterneuerung anzuwenden wäre, genau begrenzt und zwar räumlich nicht allzu klein, aber auch nicht zu groß bemessen werden. c) Ich setze voraus, daß die Verkehrsplanung i n den Rahmen der Raumplanung eingegliedert wird. Sie hat i n diesem Falle auf die gewordene Struktur nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen. Wenn aber Eingriffe i n überbaute Gebiete unumgänglich nötig sind, w i r d sich i n der Regel für die betroffenen Gebiete eine Stadtsanierung aufdrängen. d) W i r haben schon erwähnt, daß es sich i n manchen größeren Städten wahrscheinlich als unausweichlich erweist, die Arbeitsplätze möglichst i n ein Haupt- und vielleicht i n Nebenzentren zu konzentrieren. I n der Regel w i r d diese Umwandlung der privaten Initiative überlassen werden können, wobei allerdings ein Quartierplan für die Überbauung aufgestellt werden soll. Es wäre denkbar, daß i n einem
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eng umgrenzten Bereich dem Erfolg für die private Initiative unüberwindliche Hindernisse i m Wege stünden. I n diesem Fall müßte die Stadtsanierung herangezogen werden, u m das Ziel zu erreichen. Die zu weitgehende Dispersion der Arbeitsplätze einer Stadt könnte zu einer Reihe von Ergebnissen führen, der die öffentliche Hand zuvorkommen muß. Darf ich Sie bitten, diese Aufzählung nicht als abschließend zu betrachten? Bei einer ersten Durchsicht der Gründe für und wider die Stadterneuerung habe ich m i r eine Auffassung gebildet, die sich, wie schon erwähnt, noch wandeln kann. Alles hängt von den Fakten und einer subtilen Abwägung der Vor- und Nachteile ab. Sie werden sich fragen, warum ich weder die Stadterneuerung i n einem weiteren Sinn, nämlich die Neuerschließung von Wohngebieten und die Schaffung neuer Städte, noch die Schaffung von Grün- und Erholungsflächen genannt habe. Nach meiner Auffassung entstehen neue Wohngebiete und neue Städte regelmäßig auf nicht überbautem Boden. Dafür genügen Zonenund Quartierpläne und Baulandumlegungen, die i n einigen Kantonen der Schweiz ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Es muß dafür nur eine Gestaltung des Baulandumlegungsverfahrens gefordert werden, bei der die Exekutive der Gemeinden ermächtigt ist, von sich aus die Umlegung ungünstig gruppierter Baulandparzellen anzuordnen. Zudem müssen Kantone und vor allem Gemeinden freihändig möglichst viel Boden kaufen. Gelegentlich w i r d die Erhaltung oder Sanierung von Dorfzentren besondere Probleme stellen. Für ihre Lösung kann mutatis mutandis gelten, was w i r für die Stadtsanierung als zutreffend erachten. Hingegen halten w i r es sachlich als nicht gerechtfertigt, i m Interesse einer Schaffung von Grün- und Erholungsflächen eine Stadtsanierung anzuordnen. W i r können uns wohl vorstellen, daß i m Rahmen einer Stadtsanierung z.B. Alleen und Erholungsflächen geschaffen werden. Aber das wirkliche oder vermeintliche Bedürfnis nach Alleen oder zusätzlichen Erholungsflächen innerhalb einer größeren Stadt kann kaum jemals eine Stadtsanierung rechtfertigen. Solchen Bedürfnissen kann eine gute Stadtverwaltung anders Rechnung tragen. Es ist schwierig genug, die bestehenden Grünflächen zu erhalten. Wenden w i r uns der Frage zu, welche M i t t e l zur Stadtsanierung angewendet werden müssen. W i r haben schon erwähnt, daß es i n einzelnen Fällen genügen mag, einen Quartierplan aufzustellen, und dessen Verwirklichung der privaten Initiative zu überlassen. I n der Regel w i r d jedoch eine wirksame Stadtsanierung nur möglich sein, wenn eine Zonenexpropriation durchgeführt wird. Jene Grundeigentümer, die ihre Liegenschaft nicht freiwillig der Stadt abtreten, müssen also hiezu gezwungen werden. Natürlich gegen volle Entschädigung, d. h. gegen
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in der S c h w e i z 1 1 1 Entschädigung jenes Wertes, der bei handelsüblichen Preisen — also ohne Berücksichtigung der Spekulation — erzielt werden könnte. Meines Wissens stehen i n der Schweiz nur den Städten Basel und Luzern einwandfreie Rechtsgrundlagen für die Zonenenteignung zur Verfügung. Wenn ich mich nicht irre, ist aber i n Luzern noch keine Zonenexpropriation durchgeführt worden, obwohl die Rechtsgrundlagen schon vor Jahrzehnten geschaffen wurden. I n Basel wurde die letzte Zonenexpropriation 1937 durchgeführt,/ während die Androhung, dieses Rechtsmittel einzusetzen, mehrmals, und zwar auch nach dem zweiten Weltkrieg, Private zu mehr oder weniger freiwilligen Lösungen führte. Die Zonenexpropriation stellt offensichtlich ein finanziell aufwendiges und politisch wenig beliebtes M i t t e l dar, so daß es auch i n Zukunft kaum allzuoft angewendet wird, selbst wenn weitere kantonale Rechte und gestützt darauf kommunale Bauordnungen Grundlagen für die Zonenexpropriation schaffen, was, wie w i r dargelegt haben, unbedingt nötig ist. Die Einführung einer solchen Rechtsordnung hängt davon ab, daß der Kanton die entsprechende Rechtsgrundlage schafft. Der Kanton kann daher auch die Voraussetzungen und die Modalitäten der Zonenexpropriation festlegen. Selbst wenn sich der kantonale Gesetzgeber darauf beschränken sollte, die großen Linien festzulegen, w i r d er wahrscheinlich die Zonenexpropriation nur auf Grund eines Quartierplanes gestatten. Der Quartierplan bedarf der Genehmigung der kantonalen Exekutive. I m einen Kanton steht der Exekutive nur die Überprüfung der Rechtmäßigkeit, i m anderen Kanton auch der Zweckmäßigkeit zu. Der Bundesgesetzgeber hat sich m i t der Zonenexpropriation nicht zu befassen. Hingegen kann jeder betroffene Grundeigentümer einen Quartierplan und die Expropriationsverfügung bis an das Bundesgericht weiterziehen. Die Gesetzmäßigkeit des Erlasses und die Bereitschaft, dem Enteigneten die Verkehrswerte zu entschädigen, setzen w i r voraus. Praktisch kann es sich bei einer staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht i n solchen Fällen nur darum handeln, das öffentliche Interesse an der Zonenexpropiation zu bestreiten. Nachdem die Umschreibung des öffentlichen Interesses einer ständigen Evolution unterliegt, läßt sich eine kommende Rechtsprechung des Bundesgerichtes kaum voraussagen. Der erwähnte Entscheid über ein Bauverbot i n der Stadt Sitten kann aber vielleicht einen Hinweis darauf bieten, daß das Bundesgericht i n jedem Fall eine genaue Konkretisierung des öffentlichen Interesses verlangt. Was w i r bei unserer Betrachtung unabhängig vom geltenden Recht gefordert haben, würde dann rechtlich erheblich. Ich würde eine solche Rechtsprechung, die nicht einseitig vielleicht gelegentlich auch einen übersteigerten Planungseifer als öffentliches Interesse anerkennt, sehr begrüßen. Wer m i t voller Überzeugung für die Raumplanung eintritt, wer für die Stadterneuerung und Zonenenteignung einsteht, sollte
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auch die Grenzen erkennen. Leicht könnten sich sonst die Grenzen zwischen Gut und Böse zuungunsten persönlicher Freiheit i n diesem Sektor verwischen, wo die Freiheit des einzelnen keine wesentlichen Interessen der Allgemeinheit beeinträchtigt. Und das w i l l sicher eine überwiegende Mehrheit in der Schweiz nicht. Wenn eine Stadt eine Zonenexpropriation durchführt, braucht sie wahrscheinlich einen Teil des erworbenen Geländes für Straßen und Plätze, Kinderspielplätze und andere Erholungsflächen sowie für die Durchgrünung des Gevierts. Vielleicht braucht sie zudem Boden für ein Schulhaus, einen Kirchhof, einen Verwaltungsbau. Den größeren Teil des Landes w i r d sie i n der Regel nicht einmal selber überbauen müssen. Es genügt, wenn die Stadt eingehende Bauvorschriften aufstellt. Es müßte daher genau abgeklärt werden, ob Vorschriften der Zonenenteignung nicht den, gestützt auf die Rechtsgleichheit, garantierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen, wenn nicht der von der Öffentlichkeit nicht benötigte Boden an private Grundeigentümer weiterveräußert würde. I n der Schweiz steht die Einführung des bisher nicht zulässigen Stockwerkeigentums bevor. Das Stockwerkeigentum könnte ein gutes Instrument abgeben, u m den enteigneten Grundeigentümern ein Vorrecht zuzuerkennen, je nach der Größe der enteigneten Bodenfläche einen Anteil am Boden und das Eigentum an einem oder mehreren Stockwerken zuzubilligen. Für die Stadt Luzern liegt ein Entw u r f vom 12. März 1963 zu einem neuen Baugesetz vor. Es w i r d darin ausdrücklich erklärt, daß der Regierungsrat, also die kantonale Exekutive, der Stadt das Enteignungsrecht u. a. für den Erwerb ganzer Baublöcke zur Erzielung einer rationellen Einteilung von Straßen und Bauplätzen oder zur Sanierung von Quartieren erteilen kann. Für die Verbesserung der Wohnverhältnisse dürfen aber nur unbebaute Grundstücke enteignet werden. I m übrigen w i r d die Zonenenteignung gleich behandelt wie andere Fälle der Enteignung. Ich frage mich, ob diese Lösung zweckmäßig ist. Ich halte die Regelung i m Straßenbaugesetz des Kantons Basel-Stadt aus dem Jahre 1937 als gerechter und zweckmäßiger, auch wenn die Zahlen, die ich eben nenne, zu gering sein mögen. Wer i n Basel eine Parzelle eingeworfen hat, die nach der verhältnismäßigen Verteilung der Grundstücke einen Flächeninhalt von wenigstens 140 m 2 oder eine Fassadenlänge von wenigstens 6 m erhält, hat Anspruch, einen neuen Bauplatz zu Eigentum zu erhalten. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß es je länger je weniger möglich ist, die Stadtplanung auf die Stadt selber zu beschränken. Die Interdependenzen sind auch bei den schweizerischen Städten so stark geworden, daß für manche Aufgaben eine überörtliche Regelung getroffen werden muß. Es haben sich i n der Schweiz zahlreiche Gemeinden zu Regionälplanungsorganisationen zusammengeschlossen. Ich kenne aber
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kein Statut, das einer Regionalplanungsorganisation hoheitliche Kompetenzen einräumen würde. I m Kanton Zürich ist zwar der Regierungsrat befugt, als Richtlinie für die Ortsplanung über das Gebiet mehrerer Gemeinden unter Fühlungnahme mit deren Behörden einen Gesamtplan aufzustellen. Zur Zeit w i r d diese Arbeit ausgeführt. I m Hinblick auf die Verkehrslinien, die von der Überbauung frei zu haltenden Gebiete und die Förderung des Wohnungsbaues i n benachbarten Gemeinden, in denen die Stadt Land gekauft hat, w i r d der Gesamtplan auch für die Stadt Zürich von größter Bedeutung sein. Sicher aber w i r d der Gesamtplan keine Einzelheiten wie die Quartierplanung und Zonenexpropriation enthalten. Die Gesetzgebung über die Zonenenteignung, die i m Kanton Zürich und anderen Kantonen früher oder später eingeführt werden muß, w i r d zu entscheiden haben, ob und unter welchen Voraussetzungen Erlasse der Gemeinden zur Zonenenteignung der Genehmigung durch die kantonale Exekutive bedürfen. Sie haben festgestellt, daß sich i n unserem Land die Bestrebungen für die Stadterneuerung noch nicht allzusehr konkretisiert haben. Weil höchstens Grundzüge einer kommenden Gesetzgebung erkannt werden können, bleibt m i r nichts anderes übrig, als manche Fragen unbeantwortet zu lassen. Ich w i l l aber doch noch versuchen, zu denjenigen Fragen, die sich beantworten lassen, auch wenn sie über die Stadterneuerung i m engeren Sinne hinausgehen, Stellung zu nehmen: 1. Für den Verkehr m i t Bauland besteht i n der Schweiz keine Genehmigungspflicht. Es ist nicht damit zu rechnen, daß eine solche eingeführt wird. Möglicherweise w i r d für die Wiederveräußerung von Bauland vor Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb eine Genehmigungspflicht i n die Bundesgesetzgebung aufgenommen. Es ist umstritten, ob eine solche Gesetzesbestimmung verfassungsmäßig wäre. Hingegen liegt ein Gesetzesentwurf vor, der für die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke die Genehmigungspflicht einführen w i l l . Die Verfassungsmäßigkeit hiefür w i r d meines Wissens nicht bestritten. 2. Miet- und Pachtverträge für nicht landwirtschaftliche Liegenschaften bedürfen keiner Genehmigung. Bei Pachtverträgen für landwirtschaftliche Liegenschaften muß hingegen der Pachtzins genehmigt werden. Es ist kaum zu erwarten, daß i n absehbarer Zeit eine andere Regelung getroffen wird. 3. Der öffentlichen Hand steht kein Vorkaufsrecht zu. Eine Initiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz w i l l aber der öffentlichen Hand! ein umfassendes Vorkaufsrecht einräumen 28 . Die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung t r i t t für ein beschränk88 Vgl. dazu den ablehnenden Bericht der Spezialkommission der Vereinigimg Rechtsstaat und Individualrechte vom 21. Oktober 1963.
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tes Vorkaufsrecht ein, und zwar beschränkt auf Grundstücke, die nach einem geltenden Zonenplan für Zwecke der Allgemeinheit ausgeschieden werden. 4. Die Neuzuteilung von Boden durch eine Baulandumlegung ist i n den meisten kantonalen Gesetzgebungen nur für i m wesentlichen unÜberbauten Boden vorgesehen. Einzelne Kantone kennen nicht einmal das Institut der Baulandumlegung. Jene, i n deren Recht es aufgenommen wurde, unterscheiden sich i m Inhalt der Regelung stark. I m allgemeinen empfehlen w i r den Kantonen eine Regelung, die es dem Gemeinderat gestattet, von sich aus eine Baulandumlegung zu verfügen und anzuordnen; wenn aber die Hälfte der Grundeigentümer, denen wenigstens die Hälfte des Bodens gehört, eine Baulandumlegung verlangt, soll der Gemeinderat hiezu verpflichtet sein. 5. Bodenzusammenlegungen, die zur Bildung von Eigentümergemeinschaften m i t Beteiligung der öffentlichen Hand geführt hätten, sind m i r nicht bekannt. Hingegen greift die Sitte — oder Unsitte? — immer mehr u m sich, bei einer einheitlichen Uberbauung größerer Grundstückskomplexe einen Bonus i n der Ausnützung zuzugestehen. Diese Regelung fördert unbestreitbar großzügigere Überbauungen, trägt aber auch dazu bei, daß immer mehr Boden von anonymen Gesellschaften erworben und überbaut wird. 6. Die Kantone sind zuständig, die Voraussetzungen für Enteignungen und die Bestimmung der Entschädigung selbständig zu regeln. Sie dürfen aber nicht weniger strenge Voraussetzungen einführen, als von der schon erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellt wurden. Die Entschädigung hat sich regelmäßig nach dem Verkehrswert zu richten. Dessen Bestimmung ist i n einer Zeit, i n der sich die Grundstückpreise immer mehr eines objektiven Kriteriums entziehen und stark von der Anlagepsychose diktiert werden, sehr schwierig geworden. Verschieden gelöst ist auch der für die Entschädigung maßgebende Zeitpunkt. 7. Eine Baupflicht besteht nicht, auch wenn Bauland aufs beste erschlossen ist und an der besten Verkehrslage liegt. Die Notwendigkeit, eine Baupflicht festzulegen, besteht beim Uberhandnehmen des Renditedenkens kaum. Hingegen müßte durch die steuerliche Bewertung der Grundstücke und durch andere Maßnahmen da und dort ein Druck ausgeübt werden, damit baureifes Land möglichst rasch überbaut wird. 8. Eine überwiegende Mehrheit ist sich i m klaren, daß weder für den Boden noch für die Baupreise ein Preisstopp angeordnet werden kann. 9. Die meisten Kantone erheben auf den Verkaufsgewinn von Liegenschaften Grundstückgewinnsteuern, deren Höhe von Kanton zu Kanton stark schwankt. Immer wieder w i r d darüber diskutiert, ob die Grund-
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stückgewinnsteuer auf den Käufer überwälzt w i r d und damit den Bodenpreis erhöht. Eine allgemeine Meinung hat sich darüber noch nicht gebildet. Persönlich halte ich dafür, daß die Steuer i n der Regel nicht überwälzt werden kann. 10. Der Planungswertausgleich harrt bei uns der Regelung. 11. Sie haben i n Deutschland vor wenigen Jahren die Baulandsteuer eingeführt. Diese soll aber, wenn ich recht orientiert bin, wieder aufgehoben werden, wenn dies nicht schon erfolgt ist. I n der großen Diskussion u m eine Neugestaltung des Bodenrechtes w i r d gelegentlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Baulandsteuer für baureife, aber noch nicht überbaute Grundstücke vorzusehen. N u n darf nicht vergessen werden, daß i n den meisten Kantonen das Bauland rechtlich oder faktisch steuerlich begünstigt w i r d ; zudem werden die Erschließungsbeiträge gewöhnlich nicht bei der Ausführung der Erschließung, sondern erst i m Zeitpunkt der Uberbauung fällig. Die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung hält dafür, daß vorerst diese sachlich unrechtfertigte Privilegierung baureifer, nicht überbauter Grundstücke aufgehoben werden muß. Die Erfahrung w i r d dann zeigen, ob gleichwohl noch eine Baulandsteuer postuliert werden muß. 12. Ich erwähnte eben, daß die Diskussion um ein neues Bodenrecht i n unserem Lande seit etwa zwei Jahren nicht mehr verstummt. Leider werden die Klingen m i t unnötiger Härte geführt. Aber von Staats wegen wurde bis heute wenig getan, u m dem Bodenproblem beizukommen. Insbesondere gibt es nicht einmal eine Statistik über die Bodenpreise. Bloß die Preise, die 1953—1955 beim Handwechsel landwirtschaftlicher Grundstücke bezahlt wurden, hat der Bund statistisch erfaßt. Zudem erstattete vor wenigen Jahren eine Expertenkommission einen Bericht, dessen Vorschläge praktisch toter Buchstabe blieben. Eine andere Expertenkommission für ein neues bäuerliches Bodenrecht hat hingegen einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der zur Zeit den Kantonen und Wirtschaftsverbänden zur Stellungnahme unterbreitet wird. Schließlich hat der Bund erneut eine Kommission eingesetzt, die nochmals das Thema der Bodenspekulation behandeln soll. Nötig wäre aber nicht nur eine Kommission, sondern eine ständige Arbeitsstelle. M i r w i r d immer bange, wenn ohne genügende Kenntnisse der Unterlagen theoretische Lösungsvorschläge aufgestellt werden. I n unserem Lande steckt die Raumplanung auf allen Stufen i n den A n fängen. Immer deutlicher w i r d aber, daß die Zeit für die Raumplanung arbeitet. Nicht wenig gefruchtet hat zudem die Aufklärung durch die Planer seit zwei Jahrzehnten. Ich bin überzeugt, daß die Raumplanung in der Schweiz ihren Rückstand rasch aufholen wird, sofern sich we*
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nigstens der evidente Mangel an Planungsfachleuten mehr oder weniger beheben läßt. Dementsprechend w i r d auch der Gesetzesvollzug, der i n manchen Kantonen zu wünschen übrigläßt, konsequenter werden und endlich die Notwendigkeit einer umfassenden Koordination ererkannt werden. Z u Beginn meines Vortrages gestand ich Ihnen, zu wissen, daß ich nichts weiß. Ich hoffe, daß ich i n wenigen Jahren ohne Überheblichkeit sagen dürfte, i m Hinblick auf die großen Fortschritte, die i n der Zwischenzeit erzielt worden seien, auch über die Städteerneuerung einiges mehr zu wissen.
Aussprache Wiss. Assistent Baumert Herr Dr. Stüdeli, ich möchte anknüpfen an das, was Sie von der Konzentration i n einem Zentrum gesagt haben. Wenn Sie dabei eine entsprechende Ausnutzung und die Möglichkeit des öffentlichen Verkehrs, also eine entsprechende Ausnutzung der öffentlichen Verkehrsmittel m i t einem entsprechend niedrigen Kostenniveau i m Auge haben, so folgt daraus meiner Meinung nach zwingend, daß man das nur durchführen kann, wenn man einer entsprechenden Konzentration i n einem Zentrum eine entsprechende Konzentration der Wohnungen i n einem Punkt gegenüberstellt, d.h. also, man müßte dann die Wohnungen genauso kasernieren wie das Zentrum. Außerdem bereitet m i r eine solche Feststellung großes Unbehagen, weil ich glaube, man kann nicht pauschal von einem Zentrum für eine Stadt sprechen, ohne dabei Größenordnungen i m gleichen Atemzug zu nennen. Denn wenn man das, was Sie unter den zentralen Einrichtungen vielleicht i m Auge haben, bei einer 100 OOO-EinwohnerStadt vielleicht i n einem Punkt — d a s wäre also etwa eine kreisförmige oder auch eine quadratische Fläche — zusammenfassen könnte, so kann man das sicherlich bei einer Stadt von 4 M i l l . Einwohnern nicht mehr. Es gehören dann ganz andere Voraussetzungen dazu. Oder aber, wenn man dieses Prinzip, gleichgültig, wie groß die Größenordnung ist, anwenden könnte, dann könnte man ja dahin gelangen, daß man sagt, w i r erklären die Schweiz zum Arbeitsgebiet und Italien zum Wohngebiet. Das geht sicherlich nicht. Senatspräsident
Meyer
Ich darf einmal auf die zweite Hälfte des Themas zu sprechen kommen, Städteerneuerung und Eigentumsordnung. Ich glaube, daß da ein Bogen gezogen werden könnte, von dem aus deutscher Sicht heute morgen gehaltenen einleitenden Referat zu den beiden Referaten aus den Nachbarländern heute nachmittag. Heute morgen hatte ich den Eindruck, daß unter den akuten Problemen i n Deutschland gerade i m Referat die Rücksichtnahme auf die Eigentumsordnung u n d die Ausw i r k u n g eigentumsrechtlicher oder enteignungsrechtlicher A r t etwas zu kurz kamen bei den Ausführungen. Andererseits glaube ich, daß heute
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Aussprache
nachmittag gerade die Fragen, inwieweit die Rechtsordnung Zugriffe auf das Eigentum m i t oder ohne Entschädigung gestattet, sehr stark zum Tragen kamen. Aus der Gegenüberstellung dieser drei Referate können vielleicht alle Beteiligten etwas gewinnen. W i r i n Deutschland stehen vielleicht unter der Gefahr, weil bei uns die Fragen i n besonders drängender Weise akut sind, die Dinge der Eigentumsordnung etwas vereinfacht zu sehen. Ich war heute morgen etwas überrascht, daß man also beispielsweise von Bausperren, sogar entschädigungsloser Bausperre sprach, die über die von unserer Rechtsprechung, bundesgerichtlichen Rechtsprechung, doch sehr erheblich hinauszugreifen schien, und zwar eben gerade von entschädigungsloser Veränderungssperre. Ich glaube, w i r können da für unsere deutsche Sicht aus den Ausführungen der beiden Referate heute nachmittag lernen, da doch i n diesen Referaten sehr stark zum Ausdruck kam, daß die Bindung an die Garantie des Eigentums dort ein sehr erhebliches Maß einnimmt und auch i n der Rechtsetzung und Rechtsprechung entsprechend zum Ausdruck kommt. Andererseits mag wiederum aus der deutschen Situation heraus der Gedanke entstanden sein, den Sie heute nachmittag gerade für die Schweizer Verhältnisse herauskehrten, daß hier eine Übersteigerung des Entschädigungsprinzips, wie es offenbar nach Ihrer Rechtsordnimg noch vorhanden ist, u . U . zu einer immensen Hemmung des Fortschrittes auf dem Gebiete der Stadterneuerung führen kann. Ich meine also, man sollte vielleicht aus einer solchen internationalen Fühlungnahme bei uns gelegentlich den Planungseifer sehr stark kombinieren m i t der Behutsamkeit bei dem Vorgehen i n Entschädigungsfragen, während andererseits die Dinge, die w i r erarbeitet haben, dazu beitragen könnten, die Hemmnisse zu beseitigen, die etwa nach dem Schweizer B i l d der Stadterneuerung entgegenstehen. Zu dem, was Herr Oberbürgermeister Bockelmann heute morgen noch sagte, daß die Stadterneuerung oder überhaupt städtebauliche Maßnahmen manchmal sehr stark gebremst werden durch irgendwelche Verfahren m i t ihrer langen Dauer, würde ich meinen, wenn es solche Fälle sind, die heute beispielhaft von Ihnen angeführt wurden, etwa Fälle, daß ein Grundstückszwickel, der dazwischen liegt, eine ganze Maßnahme hemmt, daß doch auch unsere Rechtsordnung Mittel bereitstellt, durch Vollziehbarkeitserklärung von Besitzeinweisung und dergleichen darüber hinwegzukommen. Das nur aus meiner Sicht, der ich ja nicht i n der vorderen Front stehe, sondern lediglich i n zweiter Linie, nämlich als Vorsitzender des Senats eines Oberverwaltungsgerichts, der für Bau- und Städtebaufragen zuständig ist, m i t diesen Problemen konfrontiert werde.
Aussprache Fürsprecher Dr. Stüdeli Herrn Baumert möchte ich antworten* daß man von der konkreten Situation ausgehen muß. I n der Schweiz braucht man zum Glück nicht m i t Städten zu rechnen, die eine oder gar mehrere Millionen Einwohner zählen. I m übrigen verfügen viele Ortschaften über gute A n schlüsse an ein ausgezeichnetes Eisenbahnnetz, so daß dezentralisierte Wohnsiedlungen durchaus möglich sind. Aber auch i n der Schweiz stellt sich für größere Städte heute oder morgen das Problem, neue öffentliche Verkehrsmittel hinzuzufügen. Neue Bahnanlagen i n der Nähe von Zentren werden tatsächlich vor allem die Anlage größerer Siedlungen i n der Nähe der Bahnhöfe fördern. Die für die Besiedlung konzentrische Wirkung neuer Bahnanlagen i n und u m Zentren w i r d nur durch ein zusätzliches oberirdisches Busnetz gemildert werden. M i t dem Anliegen von Herrn Senatspräsident Meyer, einen Mittelweg einzuschlagen, b i n ich sehr einverstanden. Es fällt aber nicht leicht, den Mittelweg zu bestimmen. Ich b i n m i r bewußt, daß ein schöner Teil von dem, was ich Ihnen vorschlug, bei Ihnen als reaktionär, i n der Schweiz aber für viele bereits als progressiv gilt. Gelegentlich habe ich den Eindruck, daß i n meinem Heimatland die individualistische Einstellung zum Grundeigentum da und dort so weit geht, daß schützenswerte Interessen der Gemeinschaft zu kurz kommen; andererseits muß gerade der Fachmann sich i n acht nehmen, das private Grundeigent u m i n seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Auch für die Raumplanung gilt sicher die Losung, die meines Wissens von Ihrem neuen Bundeskanzler stammt: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Planung wie nötig". Ich versuchte, i n meinem Referat von dieser Warte aus zum Problem der Städteerneuerung i m Hinblick auf die Eigentumsgarantie Stellung zu nehmen. Professor
Dr. Ule
Bevor w i r i n die heutige Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß es bei uns einen zweifachen Rechtsschutz gegen Enteignungen gibt: Über die Frage der Zulässigkeit einer Enteignung können die Verwaltungsgerichte auf Anfechtungsklage h i n entscheiden. Wegen der Entschädigungsfrage kann der ordentliche Rechtsweg beschritten werden. So haben w i r einen zweifachen Rechtsschutz i n doppelter Hinsicht, weil ja jedesmal auch noch das Bundesverfassungsgericht i n diesen Rechtsschutz einbezogen werden kann, sei es auf dem Wege der Normenkontrolle, indem das Gericht selbst ein Verfahren aussetzt, sei es auf dem Wege einer Verfassungsbeschwerde, die dann gegen das Urteil etwa sogar noch des Gerichts letzter Instanz, des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverwaltungs-
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Aussprache
gerichts, denkbar ist. Es kommt deshalb, glaube ich, sehr darauf an, zu erfahren, wie i n den Rechtsordnungen der anderen Staaten dieser Schutz des Eigentums ausgestaltet ist, und ich b i n sehr dankbar dafür, daß i n den beiden gestrigen Referaten diese Frage sehr ausführlich angesprochen worden ist. Nun hatte m i r kurz vor der Tagung der Herr Vorsitzende des 3. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes, Herr Senatspräsident Pagendarm, der gestern m i t Herrn Bundesrichter Kreft hier anwesend war, einen Brief geschrieben, i n dem er mich auf eine besondere Frage dieses Eigentumsschutzes, nämlich den Umfang der Entschädigung, hingewiesen hat. Ich habe diesen Brief* allen Herren zugeleitet, die hier referieren, und es hat gestern abend auf Wunsch von Herrn Senatspräsidenten Pagendarm zwischen ihm, Herrn Bundesrichter Kreft und Herrn Hofrat Krzizek eine sehr eingehende Erörterung dieser Probleme stattgefunden i n bezug auf das österreichische Recht. Ich glaube, w i r sollten trotz der Zeitnot, i n der w i r uns befinden, alle von dem Ergebnis dieser Erörterung profitieren. Ich habe deshalb Herrn Hofrat Krzizek gebeten, i n gedrängter Kürze, i n 5 bis 10 Minuten, zu dieser Frage einen kurzen Bericht zu geben.
* Bereits zuvor hatte die Veranstalterin den Referenten die Gesichtspunkte genannt, die ihr besonders wichtig erschienen. Diese Gesichtspunkte sind im Anhang I abgedruckt.
Eigentumsschutz und Enteignungsentschädigung in Österreich Von Friedrich Krzizek Der Schutz des Eigentums ist auch i n Österreich genauso gewährleistet wie i n Deutschland. Jeder Bescheid einer Verwaltungsbehörde, der einen A k t der Enteignung zum Inhalt hat, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft, wie ich bereits gestern gesagt habe, zunächst lediglich, ob der Verwaltungsakt m i t den Verwaltungsvorschriften i n Ubereinstimmung steht. Ist dies nicht der Fall, so kassiert er den Verwaltungsakt. Z u einer solchen Entscheidung muß er auch dann kommen, wenn wichtige Verfahrensgrundsätze verletzt sind. Hat der Verwaltungsgerichtshof Bedenken, daß die Norm, die er i n vorliegendem Fall anzuwenden hat, etwa deswegen verfassungsw i d r i g ist, weil das den Eigentumseingriff beinhaltende Gesetz verfassungswidrig ist, w e i l es von einer unzuständigen Autorität erlassen worden ist, dann unterbricht er sein Verfahren und läßt diese Norm beimVerfassungsgerichtshof auf ihre Übereinstimmung m i t der Verfassung überprüfen. Hier ist also die gleiche Rechtslage gegeben, soweit ich das beurteilen kann, wie i n Deutschland. Nun zur Enteignung selbst. Es w i r d bei jeder Enteignung unterschieden zwischen dem Ausspruch über die Enteignung, also Eigentumsentziehung und -beschränkung, und der Festsetzung der Höhe der Entschädigung. Wohl ist, das habe ich auch gesagt, dem österreichischen Enteignungsbegriff die Entschädigung nicht immanent. Dennoch sehen alle Gesetze, die einen solchen Eingriff i n das Eigentum festlegen, eine Entschädigung vor, soweit der Eingriff ein bestimmtes Ausmaß erreicht, und die Voraussetzung ist jedenfalls dann gegeben, wenn Eigentum an Grund und Boden entzogen wird. Das sind ja die wichtigsten Probleme, die m i t der Städteerneuerung i n Zusammenhang stehen, so daß ich also für den Bereich der österreichischen Rechtsordnung sagen kann, dort, wo Eigentum an Grund und Boden weggenommen werden muß, u m die Städteerneuerung durchzuführen, sehen die Gesetze auch eine Entschädigung vor. Der Ausspruch über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung — diese Worte finden sich i n allen Enteig-
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Friedrich Krzizek
nungsgesetzen — ist immer ein Verwaltungsakt. Das kann nicht anders sein, weil ja die Enteignung dadurch charakterisiert ist, daß durch einen Ausspruch der Verwaltungsbehörde das Privateigentum entzogen oder beschränkt wird. Dieser Ausspruch der Verwaltungsbehörde kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges wieder vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, diesen Ausspruch unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, nämlich dann, wenn der Beschwerdeführer behauptet, durch diesen Bescheid i n einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein, und dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ist eben das Eigentum, das nur i n den i n der Verfassimg bestimmten Fällen beschränkt oder entzogen werden kann. Es hat sich auch gezeigt i n der Praxis, daß die betroffenen Liegenschaftseigentümer i n der Regel beide Wege beschreiten, die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof. I n einem solchen Fall setzt der Verwaltungsgerichtshof zwar nicht formell aber tatsächlich sein Verfahren aus und wartet zunächst die Uberprüfimg der angewendeten Norm durch den Verfassungsgerichtshof ab. Damit ist also gewährleistet, daß eine Entziehung des Eigentums nur dann Rechtens ist, wenn der Norm kein Verfassungsmakel anhaftet und wenn die Norm i m konkreten Fall richtig angewandt wurde. Bei der Höhe der Entschädigung wieder ist das anders. Das älteste Enteignungsgesetz Österreichs, das Eisenbahnenteignungsgesetz aus dem Jahre 1887, hat zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung immer nur die Gerichte berufen. Das hängt m i t einer verfassungsrechtlichen Konstruktion zusammen, nach der — und zwar w a r es die Verfassung von Österreich/Ungarn aus dem Jahre 1867 — der Staatsbürger, der durch einen Eingriff einer Verwaltungsbehörde sich i n seinem Eigentum verletzt erachtet, die Gerichte, also die ordentlichen Gerichte, zur Entscheidung anrufen konnte. Daher diese Zweiteilung; Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung bestimmt die Verwaltungsbehörde, die Höhe der Entschädigung das Gericht. Diese Konstruktion besteht auch heute noch, z.B. beim Eisenbahnenteignungsrecht. Aber sie wurde allmählich verlassen. Man war i n Österreich der Meinung, daß die m i t der Materie durch den Enteignungsprozeß vertraute Verwaltungsbehörde auch zweckmäßiger den Schaden zu beurteilen vermag, den der Enteignete durch den Eingriff i n sein Eigentum erleidet. Die Mittellösung war also die: Die Verwaltungsbehörde setzt vorläufig die Höhe der Entschädigung fest. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht etwa durch ein Rechtsmittel, durch Anrufung der höheren Instanz, außer Kraft zu setzen, sondern durch die Anrufung der Gerichte eine automatische Außerkraftsetzung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über
Eigentumsschutz und Enteignungsentschädigung in Österreich
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die Höhe der Entschädigung herbeizuführen. Diese Möglichkeit besteht bei einzelnen Landesenteignungsgesetzen, z.B. bei den Straßenverwaltungsgesetzen. Hier hat sich nun gezeigt, daß von der Möglichkeit der Anrufung der Gerichte i n derartigen Fällen verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht wird. Da die Verwaltungsbehörden kraft positiver Normen gezwungen sind, die Höhe der Entschädigung auf Grund des Gutachtens von Sachverständigen festzusetzen, besonders qualifizierten Sachverständigen, die i n besonderen Listen aufgenommen sind, so sagt sich der Betroffene, daß ja auch das Gericht nichts anderes tun kann, als zwar nicht die gleichen, aber gleichartige Sachverständige zu befragen, und daher kaum ein anderer Entscheid zu erwarten ist. Die Gefahr, daß die Verwaltungsbehörde als weisungsgebundenes Vollzugsorgan die Entschädigung falsch festsetzt — bis zur letzten Instanz — besteht deswegen nicht, w e i l i n derartigen Fällen eben wieder die Entscheidung eines unabhängigen Gerichtes, nämlich des Verwaltungsgerichtshofs, angerufen wrden kann. Der letzte Schritt ist daher der gewesen, daß einzelne Gesetze — und hier darf ich vor allem das österreichische Wasserrechtsgesetz nennen — die Möglichkeit der Festsetzung der Höhe der Entschädigung durch die Gerichte überhaupt fallengelassen haben, und nur die Verwaltungsbehörde über Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung sowie über die Höhe der Entschädigung judiziert. I n derartigen Fällen erlangt natürlich Bedeutung, für welchen Zeitpunkt der Wert oder die Höhe des Schadens ermittelt wird. Hier muß man wieder diese drei Fälle unterscheiden: Wenn die Verwaltungsbehörde nur den Gegenstand, Umfang und Notwendigkeit der Enteignung festsetzt, dann ist für die gerichtliche Entscheidung der Zeitpunkt, auf den die Entschädigungsfrage abzustellen ist, gegeben, es ist der Zeitpunkt, i n dem die Entscheidung der Verwaltungsbehörde rechtskräftig geworden ist und i n Vollzug gesetzt ist, also der tatsächliche Eigentumsübergang. Eine Eigentümlichkeit des österreichischen Rechts — die Rechtskraft des Enteignungserkenntnisses — läßt das Eigentum ex lege übergehen, d. h. die grundbuchlichen Maßnahmen sind dann nur mehr deklarativ und nicht konstitutiv. Wenn die Höhe der Entschädigung zunächst von der Verwaltungsbehörde festgesetzt w i r d m i t der Möglichkeit der Anrufung der Gerichte, dann w i r d zunächst der Zeitpunkt nicht fixiert, denn i n derartigen Fällen t r i t t die Rechtswirkung des Eigentumsentzuges erst ein, wenn der von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Entschädigungsbetrag bezahlt wird. Diese Bezahlung, die behördlicherseits durch einen Verwaltungsakt, einen Bescheid, konstatiert wird, hat hier die Wirkung des
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Eigentumsüberganges, d.h. also, die Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist früher als der Eigentumsübergang. Hier können sich natürlich bei außergewöhnlichen stürmischen Aufwärtsentwicklungen der Grundpreise gewisse Preisdifferenzen ergeben, sie sind aber verhältnismäßig kurz, denn der Enteigner muß binnen einer von der Behörde festgesetzten, sehr kurzen Frist — zwei Wochen, vier Wochen, das ist je nach der Rechtsmaterie verschieden — die Entschädigung bezahlen, andererseits das Enteignungserkenntnis außer K r a f t tritt. Wenn dann i n einem solchen Fall auf Anrufung des Enteigneten die Gerichte über die Höhe der Entschädigung entscheiden, dann bleibt der Zeitpunkt, i n dem die von der Verwaltung festgesetzte Entschädigung bezahlt worden ist, als maßgeblicher Zeitpunkt des Eigentumsüberganges und daher als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes fixiert. Das ist ein anderer Zeitpunkt als i m Verwaltungsverfahren, w e i l ja hier der Sachverständige bereits i m Verwaltungsverfahren, also früher, sein Gutachten abgegeben hat. Kommt es nur zu einer Feststellung der Höhe der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörden, wenn also sowohl Notwendigkeit, Gegenstand und Umfang der Enteignung als auch die Höhe der Entschädigung ausschließlich von der Verwaltungsbehörde festgelegt werden, dann gilt die gleiche Konstruktion, wie früher angeführt. Die Rechtswirksamkeit der Enteignung hängt davon ab, daß der von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Entschädigungsbetrag bezahlt wird. I n einem solchen Falle kann jetzt natürlich i m Instanzenzug beides, die Notwendigkeit der Enteignung und die Höhe der Entschädigung, angefochten werden. Aber es ist zunächst jedenfalls ein bestimmter Betrag bezahlt, der von der Verwaltungsbehörde festgesetzt worden ist. Wertveränderungen, die sich nach diesem Zeitpunkt ergeben, können nach österreichischem Recht nur i n der Form der Säumniszinsen berücksichtigt werden. Kommt es allerdings zur Kassation des verwaltungsbehördlichen Ausspruches, etwa durch den Verwaltungsgerichtshof wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes, dann muß das Verfahren wiederholt werden, und es t r i t t ein neuer Ausspruch über Notwendigkeit, Gegenstand und Umfng der Enteignung und Höhe der Entschädigung ein.
Soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen des italienischen Wohnungswesens Von Manlio Budinis
Wenn man die objektiven Tatsachen, die die italienische Wohnungspolitik und -Wirtschaft, Städte- und Raumordnung beeinflußten, kennenlernen w i l l und wenn man begreifen w i l l , wie sie auf das W i r t schaftsleben und die Gesetzgebung i n den letzten Jahren gewirkt haben, so ist zu diesem Zweck die Kenntnis von zwei zusammenhängenden, geschichtlich, sozial und wirtschaftlich wichtigen Erscheinungen nötig: nämlich die Industrialisierung und die Binnenwanderung. Die Kenntnis dieser Erscheinungen bildet sogar die allererste Voraussetzung, denn die Industrialisierung war für die i n Italien verfolgte Wirtschaftspolitik, für die Bautätigkeit und für die staatliche Intervention bei letzterer ausschlaggebend. Die Geschichte der Industrialisierung i n Italien und der damit zum großen Teil verbundenen Bevölkerungsbewegungen kann naturgemäß in einem Vortrag kaum gestreift werden. U m einen wenn auch nur oberflächlichen Einblick zu erhalten, kommen w i r vielleicht schneller zum Ziel, wenn w i r diese Fragen zu dem Zeitpunkt untersuchen, zu welchem eine wirtschaftsgeschichtliche Forschung erst abschließend gelangen würde, daß heißt i n der Gegenwart; und nochmals müssen w i r hierbei, wenn auch auf eine nicht ganz akademisch traditionelle A r t , zuerst eine Folgeerscheinung der Industrieentwicklung vorwegnehmend kurz analysieren: die Lage der heutigen italienischen Außenhandelsbilanz. W i r möchten hier deren wesentlichste Merkmale kurz erwähnen. Wenn w i r die Lage der Außenhandelsbilanz i n den verschiedenen Staaten der Welt i m letzten Jahr — 1962 — prüfen 1 , stellen w i r fest, daß nur bei einer Minderheit die Außenhandelsbilanz einen Ausfuhrüberschuß aufweist, i n Europa nur die deutsche Bundesrepublik und die Tschechoslowakei. Frankreich, Belgien, Schweden, Finnland verzeichnen einen, wenn auch nur kleinen, Einfuhrüberschuß, der dann i n den Niederlanden, Großbritannien und Österreich größer wird. I n Italien belief sich der Wert der 1962 ausgeführten Waren auf 77,0 v H 1
Istat-Bollettino mensile di statistica, Juli 1963, n. 7.
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Manlio Budinis
des Wertes der eingeführten. Eine höhere Passivität konnten nur die Schweiz, Irland, Portugal, Norwegen und Griechenland aufweisen. Viele Wirtschaftsforscher neigen zur Annahme (die man allerdings auch i n Frage ziehen könnte), daß das Gleichgewicht über zweierlei Einnahmewege erreicht wird, und zwar durch den Fremdenverkehr und durch die Geldüberweisungen der italienischen Arbeiter i m Auslande. Die neuzeitliche Entwicklung dere Erwähnung.
des Fremdenverkehrs
verdient beson-
Uber die Entwicklung des Zustromes ausländischer Touristen nach Italien können folgende Zahlen Aufschluß geben 2 : I m Jahre 1949 kamen 2,4 Mill. ausländischer Touristen nach Italien; i n dieser Zahl sind die Ausflügler — ausländische Touristen, die sich i n Italien kürzer als 24 Stunden aufhalten — nicht inbegriffen. 1950 stieg die Zahl der Touristen auf 3,5 Mill. (ohne Berücksichtigung der Ausflügler); 1952 auf 4,1 Mill.; 1954 auf 5,5; 1956 auf 7,0; 1958 auf 8,0; 1960 auf 9,1 und endlich 1962 auf 10,3. I n den letzten 13 Jahren hat sich also die Touristenzahl mehr als vervierfacht; i n derselben Zeitspanne stieg die Zahl der Eintagsausflügler von 1,0 M i l l . auf 11,0. Es wäre hierbei interessant, w i l l man die Rolle des italienischen Fremdenverkehrs richtig bewerten, internationale Vergleiche anzustellen. Aber auch wenn man sich auf die Mitgliedsländer der „Organisation de Coopération et de Développement Economique" beschränkt, (19 europäische Länder), sind leider die Angaben miteinander nicht vergleichbar, da die Erhebungsgrundsätze i n den verschiedenen Ländern nicht gleichartig sind 2 . Trotz der Unmöglichkeit, genaue Vergleiche anstellen zu können, ist es ersichtlich, daß unter allen diesen Ländern Italien i n bezug auf den Fremdenverkehr bei weitem an erster Stelle steht; es folgen Spanien, Frankreich, die Schweiz, Deutschland. Woher kommen diese Fremden? I m letzten Erhebungsjahr (1962), waren 29 v H Deutsche, 17 v H Schweizer, 14 v H Franzosen, 7 v H Engländer, 6 v H Österreicher, 5 v H Niederländer. Ein so rascher Aufstieg des Fremdenverkehrs mußte von einem entsprechenden Aufstieg der Beherbergungsmöglichkeiten begleitet werden, was auch geschah: so gab es i n Italien am Erhebungsdatum, dem 31. März 19631, i m ganzen 34 600 Hotels m i t 537 000 Zimmern und 939 000 Betten; dazu kommen noch andere Beherbergungsmöglichkeiten wie Campings, Privatlogis, Jugendherbergen usw. Insgesamt w u r den hierin i m Jahre 1962 4,2 M i l l . Ankünfte, darunter 1,7 M i l l . Ausländer, gebucht. 2 Ente Nazionale italiano per il Turismo, Statistica del Turismo, n. 52, April 1963.
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Industrialisierung U m uns ein Urteil über den Industrialisierungsvorgang i n den letzten Jahren ermöglichen zu können, kommen uns die Indexzahlen der industriellen Produktion zunutze. Die Indexzahlen des Istituto Centrale di Statistica, das i n Italien dem Statistischen Bundesamt entspricht, beziehen sich auf das Jahr 1953 = 100. Die letzte Indexzahl für die allgemeine Industrie, die zur Zeit bekannt ist, ist die vom Mai 19633; i n diesem Monat betrug sie, auf der Basis 1953 = 100, 249,4. Demnach ist die italienische Industrieproduktion i n den letzten zehn Jahren u m etwa 2V2mal größer geworden. U m internationale Vergleiche anzustellen, muß man ein zeitlich nähergelegenes Jahr, und zwar das Jahr 1958 annehmen und sich m i t dem Index vom März 1963 begnügen 1 . Dieser Index (also m i t der Basis 1958 = 100) ist i m März 1963 für Italien = 170; für die deutsche Republik 132, für Frankreich 121, für die Niederlande 133, für Belgien 124. Das bedeutet, daß der Industrialisierungsvorgang i n den letzten fünf Jahren i n Italien rapider war als i n den anderen Staaten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Wohlbemerkt: der Entwicklungsu organg, nicht der Stand. Wenn w i r diesen letzteren betrachten, dann sehen die Dinge anders aus. Wenn man i n bezug auf den Stand der industriellen Produktion den Vergleich (1962) zwischen Italien und Deutschland zieht, so fallen die meisten Werte zugunsten Deutschlands aus, vor allem wegen des Mangels an Rohstoffen i n Italien. So ist i n Deutschland die Steinkohlengewinnung 200mal größer gewesen als i n Italien, die Braunkohlengewinnung 57mal, Eisenerze lOmal, die Produktion von Roheisen und Eisenlegierungen 7mal, die Bleigewinnung 4mal, die Erdölgewinnimg 3,7mal, die Stahlproduktion 2,4mal größer; die Stromproduktion beträgt mehr als das Doppelte, die Zementproduktion das l,4fache. Trotz dieses beschränkend wirkenden Ausgangspunktes haben sich i n Italien i n den letzten Jahrzehnten mehrere Industriezweige besonders stark entwickelt. Wenn w i r als Ausgangspunkt das Jahr 1953 nehmen (also Basis 1953 = 1), so w a r i m Jahre 1962 der zur Einheit abgerundete Index 4 : für: synthetische Textilfasern Erdöl Plastische Stoffe . . Büromaschinen Flüssige Gase Druckereimaschinen 3 4
26 21 14
(also 26mal soviel)
8
7 7
Notiziario Istat, Foglio 12, Indici della produzione industríale italiana. Notiziario Istat und Annuario Stat. Ital. 1962.
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Manlio Budinis Kraftfahrzeuge Samenöl Schreibmaschinen Syntheseammoniak Erdgas
6 4 4 3 3
Das sind also die Industriezweige, die i n den letzten neun Jahren den größten Aufschwung erfahren haben. Bei der alleinigen Betrachtung der Indices fallen die Industriezweige, die 1953 schon gut oder sehr gut entwickelt waren, weniger ins Auge. Es sei hier als typisches Beispiel die Schuhwarenindustrie erwähnt, für welche der Index (Basis 1953 = 100) i m Jahre 1962, nur 171 betrug. Diese Industrie hat, abgesehen von der Produktion zur Deckung des italienischen Bedarfs, i n den letzten Jahren an Schuhen folgende Mengen exportiert 5 : 1959 1960 1961 1962
17,6 27,7 33,2 39,7
Millionen Millionen Millionen Millionen
Paar Paar Paar Paar
Schuhe Schuhe Schuhe Schuhe
I n der 1. Hälfte dieses Jahres betrug die Ausfuhr 27,5 M i l l . Paar Schuhe, für einen Betrag von 47 432 M i l l . Lira, (etwa 300 M i l l . DM), wohlbemerkt i n 6 Monaten. Hieraus kann man leicht errechnen, daß i n der 1. Hälfte dieses Jahres jeden Tag 187 000 Paar Schuhe über die italienische Grenze gingen; das sind über 25 000 Paar Schuhe pro Stunde. Der wertmäßige A n t e i l der deutschen Bundesrepublik an der italienischen Gesamtausfuhr belief sich i n der ersten Hälfte dieses Jahres auf 17,5 vH; demnach ist die Bundesrepublik bei weitem der wichtigste Abnehmer der italienischen Ausfuhr; es folgen Frankreich m i t 10,7 vH, die Vereinigten Staaten m i t 9,2 vH, die Schweiz m i t 5,5 vH. Eine andere Informationsquelle über die langwellige Industrialisierungsbewegung Italiens, die uns i n vielen Hinsichten ausführlichere A n gaben liefert, ist der Vergleich zwischen der Lage 1951 und 1961. A m 4. November 1951 und am 15. Oktober 1961 fand i n Italien die Volksund Wohnungszählung statt, und am gleichen Datum wurden die Erhebungen i n der Industrie und i m Handel durchgeführt. Da die Erhebungsgrundsätze unverändert blieben, sind die Ergebnisse ganz und gar vergleichbar. I m Gegensatz zu den allgemeinen Indices erfahren w i r aus dem Vergleich der beiden Erhebungen nicht nur u m wieviel, sondern auch wo sich die Industrialisierung besonders stark entwickelte. Der 5
Not. Istat, Fo. 14, Statistica del Commercio con l'Estero.
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Vergleich umfaßt also eine Zeitspanne von einem Jahrzehnt. Die Erhebung umfaßte alle Gemeinden Italiens 8 . I n diesem Jahrzehnt stieg die Wohnbevölkerung Italiens von 47,5 auf 50,6 Mill., m i t einer Zunahme von 3,1 Mill., also u m 6,5 vH. Die Bevölkerungszunahme betrug 1,5 M i l l . i n Norditalien, 0,7 M i l l . i n Mittelitalien, 0,9 M i l l . i m Süden. Folglich lebten 1961 44,8 v H der italienischen Bevölkerung i n Norditalien, 18,5 v H i n Mittelitalien (zusammen also 63,3 v H i n Nord-Mittelitalien) und 36,7 i n Süditalien. Die Bevölkerungszunahme i n den wichtigsten Großstädten ergab i n dem berücksichtigten Jahrzehnt folgendes Bild: Rom Mailand Turin . . Neapel Bologna
536 000 308 000 307 000 172 000 104 000
Das bedeutet eine prozentuale Zunahme von 42,6 v H für Turin, von 32,5 v H für Rom, von 30,6 v H für Bologna. E n t w i c k l u n g der
Industrie
Es muß vorausgesetzt werden, daß die Zusammenstellung der Industriegruppen, die i n Italien vom italienischen statistischen Zentralinstitut durchgeführt wird, m i t der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Einteilung nicht übereinstimmt. Folglich wären wegen der verschiedenen Erhebungsgrundsätze Vergleiche zwischen der italienischen und der deutschen Industrialisierung wohl möglich, aber sehr langwierig. Diese Tatsache erschwert jedoch nicht unsere Darlegung, da hier nur über die italienische Industrialisierung i n dem Jahrzehnt 1951—1961 berichtet wird. Nach den vom italienischen statistischen Institut verfolgten Grundsätzen umfaßt die Industrie die: „Industrie estrattive" (ich führe die italienische Bezeichnung an, da das Wort „estrattivo", vom Verbum „estrarre" = herausziehen, schwer übersetzbar ist): sie umfassen den eigentlichen Bergbau und die Industrie der Steine und Erden. 8 a) Istat — I X Censimento della popolazione (4—5 nov 1951). I. Dati sommari per Comune. — b) Istat — App. A. Dati riassuntivi provinciali. — c) Istat V I — Abitazioni. — d) Istat — I I I Censimento dell'Industria e del Commercio I. — Risultati generali per Comune, Tomo 1 e 2. — e) Istat — X I Industrie delle costruzioni ecc. — f) Istat — Caratteristiche demografiche ed economiche dei grandi Comuni. — g) Istat — (1961) 10° Censimento generale della popolazione. Vo. I — Dati riassuntivi comunali e provinciali sulla popolazione e sulle abitazioni. — h) Istat — 4° Censimento generale delF Industria e del Commercio (16 ott 1961). Vol. I — Imprese unità locali, addetti. — i) Istat —10° Censimento (1961) — Popolazione legale dei Comuni.
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Speyer 21
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Manlio Budinis
Verarbeitende Industrie: umfaßt auch die i n Deutschland als Sondergruppe aufgeführte Nahrungs- und Genußmittelindustrie; sie umfaßt nicht die Industrie der Steine und Erden, die zur vorher erwähnten Gruppe gehört. Die Gruppe umfaßt die i n Deutschland als Sondergruppen aufgeführten Investitionsgüterindustrie und Verbrauchsgüterindustrie. Bauhauptgewerbe und Bauanlagen: letztere Bezeichnung umfaßt die Errichtung von Heizungs- und Lüftungsanlagen, Wasser- und Gasleitungs- und sanitäre Anlagen. Strom- und Gaserzeugung und -Verteilung,
Wasserverteilung.
Statistisch erhoben wurden: die Unternehmen, die Beschäftigten.
die lokalen
Einheiten,
Die Beschäftigten i n der Industrie sind von 4,2 M i l l . i m Jahre 1951 auf 5,6 M i l l . i m Jahre 1961 gestiegen, m i t einem Zuwachs von 1 381 000, gleich 32,5 v H (während für die Wohnbevölkerung der Zuwachs 6,5 v H betrug). Schon aus dieser Angabe ersieht man die Schnelligkeit des Industrialisierungsprozesses i n Italien. Vom Zuwachs von 1 381 000 Beschäftigten entfielen fast eine M i l l i o n auf die verarbeitende Industrie und über 380 000 auf die Bauindustrie. Beim Bergbau ergab sich sogar ein Rückgang von über 12 v H der Beschäftigten. I n ganz Italien machten 1951 die Beschäftigten i n der Industrie 8,9 v H der Wohnbevölkerung aus, gegenüber 11,1 v H i m Jahre 19617. Interessant ist festzustellen, wo sich die Industrialisierung entwikkelt hat. I n absoluten Zahlen ausgedrückt, lag die Zunahme von 1 025 000 der Beschäftigten i n der Industrie i m Norden, 237 000 i n Mittelitalien, 117 000 i m Süden; i n Verhältniszahlen entfallen 35,9 v H auf den Norden, 36,3 v H auf Mittelitalien, 16,0 v H auf den Süden. I n anderen Worten ausgedrückt, während der Rhythmus der Industrialisierung i n Nordund Mittelitalien mehr oder weniger gleich ist, kann dieser Prozeß i m Süden als viel langsamer bezeichnet werden. Man muß daraus entnehmen, daß der Unterschied i n der Wirtschaftsstruktur Nord-Mittelitaliens einerseits und Süditaliens andererseits i m Jahre 1961 betonter als 1951 war. Die Beschäftigten i n der Industrie sind pro hundert Einwohner i n diesem Jahrzehnt von 13,1 auf 17,1 i m Norden gestiegen; von 7,5 auf 9,5 i m Zentrum; von 4,1 auf 4,6 i m Süden. 7 Berechnet aus den Grundwerten, die in den bei Fußnote 6 erwähnten Veröffentlichungen enthalten sind.
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Nach Regionen betrachtet, hat der größte Zuwachs i n der Lombardei stattgefunden; 450,1 Tausend, gleich 35,8 v H ; i n Emilien-Romagna: 191,0 Tausend (gleich 71,0 vH!); i n Piemont: 166,0 Tausend (gleich 26,7 vH); i n Venetien: 158,6 Tausend (gleich 50,5 vH). Eine Abnahme war dagegen i m Aostatal, i n Calabrien und Sardinien zu verzeichnen. Die Städte, i n denen 1961 das Verhältnis der Beschäftigten i n der Industrie zur Wohnbevölkerung am höchsten war, also die typischsten Industriestädte, waren: Mailand (mit 34,7 Industriebeschäftigten auf 100 Einwohner), sodann der Reihe nach Varese, Pavia, Como, Turin, Brescia, Aosta, Bergamo, Novara, Sondrio, Vicenza, Gorizia, Modena. Von den erwähnten 13 Städten liegen 7 i n der Lombardei, 3 i n Piemont, 2 i n Venetien, 1 i n Emilia; diese Auskunft gibt darüber Aufschluß, wo der industrielle Schwerpunkt Italiens liegt. Eine besondere Erwähnung verdienen die Ortschaften, i n denen, ungeachtet ihrer demographischen Größe, die Zunahme der Beschäftigten i n der Industrie besonders stark war. Unwillkürlich läßt uns diese Erwägung, vom städtebaulichen Standpunkt aus betrachtet, an die neuen Städte denken, auch wenn neue Städte, wenigstens i m heutigen städtebaulichen Begriff, i n Italien nicht entstanden sind. Auf jeden Fall ist aber ein Rückblick auf die Dynamik i m letzten Jahrzehnt lohnend. Bei dieser Untersuchung wollen w i r uns auf diejenigen Ortschaften beschränken, i n denen die Zunahme der Beschäftigten i n der Industrie verhältnismäßig stark waren (über 1000 Beschäftigte und über 10 v H der Beschäftigten i m Jahre 1951). I n Italien gibt es 263 derartige Gemeinden, zum größten Teil i m Norden. Als typisches Beispiel sei die Gemeinde San Donato Milanese i n der Provinz Mailand erwähnt, wo die Beschäftigtenzahlen i n der Industrie von 123 auf etwa 6000 gestiegen sind. Es handelt sich u m Gemeinden, die i n dem berücksichtigten Jahrzehnt einen typischen industriellen Charakter erhielten, während ursprünglich ein solcher Charakter überhaupt nicht vorhanden war. Von großem Interesse wäre es, aus dem Verhältnis zwischen Beschäftigten- und Gesamtbevölkerungszunahme Schlußfolgerungen ziehen zu können. Uber ein solches Verhältnis an Hand der tatsächlichen Gegebenheiten, anstatt auf Grund von theoretischen Schätzungen, — Näheres zu erfahren, wäre von Seiten der wirtschaftlichen und städtebaulichen Planung sehr erwünscht. Leider ist diese Feststellung kaum durchführbar und die erste Ursache liegt sehr oft i m Vorhandensein einer Pendelbevölkerung. Es gibt sogar Gemeinden, i n denen trotz beträchtlichen Zuwachses der Beschäftigten ein Wohnbevölkerungsrückgang stattgefunden hat.
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I n anderen dagegen ergab sich, bei einer rückläufigen Beschäftigtenzahl i n der Industrie, ein merklicher Bevölkerungszuwachs. Der Durchschnittswert ergab einen Zuwachs von 2—3 Einwohnern für jeden neuen Beschäftigten i n der Industrie 7 . Jedoch darf man diesem Mittelwert nicht zu sehr vertrauen: es waren viele Fälle darunter, i n denen sich ein Zuwachs von einem (oder noch weniger als einem) Einwohner für einen neuen Beschäftigten ergab. I n anderen, wenn auch seltenen Fällen, ergab sich andererseits ein Zuwachs von sogar mehr als 8 Einwohnern für jeden neuen Beschäftigten. Wenn man theoretische Überlegungen beiseite läßt und die Tatsache prüft, kommt man zu der Feststellung, wie es sehr oft i n der Städtebauwirtschaft vorkommt, daß man kaum zu allgemeinen Leitsätzen kommen kann und daß vielmehr jede Ansiedlung ein unvergleichbarer Einzelfall für sich ist. Der Städtebau läßt sich eben nicht durch mathematische Gleichungen lösen. Die Industrialisierung und das Zuströmen neuer Volkskräfte zur Industrie ist, naturgemäß, m i t der Landflucht und der sich daraus ergebenden Binnenwanderung eng verbunden. Auch hier ist ein Vergleich der Lage 1951 und 1961 sehr lehrreich. A u f der Karte* ist für das Jahrzehnt 1951 — 1961 die Bevölkerungszubzw. -abnahme für alle Gemeinden Italiens dargestellt. Schon daraus ist die starke Dynamik i n der Verteilung der Wohnbevölkerung ersichtlich, die sich i m letzten Jahrzehnt offenbart hat. Der Bevölkerungssaldo ergibt sich bekanntlich aus der algebrischen Summe des Geburten- bzw. Sterbefallüberschusses und des Zu- bzw. Abwanderungsüberschusses; i n anderen Worten, aus der natürlichen Bevölkerungsbewegimg und der Wanderung. Natürliche Bevölkerungsbewegung: Die Lebendgeborenen auf 1000 Einwohner waren 19621 i n Italien 18,4 gegenüber 18,1 i n der deutschen Bundesrepublik, 17,7 i n Frankreich, 20,8 i n den Niederlanden, 16,8 i n Belgien, 18,7 i n der Schweiz. Die Sterbefälle beliefen sich i m gleichen Jahre auf 10,0 °/oo i n Italien, 11,1 i n Deutschland, 11,5 i n Frankreich, 7,9 i n den Niederlanden, 12,5 i n Belgien, 9,8 i n der Schweiz. Daraus ergab sich 1962 ein Geburtenüberschuß von 8,4 %o i n Italien, 7,0 i n Deutschland, 6,2 i n Frankreich, 12,9 i n den Niederlanden, 4,3 i n Belgien, 8,9 i n der Schweiz. * Die in dem Vortrag erwähnten Karten und Abbildungen konnten wegen des unverhältnismäßig hohen Kostenaufwandes leider nicht mit abgedruckt werden.
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Innerhalb Italiens schwanken allerdings diese Werte, regional betrachtet, sehr stark. So lag die Verhältniszahl für Lebendgeborene nur bei 12,6 %o i n Ligurien, 13,4 i n Piemont; andererseits gab es 24,8 %o Lebendgeborene i n Campanien, 24,1 i n Calabrien, und hohe Werte überhaupt i m ganzen Süden. Viel geringere regionale Unterschiede ergaben sich bei den Sterbefällen, so daß der Geburtenüberschuß i n dem Gebiet etwa nördlich von Rom höchstens 10 %o erreicht; i m Süden dagegen schwankte dieser Wert bei viel höheren Zahlen (16,4 %o i n Calabrien, 16,3 %o i n Campanien). Daß sich bei diesem Ausgangspunkt früher oder später eine Binnenwanderung vom Süden nach Norden ergeben mußte, liegt i n der Natur der Sache. Aber nicht nur i m Süden zeigt sich die Landflucht. Wenn w i r das Jahr 1959 betrachten 8 , für welches die letzten zwei K a r ten gelten, stellen w i r fest, daß von den etwa 8000 Gemeinden Italiens i n 6200 ein Abwanderungsüberschuß von insgesamt 378 000 Personen stattgefunden hat; davon entfielen 152 000 auf den Norden, 60 000 auf Mittelitalien, 167 000 auf den Süden. I n Verhältniszahlen ausgedrückt, betrug also i n einem einzigen Jahr der Abwanderungsüberschuß 14,1 %o. I n anderen Jahren ist der Abwanderungsüberschuß sogar noch höher gewesen; so betrug er i m Jahre 1958 389 000 und i m Jahre 1960 414 000. Wenn w i r wieder zum Bevölkerungssaldo (als Summe der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderung) zurückkommen und als berücksichtigungsfähige Zeitspanne das Jahrzehnt 1951—1961 nehmen, so ist es aufschlußreich, die extremen Fälle zu prüfen, i n denen die Landflucht sich am krassesten gezeigt hat. Wenn w i r die Wohnbevölkerung i m Jahre 1951 und 1961 einer Prüfung unterziehen, stellen w i r fest, daß die Bevölkerung i n diesen zehn Jahren i n vielen Gemeinden u m mehr als 30 vH gesunken ist. I n Piemont war das i n 31 Gemeinden der Fall; i n einer Gemeinde, Balocco, i n der Provinz Vercelli, schrumpfte die Einwohnerzahl von 977 auf 484 Einwohner zusammen, was eine Abnahme von über 50 v H bedeutet. I n der Lombardei hat i n 14 Gemeinden eine Bevölkerungsabnahme von über 30 v H stattgefunden; i n einem Falle betrug die Abnahme 58 v H der ursprünglichen Bevölkerung. 8 Berechnet aus den Grundzahlen die in: Istat, Popolazione e circoscrizioni amministrative dei Comuni Jahr 1959, enthalten sind.
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A n der Pomündung konnte man 16 solcher Gemeinden beobachten. Insgesamt hat i n Italien eine Bevölkerungsabnahme von über 30 v H i n 138 Gemeinden stattgefunden. Landflucht und Verstädterung sind die ausschlaggebenden Ursachen zweier sehr wichtiger sozialer und wirtschaftlicher Erscheinungen, und zwar des Vorhandenseins leerer Wohnungen einerseits und des Wohnungsbedarfs und der sich daraus ergebenden notwendigen Bautätigkeit andererseits. Leere Wohnungen Auch hierbei sind die beiden Erhebungen i n den Jahren 1951 und 1961 aufschlußreich. W i r möchten zunächst einen kurzen Blick auf die Lage 1951 werfen. Statistisch erhoben wurden die „unbesetzten Wohnungen". Darunter bildet die zahlenmäßig bei weitem wichtigste Gruppe die unbesetzten Wohnungen, meistens in Bauernhäusern, die leer geblieben waren, weil ihre Einwohner sich verstädtert hatten. Allerdings gehören zu den unbesetzten auch die zur Zeit der Erhebung nicht bewohnten Wohnungen, wie die i n Ferienhäusern u. ä., neugebaute Wohnungen, die noch nicht bezogen worden waren, und endlich Wohnungen, die aus irgendeinem Grunde am Erhebungstage nicht vermietet waren. Aber, wie gesagt, die bei weitem häufigste Ursache der leeren Wohnungen, i n etwa 9 Fällen von zehn, w a r die Landflucht. 1951 gab es in Italien über 654 000 leere Wohnungen, m i t insgesamt 2 280 000 leeren Wohnräumen. Besonders häufig kam die leere Wohnung i m Alpengebiet vor, i n Südpiemont, auf dem ligurischen Apennin, i m westlichen Teil des toskanisch-emilianischen Apennins und i n den Gebirgsgegenden ganz Süditaliens, weniger häufig dagegen i n der Poebene. Die Verhältniszahl der leeren Wohnungen änderte sich wesentlich von Region zu Region: i m ganzen Norden standen 5,2 v H aller Wohnungen leer, i n Mittelitalien 5,5 vH, i m Süden dagegen 6,2 vH. I n ganz Italien war die Verhältniszahl 5,6 vH. I n Süditalien war also die Zahl der unbesetzten Wohnungen fühlbar höher als i n Nord-Mittelitalien. Fast überall war die Zahl der leeren Wohnungen höher i n den kleinen Gemeinden und sank m i t steigernder Größe der Gemeinde. Leere Wohnungen im Jahre 1961 I n diesem Jahr gab 8 es i n Italien 1 122 000 unbesetzte Wohnungen m i t t 3 953 000 unbesetzten Wohnräumen; die Zahl der leeren Wohnungen war i n den zehn Jahren u m 467 000 Wohnungen m i t 1 673 000 Wohn-
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räumen gestiegen. Man kann also damit rechnen, daß zur Zeit weit über 4 Millionen Wohnräume leer und unbenutzt sind, i n Häusern, die früher oder später dem sicheren Verfall gewidmet sind, und die ein Vermögen darstellen, das nichts einbringt; nicht nur das: diese Tatsache verursacht die Notwendigkeit der Errichtung neuer Wohnungen i n den neuen Ansiedlungsgebieten, m i t den damit verbundenen beträchtlichen finanziellen Investitionen. I n Verhältniszahlen ausgedrückt, stellen i n Italien die leeren Wohnungen 7,8 v H aller Wohnungen dar. Diese Verhältniszahl beträgt 7,3 v H i m Norden, 8,5 i n Mittelitalien, 8,2 i m Süden. Nach Regionen betrachtet sind die leeren Wohnungen am häufigsten i m Aostatal (26,1), i n Ligurien (12,6), i n den Abruzzen (11,1) zu finden; am seltensten i n der Lombardei (4,8). Es mag interessieren, i n welchen Gegenden, i n dem betrachteten Jahrzehnt, die leeren Wohnungen den größten Zuwachs aufgewiesen haben. Der größte Zuwachs zeigte sich i n Mittelitalien (von 5,5 v H i m Jahre 1951 zu 8,5 v H i m Jahre 1961), und hier zumal i n den Marken und i n der Toskana. Wohnungsbedarf und Bautätigkeit Uber das Thema des Wohnungsbedarfs hat man, sowohl i n Tageszeitungen als auch i n der Fachpresse, i n den letzten Jahren die verschiedensten Meinungen gelesen, und als diese Meinungen zahlenmäßig ausgedrückt wurden, bewegten sich die Zahlen innerhalb sehr weiter Spannen. Diese wesentlich auseinandergehenden Meinungen, auch wenn sie i m Vergleichsfalle bedenklich und verwirrend sind, dürfen allerdings nicht allzusehr i n Staunen versetzen, wenn man überlegt, daß ein Urteil über den qualitativen und auch quantitativen Wohnbedarf eben eine Meinung und als solche subjektiv ist. Es handelt sich dabei nicht nur u m die Meinung des Fachmanns, der die Daten prüft und deutet: der Wohnungsbedarf ist begrifflich eine Meinung, — eine Meinung des Subjekts, das ihn wahrnimmt, — und als solche ist sie örtlich und zeitlich veränderlich. Es fehlt, m i t anderen Worten, an einem physischen Parameter, um den Wohnungsbedarf zu messen, und nichts wäre gefährlicher und irreführender, nichts wäre grundsätzlich falscher, als i n ein mathematisches Schema eine Erscheinung einzuschließen, die aus biologischen Notwendigkeiten entsteht und vor allem ein psychisches Bedürfnis ausdrückt, i n dessen Äußerung das geographische Milieu und die geschichtliche Überlieferung eine grundsätzliche Rolle spielen.
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Wäre es nicht so, dann könnten weder die tiefen Unterschiede eine Erklärung finden, die i n den verschiedenen geographischen Milieus i n bezug auf Wohnungsbedarf empfunden werden, noch die geschichtliche Entwicklung des Begriffs des quantitativen und qualitativen Wohnungsbedarfs. Auch i m Bereich eines einzelnen Landes und eines bestimmten Zeitpunktes, w i r d der Wohnungsbedarf i m städtischen und ländlichen Milieu verschiedenartig, und i m ersteren auch je nach der Größe der Stadt, verschiedenartig empfunden; i n beiden ja nach dem geografischen und folglich klimatischen Wohnmilieu. Man weiß, wie groß i n jedem Lande, i n Wirklichkeit, die Unterschiede i n der Belegungsdichte von Gegend zu Gegend sind, und wie diese Unterschiede nicht immer notwendigerweise m i t dem Grad der Entwicklung oder Unterentwicklung übereinstimmen. Zu dieser, u m so zu sagen, Ausgangsungewißheit, kommen andere hinzu, wenn w i r die Elemente prüfen, die notwendig sind, u m einen quantitativen Wohnungsbedarf festzusetzen. Nur zum Teil sind diese Elemente statistisch erfaßbar; andere entziehen sich einer Prüfung, und auch den statistisch erfaßbaren gegenüber ist der Wohnungswirtschaftler oft ratlos: als solche sei z. B. die Wertung der Zahl der Eheschließungen angeführt. Das von den Angelsachsen bevorzugte Schema: „soviel Eheschließungen = so viele erforderliche Neuwohnungen" auch mit Korrekturen angewandt, läßt Zweifel aufkommen. Abgesehen von der Tatsache, daß i n Wirklichkeit nur ein gewisser Prozentsatz neuer Ehepaare i n eine Wohnung für sich einzieht, während andere Paare ins Haus des Mannes oder der Frau ziehen (was z. B. i n großen Wohnungen auf dem Lande durchaus normal ist), und auch wenn man die Ehescheidungen mitberücksichtigt (wie es z. B. i n USA geschieht), erscheint diese Ermittlungsmethode des Wohnungsbedarfs nicht ganz annehmbar. Es sollte hingegen nicht die Bildung neuer Haushaltungen, sondern statt dessen deren Überschuß über die Auflösung älterer Haushaltungen berücksichtigt werden. Nun, wann löst sich ein Haushalt auf? Wenn sich die Haushaltung schmälert, wenn ein Haushaltungsmitglied auszieht, oder beim ersten Todesfall? Oder wenn sich ein solcher Vorfall zum zweiten oder dritten M a l wiederholt? Oder wenn die Haushaltung wegen des Todes seines letzten Mitgliedes ausstirbt? Hieraus ist ersichtlich, daß die alleinige Betrachtung der Eheschließungen wichtige Anhaltspunkte zur Ungewißheit enthält. Aber auch verschiedene andere Gründe der Ungewißheit kommen hinzu, die von der verschiedenen Mitgliederzahl und Zusammenstellung der Haushai-
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tung, vom Alter der Haushaltungsmitglieder, vom Wesen der natürlichen Bevölkerungsbewegungen und der Wanderung herrühren. Betrachtet man all dieses, so kommt man zu der Schlußfolgerung, daß man, auch abgesehen von wirtschaftlichen Überlegungen, kaum eine einzige optimale Belegungsdichte und einen quantitativ erfaßbaren Wohnungsbedarf bestimmen kann. Andere mitspielende Momente sind noch weniger erfaßbar: beispielsweise die verstärkte oder verminderte Neigung der Bevölkerung, für die Wohnung einen mehr oder weniger großen Teil des Einkommens aufzuopfern, die mehr oder weniger starke und m i t der Zeit veränderliche Duldungsfähigkeit gegenüber einer bestimmten Belegungsdichte, die Neigung zur Bildung von geteilten Haushaltungen, — all das sind Erscheinungen, die sich einer Analyse gänzlich entziehen. Bautätigkeit: Bei all den bisher erwähnten Voraussetzungen sei hier die tatsächlich verwirklichte Bautätigkeit i n den letzten Jahren dargelegt 9 . I n den Vorkriegs jähren war die italienische Bauproduktion, m i t dem heute erreichten Niveau verglichen, verhältnismäßig gering: sie erreichte ihr Maximum i m Jahre 1936 m i t 98 000 Wohnungen. I n den ersten Jahren der Nachkriegszeit wurde ein wesentlicher Teil der Bautätigkeit von Reparaturen an kriegsbeschädigten Bauten aufgesogen, so daß erst 1952 die Zahl der neuerstellten Wohnungen 100 000 überschritt. Die Erhebung betrifft die Wohnungen i n Wohn- und Nichtwohngebäuden, und umfaßt den Neubau, den Wiederaufbau und den Erweiterungsbau. Die fertiggestellten Wohnungen waren i n den letzten Jahren folgende: * -
Fertiggestellte Wohnungen (in Tausend)
1952 1954 1956 1958 1960 1962
116 177 232 276 291 359
J a n r
I n absoluten Zahlen gemessen stand i n Europa die italienische Wohnbauproduktion an dritter Stelle nach der Sowjetunion und der deutschen Bundesrepublik, während Großbritannien (mit 322 000 neuerstellten • Istat, Annuario dell'attivitä edilizia e delle opere pubbliche 1961.
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Wohnungen), an vierter Stelle und Frankreich (mit 307 000) an fünfter Stelle stand 10 . I n Verhältniszahlen gemessen — erstellte Wohnungen %o Einwohner — steht Italien 1962 (mit 7,2 neuerstellten Wohnungen %o Einwohner) an vierter Stelle, nach der Sowjetunion, der Schweiz und der Bundesrepublik. Die Steigerung der Wohnbauproduktion erfolgte i m letzten Jahrzehnt, wie aus der Abbildung ersichtlich ist, auf ziemlich lineare Weise bei einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 15,7 vH. Die Städte, i n denen i n den letzten Jahren die bedeutendste Wohnbauproduktion erfolgte, sind Rom und Mailand. I n Rom sind i m Jahre 1962, über 30 000 neue Wohnungen fertiggestellt worden (d. h. durchschnittlich über 2500 i m Monat); i n Mailand ist diese Zahl wesentlich geringer, wobei betrachtet werden muß, daß die Gemeindegrenzen der Stadt i n Mailand sehr nahe beim Stadtkern liegen und daß die Stadtballung viele anliegende Gemeinden ergreift. Folglich ist ein Zahlenvergleich m i t der Bauproduktion von Rom nicht aufschlußreich. Die durchschnittliche Wohnungsgröße war i n den Neubauten i n den letzten Jahren 3,7 Wohnräume. Zum Schluß möchte ich noch ein kurzes Wort über die Baukosten sagen. Während i m letzten Jahrzehnt i n Italien die Preise der Baumaterialien fast konstant geblieben sind — es hat sich i n zehn Jahren eine Preiserhöhung von kaum 6 v H ergeben —, sind die Bauarbeiterlöhne (Basis 1953 = 100) auf 234 gestiegen 11 . So hat der Baukostenindex (Basis 1953 = 100) i m J u l i dieses Jahres den Wert von 163,5 erreicht. M i t der Basis 1958 = 100 (was einen Vergleich m i t dem deutschen Baukostenindex gestattet) war i m Mai 1963 der Baukostenindex gleich 138,8, stimmte also fast m i t dem deutschen Baukostenindex (der i m Mai 1963 = 139,9 war) überein. — I m eng bemessenen Rahmen eines Vortrages ist es leider nicht möglich, auf alle Fragen einzugehen, die i n einer Tagung über Städteerneuerung und Eigentumsordnung von Interesse wären. Deshalb habe ich mich auf eine kurze Darlegung über die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des italienischen Wohnungswesens beschränkt, i n der Uberzeugung, daß die Ausführung dieser Voraussetzungen der 10 Nations Unies — Aperçu de la construction (trimestrielle) Genève, Suisse. 11 Quaderni délia Société Generale Immobiliare — Roma, n 21. — giugno 1963.
Voraussetzungen des italienischen Wohnungswesens Darlegung muß.
der
direkten
städteplanerischen
Probleme
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vorausgehen
W i r sind heute mehr oder weniger überall i n einer Zeit, i n welcher die Beziehungen zwischen Wirtschaftsplanung und Raum- und Stadtplanung noch nicht eindeutig definiert sind. Das ist u m so wahrer für Italien, wo wir, wie Ihnen bekannt sein wird, i n Erwartung eines neuen Städtebaugesetzes sind, das das alte Städtebaugesetz vom Jahre 1942 ersetzen soll. Soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen der Wohnungswirtschaft sind selbstverständlich i n jedem Lande verschieden. Deren Kenntnis müssen w i r Wohnungswirtschaftler und Raumplaner verbreiten, wenn w i r aus diesem Gebiet Gesetze haben wollen, die als gerecht, zweckmäßig und notwendig aufgenommen werden sollen; deren Kenntnis müssen w i r auch i n den anderen europäischen Staaten verbreiten, wenn w i r eine Harmonisierung unserer Wirtschaften erzielen. Dieses Ziel zu erreichen hängt ausschließlich von unserem Willen ab.
Aussprache Professor Dr. Ule W i r bedanken uns bei Herrn Dr. Budinis für diesen sehr interessanten Vortrag, m i t dem er uns die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des italienischen Wohnungswesens geschildert hat. Sie haben sicherlich aus diesem Vortrag alle den Eindruck gewonnen, daß die Vergleichsmöglichkeiten zwischen Italien und anderen Ländern, die hier auf unserer Tagung vertreten sind, doch nur sehr bedingt bestehen. Die Verhältnisse i n Italien sind offensichtlich, wie w i r ja aus vielen Einzelzügen dieses Vortrages gehört haben, wesentlich anders als i n anderen Ländern, vor allem auch i n der Bundesrepublik. Die stürmische Industrialisierung, die i m wesentlichen aber nur einen Teil Italiens ergreift, die dadurch hervorgerufene Binnenwanderung, muß natürlich zu einer ganz anderen Problematik führen, als sie i n anderen Staaten innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft etwa besteht. Die Fragen, die uns besonders interessieren würden, wären nun die, welche Folgen sich aus dieser Industrialisierung und dieser Binnenwanderung für die Städteerneuerung i n Italien ergeben, etwa i n Mailand und Turin, das Problem der Vergrößerung des Wohnraumes, das ja doch für diese Städte von ganz besonderer Bedeutung wird, wenn 10 000e und 100 000e neuer Arbeitskräfte mit ihren Familien i n diese norditalienischen Städte drängen. Stadtbaurat
Schmidt
Der Vortrag hat i n m i r den lebhaften Wunsch geweckt, noch etwas zu erfahren über die weitere Entwicklung, die der italienische Wohnungsbau i n seiner Grundkonzeption i n legislativer und administrativer Hinsicht i n der Zwischenzeit erfahren hat. Ich war vor einigen Jahren i n Italien und habe sehr eingehend i n einer großen Anzahl von Städten den Wohnungsbau studieren können und dabei geradezu kardinale Unterschiede zu unserer deutschen Konstruktion gefunden. Dort eine vollständige Zentralisierung der ganzen Planung i n das Ministerium, also der Planung und der Durchführung bis i n die Einzelheiten, ebenso ganz andere Arten der Belegung und der Finanzierung. Man konnte zunächst kaum Brücken zu unseren hiesigen Methoden finden. Nun ist i n Ihren Schlußworten angedeutet worden, daß eine neue gesetzliche Konstruktion, ein neues Städtebaugesetz, i n Italien i m Werden sei. Es
Aussprache
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würde mich sehr interessieren zu hören, ob dieses Gesetz ein Weiterbauen auf der alten Methode ist, oder ob diese alte Methode, die damals von italienischen Kollegen vielfach als eine Sache m i t Vor- und Nachteilen angesehen wurde, verlassen wird. Als Vorteil des alten Systems ist eine außerordentlich straffe Lenkung angesehen worden, vor allem die Möglichkeit, den Wohnungsbau schärfstens nach dem Bedarf zu richten. Es ist z. B. angeblich dadurch zu vermeiden gewesen, aus irgendwelchen politischen Gründen — etwa um m i t weniger Wohnungen nicht zu benachteiligen — eine Streuung machen zu müssen, die sachlich nicht geboten gewesen sei. Als Nachteil wurde eine gewisse Schwerfälligkeit bezeichnet, die sich dadurch i m Verwaltungsapparat ergibt, vor allem auch i n Zusammenarbeit m i t den Kommunen. Von den Kommunalpolitikern wurde vor allem gesagt, daß sie bedeutend weniger Einfluß etwa auf die Planung insgesamt hätten, als es bei uns üblich sei, weil eben die Planung für ein neues Stadtviertel oder für eine Teilerweiterung weitgehend aus der Kommunalverwaltung herausgenommen und der zentralen Planung überantwortet sei. Wenn es möglich wäre, hierüber noch einige Andeutungen zu bekommen, so würde mich das interessieren. Ich könnte m i r vorstellen, daß das auch i n Richtung unserer allgemeinen Überlegungen, denen w i r uns widmen, gelegen wäre. Dr. Wendt Herr Oberbaurat Schmidt hat schon ein Thema angeschnitten, das auch mich bei dem Vortrag von Herrn Dr. Budinis sehr interessiert hat. Herr Dr. Budinis hat eingehend die Schwierigkeiten dargestellt, die sich einer einigermaßen präzisen Ermittlung des Wohnungsbedarfs entgegenstellen, und damit ein Problem aufgerollt, daß sich m. E. i n der nächsten Zeit auch bei uns i n der Bundesrepublik m i t großer Dringlichkeit stellen wird. Bis jetzt war es ja so, daß es angesichts der enormen Wohnungsnot i m Grunde gleichgültig war, wo die öffentlichen M i t t e l hingegeben wurden. Wohnungen wurden schließlich überall gebaut, und sie wurden überall bezogen, sobald sie fertig waren. Bei einem Besuch i n einem Landesministerium i n der Dienststelle für Wohnungsbau, allerdings bei einem untergeordneten Beamten aus der untersten Laufbahn, erzählte m i r dieser vor kurzem folgendes: I n einem kleinen Ort habe man einem Mann öffentliche M i t t e l für den Bau eines Hauses m i t vielen sozialen öffentlich geförderten Wohnungen gegeben. Als die letzten 10 v H der öffentlichen M i t t e l ausgezahlt werden sollten, was nach den dortigen Förderungsbestimmungen erst der Fall ist, wenn die Mietverträge vorgelegt worden sind und festgestellt
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worden ist, daß auch wirklich Bewohner eingezogen sind, die zu dem vom Wohnungsbaugesetz begünstigten Personenkreis gehören, habe sich herausgestellt, daß dieser Mann für zwei Wohnungen keine Mieter gefunden habe, die bereit seien, da hineinzuziehen. Das war i n einem kleinen Ort i m Zonengrenzgebiet. Der betreffende Mann i m Amte knüpft daran die Bemerkung, daß es doch nun eigentlich notwendig sei, um diese öffentlichen M i t t e l auszunützen, irgendwelche pensionierten Beamten zu veranlassen, dahin zu ziehen und diese Wohnungen zu füllen. Ich erwähne dieses Beispiel, w e i l es m. E. typisch ist für eine gewisse A r t des Denkens, die sich bei uns durch die jahrelange Wohnungszwangswirtschaft und durch die jahrelange intensive Wohnungsbauförderung i n doch ziemlich weiten Kreisen der Bevölkerung eingeschlichen hat. W i r werden uns jetzt, wo w i r dem Ende der eigentlichen Wohnungsnot — nicht zu verwechseln m i t den zum Teil durch den Wohlstand bedingten weiteren Nachfragen nach Wohnungen — immer mehr nähern, doch auch sehr ernstlich darüber Gedanken machen müssen, wie w i r die öffentlichen M i t t e l künftig, insbesondere regional, so aufschließen, daß w i r tatsächlich einen richtigen Wohnungsbaueffekt erreichen. W i r haben uns — etwas zu sehr nach meinem Gefühl — angewöhnt, dabei die Ergebnisse der amtlichen Defizitrechnung zugrunde zu legen, ohne uns immer vor Augen zu halten, daß diese amtliche Defizitrechnung ja eine Modellrechnung ist, die von bestimmten Annahmen ausgeht, nämlich denen, daß jeder Mehrpersonenhaushalt eine eigene sog. Abgeschlossen- oder Normalwohnung begehrt, ferner daß 50—60 v H der Einpersonenhaushaltungen ebenfalls eine Normalwohnung begehren. Das sind Annahmen, die i n der Praxis i n keiner Weise erwiesen sind. W i r werden uns also neue Gedanken insbesondere darüber zu machen haben, wie w i r auf eine vernünftige Aufschlüsselung der öffentlichen M i t t e l kommen. Dabei w i r d man z. B. mehr von dem statischen auf das dynamische Denken übergehen müssen, also die künftige Entwicklung des Gemeindegebietes, den zu erwartenden Zuzug und auch vielleicht die Zahl der offenen, noch nicht besetzten Stellen bei den Arbeitsämtern und ähnliche Dinge mitberücksichtigen müssen. Ferner w i r d man aber auch w o h l M i t t e l und Wege finden müssen, u m stärker als bisher die unternehmerische Initiative, also die Initiative des Mannes, der selbstverantwortlich und m i t eigenen Mitteln baut, zum Zuge kommen zu lassen; denn er trägt ja schließlich das Risiko und kann infolgedessen hier als eine notwendigerweise langsam arbeiten müssende Behörde Bedarf und künftige Vermietungsmöglichkeiten berücksichtigen. Ich sehe da i m Ubergang zur individuellen Subventionierung des einzelnen Mieters über die Miet- und Lastenbeihilfen auch einen Weg, u m dieses Problem i n etwa zu lösen.
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Es würde mich i n diesem Zusammenhang interessieren, wie man sich künftig i n Italien vorstellt, der wirklichen Bedarfsermittlung näherzukommen. Delegierter des Stadtrates Marti Gestern war von der Zonenexpropriation die Rede, also von der Möglichkeit, Land zu expropriieren i n einem größeren Umfang. Als Berater der Stadt Bozen hatte ich Gelegenheit, die Wirkung des italienischen Städtebaugesetzes von 1942, von dem die Rede war, festzustellen. Nach diesem italienischen Städtebaugesetz besteht die Möglichkeit, Land zu expropriieren für den sozialen Wohnungsbau, sofern es i m öffentlichen Interesse liegt und die Wohnungsnot nachgewiesen ist. I m Fall von Bozen ist die Wohnungsnot nachgewiesen, wenn ein paar Felsenwohnungen, die dort vorhanden sind, besetzt sind. Dann kann also die Zonenexpropriation vorgenommen werden. Weitere Voraussetzung ist, daß das Land, das expropriiert werden soll, i n einem Plan als zukünftiges Wohnland eingetragen wird. Der Stadtplan von Bozen sah dann die Ausdehnung des Wohngebietes auf bäuerlichem Lande vor. Sie können sich nun vorstellen, daß das ein außerordentlich heißes Eisen war, das da angepackt werden mußte. Der Plan wurde von den Grundeigentümern i n Frage gezogen, und der Staat, also i n diesem Fall das Land Südtirol oder Etsch, mußte sich entscheiden, ob nun dieser Plan der Stadt Bozen richtig gemacht sei. Es wurde damals ein internationales Expertenkomitee eingesetzt, ein Italiener, ein Österreicher und ich. W i r mußten uns m i t dieser Frage drei Jahre herumschlagen. Das Ergebnis war, daß dann ein neuer Plan festgestellt wurde, der schließlich i n Rom akzeptiert wurde. Ich möchte unseren Referenten fragen, ob dieses sehr scharfe M i t t e l auch i n der neuen italienischen Gesetzgebung zur Anwendung kommen wird, oder ob sich i n Italien Kräfte regen, die dieses aus Mussolinis Zeiten stammende Gesetz nun i n andere Form treiben möchten. Wie die Entschädigungsfrage i n Bozen gelöst worden ist, weiß ich nicht genau. Meines Wissens ist der Plan, den wir, der Österreicher, der Italiener und ich gemacht haben, von Rom i m Laufe des letzten Herbstes festgesetzt worden. Die Entschädigungsfrage w i r d an die Gerichte verwiesen. Es w i r d also wahrscheinlich dort, wie bei uns i n der Schweiz, die Kostenfolge von den Gerichten festgesetzt werden. Herr Dr. Budinis, Sie sprachen davon, daß über 4 M i l l . Räume z. Z. verlassen sind. Man kann das beobachten, wenn man i n Ihrem Lande reist. I n bestimmten Gegenden sieht man sogar schon leere Häuser. Nun ist meine Frage folgende: Zweifellos richtet sich jede Landesentwicklung, jede Entwicklung einer Gemeinde nach dem Ansatz von Arbeits-
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stätten. Nehmen Sie Einfluß auf die Verteilung der Arbeitsstätten, also der öffentlichen und privaten Dienste? Ich möchte die Frage etwas näher begründen. Ich könnte m i r denken, daß auch i n der Bundesrepublik solche leerstehenden Wohnungen i n absehbarer Zeit kommen, und zwar i n großer Zahl. Das mag an der Qualität liegen. Die Ansprüche sind gestiegen. Die schlechteren Wohnungen, insbesondere auf dem Lande, werden deshalb verlassen. Nun entsteht aber genau das, was Sie sagten, daß dann m i t diesen verlassenen Wohnungen ein großer Teil Investitionen brachliegt. Das ist w i r t schaftlich gesehen sehr schlecht. Aber auch für die andere Seite, nämlich die der Städte, der Ballungsgebiete, ist mindestens i n Frage zu ziehen, ob dies wirtschaftlich richtig ist. Ihre Karte zeigt es ja sehr deutlich. W i r haben die gleichen Erscheinungen i n unserem Lande. Die Abwanderungsgebiete stellen sich flächenmäßig sehr groß dar, während die Zuwanderungsgebiete sehr klein sind und sich auf die Städte konzentrieren. Wenn man nun zuläßt, daß Arbeitsstätten i n beliebigem Umfang i n diesen Zentren angelegt werden, so kann es nicht ausbleiben, daß binnen kurzem die Kommunen gezwungen sind, an den Staat heranzutreten wegen der vielen Investitionen, die sie selber aus eigener Kraft nicht mehr aufbringen können. Deswegen ist die Frage sehr interessant, wie und i n welchem Umfang die Standortwahl des freien Unternehmertums m i t den entsprechenden Kosten auf der einen und auf der anderen Seite von Ihnen aus beeinflußt wird. Wiss. Assistent
Baumert
Ich habe noch eine Frage zur Eigentumsstreuung. Vielleicht können Sie uns darüber Angaben machen, Herr Dr. Budinis: 1. über das Verhältnis der öffentlich geförderten zu frei finanzierten Wohnungen bei den Neubauten, und 2. über das Verhältnis zwischen i m Einzeleigentum befindlichen Häusern und denen, die i m Gesellschaftseigentum sind. Dann habe ich noch eine technisch Frage. Sie haben zum Schluß gesagt, daß die Durchschnittsraumzahl der Wohnungen 3,7 war. Das würde ich gerne wissen, was Sie da als Wohnraum rechnen, ob da Küchen, Flure usw. dazu gehören, oder ob Sie die gleiche Zählweise haben wie wir. Professor
Dr. Albers
Die Frage der Stadterneuerung, die ja eine der Themen der Tagung ist, muß ja doch wohl i n den Städten, die eine sehr starke Zuwanderung infolge der Industrialisierung haben, von ganz besonderer Bedeutung sein. Ich kann m i r vorstellen, daß zwar eine ganze Reihe von Problemen für
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die italienischen Städte ähnlich generell für die deutschen Städte bestehen. Aber ich kann m i r darüber hinaus vorstellen, daß die stark industrialisierten Städte i m Norden, die eine sehr hohe Zuwanderung erfahren — Sie haben uns ja einige Beispiele genannt —, ihre Struktur vollständig verändern müssen. Ich wäre dankbar zu wissen, ob etwa Sonderregelungen i n der neuen Gesetzgebung für solche Situationen ins Auge gefaßt sind.
Dr. Budinis Die Einteilung nach Regionen beruht auf der Verfassung vom Jahre 1946. Sie ist nur zum Teil durchgeführt worden. Regionen sind heute: Sizilien, Sardinien, Aostatal und Trient-Ober-Etsch. Das sind vier Regionen. I m restlichen Gebiet bestehen die Provinzen, die auch i n den Regionen nicht aufgehört haben, zu existieren. Die Verfassung sieht vor, daß die Regionen i m ganzen Lande eingerichtet werden, aber bis jetzt ist das noch nicht der Fall gewesen. Der ganze Verwaltungsapparat beruht also auf dieser Einteilung i n 92 Provinzen. Sie besteht schon seit 1861. Diese Provinzen entsprechen fast den französischen Departements. Diese Zentralisierung brachte es m i t sich, daß heute die städtebauliche Planung und die Regionalplanung dem Ministerium für öffentliche Arbeiten unterstehen. Die Verfassung sieht vor, daß der Städtebau grundsätzlich den Regionen zusteht. Für Enteignungen ist maßgebend das Gesetz von 1865, das heute, also nach 100 Jahren, noch i n K r a f t ist. Es sind zwar andere Gesetze wie z.B. 1882 für die Sanierung von Neapel zustande gekommen; aber sie fußen alle auf diesem Gesetz von 1865. Auch das gültige Städtebaugesetz vom Jahre 1942 bezieht sich i n bezug auf Enteignungsentschädigung ausdrücklich auf die Grundsätze des Gesetzes vom Jahre 1865. Vom neuen Städtebaugesetz haben w i r noch nichts. Es gibt einige Entwürfe, die jedoch bis jetzt vom Parlament noch nicht diskutiert worden sind. Wie diese Frage i n der Zukunft geregelt w i r d — sie w i r d unbedingt geregelt —, das wissen w i r noch nicht. Die verschiedenen Gesetzentwürfe weichen stark voneinander ab, wie man sich das vorstellen kann. Eine Stadtplanung w i r d rechtskräftig erst nach Bewilligung des Ministeriums. Das gilt für alle Städte. Das verlangsamt selbstverständlich. Ich sehe das z. B. i n Rom. I n Rom galt der Plan vom Jahre 1931. Er wurde später hinfällig. 1951 und 1952 hat man angefangen m i t der neuen Planung. Sie ist heute, i n diesem Augenblick, noch nicht rechtskräftig. 10
Speyer 21
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Uber den Wohnungsbedarf — das lesen w i r täglich i n Tageszeitungen und auch i n Fachzeitungen —, da kommen die tollsten Zahlen heraus, wenn man den Wohnungsbedarf quantitativ ausdrückt. Manchmal konnte man lesen: U m das Zusammen wohnen zu zwei oder drei Familien i n einer Wohnung auszuschalten, brauchen w i r soundso viele neue Wohnungen. Es wurde einfach eine Addition gemacht, als ob das ein arithmetisches Problem wäre. U m die Belegungsdichte von 1,3 auf 1,1 herunterzudrücken, brauchen w i r soundso viele, u m die Baracken auszuschalten, brauchen w i r soundso viele, macht zusammen soundso viel. Das ist natürlich sinnlos. Die Dinge liegen ganz anders. I n bezug auf das Zusammenleben möchte ich ein Beispiel erwähnen: eine Wohnung m i t Untermietern, was normal ist i n Großstädten; es kommen Studenten. Ein Wohnungsinhaber vermietet 3—4 Zimmer. Kommt der Tag der Erhebung, sind i n einer solchen Wohnung 4 Familien, 4 Haushaltungen. Das ist kein richtiges Zusammenwohnen wie i n Kopenhagen, wo zwei Familien sich miteinander zanken wegen derselben Küche usw. Diese ganze Untermiete muß man abziehen. Sie ist statistisch nicht erfaßbar, sie muß man schätzen. Einfach die Zahlen zusammenzählen, das geht nicht. Auch andere Irrtümer hat man bei der Ermittlung der Belegungsdichte festgestellt. Ich war sehr erstaunt, i m vorigen Januar i n einer W i r t schaftszeitung zu lesen, die Belegungsdichte sei u m soundso viel gesunken i n den letzten Jahrzehnten von einer Erhebung zur anderen. Ich konnte nicht verstehen, wie der Verfasser dieses Artikels zu diesem Ergebnis gekommen war; denn damals waren die Zahlen der unbesetzten Wohnräume noch unbekannt. Der Verfasser hatte auch die unbesetzten Wohnräume m i t berücksichtigt. Das ist nicht korrekt. Wenn man von Belegungsdichte spricht, dann darf man nur die besetzten Wohnräume berücksichtigen. Dann hat man auch, u m den Wohnungsbedarf qualitativ zu bestimmen, die Baracken hereingebracht. Das ist auch nicht richtig. Sehr wesentlich bei diesen Bestimmungen des quantitativen Wohnungsbedarfs ist die Voraussehbarkeit der Binnenwanderungen. W i r wissen, daß diese Binnenwanderungen i m allgemeinen langwellige Bewegungen sind, daß sie nicht auf einmal aufhören von einem Jahr auf das nächste. Aber die Zahl der Wandernden ist schwankend, so daß auf diesem Gebiete Voraussagen sehr schwierig sind. Auch die Demographen der UNO haben festgestellt, daß die vor dem Kriege i n bezug auf die Bevölkerungszahl der verschiedenen Länder gemachten Prävisionen alle falsch waren, nicht nur i n bezug auf die Menge, sondern auch i n bezug auf plus oder minus. Für einige Länder war eine Zunahme der Bevölkerung vorausgesagt worden. Das Gegenteil trat ein. Demographische Voraussagen sind sehr schwierig. Deshalb machen w i r keine.
Aussprache
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Zum Problem der leerstehenden Wohnungen und zu der Frage, ob die italienische Wirtschaftspolitik oder die Regierung einen Einfluß auf die Binnenwanderungen hat oder nicht, möchte ich folgendes sagen: Es bestand ein Gesetz — es rührte noch vom Jahre 1938 oder 1937 her —, auf Grund dessen der Einzug i n die Großstädte verboten war. Das ist vor 2 oder 2V2 Jahren aufgehoben worden, so daß eine Lenkung i n dieser Hinsicht nicht besteht. Diese Wanderungen sind zugelassen. Wo einer hingehen w i l l , das ist i h m überlassen. Das geschieht privatwirtschaftlich. Wo die Landarbeiter, die Industriearbeiter hinziehen, das ist ihre Sache. Die einzelnen Städte, die einzelnen Gemeinden können das nicht verbieten. Das bringt für einzelne Städte große Probleme mit sich. A m tragischsten ist dies für T u r i n gewesen. Der Grad der Belegungsdichte ist i n den letzten zehn Jahren i n ganz Italien u m 0,3, i n den Großstädten u m 0,20—0,25 v H gesunken. N u r i n T u r i n ist das nicht der Fall gewesen. I n T u r i n war 1961 die Lage tragischer als 1951, der Wohnungsmangel größer als 1951. Es ist eigenartig, das Verhältnis der Industriearbeiter zur Wohnbevölkerung ist geringer geworden, während i n Mailand und i n anderen Städten der Prozentsatz der Industriebevölkerung gegenüber der Wohnbevölkerung größer geworden ist. Trotz der großen Einwanderung ist also die Verhältniszahl: Industriearbeiter zur Bevölkerung i n T u r i n heute geringer als vor zehn Jahren. I n den Tageszeitungen werden schwere Kämpfe wegen der hohen Mieten ausgetragen, obwohl die Produktion i n den letzten Jahren sehr groß gewesen ist, 340 000 Wohnungen gebaut wurden. Dabei ist es fraglich, ob man noch mehr bauen kann; denn die Bauindustrie hat schließlich auch ihre Grenzen. Das Problem liegt vor allem i n der Landflucht. Auf dem Lande müssen andere rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse geschaffen werden, damit die Leute nicht ausziehen. Das landwirtschaftliche Grundeigent u m ist zumal i m Süden sehr zerstreut. Da sind kleine Grundstücke von 3—4—5 ha. Sie sind unrentabel. Ich möchte ein Beispiel erwähnen: Ein kleines Gut, das ich besichtigt habe, zwischen Rom und Neapel; das Gut war etwa 5 ha groß. Der Bauer baute Getreide, obwohl i n der Gegend — bei Fondi — auch Orangen wachsen. Die Orangen bringen einen Ertrag, der 7- oder 8mal größer ist als der von Getreide. Aber sein Gut war zu klein, er konnte keine Orangen bauen. Eine Agrarreform wäre notwendig. A n sie ist heute jedoch gar nicht zu denken. Es sind i n Italien 3 Typen von Finanzierungen zu unterscheiden. Die ganz freie Finanzierung, die freie Finanzierung m i t Steuervergünstigungen und die Finanzierung durch staatliche Subventionen. Die letzte Gruppe macht, gemessen an deutschen Verhältnissen, ziemlich wenig aus, i n den letzten Jahren 16—22 vH. 10*
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Aussprache
Für die frei finanzierten Wohnungen m i t Ausnahme der Luxuswohnungen ist seiner Zeit eine Steuervergünstigung für 25 Jahre gewährt worden. Diese Zeit von 25 Jahren ist jetzt verkürzt worden, und zwar hat man gestaffelt: Die Wohnungen, die i n den nächsten Jahren gebaut werden, werden nur noch 25, 20, 18,14 Jahre steuerfrei sein. A u f die andere Frage, i n welchem Maße nämlich Einzelunternehmen oder Gesellschaften am Bau der frei finanzierten Wohnungen beteiligt sind, kann ich keine A n t w o r t geben. Die Wohnungsgröße w i r d wie i n allen Staaten berechnet. Die Küche gilt als Wohnraum, wie das i n Deutschland der Fall ist. Das Bad zählt nicht als Wohnraum. Herrn Prof. Albers möchte ich folgendes sagen: Als ich seinerzeit von Prof. Dr. Ule die Einladung bekam, da war ich über das Thema dieses Kongresses: „Städteerneuerung und Eigentumsordnung" überrascht. Ich fand es sehr erfreulich, daß i n Deutschland dieses Stadium der Städteerneuerung schon erreicht ist. W i r sind noch nicht so weit. Bei einer Binnenwanderung von nahezu einer halben M i l l i o n Menschen i n einem Jahr haben w i r keine Zeit, die Städte zu erneuern. Hoffentlich werden w i r dazu kommen. W i r müssen diese Leute schnell irgendwo unterbringen, die Städte erweitern. Aber die Frage ihrer Erneuerimg ist noch nicht aktuell. Außerdem gibt es noch verschiedene Hindernisse i n dieser Beziehung. Es besteht noch eine Wohnungszwangswirtschaft. Sie ist bis jetzt noch nicht abgeschafft worden. Es ist sogar jetzt ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, u m die Zwangswirtschaft noch einige Jahre zu verlängern. Also so weit sind w i r nicht. Herr M a r t i aus Zürich hat eine Frage gestellt, die Bozen betrifft. Ich kenne Bozen leider nicht und bin nicht i n der Lage, darüber eine A n t wort zu geben. Zum Schluß möchte ich noch ein Problem erwähnen, das sicherlich nicht nur i n Italien besteht, sondern überall. W i r sehen heute, wie eine große Zahl von Wohnungen i m Zentrum i n Büroräume umgewandelt wird. Das ist eine städtebauliche Wandlung von großem Format. Sie ist — wenigstens i n Italien — statistisch kaum erfaßbar. Es ist bei uns nicht so wie i n London; wenn dort eine Wohnung i n ein Büro umgewandelt wird, so ist dies genehmigungspflichtig und damit statistisch erfaßbar. W i r wissen das nicht. W i r merken nur, daß irgendein Stadtviertel i m Jahre soundsoviel soundso viel Einwohner hatte, und daß diese Einwohnerzahl zwei Jahre später gesunken ist. Das ereignet sich i n jeder Großstadt. Es ist gar nicht zu verhindern. Dies ist ein Problem, das bei der Städteerneuerung sehr wichtig werden könnte.
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Dr. Ule
Für diese Ergänzung, die uns Herr Dr. Budinis gegeben hat, b i n ich dankbar. Ich glaube, durch die Referate des gestrigen Tages — Schweiz und Österreich — haben w i r doch einen Eindruck von der Eigenart dieser Länder i n bezug auf die uns hier interessierenden Fragen erhalten. Das ist durch diesen Vortrag heute sehr stark bestätigt worden. Offenbar sind die Verhältnisse i n Italien ganz anders als bei uns. Ich habe mich gefragt — und das werden Sie verstehen —, als ich den Vortrag von Herrn Dr. Budinis einige Tage vorher bekam, weshalb er wohl i n dieser Weise das Thema angefaßt hat, und meine A n t w o r t war darauf, weil die Probleme, die w i r haben, bei i h m gar nicht existieren. Dies ist auch durch das Schlußwort von i h m bestätigt worden. Er sagt m i t Recht, so weit, daß w i r an Städteerneuerung denken können, sind w i r noch gar nicht. Wenn man aber noch nicht soweit ist, kann auch das Problem Städteerneuerung und Eigentumsordnung noch nicht auftreten. Das haben w i r nicht gewußt, als w i r einen italienischen Herrn baten, hier zu sprechen. Aber ich glaube, gerade deshalb ist es besonders eindrucksvoll, einmal zu hören, wie i m mitteleuropäischen Raum die Dinge so verschieden sind, wie w i r das i m Laufe dieser Tagung erfahren haben und wohl noch erfahren werden.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Belgien* Von Franz Wastiels
I.
Anfangs möchte ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Übersicht über die Lage i n Belgien geben. Belgien hat eine Bevölkerung von neun Millionen Einwohnern. Ein Drittel der Landesfläche w i r d nur von 500 000 Einwohnern bewohnt, das sind 10 000 qkm, das sog. „Oberbelgien", ein hügeliges Land m i t vielen ausgedehnten Wäldern. Raum ist hier reichlich vorhanden, und die kleinen Städte haben keine schwierigen Ausbauprobleme zu lösen. Ganz anders sind die Verhältnisse i n Nieder- und Mittelbelgien. Diese Gebiete machen die übrigen zwei Drittel des Staatsgebietes aus, und ihre Bevölkerung beträgt 8 500 000 Einwohner. Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von ungefähr 420 Personen pro qkm. Die Stadt Brüssel liegt mitten i n diesem Raum, dessen Abmessungen kaum 200 k m i n der Länge und 100 k m i n der Breite übersteigen. Hier findet man auch eine Konstellation von drei Großstädten (die Agglomerationen von Brüssel, Antwerpen und Lüttich) und etwa hundert Kleinstädten, die nicht weit voneinander entfernt sind, und schließlich zahlreiche Dörfer i n den Zwischenräumen. I n einem Umkreise von 60 km, vom Marktplatz der Stadt Brüssel aus, leben 6 Mill. Personen. Diese Konzentration von Städten ist eine der fünf wichtigen Konzentrationen i m nordwestlichen Teil Europas. Die übrigen findet man i n der Londoner Agglomeration, i n der Pariser Agglomeration, i n der Ringstadt Holland sowie i m Ruhrgebiet. Genau wie die beiden letztgenannten Gebiete enthält das Ballungsgebiet Belgiens mehrere benachbarte Städte, die sich gleichzeitig entwickeln. I m Gegensatz zu London und Paris hat Belgien gegenwärtig hinsichtlich der Städtekonzentration keine schwierigen Dezentralisierungsprobleme zu lösen. M i t der Stadt Brüssel und ihrer Umgebimg, der größten Gebäudekonzentration i m * Ein Schrifttumsverzeichnis befindet sich i m Anhang I I , S. 266 f.
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Franz Wastiels
Lande, erreicht die Entwicklung ihren Höhepunkt, so daß eine vorausschauende Planung i n absehbarer Zeit erforderlich sein wird. Die seit einigen Jahren von der belgischen Regierung geführte Polit i k bezweckt die Gründung von Industrien i n wenig industrialisierten Gegenden, u m die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und die Fahrzeiten der Arbeitskräfte zu vermindern. Man darf hierbei nicht außer acht lassen, daß der belgische Arbeiter, anstatt sich i n der Nähe seines Arbeitsplatzes niederzulassen, eine bisweilen mehrstündige tägliche Fahrt zur Arbeitsstelle nicht scheut, u m seine Heimatgemeinde nicht zu verlassen. M i t Rücksicht darauf werden seit Jahren ermäßigte Arbeiterfahrkarten ausgegeben. (Der Preis der Arbeiterfahrkarte — sechs Fahrten i n der Woche — ist dem einer einzigen gewöhnlichen Fahrt gleich.) Die Streuung der Wohnungen, das Ergebnis einer alten Tradition aus der Zeit vor der Französischen Revolution, kann man leicht verstehen, wenn man weiß, daß Belgien 2663 Gemeinden zählt, von denen mehr als 1100 eine Einwohnerzahl unter 1000 haben. Die Dörfer bestehen i n manchen Fällen aus zahlreichen Weilern und aus Bauten, die ihrer A n ordnung nach den Rosenkranzkügelchen ähnlich sind (Bandbebauung). Infolge der obenerwähnten Streuung mußten während der letzten zwanzig Jahre große Opfer auf dem Gebiete der Investitionen gemacht werden. Daraus ergibt sich, daß die Grundeigentümer, deren Grundstücke längs dieser Straßen gelegen sind, der festen Uberzeugung sind, daß es sich bei ihrem Grundbesitz u m Baugrund handelt, so daß sie sehr erstaunt sind, wenn die Städtebauverwaltung ihre Auffassung nicht teilt. Nachdem ich auf diese wichtigen Punkte hingewiesen habe, möchte ich nun die Verhältnisse hinsichtlich des Eigentumsrechtes und auf dem gesetzlichen Gebiet genauer betrachten. IL Aus der Geschichte Belgiens ist uns bekannt, daß die Belgier sich empört und sogar m i t der Waffe gekämpft haben bei jedem Versuch, ihre Freiheit einzuschränken, oder wenn ihre Fürsten zu hohe Abgaben verlangten. Daher darf man sich nicht darüber wundern, daß der Belgier aus der Legaldefinition des Eigentumsrechtes nach dem Code Napoléon (Art. 544) vor allem den ersten Satz i m Gedächtnis behält: „Eigentum ist das Recht, die Sachen auf die absoluteste Weise zu genießen und über sie zu verfügen", während er oft den zweiten Satz außer acht läßt: „Vorausgesetzt, daß man davon keinen Gebrauch macht, der durch Gesetze oder andere Regelungen untersagt ist". Das belgische Parlament hat sich u m die Interessen der Grundeigentümer besonders gekümmert, als es die Absicht hatte, die Ausübung ih-
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in
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rer Rechte i m öffentlichen Interesse einzuschränken. Nach dem Wortlaut eines 1873 erlassenen Gesetzes über die militärischen Befestigungsanlagen der Stadt Antwerpen müssen die Eigentümer der m i t Beschränkungen belasteten Grundstücke entschädigt werden. Nach einem 1930 erlassenen Gesetz muß eine ähnliche Entschädigung den Eigentümern jener Grundstücke zukommen, die i n der Nähe von Flugplätzen liegen, wo die Höhe der Bauten einer Begrenzung unterworfen ist. Der Eigentümer von Grundstücken i n einer von der Regierung geschützten Landschaft ist berechtigt, eine Entschädigung zu beanspruchen, wenn er den Beweis erbringt, daß i h m wegen des erlassenen Bauverbots ein Schaden zugefügt wird. Verliert das Grundstück mehr als die Hälfte seines Verkehrswertes, so kann der Staat von dem betreffenden Eigentümer zum Ankauf des Grundstücks gezwungen werden. Viele andere Beispiele könnte ich weiter anführen. Aus allem geht hervor, daß der Gesetzgeber der Meinung war, daß jede bedeutsame Beschränkung des Grundeigentums durch Entschädigung ausgeglichen werden müßte. Die auf Grund von Gemeindebauordnungen angeordneten Beschränkungen des Eigentumsrechtes gewähren keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Daß der Belgier u m die Verteidigung seiner Interessen sehr besorgt ist, konnte seit 1945 genau beobachtet werden. I m Laufe dieses Jahres übernahm die dem Minister unterstehende Städtebauverwaltung die Befugnisse der Bauaufsicht i n den Städten sowie in vielen Gemeinden. Einige erstellten Wiederaufbaupläne. Diese Pläne gaben deshalb zu Beanstandungen Anlaß, weil sie 1. zu umständlich waren und dem Eigentümer nur eine unbedeutende Freiheit übrigließen, 2. w e i l ein großer Teil der Grundstücke einer Enteignung unterworfen werden sollte, und 3. w e i l sie ein Bauverbot i n gewissen Zonen des Hoheitsgebietes zur Erhaltung landschaftlicher Schönheiten oder zum Schutze der Landwirtschaft zur Folge hatten (z.B.: Schutz der Dünen an der Küste, des Maastales, der Wälder i n den Ardennen). Die einstweilige Gesetzgebung vom 2. Dezember 1946 über den Städtebau — richtiger über den Wiederaufbau — enthielt folgende Bestimmung: „Die Beschränkungen des Eigentumsrechtes gewähren keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung, wenn sie infolge städtebaulicher Maßnahmen eintreten." Von einigen Eigentümern wurden Anträge auf Entschädigung wegen eines sog. „außergewöhnlichen"
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Schadens eingereicht. Es handelt sich hierbei u m einen ganz neuen Begriff nach dem Gesetz von 1946 über die Errichtung eines Staatsrates. Da diese Anträge erfolglos blieben, sah sich die Regierung — bedingt durch eine starke Gegenströmung — veranlaßt, ein Gesetz über den Städtebau und die Landesordnung auszuarbeiten. Dieses Gesetz vom 29. März 1962 wurde von den gesetzgebenden Kammern und vom König angenommen. I m Rahmen dieses Gesetzes werden nun die Behördenbefugnisse sowie die Eigentumsrechte geprüft. III. A l l g e m e i n e G r u n d s ä t z e der belgischen Gesetzgebung A m 15. Januar 1957 wurde von der Regierung, auf Vorschlag des für den Städtebau zuständigen Ministers für öffentliche Arbeiten, ein Ausschuß von 20 Personen gegründet. Dieser Ausschuß bestand aus 10 Mitgliedern beider gesetzgebenden Kammern sowie aus 10 hohen Beamten der verschiedenen Staatsverwaltungen. Die Aufgabe dieses gemischten Ausschusses war es, die Grundsätze eines Gesetzes über Städtebau und Landesplanung zu erarbeiten. Dem Ausschuß wurde von der Regierung ein Entwurf, welcher etwa zehn Grundsätze enthielt, vorgelegt. Darunter sind u. a. folgende Grundsätze: Erster Grundsatz Sämtliche Gemeinden müssen dem neuen Gesetz unterworfen
werden.
Zweiter Grundsatz Die Bauleitpläne
müssen eine gewisse Toleranz aufweisen.
Dem gemischten Ausschuß gab die Regierung folgende Erläuterungen: „Oft sind die zwingenden Bestimmungen der Bauleitpläne bei ihrer Durchführung i n Einzelfällen kritisiert worden, insbesondere bezüglich des Baugenehmigungsverfahrens. I n manchen Fällen ist die K r i t i k darauf zurückzuführen, daß der Belgier rechtsetzende Bestimmungen nur ungern exakt befolgt. I n anderen Fällen aber ist die K r i t i k zweifellos begründet. Gewisse, von örtlichen Sachverständigen aufgestellte Bauleitpläne, welche nachher durch die verantwortlichen Gemeinderäte ohne Prüfung angenommen wurden, sind bezüglich der Baubedingungen entweder zu stark hemmend für die bauliche Entwicklung oder zu kompliziert, so daß sie die Gemeinde ersticken und die normale Ausübung des Eigentumsrechtes behindern." Dritter
Grundsatz
Die Beschränkungen des Eigentumsrechtes gewähren keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Eine Entschädigung wird nur dann bewilligt, wenn ein außergewöhnlicher Schaden infolge eines Bauverbots entstanden ist.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in
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Wie bereits näher erklärt, hat das Parlament diese Grundsätze angenommen. Es lehnte aber den Begriff eines „außergewöhnlichen Schadens" ab. Dieser wurde durch „schweren Schaden" ersetzt. Vierter
Grundsatz
Grundsätzlich ist die Bauaufsicht eine Aufgabe der Gemeinde. Solange der Bebauungsplan nicht genehmigt ist, hat die dem Minister unterliegende Städtebauverwaltung für die Wahrnehmung bauaufsichtlicher Befugnisse Sorge zu tragen. I n dieser Sache war der gemischte Ausschuß folgender Meinung: „Die Grundsätze eines gesunden Städtebaues sind heute i n unserem Lande noch zu neu, u m ihre Beurteilung i m Baugenehmigungsverfahren ausschließlich den örtlichen Verwaltungen überlassen zu können. Dieselben müssen sich m i t dem Verfahren vertraut machen. Andererseits müssen sie von den Beeinflussungen dritter Personen befreit werden. Manche Gemeinden verfügen über kein Fachpersonal oder sind starken Beeinflussungen ausgesetzt. Hier kann das Eingreifen der Städtebauverwaltung den Entscheidungen einen unparteiischen, objektiven und angemessenen Inhalt geben." Fünfter
Grundsatz
Jede Einteilung pflichtig.
von Baugrundstücken
in Parzellen ist genehmigungs-
Der gemischte Ausschuß hat zugegeben, daß Mißbräuche aus Spekulationsgründen entstanden sind, die aber auch zum Teil auf die Unerfahrenheit und die Nachlässigkeit der Gemeindeverwaltungen zurückzuführen sind. IV. Nun möchte ich die hauptsächlichen Punkte der Gesetzgebung i m großen Rahmen darlegen. Die
Bauleitpläne
Die örtliche Planung obliegt den Gemeinden. Selbstverständlich können die kleinen Gemeinden — m i t weniger als 1000 Einwohnern — von der Verpflichtung, Pläne aufzustellen, entbunden werden. Für diese Gemeinden, die fast die Hälfte der Gemeinden ausmachen, w i r d die Staatsverwaltung einen Plan aufstellen, welcher das Gebiet von 10, 20 oder 30 Gemeinden umschließt, was i m Gesetz unter dem Namen „Sektor" bezeichnet wird. Das Land ist vorläufig i n Sektoren und Regionen eingeteilt worden; es gibt 33 Regionen; jede Region enthält 2 bis 5 Sektoren. Die Gesamtzahl der letzteren beläuft sich auf 46.
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Also gibt es drei hauptsächliche geographische Einheiten: Region — Sektor — Gemeinde. Region und Sektor hängen von der Staatsverwaltung ab; für die Gemeinde ist die Gemeindeverwaltung zuständig. Som i t ist die Provinzialverwaltung — Belgien zählt neun Provinzen — keine Planungsbehörde. I n einem Jahr w i r d die Staatsverwaltung — d.h. das Ministerium für öffentliche Arbeiten — über sämtliche Vorstudien für die Regionalpläne verfügen. Bis auf eine wurden die Vorstudien Privatplanern überlassen. Während einer zweiten Phase w i r d der Bauleitplan ausgearbeitet werden. Wahrscheinlich w i r d den Sektorenplänen der Vorzug gegeben werden: Der Sektor ist kleiner als die Region. Daher ist es leichter, den Sektorenplan durch die betreffenden Gemeinden sowie durch die übrigen Behörden annehmen zu lassen. Vor allem ist der Bauleitplan ein Flächenaufteilungsplan. Der Bauleitplan gibt aber auch Aufschluß über das Verkehrsstraßennetz sowie über die Vorschriften für die Bodennutzung. Andererseits kann er als Enteignungs- bzw. Umlegungsgrundlage angewandt werden. Das Genehmigungsverfahren des Bauleitplanes*ist nicht einheitlich. Uber die Gemeindepläne entscheidet der Gemeinderat. Von i h m w i r d der Plan nach vorheriger Bekanntmachung öffentlich ausgelegt. Der Plan w i r d ferner einem Ausschuß, dessen Mitglieder soziale und w i r t schaftliche Interessen vertreten, zur Begutachtung vorgelegt. I n den Städten m i t mehr als 10 000 Einwohnern w i r d ein Ausschuß gebildet. Für die fünf Agglomerationen des Staatsgebietes — Brüssel, A n t werpen, Lüttich, Charleroi und Gent — w i r d ein Ausschuß gebildet, dessen Zuständigkeit sich auf das ganze Agglomerationsgebiet erstreckt. Schließlich w i r d i n jeder Region ein Ausschuß bestellt. Der Zweck dieser Ausschüsse besteht darin, die Eigentümer sowie die Allgemeinheit zu dem Genehmigungsverfahren heranzuziehen. I n der Tat wurden viele Bauleitpläne bis jetzt unter Ausschluß der Öffentlichkeit erarbeitet und genehmigt. Manche Gemeindevertreter befürchten aber, daß nur die gewinnsüchtigen Grundeigentümer aus der Errichtung ähnlicher Ausschüsse einen Vorteil ziehen und daß es daher ratsam sei, die Pläne bis zu deren endgültigen Genehmigung unter Ausschluß der Öffentlichkeit auszuarbeiten. Mehrere Gemeinden besitzen übrigens einen allgemeinen Planentwurf für i h r Gebiet. Jedoch versäumen sie es, diesen Entwurf dem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen. Die Sektorenpläne und Regionalpläne bedürfen der Stellungnahme der Gemeinden, einer vom Provinzverwalter einzuleitenden Auslegung, eines Gutachtens der provinzialen Exekutivbehörde und des regionalen Ausschusses. Sämtliche Pläne werden vom König auf Vorschlag des Ministers für öffentliche Bauarbeiten, dem die Städtebauverwaltung untersteht, genehmigt.
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Was die Rechtsverbindlichkeit obiger Pläne angeht, ist zu bemerken, daß ausschließlich die Gemeindepläne für Privatpersonen eine bindende Wirkung haben, d.h., daß ein Verstoß gegen den Plan m i t Geldstrafen bis zu 320 D M geahndet wird, wobei den Zuwiderhandelnden die Verpflichtung auferlegt werden kann, den früheren Zustand des Grundstücks wiederherzustellen. Die Regional- bzw. Sektorenpläne sind für sämtliche Behörden (zentrale — provinziale — und Gemeindeverwaltungen) verbindlich. Der Inhalt der Pläne ist nicht einheitlich. Selbstverständlich ist der Viertelplan — der sog. „besondere Plan" (der Bebauungsplan des deutschen Rechts), welcher sich nur auf einen Teil des Gemeindegebietes bezieht, ausführlicher als der Sektorenplan. I m allgemeinen gibt der Bebauungsplan die bauliche Begrenzung an, d.h. die Grenzen bezüglich Fläche und Höhe. Zahlreich sind die Beschränkungen i n baulicher Hinsicht. Solche Vorschriften geben zu täglichen Beanstandungen Anlaß. I n gewissen Fällen sind sie zu umständlich i n der Handhabung (es sei hier bemerkt, daß die meisten Verfasser dieser Pläne von Beruf Baumeister sind). M i t Rücksicht auf die eingetretenen Schwierigkeiten mußte eine gewisse Milderung der obenerwähnten zwingenden Vorschriften gefunden werden. Seit 1954 w i r d bei der Durchführung des Planes eine größere Ermessensfreiheit zugestanden. Danach steht es den Beamten der Städtebauverwaltung frei, auf Vorschlag des Bürgermeisters und des Schöffenkollegiums, von den Vorschriften des Bebauungsplanes abzuweichen und eine Baugenehmigung zu erteilen. Die Abweichungen können sich auf die Höhe, Breite und Tiefe der Bauten beziehen. Diese Milderung hat der Gesetzgeber gewollt, u m auf diese Weise den Plänen eine gewisse Flexibilität zu geben. Wie es scheint, w i r d i n Belgien allmählich ein gesundes Gleichgewicht i n dem Maße gefunden, als die Städtebauvorschriften verstanden und anerkannt werden und die Techniker sich an die Aufgabe eines Treuhänders der Gesellschaft gewöhnen. Bevor dieses Gleichgewicht erreicht wurde, mußte aber eine Zeit vergehen, während der die Städtebauverwaltung so unpopulär wie die Steuerverwaltung war — was bedeutungsvoll ist. V. D e r
durch einen Bebauungsplan zugefügte Schaden
Das Parlament hat entschieden, daß die dem Eigentum auferlegten Beschränkungen — m i t Ausnahme der Beschränkungen i m Zusammenhang m i t Bau- oder Parzellierungsverboten — keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung gewähren. A u f Grund des Gesetzes vom 29. März
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1962 w i r d Anspruch auf Entschädigung dann gewährt, wenn eine i m Bebauungsplan festgelegte Nutzimg infolge eines erlassenen Baubzw. Parzellierungsverbots aufgehoben wird. Jedoch muß die Wertminderung des Grundstücks mindestens 20 v H des Wertes betragen. I n keinem Falle sind Umfang des Schadens und Höhe der Entschädigung gleich: Erreicht der Schaden 40 v H des Wertes eines Grundstücks, so w i r d dessen Eigentümer nur 20 v H dieses Wertes als Entschädigung erhalten. Besitzt der Antragsteller andere durch denselben Bebauungsplan erfaßte Grundstücke, deren Wert infolge der Inkraftsetzung des Planes oder m i t Rücksicht auf die von den Behörden ausgeführten Arbeiten steigt, so w i r d die Entschädigung herabgesetzt oder sogar abgelehnt. A u f Grund des Gesetzes w i r d dann keine Entschädigung bewilligt, wenn nach dem Plan untersagt ist, ein Grundstück, welches unter Berücksichtigung der Ortsverhältnisse keinen Zugang zu einer ausreitend ausgestatteten Straße hat, i n Parzellen einzuteilen oder auf diesem Grundstück zu bauen. Für die Anträge auf Entschädigung sind die Zivilgerichte zuständig. Da bis jetzt kein Antrag auf Entschädigung eingereicht wurde, ist es noch nicht möglich, die praktischen Auswirkungen dieser gesetzlichen Bestimmung zu beurteilen. Vor der Veröffentlichung des Gesetzes sind mehrere Anträge auf Entschädigung gestellt worden. Uber dieselben hatte der Staatsrat dem Minister oder der Gemeinde ein Gutachten abzugeben. I n keinem Falle wurde den Anträgen bisher entsprochen, weil der Staatsrat davon ausgegangen ist, daß die Beschränkungen i m Städtebau notwendigerweise viele Staatsbürger beträfen und daß es ferner als normal anzusehen sei, nach den Bebauungsplänen jede Umwandlung von Grundstücken i n Baugrund zu untersagen, und daß jede Spekulation über den künftigen Gewinn einer Parzellierung m i t Risiko verbunden ist. VI. Früher war die Verwaltung keinesfalls dazu verpflichtet, eine verfügte Enteignung innerhalb einer bestimmten Frist durchzuführen. Entstand dadurch ein Schaden — z.B. wenn das Grundstück nicht mehr vermietet werden konnte —, so gewährte das Gericht eine Entschädigung wegen Beeinträchtigung der Verfügungsgewalt über das Grundstück. Die Entschädigung wurde bei der Durchführung der Enteignung gewährt. Da die seit 1945 genehmigten Bebauungspläne — bei einem solchen handelt es sich u m ein langfristiges Programm — fast immer Enteignungen enthielten, sind sie viel kritisiert worden. Deshalb entschloß sich die Regierung, i n das Gesetz vom 29. März 1962 eine Bestimmung einzubauen, wonach der Eigentümer zehn Jahre nach Genehmigung des Planes Auskunft darüber verlangen kann, ob die Ent-
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eignung noch vorgesehen ist. Bestätigt die Verwaltung die weitere Enteignungsabsicht, so kann eine Entschädigung unter den obenerwähnten Bedingungen verlangt werden. VII. Alle Länder haben sich u m die durch den Plan entstandenen Schäden gekümmert. Nicht gerade zahlreich sind diejenigen Pläne, i n denen ein zuverlässiges Verfahren vorgeschrieben wurde, wonach die Behörden die durch einen Städtebauplan entstandenen Ausgaben wiedererlangen können. I n Belgien gibt es nur zwei Möglichkeiten, um den Eigentümer zu Investitionsausgaben zu veranlassen. I n den Großstädten besteht eine Regelung, nach der die durch die Anlage einer Straße (Grundstück, Befestigung, Wasserleitungen) entstandenen Kosten auf die Anlieger umgelegt werden können. Andererseits kann die Gemeinde die Genehmigung zur Parzellierung von der Verpflichtung abhängig machen, alle erforderlichen Ausstattungsarbeiten i n den anzulegenden Straßen auszuführen und Grundstücke für Grünflächen bereitzustellen. I n Belgien ist die Parzellierungsgenehmigung ein wichtiges Instrument für den Städtebau. Der Grund dafür ist, daß sich viele bedeutende private Immobiliengesellschaften — einige werden von Banken finanziert — m i t der Gründung neuer Wohnviertel beschäftigen und daß die meisten Baugrundstücke von Privateigentümern bereitgestellt werden. (Die für die sozialen Wohnungen zuständigen öffentlichen Gesellschaften erstellen nur 15 v H der Wohnungen.) I m Gegensatz zu den meisten Städten der Niederlande betreiben die Gemeinden keine Bodenvorratswirtschaft. Wie von m i r bereits erwähnt wurde, wurden viele Dörfer Belgiens nach der Bandbesiedlung gebaut. Alle Anlieger, die ein Grundstück längs der Straßen besitzen, hoffen, daß sie eines Tages die Möglichkeit haben werden, dieses Grundstück als Baugrund veräußern zu können. Diesen Personen gegenüber ist die Parzellierungsgenehmigung das einzige M i t t e l zur Verhinderung einer übertriebenen Bodenspekulation vor Genehmigung des Bebauungsplanes. Daraus ergibt sich, daß die Aufgabe der Städtebauverwaltung darin besteht, die Einteilung i n Parzellen vor Genehmigung des Bebauungsplans zu überwachen. Diese Aufgabe verursacht viel Arbeit. Nur schwer kann man den Eigentümer überzeugen, daß die Lage seines Grundstücks ungünstig ist, daß es als Grünfläche vorgesehen ist oder daß m i t Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse und die mangelnde Ausstattung die Parzellen zu klein sind. Selbstverständlich verfügt die Behörde über ein Recht zur freien Würdigung. Sie
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ist aber Einflüssen politischer und anderer Personen ausgesetzt, so daß sie keinen vollkommenen Erfolg erwarten darf. VIII. Über das Bereitstellen von Baugrundstücken hat der Premierminister 1959 von dem zentralen Wirtschaftsrat, einem aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebildeten beratenden Organ, ein Gutachten eingeholt. Der Wirtschaftsrat stellte fest, daß der Grundstücksbedarf einer expansiven Gemeinschaft keinesfalls ausreichend und zu dem günstigeren Preise des Bodenmarktes gedeckt sei. Was die Hilfsmaßnahmen auf diesem Gebiete betrifft, ist der W i r t schaftsrat der Meinung, daß die Behörden das doppelte Ziel — d.h. mäßige Preise und zufriedenstellenden Ablauf des Bauvorganges — dann erreichen könnten, wenn sie auf dem M a r k t als Verkäufer von Grundstücken aufträten. Einige Gemeindeverwaltungsbehörden hätten ferner den Beweis erbracht, daß eine solche Normalisierung des Grundstücksmarktes möglich sei und daher von allen Kreisen der Nation gebilligt werden könnte. Schließlich erklärt der zentrale Wirtschaftsrat, daß die Grundstückspolitik den Erfordernissen der Allgemeinheit sowie dem unveränderten traditionellen Inhalt des Eigentumsrechtes Rechnung tragen könne. Man kann jedoch nicht sagen, daß die Gründung von entsprechenden Gemeindeverwaltungsbehörden überall möglich war. Manche Gemeinden sind zu klein, ihre Finanzlage ist ungünstig, örtlich bedeutende Interessen stehen auf dem Spiele. Zur Bekämpfung dieses Übelstandes hat der Rat die Gründung von regionalen Grundstücksverwaltungsbehörden empfohlen. Bis heute wurde dieser Empfehlung aus dem Jahre 1960 keine Folge geleistet. Jedoch scheint es, daß eine andere Lösung sichtbar wird. Da die Gemeinden über keine ausreichenden Geldmittel verfügen, vereinigen sie sich zu „Interkommunalen Verbänden für Wirtschaftliche Entwicklung und Landesplanung". Seit fünf Jahren sind etwa zehn Verbände gegründet worden. Andere werden geplant. IX. Belgien war das erste Land Europas, dem ein Gesetz zur Verfügung gestellt wurde, wonach die Gemeinden ermächtigt waren, zwecks Sanierung alter und Gründung neuer Wohnviertel Grundstücke zu enteignen. Dieses Gesetz, dessen Titel „Gesetz über die Zonenenteignung" war, wurde 1858 und 1867 ausgearbeitet. Es wurde wegen Geldmangels selten angewandt. Erst nach 1945 hat die Staatsverwaltung das Gesetz i n den kriegsgeschädigten Gemeinden oft
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angewandt, und zwar i m Rahmen der Wiederaufbaupläne, die eine Umlegung der unregelmäßigen und zu kleinen Parzellen bezweckten. Das neue Gesetz enthält dieselben Bestimmungen. Die Enteignung wegen industrieller Interessen ist zur Gewohnheit geworden. Nicht alle Grundeigentümer sind m i t der Beschlagnahme ihrer Grundstücke einverstanden. Die Entschädigungsbeträge sind aber so hoch, daß sie m i t dem heutigen Verkehrswert übereinstimmen. Es handelt sich bei diesem Wert eher u m einen psychologischen als u m einen wirtschaftlichen Wert, d. h. er übersteigt den heutigen Gebrauchswert bei weitem. Aus diesem Grunde haben mehrere wirtschaf tliche Körperschaften die Regierung aufgefordert, hierzu Gesetze zu erlassen. I n dieser Hinsicht enthält ein i m Frühjahr eingereichter Gesetzesvorschlag eine Vorschrift, welche derjenigen der Gesetzgebung über den Städtebau (seit 1946) ähnlich ist. Auf Grund derselben ist der Mehrwert, der von der i m Bebauungsplan vorgesehenen Nutzung des Grundstückes oder infolge der von Behörden ausgeführten Arbeiten herrührt, nicht entschädigungsfähig. Wie es scheint, ist den Verfassern des Vorschlages nicht bekannt, daß eine solche Vorschrift deshalb nicht anwendbar ist, weil man nie den Beweis erbringen kann, daß ein Mehrwert infolge eines bestimmten Planes oder einer bestimmten Arbeit entstanden ist. Außer der rein theoretischen Vorschrift über den Mehrwert, welcher infolge der i m Bebauungsplan vorgesehenen Nutzung des Grundstücks oder wegen der von den Behörden zwecks Ausführung eines Bebauungsplanes vorgenommenen Arbeiten entsteht, enthält das Gesetz eine zweite Vorschrift, welche folgenden Wortlaut hat: „ W i r d eine Enteignung i n verschiedenen Phasen durchgeführt, so ist der bei der ersten Phase bewilligte Entschädigungsbetrag für die übrigen Phasen maßgebend." Hierzu mache ich darauf aufmerksam, daß letztere Vorschrift i n der Praxis — nach den Angaben der beim staatlichen Enteignungsamt beschäftigten Sachverständigen — nicht anwendbar ist, weil die Grundstückspreise aus verschiedenen Gründen steigen. Außerdem könnte ein Enteigneter kaum verstehen, weshalb er weniger als seine Nachbarn bekommt, die — durch keine Enteignung betroffen — ohne jeden Zwang veräußern können. Das sind die einzigen Vorschriften, welche i m Gesetz enthalten sind. Die Festsetzung der Entschädigung ist völlig dem freien Ermessen der Gerichte überlassen worden. I n den meisten Fällen w i r d von den Gerichten ein angemessener Betrag gewährt. Vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet, bedeutet die Enteignung für den Eigentümer kein Unglück. Manchmal findet er darin seinen Vorteil. 11
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Damit Sie die allgemeine Atmosphäre, i n der die Entschädigungen festgesetzt werden, richtig beurteilen können, ist es meines Erachtens zweckmäßig, Ihnen die Auffassimg des Direktors der Grundstücksverwaltungsbehörde der Gemeinde Anderlecht i n Groß-Brüssel m i t zuteilen. Er schreibt darüber folgendes: „Aus eigener Erfahrung müssen w i r gegen die gerichtlich angeordneten Enteignungen das größte Mißtrauen hegen. Die den Entscheidungen der Gerichte zugrunde liegenden Schätzungen werden von Kollegien vorgenommen, welche aus drei Sachverständigen' bestehen. I n fast allen Fällen handelt es sich u m Vermesser oder Architekten, welche gewöhnlich auf dem privaten Sektor arbeiten. Z u diesen Schätzungen w i r d also von den Gerichten kein Sachverständiger aus dem öffentlichen Sektor bestellt. Daher spiegelt sich i n den erstatteten Gutachten eine bestimmte Geistesrichtung wider, die sowohl i n der Lehre als auch i n den Traditionen der ,Zivilisten' des neunzehnten Jahrhunderts ihre Grundlage hat. I n manchen Fällen wurden reichliche Entschädigungen für angebliche ,Zukunftswerte 4 bewilligt. Die Gerichte sind derart eingestellt, daß sie die Enteignungsbehörde i m allgemeinen ohne Nachsicht behandeln, während sie Privatpersonen gegenüber schonungsvoll sind. Das wurde von einem Gericht unzweideutig erklärt, und zwar m i t diesen Worten: ,In Erwägung, daß i n allen Kreisen anerkannt wird, daß der Enteignete reichlich entschädigt werden soll'. Bei der Sanierung verwahrloster Wohnviertel mußte man davon ausgehen, daß der Ankauf der Grundstücke nur nach auf Grund einer Verordnung verfügten Räumung der unbewohnbaren Wohnungen stattfinden sollte. Somit wären Wirtschaftlichkeitsberechnungen seitens der dazu herangezogenen Vermesser ausgeschlossen. Handelt es sich u m Entschädigungen für gewerbliche Betriebe, so werden die Steuererklärungen von den Gerichten i n der Regel abgelehnt unter dem verblüffenden Vorwand, daß, wie allgemein bekannt, ,dem Fiskus falsche Angaben gemacht werden'." Zum Schluß ist der Verfasser der Meinung, daß die Verwaltung gesetzlich dazu ermächtigt werden sollte, i m Falle prohibitiver Entschädigungen auf das Verfahren zu verzichten — was die Forderungen der Eigentümer mäßigen könnte —, und daß vom Gesetzgeber die Grundlage der Entschädigungsberechnung näher bezeichnet werden müßte. Eine Prüfung der zur Festsetzung der Entschädigung angewandten Grundsätze würde uns zu weit führen. Jedoch möchte ich Ihnen ein ein-
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ziges Beispiel geben. W i r d die Enteignung eines 3 m breiten Geländestreifens zwecks Verbreiterung oder Berichtigung einer bestehenden Straße angeordnet und ist die Parzelle mehr als 50 m lang — d. h. lang genug für ein Baugrundstück, dessen Länge sich normalerweise auf 30 m beläuft —, so w i r d nicht der Wert eines landwirtschaftlichen Grundstückes, sondern derjenige eines Baugrundstückes gewährt. Anstatt 4 D M pro qm bekommt der Eigentümer 20 D M oder mehr, da der Preis der Baugrundstücke i n vielen Landgemeinden 20 D M erreicht. I n den Vorstädten erhöht sich dieser Preis bis 80 DM, ausschließlich der Kosten für Wasser- und Abwasserleitungen. X. Schließlich möchte ich Ihnen einige Angaben über die Baupolizei machen. Während die bauaufsichtlichen Bestimmungen vor 1962 nur ungenügend beachtet wurden, ist nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1962 der Bauherr verpflichtet, den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung einzureichen. Die Regierung hat die Aufgaben verschiedener Behörden koordiniert. Zuständig sind i n dieser Hinsicht: die staatliche Straßenbauverwaltung, die Städtebauverwaltung und die Gemeindeverwaltung. Selbstverständlich ist der Antragsteller scheidung nicht stets einverstanden.
m i t der getroffenen Ent-
Unangenehme Überraschungen kann der Bauherr i n dieser Hinsicht vermeiden, wenn er vor der Aufstellung des Planes m i t der Verwaltung Fühlung nimmt, wie es beim Entwerfen von Hochhäusern (Punkthäusern) und großen Baukomplexen immer der Fall sein muß. M i t der Einführung der Bauanfrage kann dieses Verfahren für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dadurch w i r d der private Bauherr i n die Lage versetzt, sich bei der Verwaltung danach zu erkundigen, ob er auf einer Parzelle bauen darf oder ob Beschränkungen vorliegen. Das Bauaufsichtsamt w i r d i h m alle erforderlichen Auskünfte erteilen. Das Verfahren w i r d i n absehbarer Zeit eingeführt werden. U m die Gesinnung des belgischen Eigentümers genau schildern zu können, erzähle ich Ihnen folgendes: I n einem schönen Städtchen - - i n der Umgebimg der Stadt Namur — hatte ein Apotheker m i t seinen drei Söhnen so viel Geld verdient, daß er sich dazu entschlossen hatte, eine Reihe Garagen zu bauen. Da er sich nicht vorstellen konnte, daß die Errichtung von kleinen Bauten innerhalb eines Privatgrundstückes der vorherigen Zustimmung der Städtebauverwaltung bedurfte, wurden die Bauarbeiten von li*
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i h m angefangen. Dieselben wurden aber auf Befehl der Gemeindeverwaltung eingestellt. Dann wurde ein Bauantrag eingereicht. Nach dem von i h m aufgestellten Plan sollten diese Garagen aus Betonplatten und Wellblech aus Asbestzement als Bedachung bestehen. Leider handelte es sich dabei u m Material, gegen das die Beamten der Städtebauverwaltung seit fünfzehn Jahren unbarmherzig kämpfen. Deshalb wurde der vom Betreffenden gestellte Bauantrag ohne weiteres abgelehnt. Damit fand sich der Apotheker aber nicht ab. Er baute die Garagen ungeachtet des erlassenen Verbots, so daß er vom Gericht verfolgt wurde. Darauf ließ er seinen Ärger aus i n einem Pamphlet, das er „L'ursbanisme" betitelte. Hierin findet man ein doppeltes Wortspiel: einerseits eine Anspielung auf die UdSSR, andererseits eine A n spielung auf das auf französisch „ours" genannte Tier (deutsche Übersetzung „Bär"). Die warme Aufnahme dieser Schmähschrift bei allen m i t der Verwaltung unzufriedenen Bauherren kann man leicht verstehen, so daß der Apotheker ein zweites und sogar ein drittes Pamphlet schrieb. Von einer humoristischen Wochenschrift i n Brüssel wurde letzterer als das nationale Vorbild des Widerstandes gegen die uneinsichtige Verwaltung dargestellt. Vielleicht w i r k t e diese Angelegenheit als ein heilsames Ventil, genau wie das Gewitter, welches die schwüle L u f t reinigt. Diesen Vorfall habe ich Ihnen erzählt, w e i l er die Gesinnung i n einem freiheitsliebenden Lande aufs beste darstellt.
Aussprache Oberbürgermeister
Bockelmann
Dieser ausgezeichnete Vortrag hat uns deutlich gemacht, daß man bei einem Höchstmaß von Freiheitlichkeit doch auch sehr vernünftige Grundlagen schaffen kann, u m weiterzukommen. Ich habe zu diesem Vortrag noch einige Fragen. Herr Professor, Sie sprachen von der Gemeinde, dem Sektor und der Region. Das ist wohl die Reihenfolge der Körperschaften, die alle drei Bauleitpläne aufstellen. Mich würde nun hinsichtlich des Sektors und der Region noch einiges interessieren. 1. Wie ist ihre Größe und wie sind sie abgegrenzt? Sind das irgendwie alte, überkommene Grenzen oder sind das neue Grenzen, die sich nach einheitlichen Siedlungs- und Wirtschaftsgebieten ausrichten? 2. Sind das staatliche Gebilde der staatlichen Verwaltung oder i r gendwie regionale Einrichtungen, etwa regionale Verbände? 3. Welche Rechtsmittel haben diese Gebilde Sektor und Region, u m die von ihnen aufgestellte Bauleitplanung auch durchzusetzen, u m sie verwirklichen zu können? Sie sprachen davon, daß diese Bauleitplanung für die Gemeinden verbindlich ist. Daraus glaube ich, schließen zu sollen, daß die Gemeinden sie ausführen sollen. Aber wie kann man es erreichen, daß die Gemeinden sie auch ausführen, daß die Gemeinden sich nicht etwa der Ausführung entziehen? Welche Rechtsmittel sind dafür gegeben? Endlich würde mich noch interessieren: Haben diese Sektoren und Regionen noch weitere Funktionen und Befugnisse? Etwa einheitliche Energieversorgung i n einem solchen Bereich, einheitliche Wasserversorgung oder gemeinsame Lösung der Abwässerfragen, gemeinsame Lösung des Nahverkehrs oder ähnliche Aufgaben, die auch i n einem größeren Raum, i n einer Region, einheitlich und gemeinsam gelöst werden sollten und nicht mehr nur als Aufgabe einer einzelnen Gemeinde gesehen werden können? Wenn ich diese Fragen beantwortet haben könnte, wäre ich dankbar. Ministerialrat
Ziegler
Ich habe drei Fragen, die zum Teil die Fragen von Herrn Oberbürgermeister Bockelmann ergänzen.
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Aussprache
1. M i r ist bekannt, daß Brüssel, die Stadt Brüssel und die Region Brüssel, eingeteilt sind i n irgendwelche Raumeinheiten, deren Namen ich nicht weiß. Nennen w i r sie Bezirke. Darüber bestehen ja Pläne, die i n den Ausstellungen gezeigt werden. Sind diese Einteilungseinheiten Sektoren i n dem Sinn, wie Sie sie bezeichnet haben? 2. Ist das Votum des Regionalausschusses, von dem Sie sprachen, bindend für die Genehmigung der Planungsbehörden, also die Genehmigung der Pläne, die die Gemeinden aufstellen, oder ist das eben ein Votum i m Sinne eines Rates, das man einhalten kann oder auch nicht? 3. Frage: Welche Rechtsform haben die regionalen Immobiliengesellschaften, von denen Sie sprachen? Ein Redner aus der Mitte der Tagungsteilnehmer Hinsichtlich der regionalen Immobiliengesellschaften habe ich Sie so verstanden, daß eine Grundstückspolitik, eine Grundstückserwerbspolitik der Gemeinden, bis vor einiger Zeit nicht zulässig war oder nicht betrieben worden ist. Das w i r d sich nach Ihren Worten ändern. Werden nun die Gemeinden dabei nur auf ihre eigenen Finanzquellen angewiesen sein oder werden sie auch durch Zuschüsse von höheren Stellen, Regionen oder Staat, i n die Lage versetzt, nun auch wirklich konsequent Grundstückspolitik zu betreiben, um auf diese A r t und Weise beweglich zu werden und m i t der Stadterneuerung i n einigen Jahren oder Jahrzehnten auch erfolgversprechend beginnen zu können. Oder ist das ein schüchterner Versuch, dessen Erfolg völlig von der Finanzkraft der einzelnen Gemeinde abhängt? Sie haben am ersten Tage unserer Diskussionen die Forderung gehört, zunächst einmal die Steuerquellen zu erschließen, um so Flüssigkeit i m Finanziellen zu gewinnen. Der Zusammenhang zwischen Stadterneuerung, Grunderwerb, Finanzbedarf und Steuersystem ist es, der mich interessiert. Verwaltungsgerichtsrat
Dr. Stich
Nur eine Frage, Herr Professor: Haben Sie i n Belgien echte Fälle der Stadterneuerung, wie sie dem ersten Referenten unserer Tagimg, Herrn Dr. Halstenberg, vorschweben? Fälle etwa, daß ganze Stadtviertel oder Stadtteile i n Großstädten niedergelegt wurden? Wie lösen Sie i n einem derartigen Fall das Problem der Umquartierung der i n diesen Vierteln lebenden Personen? Welche rechtlichen Voraussetzungen haben Sie dafür? Bestehen bestimmte Auskunftspflichten? W i r d dafür enteignet? Werden zuerst neue Wohngebiete gebaut, um jene Personen dorthin zu bringen? Das würde uns noch interessieren, weil w i r meinen, daß Holland und Belgien neben England bis jetzt für die Lösung dieser Fragen am beispielhaftesten gewesen sind.
Aussprache Professor
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Dr. Wastiels
Zur ersten Frage: Sowohl die Sektoren als auch die Regionen sind nicht nach historischen Grenzen geschaffen worden und entsprechen weder den Gerichtsbezirken noch den Verwaltungseinheiten. Sie sind vielmehr auf der Grundlage vertiefter wirtschaftlicher und soziologischer Forschungen abgegrenzt worden, u m die verschiedene Interdependenz der Gebiete hier maßgebend sein zu lassen. So hat man z. B. erforscht, ob die Bevölkerung eines Gebietes sich mehr i n diese — 10 k m entfernte — Stadt oder mehr i n jene — 15 k m entfernte — Stadt begibt, u m Einkäufe zu machen, zum Zahnarzt oder zum Juwelier zu gehen. Die vorhandenen Verwaltungsgrenzen sind also nicht beachtet worden. Es w i r d vielmehr darauf achtgegeben, ob Zentren vorhanden sind, z. B. Universitäten oder dergleichen. Was die Größe dieser Sektoren anbetrifft, so kann ich zwar jetzt keine ganz genauen Angaben machen. Aber vielleicht kann ich ihre Größe an einigen Beispielen verdeutlichen: Die gesamte belgische Küste von einer Grenze bis zur anderen, die etwa 40 Gemeinden umfaßt, bildet einen Sektor. Auch Brüssel bildet m i t seinen 20 Gemeinden einen Sektor. Die Sektoren und die Regionen haben also selbst keinerlei Möglichkeiten, die Gemeinden zu zwingen, die Pläne durchzuführen. Auch i n Zukunft kann nur die Staatsverwaltung Maßnahmen ergreifen. Es gibt Gemeindeausschüsse und auch Ausschüsse bei den Regionen. Es gibt aber bei den Sektoren keinerlei Ausschüsse. Wenn ein Bauplan i n einer Gemeinde verabschiedet werden soll, dann w i r d er dem Gemeindeausschuß vorgelegt. Wenn es sich aber u m einen Plan für den ganzen Sektor handelt, dann w i r d er dem für die Region zuständigen Ausschuß vorgelegt, der aus Vertretern des Staates, der einzelnen Gemeinden und privater Interessengruppen zusammengesetzt ist, also einem ziemlich bunten Gemisch von Personen. Die Baupläne werden von den Kommissionen, den einzelnen Ausschüssen vorbereitet. Der Staat aber bezahlt nunmehr die Leute, die sie entwerfen. Die endgültige Bestätigung der Pläne w i r d vom Ministerium i n Brüssel vorgenommen. Damit habe ich bereits die meisten Fragen des zweiten Diskussionsredners beantwortet. Nur auf die Frage nach den Grundstücksgesellschaften möchte ich noch eingehen. Hier geht die Initiative vom Ministerpräsidenten aus. Wenn die Regierung feststellt, daß einzelne Gemeinden mangels genügender finanzieller M i t t e l nicht i n der Lage sind, ihre Pläne durchzuführen, dann werden diese Gemeinden, oder mehrere dieser Gemeinden, zusammengefaßt. Man bildet u. U. auch so etwas wie einen Distrikt wie i n Frankreich oder schafft einen Gemeindeverband, u m die Aufgaben durchfüh-
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ren zu können. I n derartigen Fällen w i r d von Seiten des Staates ein gewisser finanzieller Vorschuß geleistet, damit man die Arbeit i n A n griff nehmen kann. Die einzelnen Gemeindeverbände haben nun die Aufgabe, Grundstücke zu erwerben zum Wohnungsbau oder auch zur Ansiedlung von Industrie. Bei der finanziellen Lösung dieser Aufgabe kommt ihnen eins zugute: Es gibt i n Belgien eine Gemeindegenossenschaftsbank, die zur Aufgabe hat, den Gemeinden für ihre Finanzierungen Darlehen zu geben. Wenn nun die einzelnen Gemeinden keine weiteren Darlehen aufnehmen können, w e i l sie an der zulässigen Grenze der Verschuldung angekommen sind, dann gibt es trotzdem — selbst wenn alle an einem Gemeindeverband beteiligten Gemeinden überschuldet sind — für den Gemeindeverband die Möglichkeit, noch weitere M i t t e l aufzunehmen, u m Grundstückspolitik zu treiben und Grundstücke aufzukaufen. Theoretisch besteht die Möglichkeit, sowohl unbebaute als auch bebaute Grundstücke zu enteignen. I n der Regel aber werden diese Maßnahmen nur bei unbebauten Grundstücken getroffen, weil man nicht dazu neigt, Wohnhäuser zu enteignen. Allerdings gibt es Fälle, in denen verfallene Häuser oder ein Industrieunternehmen, das nicht mehr rentabel ist und über kurz oder lang doch aufgegeben werden muß, enteignet werden. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg hat man ganze Stadtviertel enteignet. Dabei handelte es sich allerdings u m solche Viertel, die durch die Kriegseinwirkungen zerstört worden waren. Deswegen ergaben sich zunächst auch keinerlei Schwierigkeiten, die Leute unterzubringen; denn diese waren ja inzwischen anderweitig ansässig geworden. I n den letzten Jahren aber ist man dazu übergegangen, kleinere, den sanitären Anforderungen nicht mehr entsprechende Stadtinseln zu enteignen. Dann müssen die Bewohner dieser Inseln natürlich vor Beginn der Abbruchsarbeiten anderwärts untergebracht werden. Die Gemeinden oder die Wohnungsgesellschaften errichten deswegen neue Häuser und bringen die früheren Mieter dort unter. Es gibt keinerlei Auskunftspflicht i n Belgien. W i r haben keine Wohnungszwangswirtschaft. Weder ist man verpflichtet, anzugeben, daß man eine Wohnung frei hat, noch ist man verpflichtet, anzugeben, daß man eine Wohnung sucht.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in Großbritannien* Von Walter Schindler Wenn ich m i r erlaube, über Städteerneuerung und Eigentumsordnung i n Großbritannien zu sprechen, so tue ich dies als Journalist, dessen Beruf es ist, die aktuellen Entwicklungen und Fragen seines Landes zu verfolgen und der sich i n diesem Rahmen i n seinen privaten Studien der letzten Jahre ausführlicher m i t den Fragen der britischen Städtesanierung befaßt hat. Ich möchte dies betonen, weil ich versuchen w i l l , nicht nur das jetzt Bestehende und Geltende zu erfassen, sondern auch von dem zu sprechen, was geplant und erstrebt wird, und, darüber hinaus, was an und für sich i m Drang der wirtschaftlichen, sozialen und technischen Fortschritte erforderlich erscheint. Nichts steht still, und diese Fortschritte stellen immer neue Forderungen an diejenigen, die i n allen Ländern für die Gestaltung des Gemeinwohls verantwortlich sind. I n diesem Licht sind dann auch die Umstände und Entwicklungen zu beurteilen, die i n der britischen Städteerneuerung fast zwangsläufig eine evolutionäre Entwicklung der Eigentumsordnung herbeiführen. Darf ich zunächst die Hintergründe charakterisieren — teils i n historischem Licht, teils i m Licht der mehr aktuellen Erneuerungsprobleme. Vielen von Ihnen werden die deprimierenden Folgen der britischen industriellen Revolution des vorigen Jahrhunderts bekannt sein. Ohne Überlegung, ohne Planung; der schnelle Bau von minderwertigen, allen hygienischen Mindestforderungen widersprechenden langen und öden Reihen von Einfamilienhäusern — u m die ebenso schnell aufspringenden Fabriken herum. So entstanden die großen, fast antisozial zu nennenden Ballungen und Mischgebiete i n den Zentren der großen sog. Stapelindustrien Englands — der Baumwollindustrie, der Wollindustrie, des Kohlenbergbaus, der Stahlindustrie oder des Schiffbaus; und zu ihnen gesellte sich die stets anwachsende Ballung i m Raum von Groß-London — ein Raum, der jetzt über neun M i l l . Einwohner zählt oder über ein Sechstel der britischen Gesamtbevölkerung. So erklärt es sich, daß die Grundlage für jede Problemstellung i n der britischen Stadtsanierung und -erneuerung von rein gesundheit* Ein Schrifttumsverzeichnis befindet sich i m Anhang I I , S. 267 f.
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liehen und hygienischen Gesichtspunkten ausging. Alle Gesetzgebungen, die bereits vor der Jahrhundertwende oder vor dem ersten Weltkrieg niedergelegt worden waren, sind auf diesen Gesichtspunkt, m i t ihren ersten Versuchen der Slumbereinigung, konzentriert. Man sagt oft, daß Großbritannien nunmehr etwa 70 Jahre Erfahrungen i n Sanierungsaufgaben hinter sich habe. Ich kann diese — lobende — Feststellung nur etwas beschränkt akzeptieren. Denn die wirklich fühlbaren Anfänge der Slumbereinigung gehen erst auf die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen zurück, und i n jener Zeit setzte sich auch erst die Erkenntnis durch, daß nicht nur Elendsviertel zu bereinigen seien, sondern vor allem auch ihre Ursachen beseitigt werden müßten. Der Bericht der sog. Barlow-Kommission, die ihre Forschungsarbeiten vor dem letzten Weltkrieg begann und dann ihre Folgerungen während des Kriegs veröffentlichte, ist als der erste w i r k l i c h ausschlaggebende Bericht über die Erfordernisse städtischer Sanierung und Erneuerung anzusehen. Dieser Bericht legte die Grundlage für alle Nachkriegsmaßnahmen — 1. für die Bereinigung der Slums, die Altstadtsanierung und teilweise die Umsiedlung der Slumbewohner; 2. für die Beseitigung der Mischlagen von Industrie und Wohnvierteln und darüber hinaus für die Lösung der heute mit am wichtigsten Aufgabe: der Auflockerung der Ballungen durch Dezentralisierung. A u f dieser Zielsetzung beruhen i m wesentlichen alle parlamentarischen Gesetze seit Kriegsende — die verschiedenen Housing Acts (Gesetze über Wohnungswesen und Wohnungsbau) und die Town Planning Acts (Stadtplanungs-Gesetze). Groß-London, m i t seinem beispielgebenden Erneuerungsplan, verdient wohl besonderen Hinweis, weil dort der Drang nach Dezentralisierung am stärksten hervorsticht; dies nicht nur i n Anbetracht der ständigen Bevölkerungszunahme (die Bevölkerung dürfte sich in Großbritannien i n den nächsten 15 Jahren u m mindestens 8 M i l l . auf über 60 M i l l . erhöhen), sondern auch i m Licht des Zuzugs aus den Notstandsgebieten des englischen Nordwestens und Nordostens und nicht zuletzt des Zuzugs aus dem britischen Commonwealth. Die recht wichtigen Strukturveränderungen i n der britischen Industrie kommen nun hinzu, d.h. gegenüber dem Niedergang oder der Einschränkung alter Stapelindustrien, wie beispielsweise der Baumwollindustrie, das Aufblühen neuer Industriezweige — Automobilindustrie, Flugzeugbau, Elektro-Industrien oder plastische Industrien. Viele von diesen sind zur Zeit viel fester i m Raum Groß-London und dem englischen Süden als i n anderen Gebieten des Landes verankert. Sie gesellen sich zu den Ballungen, die London als Sitz der Regierung und als immer noch Weltruf genießendes Finanz- und Kommerzzent r u m aufweist.
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Ein anderer Faktor ist das Erfordernis modernen Verkehrs, das Großbritannien natürlich m i t anderen Ländern gemeinsam hat, sich heute aber i n vielen englischen Großstädten m i t ihren engen Straßen besonders stark ausprägt. I n der Tat bieten unter diesen Umständen der ständig zunehmende Kraftwagenverkehr und die immer unerträglicher werdenden Verkehrsstauungen ein besonders schwieriges Problem. Es ist hier nicht die Gelegenheit, kritisch zu erörtern, ob das, was zu seiner Lösung getan wird, ausreicht. Ich selbst bin der Meinung, daß schon i n wenigen Jahren, z.B. in London, eine viel umfassendere Straßenerweiterung die einzige wirkliche Lösung bietet. Bedenken Sie, daß sich nach vorliegender Schätzung der Kraftwagenverkehr i m Raum London innerhalb der nächsten drei Jahre verdoppeln dürfte. Dabei bedienen sich die IV2 M i l l . Menschen, die täglich zu ihrer Arbeitsstätte i n ZentralLondon fahren müssen, noch zu etwa 88 v H der öffentlichen Transportmittel, wie Untergrundbahn und Vorortbahn. Aber die übrigen 12 vH, die m i t dem Auto kommen, verursachen i n den Morgen- und späten Nachmittagsstunden Verkehrsstauungen, die man sehen muß, um sie zu glauben. Auf die damit zusammenhängende Frage der Dezentralisierung komme ich später zu sprechen 1. Und schließlich die Einwirkung des Baubodenmarktes und der Baulandpreise. Auf bestimmte Punkte dieser Frage ist ebenfalls später einzugehen. Hier möchte ich nur andeutungsweise auf die Hochflut der Bodenspekulation hinweisen, die die von der öffentlichen Hand ausgehende Städteerneuerung i n all ihren Zielsetzungen der Auflockerung und Dezentralisierung ungemein hemmt. Sie werden m i r verzeihen, wenn ich zuerst diesen Uberblick über all die Fragen gegeben habe, die heute i n Großbritannien die Städtesanierung und -erneuerung und damit auch seine Eigentumsordnung berühren. Denn sie sind i m wesentlichen Fragen des britischen Gemeinwohls. Damit ist ihre Lösung weitgehend, wenn nicht ausschließlich, Sache des Staates und m i t i h m der örtlichen Behörden. Und da die sich wohl ständig ändernden Erfordernisse i n der amtlichen Sanierungsund Erneuerungspolitik eine außerordentlich große Elastizität der vorzunehmenden Maßnahmen verlangt, ganz abgesehen vom Wandel rein politischer und sozialer Anschauungen, so ergibt sich eine fast entsprechende Elastizität der Eigentumsordnung und ihre als evolutionär zu bezeichnende Entwicklung. A n und für sich ist Unverletzlichkeit des Eigentums immer noch eine der wesentlichsten Grundlagen des britischen Gemeinrechts. M i t ihr 1 Verkehrserneuerungen haben sich bisher weitgehend auf den Bau neuer Autobahnen konzentriert. Verkehrserneuerungen in den Ballungsgebieten der Städte sind zu kurz gekommen. Vgl. London County Council: A plan to combat congesion in Central London.
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bleibt der Grundsatz „Das Heim des Engländers ist seine Burg" durchaus bestehen. Aber dieser i m Gemeinrecht verankerte Grundsatz w i r d i n diesem Jahrhundert m i t der ständig zunehmenden Übernahme staatlicher Verpflichtung zur Pflege des Gemeinwohls durch das kodifizierte Recht unterminiert, d.h. durch die Ansammlung gesetzlicher Eingriffe des britischen Parlaments. Betont sei wohl, daß gesetzliche Eingriffe i n das Privateigentum aus sozialen Motiven heraus schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vorgenommen wurden. Aber wirklich fühlbare Einwirkungen sind erst seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts mit der Städteerneuerung festzustellen. Alle gesetzlichen Eingriffe unserer Zeit legen der Verfügungsmacht über Privateigentum sehr tiefgreifende soziale Bindungen auf. Sie ziehen eindeutig das Eigent u m an Grund und Boden i n den Prozeß städtischer Planung und Erneuerung hinein. I n keinem Gesetz ist der Grundsatz zu finden, daß m i t Sanierung oder Erneuerung gleichzeitig Schutz des Eigentums oder bewußte Eigentumserhaltung verbunden ist. Das kodifizierte Recht gibt ganz klar gefaßte Richtlinien dafür, daß aus der Wohlfahrtsaufgabe des Staates, Sanierungen und Erneuerungen vorzunehmen, die Pflicht der betroffenen Eigentümer folgt, solche Sanierungen und Erneuerungen hinzunehmen. Es läßt sich nicht unbedingt behaupten, daß der Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums heute i n Großbritannien nur noch eine emotionelle Bedeutung habe. Ich werde später noch auszuführen haben, wie i n meinem Lande, i n seiner gegenwärtigen Struktur des Wohlfahrtstaates, immerhin versucht wird, die Aufgaben des Staates i m Interesse des Gemeinwohls mit den Grundsätzen des Privateigentums, der individuellen Freiheit und der freien Wirtschaft zu verbinden oder zuweilen auch eigentumsfördernd zu wirken. Aber nochmals darf ich hier betonen, wie sehr die Elastizität der Städteerneuerung und ihrer Gesetzgebung sowie auch der mögliche Wandel i n politischen und sozialpolitischen Anschauungen zwangsläufig auf die Gestaltung der Eigentumsordnung einwirken dürften. Die Parlamentsakte der Vor- und Nachkriegs jähre stellten zunächst eine beträchtliche Ansammlung aufeinanderfolgender gesetzlicher Bestimmungen dar, erst über Haus- und Häusersanierung und dann über Planung und städtische Erneuerung. Sie sollten einander ergänzen, aber gerade hinsichtlich ihrer Einwirkung auf die Eigentumsordnung brachten sie ein höchst kompliziertes, wenn nicht sogar unzusammenhängendes Rechtsgebaren. Zu einer Konsolidierung dieses Gebarens kam es erst m i t den Stadtplanungsgesetzen (Town Planning Acts) von 1959, 1961 und 1962. Diese Gesetze bieten vorderhand einen verhältnismäßig schärfer umrissenen Rahmen der staatlichen Erneuerungs- und Raumordnungsbestrebungen, insbesondere auch i n ihrer rechtlichen Gegenüberstellung zum Eigentum. Ich möchte — ge-
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wissermaßen als Leitmotiv — zuerst die wichtigsten Punkte der Gesetzgebung hinsichtlich der Eigentumsordnung unterstreichen: Die Regierung selbst übt unmittelbare Kontrolle über die Gesetzesdurchführung aus — und die Durchführung ist i n weitestem Maßstab den Kommunalbehörden überlassen, die auf Grund statutarischer Vollmachten Planung und Entwicklung selbst vornehmen. Unter Kommunalbehörden sind i n diesem Zusammenhang die städtischen Verwaltungen und die autonomen Grafschaftsbehörden zu verstehen (Grafschaften sind die Verwaltungsgebiete, die größenmäßig etwa Regierungsbezirken i n Deutschland entsprechen). Verschiedentlich ist es aber auch bereits für Planungszwecke zu Zusammenschlüssen verschiedener örtlicher Behörden und der entsprechenden Einsetzung von überregionalen Planungsausschüssen gekommen. — Soweit es die Regierungskontrolle — m i t ihrem umfassenden Lizenzsystem bei Planung und Durchführung — betrifft, so ist das eigentliche Kontrollorgan das Ministerium für Wohnungsbau und Kommunalverwaltung. Aber auf dem Gebiet der Frage der Auflockerung von Mischgebieten von Industrie- und Wohnungsvierteln sowie der Dezentralisierung von Industriezentren und Gewerbezentren spielt auch das britische Handelsministerium (Board of Trade) hinein, und eine Verkehrserneuerung liegt natürlich weitgehend i n den Händen des Transportministeriums. — Darüber noch später. Die Gesetzgebung gibt nun den Kommunalverwaltungen — unter Regierungskontrolle — weitgehende Vollmachten i n der Einwirkung auf das Eigentum. Erstens die Kontrolle über Beschaffenheit und Verwendung des Eigentums aus hygienischen und sozialen und dann auch aus städteerneuernden Gründen: Hier möchte ich betonen, daß die Gesetzgebung auch private Planungen kontrolliert, einschließlich Grundstücksübernahme. Aber als eigentlicher Träger der Städtesanierung und Städteerneuerung t r i t t i n der Gesetzgebung fast ausschließlich die öffentliche Hand, nicht das Privatunternehmen auf. Das zweite und wichtigste Moment der Einwirkung auf das Eigentum sind die Ermächtigungen an die Kommunalverwaltung, bei ihrer Planung und Durchführung von Erneuerungsprojekten Grundstücke durch freiwilligen Ankauf oder auf dem Wege des Zwangskaufes zu erwerben. Ich werde hierauf, an Hand der einzelnen Maßnahmen oder Gesetzgebungen, eingehen, möchte hier aber auch sagen, daß man i n der britischen Rechtssprache von Zwangskauf — Compulsory Purchase — spricht. Der auf dem Kontinent eingebürgerte Begriff der Enteignung — englisch „expropriation" — existiert i n der Rechtssprache der i n der Themenstellung eingeschlossenen Gesetze nicht und w i r d auch i n ihrer praktischen Durchführung sorgfältig vermieden. Doch da Zwangskauf i n englischem Sinne durchaus der Enteignung i n der kontinenta-
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len Rechtssprache entspricht, so werden Sie m i r erlauben, von dem Ausdruck der Einfachheit halber gelegentlich Gebrauch zu machen. I n chronologischer Folge nun zunächst das Problem der Elendsviertel. Ich erwähnte bereits, daß dieses Problem i m Anfang keinerlei gesetzliche Grundlage für eine wirklich durchgreifende städtische Erneuerung und Raumordnung hatte, sondern lediglich von gesundheitlichen Gesichtspunkten ausging. Die „Housing Act" von 1936, die vorangegangene Regelungen zusammenfaßte und dann i m Gesetz von 1957 neuen Rahmen erhielt, legt die rechtlichen Grundsätze für die Sanierung von Elendsvierteln, also für die Slumbereinigung nieder. M i t vielen anderen Ländern ist die Erfassung der Tatbestände gemeinsam, die maßgebend sind, u m Wohnungen als hygienisch unzureichend zu erklären. I h r entspricht auch die Praxis der Räumungsund Abrißverfügung. Es liegt i m Licht der sozialen Aufgaben nahe, daß daher auch gerade bei der Slumbereinigung der Eingriff i n Privateigentum besonders stark ausgeprägt ist. Es handelt sich i n den meisten Fällen nicht u m einzelne abrißreife Häuser, sondern u m ganze Wohnviertel. Die Kommunalbehörden können sie zu einem Räumungsgebiet (Clearance Area) erklären und eine entsprechende Räumungsverfügung erlassen, jedoch nur mit jeweiliger Zustimmung des Wohnungsbauministers. Und wenn ein Räumungs- bzw. Sanierungsgebiet mehr als 50 Häuser umfaßt, müssen die Behörden es zu einem sog. Wiederaufbaugebiet (Re-Development Area) erklären. Das Wesentliche hierbei ist, daß die Behörden für gleichzeitige Unterkunft der Bewohner bzw. für ihre Umsiedlung sorgen müssen. Das ist auch wesentlich für die Übernahme der abzureißenden Häuser, die meist durch zwangsweisen Kauf erfolgt, wobei zu bedenken ist, daß sich wohl i n der Mehrzahl die auf freiem Grund und Boden gebauten Häuser, auf Basis sehr langfristiger Pachtverträge (Leasehold), i m Besitz seiner Bewohner befinden. Der Enteignungsprozeß bedingt also eine doppelte Auseinandersetzung, m i t den eigentlichen Eigentümern des Grund und Bodens (freehold) und den „Leasehold"-Besitzern. Grundsätzlich kommt aber lediglich der Bodenwert i n Anrechnung. Slumhäuser — die i m Durchschnitt über 80 Jahre alt sind — werden i n der Kalkulation voll abgeschrieben. Doch gelegentlich kommt bei Eigentümern, die das Haus selbst bewohnen, Entschädigung des Bruttomietwertes i n Frage 2 . Eine Entschädigung für Bausubstanz erfolgt allenfalls nur dann, wenn vom Sanierungsprozeß auch einzelne Gebäude erfaßt werden, die selbst noch nicht abrißreif sind. Die Entschädigung für die Bewohner ist grundsätzlich natürlich i n der Umsiedlung i n bessere Wohnungen zu suchen. Müssen sie i n Wohnungen m i t höherer Miete ziehen, so 2
Vgl. späteren Hinweis auf Finanzierung der britischen Städteerneuerung.
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w i r d i n der Regel ein gewisser Mietzuschuß gewährt. Auch kommt es natürlich darauf an, wie lang noch der Pacht(-Leasehold-)Vertrag für das Slumhaus lief. I m allgemeinen kommt es bei Erfassung der Grundstücke i n Slumgebieten zu freiwilligen Verträgen. Dort, wo Zwangskauf zu erfolgen hat, ist ein umfassendes Einspruchsverfahren festgelegt. Gegebenenfalls ist ein besonderes Schiedsgericht anzurufen, und i n zweiter Instanz kann Berufung vor ordentlichem Gericht erfolgen. Einige Zahlen mögen die riesige Aufgabe der Slumbereinigung und m i t ihr das Ausmaß beleuchten, wieweit durch Bereinigung Privateigentum i n die öffentliche Hand übergeht. Trotz weitgehender Absichten auf Bereinigung nach dem ersten Weltkrieg wurden gegenüber einer geschätzten Zahl der Slumhäuser von über 800 000 nur etwa 270 000 i n der Zeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg abgerissen. Die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre w i r k t e ungemein hemmend, und dann mußte natürlich alle Bereinigungsaktivität während des zweiten Weltkrieges unterbrochen werden. Nach dem Krieg wurde 1954/55 eine neue Umfrage angestellt, die das Vorhandensein von immer noch über 800 000 Slumhäusern und die hieraus erforderliche Umsiedlung von etwa 2lk Mill. Menschen ergab. Tatsächlich halbierte die Regierung i m Rahmen eines Fünf jahresplans der Slumbereinigung diese Zahl — also auf etwa 400 000 — und bis 1959/60 ist diese halbierte Zahl nicht einmal ganz erreicht worden. Nach amtlichen Zahlen, die vor einigen Monaten vom Wohnungsbauminister bekanntgegeben wurden, sollen i n den nächsten zehn Jahren 600 000 Häuser abgerissen werden 3 . Doch berücksichtigt diese Zahl weder die Zahl der Häuser, die inzwischen abrißreif werden, noch umfaßt sie alle Slumhäuser i n den besonders überbevölkerten Großstadt- und Industriezentren. Letzthin erklärte ein Programm der i n Opposition stehenden Labour Partei, daß sich die Slumbereinigung, und zwar i n weniger als zehn Jahren, auf weit über eine M i l l i o n erstrecken müsse. Hier also der erste Faktor der Einwirkung der britischen Städtesanierung auf die Eigentumsordnung. Hinzu kommen die Bestimmungen über generelle Übernahme kriegszerstörter Gebiete, und inzwischen sind dann die verschiedenen Gesetze über die eigentliche Städteerneuerung hinzugetreten, die über die Sanierung hinaus die Erfordernisse zur Lockerung von Bevölkerungs- und Industrieballungen sowie zur Beseitigung von Mischlagen, zur Dezentralisierung usw. i n breiterem Rahmen erfassen. Das Stadtplanungsgesetz von 1947 brachte die Vollmachten hinzu, größere abgesteckte Gebiete aus w i r t schaftlichen oder städtebaulichen Gründen zu umfassenden Gebieten der Neuentwicklung (comprehensive development areas) zu erklären. Und 8
Weißbuch des Wohnungsbauministers, M a i 1963.
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solche Erklärung umfaßt nicht nur Wohnviertel, sondern auch Geschäftsviertel und gewerbliche und industrielle Gebiete. Gleichzeitig hat dann auch das Gesetz von 1947 das Enteignungsverfahren zum erstenmal i n zusammenfassender Weise niedergelegt. Von i h m geht die nunmehr evolutionäre Entwicklung staatlicher Eingriffe i n die Eigentumsordnung aus — eine Entwicklung, die dann i m Gesetz von 1959 und später i n einem Gesetz von 1962 zunächst einen gewissen Abschluß gefunden hat. Dabei ist festzustellen, daß die Gesetzgebung seit 1959, nach einer recht rigorosen Handhabung der Enteignungsvollmachten, eine gewisse Synthese zwischen Zwangskauf und Eigentumsentschädigung gebracht hat. Das Gesetz von 1947 legte noch als Basis für den Kaufpreis den Nutzwert von Grund und Boden — also den bestehenden Wert, beispielsweise von landwirtschaftlichem Boden, fest, aber nicht den Entwicklungswert, d. h. den aus einer Planung und Erschließung des Bodens zu erwartenden Wert. Das Gesetz brachte einen ungemein komplizierten Ausgleichsprozeß, indem gegebenenfalls Eigentümer noch für entgangenen Entwicklungswert aus einem 300Mill. £ Fonds entschädigt werden konnten, der aus Gebühren anzusammeln war, den private Planer für ihre Entwicklung zu entrichten hatten. Gesetze von 1953 und 1954 höben die Entwicklungsgebühr und den Fonds auf. Schließlich brachte die neue Gesetzgebung von 1959 und 1962 die jetzt geltenden Richtlinien der Enteignung und Entschädigung und gleichzeitig auch einen Weg, der den Ankauf von für Entwicklungspläne bestimmten Grundstücken aufgrund eines freiwilligen Vertrages erleichtern soll. I n diesem Sinne bezeichnete ich die neue Gesetzgebung als eine Synthese. Sie legt für den freiwilligen oder zwangsweisen Verkauf von Grund und Boden sowie Bausubstanz an die öffentliche Hand den eigentlichen Verkehrswert zugrunde. Die amtliche Interpretation 4 besagt, daß unter Verkehrswert derjenige Grundstückswert zu verstehen sei, den ein verkauf swilliger Eigentümer auf offenem Markte erzielen würde. Auch w i r d gesagt, daß dieser Wert, zuzüglich zum gegenwärtigen Nutzwert des Grundstücks, den zu erwartenden Wert aus Planungs- bzw. Entwicklungsprozeß zu berücksichtigen habe. Aber i n Wirklichkeit ergibt sich auch hier ein recht kompliziertes Einschätzungsverfahren. Ich kann hier nur versuchen, i n einigen großen Zügen das Verfahren anzudeuten. Eine wichtige Einschränkung bezüglich des zu erwartenden Entwicklungswertes ist, daß die enteignende Kommunalbehörde keine Steigerung des Wertes zugestehen soll, die sich aus ihrem eigenen Entwicklungsplan ergeben könnte — also aus der Entwicklung für die das Grundstück eigentlich übernommen werden 4
Siehe Desmond Heap, A n outline of planning law (1961), S. 168 bis 174.
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soll. Sie kann also nicht den zu erwartenden Wert aus einer Sonderplanung, sondern nur den aus einem gewissermaßen normal verlaufenden Entwicklungsprozeß zu erwartenden Wert berücksichtigen. Vielleicht ein kurzes Beispiel: Eine der führenden neuen Städte i n der Nähe von London ist Crawley, und diese neue Stadt w i r d i m Anschluß an eine kleinere alte Stadt gleichen Namens entwickelt. Der Marktwert für dort übernommene oder zu übernehmende Grundstücke entspricht nicht dem Wert, der sich aus der Entwicklung der neuen Stadt selbst ergeben sollte, vielmehr liegen dort dem Marktwert diejenigen Entwicklungen — oder örtlich begrenzte Erneuerungen — zugrunde, die die alte Stadt Crawley — ohne Entwicklung der neuen Stadt — vermutlich durchgeführt hätte oder i n der Tat noch durchzuführen beabsichtigt. Soweit ich weiß, gilt i n der Bundesrepublik der Grundsatz, die Enteignungsentschädigung sei so zu bemessen, daß der Enteignete sich ein gleichwertiges Objekt wiederbeschaffen kann. Aus dem Gesagten ergibt sich, wie sehr die Bemessungsweise i n Großbritannien verschieden ist. Hinzufügen möchte ich noch: Wenn innerhalb von fünf Jahren festgestellt werden kann, daß das enteignete Grundstück einen höheren Gewinn bringen kann, als von der Planung vorgesehen war, dann kann der Enteignete die ganze Zwangskauftransaktion neu eröffnen und zusätzliche Entschädigung verlangen. Aber dieser Schutz schließt bezeichnenderweise umfassende Erneuerungspläne (comprehensive development plans) oder Neustadtplanung nicht ein. Sie werden hieraus ersehen, daß die gegenwärtige Gesetzgebung rechtliches Gebaren gegenüber den auch i n Großbritannien zu verzeichnenden, so außerordentlich starken Preisschwankungen nicht definiert. I n der Regel trifft es aber auch für mein Land zu, daß die Entschädigung m i t Abschließung des Kaufkontraktes zu zahlen ist. Kommt es zur Berufung gegen die Enteignung oder die Entschädigungssumme, so ist diese Summe beim LandTribunal (Schiedsgericht), dem die Berufung vorliegt, zu hinterlegen oder gegebenenfalls, i n zweiter Instanz, beim ordentlichen Gericht. Offensichtlich ist man der Meinung, daß ein Schiedsspruch, gerade weil die Berufung auf höheren Preis hinauszielt, sowieso die Marktlage berücksichtigen würde. Und dies ist bei der allgemeinen Vollmacht für die Rechtsprechung durch die Gerichte durchaus möglich. Man kann vielleicht feststellen, daß m i t der Gesetzgebung über den Verkehrswert eine gewisse Beschleunigung i m Verfahren der Übertragung von Eigentum i n die öffentliche Hand erfolgt ist. Sie spiegelt auch teilweise den Wandel i n sozialpolitischen Anschauungen wider. Die Gesetzgebung über den Nutzwert wurde 1947 von einer Labour-Regierung durchgebracht, der Ubergang zum Verkehrswert war Sache der ihr folgenden konservativen Regierung. Doch muß man an12
Speyer 21
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gesichts der heute so ungemein spekulativen Verhältnisse auf dem Baubodenmarkt eingedenk sein, daß die vom Gemeinwohl so stark bestimmte Städteerneuerung und Raumordnungspolitik die Finanzierungsmittel der öffentlichen Hand fast übermäßig anspannt und oft die Planung behindert. Darf ich auch hier ein Beispiel erwähnen: Bei dem Aufbau einer der neuen britischen Städte war beabsichtigt, ein Grundstück für die neue Stadt käuflich zu erwerben. Nach dem Gesetz von 1947 wäre Zwangskauf zu etwa 50 000 £ möglich gewesen. Aus irgendeinem Grund wurde der Ankauf verzögert, und als später, m i t Erweiterung der Neustadtplanung, auf das Grundstück zurückgegriffen werden mußte, stellte sich die Entschädigimg auf 150 000 £, also auf das Dreifache der ursprünglichen Summe. Wie ich schon vorhin ausführte, ist für jede Planung, die auch auf die Eigentumsordnung einwirkt, die Zustimmung des Wohnungsbauministers erforderlich, i m Wege einer besonderen Verfügung — einer Clearing Order für Sanierung und einer Development Order für strukturelle Stadterneuerung. Des öfteren ist aber bisher auch großstädtischen Verwaltungen Vollmacht i n Form besonderer Gesetzgebung des Parlaments gegeben worden — so z.B. dem Groß-Londoner Grafschaftsrat oder der Stadt Glasgow und der ihr benachbarten Industriegebiete an der Clyde-Mündung. I n diesem Zusammenhang seien auch zwei Sondergesetze erwähnt, die Verkehrs- und Raumordnung verbinden: eins zur Entwicklung des Ringstraßenverkehrs i n Birmingham, und das andere für eine Straßenerweiterung i n Croydon, i n der Nähe von London. I n beiden Fällen wurden ziemlich viel Grundstücke für Verkehrserneuerung i n die öffentliche Hand geleitet. Nun die Planung selbst und ihre Einwirkung auf die Eigentumsordnung: Zu betonen ist die englische Praxis der Mehrstufigkeit. Zwei wichtige Planungsphasen 5 sind streng voneinander getrennt. Erst die Ausweisung eines zu sanierenden oder erneuernden Gebiets. Dies entspricht einen Flächennutzungsplan. Unter Umständen w i r d auch der Bauplan i n verschiedenen Stadien aufgeteilt. I n der Regel werden freiwillige oder Zwangskäufe durch die Kommunalbehörden i n der Zeit zwischen Ausweisung des Flächennutzungsplans und des Bauplans selbst vorgenommen. Die Erklärung eines Gebiets zum Entwicklungsgebiet muß öffentlich bekanntgegeben und gleichzeitig dem Wohnungsbauminister zugeleitet werden. Innerhalb von sechs Monaten muß dann der Bauplan selbst i n all seinen Einzelheiten dem Minister zugehen und, besonders für die etwa betroffene Bevölkerung, öffentlich ausgelegt werden. Dies gibt den Betroffenen Zeit für eventuellen Ein6 Lewis Keeble, Principles and Practice of Town and Country Planning (1959).
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spruch, und wenn solche Einsprüche i n größerem Ausmaß vorliegen, muß der Minister, bevor der Plan durch seine Zustimmung Rechtskraft erhält, den Schiedsspruch des „Land Tribunal" anrufen. Genauso wie bei Enteignungsverfahren kann dann auch gegebenenfalls ein ordentliches Gericht i n zweiter Instanz angerufen werden. Z u meinen früheren Ausführungen möchte ich noch hinzufügen, daß der Erwerb von Grund und Boden durch die öffentliche Hand innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Flächennutzungsplans zu erfolgen hat. I n der Praxis liegt dem Minister eine Verfügung über Zwangskauf oder der Entwurf eines Kaufvertrages gleichzeitig m i t Unterbreitung der Planung selbst zur Genehmigung vor. Bei großen Sanierungs- und Erneuerungsplänen schreibt die Gesetzgebung Durchführung i n zwanzig Jahren vor. I n einem so langen Zeitabschnitt unterliegt aber die Planung alle fünf Jahre einer Überprüfung. Abänderungen i n der langen Zeit sind nicht nur möglich, sondern fast wahrscheinlich. W i r d hiervon ein enteignetes Grundstück betroffen, so erwähnte ich bereits die Möglichkeit einer Entschädigung. Aber ein Planungswertausgleich ist seit 1953 weggefallen, da ein solcher als zu umständlich erachtet wurde. Es gibt auch keine eigentliche Kaufpreissammlung durch besondere Gutachterausschüsse. Auch wenn Ausnahmen praktisch vorkommen, ist bei Fehlen von Zwangsumlagen jeder Kauf- oder Enteignungsprozeß individuell abgestellt. Trotzdem ist es ein gewisser Nachteil i n der britischen Gesetzgebung, daß die von einer Planung betroffenen Eigentümer nicht vorher befragt zu werden brauchen. Sie haben vor Unterbreitung der Planung beim Ministerium keinerlei M i t t e l i n der Hand, ihre Ansicht zu Gehör zu bringen oder Einspruch zu erheben. Sie müssen Distrikt-Inspektoren des Ministeriums, die eventuell betroffene Grundstücke besichtigen wollen, Z u t r i t t gewähren, sind aber andererseits allerdings auch nicht verpflichtet, Auskünfte zu geben6. Ich erwähnte bereits, einen wie weiten Spielraum die Kommunalbehörden i n der Handhabung der städtischen Erneuerungsvorschriften haben. Sie können sie wahrscheinlich i n der geeignetsten Form den örtlichen Erfordernissen anpassen. Und das ist zweifellos ein großer Vorteil. A n dererseits fragt man sich i m verwaltungsrechtlichen Licht sehr oft, ob nicht dieser Spielraum gleichzeitig auch vielleicht zuviel dem individuellen Verhalten der Kommunalbehörden überläßt und zuweilen einzelne Stufen der Planung der Gefahr einer gewissen W i l l k ü r aussetzt. Erfahrungsgemäß gewährt das dargestellte Einspruchsverfahren * Gesetzlich ist ein gemeindliches Vorkaufsrecht nicht festgelegt, ergibt sich aber im allgemeinen aus der Praxis. 12«
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nicht immer vollen Schutz, und ich muß zugeben, daß diese verwaltungsrechtliche Frage heute i n Großbritannien recht lebhaft erörtert wird. Nun die Formen britischer Städteerneuerung und ihre Einwirkung auf die Eigentumsordnung: A n der Spitze die reine Sanierung von Wohngebieten, also vor allem die eigentliche Slumbereinigung. Dann die Sanierung von Mischgebieten, verbunden, wie es besonders auch i n Groß-London der Fall ist, m i t der Auflockerung der inneren Stadtgebiete auf die Eigentumsordnung: A n der Spitze die reine Sanierung von und die Dezentralisierung der kommerziellen Stadtkerne. I n Ausmaß und Intensität der Einwirkung auf das Eigentum ist es natürlich ausschlaggebend, wieweit Sanierung und Erneuerung m i t Umsiedlung nicht nur der Bevölkerung, sondern des ganzen wirtschaflichen Lebens des betroffenen Gebiets verbunden sind und wieweit neue Nutzungsflächen entweder innerhalb des Erneuerungsgebietes oder innerhalb anderer Gebiete der Stadt, d. h. innerhalb der sog. Grüngürtel, die das Ausdehnungsvermögen der Stadt abstecken, möglich sind; oder wieweit eine Entwicklung außerhalb des Grüngürtels, i n Form von Neustädten oder der Ausbreitung benachbarter Städte, vorgesehen ist. Bei der Auflockerung von Mischlagen und der Umsiedlung von Gewerbe und Industrie ist eine recht generöse Zuschußpolitik des Staates zu bemerken. Gleichzeitig spielen hierbei aber natürlich auch wirtschaftliche Gesichtspunkte, insbesondere standörtliche Aspekte hinein, oder die einer Dezentralisierung m i t der Schaffung neuer Produktionsmöglichkeiten i n den sog. Notstandsgebieten, d. h. den zur Zeit unter Arbeitslosigkeit leidenden Gebieten des englischen Nordostens und Nordwestens. Aber für viele Planungsgenehmigungen, die Gewerbe- und Industrieanlagen berühren, ist nicht das Wohnungsbauministerium, sondern das Handelsministerium (Board of Trade) zuständig. Oft laufen die Zielsetzungen der beiden Ministerien keineswegs parallel. Als Beispiel möchte ich erwähnen: A u f der einen Seite die Bestrebungen, Neustädte i m Umkreis von London zu entwickeln und dorthin Industrien i n die eben erwähnten Notstandsgebiete zu bringen (so wie es auch schon früher geschehen war). Und ähnliches ist auch bei Entscheidungen zu vermerken, die die Verbindung von Raumordnung und Verkehrsordnung berühren; denn bei der Verkehrsordnung entscheidet das Transportministerium. I n solchen Streitfällen muß unter Umständen der Ministerrat — also das Kabinett — die Entscheidung fällen, und zwar i n der Regel der Kabinettsausschuß für innere Angelegenheiten. Drei Formen der städtischen Erneuerung i n Großbritannien sind besonders zu erwähnen. Zwei von ihnen sind von dem Grundsatz geleitet, Grüngürtel u m die Großstädte herum zu erhalten, also die Ausdehnungsmöglichkeit innerhalb des Stadtgebiets zu beschränken und Lockerung und Dezentralisierung auf Gebiete außerhalb der Grüngürtel zu
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konzentrieren. Die eine Form ist die Schaffung von neuen Städten, die zweite eine Zusammenarbeit zwischen Großstadt und benachbarten Kleinstädten zwecks Auffangens einer Übervölkerung. Diese beiden Formen sind i n ihrer Einwirkung auf die Eigentumsordnung verschiedenartig zu werten. Zunächst die neuen Städte 7 . Ihre Grundidee ist Auflockerung der Ballungen durch Schaffung neuer, i n sich völlig autonomer Städte — autonom i m Sinn einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Selbstgenügsamkeit. Es gibt jetzt 17 neue Städte — 11 von ihnen i n der Nachbarschaft von Groß-London, drei i m Umkreis von Glasgow und drei i n Mittelengland und Südwales. Fast all diese neuen Städte werden jetzt noch erweitert, und neue kommen hinzu. I h r organischer Aufbau verlangt i m Gleichtakt Umsiedlung von Bevölkerung, Industrie und Geschäften. Das wichtige ist nun, daß neue Städte unter direkter staatlicher Kontrolle aufgebaut und entwickelt werden. Bis vor einiger Zeit war für jede neue Stadt je eine Entwicklungskorporation (Development Corporation) unter direkter staatlicher Kontrolle verantwortlich. Jetzt ist diese Kontrolle i n einer staatlichen New Town Commission (Neuestadtkommission) vereint, und die Development Corporations sind lediglich ausführendes Organ. Das Ausmaß der Einw i r k u n g von neuen Städten auf die Eigentumsordnung ist wohl daraus zu ermessen, daß der Staat nicht nur für ihren Aufbau den nötigen Grund und Boden für Wohnungsbau, sondern auch Gelände für industrielle Siedlungen erwerben muß. Sog. Crown Land — i m Staatseigentum befindliches Land — ist nur beschränkt verfügbar. Der Staat hat bisher auch sehr viel Grund und Boden für Errichtung von Fabrikgebäuden erworben, die dann an interessierte Firmen verpachtet werden. Jetzt kommt es zu zunehmendem Kauf dieser Grundstücke und zum Eigenbau von Fabriken durch diese interessierten Firmen. Immerhin ergibt sich aus der Entwicklung von neuen Städten ein sehr beträchtlicher Ubergang von Privateigentum i n das Eigentum der öffentlichen Hand. Und die Entwicklung von neuen Städten bleibt — angesichts ihres bisherigen Erfolgs — i m Vordergrund der britischen Politik der Städteerneuerung. Die andere Form ist die, die ich i m Rahmen der Auflockerungspolitik als das „Export- und Importverfahren" bezeichnen möchte; und das ist das Bestreben, auf Grund einer Gesetzgebung von 1952, kleinere Altstädte i m großstädtischen Umkreis zu Auffanggebieten für Bevölkerungs- und industrielle Ballungen zu erklären. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kommunal- bzw. Grafschaftsbehörden gegeben. Der Londoner Grafschaftsrat hat z.B. i m Einvernehmen m i t umliegenden Nachbarstädten größere Siedlungs7
Amtliche Veröffentlichung: New Towns Corporations Reports 1961/62.
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gelände käuflich erworben, i m Rahmen seiner besonderen Entwicklungsgesetze. Auch geben Staat und „exportierende" d.h. abgebende Großstädte den Auffanggebieten Zuschüsse für Wohnungsbau, Grunderwerb, Erschließung der Entwicklungsgebiete usw. Nach gewissen Verzögerungen, die vielfach von Schwierigkeiten i n der finanziellen Regelung verursacht worden waren, scheint sich jetzt eine stärkere A n kurbelung dieser Form der Städteerneuerung durchzusetzen. Die dritte Form ist vielleicht i n ihrer Einwirkung auf Städteerneuerung selbst als negativ zu bezeichnen, hat dagegen auf geraume Zeit hinaus starken Einfluß auf Erhaltung des Eigentums. I n der Erkenntnis, daß es auf Jahre hinaus nicht möglich sein wird, die Slumbereinigung i n wirklich vollem Maße durchzuführen oder (besonders angesichts des Bevölkerungszuwachses) m i t der Nachfrage nach neuen Wohnungen Schritt zu halten, ist es notwendig geworden, einen großen Teil des Altbestandes an Wohnhäusern m i t Hilfe der öffentlichen Hand zu verbessern und i n Mietswohnungen aufzuteilen. Es handelt sich hierbei in der Hauptsache u m Häuser i n der sog. „Twi-Light"-(Zwielicht-)Zone, d. h. u m Gebiete, die sich i n den Großstädten an den Stadtkern anschließen und deren Häuser, meist drei- bis vierstöckig, i n der viktorianischen Epoche den begüterten Klassen gehörte, aber jetzt entweder bereits dem Verfall ausgesetzt sind oder i n völlig unzureichendem Zustand von Grundstücksspekulanten i n möblierte Wohnungen aufgeteilt sind (möblierte Wohnungen, auch wenn sie nur ein Bett oder einen Stuhl enthalten, sind nicht der Mietkontrolle unterworfen). Schon seit Jahren bemühen sich Staat und Kommunalverwaltung u m Verbesserung dieser Häuser, und eine Anzahl von ihnen ist auch von der öffentlichen Hand übernommen. Zuschüsse für Verbesserung haben bisher die Instandsetzung der Häuser nur unzureichend herbeigeführt, und der Wohnungsbauminister, Sir K e i t h Joseph, stellte letzthin neue Pläne für höhere Zuschüsse i n Aussicht. Gedacht ist i m Durchschnitt an Häuser, deren Lebensdauer auf noch etwa 30 Jahre eingeschätzt wird. Doch sollen auch kleinere Reparaturzuschüsse für solche Häuser gewährt werden, die an sich bereits einer Slumbereinigung unterliegen sollten, aber vorderhand noch zu einer Abhilfe des Wohnungsmangels beitragen müssen. Wie gesagt, dies kommt auf Erhaltung von Eigentum hinaus, hat aber mit wahrer Städteerneuerung sehr wenig zu tun. Die Finanzierung der britischen Städteerneuerung hat natürlich sehr starke Einwirkung auf das Ausmaß der Verschiebungen i n der Eigentumsordnung. Uberragende Bedeutung hat die sog. Grund- oder Liegenschaftsteuer, die die Haupteinnahmequelle der Kommunalbehörden ist. Dieser Steuer liegt der „rateable value" eines Hauses zugrunde, d. h. sein Brutto-Mietwert auf der Basis von 1939, und das Gesetz von 1957, das den Mieterschutz weitgehend gelockert hat, hebt für alle Häuser,
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deren „rateable value" 40 £ übersteigt, die Mietskontrolle auf. Letzth i n ist es zu einer nach aufwärts gerichteten Revision der „rateable values" und damit der Liegenschaftsteuer gekommen. Den Kommunalbehörden ist natürlich an den bestmöglichen Einnahmen aus der Steuer gelegen, die i n Wirkung und Gegenwirkung auch die M i t t e l für städtische Erneuerung verbessert und damit einen Einfluß auf die Übertragung von Privateigentum i n die öffentliche Hand hat. Und nun zur staatlichen Hilfe: Abgesehen von direkten Zuschüssen für Bereinigung, Erschließung und Umsiedlung gibt der Staat Subventionen, die allerdings gerade i n der Gegenwart dauernder Überprüfung unterliegen. Das heißt, sie werden viel ausgewählter gewährt, als es bis vor ein oder zwei Jahren der Fall war, und beschränken sich jetzt i m wesentlichen auf Neubauten für Wohnungen der aus den Slums umgesiedelten Menschen und i n neuen Städten. Außerdem ist die Finanzstärke der jeweiligen Kommunalbehörden maßgebend, und die augenblickliche Richtung ist von dem Gesichtspunkt gelenkt, wieweit eine Kommunalbehörde ihren Wohnungsbau und ihre Vermietung unter w i r k lich sozialen Aspekten lenkt. Zu viele Gemeindewohnungen sind an Leute vermietet worden, deren Einkommen durchaus eine nicht durch Subventionen ausgeglichene Miete tragen können. Von staatlichen Darlehen, kurz- oder langfristig, machen die Kommunalverwaltungen Gebrauch, soweit sie nicht private Darlehen auf dem offenen Kapitalmarkt aufnehmen oder aufnehmen können. Sie kommen gleichermaßen für wirtschaftliche und soziale Umlagen i n der Städteerneuerung i n Frage. I n der Regel werden staatliche Darlehen zu niedrigem Zinsfuß für eine Laufzeit von 60 bis 80 Jahren gewährt. Zuweilen kommt es auch zu staatlicher Garantie privater Ausleihungen. Dies gilt auch für die mehr individuell zu ermessende Kredithilfe für umsiedlungsbereite Gewerbe- und Industriebetriebe. Ich erwähne erst jetzt die Auflockerung von Stadtkernen und die hierauf folgende Sanierung und Dezentralisierung, denn i n dieser Aufgabe sind von jeher die Großgrundbesitzer, die i n der Regel Eigentümer des Boden sind, sowie die privaten Unternehmen, die die Bausubstanz gepachtet oder errichtet haben, beteiligt gewesen. A u f Grund der Pachtverträge (Leasehold-Verträge) ist es i n der Regel laufend zu Verbesserungen und Erneuerungen gekommen. Zugegebenermaßen berührt dies aber weniger die dringenden Probleme der Dezentralisierung und Auflockerung, und i n diesem Zusammenhang ergibt sich zwangsläufig eine zunehmende Einflußnahme der Kommunalbehörden oder der öffentlichen Hand, die sowieso eine weitgehende Kontrolle über Planung und Plandurchführung hat. Die Behörden haben dort schon eingegriffen, wo Stadtkerne und Altstadtzentren vom Kriege heimgesucht waren. Sonst aber sind die ersten Anzeichen einer Zusammenarbeit
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zwischen Kommunalbehörden und privaten Unternehmen zu verzeichnen. Sie beruht entweder darauf, daß das neu zu entwickelnde Gebiet von den Behörden erschlossen und dann seine weitere Gestaltung auf dem Verpachtungsweg privaten Unternehmen überlassen wird, oder die ganze Planung amtlich durchgeführt w i r d und dann Verpachtung erfolgt. Letzterer Weg ist beispielsweise i n Coventry und jetzt auch i n Birmingham gewählt worden. Direkte Neugestaltung von privater Seite w i r d dagegen beim berühmten Platz i m Londoner Westend, dem Picadilly Circus, der Fall sein. Grundsätzlich ist aber nach den Erfahrungen, die w i r i n letzter Zeit i n Großbritannien gemacht haben, zu fragen, wieweit private Grundstückunternehmen w i r k l i c h i n eine glückliche Verbindung gebracht werden können, wo das Gemeinwohl betroffen wird. Gewiß nehmen private Unternehmen recht weitgehend an der Errichtung von neuen, privaten Wohnsiedlungen teil — immer unter scharfer Planungskontrolle. Aber übersehen Sie nicht, wieviel Grundstückunternehmen sich in die Bodenspekulation und das Hochtreiben der Preise eingeflochten haben und wie sehr sie auch durch den mehr spekulativ bedingten Bau von Geschäftshäusern i n Stadtzentren wirkliche Auflockerung und Dezentralisierung hemmen. Bei all den Bestrebungen, die die gegenwärtige Regierung macht, u m eine Synthese zwischen staatlicher Lenkung des Gemeinwohls und Förderung der privaten Initiative und des Eigentums zu schaffen, w i r d vieles davon abhängen, wieweit es gelingt, Unterschiede zu machen zwischen denen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, und denen, die es zu fördern helfen. Zusammenfassend noch kurz ein B i l d der gegenwärtigen Vorhaben und Planungen: Vieles hiervon wurde letzthin i n einem Weißbuch des Wohnungsbauministers, Sir K e i t h Joseph, zusammengefaßt, und dieses programmatische Dokument bildet auch die Basis für die neue Gesetzgebung i n der kommenden Wintersession des britischen Parlaments 8 . Die Regierung zielt jetzt auf den Bau von jährlich 350 000 Wohnhäusern hin, gegen durchschnittlich 300 000 pro Jahr seit Kriegsende. Durch Lockerung der Mietskontrolle versucht sie gleichermaßen, den privaten Neubau von Wohnungen zu ermutigen und die Instandsetzung alter Häuser zu erweitern. Es bleibt abzuwarten, ob ihr dies, auch angesichts der an die Bauindustrie gestellen Forderungen, gelingen wird. Immerhin zielt sie auch auf die jährliche Instandsetzung von 150 000 alten Wohnhäusern hin, und über das Ausmaß der geplanten Slumbereinigung habe ich bereits berichtet. A l l dies w i r k t eigentumfördernd und eigentumerhaltend. Aber man muß sich i m Licht der 8
Weißbuch des britischen Wohnungsbauministers, M a i 1963.
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sozialen Aufgaben des Wohnungsbaus und der Städteerneuerung i n Großbritannien darüber klar sein, daß sich bereits etwa ein Viertel des gesamten Häuserbestandes — und dieser zählt etwa 16 M i l l . — i m Eigentum der öffentlichen Hand befindet. I m vorigen Jahre betrug trotz aller Bemühungen u m Ankurbelung des privaten Bauens die Zahl von Häusern, die von Kommunalbehörden i n Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben gebaut wurden, 105 000, gegen etwa 160 000 i m privaten Sektor. Ein wichtiger Punkt i m neuen Programm des Wohnungsbauministers, verbunden m i t erweitertem Wohnungsbau, der Slumbereinigung und der Reform der Subventionen, ist die Idee einer gewissen Kombination von Privatunternehmen m i t staatlicher Förderung 8 . Diese Idee beruht auf der Entwicklung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, besonders von Unternehmen, die für Vermietung bauen. Eine besondere staatliche Wohnungs-Korporation (Housing Corporation) soll — m i t 100 Mill. £ Finanzierungsmitteln ausgestattet — diese Unternehmen fördern. Es handelt sich u m Unternehmen, die bisher — unter dem Namen „housing associations" bekannt — eine relativ geringe Rolle i n der Wohnungswirtschaft und damit bei der städtischen Erneuerung gespielt haben. Gegebenenfalls kann die neue staatliche „Corporation" Grund und Boden für die gemeinnützigen Unternehmen auf dem Wege der Enteignung erwerben. I n jedem Fall aber könnten auf diese Weise ein wichtiger Beitrag zur britischen Städteerneuerung und damit auch neue Aspekte der so elastischen Eigentumsordnung geboten werden. Noch zum Schluß i n diesem Zusammenhang ein wichtiger Punkt. Und der ist, daß die Regierung beabsichtigt, die englischen privaten Bausparkassen („building societies") i n das neue Wohnungsbauprogramm einzuspannen 9 . Die „building societies" sind, m i t ihren ungemein großen Spardepositen, die wichtigsten Träger des privaten Wohnungskaufs und Wohnungsbaus. Die Regierung w i l l nicht nur, daß sie sich großzügig m i t Hypothekengewährung an der Finanzierung der geplanten gemeinnützigen Unternehmen beteiligen, sondern daß sie auch ganz allgemein m i t niedrigeren Zinssätzen und längerer Hypothekenfrist, als sie jetzt gelten, konstruktiver am allgemeinen Wohnungswesen teilnehmen. Die Labour-Regierung geht übrigens i n dieser Hinsicht noch weiter und w i l l durch weitgehende Steuererleichterung für die building societies deren Teilnahme am Gemeinwohl ermutigen.
9 Eine entsprechende Gesetzesvorlage wird dem britischen Parlament in der Wintersession unterbreitet.
Aussprache Professor
Dr. Mayer
Einem Journalisten war es vergönnt, uns bei dieser Tagung i n den Kernbereich, i n die Kernproblematik des Themas einzuführen und uns die Spannung aufzuzeigen, die von einer Ordnung der Landschaft des Raumes einerseits und dem Eigentum andererseits ausgeht und immer ausgehen wird, solange es ein rechtlich geschütztes Eigentum gibt. Vielleicht sind es gerade die Verhältnisse Englands, die den deutschen Verhältnissen vergleichbarer sind, als etwa die Verhältnisse eines reinen Gebirgslandes oder eines südeuropäischen Landes, die nun zu gewissen Parallelen anregen. Deswegen möchte ich m i t Rücksicht auf unsere deutschen Verhältnisse einige Punkte herausgreifen. Zunächst eine organisatorische Frage: Ich habe mich sehr gefreut, daß klar zum Ausdruck gekommen ist, wie sehr die Probleme der Raumordnung und der Planung m i t den kommunalen Problemen zusammenhängen, und wie richtig die englische Organisation handelt, wenn sie zusammen erledigt, was zusammengehört. Es war kein Zufall, daß gestern die ersten Ansätze der Diskussion aus dem kommunalen Bereich gekommen sind. Ich halte es für ein Unding, wenn man — sei es nun um eine Koalitionsbildung zu erleichtern oder aus sonstigen Gründen — die einzelnen Fragenkomplexe zu sehr verselbständigt. Für unmöglich halte ich es, eine Raumplanung beim Wirtschafts- oder Landwirtschaftsministerium unterzubringen. M i t Interesse haben w i r vernommen, daß bei Ihnen nur die Verkehrsordnung gesondert erledigt wird, und daß bei fehlender Einigung der Ministerrat entscheidet. W i r haben mehrere Bundesländer, i n denen die Raumordnung seit Jahr und Tag vom Wirtschaftsministerium bearbeitet wird, und zwar sehr einseitig. Das zweite, was m i r für uns der Beachtung wert zu sein scheint, ist ein Punkt, i n dem die englischen Verhältnisse gar nicht so weit von den deutschen Verhältnissen entfernt sind: die Problematik des Zugriffs auf das Eigentum, auf das Grundeigentum, die ja m i t der der Raumplanung gekoppelt ist. Die Wertprobleme sind hier das Entscheidende. Es ist sehr einfach, eine großräumige Raumplanung zu betreiben, wenn das Eigentum ein N u l l u m ist. Und es ist genauso leicht, Raumplanung zu betreiben, wenn man genügend Geld hat. Aber schwierig w i r d
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es, Raumplanung oder Landschaftsschutz als Verwaltungsbehörde zu betreiben, wenn auf der einen Seite das Eigentum nach A r t . 14 des Grundgesetzes geschützt ist und auf der anderen Seite keine M i t t e l i m öffentlichen Haushalt ausgewiesen sind, u m die Vorhaben durchzuführen. Was macht dann die Verwaltungsbehörde? Meine Herren, Sie kommen ja alle aus der Praxis. Wo w i r d denn der Hebel angesetzt? — W i r haben doch eine sehr eingehende Rechtsprechung, weniger i m Baurecht als vielmehr zum Natur- und Landschaftsschutz. Dann setzt man an dem Begriff der „Sozialbindungsgrenze" an. Er ist i m Grundgesetz nicht hinreichend konkretisiert. Da läßt sich so vieles hineininterpretieren. Die zweite schöne Formel ist schließlich die Formel von der Baulandqualität oder vom Bodenwert. Man argumentiert schlicht: Das ist bisher Ackerland gewesen und als solches zu entschädigen; daß es am Großstadtrand liegt, interessiert nicht; das w i r d doch erst i n zehn Jahren Bauland; bezahlt w i r d also höchstens der Quadratmeterpreis für das Ackerland. Es war m i r sehr interessant, daß die Gesetzgebung i n England zu dieser Frage ein Auf und Ab zu verzeichnen hat. Wie ist das bei uns heute? Sie wissen, daß diese Dinge bei uns weniger durch die Gesetzgebung als durch die Rechtsprechung, durch die Enteignungsrechtsprechung, modifiziert werden. Seit 1911 schlägt diese Rechtsprechung einen großen Kreis; die Entwicklung scheint zur Zeit wieder bei der Reichsgerichtsentscheidung von 1911 einzumünden. Zwei große Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die i n diesen Tagen veröffentlicht worden sind — die Entscheidung vom 8. November 1962 (NJW 1963 S. 1492) und vom 13. Dezember 1962 (DVB1. 1963 S. 625) —, zeigen dies ganz klar und deutlich. Und gerade an Ihrem englischen Beispiel ist m i r deutlich geworden, daß das Wesen, die Substanz des Eigentums, nie lediglich als ein Bündel momentan gezogener Nutzungen aufgefaßt werden kann. Der Bundesgerichtshof hat ganz deutlich ausgesprochen, daß bei der Bewertung auch die Nutzungsmöglichketten einbezogen werden müssen. Das bedeutet für uns, daß es nicht nur hier Ackerland und dort Bauland gibt, sondern eine ganze Skala von Qualitäten. Das bedeutet auch, daß w i r uns ernstlich Gedanken machen müssen, wie w i r dann die Fragen von der Enteignung her, nämlich von der Bewertung her, bewältigen. Ich halte es angesichts des Art. 14 unseres Grundgesetzes für sehr kurzsichtig, das Eigentum so sehr substanzlos als ein Bündel von konkreten, momentan vorhandenen Nutzungen zu sehen. Die dritte Schlußfolgerung ist sehr richtig. Man kann diese Probleme nur lösen, wenn man Geld hat. Und wenn nicht die erforderlichen Mittel i m Haushalt ausgewiesen werden, w i r d hier nur sehr wenig er-
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reicht werden können. Ob eine starke Beteiligung der öffentlichen Hand, wie i n Großbritannien, das A und O der Sache ist, möchte ich hier nicht entscheiden. Aber eines steht fest: W i r werden diese Problematik, und darauf hat Dittus vor vier Jahren schon hingewiesen, m i t juristischen Formeln allein nicht lösen können. Hier müssen w i r uns auch m i t rein ökonomisch-mathematischen Methoden an die Probleme heranwagen. Ich glaube, w i r würden weiterkommen, wenn die Kommunen bei all diesen Fragen mehr beteiligt würden. Draußen beim Landrat oder beim Oberbürgermeister sind diese Fragen viel brennender als i n irgendeinem Ministerium. Ich bin der Meinung, daß gerade I h r Vortrag, Herr Dr. Schindler, diese Problematik, diese Spannung, die hier i n der Themenstellung liegt, ganz deutlich offenlegt. Fürsprecher Dr. Stüdeli Z u den Ausführungen von Herrn Professor Mayer möchte ich folgendes sagen: Wenn Sie nicht gleichzeitig den Planungsausgleich lösen, kommen Sie m i t der Forderung, den Erwartungswert einzubeziehen, bei der Bewertung des Bodens zu genau den gleichen Schwierigkeiten wie w i r i n der Schweiz. Wenn Sie nachher Landpreise haben, auf Grund deren Sie an jedem Ort, der eine gewisse Entwicklung hat, also vor allem i n den Randgebieten 100, 200, 300 Franken pro Quadratmeter bezahlen müssen, dann weiß ich nicht, wie Sie weiterplanen wollen i n Deutschland, es sei denn, daß es Ihnen jetzt gelingt, einen Planungsausgleich zu erzielen. Dabei darf man eines nicht vergessen: Von unserem guten landwirtschaftlichen Boden brauchen w i r i n sechzig bis achtzig Jahren i m Durchschnitt weniger als 10 vH. W i r brauchen also i n zehn Jahren, grob gesagt, ein gutes Prozent des landwirtschaftlichen Bodens für die weitere Überbauung. Trotzdem t u n w i r so, als ob w i r morgen sämtlichen Boden überbauen würden, indem w i r ihn so (über-)bewerten, als ob w i r ihn morgen überbauen könnten. Wahrscheinlich ist diese Verhältniszahl bei Ihnen viel extremer als i n der Schweiz. Aber ich glaube, wenn man die Fakten wirklich berücksichtigt und w i r k lich sieht, welche Notwendigkeiten da sind für die Gemeinschaft, dann darf man die Forderung von Herrn Professor Mayer nur unterstützen, wenn es gelingt, den Planungswertausgleich zu erzielen, sonst nicht. Ldt. Regierungsdirektor
Scharnberg
Herr Dr. Stüdeli hat eigentlich die Quintessenz dessen, was ich sagen wollte, bereits vorweggenommen. Aber ich möchte doch an den Herren Referenten noch einige Fragen i n diesem Zusammenhang stellen.
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Sie sprachen von den gelegentlichen Schwierigkeiten der Ministerien, die sich untereinander nicht recht einigen können. Daß w i r bei uns i n Deutschland davon weniger hören, mag nur daran liegen, daß bei uns eine Einigung gar nicht erst versucht wird, w e i l die Basis fehlt; aber ich habe eine sachliche Frage. I n Schottland gibt es inzwischen anscheinend ein Scottish Development Department, das einen Teil der Funktionen i n sich vereinigt, die für England und Wales vom Ministery of Housing and Local Government und m. E. sogar vom Board of Trade wahrgenommen werden. Ich wäre sehr dankbar zu hören, ob m i t dieser Einrichtung irgendwelche Erfahrungen gesammelt sind, und ob sie sich als ein gangbarer Weg erwiesen hat, u m die Dinge bereits auf der Regierungsebene zu koordinieren. I m übrigen muß man m. E. erkennen, daß jede Planung, die w i r betreiben, praktisch i n das Wertgefüge eingreift. Das ist ganz klar. Niemand w i r d das bestreiten wollen. Wenn sie das tut, dann muß man erwarten, daß die dadurch vorgenommene Eigentumsverteilung auf irgendeine vernünftige Weise geregelt, daß i h r Rechnung getragen wird. W i r tragen ihr gegenwärtig nur nach der einen Seite Rechnung, indem w i r den einen die Schäden bezahlen und den anderen die Gewinne belassen. W i r bezahlen zudem nicht nur die Schäden, sondern vieles andere obendrein. Insofern war England für uns immer von hohem Interesse, weil dort der Versuch des Planungswertausgleichs gemacht worden ist, ein Versuch, der interessant genug war, u m i n unseren ersten Entw u r f des Bundesbaugesetzes hineinzukommen. Das Scheitern dieses Planungsausgleichs i n England hat die Argumente seiner Gegner bei uns gestärkt. Sie, verehrter Herr Dr. Schindler, haben gesagt, er sei als zu umständlich empfunden worden. Darf ich einmal versuchen, aus meiner Kenntnis die wenigen Stufen nachzuzeichnen, die er genommen hat? Der Barlow-Report, den Sie erwähnt haben, hat gesagt, eine der Hauptfragen sei das Problem von Entschädigung und Wertsteigerung, compensation and betterment. Daraufhin ist nach meiner Erinnerung eine besondere Kommission gegründet worden, die sich m i t dieser Frage beschäftigt hat. Sie hat gewisse Empfehlungen noch i m Kriege gegeben. Diese Empfehlungen sind i n ihrer Grundsubstanz sogar von der Koalitionsregierung i m Kriege noch akzeptiert worden. I m Gesetz hat sich das dann erst 1947 niedergeschlagen. Dieses Gesetz ist allerdings nicht mehr von der Koalitionsregierung eingebracht worden, sondern von der Labour-Regierung. Es hat die Vorschläge nicht direkt übernommen, sondern einige Änderungen hineingenommen, unter anderem die 100°/oige Abschöpfung, die — wenn ich richtig sehe — jene Kommission nicht gefordert hatte. Nun ist m i r gesagt worden — ich habe mich häufig m i t englischen Planern und anderen Briten darüber unterhalten —, daß diese Sache sehr un-
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populär war, daß auch i n einer Situation, i n der die Nachfrage das Angebot weit überstieg, die Abwälzung dieser Development Charge auf den Käufer als zusätzliche Steuer empfunden wurde. Ich habe aber immer — und ich muß das englisch sagen — von allen meinen Gesprächspartnern den Satz wiederholt bekommen: „ I t has never been given a fair chance". Nachdem die Probleme i m Laufe der ersten vier, fünf Jahre sichtbar geworden waren, hat die konservative Regierung nicht etwa versucht, das Unternehmen zu verbessern; sie hat vielmehr die Unpopularität, die diesem System innewohnt, dazu ausgenutzt, es über Bord zu werfen, bevor es recht erprobt war. Ich weiß nicht, ob das pro domo gesprochen war. Ich wäre sehr dankbar, Ihre Ansicht dazu zu hören. Mich würde auch interessieren, wie weit i m Wahlkampf der Konservativen die Abschaffung dieses Unternehmens eine Rolle gespielt hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden zunächst nur die Entwicklungsgebühr und die Auszahlung aus dem großen Fonds von 300 M i l l . £ abgeschöpft; der von einer Enteignung Betroffene konnte den Erwartungswert, wenn er ihn vorher angemeldet hatte, doch noch bekommen. I m übrigen blieb es bei dem 47er Stoppwert, dem existing use value, dem Nutzungswert von 1947. Dadurch haben sich natürlich ungeheure Ungerechtigkeiten ergeben, w e i l jeder, der entwickeln konnte, der bauen konnte, die Wertsteigerung der nächsten Jahre mitnahm; und nur, wer nicht bauen konnte, auf den 47er Preis festgenagelt war. Letzterem entging nicht nur der Erwartungswert, sondern er hatte auch noch den Schwund der Kaufkraft zu tragen. Der Kaufkraftentwicklung hat — wenn ich mich recht erinnere, anderenfalls bitte ich u m Berichtigung — die 59er Gesetzgebung Rechnung getragen. Aber auch dieser Passus ist bei der letzten Gesetzgebung gefallen. Man hat den existing use value nicht mehr an die heutigen Preise angepaßt, sondern den Verkehrswert nach dem 62er Gesetz eingeführt.
Ltd. Baudirektor
Fürlinger
Hier wurde der Gedanke vorgetragen, nicht nur der momentane Wert, sondern auch der Wert, der sich bei normaler Entwicklung ergeben könnte, solle bei der Entschädigung m i t i n Betracht gezogen werden. Gleichzeitig sprechen Sie von Redevelopment Areas, also von Mischgebieten, die aufgelockert werden sollen. Eine solche Auflockerung ist aber eine Herabsetzung der density. Deswegen mußte i n diesen Fällen der zu berücksichtigende Zukunftswert geringer sein als der jetzige Ertragswert. W i r d i n diesem Fall von dem gegenwärtigen Wert ausgegangen, oder können Sie eine solche i n der Planung vorgesehene Nutzung m i t hineinspielen? Das w i r d wohl kaum möglich sein.
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Wenn Sie andererseits eine Stadt — etwa i n der Umgebung Londons — vergrößern und dort bei der Enteignung nun nicht den Wert bezahlen wollen, der der landwirtschaftliche Nutzungswert ist, sondern den Wert, der bei einer normalen Entwicklung zustande gekommen wäre, erdenken Sie da einen Plan, wie sich die Stadt entwickelt hätte? Das ist wohl auch kaum möglich. Es hätte sich dort ja ebensogut Wohngebiet wie ein Geschäftsgebiet entwickeln können. Wie w i r d diese Frage beantwortet? Schließlich habe ich noch eine Frage, die gerade uns i m deutschen Raum sehr stark interessiert: Früher konnte der Eigentümer eines Gebäudes, das i n einem Slumgebiet liegt, den Mietpreis frei festsetzen. Und nun kommt der Staat und sagt rental value. Und w i r wissen ja, was dieser rental value zu bedeuten hat. Er ist eine sehr umstrittene Sache für unsere Verhältnisse. Er beruht auf dem Bruttomietwert von 1939, ist also sehr niedrig. Infolgedessen bekommt der Eigentümer nicht viel Entschädigung. So w i r d er leaseholder (Pächter). W i r stellt er sich denn dazu? Ist der common sense so groß, daß er sagt, ich werde nun Pächter und verzichte auf mein Eigentum? Geht das ohne Schwierigkeiten vonstatten? Bei uns soll das Einzeleigentum gefördert werden. Es soll neu gebildet werden. Sie beschreiten genau den umgekehrten Weg. Wie stellt sich der Engländer dazu? Regierungsdirektor
Carlsson
Ich habe aus dem Vortrag entnommen, daß der Plan vollziehbar ist und die Grundlage für die Enteignung bildet, wenn er vom Minister bzw. dem Distriktsinspektor genehmigt ist, obwohl der potentiell betroffene Eigentümer bei dieser Planung wenig Möglichkeit hat, sich Gehör zu verschaffen. Wenn es nun später bei der Durchführung des Planes zu einer Auseinandersetzung kommt, kann sich dann diese Auseinandersetzung auch noch auf das Ob der Enteignung oder nur noch auf die Höhe der Entschädigung erstrecken? Bei uns ist es nach dem Bundesbaugesetz vom Gericht nachprüfbare Voraussetzung für die Enteignung, daß das öffentliche Wohl diese Maßnahme auch i m Zeitpunkt der Enteignung erfordert. Auch wenn ein gesetzlicher Plan die Maßnahme vorsieht, ist dies zur Verfahrensvoraussetzung gemacht worden. Deswegen stelle ich die Frage: Kann i n England bei einer gerichtlichen Untersuchung lediglich die Höhe der Entschädigung Gegenstand des Verfahrens sein oder auch die Zulässigkeit der Maßnahme? Ein Zweites: I m Bundesbaugesetz spielt das Problem des Ersatzlandes eine erhebliche Rolle. Ich glaube, Ihren Ausführungen, Herr Dr. Schindler, entnommen zu haben, daß der soziale Wohnungsbau und die großzügigen Erschließungen noch zu einer erheblichen Ausbreitung
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des öffentlichen Besitzes führen. Hierzu die Frage: Ist auf der anderen Seite i n irgendeiner Form ein Anspruch auf Ersatzland des von der Maßnahme betroffenen privaten Grundeigentümers gegeben? Schließlich eine letzte Frage: Sie ergibt sich aus der Erinnerung an einen Vortrag, den ich einmal von dem Stadtplaner der Stadt Norwich gehört habe. I n dieser Stadt wurden i n erheblichem Maße private Flächen i n Anspruch genommen. A u f meine Frage, ob die Maßnahmen der Verwaltung häufig angegriffen würden, antwortete der Stadtplaner, i h m sei aus etwa zehnjähriger Erfahrung kein Fall bekannt, i n welchem die Entscheidung der Verwaltung bei einem Gericht angefochten worden wäre. Wiss. Rat Dr. Schroeder Erlauben Sie m i r einige wenige Fragen i m Zusammenhang m i t der Durchführung der i n England praktizierten Methoden, von denen w i r vielleicht lernen können. Hat man i n Ihrem Lande einmal Berechnungen angestellt darüber, was einerseits der Totalabriß und eine anschließende totale Neubebauung kostet und was andererseits eine Entkernung, also eine Herabminderung der bisherigen Bebauungsdichte und eine anschließende umfassende Modernisierung der verbleibenden Restsubstanz kostet? Eine zweite Frage: Sie sprachen von Mietzuschüssen, die den umzusetzenden Mietern gewährt werden, die auf Grund eines zu geringen Einkommens die höheren Mieten i n den Neubauten nicht bezahlen können. Wie lange werden solche Zuschüsse gezahlt? Werden solche Zuschüsse auch gewerblichen Betrieben gewährt, die aus den alten Gebäuden ausziehen und einen neuen Anfang suchen müssen? W i r ringen m i t dem so schwerwiegenden Problem, daß gerade i n den von uns als sanierungsbedürftig angesprochenen Gebieten eine große Anzahl von kleinen und mittleren Gewerbebetrieben sitzt, die dort ihre Betriebsstätten unter ganz ungewöhnlich günstigen finanziellen Verhältnissen gepachtet oder gemietet haben und nur wegen der niedrigen Pacht oder Miete überhaupt noch existenzfähig sind. W i r stehen vor der Frage: Was machen w i r i m Rahmen unserer Sanierung m i t solchen Betrieben? Welche Wege ist man i n England gegangen, welche Vorstellungen werden dort entwickelt? Zum Abschluß eine letzte Frage: Sie sprachen davon, daß für die zum Abbruch kommende Substanz i n den Sanierungsgebieten Englands keine Entschädigung gewährt wird. Ich darf vielleicht hoffen, daß Sie, Herr Dr. Schindler, Gelegenheit gehabt haben, i n großen deutschen Städten einmal die Substanz kennenzulernen, die w i r als sanierungsbedürftig ansprechen. Ich denke an Frankfurt-Bockenheim oder etwa an Hamburg-
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Neualtona. Vielleicht kennen Sie auch die Gebiete Berlins, die i m letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind und die uns heute als außerordentlich sanierungsbedürftig erscheinen. Ist die Substanz, die i n England als sanierungsreif angesprochen w i r d und für die nach Ihren Worten keine Entschädigung gezahlt wird, mit der Substanz zu vergleichen, die sich i n den Räumen befindet, die w i r als sanierungsreif betrachten? Dr. Schindler Es ist hier eine ganze Reihe von Fragen gestellt worden. Ich muß mich kurz fassen und versuche dies. Schottland ist von jeher i m Rahmen der städtischen Erneuerung besonders behandelt worden. Ich erwähnte Schottland nicht i m besonderen, weil dort — wenn nicht gesetzlich, so doch verwaltungsmäßig — eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem Secretary of Scotland einerseits und dem Development Department und dem Housing Ministry andererseits festgelegt ist. I m übrigen verlief die Entwicklung i n Schottland genauso wie i n England. Der Development Charge, die Steuer, die von privaten Planern zu entrichten war, wurde meiner Meinung nach — und ich kann nur für mich selbst sprechen — von jeher als ungerecht angesehen, weil sie jeden Versuch, gesunde, ehrliche, aufrichtige private Planer in eine Städteerneuerung einzuspannen, aufzuhalten drohte. Für die Entschädigung i n 1947 und 1953/54 war aus noch ein Betrag verblieben, sprüche ermöglichte, die nach wert aufgebaut waren.
jenem seltsamen Interregnum zwischen jenem 300-Mill.-Pfund-Fonds immerhin der eine Nachentschädigung solcher A n dem 1947-Gesetz lediglich auf dem Nutz-
Der Gedanke des Entwicklungswertes ist tatsächlich recht problematisch. Es ist m i t Recht darauf hingewiesen worden, daß der Entwicklungswert, d.h. die zu erwartende Wertzunahme recht fiktiv sein könnte. Bei uns i n England hat man aber dieser Problematik nicht ausweichen können. So w i r d z.B. — und damit kann ich gleich eine andere Frage beantworten — i m Rahmen der Zusammenarbeit zwischen einer Großstadt und einer umliegenden Kleinstadt beim Ankauf von Siedlungsgelände durch die Großstadt berücksichtigt, daß sich eine Umsiedlung von Bewohnern m i t einer Umsiedlung von Industrien verbindet, und daß gerade das wirtschaftliche Auffangen von Industrien das gekaufte Siedlungsgebiet i n seinem Wert steigert. I m allgemeinen möchte ich aber betonen, daß alle Verhandlungen individuell geführt werden. Enteignungen kommen nicht i n Frage, soweit eine Kleinstadt von sich aus auf dem Wege des Zwangskaufs Boden erwerben 13
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muß. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, die ich erwähnte, ist jetzt i n praktischer Hinsicht eine Lösung gefunden worden. Ich wurde gefragt, wie es m i t den Leuten steht, die Pächter werden müssen, nachdem sie Eigentümer waren. Die Slumgebiete sind i n der Hauptsache Eigentum von Großgrundbesitzern. Die Slumgebiete i n London gehörten z. B. dem Herzog von Westminster, dem Herzog von Bedford, der anglikanischen Kirche und anderen größeren Körperschaften. Sie sind hinreichend durch den Wert des Bodens, der ja teilweise ziemlich zentral i n London gelegen ist, entschädigt worden. Leaseholder (Pächter), die Slumhäuser bewohnten, werden wieder leaseholder. Der große Unterschied ist nur, daß sie anstatt 10 sh pro Woche für ihr Haus jetzt etwa 40 bis 50 sh zahlen müssen. Ich erwähnte bereits, daß i n den Fällen, i n denen eine höhere Miete, eine höhere Pachtsumme nicht dem Einkommen des Betroffenen entspricht, ein Zuschußmöglichkeit besteht. I m Zusammenhang m i t der Frage, ob nur über die Höhe der Enteignungsentschädigung judiziert werden kann oder auch über die Zulässigkeit der Enteignung selbst, darf ich Sie darauf hinweisen, daß ich mein Referat insoweit i n zwei Abschnitte gegliedert habe. Der erste beschäftigte sich m i t dem Einspruchsverfahren i m Enteignungsfall, der andere m i t dem Einspruchsverfahren gegen die Planung selbst. Vor Auflegung des Flächennutzungsplanes geschieht nichts, was den zu Enteignenden betrifft. Erst nach seiner Veröffentlichung, erst nach seiner offenen Auslegung haben die Betroffenen Einsicht und dann noch hinreichend Zeit, innerhalb von 28 Tagen Einspruch zu erheben. Es kommt dann auf die Stärke des Einspruchs an. Ist — hypothetisch gesehen — nur eine Einzelperson gegen die Planung, so w i r d versucht, auf gütlichem individuellem Wege zu einer Verständigung zu kommen, die auch i n der Regel gelingt. Erhebt eine größere Anzahl Einspruch, dann kommt es zu dem bereits dargestellten Verfahren, und zwar erst beim Schiedsspruchtribunal, bei dem das Ministerium, die Gemeinde sowie die betroffenen Einsprechenden vertreten sind. Die Ausbreitung des öffentlichen Besitzes habe ich als eines der führenden Themen meines Referats gewählt, w e i l der Übergang vom privaten Eigentum i n das Eigentum der öffentlichen Hand das hervorstechende Merkmal der Städteerneuerung i n England ist, zumal i m Rahmen unserer parlamentarischen Demokratie. Das Beispiel, das aus Norwich erwähnt wurde, trifft durchaus zu. Ich möchte nochmals bestätigen, wie oft bei uns gerade auf der Basis der Vernunft, gerade auf der Basis der Einsicht, was für das Gemeinwohl notwendig ist, freiwillig geschieht, viel mehr, als dies nach meinen Eindrücken i n der Bundesrepublik möglich erscheint.
Städtebau und Eigentumsordnung in Frankreich* Von Maurice François Rouge
I n derartigen Vorträgen lassen sich nicht nur die verschiedenen Standpunkte gegenüberstellen, sondern auch der eigene Standort festlegen. So w i r d mein Vortrag die Ausführungen meiner Vorredner berücksichtigen, um die Eigenarten der französischen Probleme auf diesem Gebiete aufzuzeigen. I n Frankreich befinden w i r uns nämlich gegenüber den Standpunkten, die hier dargestellt worden sind, i n einem Extrem. Namentlich gegenüber der Schweizer Lage sind w i r gewissermaßen an einem ganz entgegengesetzten Punkt. Beinahe hätte ich ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn ich einerseits sehe, wie besorgt w i r alle sind, das Recht zu beachten und so wenig wie möglich das Eigentum anzutasten, und andererseits daran denke, wieviel Rechtsnormen (in Frankreich) zur Verfügung stehen, die den Städtebau und die Raumordnung auf gesetzliche Weise ermöglichen. Unsere M i t t e l sind i n der Tat zahlreich. Aber die anderen Vorträge haben mich bewegt, i n einem Schlußteil eine Selbstprüfung durchzuführen und die Frage zu stellen, i n welchem Umfange die Fülle von Rechtsnormen, die das Eigentumsrecht i n Frankreich an die Notwendigkeit der Raumordnung anpassen, trotzdem dieses Eigentum gewährleisten. Das uns übersandte Schema enthält eine Fülle von Fragen, die in der Mehrzahl untereinander verbunden sind. Ich möchte sie alle beantworten. Aber die Zusammenhänge i n Frankreich zwingen mich zu einer anderen Reihenfolge als der des vorgeschlagenen Leitfadens. Sie werden unseren Standpunkt dazu an anderer Stelle jeweils kennenlernen, wobei ich auch die Anordnung des Vortrags etwas ändere. Es ist i n der Tat schwierig, eine Gesamtschau zu geben, da alle Probleme zusammenhängen.
* Die Übersetzung dieses — für die Drucklegung überarbeiteten und ergänzten — Referates besorgte Herr Assessor G. Herbig, Hambach. I h m sei an dieser Stelle auch für seine gesamte Dolmetschertätigkeit während der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung gedankt! 13*
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Maurice-François Rouge
Ich möchte den Vortrag i n drei Teile gliedern: I. Allgemeiner Zusammenhang von juristischen, und historischen Verhältnissen i n Frankreich,
administrativen
II. Einschränkungen des Grundeigentums durch die Notwendigkeit einer Raumordnung, I I I . Versuch eines Ausgleichs zwischen und Eigentum.
Gemeinschaftsbedürfnissen
I. Allgemeiner Zusammenhang in Frankreich Juristischer
Gesichtspunkt
Das Eigentum in verfassungsrechtlicher
Sicht
Der Ausgangspunkt, der Kern des Problems, ist das Eigentumsrecht gewesen, nämlich die Frage nach dem Wesen des Eigentums und seiner verfassungsrechtlichen Stellung. Unser heutiges Verfassungsrecht hat den Begriff des Eigentums äußerst weit gefaßt, so daß er uns praktisch kaum stört. Die Begriffe sind tatsächlich derart allgemein gehalten, daß sie alle Auslegungen erlauben. Ich gebe Ihnen aber trotzdem den entsprechenden A r t i k e l unseres „Code Civil", nämlich den A r t . 544, der folgendermaßen lautet: „Das Eigentum ist das Recht, i n der freiesten Weise die Sachen zu benutzen und darüber zu verfügen, vorausgesetzt, daß man sie nicht einer Weise gebraucht, die durch die Gesetze oder durch die Verordnungen verboten ist." Und die letzte Verfassung, vom Jahre 1958, bezieht sich lediglich auf die Erklärung der Menschenrechte vom 26. August 1789. Ich lese Ihnen auch daraus den A r t . 17 vor, w e i l beide Vorschriften die Grundlagen bilden. Er lautet: „Das Eigentum ist ein unverletzbares und heiliges Recht. Niemand darf dessen beraubt werden, es sei denn, daß es das gesetzlich festgestellte Gemeinwohl offensichtlich fordert und eine gerechte und vorher zahlbare Entschädigung gewährleistet wird." Sie sehen also, daß uns diese Texte alle Auslegungen erlauben. Ich betone dies besonders, w e i l m i r bei einigen Vorrednern die Erwähnung verfassungsrechtlicher Fragen, insbesondere der Verfassung als Hemmnis und des hiernach möglichen Rechtschutzes, aufgefallen sind. Dagegen beruft man sich bei uns selten auf die Verfassung. Das Eigentum im Gesetzesrecht Unsere Schwierigkeiten werden dagegen nicht durch die Verfassung, sondern durch das gesetzliche Recht verursacht. Denn die das Eigent u m berührenden Gesetze müssen durch das Parlament verabschiedet
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werden. Dort kommt aber durch die Parlamentarier die öffentliche Meinung zum Ausdruck. Die Parlamentarier sind i n allen Eigentumsfragen sehr empfindlich. Unterschied zwischen Gesetzes - und Verordnungsbereich Aber die Lage hat sich jetzt etwas geändert: Die neue Verfassung vom Jahre 1958 trennt genau den Bereich, der durch ein Gesetz geregelt werden muß, von jenen Gebieten, die auf dem Verordnungswege erfaßt werden können. Art. 34 bestimmt nun, daß die öffentlichen Bürger- und Grundrechte des einzelnen durch Gesetz geregelt werden müssen. I m übrigen hat aber das Gesetz hinsichtlich der Eigentumsordnung, des Sachenrechts sowie des Schuld- und Handelsrechts nur die Grundsätze festzulegen. Dagegen bestimmt Art. 37, „daß alle anderen, nicht ausdrücklich dem Gesetzgeber zugewiesenen Bereiche, auf dem Verordnungsweg geregelt werden können. Die bereits bestehenden Gesetze können nach Anhörung des Conseil d'Etat (Staatsrat) auf dem Verordnungswege geändert werden." Das hat also zur Folge, daß w i r i n der Verwaltungspraxis nur sehr kurze und allgemein gehaltene Gesetzestexte entwerfen, sie also gewissermaßen auf ein Mindestmaß beschränken, u m soweit als möglich dann Allgemein- oder Sonderverordnungen der Minister oder Präfekten erlassen zu können. Administrativer Rangordnung
Kontext
der Behörden
Nach diesen Angaben über den verfassungsrechtlichen und allgemeinen juristischen Zusammenhang möchte ich Ihnen noch aufzeigen, weshalb unsere Arbeit i n Frankreich verhältnismäßig viel leichter ist. Die Lage ist bei uns viel leichter: — weil es wenig Behördengliederungen gibt, — weil die Behörden klar abgegrenzt sind, — w e i l eine strenge Über- und Unterordnung besteht. Die zuständigen Stellen, die ich während meines Vortrages immer wieder erwähnen werde, sind: — Der Staat: Die Regierung und die Minister (jeder für sein M i n i sterium). — Das Departement (Der Generalrat und der Präfekt als Organ des Staates). — Die Gemeinde (Der Stadtrat und der Bürgermeister). — I n gewissen Fällen andere Stellen, denen eine Zuständigkeit übertragen wurde.
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Maurice-François Rouge
Und ich möchte besonders auf ein Staatsorgan hinweisen, das ich immer wieder zu erwähnen habe, besonders hinsichtlich der Garantien, nämlich den Staatsrat oder Conseil d'Etat. Dies u m so mehr, als der Conseil d'Etat seinen Einfluß immer i n einem liberalen Geiste geltend macht, weil er der Garant der Legalität ist. Kontext
aus h i s t o r i s c h e n
Umständen
U m den gegenwärtigen Zustand unserer Verwaltungsabeit aufzuzeigen, muß ich auf zwei Umstände hinweisen, die bei der Entwicklung der Raumordnung eine große Rolle gespielt haben. Mietgesetzgebung Zunächst handelt es sich u m den Mietzinsstopp, der zu Beginn des ersten Weltkrieges erlassen wurde. Er wurde dann verlängert und mündete schließlich i n ein Mietengesetz. Dies führte zu einem dauernden Unterschied zwischen Altbau- und Neubau-Mieten. Sie kennen ja die Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf die Rentabilität der Gebäude und damit der Grundstücke, auf die Baufälligkeit und das Fehlen von Instandhaltungsarbeiten. Unser ganzes Wohnungswesen wurde dadurch angesteckt. Man gewöhnte sich daran, nicht mehr den Preis für die Überlassung der Wohnung zu zahlen. Dadurch wurde es schwierig, die Bautätigkeit wieder rentabel zu gestalten. W i r versuchen, i n die Lebenshaltungskosten wieder jenen Mietpreis einzubeziehen, der i n den Ländern gezahlt wird, die keine Mietpreisregelung besitzen. Deshalb ist man bestrebt, staatliche Hilfe bei der Wohnungsfinanzierung zu erhalten. Umfang der Zerstörungen
und Wiederaufbaubedingungen
Der zweite Umstand, der i n diesem Bereich sehr bedeutsam war, ist das Ausmaß der Kriegszerstörungen. Es w a r notwendig, ein ganzes Bündel von Gesetzen zu entwerfen. Dabei handelte es sich darum, nicht i n der ursprünglichen Weise aufzubauen, wie es nach dem ersten Weltkrieg der Fall war, sondern gesündere und zweckmäßigere Wohnkomplexe zu schaffen. Die Geschädigten hatten Anspruch auf eine Entschädigung, die den Baukosten abzüglich eines Baufälligkeitskoeffizienten entsprach. Dagegen gilt dieser Grundsatz bei der heutigen Enteignung nicht. Beim Wiederaufbau haben w i r festgestellt, daß der Boden unwahrscheinlich stark parzelliert ist, was auf der geschichtlichen Entwicklung und namentlich den Bodenteilungen beruhte. Ein Umlegungsverfahren war also absolut notwendig.
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I m Umlegungsverfahren werden zwangsweise Verbände der Grundstücksbesitzer geschaffen. Dies beruht auf einem Gesetz aus dem Jahre 1941. Diese Verbände werden von einem sog. Umlegungskommissar geleitet. Das hat den Vorteil, daß einerseits die Umlegung unter einem einheitlichen Gesichtspunkt und i n einer bestimmten Technik durchgeführt wird, während die Grundstückseigentümer eine demokratische Rolle spielen. So erhielten zwar die Eigentümer andere Parzellen, als sie vorher besaßen, dafür sind es aber nun gesündere und zweckmäßigere Grundstücke m i t einer guten Struktur. Aber das Ausmaß der Zerstörungen hat auch dazu geführt, daß der Staat hier i n weitem Maße beim Wiederaufbau eingreifen mußte, dam i t ein einziger und machtvoller Bauherr tätig wurde. A u f Grund dieses Vorteils hat man sich daran gewöhnt, den Wiederaufbau nach einem Gesamtplan durchzuführen und gleichzeitig sowohl die Privatgebäude als aber auch die öffentlichen und gemeinsamen Anlagen zu schaffen. Zudem wurden die Geldmittel zentral bereitgestellt und sofort für jede Baueinheit des betreffenden Gebiets verfügbar. So entstand eine zentrale Verwaltung m i t einem besonderen Ministerium, das seine Bezeichnung mehrfach wechselte. Gleichzeitig aber entstanden i n den Departements besondere Dienststellen und sogar eine Mittelinstanz auf regionaler Ebene, m i t Beamten, die man als „leitende Städteplaner" bezeichnet. So waren Verwaltungszweige sowohl hinsichtlich der Technik als des Personals i m Planen und Bauen geübt. Oftmals umfaßte die zerstörte Zone einen Stadtkern, wie z. B. i m Falle von Le Havre. A u f diese Weise konnten w i r öfters i n Innenvierteln ungesunde Wohnquartiere beseitigen. Nachdem nun diese erste Aufgabe, der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete, erfüllt war, war das hierzu geschaffene Instrument für andere Zwecke verfügbar. Es konnte nunmehr für die Planung nichtzerstörter Gebiete eingesetzt werden.
I L Die Einschränkungen des Grundeigentums gemäß den städtebaulichen Erfordernissen Den nachbarrechtlichen, sicherheits- und gesundheitspolizeilichen Einschränkungen des Grundeigentums, die bereits allgemein i n allen Rechtsordnungen bestanden, haben sich neue Beschränkungen hinzugesellt, die sich aus dem neuentstandenen Erfordernis ergeben, eine städteplanerische Tätigkeit zu ermöglichen. Sie sind der Inhalt einer Gesetzgebung, die i n Frankreich i m Jahre 1919 begann.
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Seither und besonders seit dem Städtebau-Gesetz vom 15. Juni 1943 haben sich diese Rechtsvorschriften vervielfacht. Sie wurden 1954 kodifiziert. Aber wegen der nunmehrigen, oben erwähnten Unterscheidung von Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen konnte dieses Werk nicht weiter verfolgt werden. Deshalb gibt es i n diesem Bereich außerordentlich viele Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Rundverfügungen. Diese Vorschriften bilden einen sehr wichtigen und sehr engmaschigen Komplex; sie ergänzen und modifizieren des öfteren einander. Eine vollständige Aufzählung ist daher unmöglich. Ja, es scheint m i r sogar besser, auf Einzelhinweise ganz zu verzichten, da diese lückenhaft bleiben müßten. Wer sich dafür interessiert, kann sich am leichtesten an Hand der Sondernummer informieren, die die bekannte und i n den meisten Bibliotheken verfügbare französische Zeitschrift „Urbanisme " i m Einvernehmen m i t den Abteilungen des Wohnungsbauministeriums dazu herausgegeben hat. Es handelt sich u m die Doppelnummer 69/70, die i m Jahre 1961 erschienen ist. Die Bestimmungen sind in 11 Titel und 69 Untertitel gegliedert und umfassen 1963 Seiten i m Format 24 X 31 cm. Daraus läßt sich ersehen, wie bedeutsam dieser Gegenstand ist. Eine Ergänzungsnummer von 91 Seiten ist 1963 erschienen; sie enthält den Nachtrag für den Zeitraum vom 30. Oktober 1960 bis zum 15. März 1963. Diese Gesetzgebung läßt sich anschaulich darstellen, wenn man i m Rahmen unseres Tagungsthemas folgende Gesichtspunkte betont: — — — — — —
die verschiedenen Arten von Plänen, Zonen und Räumen die verschiedenen verantwortlichen Ausführungsorgane Inhalt und Verfahren der Bebauungspläne (Bauleitpläne) die in diesen Plänen vorgesehenen Maßnahmen die Probleme der Stadterneuerung und -erweiterung finanzielle Maßnahmen
Verschiedene
A r t e n von Plänen
oder von
Zonen
Die französische Raumplanung verfügt über verschiedene Arten von Plänen oder von Zonen, i n deren Rahmen die städtebaulichen Maßnahmen getroffen werden können. — Nationalplan (in Ausarbeitung), — Bezirke der Regionalplanung (das französische Staatsgebiet besteht aus 21 Programm-Regionen, von denen jede eine bestimmte Anzahl von Departements zusammenfaßt), — Städtegruppen (Gemeinden derselben Agglomeration) — ''Groupements d'urbanisme" — — Planungsgemeinschaften aus mehreren Gemeinden — "Districts urbains" —. Diese umfassen
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— städtische Ballungsgebiete oder Agglomerationen — andere Gelbiete, für die einheitliche Konzeptionen und Maßnahmen nötig sind, wie etwa Küstenstriche, Flußbecken-, Tag- und Gebirgsgebiete sowie Bezirke des Fremdenverkehrs — Gemeindliche Bebauungspläne (Bauleitpläne). Je nach der abgestuften Ausführlichkeit ihres Inhalts unterscheidet man zwischen: — „Leitplan " (Flächennutzung, Baubeschränkungen, Flächen des Gemeinbedarfs) — „Einzelplan ." Er umfaßt ein Teilgebiet des Leitplans und enthält darüber hinaus einen „Massenplan" (Anordnung und Volumen der Bauten) — „Übersichtsplan ." Er beschränkt sich auf einen Flächennutzungs- und Baubeschränkungplan und w i r d für kleine Ortschaften und Landgemeinden aufgestellt, für die der Entwurf eines Leitplans nicht angebracht erscheint, wo jedoch eine Splittersiedlung vermieden werden soll. — Erneuerungsgebiete — Erhaltungsgebiete — Zonen m i t Planungsvorrang („Z. U. P.") — Zonen m i t Planungsaufschub („Z. A. D.") — Gemeindliche Sektoren — Nationalparks — Zonen oder Regionen, für die eine Sonderregelung besteht (Pariser Becken, Küstengebiet Provence, Cöte d'Azur, Korsika) — Sektoren, die aus dem Tätigkeitsbereich eines Gemeindeverbandes oder eines gemischten Verbandes bestehen. Solche Sektoren können sogar dem Wirkungsbereich einer der untenerwähnten verantwortlichen Ausführungsorgane entsprechen. Die verschiedenen verantwortlichen Ausführungsorgane Neben dem Staat und seinen zentralen und nachgeordneten Behörden (Ministerien, besonders dem Wohnungsbauministerium, der Behörde für Raumordnung und Regionalplanung, die dem Ministerpräsidenten untersteht, und dem Plankommissariat) oder den Departements und ihren Departementsräten, die bestimmte Aufgaben wahrnehmen, sind eine Reihe von Stellen berechtigt, auf bestimmten Ebenen anregend oder ausführend tätig zu werden. Vor allem bei der schwierigen und öfters vorliegenden Aufgabe, ein Gebiet städtebaulich zu planen, das sich nicht m i t den Grenzen der un-
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teren Verwaltungsbezirke (Gemeinde, Departement) deckt, kann A n regung oder Durchführung der Raumordnung — je nach der betreffenden Ebene — folgenden Verantwortungsträgern zukommen oder zugewiesen werden: — Koordinationspräfekten (innerhalb jeder „Programm-Region" hat ein Präfekt, der als „Koordinator" m i t Sondervollmachten ausgestattet ist, die Investitionen und Ausrüstungen aufeinander abzustimmen und insbesondere die „Bauabschnitte" i m Rahmen des Vierjahresplans festzulegen) — den verantwortlichen Organen (Vorsitzenden und Vertretungskörperschaften) von — Städtegruppen — Gemeindeverbänden öder gemischten Verbänden — Gemeindesektoren — Verbänden oder Vereinigung des öffentlichen und privaten Rechts oder gemischter Natur, die zur Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe eine Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und nützlichen Kräften auf allen Gebieten, i n Verwaltung, Recht, Finanzwesen und Technik, schaffen. Das geschieht i n den Formen der öffentlich-rechtlichen Anstalt, des gemischtwirtschaftlichen Betriebes, der Gesellschaft des privaten Rechts, des Verbandes und der Vereine. Die V e r f a h r e n der
Bauplanung
Zahlreiche Einschränkungen des Grundeigentums ergeben sich daraus, daß die Grundstücke i n einem Gebiet liegen, das der Bauplanung unterliegt. Das Eigentum w i r d durch die Formen gewährleistet, i n denen der Plan aufgestellt wird. Zuständigkeit
und Initiative
Die „Leitpläne", die für Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern, für Fremdenverkehrszentren und Gemeinden, i n denen es besondere Umstände rechtfertigen, aufgestellt werden müssen, sowie die „Ubersichtspläne" werden grundsätzlich auf Initiative des Staates (Wohnungsbauministerium oder Präfekt) erstellt. Dieser erteilt den Auftrag einem Städteplaner, der vom Bürgermeister m i t Genehmigung der Verwaltung hierzu bestellt wurde; die Planungsarbeiten bezahlt der Staat. Jedoch können auch die Städte, die Städtegruppen, die Gemeindeverbände oder andere Interessenten wie die Grundstücksbesitzervereine oder die Immobiliengesellschaften solche Pläne ausarbeiten lassen. Diese
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müssen jedoch durch die Verwaltung gebilligt werden. Dies gilt besonders für die Einzelpläne, die Gebietskörperschaften oder Baugesellschaften für ein bald zu realisierendes Bauprojekt aufstellen lassen. Überwachung und Kontrolle der gebietlichen Planung obliegen dem Staat. I n erster Linie w i r d diese Aufgabe durch die i n den Departements errichteten Dienststellen des Wohnungsbauministeriums wahrgenommen. Von einem bestimmten Bedeutungsgrad ab, bei Einsprüchen oder i n sonst schwierigen Fällen, zieht jedoch die zentrale Abteilung des Wohnungsbauministeriums die Sache an sich. Aufstellung
der Bauleitpläne
Das Verfahren beginnt — für die Planungsverbände m i t einem gemeinsamen Erlaß des Wohnungsbau- und des Innenministeriums, — für die Pläne auf kommunaler Ebene (Gemeindegruppen, Gemeinden oder Gemeindeteile) m i t einem Erlaß des Präfekten des betreffenden Departements. Das Datum des Erlasses ist wichtig. Von nun an können nämlich Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Insbesondere kann nun für einen Zeitraum von zwei Jahren die Erteilung von Baugenehmigungen sowie von Genehmigungen für Parzellierungen zu Siedlungszwecken, öffentliche Arbeiten, Anlagen unter Natur- und Denkmalschutz und die Anlegung von Steinbrüchen gesperrt werden. Der Plan legt die A r t und Weise der Bodennutzung fest und bestimmt die Baubeschränkungen. Er kann in der gleichen Weise abgeändert werden, wie er aufgestellt wurde. Anhörungen
und
Genehmigungen
Die Bauleitpläne werden i n Verbindung m i t den Bürgermeistern und den örtlichen Bauämtern sowie allen interessierten Dienststellen ausgearbeitet. Dabei werden die beteiligten Gemeindevertretungen oder der Generalrat (Conseil General) angehört, soweit sie Bestimmungen enthalten, die das Departement betreffen. Der Plan w i r d somit nach Untersuchung und Beratung ausgearbeitet. Dies ist sehr wichtig, denn damit werden gewisse Garantien erzielt. Durch die Stellungnahme aller Verwaltungsstellen, den Meinungsaustausch m i t dem Gemeinderat und öffentliche Umfragen w i r d so i n einem bestimmten Rahmen die öffentliche Meinung zur Mitarbeit herangezogen. A m Ende dieser öffentlichen Untersuchung arbeitet ein sog. Ermittlungskommissar einen Bericht aus. Die Meinung dieses Kommis-
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sars ist äußerst wichtig. Ergibt sich nämlich daraus, daß kein Widerspruch gegen den Plan erhoben wird, so können bei kleineren Städten die lokalen Behörden definitiv über das Projekt entscheiden. Somit werden die Pläne für Gemeinden unter 50 000 Einwohnern durch den Präfekt bestätigt, sofern sich sowohl der Untersuchungsbericht als auch die beteiligten Dienststellen und Körperschaften des öffentlichen Rechts für das Projekt aussprechen. I n allen anderen Fällen werden sie durch Verordnung des Staatsrats nach Berichterstattung durch die Minister für Wohnungsbau und Inneres festgestellt. Nach Bestätigung werden ihre Bestimmungen verbindlich, wobei die Verordnung außerdem für alle oder einen Teil der Arbeiten die sog. „Erklärung des Gemeinwohls" aussprechen kann. Die verschiedenen
Maßnahmen
Die Pläne geben Aufschluß über die Anordnung der Bauten, der Gemeinbedarfsflächen sowie der verschiedenen Möglichkeiten der Bodennutzung (Anlagen unter Natur- und Denkmalschutz, Waldstücke, historische Denkmäler, Landschaften). Das französische Recht bietet eine ganze Skala von Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung. Jede Maßnahme bedeutet natürlich eine Einschränkung des Eigentums. Aber sie sind auch m i t Garantien versehen, die sich ebensosehr aus den einzelnen Voraussetzungen ergeben, die i n jedem Fall zu erfüllen sind, wie auch aus der A r t und Weise, i n der die Pläne ausgearbeitet und genehmigt werden. Die wichtigsten Maßnahmen sind i n folgender Weise des näheren zu erläutern: „Bestimmung der FlächennutzungDiese führt natürlich zu beträchtlichen Unterschieden i n der Stellung der beteiligten Gebiete: Bauland oder Ackerland, Wohn- oder Industriegebiete, Flächen zur Errichtung von Eigenheimen oder mehrstöckigen Gebäuden wie auch Bauhöhenbegrenzungen, Gebiete für Grünflächen, für den Gemeinbedarf usw. Die Kontrolle der Verwendung liegt i n dem Verfahren der Plangenehmigung. „Baubeschränkungen". Es gibt eine Vielzahl von Baubeschränkungen, die nach A r t oder Ausmaß verschieden sind. Die Baubeschränkungen, die sich aus den durch die zuständigen Stellen genehmigten und damit gesetzeskräftigen Bauleitplänen ergeben, sind i n Frankreich entschädigungslos. Sie können nur dann zu einer Entschädigung führen, wenn sie den Zustand des Grundstücks verändern und dadurch einen „unmittelbaren, direkten und sicheren" Schaden verursachen. „Feststellung des Gemeinwohls". Es handelt sich hier u m eine Entscheidung der zuständigen Behörden, die nach bestimmten Verfahren
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getroffen wird. Sie gestattet die Durchführung der Arbeiten und erlaubt insbesondere die Enteignung. Sie wurde ursprünglich geschaffen, u m bestimmte Unternehmen, vor allem die großen, für das Gemeinwohl nötigen Arbeiten des Straßen- und Eisenbahnbaus sowie der Errichtung von Wasserkraftwerken durchführen zu können. Die Maßnahmen wurden also „Zug u m Zug" innerhalb eines genau bestimmten „Vertikalsektors" getroffen. Unter dem Druck der städtebaulichen Erfordernisse hat sich der Begriff entwickelt. Die Gemeinwohl-Feststellung kann jetzt zur Verwirklichung einer Planungsgesamtheit verwandelt werden, die Arbeiten verschiedener Natur enthält. Es lassen sich danach auch die Grundstücke zur Errichtung von Gebäudekomplexen erwerben wie auch Industriegebiete anlegen. „Enteignung". Das französische lich weitgehend geändert worden.
Enteignungsrecht
ist
1958 ziem-
Die Enteignung kann erst nach einer „Feststellung des Gemeinwohls" vorgenommen werden. Diese w i r d auf Grund einer Untersuchung erlassen und w i r d entweder durch Verordnung nach A n hörung des Staatsrats, durch Ministerialerlaß oder durch Erlaß des Präfekten ausgesprochen, wobei die Fristen festgelegt werden, i n denen die Enteignung stattfinden kann (10 Jahre bei Maßnahmen, die i n genehmigten Raumordnungs-Plänen vorgesehen sind, 5 Jahre i n den anderen Fällen, wobei die Fristen u m den gleichen Zeitraum verlängert werden können). Durch eine Rechtsänderung i m Jahre 1958 können nunmehr die Verfahren der Ubereignung und der Festsetzung der Entschädigung getrennt werden. Dadurch können beide Maßnahmen gleichzeitig verfolgt werden, und man braucht nicht mehr die volle Regelung der Angelegenheit abzuwarten, u m über die Grundstücke verfügen zu können. Eine andere Neuerung besteht i m folgenden: w i r d eine gütliche Einigung über den Preis nicht erzielt, so w i r d der Entschädigungssatz durch einen einzigen Richter festgesetzt, den das zuständige Zivilgericht auf fünf Jahre für das gesamte Departement bestimmt. So kann der auf ein Fachgebiet beschränkte Richter einen Uberblick über den Grundstücksmarkt eines größeren Gebietes gewinnen und sich auf Grund seiner Amtsdauer Erfahrung aneignen. Grundsätzlich soll die Entschädigung, wie es auch gesetzlich festgelegt ist, die volle Höhe des „direkten, materiellen und sicheren" Schadens decken, der durch die Enteignung verursacht wird. Das w i r d i m französischen Recht dahin verstanden, daß die Entschädigung nicht dem Wiederbeschaffungswert, sondern dem Verkaufs-
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wert entsprechen soll, wie er i m Zeitpunkt des Bescheides über den Eigentumsübergang i n Bargeld auf dem M a r k t erzielt worden wäre. Z u der so wichtigen Frage der Schätzung können folgende Hinweise gegeben werden: Seit dem Gesetz vom 20. J u l i 1962 werden die Grundstücke nach dem Wert geschätzt, den sie unter Berücksichtigung ihrer gehörig nachgewiesenen, unmittelbaren Nutzungschancen ein Jahr vor Eröffnung der Untersuchung erworben hatten. Dabei bleiben spätere Wertveränderungen, auch wenn sie i n Kaufverträgen niedergelegt sind, dann außer Betracht, sofern sie entweder — durch die Ankündigung von Arbeiten oder Vorhaben, für die die „Feststellung des Gemeinwohls" beantragt wird, oder — die Aussicht auf hervorgerufen wurden.
Änderimg
der
Bodennutzungsbestimmungen
Dieser Wert w i r d unter Beachtung der veränderten Baukosten überprüft, die durch das Nationalinstitut für Statistik festgestellt werden. Somit werden alle Verbesserungen dann nicht entschädigt, wenn sich aus dem Zeitpunkt ihrer Vornahme oder anderen Umständen ergibt, daß sie durchgeführt wurden, u m eine höhere Entschädigung zu erhalten. Dies w i r d bei Verbesserungsarbeiten vermutet, die nach Eröffnung der Untersuchung vorgenommen werden. Der Wert darf i m übrigen nicht die Schätzung übersteigen, die das Grundstück beim letzten Eigentumsübergang erhielt. Dabei sind die damals geschlossenen Verträge oder abgegebenen Erklärungen oder amtliche, bestandskräftige Bewertungen maßgebend. Dies gilt allerdings nur für einen Eigentumswechsel, der sich weniger als fünf Jahre vor dem Bezugszeitpunkt vollzog (abgesehen von einer Veränderung der Baukosten, die durch das Nationalinstitut für Statistik festgestellt werden). Die Schätzung muß ebenfalls den Wert berücksichtigen, der vor Eröffnung der Untersuchung i n den Steuererklärungen angegeben wurde oder den die Finanzbehörden damals auf Grund der Steuergesetze verbindlich festsetzten. Z u diesem Zweck müssen die Finanzbehörden dem Enteignungsgericht, der staatlichen Liegenschaftsverwaltung und den Enteignungsbehörden alle sachdienlichen Auskünfte aus den Steuererklärungen und der steuerlichen Bewertung mitteilen. Der Richter entscheidet gesondert über den Betrag des Wertzuwachses, der die Enteignungsentschädigung ganz oder teilweise aufwiegen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ausführung der Arbeiten zu einer unmittelbaren Wertsteigerung des restlichen Eigentums führen wird.
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Bietet die „Enteignungsbehörde", u m nicht eine Entschädigung gewähren zu müssen, dem Inhaber des Geländes ein gleichwertiges Grundstück (sowie etwa zusätzlich die Bezahlung der Umzugskosten und des Nutzungsausfalls) an, so entscheidet der Richter über die Gleichwertigkeit. Aus städtebaulichen Gründen ist es besonders wichtig, daß die enteigneten Grundstücke i n freier Übereinkunft an Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts übertragen werden können, sofern die Erwerber sie gemäß den Vergabebedingungen benutzen zur — Errichtung von Wohnkomplexen m i t Nebengebäuden oder zur Parzellierung zwecks Anlegung von Wohn- oder Industriesiedlungen, — zur stufenweisen oder plangemäßen Schaffung von Wohn- oder Industriegebieten nach genehmigten Raumordnungsplänen. Sofern die enteigneten Eigentümer für sich oder ihre Familie bauen wollen, haben sie einen Anspruch darauf, bei der Zuweisung des Baugeländes, das i m Rahmen des Vorhabens verkauft wird, vorzugsweise berücksichtigt zu werden. „Vorkauf". Dieses Recht kann i n mehreren Fällen ausgeübt werden. Zunächst kann es innerhalb eines genehmigten Bauleitplans für Flächen öffentlicher Nutzung, für Einrichtungen des Gemeinwohls und für freizuhaltende Flächen benutzt werden und besteht während einer Frist von 10 Jahren, die verlängert werden kann. Dann kann es innerhalb der später zu erwähnenden Zonen m i t Planungsvorrang (Z.U.P.) und m i t Planungsaufschub (Z.A.D.) ausgeübt werden, wobei dort ein Bauleitplan noch nicht zu bestehen braucht. Das Vorkaufsrecht kann zugunsten von Körperschaften des öffentlichen Rechts und der i m Städtebaugesetz vorgesehenen Stellen ausgeübt werden. Dabei handelt es sich u m Anstalten des öffentlichen Rechts oder u m gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften, deren Kapital zu mehr als 50 v H i n öffentlicher Hand ist und deren Satzungen Musterklauseln aufweisen. Üben die Gebietskörperschaften das Vorkaufsrecht nicht aus, so kann der Staat es wahrnehmen. Kommt bei einer zum Vorkauf berechtigenden Veräußerung eine gütliche Einigung nicht zustande, so w i r d der Preis wie i m Falle einer Enteignung festgestellt. Bei den „Zonen m i t Planungsvorrang" w i r d der Preis nach dem Zeitpunkt berechnet, der ein Jahr vor Errichtung dieses Gebietes liegt.
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„Baugenehmigung" .Sie stellt eines der wirksamsten M i t t e l dar, u m die Bodennutzung, insbesondere die Beachtung der Vorschriften der Bebauungspläne zu kontrollieren. Es gibt noch eine Anzahl weiterer Maßnahmen, auf die die französische Städteplanung zurückgreifen kann. Sie beziehen sich auf Erhaltungsgebiete, Stadterneuerung, Grünflächen, Waldstücke, Nationalparks, Denkmäler, Landschaften, Siedlungsparzellierungen, vor allem solche unvollkommener Natur, L u f t - und Wasserverschmutzung, Industrien, Dezentralisierung i n Verwaltung, Industrie und Handel, Plätze für Garagen, Camping und selbst die Bodennutzung für baufremde Zwecke (Schrott-, Material-, Brennstoff- und Abfall-Lagerplätze, Autofriedhöfe) usw. Die Probleme
der E r n e u e r u n g
und der
Erweiterung
Sind die Bauleitpläne amtlich genehmigt, so bilden sie einen Rahmen, dem sich alle Vorhaben der Raumnutzung anzupassen haben. Aber heute erscheint es nicht mehr ausreichend, daß ein Plan nur stückweise, nach und nach verwirklicht werden kann, je nachdem, ob dieses oder jenes Bauvorhaben gerade durchgeführt wird. Deshalb hat der Gesetzgeber vor kurzem neue Plantypen entworfen. Diese sollen ein zielstrebiges Handeln und die Durchführung ganzer Komplexe ermöglichen. — Einerseits betreffen sie das Stadtinnere, die alten Viertel. Hier unterscheidet man die Gebiete m i t noch wertvollen Bauten, die es somit zu erhalten gilt, von den gänzlich verfallenen Vierteln, die deshalb vollkommen zu erneuern sind. — Andererseits sind m i t diesen Plantypen draußen neue Komplexe zu schaffen, um ein Stadtgebiet zu entwickeln und zu erweitern. Damit möchte ich kurz etwas zu der Entwicklung dieser Ideen und damit zur Stadterneuerung sagen: Ausgangspunkt war die Beseitigung ungesunder Bauten, sei es einzelner Gebäude oder ganzer Zonen, d. h. ungesunder Viertel. Die Ideen haben sich also entwickelt, und jetzt spüren w i r die Notwendigkeit, die Stadtkerne zu erneuern, nicht etwa, weil sie baulich zu alt geworden sind, sondern weil sie nicht mehr den Bedürfnissen des Verkehrs und auch einem neuen, immer mehr fühlbaren Erfordernis, demjenigen einer bestimmten Qualität des sog. TertiärSektors, entsprechen. Dieser Punkt ist besonders wichtig, womit ich gleichzeitig eine Frage des Leitfadens beantworte. W i r glauben nämlich, daß die Städte nicht nach den Erfordernissen der Industrie entwickelt werden sollen, denen vielmehr am Stadtrand Rechnung getragen werden kann. Die Stadt-
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erneuerung soll vielmehr den Bedürfnissen des Tertiär-Sektors entsprechen, dessen Entwicklung Fourastie beschrieben hat. Er erhält immer mehr Zuzug von dem Primär- und Sekundär-Sektor und stellt für die Stadt-Innenviertel unsere hauptsächliche Sorge dar. Aus diesem Grunde liebe ich nicht sonderlich den Ausdruck „Stadt-Erneuerung". Er könnte nämlich besagen, es solle bloß ein vorher schon bestehender Zustand wiederhergestellt oder erneuert werden. Es handelt sich aber i n Wirklichkeit u m sehr tiefgreifende Struktur-Veränderungen, so daß ich deswegen von dem vielleicht sprachlich etwas unschönen Ausdruck der „Stadt-Neugliederung" sprechen möchte. Daneben haben w i r ein zweites Problem, nämlich das der Stadterweiterung zu bewältigen. W i r haben also zwei Aufgaben: einerseits die alten Stadtviertel neu zu gliedern und andererseits die Stadt auszuweiten. Und damit möchte ich eine allgemeine Bemerkung machen. W i r versuchen nämlich stets, die Probleme nicht zu trennen, sondern sie i n einer Gesamtschau zu vereinen. So benötigen w i r oft, u m eine Neugliederung durchzuführen, ein Ubergangswohnviertel. Andererseits führt die Neugliederung nicht selten dazu, daß die Wohndichte des betreffenden Stadtviertels herabgesetzt wird. So müssen w i r anderswo einen Wohnungsausgleich finden. Oft auch kann man nicht mehr die vorher dort ansässigen Bevölkerungsschichten i n dem neugegliederten Stadtkern ansiedeln. Umgekehrt erfordert die Stadterweiterung eine Neugliederung der Stadtzentren, damit diese ihren neuen und größeren Aufgaben gewachsen sind. Ich komme damit zu einem Hauptpunkt meines Referats, nämlich zu dem Begriff der Gesamtheit. Die früheren Gesetze hatten den Begriff des Gemeinwohls und damit der Enteignung nur jeweils m i t Einzelprojekten verbunden. Dies entsprach einem vertikalen Vorgehen und damit auch vertikalen Verwaltungssektoren, d. h. den Maßnahmen der verschiedenen Ministerien, besonders soweit es die Durchführung der öffentlichen Arbeiten betraf. W i r pflegen dieses Vorgehen, das die Dinge nur einzeln und getrennt sieht, als Zug-um-Zug-Maßnahmen zu bezeichnen. Dagegen führen w i r heute Gesamt- d.h. Zonen-Vorhaben durch, wobei die erfaßten Gebiete immer größer werden. Es handelt sich u m eine Änderung der Maßstäbe. Dies ist aber nicht nur i n räumlicher Hinsicht zu verstehen, d. h. also so, daß die erfaßten Gebiete einfach immer größer werden, sondern auch hinsichtlich der Anzahl der Gesichtspunkte, die w i r heute bei der Städteplanung berücksichtigen. Die 14
Speyer 21
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Planungsvorhaben werden heute auch unter wirtschaftlichen, bevölkerungspolitischen und sozialen Gesichtspunkten getroffen.
Stadterneuerung Vorhaben auf dem Gebiet der Stadterneuerung Nunmehr möchte ich das für die Stadterneuerung, d. h. die Stadtneugliederung, geschaffene Recht behandeln. Diese Stadterneuerung kann entweder auf Initiative der Gemeinden oder von Hausbesitzerverbänden oder aber auch auf Initiative von dafür besonders qualifizierten Privatorganisationen durchgeführt werden. Der Präfekt grenzt dann das betreffende Gebiet ab und bestätigt auch die Verträge, die zwischen den Gemeinden und den Ausführungsunternehmen beschlossen werden. Der Präfekt stellt auch die Liste der abzureißenden oder zu erneuernden Gebäude auf. Diese Entscheidung w i r d dann von dem Bürgermeister den betreffenden Eigentümern mitgeteilt. Natürlich müssen hier sowohl Fristen als auch ein Programm vorgesehen sein. Der Eigentümer kann nun entweder die vorgesehene Maßnahme selbst ausführen oder sich finanziell an dem Ausführungsunternehmen beteiligen. Bleibt er untätig, so w i r d er enteignet. Die Eigentümer können sich zu Verbänden zusammenschließen. Alle früheren Bewohner haben einen vorrangigen Anspruch darauf, sich i n dem erneuerten Gebiet wieder niederzulassen. Sie können auch andere Rechte erhalten oder aber Entschädigung verlangen. Erhaltungsgebiete Da ich gerade über die Altstadtviertel spreche, möchte ich erwähnen, daß w i r seit 1962 auch ein spezielles Recht für die sog. Erhaltungsgebiete haben. Das sind Gebiete, i n denen es bedeutsame Gebäude gibt. Diese Flächen werden durch eine gemeinsame Verordnung des Wohnungsbauministers und des Ministers für Kulturangelegenheiten abgegrenzt. Dort müssen alle Bauarbeiten vorher genehmigt werden. Diese Genehmigung w i r d nur erteilt, wenn die Arbeiten m i t dem Schutz- und Erschließungsplan übereinstimmen. Die Vorhaben können durch einen Einzeleigentümer oder auch durch mehrere durchgeführt werden. I m letzteren Falle können sich die Eigentümer auch zu einem Verband zusammenschließen. Die Bewohner der betreffenden Gebäude können sich den Arbeiten nicht widersetzen. Sie können sogar gezwungen werden, ihre Wohnungen zu verlassen. Die wieder angesiedelten Mieter werden für den Nutzungsausfall wie auch für die Umzugs- und Neueinrichtungskosten entschädigt.
Städtebau und Eigentumsordnung in Frankreich
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Stadterweiterung Zonen mit Planungsvorrang Ich behandle nunmehr den Stadtrand. Hier haben w i r ebenfalls neues Recht. Dieses Recht betrifft die sog. Z. U. P. — (Zones à Urbaniser en Priorité) — Zonen mit Planungsvorrag. Diese Zonen werden durch Erlaß des Wohnungsministers geschaffen, sofern die beteiligten Gemeinden einverstanden sind. Sind sie es, wie stets, nicht, so bedarf es einer Verordnung unter M i t w i r k u n g des Staatsrats. Es kann sich immer u m sehr wichtige Zonen handeln, denn sie sollen mehr als 500 Wohnungseinheiten sowie die Versorgungsanlagen umfassen. Die Schaffung dieser Zonen m i t Planungsvorrang hat eine sehr bedeutsame Wirkung. Denn jedes Bauvorhaben zur Erstellung von mehr als 100 Wohnungen ist außerhalb solcher Zonen grundsätzlich unzulässig, sofern dadurch neue Versorgungsanlagen auf öffentliche Kosten geschaffen werden müßten. Die Erschließung, d. h. die Errichtung der Infrastruktur und die Erstellung von Bauten, können den schon erwähnten Organismen übertragen werden. Diese können als Bauherren der Zonen mit Planungsvorrang die einmal enteigneten Grundstücke einzelnen Baulustigen zu Bauzwecken rückübereignen. Es handelt sich hier u m ein sehr wirksames Planen m i t einem Kostenvoranschlag der Gesamtmaßnahmen, d. h. Einnahmen und Ausgaben, und einer Aufgliederung der Arbeiten in einzelne Abschnitte, sowohl für die Erschließung als auch für die Errichtung der Bauten. Es gäbe noch viel über diese Zonen m i t Planungsvorrang zu sagen. Der Hauptvorteil w i r d i n einem Rundschreiben erwähnt, i n dem man auf die Handlungseinheit i n einer solchen Zone hinweist, selbst wenn sich diese über mehrere Gemeindegrenzen hinweg erstrecken sollte. Zunächst handelt es sich u m eine technische Einheit, da die Arbeiten einem einzigen Bauherrn anvertraut sind. Weiterhin w i r d ein einheitlicher Finanzierungsplan aufgestellt. Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist wichtig, daß hierdurch ein gutes architektonisches Gefüge geschaffen wird, wobei die Zone m i t allen notwendigen gemeinschaftlichen Versorgungsanlagen ausgestattet wird. A u f diese Weise können also die Anstrengungen einer Körperschaft auf ein bestimmtes Gebiet konzentriert werden. Zonen mit Planungsaufschub Ich habe damit die Z. U. P.-Zonen behandelt, d. h. die Zonen, die planerisch sofort und unmittelbar erfaßt werden. Dies erschien uns aber i n Frankreich nicht ausreichend. W i r haben deshalb darüber hinaus die sog. ZAD-Einheiten (Zones d'Aménagement Différé) geschaffen, d. h. Zonen, deren Erschließung erst später vorgenommen werden soll, Zo14*
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nen m i t Planungsaufschub. Durch diese Zonen, die rechtlich auf die gleiche Weise wie die Zonen m i t Planungsvorrang geschaffen werden, verhindern w i r die Bodenspekulation. Sie dienen nämlich hauptsächlich dazu, ein Vorkaufsrecht auszuüben. Ich möchte nun noch kurz über das Vorkaufsrecht sprechen, das i n den ZUP- und ZAD-Zonen, wie auch i n den planerisch erfaßten Gebieten, wie w i r es gesehen haben, besteht. Das Vorkaufsrecht kann i n den ZUP-Zonen innerhalb von 4 Jahren, i n den ZAD-Zonen innerhalb von 8 Jahren ausgeübt werden und, was noch wichtiger ist, und — wie ich vermute — bei Ihnen gewisse Reaktionen hervorrufen w i r d : der Wert der Grundstücke w i r d für den Zeitpunkt geschätzt, der ein Jahr vor der Festlegung der ZUP- und ZAD-Zonen liegt. Sie sehen also den Kampf gegen die Spekulation. Übrigens läßt man auch i n allen Enteignungsfällen diejenigen Arbeiten unberücksichtigt, die deswegen vorgenommen werden, w e i l i n diesem Gebiet eine Raumplanung durchgeführt oder ZUP- oder ZAD-Zonen geschaffen wurden und die m i t der Absicht ausgeführt wurden, den Wert der Grundstücke zu erhöhen. Finanzierungsbestimmungen Diese zielstrebige Schaffung von ganzen Komplexen ließ sich nur dadurch realisieren, daß die Vorkehrungen i n Recht und Verwaltung durch Finanzmaßnahmen ergänzt wurden. So sind bisher 133 „Zonen m i t Planungsvorrang" geschaffen worden, die 17 065 ha umfassen und Raum für 44 000 Wohnungen bieten. Man hat 130 „Vorhaben der Stadterneuerung" durchgeführt. Man beseitigt gegenwärtig jährlich 20 000 ungesunde Wohnungen, man möchte aber diese Zahl i n 4 Jahren auf 35 000 und i n zehn Jahren auf 100 000 erhöhen. Rechnet man durchschnittlich 12 000 Franken für die Beseitigung einer Wohnung — 1/s als Subvention und 2/a als Darlehen —, so bedürfte es dazu einer Aufwendung von 30 Milliarden. Deshalb hat der Gesetzgeber einen Nationalfonds für Städteplanung und Raumordnung geschaffen. Er w i r d durch einen Ausschuß verwaltet, der aus einem Vertreter des Ministerpräsidenten sowie aus je einem Vertreter des Wohnungsbau-, des Innen- und des Finanzministers besteht. Dieser Fonds kann die Ausführung der Pläne durch die Gebietskörperschaften, wie auch durch die anderen öffentlichen Einrichtungen vorschußweise finanzieren. Seine finanzielle Ausstattung erlaubt es ihm, insbesondere Subventionen und Darlehen sowie Zinszuschüsse zu gewähren. Diese Gelder können für die Ansiedlung von Industrie oder die Schaffung von Industriegelände, für Maßnahmen der Stadterneuerung, wie aber auch für unmittelbare Maßnahmen des Staates verwendet werden. Sie stehen den ZAD-Zonen für die Ausübung des Vorkaufs-
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rechts zur Verfügung, damit Grundstücksreserven geschaffen werden können. Es können aber auch Beteiligungen an öffentlichen Einrichtungen und Körperschaften wie auch die Schaffung von Grünanlagen finanziert werden. Dieser Fonds konnte Ende 1962 über mehr als 2 M i l l i a r den Franken, das sind etwa 1,6 Milliarden DM, verfügen. Dadurch konnten 21 000 ha erworben und weiterhin Grundstücke erschlossen werden, die insgesamt 420 000 Wohnungen aufzunehmen vermögen.
I I I . Streben nach einem Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Allgemeinheit und dem Privateigentum Von einer höheren Warte aus betrachtet, handelt es sich i m Grunde u m das notwendige Bemühen, Privateigentum und Bedürfnisse der A l l gemeinheit aufeinander abzustimmen, da die letzteren eine immer größere Bedeutung i n den städtischen Ballungsgebieten gewinnen. Diesen stark anwachsenden Bedürfnissen kann nur durch Formen der Vergemeinschaftung begegnet werden. Man benötigt Anlagen des Gemeinbedarfs, wie ausgedehnte Verkehrsflächen, Autobahnen, Flugplätze, Krankenhäuser, Sportanlagen, Grünflächen, Universitäten, B i bliotheken, kulturelle Institute, Theater usw. und ebenfalls die erforderlichen Flächen für die Errichtung von Gebäudekomplexen. Sie alle brauchen viel Platz und müssen an ganz bestimmten Plätzen erstellt werden, u m die ihnen zugewiesene Funktion erfüllen zu können. Die Städte müssen aufgelockert, geordnet und aufgegliedert werden, u m sie gesünder und anziehender zu machen. Deshalb muß das Privateigent u m so gestaltet werden, daß es die nunmehr unerläßlich gewordene Ordnung des Raums nicht verhindert. Tendenzen Daher möchte ich die Richtung aufzeigen, i n der heute die französische Raumplanung zweckmäßigerweise vorangetrieben werden soll. W i r wollen einen Wechselbezug herstellen zwischen Raum, W i r t schaft und Bevölkerung. Deshalb stellen w i r heute i n der Praxis Programme auf, bevor w i r an die eigentliche Raumplanung gehen. Das Programm berechnet für den Ablauf des nächsten Planes, d. h. von 1965 bis 1970, die Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft und Wohnungsbau. W i r haben Fachgesellschaften m i t der Forschung beauftragt, möglichst genaue Voranschlagszahlen einzureichen: über die Aufteilung der i n den Sekundär- und Tertiär-Sektoren tätigen Bevölkerung, über das für den Wohnungsbau verfügbare Gebiet und die Anzahl der zu errichtenden Wohnungen unter Berücksichtigung der bei der Stadterneuerung zu beseitigenden Wohnungseinheiten. W i r kommen damit
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zu wirksamen Planungsprogrammen, bei denen man für alle Formen der Erschließung Sorge trägt, wobei nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Gemeinschaftsanlagen anderer A r t berücksichtigt werden. Das Programm macht sehr genaue Angaben zum Beispiel über die für den Handel geeigneten Räume und sorgt insbesondere für eine Erneuerung der Zentren des Tertiär-Sektors vor. W i r führen eine Zusammenarbeit aller zuständigen Verwaltungsstellen i m Rahmen von gemeinsamen Ausschüssen herbei. Darüber hinaus werden aus allen, die einen finanziellen, technischen, oder verwaltungsmäßigen Beitrag zur Lösung der Aufgabe leisten können, Verbände der verschiedensten A r t geschaffen. Dies alles geschieht natürlich unter Zustimmung der jeweiligen Gebietskörperschaften. Z u diesem Zweck werden auf allen Ebenen Koordinierungsausschüsse geschaffen, d. h. zwischen den Ministern, den Ministerien und auch auf der Ebene der Departements. Man versucht dabei, alle aktiven Kräfte an dieser Arbeit zu beteiligen. Überfluß und Mangel an Mitteln Sie haben also damit einen Uberblick über das juristische Werkzeug, das uns zur Verfügung steht. Schwierigkeiten bereiten uns heute noch die lange Dauer des Enteignungsverfahrens und das schwierige Problem der Bodenspekulation. W i r untersuchen gegenwärtig die Fragen der Gebietsausstattung und der Unterschiede, die durch die Planungsbezirke verursacht werden, Unterschiede, die u. a. an den Grenzen der Zonen bestehen. I m französischen Planungsrecht lassen sich trotz seines Umfangs und seines Gewichts noch nicht alle Fragen lösen, die sich bei der schweren und verantwortungsvollen Aufgabe stellen, den Raum gemäß den Bedürfnissen der Gemeinschaft zu ordnen. Zwar verfügt man i n rechtlicher Hinsicht über die nötigen M i t t e l für den Erwerb derjenigen Grundstücke, die zur Durchführung der i m öffentlichen Interesse liegenden Vorhaben unentbehrlich sind. Die Höhe des zu zahlenden Preises macht dies jedoch i n der Praxis oft unmöglich. Denn ein Problem konnte bisher noch nicht gelöst werden, das für sich allein alles zum Scheitern bringen kann, das der Bodenspekulation. Das P r o b l e m d e r G e w ä h r l e i s t u n g des E i g e n t u m s Ich möchte noch mein Versprechen halten und wenigstens kurz Selbstkritik üben, und zwar über unsere Stellung zu der Gewährleistung des Privateigentums, vor allem i m Hinblick auf die Fülle der Rechtsgrundlagen — Gesetze oder Verordnungen —, die bei uns eine Beschränkung des Privateigentums erlauben. Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß diese Eigentumsgarantie bei uns besteht.
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Erstens besitzt bei der eigentlichen Enteignung der sog. Enteignungsrichter eine große Bedeutung. Eine Garantie besteht ferner durch die allgemeine Kontrolle, die i n einer umfassenden und abgestuften Planung liegt. Alles fügt sich so i n die Pläne ein, die w i r immer rationeller zu gestalten versuchen und die unter Beachtung des Gemeinwohls aufgestellt werden. Eine andere Garantie besteht in der Kontrolle durch die Koordinierungsausschüsse. Da jedermann i n ihnen vertreten ist, werden dadurch die verschiedenen Bedürfnisse ausgeglichen. Aber auch die einzelnen Verwaltungsstellen kontrollieren sich gegenseitig. Denn i n sehr vielen Bereichen kann die sog. „Feststellung des Gemeinwohls" nur von mehreren Ministern gemeinsam erlassen werden: es gibt aber stets einen M i nister, etwa den Gesundheitsminister oder den Kulturminister, der nun anderer Meinung ist. Das führt also zu einer gegenseitigen Kontrolle der Verwaltung. Eine sehr wichtige und machtvolle Kontrolle liegt i m Conseil d'Etat. Sie haben bereits gesehen, daß alle Maßnahmen, die nicht einstimmig von allen Beteiligten getroffen werden, der M i t w i r k u n g des Conseil d'Etat bedürfen. Dieser berücksichtigt i n sehr großem Umfang die Gutachten der Verwaltungen, der örtlichen Körperschaften und des Kommissars, der die Bemerkungen der Einwohner i m Laufe der öffentlichen Untersuchung einziehen soll. Eine Kontrolle liegt schließlich i n dem Verfahren selbst, das zahlreiche Ermittlungen erfordert. Insbesondere denke ich an die Anhörung der Anstalten des öffentlichen Rechts, der Gebietskörperschaften und schließlich auch an die Beteiligung der öffentlichen Meinung. Abschließend möchte ich sagen, daß die Garantien natürlich i n den Rechtsnormen liegen. Auch wichtig erscheint m i r die Kontrolle, die durch alle Beteiligten, d. h. durch die Interessenten, wie auch durch die Mitarbeiter an den Planungsmaßnahmen, ausgeübt wird. Dies ist eine Kontrolle durch die Menschen. Sie ist zwar weniger formell, aber vielleicht wirksamer und damit auch humaner.
ussprache Regierungsdirektor
Johannsen
Selbst ernstzunehmende Fachleute sagen: W i r brauchen an sich gar keine Bestimmimg für unsere Städtesanierung. W i r brauchen bloß viel Geld. Und da ist etwas Wahres dran. Magnifizenz hat ja gestern darauf hingewiesen, daß die Rangfolge der Vorträge i n einer A r t Steigerung anzeigt, wie weit diese Entwicklungen i n anderen Ländern schon i m Sinne unserer Vorstellung gediehen sind. Herr Direktor Rouge und Herr Professor Dr. Wastiels haben von der Bereitstellung größerer Geldsummen gesprochen, die ich beinahe als Manipulierungsfonds betrachten möchte. I m belgischen Beispiel waren es, glaube ich, 300 M i l l . belgische Franken, i n dem französischen Beispiel waren es, wenn ich mich nicht irre, 1,8 Mrd. Franken. Nach den Worten von Herrn Rouge werden diese M i t t e l zum Teil als Darlehen — ich nehme an als zinsverbilligte Darlehen —, zum Teil i n Form von Zuschüssen zur Verbilligung von Darlehen und von Vorfinanzierungsmitteln eingesetzt. Er nannte dann auch einen Vorrat für Landerwerb der sog. zweiten Linie, für einen Landerwerb m i t einem Gesamtumfang von 21 000 Hektar. Ich möchte mich nicht nach den rechtlichen Voraussetzungen erkundigen. Mich interessiert mehr oder weniger ausschließlich die Finanzierung, w e i l w i r uns m i t solchen Überlegungen i n unserem eigenen Lande — vor allem für die Konzeption des neuen Bundesstädtebauförderungsgesetzes — beschäftigen müssen. Ich würde es daher begrüßen, wenn Herr Direktor Rouge hier noch weitere Angaben machen könnte über den Einsatz dieser Mittel, die ursprüngliche oder vielleicht zusätzliche laufende Speisung dieser Mittel, wo sie herkommen und wer sie bewilligt. Dr. Schindler Eine Frage zu den Möglichkeiten einer Kombination von privater und staatlicher Initiative. Ich las letzthin i n der englischen Presse über Gesetze, die gerade i n letzter Zeit entwickelt wurden. Sie ermöglichen die Bildung privater Investierungskonsortien für Investierungen i m Baubereich. Sie geben diesen Konsortien insbesondere steuerlich bestimmte Vergünstigungen. Meine Frage lautet: Wie weit können diese Konsortien in den Wohnungsbau, insbesondere i m sozialen Sektor, hin-
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einspielen, und welches sind die — insbesondere — steuerlichen Vergünstigungen? Verwaltungsgerichtsrat
Dr. Stich
Herr Direktor Rouge, Sie haben uns ein schönes B i l d der kräftigen französischen Eingriffsmöglichkeiten i n das Eigentum gezeichnet. Danach mußte man zu der Auffassung gelangen, daß i n Frankreich alles schnell und reibungslos vor sich geht. Diese Vorstellung wurde durch Ihre Ausführungen verstärkt, die etwas zweifelhaften Verordnungen und Erlasse müßten dem Conseil d'Etat vorgelegt werden und könnten nur Rechtswirksamkeit erlangen, wenn sie von i h m gebilligt seien. Da der Conseil d'Etat auch oberstes Verwaltungsgericht sei, habe dies zur Folge, daß die von i h m gebilligten Erlasse nicht wieder aufgehoben werden könnten. Es kam dann eine Feststellung von Ihrer Seite, die mich dann allerdings etwas überrascht hat: Sie sagten nämlich, Sie hätten i n Frankreich trotzdem über die Folgen der Bodenspekulation zu klagen, obwohl der Bewertungszeitpunkt u m ein Jahr vor den ersten Zugriff der öffentlichen Hand vorverlegt sei. Außerdem hätten Sie i n Frankreich über die lange Dauer der Enteignungsverfahren zu klagen. Warum dauern die Enteignungsverfahren so lange, wenn, wie ich aus Ihren Worten eigentlich schließen möchte, doch keine Rechtsmittel i n jenem Umfange wie bei uns i n Deutschland ergriffen werden können? Stadtbaurat
Dr. Krebs
Herr Direktor Rouge, Sie haben die Genossenschaftsbanken erwähnt, die die Vorbereitung und Durchführung von Planungen i n kleineren zusammengefaßten Gemeinden oder i n einem Sektor ermöglichen. Es würde mich interessieren, ob die Banken so weit gehen, daß sie auch die Durchführung gemeinsamer Einrichtungen, etwa von Schwimmbädern oder Straßeneinrichtungen, Erholungsanlagen usw. betreiben, oder ob sie sich nur auf die Planung und Sicherung der Planung beschränken. Ich erinnere mich einer Notiz, nach der auch i n größeren Bereichen, in Regionen, die Vorbereitung, Durchführung und Verwirklichung der Planung durch regionale Banken gefördert wird, nach der m i t h i n auch Fachleute aus dem Bankwesen an maßgeblichen Stellen der Planung i n regionalen Bereichen von Frankreich maßgeblich beteiligt sind. Trifft dies zu? Studienassessor Oswald Ich habe zwei Fragen zur Planung. Frankreich scheint nicht diese Schwierigkeiten i n der Kompetenzverteilung zu haben wie w i r i n Deutschland. Wenn sich nun eine Zone aus irgendwelchen praktischen Gründen über eine Region, über die Grenzen einer Region hinweger-
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streckt, was ja dann der Fall sein muß, wenn ein städtisches Zentrum am Rand einer Region liegt, wenn also zwei Präfekten für eine Zone zuständig sind, wie werden dann die Kompetenzen verteilt? Denn dann müßten ja zwei Präfekten für eine Zone zuständig sein. Die zweite Frage: Wenn eine Zone zum Planungsgebiet erklärt wird, aber der Plan noch nicht vorliegt, können dann i n dieser Zone bauliche Maßnahmen, die u. U. dem zukünftigen Plan widersprechen, schon von vornherein unterbunden werden? Delegierter des Stadtrates Marti W i r haben gestern erfahren, daß Frankreich ein durchgeplantes Land werden soll, daß von unten nach, oben und von oben nach unten, ich glaube wechselweise, die Planungen erstellt werden. Dazu benötigt man sehr viele Fachleute, die diese Arbeit machen. Die Planung ist eines der schwierigsten Kapitel der Technik überhaupt. Ich frage mich deswegen, ob Frankreich genügend gut ausgebildete Fachleute besitzt, die i n der Lage sind, für ein so großes Land aufeinander abgestimmte Pläne zu erstellen, die dann tatsächlich auch gebraucht werden können. Wiss. Assistent
Baumert
Noch einmal die Frage nach der Eigentumsstreuung: Ich glaube, Herr Direktor, daß vor dem Wiederaufbau nach diesem Krieg i n Frankreich das Wohnungseigentum vor allem und i n viel größerem Maße als in Deutschland Einzeleigentum war. I n Deutschland hat ja schon nach dem Ersten Weltkrieg die Bautätigkeit der Genossenschaften in großem Umfang eingesetzt. Das gibt es ja wohl i n Frankreich erst seit Ende des Zweiten Weltkrieges. I n Frankreich ist es offenbar bei Erneuerungen den Eigentümern möglich, Anteile der Trägergesellschaften, die gebildet werden, zu erwerben, so daß die Eigentumsstruktur nach der Erneuerungsmaßnahme i n etwa die gleiche sein könnte wie vorher, wenn man von den wenigen absieht, die ausscheiden und sich enteignen lassen. Aber bei den großen Wohneinheiten, diesen gewaltigen Wohnblökken, die jetzt gebaut werden, würde es mich interessieren, wie da i m allgemeinen die Wohnverhältnisse sind und ob man sagen kann, daß i n Frankreich die Tendenz besteht, den Staat zum Hauswirt der Wohnungen, vor allem der großen Wohneinheiten, zu machen? Sousdirecteur Rouge Ich möchte zuerst eine Frage beantworten, die m i r schriftlich gestellt worden ist, und zwar die Frage danach, wer den Enteignungsrichter, über den ich gestern gesprochen habe, ernennt. Dieser Enteignungsrichter w i r d durch den Präsidenten des betreffenden Gerichtes ernannt.
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Er w i r d für fünf Jahre ernannt, damit er sich genügend auf diese Materie vorbereiten und i n sie einarbeiten kann und damit er vor allem die Bodenpreise kennt. Es ist aber möglich, daß sich der betreffende K l ä ger auch an das Gericht selbst wendet, wenn er m i t der Entscheidung des Enteignungsrichters nicht einverstanden ist. Ich möchte nun auf die mündlich gestellten Fragen eingehen. Die Finanzierungsfrage ist natürlich besonders wichtig. W i r müssen davon ausgehen, daß sich bei uns folgende Entwicklung ergeben hat. Zunächst war die Städteplanung mehr eine Frage der Architekten. Heute hat sie einen totalen Aspekt gewonnen. Alle wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten müssen berücksichtigt werden. W i r versuchen heute, eine besonders wirksame Städteplanung durchzuführen, und zwar mit dem Einsatz finanzieller Mittel. Diese A r beit w i r d vor allem durch den nationalen Fonds für Raumordnung und Städteplanung finanziert, d. h. der Staat gibt dafür die Mittel. Jedes Jahr setzt das Haushaltsgesetz eine Summe fest. Sie betrug i m Jahre 1962, wie ich schon erwähnt habe, 2 Mrd. neue Franken, also 1,8 Mrd. Mark. Ich möchte Ihnen nun einige Einzelheiten über das Funktionieren dieses Nationalfonds mitteilen. Er ist aufgeteilt i n Einnahmen und Ausgaben. So werden Vorschüsse gewährt, die i n einem gewissen Zeitraum zurückzuzahlen sind. Sie müssen dann i n den nächsten Jahren wiederum als Einnahmen i n den Fonds eingesetzt werden, weil es eben bloße Darlehen sind. Ich möchte Ihnen nun etwas über den Gebrauch dieser Mittel sagen. Ich habe schon gestern erwähnt, daß es eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten gibt; ich möchte sagen, es gibt eine Mehrwertigkeit der Einsatzmittel, eine Polyvalenz. Einerseits werden Subventionen gegeben, also Geld, das nicht zurückzuerstatten ist; andererseits werden Darlehen gewährt. Schließlich gibt es die Möglichkeit von Zinsvergütungen, und zwar i n der Weise, daß die betreffende Stelle das Darlehen bei einer anderen Bank oder Kasse aufnimmt, bei der der Zinssatz höher ist, und der Fonds es dann übernimmt, die Differenz zu zahlen. So w i r d es der betreffenden Stelle ermöglicht, sich zu einem billigeren Zinssatz Geldmittel zu verschaffen. Es gibt auch eine Polyvalenz bezüglich der Personen, die von diesem Nationalfonds Geldmittel erhalten. Zunächst besteht die Möglichkeit, den Gebietskörperschaften, d. h. den Gemeinden und den Departements, Mittel auszuzahlen. Schließlich können öffentlichen Anstalten oder auch Raumordnungsgesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Darlehen oder Zuschüsse gewährt werden.
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Ich habe Ihnen auch schon von dem Verwaltungsrat berichtet, der für die Verteilung der M i t t e l dieses Nationalfonds zuständig ist. Er setzt sich aus 4 Mitgliedern zusammen, nämlich aus dem Ministerpräsidenten oder dessen Vertreter, aus dem Wohnungsbauminister, dem Innenminister und dem Finanzminister oder deren Stellvertretern. Der Finanzminister w i r d hier deswegen eingeschaltet, w e i l er die M i t t e l zu bewilligen hat, diese 2 Mrd., die ich erwähnte; der Innenminister, w e i l er verantwortlich ist für die Verwaltungsorganisation und weil er die Aufsichtsbehörde für die Gemeinden darstellt; der Wohnungsbauminister, weil er für die Planung zuständig ist, und schließlich der Ministerpräsident, w e i l er i n gewisser Weise den Schiedsrichter zwischen den Fachministern zu spielen hat und w e i l bei ihm, i n seinem Ministerium, der Beauftragte für das Raumordnungswesen tätig ist. Dieser Nationalfonds ist i n bestimmte Sektionen aufgeteilt. Ich möchte Ihnen die Bedeutung der einzelnen Kategorien darlegen. Ich möchte Ihnen auch einiges, was ich gestern nicht sagen konnte, über das Funktionieren dieses Planes mitteilen. Es handelt sich zunächst darum, industrielle Zonen, Industriegebiete zu erschließen, vor allem darum, sie m i t den nötigen Anlagen auszustatten, z. B. Straßen zu bauen oder Energieanlagen zu errichten oder — um einen Spezialfall zu nennen — an der Saöne einen Kanal zu bauen. Für diese Kategorie des Fonds stehen gegenwärtig 213 M i l l . zur Verfügung, die es uns erlauben, 6000 ha zu erwerben. Als zweite Kategorie möchte ich die Wohnsiedlungsgebiete erwähnen. Hierfür ist der Fonds m i t 338 M i l l . Franken ausgestattet worden, was i h m erlaubt hat, 4463 ha zu erwerben, worauf 152 000 Wohnungseinheiten errichtet werden konnten. Was die ZUB-Einheiten anbetrifft, über die ich gestern schon gesprochen habe, also die Wohnungseinheiten, deretwegen vor allem eine Städteplanung durchgeführt werden muß, ist der Fonds m i t 421 Mill. Franken ausgestattet worden, was erlaubt, 5740 ha zu erwerben und 267 000 Wohnungseinheiten zu errichten. Für die eigentliche Städteerneuerung stehen etwa 261 M i l l . Franken zur Verfügung, die für 536 ha ausgegeben werden. Das ist eine sehr kleine Fläche, w e i l es sich u m die Stadtzentren handelt. Dort konnten aber immerhin 61 000 Wohnungseinheiten errichtet werden. Jetzt komme ich zu den Maßnahmen, die direkt vom Staate durchgeführt werden. Hier übt der Staat das Vorkaufsrecht aus. Dies ist vor allem wichtig für die Einheiten, die ich ZAD-Einheiten nannte. Bei ihnen soll die Städteplanung erst später vorgenommen werden. Dort sind 380 Mill. Franken ausgegeben worden, was uns erlaubt hat, 4360 ha zu erwerben, darunter 1130 ha für Industriegebiete.
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Gerade diese letzte Kategorie erlaubt es dem Staat, Grundstücksreserven anzulegen, u m dann später ganze Zonenplanungen durchzuführen. So haben w i r z. B. i n der letzten Zeit 2000 ha i n der Languedoc, i n dieser Landschaft i m Süden Frankreichs gegen Spanien zu, erworben. Auch auf der anderen Seite der Rhone haben w i r Gelände erworben, u m später ganze Städtezentren zu errichten. Ich möchte hier noch besonders darauf hinweisen, daß es sich u m das Küstengebiet der Languedoc handelt. W i r haben nämlich festgestellt, daß gerade durch die Privatinitiative der städtebauliche Aspekt der Cöte d'Azur besonders verschlechtert worden ist. U m das i n Zukunft zu vermeiden, hat sich der Staat bemüht, dort Gelände zu erwerben, um später Fremdenverkehrszentren i n verschiedenem Niveau anzulegen, aber auch, u m ein Industriezentrum und einen Hafen zu schaffen. Ich hoffe, daß ich m i t diesen Einzelheiten auf diese erste Frage ausreichend eingegangen bin. Ich möchte nun zur zweiten Frage übergehen, zu der Frage, wieweit die Privatinitiative bei der Durchführung dieser Maßnahmen eingeschaltet wird. Hier möchte ich auch wieder auf die Polyvalenz zu sprechen kommen; denn es gibt eine ganze Fülle von Organen, die diese Maßnahmen durchführen. Sie sind allerdings von dem Leitprinzip beherrscht, daß immer nur eine einzige Stelle zuständig ist und die Planungs- und Durchführungsleitung hat. Aber es kann sich hier z. B. u m Gebietskörperschaften handeln, u m Gemeinden oder u m Verbände oder Gruppierungen, die speziell für diese Aufgabe geschaffen wurden, oder um Grundbesitzervereinigungen, aber auch u m Raumordnungsgesellschaften oder u m gemischtwirtschaftliche Unternehmen. Aber diese Unternehmen werden kontrolliert. Es gibt auch oft einen Regierungskommissar, der beim Verwaltungsrat dieser einzelnen Unternehmen ernannt ist und hier eine Kontrollfunktion ausübt. Ich möchte noch weiter hinzufügen, daß alle diese Organe, alle diese Stellen Mustersatzungen aufweisen müssen, die einer Verordnung entsprechen müssen, die vom Staatsrat gebilligt wurde. Was nun die privaten Grundstücksbesitzervereinigungen anbetrifft, so ist ihnen grundsätzlich durchaus die Möglichkeit geboten, sich hier einzuschalten und die von ihnen beabsichtigten Maßnahmen durchzuführen. Aber i n der Praxis w i r d ihnen das oft unmöglich sein, w e i l die Planungsmaßnahmen auf sehr großen Gebieten durchgeführt werden, so daß sie ihre tatsächlichen Möglichkeiten überschreiten. Privatinitiative kann nur dort Erfolg haben, wo es sich u m kleine Grundstücksinseln handelt.
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Eine andere Möglichkeit, die Privatinitiative einzuschalten, besteht i n der Schaffung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen oder Raumordnungsgesellschaften. Diese werden durch den Staat subventioniert. Sie können auch von gewissen Steuern befreit werden. Ich möchte darauf hinweisen, daß es große Bankgesellschaften gibt, die sich der Raumordnungsaufgabe widmen. Ich möchte ganz kurz noch die übrigen Fragen beantworten. Sobald ein Zonenplan mehrere Departements umfaßt, w i r d bestimmt, welcher der Präfekten von den betreffenden zwei Präfekten für die Zone zuständig ist. Für den Fall, daß für ein bestimmtes Gebiet kein Städteplan vorliegt, werden sog. Erhaltungs- und Bewahrungsmaßnahmen getroffen, die zum Ergebnis haben, daß jede Baugenehmigung i n diesem Gebiet noch besonders bewilligt werden muß. Die Frage, ob es ausreichende Fachleute für diese Aufgabe gibt, ist natürlich eine schwierige Frage. Aber w i r sind immerhin schon dabei, jetzt genügend Fachleute auszubilden für alle Ebenen, sowohl für die Gemeinde-, als auch für die Departements- und Staatsebene. Was das Eigentum an den neugeschaffenen Bauten anbetrifft, so stellt sich die Frage nur bei kleinen Gebäuden. Bei großen Wohneinheiten ist es niemals zu irgendwelchen Fragen in dieser Richtung gekommen. Was die Verzögerung der Fristen für die Enteignung anbetrifft, so hat die neue Gesetzgebung aus dem Jahre 1958 es erlaubt, die Fristen von 5 Jahren auf 1 Jahr herabzudrücken, und ich glaube, daß vor allem auch die Institution des Enteignungsrichters hier den Zeitraum noch verkürzen wird. Was schließlich die Preisfrage anbetrifft, so haben w i r uns bemüht, den Spekulationswert sehr zu eliminieren, und haben den Wert genommen, der etwa ein Jahr vor der Enteignungserklärung galt.
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in den Niederlanden Von F. J. Beunke
I. Einleitung Die Landfläche Hollands ist nicht groß; sie beträgt 33 000 k m 2 (Wasserfläche einbegriffen 42 000 km 2 ). Die Bevölkerung ist aber i m Verhältnis dazu ziemlich groß. Sie zählt 12 Millionen. So haben w i r eine Bevölkerungsdichte von 350 Einwohnern pro km 2 , die höchste Dichte der selbständigen Staaten. Seit dem Anfang der modernen Industrialisierung i n der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat die allgemeine Entwicklung bereits zur Bildung einer städtischen Ballungszone i m Westen des Landes geführt, welche als „Ringstadt Holland" bezeichnet wird. Diese „Ringstadt Holland" hat sich aus den Städten Amsterdam, Haarlem, Leiden, Den Haag, Rotterdam, Utrecht und Hilversum gebildet. Diese Städte sind seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts m i t der industriellen Entwicklung zusammengewachsen. Jetzt sind w i r soweit, daß sie fast wie ein geschlossener Ring erscheinen, nur m i t einem grünen Herzen mittendrin. I n den drei westlichen Provinzen wohnt heute fast die Hälfte völkerung, nämlich 5,5 Mill. und von diesen leben wieder 4,2 der Ringstadt Holland. Die Bevölkerungsdichte der Ringstadt 2496 pro km 2 . Die Agrargebiete liegen hauptsächlich i n den Teilen des Landes, und zwar i m Norden, Osten und Süden.
der BeMill. i n beträgt übrigen
Holland ist bereits ziemlich stark urbanisiert; 60 v H der Gesamtbevölkerung lebt i n Städten von über 20 000 Einwohnern. Diese Verstädterimg hat schon sehr früh angefangen, und sie nimmt dermaßen zu, daß man sie als eine dynamische Entwicklung bezeichnen kann. Einerseits findet ein starker Bevölkerungszuwachs statt; u m 1800 gab es 2 M i l l . Einwohner, u m 1900 5 M i l l . und u m 1960 11,5 M i l l . Der jährliche Zuwachs beträgt 140 000; das bedeutet einen Zuwachs von 1 M i l l . innerhalb 7 oder 8 Jahren. Andererseits macht die Industrialisierung große Fortschritte, so daß größere Teile der Bevölkerung vom Lande i n die Städte übersiedeln. Dieser Entwicklung i n der Industrie schließt sich
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F. J. Beunke
eine Entwicklung i n umgekehrter Richtimg i n der Landwirtschaft an Zwischen 1937 und 1960 ist die Zahl der agrarischen Berufstätigen von 720 000 auf 445 000 herabgesunken. Der Prozentsatz der landwirtschaftlich Tätigen w i r d voraussichtlich i n den nächsten 20 Jahren von 10 auf etwa 5 und u m die Jahrhundertwende auf 2 bis 3 absinken. Die Regierung hat bereits Maßnahmen getroffen, u m die Industrieansiedlung über das ganze Gebiet zu streuen und dadurch den Zulauf der Bevölkerung nach den Städten i m Westen des Landes zu bremsen. Sie strebt dabei eine Konzentration i n den übrigen Teilen des Landes an. Dabei trifft sie nur Maßnahmen, die sich auf die Infrastruktur i n den nördlichen und östlichen Provinzen beziehen, und Maßnahmen zur Streuung der Industrie, stets i m Wege der Subvention. Es gibt also kein Verbot, sich i m Westen anzusiedeln. Diese Politik hat sich bis heute als erfolgreich erwiesen. Daher begegnet uns die Verstädterung als allgemeines Phänomen i n allen Teilen des Landes. Innerhalb einer Generation w i r d über 90 v H der Gesamtbevölkerung i n einer städtischen Atmosphäre leben. Diese Verstädterung vollzieht sich hauptsächlich durch Vergrößerung von Städten und anderen Wohnkernen. Neue Städte werden ausschließlich i n den neuen Poldern des Ijsselsees errichtet. Der Umfang des Neubaus läßt sich beziffern auf etwa 80 000 Wohnungen pro Jahr und die dazugehörigen Schulen, Kirchen und Betriebsgebäude für industrielle und öffentliche Zwecke. Holland kennt aus früheren Zeiten verhältnismäßig wenige Beispiele von Erneuerungen großen Stils auf dem Gebiet der Altstadtkerne. I n A m sterdam gab es „Uilenburg", vorher ein verrufenes, jetzt ein ganz vergessenes Stadtviertel. I n Den Haag kann man die Erneuerung von A l t Scheveningen, dem alten Fischerdorf am Meer, anschauen. I n der Zeit vor dem Kriege hat eine Anzahl der Gemeinden kleine und größere Gruppen Behausungen wegräumen lassen, die auf den Namen „Wohnung" keinen Anspruch mehr erheben konnten. Und besonders i n den 30er Jahren sind auch die Plaggenhütten auf dem Lande i n der Provinz Drenthe verschwunden. I n Drenthe war es früher Brauch, wenn ein Mann und eine Frau heirateten, daß sie noch kein Haus besaßen, wenn sie zum Standesamt und i n die Kirche gingen. Aber wenn sie zurückkamen, da war das Haus da. Die Nachbarn hatten die Plaggen aus dem Grund gestochen und daraus das Haus gebaut. Die Plaggenhütten sind i n dieser Zeit, i n den 30er Jahren, alle abgeräumt worden. Altstadtsanierungen von einiger Bedeutung hat man früher jedoch nicht durchführen können. Die Situation änderte sich, als i m zweiten Weltkrieg größere Teile verschiedener Städte zerstört wurden und man genötigt war, sich unter
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diesen ganz besonderen Umständen m i t dem Wiederaufbau zu befassen. Man hat mich gebeten, zu berichten, wie es möglich war, Rotterdam so wieder aufzubauen, wie es geschehen ist. Das war ganz einfach. Alle Ruinengrundstücke wurden durch Gesetze oder durch Verordnungen an Gesetzes Statt enteignet. Es wurde keine Entschädigung gezahlt. Die Grundstücke und die Gebäude wurden i n ein Register eingetragen, und zwar m i t dem Wert, den sie am Tage des Kriegsbeginns hatten. Die alten Grundstückseigentümer erhielten einen Anspruch darauf, m i t Finanzierungshilfen und Subventionen des Staates irgendwo neu zu bauen. Die Betroffenen waren allerdings auch verpflichtet zu bauen. Aber sie hatten keinen Anspruch auf das alte Grundstück. Soweit es möglich war, hat man die Grundstücke den alten Eigentümern wieder zurückgegeben. Aber meistens ist das nicht geschehen. Als Ersatz dafür konnten sie ein gleichwertiges Grundstück irgendwo anders bekommen und dort ihrer Neubauverpflichtung nachkommen. A u f diese Weise war es möglich, Rotterdam ganz neu zu gestalten. So war es nicht nur i n Rotterdam, so ist es i n verschiedenen Städten i n kleinerem Ausmaße geschehen. Später sind diese Methoden auch verwendet worden, um die Schäden durch die Überschwemmungen i m Jahre 1953 zu beseitigen. Diese Notgesetzgebung ermöglichte es ebenfalls, einen Plan für die Sanierung von Stadtkernen aufzustellen. I n der normalen Gesetzgebung Hollands können w i r keinen einheitlichen Plan für derartige Sanierungn machen, bis heute. Die Wiederherstellung der Kriegsschäden nähert sich ihrer Vollendung. Eine weitere Erneuerung der Stadtkerne kann aber nur noch i n beschränktem Maße i n Angriff genommen werden; die Beseitigung des immer noch bestehenden Wohnungsmangels und das Errichten von Betriebsgebäuden für die stark heranwachsende Industrie erfordern heute ja schon mehr Baukapazität, als zur Verfügung steht. Inzwischen befassen sich viele Gemeindeverwaltungen i m Lande m i t dem Ausarbeiten von Plänen zum Wiederaufbau alter Städte. Die wichtigsten Kriterien hierbei sind die Verkehrsinteressen und die Sanierung baufälliger Stadtviertel.
II. Allgemeines Verwaltungssystem I m Vorhergehenden war schon von der Gemeindeverwaltung oder vom Gemeinderat die Rede. Die allgemeine Verwaltung i n Holland ist stark dezentralisiert, und bei der Stadtplanung spielen gerade die Gemeindeverwaltungen eine entscheidende Rolle. Das holländische Verwaltungssystem ist ziemlich einfach. Es gibt drei Stufen: Zentralgewalt, Provinz und Gemeinde. Das rechtliche System für 15
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die Gemeinden ist für alle dasselbe, für die kleinste ländliche Gemeinde wie für Amsterdam, Rotterdam oder Den Haag. Das Gebiet Hollands ist i n 11 Provinzen und etwa 1000 Gemeinden eingeteilt. A n der Spitze der Provinzen stehen die „Provinciale Staten" (Provinzialstaaten), von der Bevölkerung direkt gewählt. Ein Ausschuß dieses Kollegiums, „Gedeputeerde Staten" (Deputiertenstaaten) genannt, hat die tägliche Verwaltung. A n der Spitze jeder Gemeinde steht der Rat, ebenfalls von der Bevölkerung direkt gewählt. Ein Ausschuß „College van Burgemeester en Wethouders" (Gemeindevorsteher und Stadträte) besorgt die tägliche Verwaltung. Die Gemeinderäte und die Provinzialstaaten sind Träger einer ursprünglichen Gesetzgebungsgewalt, die i n der Verfassung garantiert worden ist. Selbstverständlich gibt es Vorkehrungen, u m Kompetenzstreitigkeiten und Kollisionen zu beheben oder von vornherein auszuschließen. Ein solcher Grad von Selbständigkeit kann ja ohne eine gewisse Aufsicht nicht bestehen. Nach der Auffassung, daß eine Verwaltung möglichst ortsnah geführt werden muß, ist ein sehr großer Teil der Verwaltungsaufgaben den Gemeinderäten überlassen worden, die eine solche Aufgabe aus eigenem Recht oder i m Auftrag und nach den Vorschriften des zentralen Gesetzgebers ausführen. Die gesetzgeberischen Zuständigkeiten der Provinzen sind viel weniger umfassend als jene der Gemeinden. Der Schwerpunkt der Verwaltungsaufgaben der Provinzen ist die Aufsicht über die Gemeindeverwaltung. M i t dieser Aufsicht befassen sich nun die „Gedeputeerde Staten" ganz selbständig und ohne Anweisungen der Zentralgewalt. U m das B i l d von der Selbständigkeit der holländischen Gemeinderäte vollständig darzustellen, sei bemerkt, daß diese sich den Entscheidungen von „Gedeputeerde Staten", m i t denen sie nicht einverstanden sind, widersetzen können mittels Appellation an die Krone. Diese, d.i. die Königin und die Minister, entscheidet i n solchen Streitigkeiten als höchstes Verwaltungsgericht, und zwar nach Anhören des Staatsrates und i n einem gerichtlichen Verfahren. Der Einfluß der Zentralgewalt i n Holland ist ziemlich gering. Das w i r k t sich auch auf dem Gebiete der Raumplanung und Raumordnung aus. Es gibt bestimmte Pläne, u m daran etwas zu ändern. Aber sie sind bis jetzt noch i n der Beratung. Stadtplanung und
Raumordnung
A u f dem Gebiete der Stadtplanung sind es die Gemeinderäte, welche zuständig sind, rechtsverbindliche Bebauungspläne aufzustellen. Es sind die Deputiertenstaaten, die m i t der Beaufsichtigung dieser gemeindlichen Arbeit beauftragt sind.
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Bezüglich der Raumordnung sind besonders wichtig die von den Provinzialstaaten aufzustellenden Regionalpläne. Eine ständige Beratung zwischen Regierung und Provinzialverwaltung soll sichern, daß die Regionalpläne der Regierungspolitik nicht zuwiderlaufen. Die Regionalpläne sind Richtlinien für die Beaufsichtigung der gemeindlichen Planungsarbeit. Die Raumordnungspolitik der Regierung löst sich auf i n einer Fülle von Beschlüssen und Maßnahmen der einzelnen Minister. Eine gute Koordination ist hier unumgänglich; zur Feststellung eines Nationalplanes, obwohl das Gesetz dazu beauftragt, ist man noch nicht gekommen.
I I I . Die gesetzlichen Anordnungen für die Stadterneuerung Städtebau ist schon von altersher gänzlich als Aufgabe der Gemeinden betrachtet worden. Die gesetzlichen Anordnungen auf diesem Gebiete sind i n der Gemeindepraxis entstanden und ausgebaut worden. Initiative und Leitung liegen bei den Gemeindeverwaltungen. Die Rolle der Zentralgewalt ist beschränkt und bezieht sich nur auf das Gewähren von Subventionen und dementsprechend auf ein kritisches Betrachten der vorgelegten Pläne; dabei w i r d die Sorge für das Erhalten von Monumenten der Geschichte und der Kunst berücksichtigt sowie der Anschluß der Verkehrsstraßen an die Reichsautobahnen. Der Denkmalsschutz ist eine sehr schwierige Aufgabe bei der Erneuerung von Altstadtkernen. Amsterdam ist eine schöne Stadt, aber m i t einem kranken Herzen. Wer immer dort war, w i r d gesehen haben, wie schwierig der Verkehr sich durch die engen Straßen und Grachten bewegt. Diese Grachten in Amsterdam sind uns sehr lieb, w i r haben auch Opfer dafür gebracht. I n der Woche stürzen 10 Kraftwagen i n die Grachten. Die Feuerwehr holt sie wieder heraus. Das kostet 35 Gulden. W i r haben auch andere alte Stadtkerne wie i n Delft oder i n Leiden. W i r sind uns des geistigen Wertes dieser alten Städte, der Renaissancestädte, und der Schwierigkeit, sie zu ersetzen, auch i n Holland bewußt. Wie können w i r diese geistigen Werte erhalten ohne rückständig zu bleiben i n der Entwicklung unserer Städte? Wer die holländische Gesetzgebung über den Städtebau betrachtet, dem fällt es auf, daß die Gesetzesbestimmungen über die Ausbreitung der Bebauung auf unbebautes Gebiet sich sehr zweckmäßig entwickelt haben, daß aber die Möglichkeiten zur Erneuerung bestehender Stadtkerne rückständig geblieben sind. Nach dem letzten Weltkrieg hat der Gesetzgeber i m Jahre 1950 eingegriffen und die Möglichkeiten für Sanierungen der Stadtkerne erweitert. Es handelt sich hier aber u m eine Notmaßnahme, welche belö*
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schränkt war auf die Beseitigung von Kriegsschäden und später von den Schäden durch Überschwemmungen; dem Gesetz war eine beschränkte Gültigkeitsdauer gegeben. Diese Anordnungen ermöglichten es, auch innerhalb der Gemeindezentren die Bebauungsarten zu bestimmen und zur Realisierung der Bebauung Enteignungen vorzunehmen. Obenerwähnte Möglichkeiten sind auch i n das neue Gesetz aufgenommen, das 1962 beschlossen wurde, das aber noch nicht i n K r a f t getreten ist. Das heutige, noch immer für Normalfälle gültige Gesetz enthält für Bebauungskerne nur eine sehr beschränkte Enteignungsbefugnis. Nur zu notwendigen Verkehrsverbesserungen kann i n beschränktem Maß enteignet werden. I m übrigen können fast nur Vorschriften gegeben werden, u m Veränderungen an der bestehenden Bebauung vorzunehmen; diese Vorschriften sollen eine beschränkte Gültigkeitsdauer von z. B. höchstens 5 Jahren nicht überschreiten.
IV. Das Eigentum und die Verfassung Diese Zurückhaltung des Gesetzgebers bis heute läßt sich nicht erklären aus i n der Verfassung liegenden Hemmungen. Meines Erachtens liegt sie ganz und gar i m Rahmen einer Gesetzgebung und Rechtsprechung, die aus der Rechtsüberzeugung hervorgegangen ist, daß alte, durch Bebauung konkretisierte Rechte auf Immobilien zu schützen seien. I n der Staatsverfassung ist das Eigentum unter den Grundrechten nicht erwähnt. Die Staatsverfassung enthält den bekannten Kodifikationsartikel (164), eine Bestimmung über Enteignung (165) und weitere Bestimmungen über polizeiliche Abnahme und Vernichtung und über m i l i tärische Inundationen (166). I m Bürgerlichen Gesetzbuch (625) w i r d ausdrücklich anerkannt, daß die zuständigen Gesetzgeber die Rechte des Eigentümers einschränken können, „vorausgesetzt, daß man davon keinen Gebrauch macht oder sich i n Widerspruch zu Gesetzen oder Verordnungen setzt, die von einer auf Grund der Staatsverfassung dazu befugten Stelle erlassen sind". Die Bestimmung ist selbstverständlich, aber die Zahl der zuständigen Stellen ist ziemlich groß. Außer dem Zentralgesetzgeber gibt es 11 Provinzen, 1000 Gemeinden und 2800 Wassergenossenschaften, die alle m i t gesetzgeberischer Gewalt ausgestattet sind; außerdem gibt es noch die öffentlich-rechtlichen Organe der Wirtschaft, denen ebenfalls gesetzgeberische Kompetenzen zustehen. Diese Gesetzgeber sind naturgemäß nicht befugt, zivilrechtliche Bestimmungen zu erlassen, aber sie können verwaltungsrechtliche Vorschriften geben, die das Nutzungsrecht des Eigentümers einschränken.
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Nach der Rechtsprechung des Hohen Rates gibt es keine gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die verhindern können, daß die niederen Gesetzgeber das Nutzungsrecht des Eigentümers gänzlich untergraben. Ein Rest soll allerdings vom Nutzungsrecht übrigbleiben, damit nicht das Gebiet der Enteignung oder der polizeirechtlichen Konfiskation betreten wird.
V. Die Möglichkeiten des neuen Raumplanungsgesetzes Das neue Raumplanungsgesetz, von dem i m oben Ausgeführten bereits gesprochen wurde, geht neue Wege. Ein vom Gemeinderat festzustellender, rechtsverbindlicher Plan kann für das ganze Gebiet der Gemeinde oder nur für einen Teil derselben den Grund und Boden für Wohnen, Arbeit und Erholung bestimmen. Der Plan ist Grundlage für die Erteilung der Baugenehmigungen. Die gesetzlichen Bestimmungen überlassen es dem Gemeinderat, zu wählen, ob der Plan alle Einzelheiten der planerischen Gestaltung regeln soll oder nicht. Es kann der täglichen Verwaltung der Gemeinde delegiert werden, entweder die Einzelheiten auszuarbeiten oder, i m Falle eines stark detaillierten Planes, wenn nötig, Abweichungen zu bestimmen. I n dieser Weise w i r d angestrebt, bei der Handhabung des Planes und der Realisierung der vorgesehenen Bebauung eine gewisse Freiheit zu lassen. Der Gemeinderat soll aber, unter Beaufsichtigung der Deputiertenstaaten der Provinz, wo die Rechtssicherheit es erfordert, dieser Freiheit Grenzen setzen. Daß dieselben Möglichkeiten auch für bebaute Stadtkerne eröffnet werden, w i r d für die künftige Altstadtsanierung von höchster Bedeutung sein. Das Gesetz sieht neben dem eben erwähnten einen Plan ohne Rechtsverbindlichkeit vor, der Strukturplan genannt wird. Die Feststellung eines solchen ist für die Gemeinde fakultativ; der Gemeinderat kann aber nötigenfalls von den Deputiertenstaaten dazu verpflichtet werden. Ein solcher Plan kann große Vorteile haben für die Gesamtgestaltung gestreuter Sanierungsgebiete. Weiter zielt das Gesetz auf die Verwendung eines Strukturplanes bei der Zusammenarbeit benachbarter Gemeinden. Altstadtsanierung ist niemals ein kurzfristiges Unternehmen. Aus dieser Erwägung eröffnet das Gesetz die Möglichkeit befristeter Ausweisungen. I m Zusammenhang m i t den Ausweisungen für die Neugestaltung des Sanierungsgebiets können für eine bestimmte Frist vorläufige Ausweisungen festgestellt werden, welche sich den bestehenden Ver-
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hältnissen anpassen. Sie ermöglichen, daß nicht auf einmal jeder Umbau, den die Eigentümer an ihren Gebäuden vorhaben, verhindert wird. Das würde die Feststellung eines Sanierungsplanes fast unmöglich machen. Die Baugenehmigung aber, die auf Grund einer vorläufigen Ausweisung erteilt wird, soll eine ähnliche Befristung tragen. Das bedeutet, daß alles, was i n der Zwischenzeit gebaut wurde, nach Ablauf der Frist nicht bestehen bleiben soll. Hoffentlich w i r d es uns auf diese Weise gelingen, kostspieligen Investierungen vorzubeugen, die bei der Neugestaltung nicht aufrechterhalten werden können. I n der Zwischenzeit können für Neubauvorhaben, welche sich i n den Rahmen der Neugestaltung einfügen, immer Baugenehmigungen erteilt werden.
VI. örtliche Planung und Entschädigung Bis heute enthielt die Gesetzgebung bezüglich der Stadtplanung keine Bestimmungen über Ersatz von Schäden, die durch die Anwendung städtebaulicher Maßregeln entstanden sind. Ebenfalls fehlte ein A n spruch auf Entschädigung, der vor den ordentlichen Gerichten, auf Grund allgemeiner Rechtssätze geltend gemacht werden kann. Noch u m 1931 betrachtete die Regierung es als eine Aufgabe der zuständigen Behörden, beim Feststellen der Pläne Sorge dafür zu tragen, daß Privatpersonen keinen Schaden erlitten. Erst später zeigte es sich, daß Schäden nicht immer zu vermeiden waren. Manchmal gelangte man zu einer Entschädigung, indem man bei der Bewertung des Grundstücks i m Falle eines nachherigen Ankaufs oder einer späteren Enteignung von den schadenverursachenden Vorschriften des Bebauungsplanes absah. Erst in der Nachkriegszeit gelangte man zu der Auffassung, daß Schaden zugefügt werden könnte, der nicht i n dieser Weise zu tilgen sei. Viele Gemeinden fingen an, Maßregeln zu treffen, um i n solchen Fällen — ohne rechtliche Verpflichtung — Ersatzleistungen zu gewähren oder Entgegenkommen zu zeigen. Nach diesen Anordnungen entscheidet der Gemeinderat und i n Fällen der Appellation die „Gedeputeerde Staten". Obwohl i n sehr vielen Gemeinden Anordnungen dieser A r t zustande gekommen sind, gelangen sie äußerst selten zur Anwendung. Inzwischen haben sich die Auffassungen auf diesem Gebiete weiter entwickelt, so daß i n das neue Raumplanungsgesetz eine Bestimmung gleichen Inhalts aufgenommen wurde; Entscheidungen i n Fällen von Appellation gegen Gemeinderatsentscheidungen sind der Krone nach Anhören des Staatsrates aufgetragen. Uber die Bemessung der Entschädigung gibt es heute noch keine Rechtsprechung, denn die Bestimmungen sind noch nicht i n K r a f t getreten. Jedoch gibt es schon einen Austausch von Gedanken über Grundsätze, nach welchen Vergütungen zugesprochen
Städteerneuerung und Eigentumsordnung in den Niederlanden
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werden sollen. Hierbei spielt der Gedanke des „besonderen Opfers", der „Egalité devant les charges publiques", eine große Rolle. Daneben w i r d oft hervorgehoben, daß für jede Wertverminderung Ersatz geleistet werden soll. Ich frage mich, ob der Gedanke des besonderen Opfers oder der unverhältnismäßigen Belastung hier wirklich einen Ausweg bringen wird. Es w i r d sich ja meistens um Sonderfälle handeln, i n denen es große Schwierigkeiten verursachen kann, durch einen Vergleich festzustellen, ob der Betroffene ein besonderes Opfer erbracht hat. Meines Erachtens soll man daran festhalten, daß das Eigentum nicht einen Schutz gewährt gegen das Schicksal. Das Eigentum ist dem Einfluß von Gunst und Ungunst des Lebens ausgesetzt. Und das, was die Obrigkeit macht, sobald sie Bebauungspläne schafft, bedeutet i n vielen Fällen nichts weiter, als daß sie einer autonom vordringenden Entwicklung eine bestimmte Gestalt gibt. Diese Entwicklung aber rührt nicht von der Obrigkeit oder ihrer planerischen Arbeit her. Sie hat ihren Ursprung i n der Entwicklung der Gemeinschaft. Für die ungünstigen Folgen dieser Entwicklung kann die Obrigkeit nicht verantwortlich gemacht werden. Daher wäre es nicht immer richtig, aus öffentlichen M i t t e l n Entschädigung zu gewähren, wo eine planerische Maßnahme sich der Entwicklung anschließt. Enteignung Unter den Maßnahmen, die der Durchführung der Bebauungspläne dienen, spielt die Erwerbung der i m Plan befindlichen Grundstücke von der Gemeinde eine hervorragende Rolle. Die Gemeinden ziehen es vor, die Erschließungsarbeiten i m eigenen Betrieb durchzuführen und nachher die Baugrundstücke zu verkaufen, i n Erbpacht auszugeben oder auch zu vermieten. Die Gemeinden sind daher bestrebt, ziemlich große Teile des Grundgebietes, auf dem die künftige Ausbreitung der Bebauung zu erwarten ist, rechtzeitig käuflich zu erwerben. Dies w i r d manchmal schon gemacht, bevor noch ein Bebauungsplan festgestellt worden ist. Nachdem der Plan festgestellt und genehmigt worden ist und wenn die Zeit der Bebauung heranrückt, kann die Gemeinde zur Enteignung schreiten. Enteignet w i r d ziemlich häufig. I n den letzten Jahren wurden pro Jahr über 300 von Gemeinderäten festgestellte Enteignungsbeschlüsse zur Erlangung der königlichen Genehmigung dem Ministerium unterbreitet. Die Genehmigung kann erteilt werden nach Anhören des Staatsrates. Das Enteignungsgesetz regelt das Verfahren i n allen Einzelheiten; mittels vorgeschriebener öffentlicher Behandlung, mehrfacher Möglichkeiten, Einrede zu erheben, und mittels bestimmter Fristen w i r d ein Höchstmaß der Rechtssicherheit erstrebt.
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F. J. Beunke
W i r haben gestern von Herrn Wastiels gehört, daß ein Bauleitplan i n Belgien gleich die Möglichkeit der Enteignung i n sich trägt. Das ist bei uns nicht der Fall. Bei uns soll auch noch die Notwendigkeit der Enteignung dazukommen. Es ist berücksichtigt worden, daß die Bauleitpläne sehr weitgehend für längere Zeit i m voraus gemacht werden und daß es erst, wenn die Verwirklichung dieser Pläne heranrückt, notwendig wird, zur Enteignung zu schreiten. Nachdem die Genehmigung erlangt ist, fängt das Verfahren bei den ordentlichen Gerichten an. Die Ubereignung vollzieht sich durch Eintragung des gerichtlichen Urteils i m Grundbuch. Das Gericht setzt die Entschädigung fest. Es gibt keine Appellationsmöglichkeit, sondern nur Kassationsrekurs wegen Gesetzesverletzung. Zur Bemessung der Entschädigung soll das Gericht ein Sachverständigengutachten einziehen. Dieses Gutachten w i r d i n die Begründung des Urteils eingesetzt; das Gericht entscheidet i n den darüber bestehenden Streitigkeiten. Die Entschädigung soll den vollen Vermögensschaden ersetzen; sie setzt sich aus zwei Teilen zusammen, dem Wert des übereigneten Gutes und dem des weiteren Schadens, der aus der Enteignung hervorgeht. Für den Wert des Gutes soll der Vollwert oder Realwert in Betracht kommen; d.h. der Preis, den ein guter Kaufmann m i t Umsicht und Geduld bei einem Verkauf hätte erzielen können. Erwartungen von künftigem Gebrauch kommen nur i n Betracht, insoweit sie den Verkaufspreis i m Augenblick der Ubereignung beeinflussen würden. Letzteres ist häufig der Fall, wenn das Grundstück einmal i n den Bebauungsplan aufgenommen ist. Seit dem Jahre 1956 hat das Gesetz hier für die Ermittlung des Wertes die sog. analytische Methode eingeführt, welche zu einem Durchschnittspreis für den Komplex führt, i n dem das Grundstück gelegen ist. Es werden dann alle Kosten der Bebauung vom zukünftigen Ertrag abgezogen. Zu diesen Kosten gehören die Kosten für öffentliche Straßen, Parkanlagen usw. Ich hoffe, daß ich m i t dem, was ich Ihnen berichtet habe, deutlich gemacht habe, daß die Planung bei uns sehr stark Sache der Bevölkerung ist. Das bringt viele mühselige Streitigkeiten i n der Atmosphäre der Gemeinde m i t sich. Aber das gewährleistet auch, daß die Planung von der Bevölkerung getragen w i r d und daß i n dieser Weise die Bevölkerung die Möglichkeit hat, an ihrem eigenen Haus zu bauen.
ussprache Professor Dr. Ule W i r sind mit diesem Referat von Herrn Dr. Beunke, für das w i r ihm sehr herzlich danken, gewissermaßen an den Ausgangspunkt des Kreises, den w i r i n diesen Tagen umschritten haben, zurückgekehrt. W i r haben begonnen m i t der Darstellung zweier Staaten, die, wie ich meine, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Ordnung und auch wohl der Eigentumsordnung, unseren eigenen Verhältnissen am nächsten stehen, haben dann einige Staaten kennengelernt, bei denen vor allem hinsichtlich der Planung und Raumordnung sehr viel zentralistischere Regelungen bestehen. Das ist besonders deutlich geworden an dem Vortrag, den w i r gestern von M. Rouge gehört haben. Heute sind w i r insofern ein wenig wieder dem Ausgangspunkt nähergekommen, als das niederländische System, das uns Herr Dr. Beunke vorgeführt hat, hinsichtlich der Stellung der Gemeinden jedenfalls, der deutschen Ordnung sehr viel nähersteht als den zentralistischen Systemen, die i n der Mitte der Tagung behandelt worden sind. Aber die Ausgestaltung der Eigentumsordnung unterscheidet sich i n sehr wesentlichen Punkten von der unsrigen. Herr Dr. Beunke hat einen Satz i n seinem Vortrage nicht vorgetragen, der i n seinem Manuskript steht, und der m i r doch sehr wichtig zu sein scheint, um das deutlich zu machen, was er über den Schutz des Eigentums und über den Begriff der Enteignung vorgetragen hat. Man könnte nach diesen Darlegungen fast meinen, w i r befänden uns in Holland etwa auf dem Stand, i n dem man i n Deutschland i m Jahre 1918 gewesen ist, also vor der Auflösung des Enteignungsbegriffs, von dem 1929 Carl Schmitt i n dem berühmten Aufsatz i n der Juristischen Wochenschrift geschrieben hat. Ich glaube, daß das richtig ist, w e i l i n dem Vortrag von Herrn Dr. Beunke i m Zusammenhang m i t dieser Frage folgender Satz steht. Ich muß noch einen Satz zurückgreifen, um den Zusammenhang zu verdeutlichen. Er hat gesagt: „Nach der Jurisprudenz des Hohen Rates gibt es keine gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Bestimmungen, welche verhindern können, daß die niederen Gesetzgeber das Nutzungsrecht des Eigentümers fast gänzlich untergraben. Ein Geringes soll allerdings vom Nutzungsrecht übrigbleiben, damit nicht das Gebiet der Enteignung oder der polizeirechtlichen Konfiskation betreten wird. Man hat es folgendermaßen zum Ausdruck ge-
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bracht." Und nun folgt der Satz, den ich meine: „Die Eigentumsgarantie hat keinen Bezug auf die Frage, was für Befugnisse die Eigentümer innehaben, sondern nur auf die Frage, ,wer' sie haben soll." Wenn Sie an den Satz „Enteignung ist Übereignung" denken, dann ist das doch wohl nur eine andere Ausdrucksweise für den gleichen Gedanken und damit gewissermaßen doch eine Stellungnahme, über die sich unser Standpunkt i n der Weimarer Verfassung durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts, durch das Grundgesetz und durch die weitere Entwicklung i n einer ganz anderen Richtung hinwegbewegt hat. Ich w i l l jetzt i m Augenblick gar kein Urteil darüber abgeben, ob man das für richtig oder für falsch hält, das hängt ja auch ganz von dem Standpunkt ab, auf dem jeder steht. Jedenfalls haben w i r uns hier doch versammelt, u m uns einmal klar zu machen, wie die Verhältnisse in den einzelnen europäischen Staaten hinsichtlich der Eigentumsordnung liegen, auch hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentums; denn von da aus w i r d ja manches überhaupt nur verständlich, etwa die Vorgänge, die uns aus Rotterdam nach dem Kriege geschildert worden sind, und aus anderen Städten. Was man von unserem Standpunkt aus als eine erhebliche Schwächung des Eigentumsgedankens bezeichnen könnte, ist i n Holland eben nur möglich gewesen, w e i l die Verfassung offensichtlich keinerlei Schranken gegenüber einer solchen Entwicklung gehabt hat. Bei uns wäre das w o h l nicht möglich gewesen. Ministerialrat
Ziegler
Herr Dr. Beunke, ich habe eigentlich keine Frage, sondern nur etwas mitzuteilen, was vielleicht i n diesem Zusammenhang interessant ist. Sie sagten, daß Sie nach Möglichkeiten gesucht haben, u m die Pläne ändern zu können. Das ist ein Problem, das jeden Planer beschäftigt; denn es ist ein Widerspruch i n sich: Die Planfestsetzung auf rechtliche A r t und Weise — Recht muß Dauer haben — und die Fakten der Bauentwicklung. Sie sagten nun, Sie haben sich durch zwei verschiedene Maßnahmen geholfen, die mich sehr interessiert haben. Diese haben w i r uns auch überlegt, sind aber dann zu einer Version gekommen, die hier von Interesse sein könnte. I n unserem Landesplanungsgesetz für Baden-Württemberg besteht die Verbindlichkeitserklärung von Plänen auf zweierlei Weise: Die Regierung kann beschließen, daß ein Plan verbindlich ist für sämtliche ihr unterstehenden Behörden, Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts usw.; nur der Landtag kann beschließen, daß ein Plan auch für Dritte, vor allem für die Gemeinden, verbindlich sein soll. Nun zeigt sich, daß ein solcher Beschluß schwierig zu fassen ist. Man w i r d sich schwer entschließen, von diesem Instrument der Verbindlichkeitserklärung — vor
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allem gegenüber Gemeinden—Gebrauch zu machen. Deswegen haben w i r die zweite Möglichkeit, die der Bekanntmachung: Die Regierung macht den Plan bekannt und empfiehlt ihn den unterstellten Behörden sowie den Gemeinden zur Beachtung. Diese Empfehlung hat nun folgende rechtliche Wirkung: Wenn jemand von dem Plan abweichen möchte, dann muß er sich melden. Dann w i r d miteinander verhandelt und entweder der Plan insoweit geändert oder die Absicht der Gemeinde dem Plan angepaßt. Ich glaube, daß diese etwas leichte A r t der Anpassung — wobei i m Grundsatz natürlich die Richtung bestehen bleiben muß, aber i m einzelnen leicht angepaßt werden kann — Zukunft hat. Senatspräsident Meyer I n Ihren Ausführungen ist einmal die Rede gewesen von dem Hohen Rat und der Jurisdiktion des Hohen Rates. Zum anderen ist davon die Rede gewesen, daß vor der Bewilligung der Plangenehmigung der Staatsrat gehört wird. Sind Staatsrat und Hoher Rat identisch? Ein Redner aus der Mitte der Tagungsteilnehmer Für uns i n Hamburg ist die Frage der Wassergenossenschaften und das, was Sie m i t dem Deichthema anschnitten, von besonderem Interesse. Ich habe Sie so verstanden, daß die Wassergenossenschaften eine gewisse Gesetzgebungsbefugnis haben, daß die Beschränkungen, die sie auferlegen, nach holländischem Recht entschädigungslos möglich sind; daß aber die Schwelle der Enteignimg natürlich auch dort beachtet werden muß. Frage: Wenn eine Deichveränderung, Verbreiterung, Verlegung stattfindet und dafür landwirtschaftlich genutztes Gelände i n Anspruch genommen werden muß, sei es außendeichs, sei es innendeichs, liegt das jenseits der Enteignungsschwelle oder ist das noch entschädigungslos zu erlangen? Ltd. Baudirektor
Fürlinger
W i r haben gehört, daß die Gemeinden weitgehend berechtigt sind, die Nutzung zu manipulieren, wie sie wollen, und daß man sich eigentlich nicht dagegen wehren kann. Nehmen w i r an, Sie haben eine Ausnutzung mit einer Geschoßflächenzahl 4 i n einer Bauordnung vorgesehen. Die Gemeinde findet, man müsse das anders machen. Dann ist es doch — so habe ich Sie verstanden — dem Eigentümer nicht möglich, zu sagen: Ihr hebt mein Eigentum auf, wenn nun statt dieser viergeschossigen Bauweise, die da möglich wäre, nur zweigeschossige Bauweise i n Einfamilienhäusern möglich sein soll. Aber können Sie das auch dann durch einen Einzelakt machen, wenn ein Bebauungsplan i n jenem Gebiet eine hohe Nutzung ausweist, ohne dafür eine Entschädigung zahlen zu
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müssen? A u f der anderen Seite sagten Sie doch, es müsse eine Entschädigung zu einem Preis gewährt werden, wie ihn ein guter Kaufmann nach sorgfältigem Abwägen und nach allem Bemühen erreichen kann. Wie überwinden Sie diesen Widerspruch? Dr. Beunke Ich bin dem ersten Redner sehr dankbar für die Darstellung dieser leichten Anpassungsmöglichkeiten, welche i n Baden-Württemberg geschaffen worden sind. Ich darf aus der holländischen Praxis erklären, daß auch dort eine leichte Anpassung anstrebt wird, u m mittels vielfacher Beratung diese Möglichkeiten zu verwirklichen; aber es würde heute i n diesem Rahmen zu weit gehen, all diese Anpassungsmöglichkeiten, welche schon bestehen und welche i m neuen Gesetz vorgesehen worden sind, erschöpfend darzulegen. Herr Senatspräsident Meyer hat mich gebeten, etwas über die Position des Hohen Rates und des Staatsrates zu sagen. Der Hohe Rat ist i n Holland Kassationshof für Zivilgerichte und Strafgerichte. Demgegenüber ist die Krone nach Anhören des Staatsrates höchstes Verwaltungsgericht. Der dritte Redner aus Hamburg hat nach den Wassergemeinschaften gefragt. Daß beim Deichbau von den Wassergemeinschaften der dazu benötigte landwirtschaftliche Boden ohne Enteignung benützt wird, geht nicht. Aber auf alten Deichen i n Holland gibt es sehr viel Bebauung. Diese Bebauung, welche von der Wassergenossenschaft geduldet oder gar genehmigt worden ist, kann ohne Enteignung beseitigt werden. Das geht ziemlich weit. Vielleicht reicht das aus, u m die Situation zu schildern. Der letzte Redner hat über Baubestimmungen gesprochen. I n Holland ist es ohne weiteres möglich, i m Einzelfall eine eingeschossige Bauweise vorzuschreiben, obwohl der entsprechende Bauleitplan grundsätzlich eine viergeschossige Bebauung vorsieht. Der Gemeinderat kann einen Bauleitplan festsetzen, nach dem auf einem bestimmten Grundstück große Wohngebäude zu errichten sind. Aber er bleibt immer frei, ihn zu ändern. Es ist feste Rechtsprechung der Krone, daß dies keinen Entschädigungsanspruch auslöst. Diese Freiheit soll die Verwaltung haben.
Schlußaussprache Professor Dr. Ule Ich habe nicht die Absicht, durch die wenigen Bemerkungen, die ich machen w i l l , dieser Schlußaussprache i n irgendeiner Weise vorzugreifen. Ich möchte nur i n Ihre Erinnerung zurückrufen, was m i t dieser Tagung erreicht werden sollte, und was m i t ihr überhaupt erreicht werden kann. I n den Briefen, die ich den Herren Referenten vor einigen Monaten geschrieben habe, habe ich ihnen mitgeteilt, daß w i r die Absicht hätten, einem besonders interessierten Kreis deutscher Fachleute, Städteplaner, Kommunalpolitiker und Verwaltungsjuristen eine Information zu geben über die gegenwärtige Lage der Beziehungen zwischen Planung und Recht i m Städtebau, insbesondere Städteerneuerung und Eigentumsordnung. Damit sollte den Teilnehmern dieser Tagung und später etwa, wenn die Referate und die Diskussion gedruckt vorliegen, den Lesern dieser Druckschrift die Möglichkeit gegeben werden, sich zu informieren, auf welchen rechtlichen Voraussetzungen die Städteerneuerung anderwärts, außerhalb Deutschlands, beruht, und m i t welchen rechtlichen Problemen man sich dort auseinanderzusetzen hat. Wenn m m das Ergebnis der Tagung ein Urteil darüber ermöglicht, ob die gegenwärtige Lage der Beziehungen zwischen Städteerneuerung und Eigentumsordnung i n der Bundesrepublik Anlaß dazu gibt, auf die Umgestaltung unseres Rechts nach den Erfordernissen der Städteerneuerung hinzuwirken und i n welchem Umfang, dann wäre das, glaube ich, das Maximum, das durch eine solche Tagung erreicht werden könnte. Ich meine deshalb, daß die jetzige Schlußaussprache sich i n der Richtung bewegen sollte, die Verbindung herzustellen zwischen dem, was w i r am ersten Vormittag i n dem Referat von Herrn Dr. Halstenberg über die Lage i n der Bundesrepublik gehört haben, und all dem, was uns inzwischen über die Verhältnisse i n den anderen europäischen Staaten zur Kenntnis gebracht worden ist, also das Prinzipielle dieses Themas noch einmal herauszuheben. Ob es möglich ist, i n diesem Augenblick schon i r gendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen, möchte ich offenlassen. Ich habe gewisse Zweifel. Ich möchte aber feststellen, was w o h l jedem Teilnehmer dieser Tagung auch deutlich geworden ist, daß i n drei Punkten jedenfalls die Verhältnisse i n der Bundesrepublik sich von denen i n anderen europäischen
Schlußaussprche Staaten — nicht i n allen, das ist zum Teil verschieden — sehr wesentlich unterscheiden: Einmal i n der föderalistischen Struktur, also in dem Bund-Länder-Problem, das gewiß auch i n Österreich und i n der Schweiz vorhanden ist, aber doch für alle anderen europäischen Staaten nicht besteht und das, wie w i r ja gerade i n dem Vortrag von Herrn Dr. Halstenberg gehört haben, sehr schwerwiegende Probleme schon hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz usw. aufwirft. Das zweite ist sicherlich die Betonung der Gemeindefreiheit oder die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, die ja doch auch zu einer ganz bestimmten Ordnung der Beziehungen zwischen Staat — ganz allgemein gesprochen, Bund und Länder inbegriffen — und den Gemeinden auf dem Gebiet des Städtebaues führt. Die zentralistischen Lösungen, die uns i m Laufe der Tagung auch vorgeführt worden sind, haben jedenfalls mit unserer Verfassungslage so gut wie gar keine Berührung. Da unsere Verfassungslage i n diesem Punkte absolut unantastbar ist, sind also von daher kaum irgendwelche Folgerungen zu entwickeln. Das dritte ist die verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums; und zwar i n materieller und i n formeller Hinsicht, also der Art. 14 m i t allen seinen Folgen. Wieweit etwa eine Interpretation des Art. 14 durch die Gerichte sich auch i n einer etwas anderen Richtung hätte bewegen können, als sie sich bewegt hat, lasse ich offen. Das können w i r sicherlich nicht jetzt i n dieser letzten Stunde noch diskutieren. Daß sich hier bei uns seit 1919 schon unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung und dann i n sehr viel stärkerem Maße noch unter der Geltung des Bonner Grundgesetzes eine Entwicklung i n einer ganz bestimmten Richtung vollzogen hat, ist ja jedem Kenner hier i m Saale bekannt. Das braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Wenn man an Verhältnisse denkt, wie sie etwa i n den Niederlanden bestehen, wo nach der Darstellung von Herrn Dr. Beunke keinerlei verfassungsrechtliche Schranken bestehen und offenbar die Grenzziehung zwischen Eigentumsbestimmung und Enteignung weitgehend noch von der klassischen Vorstellung, daß es sich u m eine Ubereignung handeln muß, bestimmt wird, dann sehen w i r doch ganz deutlich die Pole, zwischen denen sich hier i n der europäischen Staatengemeinschaft die verschiedenen Möglichkeiten bewegen. Professor Dr.-Ing.
Albers
Die Tagung gibt Anlaß, auf eine Umgestaltung des bestehenden Rechtes nach den Erfordernissen der Städteerneuerung hinzuwirken. Trotzdem erlaube ich mir, auf das mögliche Mißverständnis hinzuweisen, der A n laß, die Dinge zu durchdenken, könne nur aus dem Vergleich m i t der Situation u m uns herum erwachsen. W i r haben eine Reihe vorwärtsweisender Gedanken gehört. W i r haben aber auch festgestellt, daß vielerorts
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nur m i t Wasser gekocht wird. A m ersten Nachmittag kam sogar der Gedanke zum Vorschein, man sollte vielleicht doch nicht zu viel veranlassen und sich die Dinge noch etwas i n Ruhe überlegen. Ich habe den Eindruck, daß w i r von dem Blick auf die Umwelt eine ganze Menge lernen können; daß w i r aber nicht erwarten können, daß Entwicklungen, die das gesamte Westeuropa i n gleicher Weise überrollt haben, sich i n fremdem Recht schneller und gründlicher niederschlagen als i n unserem. Es ist, glaube ich, eine bekannte Erscheinimg, daß das Recht immer eine Zeitlang braucht, u m hinter den Ereignissen hinterherzumarschieren. Man kann sich das auch gar nicht anders vorstellen. Aber ich wäre doch dankbar, wenn Sie m i r fünf Minuten erlauben würden, u m die Frage aufzuwerfen — sie keineswegs zu beantworten, aber einige Gedanken zu ihr zu sagen —, ob nicht die gegenwärtige Lage der Beziehungen zwischen Städteerneuerung und Eigentumsordnung i n der Bundesrepublik, gemessen an dem Umfang der vor uns stehenden Probleme, Anlaß dazu gibt, auf eine Umgestaltung des bestehenden Rechts nach den Erfordernissen der Städteerneuerung hinzuwirken. Sie könnten vielleicht fragen: Was sind das für Probleme? Ist das nicht ein Planer, der i n der üblichen Überbewertung des eigenen Aufgabengebietes meint, alles müßte sich nach i h m richten? Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich ganz schnell sagen, daß w i r Städtebauer unsere Aufgaben nicht i n der technischen Funktionserfüllung sich erschöpfen sehen. W i r sehen sie i n der Anpassung der Umwelt an eine gewandelte und sich weiter wandelnde soziale Wirtschaftsstruktur, wenn Sie so wollen, an die heutige Auffassung vom angemessenen Leben und von Menschenwürde. So habe ich den Begriff der Stadterneuerung verstanden. So war auch, verehrter Herr Dr. Budinis, meine Frage an Sie gemeint. Insofern glaube ich, daß Italien dieser A r t von Stadterneuerung genauso gegenübersteht wie w i r anderen auch; nicht der vereinfachten, der verengten Fassung der Stadterneuerung, daß man alte Häuser abbrechen muß, sondern daß man, gemessen an den heutigen Erfordernissen, die Struktur unserer Städte neu durchdenken muß. Insofern bin ich auch sehr angetan von der Wortbildung, die M. Rouge uns gegeben hat, daß es sich nicht eigentlich u m Renovation, sondern u m Restructuration, u m Umstrukturierung, handele. Dabei sind natürlich Wertfragen i m Spiel. Das ist kein sich automatisch vollziehender Vorgang. Der Stadtplaner sieht sich aufgerufen, zu solchen Fragen Stellung zu beziehen; nicht als technischer Perfektionist, sondern als Anwalt der Umwelt oder als A n w a l t des Menschen i n der Umwelt, wenn w i r es noch genauer fassen wollen, als so eine A r t Sachverständiger für den Wirkungszusammenhang zwischen den verschiedenen Aspekten des auf die Umwelt bezogenen oder gar nicht ursprünglich auf sie
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bezogenen, sich aber auf sie auwirkenden menschlichen Handelns. Dieses Handeln kollidiert allenthalben. Das schafft uns die Probleme. Dahinter stehen gelegentlich Reibungen, Sand i m Getriebe — das wäre simpel; dahinter stehen Kompetenzkonflikte, Interessenkonflikte und, wie ich meine, Wertkollisionen. Herr Hofrat Dr. Krzizek hat auf eine Wertkollision i n einem Beispiel hingewiesen, nämlich auf die Frage, ob man alte Gebäude dem Verkehr opfern dürfe. Es gibt eine Fülle weiterer Wertkollisionen, die aber m i t unserem B i l d von der Stadt und der erstrebenswerten menschlichen Umwelt zusammenhängen. Es könnte das Mißverständnis entstehen, als ob die Wertkollision zwischen Eigentumsordnung und planerischen Ansprüchen das gleiche wäre. Ich möchte sagen i m Gegenteil. Nach meinen Erfahrungen ist es i n der Regel so, daß, wenn solche Dinge wie etwa immaterielle Werte der Umwelt kollidieren m i t Fragen des Privateigentums und Fragen der technischen Perfektion, als erstes die immateriellen Werte auf der Strecke bleiben, daß also keineswegs das Eigentum i n diesem Sinne der Verbündete der immateriellen Werte ist. Vielleicht noch ein Wort zum Eigentum. Ich bin immer etwas unglücklich, wenn man die Dinge generell als Eigentumsfragen anschaut. Ist das juristisch richtig? Ich übersehe es nicht. Dazu müßte man noch etwas hören. Ich wäre viel glücklicher, wenn man von Grundeigentum redete. Ich glaube, man könnte die Dinge dann sehr viel stärker entideologisieren. Wenn man sagt, das Eigentum sei die Grundlage der abendländischen K u l t u r , dann hört sich das sehr gut an. Aber wenn man sagt, das Grundeigentum sei die Grundlage, dann kann man vielleicht doch schon ein Fragezeichen dahinter machen. Und wenn man sagt: der Planer, dieser unerfreuliche Revolutionär, greift die Grundlagen unserer Eigentumsordnung an, dann ist es schon etwas weniger schlimm, wenn er nur die Grundlagen der Grundeigentumsordnung angreift. Es scheint m i r also, es hätte einiges für sich, wenn man da etwas nüchterner wäre. I n dem Zusammenhang möchte ich noch ein Wort sagen über die Teilnahme der Stadtplanung an der Politik. Es t u t m i r leid, daß Herr Dr. Halstenberg, an dessen Adresse diese Worte eigentlich gerichtet sind, nicht hier ist. Ich werde sie i h m schreiben. Die Arbeit an der Gestaltung der menschlichen Umwelt hat eindeutig politische Aspekte; denn sie hat ja m i t der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens i m Raum zu tun; und die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens — wer wollte das bestreiten — ist Grundsubstanz der Politik. Selbstverständlich ist derjenige, der sich m i t diesen Aspekten beschäftigt, nicht nur berechtigt — das ist jeder, sondern wenn er sich damit von Berufs wegen und aus Leidenschaft beschäftigt, geradezu aufgerufen, sich dazu zu äußern, selbst wenn er nicht bereit ist, seine berufliche Tätigkeit m i t der eines Funktio-
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närs oder Abgeordneten zu vertauschen. Insofern waren die Formulierungen von Herrn Halstenberg brillant, gingen aber an der Sache vorbei. Ich wäre nicht bereit, Äußerungen zur politischen Situation deswegen zu unterlassen, w e i l ich mich nicht auf eine Wahlkreisliste setzen lassen w i l l . Es ist Aufgabe des Politikers, sich m i t diesen Wertkonflikten, von denen ich sprach, auseinanderzusetzen. U m nicht mißverstanden zu werden: Ich erwarte nicht und erhebe nicht den Anspruch des Stadtplaners, i n diesen Wertkonflikten ein letztes Wort zu sprechen. Weder der Stadtplaner noch der Jurist kann seine Meinung, ja seine feste, seine heiße Überzeugung, an die Stelle jener politischen Entscheidung setzen. Was sie aber können, die Planer und Juristen, die hier, glaube ich, beide zusammen die Mehrzahl der Beteiligten stellen, das wäre, möglichst zusammen die Alternativen zu klären, die sich dieser politischen Entscheidung stellen. Ich habe den Eindruck, daß diese A l ternativen heute nicht klar gesehen werden. Z u viele glauben, man könne unvereinbare Dinge gleichzeitig haben. Ich vermute, daß die Aufrechterhaltung der heutigen Auffassung vom Grundeigentum — einem politischen Wert — nicht vereinbar ist m i t der Anpassung unserer Umwelt an die Ansprüche des sozialen Rechtsstaates von heute, geschweige denn des von morgen, den ich auch als politischen Wert postulieren möchte. Ich vermute, daß man i n ein paar Jahrzehnten unser heutiges Handeln, die große Landzerstörung, ähnlich negativ beurteilen wird, wie w i r heute milde lächeln über die Gründerzeit und das Unverständnis, m i t der sie unsere Städte verschandelt hat. Ich vermute fast, daß man auch auf unsere heutige Auffassung vom Grundeigentum ähnlich zurückblicken w i r d wie w i r auf das preußische Dreiklassenwahlrecht. Diese Sorgen teile ich m i t sehr vielen meiner Kollegen. Wenn ich einen Wunsch äußern darf, so eigentlich den, daß w i r das Gespräch darüber fortsetzen könnten, wieweit diese Sorgen m i r widerlegt werden können. Ich wäre nicht ganz unglücklich darüber, wenn das ginge, oder wenn nicht, wieweit sich die Erkenntnis, daß sie nicht widerlegt werden können, in eine Bereitschaft zu politischem Handeln umsetzen sollte. Professor Dr. Ule Wenn ich einen Augenblick aus meiner Stellung als Diskussionsleiter heraustreten darf, dann möchte ich Herrn Professor Albers meiner vollen Sympathie versichern. Ich möchte einen Gedanken aus seinen Ausführungen noch einmal aufgreifen. Er hat m i t vollem Recht gesagt, daß die tatsächlichen Entwicklungen, die sich hier vollziehen, auf das Recht immer erst i n einer gewissen Zeit Einfluß gewinnen können. Aber die Lage bei uns ist ja gerade i m Gegensatz zu manchen anderen europäischen Staaten — den meisten, die hier vertreten sind — die, daß w i r durch 16
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eine starre normative Ordnung des Grundgesetzes i n eine Richtung gewiesen werden, die i n anderen Ländern — ich möchte sagen — dem freien Spiel auch der rechtlichen Entwicklung ausgesetzt ist. Das, was anderwärts eine politische, oder wenn Sie es so nehmen wollen, eine rechtspolitische Entscheidung ist, w i r d bei uns zu einer juristischen Entscheidung gemacht, d. h. zu einem Messen der Möglichkeit an einem festen juristischen System. Darin mögen Gefahren liegen, darin mögen unlösbare Widersprüche liegen auch zu gewissen Dingen, wie Sie, Herr Albers, sie hier eben dargestellt haben. Ich glaube, daß es darüber gar keinen Zweifel gibt. Dies ist i m Grunde genommen der Anstoß dazu gewesen, diese Tagung überhaupt zu machen: Die Vorstellung, daß w i r i m Rahmen des Systems, das w i r nun einmal haben, vor Aufgaben gestellt sind, sie uns einfach von der Entwicklung der Wirklichkeit vorgegeben werden, denen w i r nicht ausweichen können, mit denen w i r irgendwie fertig werden müssen; die Schwierigkeit, i m Rahmen unseres Verfassungssystems diese Probleme, die uns jetzt gestellt sind, zu lösen. Das ist das große Problem, das hinter dieser Tagung steht. Sie soll einmal zeigen: Warum geht es anderwärts? Welches sind die Gründe, die dazu geführt haben, daß i n anderen europäischen Staaten diese A r t der Schwierigkeiten nicht bestehen? Darauf — glaube ich, meine Damen und Herren—haben w i r eine A n t w o r t durch die Tagung bekommen.
Ltd. Regierungsdirektor
Dr. Haas
Meine Damen und Herren, ich bitte u m Entschuldigung, wenn ich mich i n das Colloquium der Professoren und Referenten eindränge. Ich w i l l auch nur Aphorismen von m i r geben auf dem Wege, den ich selbst beschritten habe, nämlich von der Rechtsdogmatik über die praktische Planung und Planverwirklichung zu der — wie ich meine — sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Frage, die es eigentlich zu lösen gilt. Dabei stelle ich m i t großer Befriedigung fest, daß zwischen dem, was Herr Professor Albers von der städtebaulichen Seite her gesagt hat, und dem, was ich von der juristischen Seite hinzuzufügen hätte, sehr wenige Unterschiede bestehen, allenfalls Nuancen. Ich habe an anderer Stelle von der Schizophrenie des Bundesbaugesetzes gesprochen, wobei ich nicht das Gesetz als solches, sondern die dahinter stehenden Gedanken gemeint habe: einerseits den Anspruch, der i n den ersten Teilen des Gesetzes zum Ausdruck kommt, die von Herrn Professor Albers genannte Anpassung, also den modernen Städtebau zu betreiben; andererseits die i n dem 5., vielleicht auch schon i m 3. und 4. Teil zum Ausdruck kommende Vorstellung, daß es notwendig und möglich sei, i m Gleichklang damit das Eigentum i n einer bestimmten Form und Auffassung zu stärken und zu schützen. Ich meine, das geht nicht.
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Die Frage, die uns allen gestellt ist, ist die des Einklangs von städtebaulichem Wollen und finanziellen Mitteln und juristischem Instrumentarium der Durchführung. Aber — und insofern unterscheide ich mich etwas von Herrn Professor Ule — die Juristerei kann dabei immer nur Instrumentarium sein; wichtig als Sand i m Getriebe, als Hemmschuh oder als förderndes Hilfsmittel. Aber das, worum es geht, diesen Einklang herzustellen, das, glaube ich, ist nicht ein rechtspolitisches, sondern ein sozialpolitisches Problem. Die Sozialpolitik zu gestalten, die sozialpolitischen Vorstellungen umzugestalten, den Blick i n die Zukunft und den Blick in die Vergangenheit auf einen Nenner zu bringen, das ist unsere Aufgabe. Denn darüber müssen w i r uns doch klar sein: Alles, was w i r wollen i m Sinne dieser städtebaulichen Anpassung von Gegebenheiten und Wohnumgebung, muß der Bürger bezahlen. Die Frage kann nur sein, ob der Bürger das über die allgemeinen Steuern bezahlt oder ob das ein einzelner Bürger, eine Gruppe von einzelnen Bürgern bezahlen muß. Jenes ist die Betrachtungsweise unserer Rechtsprechung. Man kann — davon bin ich fest überzeugt — diese Frage aber auch, selbst unter dem Grundgesetz, anders beantworten. Die A n t w o r t muß die Gesellschaft geben, repräsentiert durch ihre Parlamente. Das Kreuz liegt doch — auch wenn w i r ein Bundesbaugesetz haben — darin, daß unser Parlament — und ich habe den Eindruck gehabt aus sehr vielen anderen Vorträgen dieser Tage —, auch die Parlamente anderer Länder, sich vor dieser Aufgabe gedrückt haben. Konsequenz: Die Aufgabe ist bei der Verwaltung, i m Effekt aber bei den Richtern hängengeblieben, und die Richter haben nunmehr darüber zu befinden, wie unsere gesellschaftliche Umstrukturierung stattfinden soll. Das ist, auf einen sehr überspitzten, aber m. E. richtigen Nenner gebracht, das heutige deutsche, vielleicht auch i n anderen Ländern vorzufindende System. Das zeigt sich i n jeder Bestimmung des Umlegungs- oder Enteignungsrechts, des Entschädigungsrechts. Denn alle diese Bestimmungen geben materiell nichts her. Sie sind ein ganz weiter Rahmen, den auszufüllen der Praxis überlassen ist. Und nun darf ich i m Sinne der Aphorismen noch einen Gedanken anfügen. Wenn der Gesetzgeber sich dieser i h m obliegenden Aufgabe entzieht, dann ist die Folge m. E. unausweichlich, daß die Umwandlung, die stattfindet, hintenherum stattfindet. Und auch dafür haben die Vorträge, die w i r aus den anderen Ländern gehört haben, einige Bestätigungen gegeben. Bei unserer deutschen Praxis liegt nämlich die apokryphe Umwandlung darin, daß immer mehr Grund und Boden auf dem Wege über die finanziellen M i t t e l und vielerlei andere M i t t e l sozialisiert wird. Das liegt nicht nur daran, daß der heutige moderne Städtebau nicht mehr 20 v H eines Siedlungsgebietes, sondern 40—50 v H eines Siedlungsgebietes i n die öffentliche Hand überführen muß, u m all den Anfor16*
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derungen zu genügen, denen w i r genügen sollen, sondern vielmehr daran, daß auch der privatnützige Grund und Boden i m Interesse einer gesunden städtebaulichen Planung m i t irgendwelchen Beeinflussungsmethoden i n die Hand nun nicht des Staates aber doch gewisser Gesellschaften, Genossenschaften usw. gebracht wird. Wenn ich unseren hamburgischen Grundbesitz — den Siedlungsbesitz, nicht den landwirtschaftlichen — betrachte, dann möchte ich — ohne genaue Statistiken zu kennen — behaupten, daß 75 v H des Grund und Bodens i n Hamburg heute sozialisiert sind. Der Gesetzgeber schreit deswegen; er versucht dem irgendwie Einhalt zu gebieten. Aber er kann dieses Ziel nicht erreichen, wenn er sich nicht dazu aufrafft, i m Grunde irgendwo zu ändern und die Diskrepanz zwischen Wollen und Eigentumsordnung zu beseitigen. Wenn die Hochschule hier i n dieser Richtung uns noch weiterhelfen könnte, dann würde sie ein sehr nützliches Werk tun, indem sie uns i n einer anderen Vortragsreihe einmal m i t den Verhältnissen einiger deutscher Großstädte konfrontiert, und zwar i m Hinblick auf diese w i r t schafts- und sozialpolitischen Erscheinungen, auf all das, was sich unter der Decke der Rechtsnormen vollzieht, wie es sich vollzieht und was dabei herauskommt. Das, glaube ich, ist wert, einmal untersucht zu werden. Senatspräsident
Meyer
Mein Vorredner hat mich durch die Erwähnung der Gerichtsbarkeit veranlaßt, aus der Sicht des Richters einige Schlußfolgerungen zu den Ergebnissen dieser Tagung zu ziehen. Dabei möchte ich — wenn ich ein großes Stichwort über meine Ausführungen setzen soll — das Stichwort des Zeitmomentes setzen. Planung ist zeitlich etwas, was i n die Zukunft weist, was eine Ausreifung erfordert. Damit ist schon gesagt, daß w i r Planung nicht von heute auf morgen betreiben können. Der Richter aber w i r d m i t der Gegenwart und den augenblicklichen Verhältnissen konfrontiert. Denn deswegen, w e i l eine weiträumige Planung erforderlich ist, kann ja i n unserer ohnehin schon übersteigerten Zeit das lebendige Leben nicht stehenbleiben. M i t anderen Worten: Wie soll man synchronisieren? Das müssen w i r als Richter täglich i n unserer Arbeit tun. Der Verwaltungsrichter muß es bei der Entscheidung über das konkrete Bauanliegen eines Bauherrn, der jetzt und heute bauen w i l l und dem ja auch, wenn man die Dinge sozialpolitisch sieht, geholfen werden soll, jetzt und heute nach Möglichkeit. Der Baulandrichter oder Z i v i l richter w i r d m i t diesen Fragen konfrontiert, wenn er vor der Frage steht, ob ein Bürger seine Wünsche, seine von seiner Sicht her berechtigten Anliegen zurückstellen muß, ob er i n dem Raum, i n dem er sein Vorhaben verwirklichen w i l l , u m nicht die Zukunftsentwicklung zu verbauen, zurücktreten muß. Das sind die Fragen, die uns als Richter i m täglichen Leben berühren.
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Ich glaube, dieses Zeitmoment, diese Frage der Synchronisierung, auf die der Präsident unseres Bundesverwaltungsgerichts, Professor Werner, schon i n einem Aufsatz i m Deutschen Verwaltungsblatt und i n einer Urteilsbesprechung mehrfach hingewiesen hat, erklärt die Schwierigkeit, jeweils den Stand der Planung auf den einzelnen Baufall, der heute und jetzt entschieden werden muß, zu projizieren. Das ist ein eminent schwieriges Problem für das Richtertum, fast ebenso schwer wie das Problem, auf das Herr Ltd. Regierungsdirektor Dr. Haas hingewiesen hat, daß nämlich die Zukunftsentwicklung i n Rechtsbegriffe eingefangen werden muß, die zum Teil noch i n der Vergangenheit verhaftet sind. Wenn ich nur das Zeitmoment noch einmal herauskehren darf: Hier steht der Richter beim einzelnen Bauvorhaben vor der Frage: Welche M i t t e l der Retardierung oder der Synchronisierung gibt es? Als M i t t e l der Retardierung haben w i r den Baustopp herausgestellt. Dabei t r i t t aber — insbesondere i n den Rechtsordnungen, i n denen w i r nicht einen rein formellen Enteignungsbegriff, sondern einen materiellen Enteignungsbegriff haben — das Problem auf: wann beginnt der Stopp dem Bürger oder dem Eigentum so an den Nerv zu gehen, daß man dieses Opfer von i h m nicht ohne Entschädigimg verlangen darf? Das Ventil zum Baustopp, u m das Instrumentarium des Baurechtlers hervorzuheben, ist für den Einzelfall das M i t t e l der Baubefreiung, des Dispenses von einem Baustopp oder einer baurechtlichen Vorschrift, die das Vorhaben hemmt. Aber dieses M i t t e l führt zu einer Kasuistik, zu einer ganz engen Betrachtung jedes Einzelfalles. Er bringt für die Gerichtsbarkeit, insbesondere für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, viel Arbeit m i t sich. Es führt zu einer geradezu erstaunlichen Fülle von Rechtsstreitigkeiten. I n meinem Senat gehen z. B. bis zu 30, 35 neue Fälle i m Monat ein. I n all diesen Fällen muß über Fragen entschieden werden, die der Bürger am liebsten heute entschieden haben möchte. Das aber ist nicht möglich. W i r sind erfahren genug, u m zu unterscheiden, wann ein Fall zeitlich vorgezogen werden muß, w e i l er drängt, oder wann er u. U. bis zu IV2 Jahren i n einer Instanz warten muß. I m übrigen hat diese rechtsvergleichende Sicht uns aufgezeigt, daß es außer dieser Punktmethode der Befreiung oder Ausnahmebewilligung i m Einzelfall noch andere Methoden geben kann. Insofern war m i r interessant das Stichwort, das Sie, Herr Dr. Beunke gaben, indem Sie den endgültigen dem vorläufigen Plan gegenüberstellten, also eine für die Gegenwartsaufgabe geltende Linie einem Plan auf weite Sicht, so daß m i t vorläufigen planerischen Regelungen diese Zeiten überbrückt werden können. Das wäre eine Möglichkeit. Ich darf für die Herren, die aus den benachbarten Ländern kommen, darauf hinweisen, daß das Bundesbaugesetz diese Fragen der Synchronisation zwischen akutem Bauvorhaben und Stand der Planung i n seinem § 33 dadurch zu lö-
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sen versucht hat, daß es sagt: Wenn noch ein alter Plan vorhanden, ein neuer Plan aber i n Aufstellung begriffen ist, kann die Verwaltung, und kontrollierend der Richter, bei seiner Entscheidung den gegenwärtigen Stand der Planungsarbeiten berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn der gegenwärtige Stand der Planungsarbeiten das Bauvorhaben an dieser Stelle schon jetzt als unbedenklich erscheinen läßt. Aus dieser Formulierung können Sie ersehen, daß man mit diesem Instrument der Synchronisation auch nur einen schmalen Sektor von Fällen lösen kann. Denn wie w i r gerade jetzt aus Anlaß eines i n der vorigen Woche entschiedenen Falles aussgeführt haben, kann der § 33 von den Verwaltungsgerichten nicht erwarten, daß sie die Planung, die jetzt i n einem bestimmten Stand ist, nach ihrer Vorstellung zu Ende denken. Das Gericht kann entsprechend seiner Aufgabe zur Bescheidung vielmehr nur dann über § 33 helfen, wenn der gegenwärtige Stand der Planungsarbeiten an dieser Stelle eindeutig ein positives Votum rechtfertigt. Dabei hat das Gericht nicht nur die örtliche Planung zu berücksichtigen, sondern auch den Stand der überörtlichen Planung, i n die ja nach § 1 Abs. 3 BBauG die Ortsplanung eingebettet sein muß. Ich glaube, daß ich Ihnen durch diesen Beitrag wenigstens i n wenigen Worten dargestellt habe, warum der Richter, der m i t den Sorgen des Bürgers heute und jetzt konfrontiert wird, erhebliche Schwierigkeiten hat, m i t der anderen Situation der weiträumigen Planung fertig zu werden; wie wertvolle Aspekte er aber auch als Richter aus einer solchen internationalen Aussprache von Sachkennern aus dem Planungsbereich und aus dem juristischen Bereich schöpft. Sousdirecteur Rouge Ich möchte zu dem, was Herr Dr. Albers erwähnt hat, sagen, daß w i r Städteplanung und Raumordnung i n einen Zusammenhang hineinstellen müssen. Es handelt sich bei unserer Aufgabe nicht u m eine bloße Technik, den Boden zu verplanen oder Leitlinien zu ziehen, sondern w i r müssen alle Lebensbedingungen betrachten und neue Lebensbedingungen schaffen, da w i r i n dieser Aufgabe eine Gesamtheitsaufgabe sehen für das Glück der Nation. I n allen meinen Veröffentlichungen weise ich darauf hin, daß sich unsere Arbeit heute noch handwerklich vollzieht und noch keine Wissenschaft geworden ist. Aber w i r müssen unsere Arbeit wissenschaftlich aufbauen, und w i r müssen vor allem die Dinge unter einem ethischen Gesichtspunkt sehen. Es gilt hier, einen Begriff zu klären, nämlich den Begriff des Privatinteresses. Man soll keinen Gegensatz sehen zwischen öffentlichem Interesse und Privatinteresse, denn der Begriff des Privatinteresses ist noch nicht genügend entwickelt. Was heute so aussieht, als wenn es ein
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Verlust des Privatinteresses wäre, ist i n Wirklichkeit nicht nur ein Opfer zugunsten anderer. Derjenige, der das Opfer bringt, erhält vielmehr selbst etwas davon. I n Wirklichkeit w i r d durch die Förderung des öffentlichen Wohls, des Gemeinwohls, das Wohl des einzelnen erreicht. W i r haben sehr viel über das Recht gesprochen und vor allem über die wohlerworbenen Rechte und über die Eingriffe i n diese privaten Rechte. W i r haben i n Frankreich zwar eine Fülle von Eingriffsgesetzen; ich habe sie Ihnen aufgezählt; aber diese Fülle von Möglichkeiten, i n das Privatrecht einzugreifen, genügt noch nicht. W i r stehen heute bei der Planung erst am Anfang, an dem w i r bloß einzelne Einheiten sehen, aber noch nicht Gesamtheiten. Wenn w i r von der Welt von gestern i n eine moderne Welt, i n eine solidarische Welt gehen wollen, dann müssen w i r Gesamtheiten planen. Wenn ich von einer solidarischen Welt spreche, dann w i l l ich nicht sagen, daß es hier eine Vermassung geben soll, sondern es gilt, die Werte der Personen, der Gemeinschaften zu wahren, es gilt, die Einzelperson in diese Welt einzuordnen. Ich habe von dieser Fülle der Gesetzgebung gesprochen; aber ich möchte doch sagen, daß w i r immer noch nicht weit genug sind, daß es gilt, sich verantwortlich zu zeigen gegenüber der Revolution, i n der sich die Welt befindet, und dafür zu arbeiten, diese neue Welt zu schaffen. Delegierter
des Stadtrates
Marti
Gestatten Sie mir, als aktiver Planer einige Gedanken beizutragen. Ich möchte voraussetzen, daß m i r bewußt ist, daß vieles, was w i r heute beabsichtigen oder t u n wollen, noch verborgen ist, daß w i r also — ich glaube überall — i m dunkeln tasten und deshalb sehr vorsichtig sein müssen, daß w i r vorkehren. Ich persönlich habe keine Angst vor der zerstörten Landsaft. Ich glaube, die zerstörte Landschaft können w i r wieder instand setzen, wenn w i r wollen. Aber ich habe große Angst vor zerstörtem Recht. Ich glaube, das Recht, das geht uns alle noch mehr an als die zerstörte Landschaft. Das zerstörte Recht kann irgendwohin führen, wo w i r es nicht wissen, und wo w i r vielleicht i n einem Chaos landen. Ich habe meine ganze Tätigkeit immer auf dem geltenden Recht aufgebaut und versucht, dieses schrittweise zu ändern. Die Planung greift, ob w i r wollen oder nicht, i n das Grundeigentum ein. Ich bin sehr einverstanden m i t Herrn Professor Albers, daß w i r da einen großen Unterschied zwischen Eigentum und Grundeigentum machen. Das Grundeigentum hat nach meiner Auffassung nicht nur Rechte — und das ist wahrscheinlich der große Fehler der vergangenen Zeit gewesen, daß man die Rechte des Grundeigentums i m Vordergrund gesehen
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hat —, sondern es hat Verpflichtungen, und zwar hohe ethische oder moralische Verpflichtungen. W i r müssen uns jetzt überlegen, wie w i r offen tlicherseits die Verpflichtungen, die dem Grundeigentum innesind, herausholen und die Eigentümer auf ihre Pflichten aufmerksam machen. Der zweite Gedanke ist w o h l der — er ist auch schon von Herrn Professor Albers ausgesprochen worden —, daß sich alles wandelt. Es wandelt sich auf dieser Erde nicht nur die Anschauung über die Architektur und den Städtebau, sondern w i r selber, w i r wandeln uns doch auch. Das müssen w i r ganz schlicht und einfach feststellen, daß bei uns selber so viel vorgeht, daß w i r uns sogar dazu bequemen müssen, zu sagen, daß w i r einen Fehler begangen haben, und daß w i r den Fehler kennengelernt haben, und daß w i r versuchen werden, einen weiteren Fehler zu vermeiden, jedenfalls den gleichen Fehler nicht wieder machen zu wollen. Es ist ja niemandem verboten, intelligenter zu werden oder gescheiter. Und so haben w i r die große Aufgabe, die Zukunft abzustecken, von der w i r ja noch gar nicht wissen, wie sie sein wird, und von der w i r nur eine Vorstellung haben, wie sie sein sollte. Und nun wollen w i r uns anmaßen, Gesetze zu schaffen, die diese Zukunft regeln. Ich glaube, da ist Vorsicht geboten. W i r müssen uns vor allen Dingen davor hüten, Einzelheiten festlegen zu wollen. Wie ist es m i t den Gesetzen, die w i r nun so leichthin machen? W i r bauen den Ausnahmeparagraphen ein, und schließlich w i r d das Gesetz nur noch m i t dem Ausnahmeparagraphen gehandhabt. W i r hatten i n der Stadt Zürich ein solches Gesetz, die Bauordnung, i n dem der Ausnahmeparagraph schließlich die Hauptrolle spielte und auf Grund dessen die Stadtverwaltung schließlich gezwungen war, ein Kollegium von Architekten, Juristen und Planern erster Klasse einzusetzen, die sich 33 volle Nachmittage damit abgegeben haben, ins Schwanken geratene Begriffe wieder klarzustellen. Das ist vor anderthalb Jahren gewesen. Und deshalb sollten w i r uns davor hüten, Gesetze zu machen, i n denen w i r uns von Anfang an m i t der Ausnahmeregelung als Hauptsache befassen. Ein dritter Punkt dieser Tagung hat uns sehr stark beschäftigt. Es tauchte immer wieder das Problem der Gemeindeautonomie und des höherstehenden Verbandes auf. Aus den belgischen, holländischen und französischen Beispielen haben w i r das entnommen: Die Gemeinde als Planungseinheit, der übergeordnete Verband m i t dem Staat schließlich i m Hintergrund. W i r haben i n der Schweiz i m Kanton Tessin, der i n einer außerordentlichen Not steckt — es ist Ihnen sicher bekannt, daß die Hälfte des Bodens ausländischen Eigentümern gehört —, ein Gesetz geschaffen. Es liegt gegenwärtig bei der Beratung vor dem kantonalen Parlament. Da haben w i r uns überlegt, wie w i r die Gemeinde festigen können, obwohl ja die schweizerischen Gemeinden gegenüber den Gemein-
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den i n anderen Staaten sehr viel fester sind. Das Regionalplanungsgesetz ist ein kurzes Gesetz geworden. W i r haben nämlich einfach vorgeschlagen, daß die Gemeinde eine dreijährige Planungszeit eingeräumt bekommt, i n der das Grundeigentum für die Bebauung gesperrt ist, während der eine Baubewilligung nicht ohne weiteres erteilt werden kann, wie w i r es vorhin gehört haben. T r i t t die Gemeinde i n diesen drei Jahren nicht i n ihre Aufgabe ein, läßt sie die Planung sein, so hat der Kanton das Recht, anstelle der Gemeinde die Planung zu machen. Die Gemeinde kann sich also überlegen, ob sie lieber den übergeordneten Verband arbeiten lassen w i l l oder ob sie ihre Pflicht als Gemeinde ausüben w i l l . Dem Kanton steht nach diesem Vorschlag, nach diesem Gesetzesentwurf eine zweijährige weitere Sperrfrist zu. W i r Planer hatten eigentlich die Absicht, eine acht- bis zehnjährige Frist, fünf Jahre für die Gemeinde und fünf Jahre für den Kanton einzuräumen. Doch m i t dieser Absicht tangierten w i r bereits die Garantie des Eigentums, weshalb w i r uns auf die kürzere Zeit — ich möchte sagen: leider — zurückziehen mußten. Ich habe die große Sorge, daß w i r i n Europa zu Mehrzweckgesetzen kommen, wie w i r Mehrzweckwerkzeuge haben. Ich komme zu der Uberzeugung, daß w i r für die Einzelheiten der Planung — sei es nun für die Erneuerung der Städte, sei es für die Umlegung von Bauland oder die Erschließung von Bauland — nicht dahin kommen dürfen, alles i n ein Gesetz hineinzuprojizieren. A m Anfang meiner Tätigkeit hatte ich auch den Wunsch, möglichst Gesetze zu schaffen. Ich komme allmählich — je älter ich werde u m so mehr — zu der Überzeugung, daß w i r sehr vorsichtig sein müssen. Vor allen Dingen komme ich zu der Uberzeugung, daß w i r Planer leider zu Spezialisten werden. W i r müssen uns hüten, Spezialisten zu werden. I n diesem Sinne, Magnifizenz, b i n ich Ihnen dankbar, daß Sie mich eingeladen haben, an dieser Tagung teilzunehmen, hat es doch für uns die gute, glückliche Folge, daß w i r unseren Blick wieder ausweiten konnten und uns vom Spezialistentum entfernen. Besonders dankbar bin ich Ihnen für die außerordentlich interessanten Diskussionsvoten und Beiträge der Herren, die i n der Praxis stehen und uns auch geholfen haben, bei uns i n der Schweiz nun das Thema ,Planung 4 , das ja eine ganz dürre Distel ist, anzupacken. Dr. Schindler Ich b i n sehr dankbar, daß i n dieser Schlußaussprache die Gedanken und die Ausführungen, die während der Tagung kamen, i n einem breiteren großzügigeren Rahmen berührt werden. Ich darf mich nicht zu den deutschen Verhältnissen, zu den deutschen Gedanken äußern. Ich möchte
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aber betonen, daß und wie stark sich hier i n den verschiedenen Ausführungen Grundverschiedenheiten herausgestellt haben i n der Behandlung der Städteerneuerung und i n der Gegenüberstellung von Städteerneuerung und Eigentum. Ich bin für zwei Bemerkungen meiner Vorredner dankbar. Vor allem für den Gedanken von Herrn Professor Albers, Städteplanung und Städteerneuerung i n weiterer Sicht zu sehen, so wie w i r es jetzt — und merkwürdigerweise erst i n den letzten Jahren — i n England erlebt haben, nämlich den plötzlichen Drang zu einer besseren Städtegliederung, zu einer Stadtverschönerung. Es handelt sich bei uns — und vielleicht i n anderen Ländern auch — u m zwei Grundprobleme: einerseits die Uberbevölkerung zu beheben, Ballungen aufzulockern, andererseits aber einen neuen Blick auf das B i l d unseres Landes, auf das B i l d unserer Städte zu werfen. Hier liegen die Dinge bei uns sehr viel anders als bei Ihnen i n Deutschland, die Sie, wenn ich das sagen darf, durch Kriegszerstörung an und für sich neue Aufgaben der Städteerneuerung sahen. Bei uns ist es, i n einem Wort gesagt, die fürchterliche Häßlichkeit unserer Städte, der fürchterliche Schmutz unserer Industriestädte, die — gerade i n den letzten Jahren — unsere Augen geöffnet haben. Nun die Gegenüberstellung zum Recht, zur Rechtsprechung: Vielleicht bin ich gestern etwas mißverstanden worden, oder ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Das Gesetz ist bei uns i n der Form der Stadtplanungsgesetze oder Wohnungsbaugesetze der Rahmen des Rechtes, der fest aufgerichtet werden muß. I m Gegensatz zu anderen Ländern berücksichtigt das Gesetz bereits die Pflicht und gleichzeitig die Einsicht des Grundeigentümers, sich i n die Notwendigkeiten einer Planung einer Städteerneuerung einzupassen. Ich darf wiederholen, was ich gestern sagte: Sehr stark ist unsere Gesetzgebung, unsere Rechtsprechung von der Mentalität, von der Einstellung des Bürgers abhängig. Sie basiert darauf. Ich wage zu behaupten, daß unsere Konzeption von citizenship, bürgerlicher Pflicht, unsere Konzeption der vernünftigen Einstellung zu Neuem, zudem, was notwendig ist, ausschlaggebend geworden ist auch für die Festlegung der Gesetzgebung. Die Gesetzgebung als solche spiegelt deshalb i m wesentlichen die Volksmeinung, den Volkswillen, die Volksbereitschaft wider. Eine letzte Tatsache, die ich feststellen möchte: Sie betrifft praktische Fragen der Enteignung und Entschädigung. Bei vielen Ländern w i r d die Entschädigung offenbar, wenn ich es richtig verstehe, einem Rechtsspruch überlassen. Ich versuchte gestern, klarzumachen, daß ein Schiedsspruch, wie es i h n bei uns bei den Landtribunalen gibt, oder das Urteil eines ordentlichen Gerichtes erst i n letzter Linie ausschlaggebend sind. Das wesentliche ist die Bereitschaft des Bürgers. Die Tatsachen haben es erge-
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ben, daß man sich über die Notwendigkeiten einigen kann, die m i t einer Städteerneuerung verbunden sind, und daß nur i m äußersten Falle die Rechtsprechung i n Anspruch genommen wird. Ltd. Baudirektor
Fürlinger
Mein Schweizer Kollege, der vom „Bewahren" sprach, hat mich hier auf den Plan gerufen. Ich bin auch kein Knabe mehr, ich bin auch für Bewahren, ich w i l l keine Revolution. Aber ein kurzes Beispiel: (West)Berlin hat heute 880 000 Wohnungen, 230 000 Wohnungen sind nach dem zweiten Weltkrieg neu gebaut worden. — So viel Wohnungen hat ganz Hannover. — 400 000 Wohnungen sind nach dem ersten Weltkrieg gebaut worden, davon haben 320 000 Wohnungen kein Bad, 155 000 Wohnungen haben nicht einmal eine Toilette i n der Wohnung. Da interessieren mich Ihre juristischen Fragen gar nicht. Von hier unten kommt einmal ein Druck. Wenn die Gesellschaft nicht m i t dem versorgt wird, was sie braucht, dann hat sie das früher durch eine Revolution korrigiert. — Ob sie das i m Wohlstandstaat noch i n dieser Weise korrigieren w i r d oder auf dem Stimmzettel, ist eine andere Frage. — Dazwischen steht der Planer und soll versuchen, diesen Mißstand zu beseitigen. Damit komme ich zu Herrn Halstenberg. Ich brauche i m Sanierungsgesetz ganz bestimmte Änderungen. — Ich habe bereits 453 Bebauungspläne nach dem Kriege festgesetzt. Ich habe Erfahrung. Nicht mein Abteilungsjurist ist der schlechte Mann, nicht die Verwaltungsrichter oder die ordentlichen Richter sind die schlechten Leute. Ich habe noch nie einen Prozeß u m eine Straßenplanung verloren. Ich habe noch nie einen um eine Schule verloren. Bei einem Altersheim konnte es allerdings passieren, daß es heißt: N i m m erst städtischen Besitz, bevor du privaten angreifst. Denn ein Altersheim ist nicht standortgebunden. — Aber wenn w i r i n die Sanierung einsteigen, dann muß ich die Grundstücke kneten können. Denn jedes alte Grundstück ist aus dem Zeitgeist heraus entstanden. Früher kamen die schlauen Leute und schnitten die Grundstücke so, wie ihnen das die Bauordnung am günstigsten ermöglichte. Heute müssen w i r Wohnungen ganz anderer A r t schaffen. Kein Grundstück paßt. Ich muß also kneten können. Ich muß den Privatgrundbesitzern auf gesetzlicher Grundlage sagen können: Diesen Weg kannst du marschieren, damit ich dich nicht zu enteignen brauche. Denn das geschieht ja nun auf der anderen Seite. Das ist doch ganz einfach. Aber dann bleibt es eigentlich beim alten. Wenn man das nicht wünscht, dann macht man einen Plan, der i m anderen Extrem liegt, so daß kein Privatgrundbesitzer mehr bauen kann. Dann kommt eine große Gesellschaft. Sie w i r d das freundlichst durchführen. Ich werde vor Gericht beweisen, daß der große Plan auf jeden Fall besser ist. Und sie haben genau das erreicht, was sie nicht erreichen wollen: Sie gehen i n die Sozialisierung hinein,
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weil sie aus Unvernunft vergessen haben, wie sie dem privaten Grundbesitz irgendwie helfen können. Weil die Privatgrundbesitzer m i t dem, was sie heute machen können, Unsinn machen müssen, setzen w i r den besseren Plan entgegen. Aber ob er nun großartig i n unserem weltanschaulichen Sinne ist, ist eine zweite Frage. Dr. Schüler Magnifizenz, Sie hatten gebeten, daß die Vertreter der verschiedensten Fachgruppen bei der Generaldebatte das Wort nehmen sollten. Ich bin Volkswirt und Theologe. W i r sind hier nur eine sehr kleine Minderheit. Das zentrale Thema scheint i m Kern juristisch zu sein, nämlich die Wechselwirkung zwischen der Elastizität des Eigentumsbegriffs, des Inhalts dieses Eigentumsbegriffs einerseits und der Stadterneuerung andererseits. Schon aus der Anordnung der Themen konnte man entnehmen, daß organisatorisch dann bessere Voraussetzungen für die Stadterneuerung bestehen, wenn der Begriff elastisch ist, und daß, wenn der Begriff sehr eng gefaßt ist, der modus procedendi auf Schwierigkeiten trifft. Was uns interessiert ist ein anderer, damit ganz nah verwandter Zusammenhang, nämlich der Zusammenhang zwischen Eigentumsverteilung und Stadterneuerungsmaßnahmen. Auch für dieses Thema konnten aus den Referaten sehr interessante Einzelheiten entnommen werden. Gerade der Unterschied zu den englischen Verhältnissen, auf Grund deren die Bodenbesitzverteilung, die Grundeigentumsverteilung eine ganz andere als i n Deutschland ist, hat m i r erstmalig überzeugend klargemacht, warum diese i n mancher Beziehung doch immerhin sehr vorbildliche und schon lange Jahre praktizierte Gesetzgebung von England nicht stärker auf deutsche Verhältnisse übertragen worden ist, und daß sie auch nicht übertragbar ist. A u f der anderen Seite waren die Ausführungen unseres französischen Referenten insoweit doch sehr eindrucksvoll, weil dort offenbar der Versuch gemacht wird, auf die soziologische Eigentumsverteilung bei den Stadterneuerungsmaßnahmen trotz aller Schärfe der Eingriffe Rücksicht zu nehmen, indem man z.B. dem Privateigentümer die Möglichkeit einräumt, selbst gewisse Sanierungsmaßnahmen zu tragen, nur i m Bedarfsfall öffentliche Träger einschaltet und nach Abschluß der Sanierungsmaßnahmen sogar die Reprivatisierung des Bodens herbeiführt. Dr. Krebs Ich möchte mich dem verehrten Kollegen Fürlinger anschließen, nur nach einer anderen Richtung, und ich bitte, m i r da ein wenig Ketzerei
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zu verzeihen. A m Anfang dieser jetzigen Aussprache haben Sie, Magnifizenz, gesagt, w i r seien hinsichtlich der Bund-Länder-Probleme i n einer sehr schwierigen Situation, die sich insbesondere für die Raumordnung und die Landesplanung oft recht hinderlich auswirke. Man müsse eben die normative Ordnung des Grundgesetzes berücksichtigen. I n diesem Zusammenhang hat mich eine Formulierung von Herrn Professor Mayer sehr beeindruckt. Er sagte, die Rechtsprechung scheine immer etwas nachzuhinken, w e i l sie als geronnene Erfahrung für die Ordnung des menschlichen Lebens gelten müsse. Ich erlaube m i r die ketzerische Frage, ob nicht selbst Verfassungsrecht geronnene Erfahrung ist. Müßte die jeweilige Generation dann nicht den M u t aufbringen, zu durchdenken, wie die Dinge etwa einer künftigen Ordnung besser angepaßt werden können. Ich glaube, i m Sinne meiner planerischen Kollegen zu sprechen, wenn ich die Herren Juristen i n diesem Hause und i n diesem Kreise ganz aufrichtig u m den lebhaften M u t zum Durchdenken dieser Dinge bitte. Ich glaube, für eine neue Ordnung i m kleineren und größeren Raum würden dazu wesentliche Beiträge geliefert werden können. Was uns mein Freund Budinis gestern über die Wanderung, über diese F l u k tuationen i n Italien gesagt hat, das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt. W i r erleben eine neue Völkerwanderung, wenn auch aus anderen Motiven als vor zweitausend Jahren. Diese Völkerwanderung aus dem südeuropäischen Raum i n die Konzentrationsgebiete ist ein Trend, der nicht aufzuhalten ist. W i r müssen i h m Rechnung tragen. W i r müssen uns i m regional-planerischen Denken auch i m engeren Bereich des mittleren Europa an völlig andere Maßstäbe gewöhnen, als w i r sie bisher gewöhnt sind. Denn das regionale Denken und die Probleme der großen Städte außerhalb dieses mittleren Europas, i n den USA, i n weiten Bereichen der Entwicklungsländer, haben ganz andere Maßstäbe. Sie werden schneller andere Ordnungen schaffen, als w i r i m engsten Bereich zu schaffen bereit zu sein scheinen. Professor Dr. Ule Ich glaube, w i r Juristen wissen ganz genau, was w i r t u n müssen, wenn w i r eine Verfassungsordnung anzuwenden haben, wenn w i r durch sie normativ gebunden sind. Aber w i r können uns auch auf einen Boden stellen, von dem aus w i r Entscheidungen, die i n dieser Verfassung getroffen sind, i n Frage stellen dürfen. Ich glaube, das Thema dieser Tagung stellt ja bereits eine solche Infragestellung dar. Ein Redner aus der Mitte der Tagungsteilnehmer Erlauben Sie m i r bitte, folgenden Hinweis zu bringen. Die Dringlichkeit der Erneuerungsmaßnahmen einerseits und die Unzulänglichkeit der Gesetzgebung, die hier doch überall wieder zutage trat, andererseits
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schaffen eine besondere Situation für die, die unmittelbar vor der Aufgabe stehen, heute und jetzt schon etwas für die Erneuerung zu tun. W i r werden am 1. Oktober aus dem Munde von Herrn Bundesminister Lücke erfahren, daß w i r i n dieser Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr m i t einem Städtebauförderungsgesetz rechnen können. Das bedeutet, daß w i r mindestens noch vier Jahre — wenn nicht noch länger — ohne ein solches Gesetz dieser drängenden Aufgabe der Stadterneuerung gegenüberstehen. Angesichts dieser Situation darf ich die Bitte und die Anregung äußern, daß w i r uns, wenn es möglich ist, i n diesem Rahmen i n absehbarer Zeit wieder zusammenfinden, um über die Frage zu sprechen, was w i r auf der Grundlage der jetzt bestehenden Gesetzgebung tun können. Denn w i r müssen etwas tun, und zwar nur mit dem Bundesbaugesetz. W i r können nicht warten, bis eine andere Gesetzgebung vorliegt. Wenn w i r die Erfahrung, die w i r heute schon besitzen und i n allernächster Zeit neu gewinnen werden, m i t dem Ziel zur Diskussion stellen, zu lernen und weiterzukommen, dann wäre es schon sehr viel. Noch ein Hinweis an dieser Stelle: Herr Dr. Schindler sprach von der citizenship, von dem common sense i n England. I n meinen Augen ist es angesichts des Zustandes, i n dem w i r uns befinden, eine zentrale Frage, wie, m i t welchen Mitteln und m i t welchen Methoden w i r unsere Bürger von der Notwendigkeit der Erneuerung überzeugen, wie w i r sie zur M i t w i r k u n g veranlassen können. Ministerialrat
Ziegler
Ich werde versuchen, mich sehr kurz zu fassen, obwohl ich noch einiges zu bemerken hätte zu den gemeinnützigen Bodengenossenschaften, die ich für nötig halte, und zu vielen Maßnahmen, die man mangels einer gesetzlichen Regelung auf freiwilligem Wege durchzubringen versuchen muß. Ich habe den Eindruck, daß man auf dem freiwilligen Weg noch sehr viel machen könnte und auch sollte, u m den Gesetzgeber zu veranlassen, die schon auf freiwillige Weise ausprobierten Wege gesetzlich zunormieren. Insbesondere w i l l ich nochmal auf die m i r sehr dringlich erscheinenden gemeinnützigen Bodengenossenschaften hinweisen, die großräumig wirken, die Land austauschen können, u m die Schwierigkeiten, von denen w i r bei dieser Tagung hörten, ein klein bißchen zu überbrücken. A n zwei Dingen ist m i r noch gelegen: Ich kann als Planer, der nun ein Leben lang sowohl als Architekt als auch als Städtebauer und Landesplaner i m In- und Ausland praktisch gearbeitet hat, nicht ganz verstehen, warum sich der A r t . 14 nicht gesetzlich auslegen läßt, damit es auch die Gerichte leichter haben. Der Art. 14 unseres Grundgesetzes lautet doch: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet." Ganz klar. „ I n halt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt." Das muß sich
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doch aber sagen lassen, was Inhalt und Schranken sind. Es muß sich auch sagen lassen, was „Eigentum verpflichtet" heißen soll. „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen." Das muß sich doch auseinanderfinden lassen. Ich b i n kein Jurist. Ich kann das nicht verstehen. Dann heißt es: „Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen." Auch das müßte sich doch endlich mal sagen lassen, so daß man nicht ewig daran herumprobieren muß. Ich sagte ja schon, das Probieren wollen w i r besorgen, unbedingt. Das ist sozusagen der erste Schritt. Aber die Juristen könnten uns doch ein bißchen entgegenkommen, d.h. nicht die Juristen, sondern die Gesetzesmacher. Und nun das zweite, was mir, Herrn Marti, zu sagen, noch wichtig erscheint. Sie haben m i t Recht gesagt, sie hätten Angst vor zerstörtem Recht. Ich auch und w i r Planer alle miteinander. Aber ich habe Angst davor, daß unser Eigentumsrecht zerstört w i r d durch das Eigentumsunrecht, das w i r dauernd dulden. Es wäre nun an der Zeit, einiges über das Eigentumsunrecht, wie es ein praktischer Planer täglich sieht, zu sagen. Ich w i l l nur eines sagen: Vom ersten Plan, vom ersten Flächennutzungs- bzw. Bebauungsplan an, den ich gemacht habe, vom ersten Strich zwischen Grün und Rot an habe ich mich gefragt, welches Recht ich eigentlich habe, dem einen ein Vermögen von 100 000 D M zu schenken und es dem anderen zu entziehen. Das ist Eigentumsunrecht, da ist etwas ganz faul i n unserer Eigentumsordnung. Ich meine hier nur das Grundeigentum. Es ist nun einmal so, daß man das Grundeigentum nicht als Ware behandeln kann. Man kann es beim besten Willen nicht. Die Meinung von Herrn Bundesminister Lücke, man könne dem Grundeigentum Warencharakter beimessen, ist unhaltbar, w e i l das Grundeigentum nicht verschiebbar und nicht vermehrbar ist. Das ist einfach ausgeschlossen. Daran kranken w i r doch. Wenn Herr Bundesminister Lücke sagt: Weist doch genügend Gebiete aus, damit eine Auswahl bleibt!, dann frage ich: Wer soll denn das bezahlen? Das kostet doch wahnsinnig viel Geld, das aufzuschließen. Zudem w i r d unser ganzes Land schließlich aus lauter Baulücken bestehen. Ich bin auf Grund langer praktischer Erfahrung davon überzeugt, daß w i r das Eigentumsunrecht unmöglich so bestehen lassen können. Es ist ganz unmöglich. Wer weiß, wieviel Blodrierungsgrundstücke einer vernünftigen Planung entgegenstehen, wer weiß, daß sich, wenn man irgendwo eine Grünzone machen w i l l , also eine Zone, die landwirtschaftlich genützt werden soll, die ganze Spekulation darauf stürzt und den Kampf doch jedesmal gewinnt, der muß sagen: So ist das einfach nicht mehr weiterzumachen. Deshalb möchte ich m i r wünschen, daß sich die Herren Praktiker und Juristen doch einmal diese Frage gründlich vornehmen: Eigentumsunrecht! Vergessen w i r nicht, daß nicht umsonst seit
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Schlußaussprche
hundert Jahren von gewissen Leuten gesagt wird, daß das Eigentum Diebstahl ist. Ich sehe nicht mehr ein, weshalb man den paar Eigentümern — es sind ja nur 30 v H überhaupt, die den ganzen Grund und Boden besitzen — diesen Sonderschutz geben soll, und weshalb man nicht versuchen soll, das, was die Bundesregierung w i l l , nämlich neues Eigentum zu schaffen, fertigzukriegen durch den Umtausch des Eigentumsunrechts i n das Eigentumsrecht. Professor Dr. Ule Herrn Ministerialrat Ziegler muß ich leider bekennen, daß ich ihm, was die Auslegung und Anwendung des Art. 14 GG anbetrifft, keinen Trost spenden kann. Ich fürchte, wenn er seine juristischen Kollegen i m Innenministerium des Landes Baden-Württemberg fragt, dann w i r d er erfahren, daß dieser Weg zu keinen Erfolgen führen kann. Meine Damen und Herren, damit stehen w i r am Schluß dieser Tagung, und ich habe die angenehme Pflicht, für den Senat der Hochschule allen, die an dieser Tagung teilgenommen haben, i n erster Linie den Herren Referenten, zu danken. Von verschiedener Seite, vor allem von Herrn Kollegen Albers und von Herrn Ltd. Regierungsdirektor Dr. Haas, ist erwogen und der Gedanke angeregt worden, die hier behandelten Fragen i n irgendeiner Form weiter zu erörtern. Das stimmt m i t Vorschlägen überein, die i n den letzten Monaten an die Hochschule gelangt sind, sich der Planungsprobleme überhaupt i n einem stärkeren Maße anzunehmen als bisher, etwa i n ihren Lehrveranstaltungen für die Referendare, die zu uns kommen, aber vielleicht auch für solche Beamte der staatlichen und kommunalen Verwaltung, die sich Planungsaufgaben zuwenden wollen. Uns ist der Gedanke vorgetragen worden, daß es dafür eigentlich keine zentrale Stelle i n der Bundesrepublik gebe, und daß die Hochschule hierfür ein geeigneter Ansatzpunkt sei. Der Senat der Hochschule hat sich m i t dieser Frage noch nicht beschäftigt. I m Augenblick kann ich also darüber, ob die Hochschule auf diesen Gedanken eingehen w i r d oder nicht, noch keine A n t w o r t geben. M i r persönlich erscheint dieser Gedanke sehr erwägenswert. Ich würde auch meinen, es wäre schade, wenn die Kontakte, die hier i n diesen drei Tagen entstanden sind, ohne weitere Wirkungen i n die Zukunft wieder verlorengingen. W i r haben den Wunsch, diese Kontakte zu pflegen, und ich könnte m i r denken, daß i n der einen oder i n der anderen Richtung i n absehbarer Zeit ähnliche Probleme i n einem ähnlich zusammengesetzten Kreise weiter erörtert werden könnten. I n diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen am Schluß der Tagung neben meinem Dank auch ein herzliches A u f Wiedersehen zurufen.
Anhang
I. Gesichtspunkte für die Vorträge der Tagung: „Städteerneuerung und Eigentumsordnung" I. Welche tatsächlichen Umstände sind bei der Städteerneuerung deutung?
von Be-
1. Industrialisierung und Bevölkerungszuwachs? 2. Konzentration der Bevölkerung in Großstädten und Ballungsräumen? 3. Vorhandensein von Altstadt- und Vorstadt-Elendsvierteln (Slums)? 4. Zunahme der gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Gewerbeund Industriebetriebe? 5. Zunahme des Verkehrs? 6. Zustand des Baubodenmarktes, insbesondere Baulandpreise. I I . Verfassungsrechtliche Eigentumsordnung als Grundlage der Darstellung, in welchem Rahmen sich die Gesetzgebungspolitik des jeweiligen Landes bewegen kann (da Verfassungsänderungen gerade in diesen Fragen wohl kaum realisierbar sind): 1. Garantie des Eigentums als institutionelle Garantie? 2. Garantie des Eigentums als individuelles Grundrecht? 3. Inhalt der Eigentumsgarantie (Besitz, Gebrauch und Nutzung, Verwaltung, Verfügung). 4. Soziale Gebundenheit des Eigentums? 5. Unterschiede nach dem Gegenstand des Eigentumsrechts (Sonderbehandlung von Grund und Boden?)? 6. Enteignung und Entschädigung. I I I . Welche Arten der Städteerneuerung sind vorgesehen? 1. Altstadtsanierung (etwa durch Stadtkernauflockerung und sinnvolle Zuordnimg der Gebiete für Wohnen, Arbeiten und Erholung innerhalb der Städte und Gemeinden)? 2. Hygienische Sanierung (z. B. Schaffung von Grün- und Erholungsflächen)? 3. Verkehrssanierung (Lösung der innerörtlichen Verkehrsprobleme)? 4. Neuerschließung von Wohngebieten und Schaffung neuer Städte? I V . Welche Bedeutung kommt der Raumordnung als Vorentscheidung, die der unmittelbaren Entwicklung auf das Eigentum vorausgeht, zu? 1. Gesetzgebung — Intensität der Regelung — — Gesetzgebungszuständigkeit — 2. Gesetzesvollzug — Fragen der Dekonzentration und Dezentralisation, Zusammenarbeit
17*
Anhang
260
von Gesamtstaat und Gliedstaaten im Bundesstaat und von diesen untereinander — (Bedeutung für die Einheitlichkeit des Einflusses auf die Eigentumsordnung). V. Welche Maßnahmen der örtlichen Planung sind vorgesehen oder werden diskutiert? Eventuell verfassungsrechtliche Zulässigkeit? 1. Vorbereitender Plan (Flächennutzungsplan) — verbindlicher Plan (Bebauungsplan)? — Inhalt: Art und Maß der baulichen Nutzung (Ausweisung der Sanierungsgebiete und Ausweisung neuer Baugebiete i m Flächennutzungsplan (Generalplan), planerische Gestaltung der Einzelheiten im Bebauungsplan?) — 2. Vor Aufstellung eines Planes: Auskunftspflicht der Grundstückseigentümer sowie der Inhaber von Wohn- und Geschäftsräumen in möglichen Sanierungsgebieten? 3. Planfeststellung — Wirkung (Veränderungssperre, Entschädigung?) — — Planänderungen (Entschädigung?) — 4. Zuständigkeit: a) Städte und Gemeinden? b) Sogenannte Stadtregionen oder sonstige übergemeindliche Zusammenschlüsse (neue Verwaltungseinheiten)? c) Private Grundeigentümer? d) (Freiwillige oder zwangsweise) Zusammenschlüsse der öffentlichen Hand und der privaten Grundeigentümer? 5. Welche Behörden führen die Aufsicht über die Planung? V I . Welche Maßnahmen dienen der örtlichen Durchführung? A. Gesetzliche Regelimgen, die der Sanierung oder der Neuanlage von Städten förderlich sind, jeweils mit den Unterfragen, ob sie vorhanden oder vorgeschlagen sind, auch ob sie verfassungsrechtlich zulässig sind oder nicht: 1. Genehmigungspflicht für den Bodenverkehr, 2. Genehmigungspflicht für Miet- und Pachtverträge, 3. Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand, 4. Bodenneuordnung durch Umlegung, 5. Bodenneuordnung durch Zusammenlegung (z. B. Schaffung von Eigentümergemeinschaften mit Beteiligung der öffentlichen Hand für Flächen, auf denen Wohnblocks, größere Geschäftshäuser, Gewerbe- und Industriebetriebe errichtet werden sollen), 6. Enteignung — Voraussetzungen — — Entschädigung, insbes. Bewertung (Maßstäbe, Zeitpunkt, Schätzstellen) —, 7. Umsetzung der Wohnungs- und Geschäftsrauminhaber im Sanierungsgebiet (besonderes Kündigungsrecht bei Miet- und Pachtverträgen; Möglichkeit der zwangsweisen Umsetzung), 8. Baupflicht,
I. Gesichtspunkte für die Vorträge der Tagung
261
9. Preisstopp, 10. Wertzuwachs- oder Grundstücksgewinnsteuer, 11. Planungswertausgleich (getrennt von der Frage des Wertausgleichs bei der Umlegung), 12. Maßnahmen auf dem Gebiet der Grundsteuer, insbesondere erhöhte Grundsteuer für unbebaute baureife Grundstücke, 13. Vorverlegung der Fälligkeit des Erschließungsbeitrags, 14. Kaufpreissammlungen durch Gutachterausschüsse. B. Gesetzesvollzug 1. Zuständigkeit und Aufsicht, 2. praktische Handhabung der vorhandenen gesetzlichen Regelungen.
I I . Schrifttum 1. Z u m R e f e r a t v o n M i n i s t e r i a l d i r i g e n t berg, Bad Godesberg
Dr.
Halsten-
Asmuß, Gustav: Anfänge eines Sanierungsrechts i m Bundesbaugesetz. Gemeindetag 16 (1963) Nr. 3, S. 64—68. Frh. v. Babo, Fritz: Die Erneuerung des Dorfes. Bundesbaublatt 11 (1962) Nr. 9, S. 433—437. — Dorferneuerung. Innere Kolonisation 12 (1963) Nr. 4, S. 79—83. — Bauliche Maßnahmen in Altgehöften. Innere Kolonisation 12 (1963) Nr. 7, S. 146—149. Bahrdt, Hans Paul: Die Gemeinde in der Industriegesellschaft. Köln: Sigillum-Verlag 1962. 47 S., kart. Baumann, Heinz: Stadt- und Dorferneuerung in wirtschaftlicher Sicht. Allg. Bauzeitung 33 (1963) Nr. 40, S. 6—7. — Sanierung — Vorstufe der Stadt- und Dorferneuerung. Kommunalpolitische Blätter 15 (1963) Nr. 14, S. 657—660. — Grundlagen der Sanierung. Finanzierung, Rechtsfragen, Privateigentum und Städtebauförderungsgesetz. Freie Wohnungswirtschaft 17 (1963) Nr. 4, S. 122,124—125; Nr. 5, S. 163—166. Bewerunge, Karl: Strukturprogramm für den ländlichen Raum. Innere Kolonisation 12 (1963) Nr. 7, S. 150—151. Bonczek, Willi: Probleme der Stadtsanierung. Diskussionsthemen von internationalem Interesse. Ztschr. f. Vermessungswesen 87 (1962) Nr. 3, S. 95— 105. 2 Übers. — Halstenberg, Friedrich: Bau-Boden. Bauleitplanung und Bodenpolitik. Systematische Darstellung des Bundesbaugesetzes Hamburg: Hamonia-Verlag 1963. Brandt, Jürgen: Probleme der Stadt- und Dorferneuerung, 1963 Nr. 5, S. 11—13.
neue heimat
— Ist unsere Stadterneuerung auf einem falschen Weg? Bundesbaublatt 12 (1963) Nr. 1, S. 17—19. Buekschmitt, Justus: Köln. Stadterneuerung auf historischem Boden, neue heimat 1963 Nr. 6, S. 1—6,7—10,12,13,15.16 Abb., 1 Übers. — Sind unsere Städte wirklich krank? Das Problem der städtebaulichen Erneuerung und Sanierung. Neue Heimat 1962, Nr. 9, S. 8 u. 10. Crotegino, Martin: Stadtsanierung in den USA. Ein Beitrag zur Frage der Stadterneuerung. Allg. Immobilien-Ztg. 10 (1961) Nr. 11, S. 191—192. Delvos, Hubert: Die Stadtsanierung in den Niederlanden. Städtetag 15 (1962) Nr. 12, S. 655—659.
II. Schrifttum
263
Dittus/Pohl: Die Sanierungsvorschriften des Bundesbaugesetzes. Köln: Deutsches Volksheimstättenwerk 1961. 33 S., D M 5,80. 2. Aufl. 1962. 36 S., D M 4.20. Das Dorf von morgen. Mühlheim/Main: Verlag Moderne Gemeinde 1962. 100 S., zahlr. Bilder u. Skizzen. = Moderne Gemeinde. Schriftenreihe zur kommunalen Verwaltung, Wirtschaft u. Planung. Hrsg. v. Rat der Gemeinden Europas, Deutsche Sektion (RGE) Heft 1. brosch. D M 4,80. Was kostet das moderne Dorf? M i t Beiträgen von F. Riemann, J. Kraft, H.-G. Wormit, G. Isenberg. Hannover: Verlag M. & H. Schaper 1961. 83 S., D M 6,50 (Schriftenreihe für ländliche Sozialfragen. Nr. 35.) Düttmann, Bernhard: Modernisierung des Wohnungsbestandes. Möglichkeiten, technische u. wirtsch. Grenzen. Bonn: Bundesvereinigung Dt. Heimstätten 1962. 28. S. Ernst, Werner: Die Dorferneuerung als gesellschaftspolitische Aufgabe. Freie Wohnungswirtschaft 17 (1963) Nr. 10, S. 401—404. — Dorferneuerung als gesellschaftspolitische Aufgabe, Bundesbaublatt (1963) Heft 7 S. 321. Erneuerung unserer Städte. Vorträge, Aussprachen und Ergebnisse der 11. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Augsburg v. 1.—3. 6. 60. Stuttgart/Köln: Kohlhammer 1960, 223 S., kart. D M 6,—. (Neue Schriften d. Dt. Städtetages Nr. 6). Exkurs zur Dorfsanierung. Bearb. von H. Biel, G. Koch u. a. Wiesbaden: A V A — Arbeitsgemeinschaft zur Verbesserung der Agrarstruktur in Hessen e. V. 1962. 27 S., 2 Risse, Tab. Maschinenschrift vervielfältigt, brosch. = AVA-Materialsammlung Nr. 6. Förderung des Dorfes als gesellschaftliche Aufgabe. Gemeinde 14 (1962) Nr. 2, S. 21—23. Landkreis 32 (1962) Nr. 3, S. 91—94. Gleiche Lebenschancen in Stadt und Land. Demokratische Gemeinde 14 (1962) Nr. 12, S. 1060—1061. Göb, Rüdiger: Die finanzwirtschaftlichen Voraussetzungen der Dorferneuerung. Gemeinde 14 (1962) Nr. 12, S. 232—236. Göderitz, Johannes: Stadterneuerung. Organisatorische, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen für die Sanierung ungesunder Wohngebiete. Forschungsarbeit im Auftr. d. BMWo. Wiesbaden: Bauverlag 1962, 128 S., 30 Bilder, 76 Qu. D M 18,—. — Rainer, Roland; Hoff mann, Hubert: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt. Tübingen: Wasmuth 1957. 101 S., 50 Abb. (Archiv f. Städtebau und Landesplanung Bd. 4). Hartenstein, Wolfgang; Liepelt, Klaus; Lutz, Burkart: Beobachtungen zur Stadtentwicklung. Sozialwissenschaftliche Beiträge zur Stadt- und Regionalplanung. Bad Godesberg: Institut für angewandte Sozialwissenschaft 1962. (Vertrieb: Europäische Verlagsanstalt Frankfurt/M.) Henning, Max: Das Dorf im Spannungsfeld industrieller Entwicklung. Demokratische Gemeinde 14 (1962) Nr. 10, S. 824—825. Herber, Gerhard: Der künftige Städtebau; Finanzierung und Träger. Blätter f. Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht 12 (1963) Nr. 15, S. 225—230.
264
Anhang
Hilbert: Unser Dorf soll schöner werden — unser Dorf in Grün und Blumen. Ergebnisse, Beobachtungen, Hinweise des Wettbewerbes 1961. Württ. Gemeinde Zeitung 85 (1962) Nr. 5, S. 73—75. Hillebrecht, Rudolf: Die Stadt der Zukunft. Was wird aus dem Wohnungsbau? Beiheft zu Volkswirt 17 (1963) Nr. 13, S. 17—19. Hüttebräuker, Rudolf: Die Agrarstruktur — ein politisches, soziologisches oder ökonomisches Problem? Innere Kolonisation 12 (1963) Nr. 2, S. 26—30. Jahke, Robert: Zur Problematik der Altstadtsanierungen. Baumeister 60 (1963) Nr. 10, S. 1126. Katalog für die im Rahmen der Dorfsanierung zu koordinierenden Maßnahmen. (Aufgaben einer ländlichen Struktur- und Sozialpolitik) Innere Kolonisation 11 (1962) Nr. 8, S. 173—174. Klempert, Bernhard: Beziehungen zwischen Flurbereinigung und Dorferneuerung. Zeitschrift für Vermessungswesen 87 (1962) Nr. 12, S. 487 bis 507. 4 Tab., 4 PL, Lit.-Ang. Kötter, H.: Landgemeinde, Kommunal Verwaltung und Dorfgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland. In: Bericht über Landwirtschaft, Bd. 40 (1962) Nr. 3, S. 513—522. Krebs, Gerhard: Altstadterneuerung. Bl. f. Grundst., Bau- u. Wohnungsrecht 11 (1962) Nr. 8, S. 122—123. Langer, H.: Stadterneuerung und Sanierung. Mitt. d. Dt. Verbandes 1962 Nr. 1, S. 5—20. — Die Grundlagen der Sanierung. Bundesbaublatt 11 (1962) Nr. 5, S. 217—221. Laux, Eberhard: Sanierungsgesellschaften. Ein Beitrag z. Durchf. von Stadtsanierungen. Bauamt u. Gemeindebau 35 (1962) Nr. 12, S. 443,459—460. Liese, Walter; Schöning, Georg: Zur Hygiene in Raumordnung und Städtebau. Bundesbaublatt 12 (1963) Nr. 6, S. 270—273. Lücke, Paul: Städtebau, Dorferneuerung, Raumordnung. Bulletin der Bundesregierung (1961) Nr. 224, S. 2102—2103. Morgen, Herbert: Die ländliche Gemeinde und das Dorf. Raumforschung und Raumordnung 20 (1962) Nr. 1, S. 23—28.22 Qu. Neuordnung von Dorf und Flur in Baden-Württemberg. Hrsg. v. Sekretariat der Agrarsozialen Gesellschaft im Auftrage des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Weinbau und Forsten des Landes Baden-Württemberg. Göttingen/Stuttgart: Agrarsoziale Gesellschaft 1963. Zahlr. Bilder, Tab., Kt. u. Darst. = Materialsammlung der ASG Nr. 26. Kart. — D M 11.—. Nonhoff, Friedrich: Siedlung und Agrarstrukturverbesserung — Gegensatz oder Ergänzung? Innere Kolonisation 12 (1963) Nr. 9, S. 194—197. Probleme der Stadtsanierung und Stadterneuerung Braunsfeld: Rudolf Müller 1962. 59 S. Reinhardt-Scheunen
in
England.
Köln-
Verfassungsschutz des Eigentums, D Ö V 1954, S. 639.
Riemann, Fritz: Die Dorferneuerung alfi Gemeinschaftsaufgabe für die ländliche Struktur- und Sozialpolitik. Aus dem Bundes- und Landtag. Gemeindetag 15 (1962) Nr. 9, S. 219—222. — Probleme der Dorfsanierung. Innere Kolonisation 11 (1962) Nr. 8, S. 170—173. — Das Dorf muß attraktiver werden. Ein zentrales Problem der Landesplanung. Volkswirt 17 (1963) Nr. 18, S. 829—831.
265
II. Schrifttum
Röhm, Helmut: Agrarplanung und landwirtschaftliche Strukturverbesserung i m Räume von Großstädten. Plan (Schweiz) 20 (1963) Nr. 1, S. 1—7. — Zur Problematik der Dorfsanierung. Württ. Gemeinde-Zeitung 86 (1963) Nr. 9, S. 137—140. Sandgänger, Ferdinand: Modernisierung, Stadterneuerung und Privateigentum. Bundesbaublatt 11 (1962) Nr. 7, S. 333—337. Sanierung und Raumbedeutung der kreisangehörigen Stadt. Bericht über die 19. Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen Städtebundes am 4. u. 5.4. 63 in Korbach/Hessen. Düsseldorf: Deutscher Städtebund 1963. Schuler, Manfred: Städtesanierung und Dorferneuerung und ihre finanziellen Voraussetzungen, öffentl. Verwaltung 15 (1962) Nr. 24, S. 942—943. Schwedler, Rolf: Baupolitische Fragen und die Vorbereitung der Sanierung. Berlin: Deutsche Bau- und Bodenbank A G 1962, 9 S. Stadtsanierung und neue Städte in England. I m Auftr. d. Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk verfaßt von Heinz Weyl. Essen: Rieh. Bacht Vlg. 1961.73 S., 44 Abb., 3 Tab., 1 Übers. D M 12,50. Stephan: Was ist in unseren Landgemeinden zu tun? Kommunalpolitische Blätter 14 (1962) Nr. 9, S. 382—384. TJle, C. H.: Preisstopp für Bauland im Bereich von Entlastungsstädten. Verwaltungsarchiv 54 (1963) Nr. 4, S. 345—368. Wandersieb, Hermann: Althaus- oder Stadt-Erneuerung? Blätter f. Grundst.-, Bau- u. Wohnungsrecht 11 (1962) Nr. 16, S. 248—252,1 Übers., 1 Darst. Weber, Werner: Eigentum und Enteignung. In: Die Grundrechte, Bd. I I , 1954, S. 331 ff. — Berkenhoff, H. A.: Die Gemeinden im nachbarlichen und bundesstaatlichen Spannungsfeld. Göttingen: Otto Schwartz & Co., 1962, 46 S., kart. D M 3,80. Wiesenberger: Stadtsanierung in Düsseldorf. Städtetag 15 (1962) Nr. 4, S. 207 bis 208, 1 Bild. Winter, Claus: Stadterneuerung im Dienste menschlicher Gesundheit. Gemeinnütziges Wohnungswesen 16 (1963) Nr. 2, S. 43—46. Nach dem Wohnungsbau kommt die Stadtsanierung. Dortmund gibt mit seinem Institut für Stadterneuerung ein Beispiel. Demokratische Gemeinde 14 (1962) Nr. 8, S. 662—663. Ziegler: Die bauliche Sanierung der Gemeinden. Die großen Veränderungen erheischen Umdenken und gemeinsame Planungen. Württ. Gemeinde-Ztg. 83 (1960) Nr. 3, S. 37—40. 2. Z u m R e f e r a t v o n H o f r a t
Dr. K r z i z e k ,
Wien
Zur Geschichte: Hellbling, österreichische Springer-Verlag, Wien 1956.
Verfassungs-
und
Verwaltungsgeschichte,
Zur österreichischen Verfassung: Adamovich-Spanner, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes, Springer-Verlag, Wien 1957. Werner-Klecatski,
Bundesverfassungsrecht, Verlag Manz, Wien 1961.
266
Anhang
Zum österreichischen Verwaltungsrecht: Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes, 2 Bände, Springer-Verlag 1953/1954. Antonioiii, Allgemeines Verwaltungsrecht, Verlag Manz, Wien 1954. Zu besonderen Gebieten der Verwaltung: Krzizek, Baurechtliche Vorschriften des Wohnungsbaues in Österreich, Schriftenreihe der Forschungsgesellschaft für den Wohnungsbau, Heft 14/2, Wien 1959. Krzizek, Verfassungsrechtliche Grundlagen eines Haumordnungsgesetzes und eines Bodenbeschaffungsgesetzes, Zeitschrift „Der Aufbau", Wien 1952. Layer, Prinzipien des Enteignungsrechtes, Verlag Duncker & Humblot, Leipzig 1902. Liepold, Das gegenwärtige Problem der Wohnungen in den Innenstädten, Schriftenreihe der Forschungsgesellschaft für den Wohnungsbau, 1963, ZI. A — 623. Plöchl, Handbuch des österreichischen Baurechtes, Seykam-Verlag, Graz und Wien 1949. Rainer, Planungskonzept Wien, Verlag für Jugend und Volk, 1963. 3. Z u m R e f e r a t v o n P r o f e s s o r D r . W a s t i e l s ,
Brüssel
Pro jet de loi du 8 avril 1959. Document du Sénat de Belgique. Session 1958 bis 1959, n ° 124. Rapport des commissions réunies du Sénat. Document 1959—1960, n° 275. Pasinomie avril 1962 (Texte du projet de loi, des rapports et des discussions au Sénat et à la Chambre des Représentants). Pages 7 à 476. Hoeffler, J.: L'aménagement du territoire et le droit de propriété. „Journal des tribunaux", (Bruxelles) 29 mars 1959. Prof. Dr. Bure, V.: Urbanisme. In: „Les Novelles, lois politiques et administratives", tome I V , 1955. (Edit. Larcier, Bruxelles). Prof. Dr. Vauthier, M.: „Indisponibilité des biens et servitudes en matière d'urbanisme". In: „Revue de l'administration", (Bruxelles) 1958, pages 5 et suivantes. Prof. Dr. Dembour, J.: „Du problème des indemnités en matière de servitudes légales d'utilité publique." In: „Revue de l'Administration", (Bruxelles) 1958, pages 53 et suivantes. Recueil des arrêts et avis du Conseil d'Etat. (Recueil annuel paraissant depuis 1948). Editeur = Uga à Courtrai. Ronart, Stephan: A synopsis of the planning législation in seven countries (Belgium, France, Germany, Great-Britain, Netherlands, Switzerland, United States). Edit. International fédération for housing and planning. The Hague 1958. Problèmes fonciers urbains et politiques d'urbanisme. In: Bulletin n ° 7 „Habitation, urbanisme et aménagement des campagnes". Nations Unies, New York, 1953. (n° ST/SOA/SER. C/7). Messin, G.: Politique du sol et spéculation foncière. In: „Revue des services publics" 1957 — n ° 3.
II. Schrifttum
267
Messin , G.: Urbanisme et politique foncière. In: „Le mouvement communal" — janvier-février 1954. Avis du conseil central de Péconomie, „L'abaissement des prix de la construction", 21 novembre 1960. In: Revue du conseil central de l'économie. Belva et Coenraets: Expropriation pour cause d'utilité publique. In: „Les Novelles", lois politiques et administratives, tome I V , Bruxelles, 1955. Hilbert: Traité juridique et pratique de l'expropriation pour cause d'utilité publique. Bruxelles 1956. Wastiels, F.: Manuel administratif de l'urbanisme et de l'aménagement du territoire. Courtrai (Uga) 1963. 4. Z u m R e f e r a t v o n D r . W. S c h i n d l e r ,
London*
1. Die verschiedenen Housing Acts (Wohnungsbaugesetze) und Town Planning Acts (Stadtplanungsgesetze) von 1932 bis 1962. 2. „Housing " — Weißbuch des britischen Wohnungsbauministers vom M a i 1963. 3. Jahresbericht 1962 des Wohnungsbauministeriums (Report of the Ministry of Housing and Local Government). 3. Jahresbericht 1961/62 der Neustadt-Körperschaften (Report of the Development Corporations — New Towns Act 1947). 4. Encyclopedia of Compulsory Purchase and Compensation (Enziklopädie der Enteignung und Entschädigung), zusammengestellt von R. D. Stewart Brown. 5. Encyclopedia of Planning (Enziklopädie der Stadt- und Landplanung), zwei Bände, zusammengestellt von Desmond Heap. 6. A n Outline of Planning L a w (Kommentar zur Planungs-Gesetzgebung). Desmond Heap, 1961. 7. Principles and Practice of Town and Country Planning (Grundsätze und Handhabung der Stadt- und Landplanung), Lewis Keeble, 1959. 8. Town Planning at the Crossroads (Stadtplanung am Scheideweg), Lewis Keeble, 1961. 9. Land-Use Planning — A case book on the use, misuse and re-use of urban land (Planung der Bodenbenutzung — ein Textbuch über Gebrauch, Mißbrauch und Erneuerung städtischen Bodens), Charles M. Haar, 1960. 10. Postwar Housing in the United Kingdom (Wohnungsbau in Großbritannien nach dem Krieg), zusammengestellt vom Ministry of Housing and Local Government, 1959. 11. Journal of the Town Planning Institute (Organ des Stadtplanungs-Instituts), besonders Sept./Okt. 1962. 12. A Plan to combat congestion in Central London (Ein Plan zur Bekämpfung der Übervölkerung und Ballung in Zentral-London), ausgearbeitet für den Groß-Londoner Grafschaftsrat (London County Council). * Der Referent möchte auch seinen Dank ausdrücken für die freundliche Mitarbeit des britischen Wohnungsbauministeriums und des Housing Centre Trust, London.
268
Anhang
13. London: Employment, Housing, Land (Beschäftigung, Wohnungsbau und Bodenverhältnisse in London), ein Bericht des Ministry of Housing and Local Government. 14. Ausrottung der Slums in Großbritannien, Artikel von W. L. Hudson. In: Wirtschaftsdienst, Hamburg 1959. 15. Probleme der Stadtsanierung und Stadterneuerung; Vorträge von John A. Oliver und W. L. Hudson auf der Tagung der Deutschen Bau- und Bodenbank, Januar 1962. 16. Slum-Bereinigung in England, L. Williams (W. Schindler) — In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, 1957. 17. Stadtsanierung und neue Städte in England, H. Weyl, hrsg. vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, 1962. 18. Studien zu Wohnungswirtschaft und Städtebau, hrsg. von Prof. Dr. HansJürgen Seraphim, 1963; insbesondere Studie über Finanzierung der städtebaulichen Sanierung in England, von Prof. Seraphim und Dr. J. Heuer.
Rednerverzeichnis Albers 144, 238
Oswald 217
Baumert 117, 144, 218
Reichow 59
Beunke, F. J. 223, 236
Rouge, M.-F. 195, 218,246
Bockelmann 52,165
Scharnberg 58, 188
Budinis, M. 125,145 Carlsson 191 Duppr6, Fritz 11 Fürlinger 190, 235, 251 Haas 242 Halstenberg, F. 17,61 Johannsen 216 Krebs 85, 217, 252 Krzizek, F. 63,86,121
Schindler, W. 169,193, 216, 249,253 Schmidt 140 Schroeder 192 Schüler 252 Stich 85,166, 217 Stüdeli, R. 93,119,188 Ule, C. H. 5,119,140,149, 233, 237, 241, 256
Marti 143, 218, 247
Wastiels 151, 167
Mayer, F. 186
Wendt 55, 141
Meyer 117, 235, 244
Ziegler 165, 234, 254