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German Pages 491 Year 1976
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 57
Regierungspolitik und Koordination Vorträge und Diskussionsbeiträge der Internationalen Arbeitstagung 1974 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von
Heinrich Siedentopf
Duncker & Humblot · Berlin
Regierungspolitik u n d Koordination
S c h r i f t e n r e i h e der H o c h s c h u l e Speyer Band 57
Regierungspolitik und Koordination Vorträge und Diskussionsbeiträge der Internationalen Arbeitstagung 1974 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
herausgegeben von
Heinrich Siedentopf
D Ü N C K E R
&
H Ü M B L O T / B E R L I N
Gedruckt m i t Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk
Alle Hechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03583 6
Inhalt
Einleitung
9
Begrüßung
13
Ansprache des Rektors Professor Dr. Frido Wagener
13
Eröffnung durch den Chef der Staatskanzlei des Landes RheinlandPfalz, Staatssekretär Willibald Hilf
17
Grußwort der EGPA. Ansprache von Professor Arne F. Leemans
25
Regierungspolitik und Koordination. von Eugen Pusié
Einführung in das Gesamtthema
Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat in der Regierungskoordination und in der Prioritätensetzung
27
59
Einleitende Bemerkungen von Roman Schnur
59
Länderbericht: Frankreich von Francis de Baecque
64
Länderbericht: Finnland von Kauko Sipponen
89
Länderbericht: Polen von Jerzy Starosciak
107
Diskussionsbeitrag von Günther Doeker
123
Diskussionsbeitrag von Georges Langrod
139
Diskussionsbeitrag von Peter Oberndorfer
148
Diskussionsbeitrag von F. F. Ridley
157
Diskussionsbeitrag von William Plowden
182
Diskussionsbeitrag von Heribert
185
Schatz
Diskussionsbeitrag von Tjeenk Willink
190
Thema I I : Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Planung im Bereich der Politikentscheidung und Prioritätensetzung 197 Einleitende Bemerkungen von André Molitor
197
Länderbericht: Großbritannien von Richard A. Chapman
209
Länderbericht: Bundesrepublik Deutschland von Klaus König
227
6
Inhalt Länderbericht: Tschechoslowakei von Karel Svoboda
259
Diskussionsbeitrag von Inge Perko-Separovic
274
Diskussionsbeitrag von Karol Sobczak
283
Thema I I I : Der Haushalt als Instrument tätensetzung
der Koordination
und Priori-
291
Einleitende Bemerkungen von Guy Braibant
291
Länderbericht: Schweden von Nils Andrén
295
Länderbericht: Italien von Sabino Cassese
321
f
Länderbericht: Irland von Tomas O Cofaigh
355
Diskussionsbeitrag von Carl Bohret
376
Diskussionsbeitrag von Adolf Theiß
383
Diskussionsbeitrag von Albrecht Zunker
387
Thema I V : Die Rolle und die Effektivität der interministeriellen schüsse für Koordination und Regierungspolitik
Aus397
Einleitende Bemerkungen von Arne F. Leemans
397
Länderbericht: Frankreich von André G. Delion
411
Länderbericht: Bundesrepublik Deutschland von Manfred Lepper . . . 433 Länderbericht: Spanien von José Luis Meilan Gil
451
Diskussionsbeitrag von Nevil Johnson
470
Diskussionsbeitrag von P. W. Kottman
475
Schlußwort
487
Referenten und Diskussionsteilnehmer
Prof. Nils Andren, Schweden
Research
Institute of National Defence,
Stockholm,
Francis de Baecque, Conseiller d'Etat, Paris, Frankreich Prof. Dr. Carl Bohret, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Bundesrepublik Deutschland Guy Braibant, Maître des requêtes, Conseil d'Etat, Paris Frankreich Prof. Sabino Cassese, Präsident der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Ancona, Italien Prof. Richard A. Chapman, Universität Durham, Großbritannien Tomas O'Cofaigh, Deputy Assistant Secretary, Finanzministerium, Dublin, Irland André Delion, Conseiller à la Cour des comptes, Paris, Frankreich Prof. Dr. Günther Doeker, Freie Universität Berlin, Bundesrepublik Deutschland Prof. Nevil Johnson, Nuffield College, Oxford, Großbritannien Prof. Dr. Dr. Klaus König, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Bundesrepublik Deutschland P. W. Kottman, Universität Amsterdam, Niederlande Prof. Dr. Georges Langrod, Directeur de Recherche, Centre National de la Recherche Scientifique, Paris, Frankreich Prof. Arne F. Leemans, Institut of Administration, Gemeentelijke Universiteit, Amsterdam, Niederlande Dr. Manfred Lepper, Ministerialrat im Bundesministerium des Innern, Bonn, Bundesrepublik Deutschland Prof. José Luis Meilan-Gil,
Universität Madrid, Spanien
Prof. André Molitor, Katholische Universität Löwen, Belgien Prof. Dr. Peter Oberndorfer, Sozial-, Wirtschafts- und Rechts wissenschaftliche Fakultät der Universität Linz, Österreich Prof. Dr. Inge Perko-Separovié,
Universität Zagreb, Jugoslawien
William Plowden, Central Poilcy Review Staff, Cabinet Office, Großbritannien
London,
Prof. Eugen Pusié, Pravni Fakultet, Universität Zagreb, Jugoslawien Prof. F. F. Ridley, Department of Politic, Universität Liverpool, Großbritannien
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Referenten und Diskussionsteilnehmer
Prof. Dr. Heribert
Schatz, Universität Bochum, Bundesrepublik Deutschland
Prof. Dr. Heinrich Siedentopf, Hochschule für Speyer, Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungswissenschaften
Prof. Kauko Sipponen, Director oft the President's Office, Institute of Public Administration, Universität Tampere, Finnland Prof. Dr. Karol Sobczak, Institut für Verwaltung und Leitungswissenschaft an der Schlesischen Universität Katowice, Polen Prof. Jerzy Starosciak, Institut für Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften Warschau, Polen Prof. Dr. Karel Svoboda, Institut für Staat und Recht der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften Prag, Tschechoslowakei Adolf Theis, Ministerialrat a. D., Präsident der Universität Tübingen, Bundesrepublik Deutschland Tjeenk Willink, Scheveningen, Niederlande Dr. Albrecht Zunker, Seminar für Wissenschaftliche Politik an der Universität Freiburg, Bundesrepublik Deutschland
Einleitung des wissenschaftlichen Leiters der Tagung Professor Dr. Heinrich Siedentopf Dieser Tagungsband enthält den letzten wissenschaftlichen Beitrag von unserem Kollegen Jerzy Starosiak, Universität Warschau, vor seinem Tode i m Oktober 1974. Seine Verdienste um den internationalen Vergleich i m Bereich des öffentlichen Hechtes und der Verwaltungswissenschaft, sein Bemühen u m eine Reflexion über die Erkenntnisinteressen, den Stand und die Methoden der vergleichenden Verwaltungswissenschaft und der stetige Praxisbezug seiner wissenschaftlichen Arbeiten werden auch i n diesem letzten Beitrag deutlich. Starosiak hat sich insbesondere u m die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus den west- und den osteuropäischen Ländern verdient gemacht. Das Thema „Regierungspolitik und Koordination" entsprach i n besonderer Weise seinen Interessen als Wissenschaftler und seinen Erfahrungen als Parlamentsabgeordneter und Mitglied des Legislativen Rates beim Präsidenten des Ministerrates. Fragen der Entwicklung, Gestaltung und Durchsetzung von Regierungspolitik sowie der Einrichtungen und Verfahren der Koordination sind nur i n einem Gespräch zwischen Wissenschaftlern und Praktikern des Regierungsbereichs realitätsnah und ergiebig zu behandeln. Entsprechend waren die Referenten der Internationalen Herbsttagung 1974 der Hochschule für VerwaltungsWissenschaften Speyer aus verschiedenen europäischen Ländern ausgewählt worden. Entsprechend war das breite Thema dieser Tagung unter institutionellen Gesichtspunkten und nach einer differenzierten Problem- und Fragenliste zu jedem Teilthema gegliedert worden. Trotz des institutionell auf bestimmte Bereiche und Einrichtungen der Regierungsorganisation bezogenen Ausgangspunktes zu jedem Teilthema sind die Referate darauf angelegt, die ökonomischen und sozialen Randbedingungen des jeweiligen politischen Systems i n ihren Auswirkungen auf die Koordinationsprobleme einzubeziehen. Dasselbe gilt für die Diskussionsbeiträge.
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Einleitung
Das Thema „Regierungspolitik und Koordination" geht von dem Faktum einer zunehmenden Interdependenz staatlicher Handlungsbereiche und der Notwendigkeit einer Abstimmung zwischen ihnen bei dem Vollzug einer kohärenten Regierungspolitik aus. Die Notwendigkeit einer Koordination w i r d i n Zeiten wirtschaftlicher Rezession und finanzieller Restriktionen besonders aktuell, selbst wenn staatliche Sparmaßnahmen ein zweifelhafter Zwang zur Koordination i m Regierungsbereich sind. Die Koordination w i r d darüber hinaus m i t einer breiteren Zielsetzung als Maßnahme zur Steigerung der Rationalität und Wirksamkeit von Regierungshandeln verstanden. Die Herbsttagung traf mit ihrem Thema i n eine zeitliche Situation — zumindest i n der Bundesrepublik — i n der eine generelle Ernüchterung gegenüber globalen ressortübergreifenden, integrierten Organisations- und Planungsinstrumenten i m Regierungsbereich eingetreten war. Die instrumentalistische Rationalität solcher oft am Reißbrett entworfenen Konzepte hat sich häufig gegenüber der Rationalität der sozio-ökonomischen und politischen Umwelt nicht durchsetzen können. Trotz dieser Erfahrungen ist die Forderung nach der Steuerung einer aktiven Regierungspolitik i n ihren verschiedenen Phasen geblieben : Von der Entwicklung von Regierungspolitik (Zielsetzung, Prioritätensetzung, Programmentwicklung) bis zur Durchführung dieser Regierungspolitik (Programmausführung, Koordination der ressortbezogenen Durchführungsteile, Entscheidungen über materielle und personelle Ressourcen). Die Methoden und Verfahren der Koordination von Regierungspolitik sind auch außerhalb der Versuche einer integrierten Aufgaben- und Finanzplanung sehr verschieden. Die Gliederung des Themas nimmt nur einige Aspekte auf, die allerdings i n der modernen Regierungspraxis besonders aktuell sind. Der Machteinflußzuwachs des Regierungschefs, der Ausbau seiner Position durch Planungs-, Koordinations- und Kontrolleinrichtungen und durch Befugnisse i n Querschnittsaufgaben ist i n allen Ländern feststellbar. Dies führt notwendig zur Überprüfung der ressorteigenen Einrichtungen, insbesondere angesichts des Gestaltungswillens der politischen Ressortführung. Die Brauchbarkeit des Haushalts und interministerieller Abstimmungsverfahren zur Prioritätensetzung und Koordination w i r d immer wieder i n Frage gestellt. Ressortzuschnitt und Schaffung von selbstkoordinierenden „Giant-Departments" sind Versuche, auf anderen Wegen ein effektives Koordinierungspotential zu entwickeln und der Interdependenz der Problemund Handlungsbereiche moderner Regierungspolitik gerecht zu werden.
Einleitung
Die vergleichende Verwaltungswissenschaft findet hier ein reiches Arbeitsfeld, das nicht nur unter der Zielsetzung einer noch ausgefeilteren „Strukturtechnik", sondern vor allem unter Berücksichtigung der vielfältigen potentiell konflikthaften Rationalitätskriterien des Regierungsbereichs untersucht werden sollten.
Begrüßung Ansprache des Rektors Professor Dr. Frido Wagener Als Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer habe ich die angenehme Aufgabe, Sie sehr herzlich zu unserer wissenschaftlichen Arbeitstagung über das Thema „Regierungspolitik und Koordination" zu begrüßen. Ich sehe viele vertraute Gesichter vor m i r und das bringt mich i n Versuchung, einzelne unserer Gäste persönlich zu begrüßen. Ich gerate bei diesem Unterfangen aber sofort i n einen Zielkonflikt zwischen Höflichkeit und Gerechtigkeit, denn ich habe auf der beeindruckenden Liste unserer ausländischen und inländischen Gäste nur hochkarätige Fachleute aus Theorie und Praxis entdeckt, so daß jede Auswahl willkürlich und ungerecht wäre. Darf ich also Ihnen, sehr verehrte Teilnehmer an dieser wichtigen Tagung, zunächst einmal global, aber nicht weniger herzlich und persönlich dafür danken, daß Sie die Mühe auf sich genommen haben, zu uns nach Speyer zu kommen. Ein besonders herzlicher Gruß gilt den weither und teilweise unter Schwierigkeiten angereisten Teilnehmern. Hervorheben möchte ich das ungewöhnlich große Interesse, das unserer Tagung von Wissenschaftlern der sozialistischen Länder entgegengebracht worden ist. Geradezu stolz sind w i r darauf, daß sich unsere Internationalität nicht nur auf Europa bezieht, sondern daß w i r auch Gäste aus den USA, Kanada, Japan und Australien begrüßen können. Wenn ich nun doch noch einige Namen nenne, so deshalb, weil ich einen speziellen Dank abstatten möchte. Vier Personen und Personengruppen sind es, denen ich i m Namen der Hochschule, und wohl auch i m Namen der Teilnehmer der Tagung, dafür danken möchte, daß sie mehr als die übliche Arbeit für uns geleistet haben und noch leisten werden. Zunächst darf ich dem Chef der Staatskanzlei des Landes RheinlandPfalz und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Hochschule, Herrn Staatssekretär Hilf, dafür danken, daß er für den leider verhinderten Ministerpräsidenten dieses Landes unsere Tagung eröffnen w i r d und daß er es sich nicht hat nehmen lassen, uns morgen abend i n eine der besonderen Lebensqualitäten der Pfalz, nämlich i n einen Weinkeller der südlichen Weinstraße, einzuführen.
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Begrüßung
Beim Stichwort Arbeit habe ich unserem Kollegen, Herrn Professor Heinrich Siedentopf, sowie seinen Mitarbeitern für die nicht geringe Mühe der Vorbereitung einer großen internationalen Tagung zu danken. Wer je eine solche Tagung veranstaltet hat, weiß, welche Koordinations- und Organisationsleistung bereits i m Vorfeld der eigentlichen Tagung zu leisten ist. Besonders danken möchte ich i m Namen der Hochschule auch den Referenten und Mitberichterstattern, die große Mühe auf sich genommen haben, ihre Beiträge zu der Tagung bereits frühzeitig schriftlich vorzulegen und es uns dadurch ermöglichen werden, mehr Zeit auf das wissenschaftliche Gespräch und die Diskussion zu verwenden. Damit w i l l ich nicht sagen, daß den Diskussionsleitern die Arbeit leichter gemacht w i r d (vielleicht i m Gegenteil); ihnen gebührt für die Übernahme ihrer schwierigen Aufgaben kein geringerer Dank als den Referenten. Schließlich, aber nicht weniger herzlich, möchte ich ein Wort des Dankes an die vielen hier nicht sichtbar werdenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschule richten, die für das Gelingen der Tagung zum Teil seit mehreren Wochen unermüdlich tätig gewesen sind. Meine Damen und Herren, es ist zu einer guten Tradition der Hochschule Speyer geworden, i n jedem Herbst eine (dem Teilnehmerkreis nach begrenzte) verwaltungswissenschaftliche Tagung zu veranstalten, die sich intensiv m i t einem aktuellen verwaltungswissenschaftlichen Thema befaßt. Es hat sich dabei eine Übung herausgebildet, wonach jeweils i m Zwei-Jahres-Rhythmus eine internationale und eine nationale Tagung stattfindet. Eine der ersten dieser Tagungen wurde 1968 über „Stand und Tendenzen der Verwaltungswissenschaft i n europäischen Ländern" abgehalten. Sie stand unter der Leitung unseres unvergessenen Kollegen Fritz Morstein-Marx. I m Jahre 1971 hat Roman Schnur, der erste Nachfolger von Fritz Morstein-Marx auf dem Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaften, eine damals viel beachtete Tagung über „Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation" geleitet. Ich halte es für ein besonders glückliches Zeichen, daß Herr Schnur heute wieder bei uns ist und daß sein Schüler, der dritte Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Verwaltungswissenschaft, die Konzeption der heutigen Tagung entwickelt hat. „Koordination", meine Damen und Herren, ist eine Forderung, die w i r täglich den Regierenden zurufen möchten. Ein Blick i n die Zeitung oder auf das Fernsehen zeigt uns immer wieder, bei wieviel A k t i v i äten und Unterlassungen offenbar nicht koordiniert wurde. Koordinieren heißt, Tätigkeiten i n Teilbereichen untereinander und auf das Gesamtziel abzustimmen. Bereits i n dieser Definition ist die Hauptschwierigkeit des Tagungsthemas eingefangen: Reicht die bloße Abstimmung
Begrüßung
der Riesenzahl unterschiedlicher A k t i v i s t e n mit unterschiedlichem I n teressenhintergrund i m Rahmen der Regierungspolitik auf einer arith* metisch gefundenen Koordinationsebene? W i r d der besonders A k t i v e also sozusagen zurückkoordiniert? Kann und muß nicht auf ein Ziel oder mehrere Ziele h i n koordiniert werden? Dann folgen aber gleich die weiteren Fragen: Wie lauten diese Ziele und wer setzt sie? Haben w i r überhaupt die Instrumente politischer und administrativer A r t , um auf Ziele hin zu koordinieren? Ich stelle hier nur Fragen; Antworten werden Sie von m i r nicht erwarten. Wenn ich schon keine Antworten versuche, so kann ich doch Wünsche äußern. Bei dem Versuch der Lösung der Problematik möchte ich w ü n schen, daß die Tagung nicht i n zwei mögliche Sackgassen gerät, daß man nämlich einerseits nur Verfahrenstechnologien der Koordination erörtert oder daß man andererseits sich nur mit dem „grausamen Spiel" begnügt, Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken und meint, damit sei dem Erkenntnisdrang Genüge getan. Meine Damen und Herren! Ich sehe zwar viele langjährige Freunde der Hochschule unter Ihnen. Zahlreiche Gäste werden aber den Stand und die Entwicklung unserer Hochschule nicht so gut kennen, als daß ich nicht auch dazu noch ein paar Worte sagen sollte. Der Landtag des Landes Rheinland-Pfalz berät zur Zeit eine neue gesetzliche Grundlage für unsere Hochschule. Es geht um die Modernisierung der Verfassungsstruktur, aber auch u m den weiteren Ausbau des Forschungsinstituts und die Einrichtung eines Fortbildungsinstituts. Die Hochschule soll noch stärker als bisher das Zentrum verwaltungswissenschaftlicher Ausbildung, Fortbildung und Forschung i n der Bundesrepublik Deutschland werden. W i r haben zur Zeit 15 Lehrstühle, die, so hoffen wir, i n den nächsten Tagen zumindest für eine „logische Sekunde" alle m i t namhaften Vertretern ihres Fachs besetzt sein werden. Neben den von uns veranstalteten Frühjahrs- und Herbsttagungen finden bei uns laufend Führungsseminare statt, an denen i m Jahr etwa 400 bis 450 Beamte des höheren Dienstes teilnehmen. I n einem Winter- und einem Sommersemester geben w i r etwa je 200 Referendaren i m Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes die Möglichkeit eines verwaltungswissenschaftlichen Kurzstudiums. Demnächst w i r d ein einjähriges Aufbaustudium mit einem eigenen Abschlußexamen hinzu treten. Zur Zeit haben w i r etwa 30 Doktoranden, so daß die Zahl unserer Promotionen nicht unwesentlich steigen wird. Wenn es die Institution der Hochschule für Verwaltungswissenschaften, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird, nicht bereits gäbe, würde sie, so bin ich sicher, bald gegründet werden.
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Begrüßung
Meine Damen und Herren, geistige Arbeit dauert nur so lange, wie man Zeit dazu hat. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, in den folgenden Tagen Muße und Zeit, u m erfolgreiche geistige Arbeit leisten zu können. Darf ich Sie nun, sehr verehrter Herr Staatssekretär, bitten, die Tagung zu eröffnen?
Eröffnung durch den Chef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Willibald Hilf Regierungspolitik arbeitsteilig zu organisieren und ihre dadurch gefährdete Einheitlichkeit durch institutionell gesicherte Koordination wiederum herzustellen, müßte eigentlich bewirken können, daß ein Regierungschef genügend entlastet wäre, um wichtige Termine, die einmal nicht der unmittelbaren Politikgestaltung dienen, nicht nur einzuplanen, sondern dann auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Diese idealtypische Vorstellung w i r d aber, wie Sie alle wissen werden, doch leider allzuoft von der Wirklichkeit überrollt. Solange der Tag nur 24 Stunden hat, bleibt ein Ministerpräsident i n der Qual, m i t der Wahl des einen Termines zugleich fünf andere versagen zu müssen. Das g i l t um so mehr, wenn wie hier Herr Ministerpräsident Dr. K o h l erst vor zwei Tagen von seiner zweiwöchigen Reise nach China zurückgekehrt ist und er diesem, für einen aktiven Politiker langen Zeitraum nun hier wieder nachzueilen hat. Herr Dr. Kohl, der eigentlich hier hat sprechen wollen, hofft wie ich auf I h r Verständnis, daß er es m i r hat übertragen müssen, diese Tagung zu eröffnen und seine herzlichen Grüße, insbesondere auch an die ausländischen Gäste zu übermitteln. Es steht m i r gleichwohl nicht an, für die einführenden Worte die Vertreterrolle so weit zu verstehen, Ihnen aus der spezifischen Sicht des Regierungschefs einige Bemerkungen zum Thema zu unterbreiten. Ich möchte vielmehr Ihre Bereitschaft erbitten, mich i n meiner originären amtlichen Stellung zu akzeptieren, da auch diese i n zweifacher Weise eigene Berührungspunkte zu diesem heutigen Ereignis aufweist: es ist erstens die Rolle als Chef einer Staatskanzlei und zweitens die des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Die Hochschule Speyer ist i n dem, was sie für die Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiete der Verwaltungswissenschaften leistet, auch i n diesem internationalen Kreise bekannt. Ich kann mich deshalb i n meiner Rolle als Verwaltungsvorsitzender darauf beschränken, auf zwei Weichenstellungen zu verweisen, die für die weitere Entwicklung 2 Speyer 57
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Eröffnung
der Hochschule maßgeblich sein werden und für die ich mitverantwortlich bin. Die Hochschule soll i n nächster Zeit eine neue gesetzliche Grundlage erhalten, die ihre innere Verfassung und Struktur effektuiert und modernisiert. Daneben hoffen wir, auch die vertraglichen Grundlagen für die Mitträgerschaft dieser Hochschule seitens der Bundesregierung und der übrigen Länder festigen und verbessern zu können. Neben der behutsamen Anpassung der Hochschule an die Entwicklung des allgemeinen Hochschulrechts i n unseren Tagen, gilt es dabei aber, die Besonderheiten der Hochschule Speyer i m westdeutschen Bildungssystem zu berücksichtigen, nämlich daß sie als eine bundesweite Einrichtung speziell der Pflege der Verwaltungswissenschaften dient, daß sie als einzige postuniversitäre Hochschule i n der Bundesrepublik Deutschland der Forderung nach Aufbau- und Ergänzungsstudiengängen entspricht, daß ihr Ausbildungsangebot bewußt auf Nachwuchskräfte des höheren Verwaltungsdienstes ausgerichtet ist und daß sie dem Bereich der Fort- und Weiterbildung gleichrangiges Gewicht und Bedeutung beimißt. Das neue Gesetz über die Hochschule Speyer sieht organisatorische Neuerungen — wie etwa die Einführung der Präsidialverfassung — vor, von denen w i r eine Stärkung der Selbstverwaltung erwarten. Es ist aber ganz nachdrücklich an der Verfassung als Hochschule festgehalten worden; denn wissenschaftliches Forschen, Lehren und Lernen setzen einen Freiraum voraus, den die Hochschulstruktur am besten gewährleistet. Die andere Weichenstellung ist auf den Ausbau der Forschungskapazität der Hochschule für Verwaltungswissenschaften gerichtet. Die Hochschule hat ein besonderes Forschungsinstitut, i n dem über viele Jahre Grundlagen- und Projektforschung auf dem Gebiete der öffentlichen Verwaltung betrieben worden ist. A n dieser Forschung besteht wegen ihres Gegenstandes über die allgemeine staatliche Forschungsförderung hinaus ein besonderes politisch-administratives Interesse. Regierung und Verwaltung sind auf wissenschaftliche Durchdringung und Beratung angewiesen. Das Land Rheinland-Pfalz, das trotz der prinzipiell bestehenden gemeinsamen Trägerschaft und Finanzgemeinschaft aller Länder und des Bundes die ganz überwiegende Kostenlast der Hochschule trägt, kann weitere Kapazitätsverbesserungen des Forschungsinstituts nicht mehr allein übernehmen. Hier fügt es sich gut, daß unsere Verfassung ein Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Förderung der wissenschaftlichen Forschung kennt. Da auch die Bundesregierung ein erhebliches Interesse an der Speyerer Verwaltungsforschung bekundet hat, w i r d eine Einbeziehung des Forschungsinstitutes der Hochschule Speyer i n die i n Vorbereitung befindliche Rahmenvereinbarung nach A r t . 91 b des Grundgesetzes — Forschungs-
Eröffnung
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förderungsabkommen — angestrebt. Dies würde zu einer auch finanziell stärkeren Beteiligung des Bundes und der Länder führen und dem Forschungsinstitut günstige Entwicklungsmöglichkeiten erschließen. Damit kann ich zu unserer heutigen Tagung überleiten; denn die Hochschule Speyer betrachtet ihre verwaltungswissenschaftlichen Herbsttagungen, ganz besonders ihre internationalen Tagungen als wichtige Bestandteile ihres Forschungsauftrages. Lassen Sie mich also zu Ihrem Tagungsthema aus dem Feld meiner eigenen amtlichen Rolle einige Aspekte beitragen: Der Neuentwurf einer Geschäftsordnung der Landesregierung sagt zur Staatskanzlei: „Der Ministerpräsident bedient sich zur Führung seiner Geschäfte und der Geschäfte der Landesregierung der Staatskanzlei . . . Der Staatskanzlei obliegt unbeschadet der eigenen Verantwortung der Minister, insbesondere die Koordinierung der Tätigkeit der Ministerien i n der Landes- und Bundesgesetzgebung sowie i n der Durchführung von allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen." Wie Sie aus diesen Formulierungen ersehen können, haben w i r die Koordinationsfunktion der Staatskanzlei allgemeiner beschrieben, als man es i n mancher anderen Geschäftsordnung findet. W i r wollen dadurch zum Ausdruck bringen, daß die Arbeitsteilung, die aufgrund des Ressortprinzips i m Regierungsbereich herrscht, als organisatorische Ergänzung die K o ordination braucht, und zwar i n ebenso grundsätzlicher Weise. Diese Aufgabe findet ihren besonderen Ausdruck durch die beratende Stimme des Chefs der Staatskanzlei i m Ministerrat. Diese spezifische Aufgabe der Koordination i n der Weise als erfüllbar anzusehen, daß die Autorität des Ministerpräsidenten und seine Richtlinienkompetenz i n beliebiger A r t zur Bereinigung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts eingesetzt wird, mag eine gelegentliche Versuchung darstellen, aber so leicht kann und darf man sich die Arbeit sicherlich nicht machen. Andererseits ist aber der Ministerrat nur idealerweise ein Gremium, das die Gesamtpolitik der Regierung über die Teilbereiche der Kulturpolitik, Sozialpolitik, Verkehrspolitik usw. stellt. W i r machen die Erfahrung, daß der Fachminister i m Ministerrat zunächst nicht als Kabinettsmitglied, sondern als Ressortchef auftritt. Er betrachtet sich i n erster Linie — und das ist durchaus legitim — als Vertreter der Ressortaufgaben, für die er verantwortlich ist. So w i r d der Chef der Staatskanzlei ganz selbstverständlich seine Stimme vor allem i n Richtung auf die Koordination der Teilpolitiken zu erheben haben. Das bedingt, daß er der i n der Person des M i nisterpräsidenten verkörperten politischen Gesamtkonzeption nahesteht und nicht den spezifischen Ressortbindungen unterliegt. 2*
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Eröffnung
Das Gesamtthema der Koordination und Regierungspolitik läßt sich, wie uns das Tagungsprogramm zeigt, i n zahlreiche Teilfragen untergliedern, selbst wenn man sich auf die regierungsinterne Koordinierung beschränkt und die noch komplexeren Fragen der externen Koordination (z. B. gegenüber Mehrheits- oder Koalitionsparteien oder i m Rahmen der besonderen Bedingungen des föderativen Bundesstaates) ausklammert. Jede dieser Unterfragen ist für sich wichtig und für mich interessant. So könnte man darüber sprechen, wie i m Verfahren der Haushaltserstellung durch eine frühzeitige Einschaltung des Kabinetts eine Prioritätensetzung durch finanzielle Rahmenvorgaben erfolgen kann. Oder man könnte darauf verweisen, wie wichtige Neuerungen — z. B. die Automation — m i t Hilfe interministerieller Ausschüsse i n die Regierungs- und Verwaltungsorganisation eingearbeitet werden. Als Chef einer Staatskanzlei möchte ich aber auf die Koordinationsprobleme dieses Amtes selbst und dann auf die Frage aufmerksam machen, wie w i r neue Kooperationsformen entwickeln können, die dem Kabinettsprinzip und der Einheit der Regierungspolitik Rechnung tragen. Wenn eine Opposition i n der Bundesrepublik Deutschland das Wachst u m der öffentlichen Dienste kritisiert, dann w i r d sie verständlicherweise nicht über Zunahmen i m Bereich der Schuldienste oder der sozialen Dienste sprechen, sondern die Ausweitung der Staatskanzleien bemängeln. Sie unterdrückt dabei den organisatorischen Grundtatbestand, daß mehr arbeitsteilige Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte auch mehr Koordinationsleistungen verlangen. W i r haben i n RheinlandPfalz bei unseren Bemühungen u m die Verbesserung der öffentlichen Verwaltung nicht nach dem Motto gehandelt, daß Verwaltungsreform eine Kategorie für nachgeordnete Behörden sei. Was w i r von vornherein m i t i n A n g r i f f genommen haben, w a r die Reorganisation der Staatskanzlei selbst. W i r haben ein Muster der Geschäftsverteilungen entwickelt, das klarmacht, was heute Koordination heißt. Lassen Sie mich dazu einige punktuelle Hinweise geben. I n der ersten Abteilung werden die Aufgaben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Planung zusammengefaßt. Diese Koppelung zweier auf den ersten Blick sehr unterschiedlicher Aufgaben ist nach unserer Auffassung allerdings unverzichtbar. Es mag i m feudalen Staat genügen, die Öffentlichkeit wissen zu lassen, was die Regierung denkt und tut. I m demokratischen Staat ist es für die Regierung genauso wichtig zu wissen, was die Bürger von der Politik bzw. der Regierung erwarten. Für den E n t w u r f konzeptioneller und konsensfähiger Politik stellt die Analyse und Berücksichtigung der Grundstruktur politischer Er-
Eröffnung
Wartungen einen genauso wichtigen unverzichtbaren Informationsbedarf dar wie für die Optimierung der Kommunikation über das politische Wollen der Regierung. Politische Planung, so wie w i r sie verstehen, soll den politischen Willen des Ministerpräsidenten, des Kabinetts und der Ministerien, die politischen Erwartungen der Bevölkerung und den Sachverstand des Apparates koordinieren. Die zweite Abteilung der Staatskanzlei ist als Zentralabteilung m i t Personal, Haushalt und Organisation befaßt. Insoweit geht es nicht bloß um innerbehördliche Angelegenheiten, sondern auch um Aufgaben — man denke an das Ernennungsrecht des Ministerpräsidenten, die Personalplanung, die Verwaltungsvereinfachung —, die der sorgfältigen Abstimmung m i t und zwischen den Ressorts bedürfen. Die dritte Abteilung der Staatskanzlei ist die Abteilung Gesetzgebung und Verwaltung. Sie w i r d traditionell als die Abteilung für Koordinierung zwischen den Ressorts angesehen. W i r müssen heute vor allem auch ihre einschlägigen Funktionen i m föderalistischen System berücksichtigen. Unsere vierte Abteilung ist für Raumordnung und Landesplanung zuständig. Wenn man bedenkt, wie viele Ressortvorhaben auf Landesebene eine räumliche Relevanz haben, dann w i r d deutlich, was i n ihr an Abstimmungsleistungen zu erbringen ist. Schon aus diesen wenigen Punkten ist zu verstehen, daß auch eine gut ausgestattete Staatskanzlei an die Grenze ihrer organisatorischen und personellen Kapazität stoßen muß. W i r mußten deswegen nach neuen Kooperationsformen suchen, wenn w i r unserem Auftrag gerecht werden wollen. Die eine dieser Formen ist die eines besonderen Koordinationsverbundes zwischen Staatskanzlei und Ressorts m i t eigenen Koordinationsbeauftragten und einem Datenblattverfahren. Wie ich aus einem deutschen Beitrag zu dieser Tagung (König) ersehen habe, w i r d dieses Koordinationssystem noch besonders dargestellt werden. Für Rheinland-Pfalz möchte ich bemerken, daß dieses System m i t seinem mittelfristigen Erfassungshorizont i n der operativen Abteilung 3 verankert ist, der auch die geschäftsmäßige Vorbereitung der Kabinettssitzungen obliegt. Ich weiß aber, daß man die Frage der Effektivität dieses Koordinationsverbundes von Fall zu Fall verschieden beurteilen muß, und w i l l deshalb Ihrer Diskussion nicht m i t Vorabbewertungen vorgreifen. Ich möchte aber zugleich andeuten, daß w i r es bei diesem Verfahren der Koordinationsverbesserung i n Rheinland-Pfalz nicht bewenden lassen wollen, sondern einen weiteren, umfassenderen A n satz gesucht haben. Denn so sehr es naheliegt, angesichts eigener, z. T. leidvoller Erfahrungen m i t Koordinationsaufgaben und fehlender Koordination jedem, der mehr Koordination fordert, sofort zuzustimmen
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Eröffnung
— und so sehr es naheliegt, mehr Koordination für immer gut, mangelnde Koordination für immer schlecht zu halten, möchte ich doch eine solche unkritische Haltung nicht unterstützen, w e i l ich glaube, daß w i r immer wieder neu fragen müssen, wer, was, wie und mit welchem Ziel bzw. welcher Wirkung
koordiniert.
Als die Landesregierung Rheinland-Pfalz sich vor zwei Jahren entschloß, ein Projekt zu beginnen, das sich die Einführung eines integrierten Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollsystems zum Ziel gesetzt hat, standen diese Fragen von Anfang an i m Vordergrund. M i t den Methoden der Systemstrukturforschung wurden bald auch die Mängel der Koordination sichtbar. Als die entscheidende Voraussetzung für ihre Überwindung stellt sich dann ein ausreichend explicit formulierter und ausreichend kommunizierbarer Zielrahmen der Landesregierung heraus, der es erlaubt, die differenzierten Tätigkeiten von ihrer Wirkung her zu integrieren. M i t der Verbesserung der Zielplanung über mehrere Ebenen hinweg von der Rahmenplanung über die Zielprogrammplanung bis zur Projektzielplanung sind selbstverständlich die Koordinationsprobleme noch nicht alle und vollständig gelöst, aber Koordination erhält den entscheidenden gemeinsamen Bezugspunkt, der die Arbeit erleichtert. Auch waren für die „Koordination" der Zielplanung eigens zu schaffende Strukturen und die Organisation von Planungsprozessen erforderlich, und zwar auf den jeweiligen Ebenen der Zielplanung. W i r sind gerade i m ersten Planungszyklus dabei, ihre integrierende K r a f t zu erproben und erhoffen durch die integrative Wirkung der Zielplanung eine Erleichterung der Koordination, zumindest i m konzeptionellen Bereich der Politik. Koordination steht immer i m Dienste der Regierungspolitik; Regierungspolitik kommt andererseits ohne Koordination nicht aus, j a die Qualität der Regierungspolitik hängt w o h l ganz maßgeblich von der Qualität ihrer Koordinierung ab. Ich denke, daß diese Aussagen für alle politischen Systeme gelten, die i m Kreise dieser Tagungsteilnehmer repräsentiert sind. Es ist das Kennzeichen entwickelter Gesellschaften, daß sie auch i m Regierungsbereich hocharbeitsteilig handeln müssen und so auf Koordination angewiesen sind. Deswegen ist das gewählte Tagungsthema ein sicherlich besonders geeigneter Gegenstand für eine internationale Arbeitstagung, deren Ertrag weit über den Kreis der Teilnehmer hinaus i n Wissenschaft und Praxis Interesse und Beachtung finden dürfte. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer veranstaltet ihre diesjährige Herbsttagung i m Zusammenhang m i t der ersten Ver-
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Sammlung der Europäischen Gruppe für öffentliche Verwaltung. Ziel dieser Gruppe ist es, den Informationsaustausch über Entwicklungen von Theorie und Praxis der öffentlichen Verwaltung zu organisieren und zu fördern. W i r haben die Hochschule Speyer bei solchen A k t i v i täten auf internationalem Feld immer gerne unterstützt. Das gilt i n besonderer Weise für internationale Tagungen wie diese. Denn w i r sind der Meinung, daß die Probleme an den Staatsgrenzen nicht haltmachen. Dann sollte es die wissenschaftliche Auseinandersetzung auch nicht tun. Auch wenn hier i n erfreulichem Umfang Sachkenner aus sehr verschiedenen politischen und ökonomischen Systemen vertreten sind, was naturgemäß einen allgemeinen Konsens nicht i n allen Fragen erwarten läßt, so stellt sich doch ein guter Teil der Fragen der alltäglichen Verwaltungsarbeit vielerorts i n der Welt i n gleicher Weise. Hier bedeutet es einen Gewinn an Einsichten, von den unterschiedlichen Organisationsformen zu hören, die zur Lösung solcher Probleme angeboten werden. Wenn es darum geht, vergleichende Untersuchungen und die Entwicklung der Verwaltungswissenschaft aus europäischer Perspektive zu pflegen, dann ist das eine Absicht, die ich insbesondere auch i m Interesse der hier anwesenden Praktiker für gut halte. Ich sehe i n dieser Runde Repräsentanten der deutschen Regierungs- und Verwaltungspraxis, von denen ich weiß, wie sie bemüht sind, neue Ideen, Methoden und Techniken i n der öffentlichen Verwaltung anzuwenden. Daß eine ganze Reihe von ihnen immer wieder gern nach Speyer kommt, darf ich nicht zuletzt dem Umstand zuschreiben, daß die hiesige Hochschule es versteht, m i t ihren Tagungsthemen die aktuellen Probleme der Praxis zu erfassen. Ganz besonders freue ich mich aber, daß es gelungen ist, einen Kreis so hervorragenden internationalen Sachverstandes zusammenzubringen. Ich glaube, daß so ausgezeichnete europäische Verwaltungswissenschaftler noch nicht oft i n dieser Zahl versammelt waren. Das erfüllt alle Freunde und Förderer der Hochschule für Verwaltungswissenschaften m i t großer Genugtuung. Es ist zu erwarten, daß sich die Herbsttagung 1974 i n die Reihe der internationalen Veranstaltungen einfügen wird, die als Ereignisse von besonderem Rang die Arbeit der Hochschule bekanntgemacht haben. Mein besonderes Kompliment gilt i n diesem Zusammenhang dem Engagement und der Initiative von Herrn Professor Siedentopf, der es unternimmt, m i t dieser Tagung die durch die früheren Lehrstuhlinhaber, die Professoren Morstein-Marx und Schnur begonnene Tradition dieses einzigen deutschen Lehrstuhles für vergleichende Wissenschaft fortzusetzen.
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Eröffnung
Ich hoffe, indem ich diese Tagung eröffne, daß alle Teilnehmer Gew i n n aus ihr ziehen werden, wozu neben der wissenschaftlichen Diskussion die Pflege bestehender und die Anknüpfung neuer persönlicher Kontakte und der dafür gebotene Rahmen beitragen mögen.
Grußwort der EGPA Ansprache von Professor Arne F. Leemans Ich bin den Veranstaltern dieser Tagung dankbar, daß sie m i r i n meiner Eigenschaft als Vorsitzender der European Group of Public Administration Gelegenheit bieten, mich an diese Tagung während ihrer Einführungsveranstaltung zu wenden. Vor sechs Jahren wurde an dieser gleichen Hochschule eine Tagung abgehalten, die sich m i t dem Studium der Verwaltungswissenschaft i n Europa beschäftigte. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Empfinden Ausdruck gegeben, daß w i r einen fortwährenden Austausch von Meinungen dieses Typs bedürfen. Das Studium der Verwaltungswissenschaft war i n Europa i n der Phase des Anfangs. Und dies zu einer Zeit, als in den USA, der Geburtsstätte des verwaltungswissenschaftlichen Studiums der Neuzeit, einer ihrer prominentesten Vertreter, Dwight Waldo, von einer Identitätskrise des verwaltungswissenschaftlichen Studiums sprach. Heute haben w i r uns hier zur ersten Tagung zusammengefunden, m i t der die European Group of Public Administration verbunden ist. Eine Disziplin, die sich — wie das Studium der öffentlichen Verwaltung i n Europa — am Anbeginn ihrer Entwicklung befindet und noch für ihre volle Anerkennung zu streiten hat, hat keine Zeit für eine Identitätskrise. M i t der Ausnahme einiger Blütezeiten, die das Studium der öffentlichen Verwaltung i n einigen Ländern Europas i n der Vergangenheit erreichte, hat sich dieses Fach nur langsam auf diesem Kontinent entwickelt. Nicht nur die USA, sondern auch viele Entwicklungsländer, sind Europa voraus i n der Anerkennung der Bedeutung der Verwaltungswissenschaft als ein Gebiet der Ausbildung, der Fortbildung und der Forschung. I n den meisten europäischen Ländern mußte die öffentliche Verwaltung als Studienfach durch einen langen Prozeß der Emanzipation gehen. Dies ist ein normaler Prozeß für alle neuen Disziplinen — oder wenn Sie wollen für interdisziplinäre Fachrichtungen. I m Falle der Verwaltungswissenschaft war dies i n besonderer Weise — wie früher i n den USA — eine Emanzipation vom öffentlichen Hecht, das i n der rechtsstaatlichen Tradition des 19. Jahrhunderts die theoretische wie auch die Sichtweise der Praktiker gegenüber der Verwaltung be-
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Grußwort der EGPA
herrschte. I n einigen Fällen — und hier zeigen sich ähnliche Spannungen wie i n den USA der letzten zwei Jahrzehnte — hat sich die Verwaltungswissenschaft von der politischen Wissenschaft zu emanzipieren. Aber allmählich ist die öffentliche Verwaltung — auch i n Europa — mehr und mehr zu einem Studium und Forschungsgebiet sui generis geworden und ist dabei, einen zentralen Platz i n den Verwaltungswissenschaften/Organisationswissenschaften zu erlangen. Ihre Ziele, die Struktur und Verfahren der öffentlichen Verwaltung auf verschiedenen Ebenen ist sehr komplex und facettenreich geworden. I n verschiedenen europäischen Ländern sind Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen zunehmend damit beschäftigt, diese Objekte von verschiedenen Seiten her zu studieren. Während sich ihre Zahl i n einigen Ländern schnell vergrößert, sind sie i n anderen noch wenig und auf sich allein gestellt. Allerdings ist die Bemerkung angebracht, daß die gesamte Kapazität an intellektuellen Bemühungen und Leistungen beim Studium der öffentlichen Verwaltung heutzutage nicht unterschätzt werden sollte. Für viele Forscher dieses Gebiets — ob alt oder jung — ist es ein wesentliches Problem, daß sie noch „Einzelkämpfer" sind, die an gewissen Aspekten dieses weiten Gebietes arbeiten, ohne dabei i n engem Kontakt zu ihren Kollegen zu stehen. Ohne Zweifel könnte ihre Produktivität der Quantität und Qualität noch beträchtlich gesteigert werden durch einen Austausch und durch Kooperation m i t ausländischen Kollegen. Die USA hat einen großen Vorteil gegenüber Europa, als es dort zu einer leichten Kommunikation zwischen Forschern i n allen Teilen dieses Landes kommt, während sich Europäer einer schwerwiegenden Sprachbarriere ausgesetzt sehen, durch die ihre Anstöße und Darlegungen für viele andere Europäer unerreichbar bleiben. Die Initiative zur Gründung der European Group ergab sich aus dem Wunsch, die Kommunikation zwischen Akademikern und Praktikern, die an der Theorie der öffentlichen Verwaltung interessiert sind, zu erleichtern, die Kooperation zwischen ihnen zu fördern, u m so eine Stimulanz auf ihre Arbeit auszuüben. Die Begeisterung, m i t der diese Initiative aufgenommen worden ist, ist ein klarer Ausdruck für das Bedürfnis eines solchen Austausches und einer solchen Kooperation. Ich hoffe, daß diese Tagung einen Meilenstein i n der Förderung des verwaltungswissenschaftlichen Studiums auf diesem Kontinent setzen wird. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften, die eine führende Holle gespielt hat, europäische Verwaltungswissenschaftler zusammenzuführen, ist ein höchst passender Ort, diesen Meilenstein zu setzen.
Regierungspolitik und Koordination Einführung in das Gesamtthema Von Eugen Pusic Es ist durchaus möglich, daß zur gleichen Zeit, da hier i n Speyer unsere Gruppe zusammenkommt, u m Politik-Koordination i n der Regierung als ein Problem der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren, irgendwo anders eine Tagung veranstaltet wird, deren Thematik anscheinend identisch ist. Nehmen w i r an, daß das Thema dieser anderen Veranstaltung „Konzentration und Pluralismus i n der Regierung" lautet m i t Hinblick auf Verfassungsstruktur, Geschichte und politischen Prozeß anstatt öffentlicher Verwaltung. Die Behandlung des Problems der Koordination würde aller Wahrscheinlichkeit nach bei beiden Veranstaltungen völlig unkoordiniert sein, die Schlußfolgerungen womöglich gegensätzlich. W i r neigen dazu, Koordination als technisches Erfordernis für rationelle Gruppenarbeit zu betrachten, als ein Ideal der Effizienz, das zwar ständig angestrebt, doch niemals erreicht wird, da selbst das beste der bekannten Systeme an mangelnder Koordination, Unruhe, Unstetigkeit und dysfunktioneller Redundanz leidet. I n der politischen Geschichte hat Koordination einen fast schlechten Beigeschmack bekommen und ist eng m i t dem Begriff der Machtkonzentration verbunden, steht also i m Gegensatz zu dem, was man als normalen politischen Prozeß betrachtet, der aus Anpassung, Verhandlung, Majorität-Minorität-Dynamik, Ausgleich und Kompromiß besteht. Eine andere Perspektive zu sehen, bedeutet nicht, die eigene aufzugeben. Die Regierung ist ein System menschlicher Zusammenarbeit, und Politik-Koordination ist ein Teil ihrer Integration als System. Aus diesem Grunde sollte die Erörterung der Politik-Koordination i n der Regierung vorzugsweise von den allgemeinen Charakteristika der Systemintegration ausgehen, dann zu den spezifischen Fragen von Regierung und deren institutionellen Beantwortung übergehen, u m dann schließlich soweit wie möglich i n das verwirrende Dilemma und die komplexere Dialektik der Problemstellung einzudringen.
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I. Kooperative Systeme differenzieren sich wie auch die Regierung, um der Mannigfaltigkeit ihrer relevanten Umwelt sowohl nach außen wie auch i m Innern gerecht zu werden. Diese Umwelt ihrerseits expandiert unter dem Einfluß — unter anderen Einflüssen — der Systemaktivität. Jeder Zustand eines Systems setzt indessen dem Prozeß der Differenzierung Grenzen, er bestimmt das Ausmaß an Mannigfaltigkeit, das das System absorbieren kann und dabei dennoch ein System bleiben, d. h. eine Sammlung von Entitäten m i t nicht zufälliger gegenseitiger Interdependenz. W i r bezeichnen diese Grenzen eines gegebenen Systemzustandes als Integrationsgrenzen und den Mechanismus, der die Elemente eines Systems i n nicht zufälliger Interdependenz hält, als Integration. Während sowohl die Differenzierung als auch die Integration kontinuierliche Prozesse i n einem kooperativen System sind, verhalten sich die Integrationsgrenzen relativ stabil. Sie ändern sich nur von Zeit zu Zeit und nicht ständig unter dem Druck des Systemerfordernisses, sich über bestehende Grenzen hinaus zwecks Anpassung zu differenzieren, erfolgreich auf die es umgebende und auch i h m innewohnende ausufernde Mannigfaltigkeit zu reagieren, um so zu überleben und funktionsfähig zu bleiben. Die Differenzierung, d. h. das Ersetzen eines beliebigen Elements in einem System m i t zwei oder mehr Elementen, wobei vorausgesetzt wird, daß die Wahrscheinlichkeit eines jeden Elements, sich zu differenzieren, konstant bleibt, w i r d m i t wachsender Anzahl der Elemente beschleunigt. Die Integration schränkt jedoch die Differenzierung ein, je mehr sich diese den Integrationsgrenzen nähert, die den gegenwärtigen Zustand des Systems kennzeichnen, so daß sich kooperative Systeme normalerweise i n S-Kurven entwickeln, d.h. die Entwicklung beschleunigt sich innerhalb weiter Grenzen und w i r d bei Annäherung dieser immer langsamer, u m dann innerhalb umfassenderer Grenzen wiederum zu beschleunigen. Der ganze Prozeß der Differenzierung und Integration i n kooperativen Systemen und damit auch i n der Regierung vollzieht sich i n drei interdependenten Dimensionen: Zielsetzung, Relation und Technologie. 1. Zielsetzung Zielsetzungen differenzieren sich derart, daß neue und verschiedenartige Zielsetzungen neben bereits bestehenden auftauchen, etablierte i n einer sich unendlich ausdehnenden Pyramide i n intermediäre oder instrumentellen Unterzielen auswuchern, neue Relationen zwischen Zielsetzungen und untergeordneten Zielsetzungen einerseits sichtbar
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werden oder sich etablieren und andererseits Umstände ihrer Umwelt, die ihre Durchsetzung beeinflussen. Beim Individuum ist dieser Prozeß durch klare Grenzen von Zeit und persönlicher Aufmerksamkeit eingeschränkt. Zielsetzung i n kooperativen Systemen ist indessen mehr als einfach das, was sich ein Individuum als zu erreichendes Ziel setzt. Ziele, Absichten, Vorsätze, Funktionen und Interessen können sich i n einem komplexen System weit über den Bereich der Aufmerksamkeit der einzelnen Mitglieder des Systems differenzieren. Hier sind die Grenzen durch die Konflikt-Wahrscheinlichkeit gesetzt, die m i t der A n zahl der Zielsetzungen ansteigt. Systeme verhalten sich unterschiedlich hinsichtlich ihrer Fähigkeit, m i t dem K o n f l i k t zu leben und funktionstüchtig zu bleiben. Zielsetzungen werden durch Ausschluß oder Einbeziehung integriert, d. h. also durch Regeln, die festlegen, welche oder wessen Zielsetzungen oder Interessen unzulässig bzw. nur unter restriktiven Bedingungen zulässig oder für das System irrelevant sind, und durch die Formulierung von allgemeineren Zielen oder Werten, die früher unabhängige Zielsetzungen einschließen. I n großen Systemen bedürfen beide Methoden ständiger Aufmerksamkeit und A k t i v i t ä t , w o r i n zum Teil das Hauptanliegen der Politik-Koordination besteht. Die Integrationsgrenzen, die den Zustand eines Systems auf der Dimension der Zielsetzung definieren und festlegen, inwieweit Zielsetzungen sich innerhalb des Zustandes differenzieren können, sind der Punkt, i n dem die Regeln der Ausschließung und die Vorschriften der Einbeziehung konvergieren, so daß sie sich i n diesem Punkt idealerweise gegenseitig überwachen. Die Dialektik der Entwicklung operiert durch den Druck ausgeschlossener Interessen, die nach Einbeziehung streben sowie durch die desintegriedende K r a f t diskrepanter Zielsetzungen, die die Alternative stellen: Ausschluß oder Einbeziehung. I n einer Regierung können ganz allgemein drei Phasen oder Stufen i n der Entwicklung von Zielsetzungen unterschieden werden: persönliche Zielsetzungen, unpersönliche systembezogene und unpersönliche über das System hinausgehende Zielsetzungen. I n der ersten Phase sind Ausschluß und Einbeziehung der Zielsetzungen an den Willen oder das vorgegebene Verhalten einer oder mehrerer Personen gebunden, deren Zielsetzungen, ob es sich nun um einen Monarchen, einen Vorgesetzten oder ein Kollektiv handelt, die des Systems sind; was sie ausschließen — explizit oder implizit — w i r d ausgeschlossen. Dies gilt innerhalb des Zustands persönlicher Zielsetzungen auch dann, wenn die Identität der Herrschenden, die Methode ihrer Auswahl und die vorgegebenen Führungsverfahren mehr als einmal wechseln. I n der zweiten Phase überschreiten die Integrationsgrenzen die Zielsetzungen von Ein-
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zelpersonen oder eines Personenkreises. Sie gründen sich auf die E x i stenz, die Sicherheit und die Expansion des Systems als solches. Die raison d'Etat ist sowohl hinsichtlich Zeitbegriff als auch legitimierender Macht den Zielsetzungen derer, die i m Namen der Regierung sprechen, übergeordnet. Die institutionalisierten und versachlichten Interessen des Staates als eines progressiven Systems formen die Zielsetzungen der Herrschenden und stellen ein K r i t e r i u m für die Bewertung ihrer Leistung, die Einschätzung durch sich selbst und andere dar. I n der dritten Phase inkludieren die Zielsetzungen der Regierung die Interessen von Gruppen und Bevölkerungsteilen, die sich nicht i n der eigentlichen Kontrolle des Regierungssystems befinden, effektiv und nicht nur deklarativ. Die Konzeption der Dienstleistung zeigt sich parallel zur Zielsetzung der Macht. Die Regierung regelt das Verhalten der Bürger nicht mehr ausschließlich durch Einflußnahme, sondern produziert Güter und andere Bedarfsartikel zur Befriedigung der V i talinteressen außerhalb der persönlichen und unpersönlichen Absichten der Regierung als System. Diese i n zunehmenden Maße verschiedenartigen Interessen sind i m Ziel der allgemeinen Wohlfahrt eingeschlossen. Anstatt des Laissez-faire als Hauptforderung, die den Wunsch des Bürgers ausdrückt, allein und frei gelassen zu werden, von den beschwerlichen Aufbürdungen und Einmischungen der Regierung, geht die Forderung nun nach Gleichheit der Behandlung, Anerkennung neuer Interessen und Interessengruppen. M i t dieser Änderung i n der grundsätzlichen Orientierung wurden die regulativen Zielsetzungen der Regierung nicht abgeschafft — weiter gefaßte Integrationsgrenzen schließen den i n den früheren engeren Grenzen enthaltenen Bereich ein —, sondern die Verfahrensweise wurde modifiziert. Anstatt auf Umweltereignisse, die potentiell zerstörende Elemente enthalten könnten, Macht auszuüben, werden diese Elemente durch einen komplizierten Filtrierprozeß von den eventuell nützlichen Komponenten der gleichen Ereignisse getrennt. Zum Beispiel: anstatt Veröffentlichungen der Zensur zu unterwerfen, verläßt man sich auf durch Erziehung entwickeltes Urteilsvermögen des Lesers, anstatt Menschen zwangsweise i n Quarantäne zu halten, impft man sie gegen ansteckende Krankheiten, anstatt den Außenhandel zu monopolisieren, beeinflußt man i h n durch Zolltarife und Exportprämien. Diese Veränderung spiegelt sich wider i n dem Unterschied zwischen den mehr traditionellen Bereichen der Regierung, deren Zielsetzung die Sicherheit des Systems und deren M i t t e l primär das Monopol organisierter physischer Macht ist, nämlich Verteidigung, Außenpolitik, Innenpolitik, Justiz, Finanzwesen — und den neueren Tätigkeiten i n Wirtschaft, Verkehr- und Transportwesen, Sozialwesen, Städtebau, I n -
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formationswesen etc. Der erste Bereich, jener der Macht, ist relativ statisch i n seinen Zielsetzungen, während der zweite, der Bereich der Dienstleistungen, relativ dynamisch ist, neue Zielsetzungen entstehen und alte änderen ihre Bedeutung und ihren Inhalt. 2. Relation Relation i n kooperativen Systemen ist die A r t und Weise, i n der ihre menschlichen Mitglieder zueinander stehen, wie sie untereinander unabhängig von den Zielsetzungen, die das System zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfolgt, verbunden sind. Parallel zur Dimension der Beziehungen differenziert sich ein System durch Anwachsen seiner Mitgliedschaft (Menschen unterscheiden sich ausreichend voneinander, so daß jedes neue Individuum als Addendum zu der Gesamtvarietät des Systems gesehen werden kann), Anwachsen der Anzahl der Eigenschaften seiner Mitglieder, die für das System relevant sind, durch Anwachsen der Anzahl der möglichen und wahrscheinlichen Rückwirkungen, die Veränderungen i n der Umwelt bei seinen Mitgliedern, ihren Eigenschaften und vice versa verursachen können. Die Relationen werden durch Regelsysteme integriert, die zulässige Mitglieder, Eigenschaften oder Beziehungen zwischen diesen spezifizieren und unzulässige ausschließen. Sekundäre Relationssysteme werden errichtet, u m diese Regeln zu schaffen, aufrechtzuerhalten, anzupassen und um ihre Anwendung zu erleichtern. Die Generalnenner der Struktur, die für alle Relationen i n einem kooperativen System zu einer bestimmten Zeit gelten, sind die Integrationsgrenzen, über die hinaus sich das System nicht verändern kann. Die für die Regierung relevanten Strukturtypen sind die Führergruppe, die hierarchische Organisation und das Teamnetz. Führung ist ein Prinzip, das zwischen Führer und Gefolgschaft eine Relation herstellt, die über jegliche konkrete Zielsetzung, die die Gruppe verfolgt, hinaus fortbesteht. Sie stellt Relationen her von vorwiegend einseitiger Abhängigkeit persönlichen Charakters, die als Rahmen für eine ganze Reihe von Zielsetzungen dienen kann. Gleichzeitig formuliert das Charakteristikum der persönlichen Abhängigkeit die Grenze dieses Prinzips. I n gewisser Weise ist die Anwesenheit des Führers erforderlich, u m den Integrationseffekt zu erzielen, wobei das Maß an zu bewerkstelligender Varietät auf den Spielraum eines Menschen beschränkt wird. Gleichzeitig macht der persönliche Charakter der A b hängigkeitsrelation diese für emotionale Spannungen anfällig, die bei mehr unpersönlichen Bindungen vermieden werden können. Diese als patriarchal und patrimonial bezeichneten Regierungstypen basierten
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auf Relationen, die vorwiegend das Führungsprinzip verkörperten (Weber, 1921). Die Hierarchie als alternatives Prinzip von integrierenden kooperativen Systemen auf der Dimension der Relation beinhaltet das Führungsprinzip als Sonderfall, ist jedoch nicht an seine Grenzen gebunden. Die hierarchische Beziehung bedeutet zwar noch Abhängigkeit, aber nicht zwischen Personen. I n der Hierarchie w i r d Abhängigkeit als die funktionale Derivation von M i t t e l n aus Absichten i n der Pyramide der Zielsetzungen vernunftmäßig begriffen, als Derivation von einfacheren und mehr spezialisierten Operationen aus komplexeren Integrationsaktivitäten i n den technologischen Sequenzen, die ähnlich i m B i l d der Pyramide konzipiert sind. Durch diese Methode können hierarchische Organisationen weit mehr Differenzierung absorbieren als Gruppen, die auf dem Führungsprinzip beruhen. Ihre Grenzen werden dagegen erreicht, wenn sich für eine wachsende Anzahl von informationsabhängigen Technologien die Pyramide als für den Informationsfluß und -austausch ineffizient erweist, wenn der optimale Kontrollumfang reduziert wird, und die Notwendigkeit einer sich ständig erweiternden Überwachung die verfügbare Zeit für grundlegende Operationen auf ein M i n i m u m reduziert, wenn Abhängigkeit, auch nicht personengebundene, als schädlich für die Zusammenarbeit empfunden wird. Die Hierarchie ist i n Regierungstypen der Gegenwart dominant, und zwar i n der bürokratischen Organisationsform. Das Team-Netz als Kooperationstypus zeigt sich derzeit i n vieler Hinsicht als Ausweg aus der Sackgasse, i n die die hierarchische Organisationsform führte. Dies bedeutet, daß nicht nur der persönliche Charakter der Systembindungen aufgegeben wird, sondern auch die A b hängigkeit als ein i m wesentlichen einseitiges Verhältnis. Teams sind Gruppen m i t dem Ziel des Informationsaustausches und der Informationssammlung. Sie streben nach maximaler Offenheit, nach Maximierung der Chancen eines jeden Mitglieds, seinen Beitrag zu leisten. Die initiierende Rolle des Führers w i r d reihum von verschiedenen M i t gliedern des Teams je nach Situation, Aufgabenstellung, Eignungen und Neigungen der Einzelpersonen übernommen. Das Verhältnis von Absichten und Mitteln i n der Hierarchie der Zielsetzungen drückt sich nicht mehr i n einer Hierarchie von persönlicher Sub- oder Superordination aus oder i n einer stufenmäßigen Anordnung von Auszeichnungen und Rängen. Kooperation i m Team-Netz schließt so das Führungsprinzip oder die Hierarchie nicht aus, sie gibt ihnen aber eine neue Richtung und verändert bis zu einem gewissen Grade ihre persönlichen Begleiterscheinungen. Gegenwärtig sind Teams jedoch nur i n wenigen Bereichen dominant. Sie bestehen neben dem Führungsprinzip und bilden sich innerhalb von Hierarchien, die praktisch überall die domi-
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nante Form der Zusammenarbeit i n großem Maßstab bleiben. Sollte sich der Trend zum Team als Kooperationstypus fortsetzen, so scheint dies den ganzen Umfang der Prägung durch Relation i n der Bedeutung zu mindern und eine Hinwendung zu technologischen Gesetzmäßigkeiten m i t sich zu bringen. Teams i n der Regierung entwickeln sich besonders als M i t t e l zur Koordination, allerdings sollten von Anfang an zwei A r t e n unterschieden werden: das Team als Informationspool und das Verhandlungsteam. I n letzteren w i r d die gleiche Ausgangsbasis für alle i m Verhandlungsprozeß engagierten Interessen i n der Offenheit der Gruppe und der Gleichheit der Mitglieder zum Ausdruck gebracht, eine Situation, die i n der Regierung von beträchtlicher Bedeutung ist und auf die w i r später noch zurückkommen werden. 3. Technologie Technologie als eine Dimension strukturierter Kooperation w i r d hier i m weiteren Sinne von Methode, eines Verfahrens oder Prozesses zwecks Erreichung eines Zieles, als eine A r t , Dinge zu tun, verwendet. Der Terminus „Technologie" ist wohl vorzuziehen, da er darauf gerichtet ist, wie sich die Vorgehensweisen ändern, d. h. i n Richtung auf die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse für praktische Zwecke i n einem bestimmten Bereich. Erst wenn Methoden nämlich das Niveau einer Technologie erreicht haben, können sie eine nennenswerte Rolle i n der Strukturierung kooperativer A k t i v i t ä t spielen. Wie die Hinwendung zu Relationen kooperative Strukturen unabhängig von Zielsetzungen machte und sie einer weiten Varietät von solchen öffnete, so geht die Tendenz zu einer technologischen Regulierung i n gewisser Weise sowohl über Zielsetzung als auch über Relation hinaus. Die Technologie stabilisiert die Zielsetzungen, wo möglich, aber verhält sich neutral gegenüber Emotionalität und Motivierung einer jeden gegebenen Zielsetzung. Technologie impliziert auch Relationen, Relationen werden von der Technologie i n steigendem Maße abhängig. Diese gegenseitige Bindung wurde schon frühzeitig von M a r x erkannt und über die kooperativen Systeme zu sozialen Beziehungen als solchen generalisiert. Technologien differenzieren sich durch eine wachsende Anzahl ihrer Elemente, der Eigenschaften der Elemente und durch immer neue A n wendungsbereiche und -methoden. Technologien werden durch Regeln integriert, deren Charakter sich von Norm zu Vorschrift wandelt, vom kategorischen zum hypothetischen Imperativ und die i n der Mehrzahl von allumfassenden Weltanschauungen bis zu detaillierten Definitionen von Anfangs- und Grenzkonditionen i n konkreten Fällen variieren. 3 Speyer 57
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Die Integrationsgrenzen einer Technologie werden durch die Axiome, von denen sich die Regeln ihrer Differenzierung ableiten, definiert. Dies können grundlegende Werte und Voraussetzungen eines Normensystems sein, aber auch — und dies i n wachsendem Maße — der paradigmatische Rahmen, der den kognitiven Feststellungen hinter den technologischen Vorschriften Bedeutung verleiht. I n Technologien zeigt sich jedoch klarer als i n Zielsetzungen oder Relationen ein zweiter Komplex von Grenzen praktikabler Differenzierung. Je mehr der kognitive Charakter einer Technologie hervorgehoben wird, u m so sichtbarer w i r d ihre Abhängigkeit von spezifischen Inputs: Anzahl der Beteiligten, Höhe der Mittel, verfügbare Energie, Kapazität der Hilfsmittel, Typus und Komplexität der Information. Keine Technologie kann sich über die zu einer bestimmten Zeit i n einem bestimmten Bereich zur Verfügung gestellten Inputs hinaus entwickeln. Technologien sind bereichsspezifisch und eignen sich daher weniger leicht als Zielsetzungen und Relationen für die allgemeingültige Identifizierung eines Systemzustandes. I n jedem Bereich kann jegliche Technologie verschiedene Zustandsarten passieren, die durch ihre jeweiligen Integrationsgrenzen definiert sind. Die am häufigsten erörterten Stufen technologischer Entwicklung — Stufen der Arbeitsteilung oder der ständig wachsende kollektive, interdependente Charakter menschlicher Arbeit, Komplexitätsstufen von Werkzeugen, der Trend zur Mechanisierung, die Verbreitung von Energie, die von Lebewesen unabhängig ist, Komplexitätsstufen von Arbeitsverfahren, der Trend zur Produktion i n großen Serien, zur Automation — werden hauptsächlich dem Bereich der materiellen Produktion entnommen und sind daher womöglich weniger umfassend i n ihren Rückwirkungen als allgemein angenommen, insbesondere wenn die Regierung i m zentralen Interesse steht. Eine der wichtigsten Entwicklundsstufen der Technologie ist der Übergang von integrierter, individueller Arbeit, wo ein Arbeiter — oder eine Gruppe von Arbeitern — m i t einem undifferenzierten Prozeß der Produktion eines bestimmten Endresultates betraut ist, zu Serienarbeit, wobei der Arbeitsprozeß i n Operationen differenziert wurde und ein Arbeiter eine Reihe identischer Operationen wiederholt, bis h i n zur automatisierten Arbeit, wo die standardisierten Operationen Maschinen übertragen und zum Teil durch Servo-Mechanismen koordiniert werden (Tourraine, 1962). Diese drei Typen von Integrationsgrenzen i n der Dimension der Technologie sind für die Regierung nur insoweit zur Gänze relevant, wie Operationen der Regierungsarbeit standardisiert und Maschinensystemen übertragen werden können, was möglicherweise i n Zukunft immer häufiger der Fall sein wird.
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I n der Regierung folgt auf den ersten und universellen Stand individueller Arbeit, bei dem ein Beamter oder eine Gruppe von Beamten das Endprodukt hervorbringen — Analysen, Beschlüsse, Anwendung — i n einigen Kategorien auch eine Serie, i n der die Arbeit i n standardisierte, verschiedenen Angestellten zugeordnete Operationen aufgeteilt wird. Der nächste Schritt allerdings ist eher eine Veränderung i n der Methode der Standardisierung als die Übertragung von standardisierten Operationen an Maschinenabläufe. Gegenwärtig besteht die Haupttendenz der technologischen Dimension i n der Regierung i n der Entwicklung von normativen zu kognitiven Methoden der Strukturierung. Die Regeln, die eine Technologie definieren, haben i n erster Linie normativen Charakter, sind Imperative, die Verfahren ohne spätere Rechtfertigung über ihre eigenen kategorischen Befehle und Aufträge hinaus strukturieren. Sie durchlaufen dann verschiedene Formen der Rationalisierung und Pseudo-Rechtfertigung, ihre Wertigkeit allerdings hängt weiter von der Bereitwilligkeit zum Kompromiß ab, sie sind für die Dauer ihrer tatsächlichen A n wendung i n Kraft. Schließlich bilden sich allmählich Verfahrensregeln aus, die i m wesentlichen von der Bereitwilligkeit zum Kompromiß, von Durchsetzungsvermögen und sogar von tatsächlicher Anwendung unabhängig sind. Ihre Überzeugungskraft basiert darauf, daß sie sow o h l notwendig als auch ausreichend sind, u m ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Abstrakt gesehen, bleiben sie gültig, auch wenn sie nicht angewendet werden, j a sogar wenn niemand mehr an dem Ergebnis, das sie erbringen sollen, interessiert ist. Die Regierung, die i m wesentlichen eine großmaßstabige A k t i v i t ä t darstellt, mußte von Anfang an — wie auch immer — strukturieren und stabilisieren. Aus diesem Grund wurde Technologie neben Zielsetzung und Relation benutzt, u m Regierungssysteme zu stabilisieren, lange bevor es möglich war, dies kognitiv zu begründen. Selbst heute ist ein großer Teil der Technologie i n der Regierung normativ oder mischtypisch i n dem Sinne, daß vorgeschriebene Verfahrensweisen i n der Regierung nicht notwendigerweise oder ausreichend Bedingungen zur Erreichung von Regierungszielen darstellen, sondern zumindest teilweise einfache Ordnungsapparate und Koordinationsmittel sind. Da sich neben ihnen, insbesondere i n den produktiven Aktivitäten der Regierung, echte kognitive Technologien zeigen, ergibt sich eine interessante A r t der Retroprojektion von pseudokognitiver Rationalisierung normativer Technologien. Von Prozeduren, die auf magischer und bis ins Detail perfekter Reproduktion geheiligter Formeln basieren, z.B. i n der staatstragenden priesterlichen Rolle der Brahmanenkaste, i m römischen Formalprozeß, i n den English writs, geht die Entwicklung hin zu einem Ausfächern von allgemeinen und speziellen administrati3*
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ven Verfahren. Hier treffen w i r auf eine seltsame Mischung von offen strukturellen Auslegungen dahingehend, daß großmaßstabige Arbeit der Anordnung bedarf, wie auch immer diese gelagert sein mag, m i t der Rechtfertigung durch die Existenz von gegensätzlichen Interessen, die i n der Regierungsarbeit leidlich nur durch Erfüllung des konkreten Verfahrens, so wie vorgegeben, behandelt werden können und zudem m i t der Berufung auf kognitive Argumente, daß dieses oder jenes Ziel nur durch Befolgung des vorgeschriebenen Weges erreicht werden kann. Der nächste Schritt sind — logisch gesprochen — Pseudo-Technologien, wobei Prozesse ausschließlich auf kognitiven Mittel-Zweck-Gesetzmäßigkeiten beruhen, aber diese kognitive Begründung ist noch so unsicher, die betreffenden Erkenntnisse so unklar, daß sowohl Notwendigkeit als auch Suffizienz i n der Relation zwischen Prozedur und Ergebnis zweifelhaft sind. I n diese Kategorie gehört ein größerer Teil der Regierungspolitiken und -prozesse als w i r gemeinhin annehmen, nämlich von Wirtschaft bis Wohlfahrtswesen und von Außenpolitik bis zu Regionalplanung. Ein weiteres Übergangsphänomen sind normativ vorgeschriebene Prozeduren für Bereiche, die i n ihrer kognitiven Basis ausreichend entwickelt sind, u m auf eigenen technologischen Füßen zu stehen. Technische Überwachungsarbeit i n verschiedenen Bereichen von Gesundheit bis Transportwesen gehört hierher. Der Trend vom Normativen zum Kognitiven i n den Technologien der Regierung ist von erstrangiger Bedeutung. Die Streitfrage der A b hängigkeit bzw. Unabhängigkeit i n der Regierung als kooperatives System w i r d primär i n der Dimension der Technologie entschieden. Je mehr Regierungsarbeit i n kognitiv begründeten, echten Technologien strukturiert werden kann, u m so weniger bedarf es der Suche nach Integration durch eine Hierarchie von Zielsetzungen oder Personen. 4. Interdependenz von Zielsetzung, Relation und Technologie Dies ist jedoch nicht alles. Die Strukturierung von kooperativen Systemen, auch der Regierung, i n den drei Dimensionen Zielsetzung, Relation und Technologie hat vielfältige Wechselbeziehungen, und diese Wechselbeziehungen müssen w i r kurz erörtern, bevor w i r uns der Analyse der Politik-Koordination i n der Regierung i n diesem Rahmen zuwenden. Die drei Dimensionen sind i n dem Sinne interdependent, daß sich jede i n der anderen widerspiegelt, und der Stand des Systems i n der einen einen ungefähr entsprechenden Stand i n den beiden anderen hat.
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Persönliche Zielsetzungen entsprechen dem Führungsprinzip und sind — wenn überhaupt — m i t normativen Technologien kompatibel. Unpersönliche systembezogene Zielsetzungen widerspiegeln sich i n der hierarchischen Organisation und finden i n einer Technologie wie die der Verwaltungsverfahren eine höchst kongeniale Mischung von normativen und kognitiven Determinanten. Außerhalb des Systems liegende Zielsetzungen m i t Betonung auf Produktionszielen führen zu TeamNetz-Relationen und können kognitiv begründete Technologien v o l l aufnehmen. Die Übereinstimmung ist aber nicht absolut. Eine der häugisten Quellen praktischer Probleme i n kooperativen Systemen ist präzise die Möglichkeit der Divergenz der Systemzustände auf verschiedenen Dimensionen ungleicher Entwicklung oder ungleicher Umkehrung der Entwicklung. Die Unterschiede zwischen den drei Dimensionen sind gewissermaßen auch systembezogen. I n ihrem Kern besteht womöglich eine charakteristische Strukturierungsfähigkeit kognitiver A r t , die i n Richtung Zielsetzung ganz unbedeutend ist und i n Richtung Technologie an Bedeutung gewinnt. Systembezogene Zielsetzungen — obwohl nicht rein subj e k t i v — bewegen sich auf der relativ Undefinierten Ebene von Programmen, politischen Intentionen, Deklarationen und Resolutionen. Sie können i n mancher Hinsicht interpretiert und reinterpretiert werden, umgangen, m i t Lippenbekenntnissen unterstützt, verdrängt, mißachtet, verdreht oder sabotiert werden i m Verlaufe ihrer Ausführung; sie können ohne zu große Schwierigkeiten als Regel verändert werden. Verglichen mit dieser relativ uneingeschränkten Variabilität der Zielsetzung stehen die strukturellen Relationen dem Einzelmitglied des kooperativen Systems als eine objektive Tatsache des Milieus gegenüber, i n das es eintritt. Selbstverständlich können sich Relationen auch ändern, sie sind sicherlich ein menschliches Produkt, allerdings ist der Modifikationsprozeß durchaus nicht einfach. Jeder gegebene Zustand impliziert so viele erfolgte Anpassungen, verpfändete Hoffnungen, erreichte Positionen und kontrollierte Unsicherheiten, daß Veränderungen auf Widerstand und Empörung stoßen. Der A u f w a n d steigt, je weitergehend die Umgestaltung ins Auge gefaßt wird. Technologien können, wie es scheint, durch die Entwicklung objektiver Grundlagen maximal voranschreiten, wobei nicht der eine beste Weg, sondern der einzige Weg beim gegenwärtigen Erkenntnisstand definiert wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der entgegengesetze Aspekt der Frage ist der Aufwand, den jede Strukturierungsmethode m i t sich bringt. Zielsetzungen sind relativ billig, obwohl die Kosten für ihre Unterstützung zeitweise recht hoch sein können. A l l e Gesetze, Programme, Resolutionen und Absichtserklärungen in einem Regierungssystem repräsentieren einen winzigen
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Teil des Regierungsaufwandes. Verglichen damit kostet die Etablierung struktureller Relationen i n der Regierung beträchtlich mehr, wenn w i r hier zumindest die Unkosten für überwachendes, Hilfs- und nicht i m Arbeitsfluß eingesetztes Personal einschließen. Zudem lassen Technologien, die auf ständig kostenintensiverer Hardware und knapper Software basieren, die Kostenkurven raketenartig himmelwärts steigen. Es folgt daraus, daß die Bereitschaft der Regierung, sich auf die eine oder andere der drei Dimensionen der Strukturierung zu verlassen, i n großem Maße von ihrer Fähigkeit abhängt, die notwendigen Inputs (Mittel) zu besorgen. Die Tendenz der Entwicklungsländer, sich mehr als i m Normalfall auf Festigkeit und Allgemeingültigkeit der Zielsetzung zu verlassen bei ihren Bestrebungen, den Entwicklungsprozeß, das Wirtschaftswachstum, die Bildung einer Nation, den sozialen Reifungsprozeß, die Befreiung durch Akzeptierung von sog. „Mobilisationsregimen" (mobilization regimes-Apter) zu beschleunigen, könnte weitgehend durch den Kostenzwang erklärt werden. Zielsetzungen sind schließlich gewissermaßen sowohl mehr ausschließlich als auch einschließlich als Relationen oder Technologien. Die Koordination von Zielsetzungen impliziert eine Prioritätenordnung. Je weniger M i t t e l vorhanden sind, u m so weniger Rechtfertigung besteht, die Liste sehr lang werden zu lassen. Je ärmer die Regierungen sind, u m so stärker ist die Tendenz, alles einer überstrapazierten Zielsetzungen unterzuordnen und alles auszuschließen, was nicht i n diese einzige Perspektive paßt. Die Annahme, daß die Erreichung dieses einen Ziels die Lösung fast aller anderen Probleme m i t sich bringen oder die Lösung wenigstens erleichtern wird, besteht weiterhin, obw o h l die diesbezügliche Beweislage alles andere als überzeugend ist. Der Ausschluß von allem „Irrelevanten" w i r d auch automatisch alle dem System verfügbaren M i t t e l i n der gewählten Richtung konzentrieren. Es besteht die Möglichkeit, daß diese Konzentration Probleme schafft, da sie der augenscheinlichen Vielzweck-Funktion der Regierung i n der modernen Gesellschaft entgegenläuft. II. Wie kombiniert die Regierung ihre verschiedenen Aktivitäten zwecks Erlangung möglichst effektiver und harmonischer Resultate, d. h. wie koordiniert sie diese? I n erster Linie durch die Stabilisierung der Multiplizität ihrer Zielsetzungen i n Form von Politiken mittels Auswahl aus alternativen Handlungsweisen angesichts bestimmter Konditionen, wodurch Richtlinien für künftige Entscheidungen über die die fragliche Zielsetzung betreffenden Angelegenheit geschaffen werden. Darüber hinaus und
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mehr allgemein werden Zielsetzungen i n Programmen ausgedrückt, durch Planprioritäten strukturiert und i n Gesetzen abstrahiert. Zwecks größerer Stabilität werden Zielsetzungen strukturellen Relationen einverleibt, wie wenn eine neue Regierungsabteilung geschaffen wird, u m einen neuen Bereich von Regierungszielen und »Interessen kontinuierlich zu entwickeln und zu betreuen. Ein weiterer Schritt ist der Aufbau von Technologien, u m nicht nur die Zielsetzungen zu standardisieren, sondern auch die Methoden, diese zu v e r w i r k lichen, wie z. B. Ausbildungspläne zwecks Erreichung bestimmter Spezialistenprofile und auch u m Einzelpersonen i n als wünschenswert erachteten Richtungen zu beeinflussen. Der koordinierende oder integrierende Effekt der Stabilisierung i n einer der drei Hauptdimensionen w i r d durch Ausschluß erreicht, durch Auslassung aller Alternativen außer der einen ausgewählten. Die Regierung besitzt jedoch einen wesentlichen und dynamischen VielzweckCharakter. Der ständige Prozeß der Differenzierung ist eine Negierung der Stabilität. Er erfordert die periodische Veränderung der integrierenden und koordinierenden Grenzen, die jeweils i n einem Regierungssystem bestehen, i n Richtung toleranterer, umfassenderer und vielleicht auch unklarerer Formen. Integration w i r d niemals definitiv erreicht, sie w i r d stets nur angestrebt und dies stets unter neuen Bedingungen innerhalb weiterer Grenzen, die ihre Erlangung immer problematischer machen. Gleichermaßen hängt der Prozeß der Stabilisierung von Zielsetzungen zu Relationen und Technologien von wachsend spezifischen und unentbehrlichen Inputs (Mittel) i n immer größerer Quantität und Qualität wie auch vom zufälligen Anwachsen der Anspannung ab. Eine Krise des Inputs i n einem komplexen Regierungssystem kann Strukturen und Technologien der Stabilität berauben, wie auch ungewöhnliche Anspannung sie unwirksam machen und die Integration zu einfacheren Methoden zurückzwingen kann, was gewöhnlich Integration durch Zielsetzung bedeutet. Der Prozeß zur Stabilisierung ist doppelt reversibel durch die Notwendigkeit periodisch den bestehenden Integrationsrahmen aufzugeben und den Weg zu neuen und weiteren Generalnennern zu finden sowohl unter dem Einfluß von mangelnden Eingaben (Input-starvation) als auch Anwachsen des Umweltstress. I n jedem dieser Beispiele kehrt die Regierung zur Zielsetzung als einfachem Katalysator zurück. Nicht nur politische Ereignisse — von Wahlen bis zur Revolution — konzentrieren die Aufmerksamkeit auf die Zielsetzung i n der Regierung. Jedes neue Programm, wie auch jede Neuakzentuierung eines bereits bestehenden, jedes unerwartete Ereignis, jede störende Span-
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nung werfen eine Regierung zurück auf die Zielsetzung als Methode der Orientierung. Ein wohl symbolisches Beispiel ist die älteste A k t i v i t ä t der Regierung, das Militär. Das moderne M i l i t ä r ist eine weitgehend bürokratische Organisation. Zielsetzungen werden zu Funktionen, Verrichtungen, begrenzten Verantwortlichkeiten und sind miteinander in sehr komplexen Hierarchien durch Überwachung und Kommunikation verbunden. Die Zielsetzung des ganzen Systems ist jedoch die Anwendung organisierter Gewalt unter eventuell sehr angespannten Bedingungen, nämlich zu kämpfen. Diese übergeordnete Zielsetzung führt in Friedenszeiten zu einem grotesken Anstrich. Menschen werden ausgebildet, unter künftigen und eventuellen angespannten Bedingungen tätig zu sein. Da diese Bedingungen nicht gegenwärtig sind, werden die Anforderungen an Disziplin, unkritischer Subordination, simulierten Härten von den zu Friedenszeiten Ausgebildeten m i t einer Mischung aus Spott und Ärger empfunden. I m Kriegsfall jedoch sind dies die normalen und einzig möglichen Lebensbedingungen; die ganze Armee kehrt in diesem Fall von unpersönlichen zu i m Kommandeur personifizierten Zielsetzungen zurück, von einer bürokratischen Organisation zu einem Kreis von Führungsgruppen, die durch ein umfassenderes Führungsprinzip koordiniert werden, von standardisierten Prozeduren zur Orientierung an Ort und Stelle. I m eigentlichen Gefecht kann sich diese Rückorientierung fortsetzen, und eine militärische Einheit, die ihrer Führung beraubt wurde, w i r d nur noch als einfache kooperierende Gruppe m i t dem Ziel zu überleben tätig werden. Gewissermaßen kann die ganze Regierung als kooperatives System gesehen werden, das von einer Zielsetzung ausgeht, i n ständig wachsende Spielräume von Absichten und Interessen expandiert, sich durch Politiken, Strukturen und Technologien stabilisiert, nur u m dann vorwärtsgedrängt durch den Differenzierungsprozeß oder zurückgeworfen durch Regression und Krisen aller A r t den Rahmen der etablierten Integrationsgrenzen erneut zu sprengen. Wenn w i r von dieser umfassenden Betrachtungsweise auf die Ebene individueller Dimensionen zurückkehren, sehen w i r die Regierung von persönlichen zu unpersönlichen systembezogenen und dann zu über das System hinausgreifenden Zielsetzungen übergehen, vom Führungsprinzip zur Hierarchie und weiter zu Team-Relationen, von Arbeit i n Einheiten zu normativen und weiter zu kognitiven Technologien. I m römischen Magistrat dominieren nicht weniger als i n Machiavellis „Principe" die Zielsetzungen des Herrschenden über die Gruppe der Beherrschten und Sklaven, über das System der i h m zur Verfügung stehenden Höflinge und Söldner. Diese Sachlage ist unabhängig von der Wertigkeit der persönlichen Motive, die von einer dem Magistrat
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auferlegten vollkommen selbstlosen Uneigennützigkeit („obliti privatorum publica curate") bis zu der ausschließlich selbstsüchtigen Unbarmherzigkeit des Fürsten rangieren i n heutigen Regierungssystemen, egal welche Position der oder jener individuelle Amtsverwalter innehat, w i r d die Staatsräson nicht mehr aus den Zielsetzungen von Einzelpersonen abgeleitet. Es ist eher umgekehrt, und Regierungschefs sehen sich festen, allgemeinen Zielsetzungen verpflichtet — von Monroe-Doktrinen, territorialen Interessen an bestimmten Grenzen (z. B. Zugang zu einem eisfreien Meer), Bewahrung spezifischer Machtverhältnisse (z.B. eine Seemacht, die größer als die der beiden nächsten mächtigsten Konkurrenten ist) bis zu höchst ehrgeizigen weltumfassenden Missionsgedanken (z. B. die Welt reif für die Demokratie zu machen, den Sozialismus zu verbieten). Sowohl die persönlichen wie auch die unpersönlichen systembezogenen Zielsetzungen üben einen starken koordinierenden Effekt auf die Gesamtpolitiken (-Strategien) der Regierung aus. Die Integrationswerte des über das System hinausgehenden Zustands andererseits, wie soziale Solidarität, allgemeine Wohlfahrt, sozialökonomische Entwicklung, sind zu weitgefaßt und abstrakt, um den gleichen Einfluß auszuüben. I n dieser Phase muß die Hauptlast der Koordination auf andere Dimensionen, nämlich Relation und Technologie verlagert werden. I n der Regierung w i r d das Führungsprinzip i m Monarchen oder dem einzigen starken Mann eines Präsidialregimes verkörpert. Es w i r d durch bürokratische, als funktionale Hierarchie organisierte Regierungsformen und deren Träger ersetzt, obwohl das Führungsprinzip weiterhin attraktiv bleibt wegen seines signifikanten Koordinationspotentials. Die Gedanken Williams Pitts, wenn er i m Jahre 1803 sagte: „The power must rest i n the person generally called the prime minister . . . " (Finer, 1960), wirken noch heute nach. Unter Max Weber spricht von der bürokratisch-monokratischen Form der Regierung. Hierarchie ist allerdings immer noch eine erfolgbringende Koordinationsrelation verglichen m i t dem, was w i r über den Trend zu einer Regierung als Zusammenschluß von i n großen Dienstleistungsnetzen arbeitenden Teams wissen. I n dieser Phase verliert auch Koordination durch Relation ihre Effektivität. Die Betonung liegt immer mehr auf der Technologie. Die Technologie i n ihrer Entwicklung von Entscheidungen salomonischer Unparteilichkeit über alle Arten von Verfahren zu den objektiven Methoden angewandter Wissenschaft erlangt einen wachsenden Koordinationswert, allerdings nur für den Bereich, auf den sie angewendet wird. Das Problem allgemeiner Technologien, wie auch das der „specialists i n generality", ist eines der Hauptprobleme der Regierungskoordination, das i n Teil I I erörtert wird.
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Die Ebene von Dimensionen, obwohl als Hintergrund signifikant — ist noch zu abstrakt, u m die praktischen Probleme der Koordination zu behandeln, an denen w i r primär interessiert sind. Die nächst niedrigere Ebene ist die Berücksichtigung jenes Entwicklungsabschnitts, i n dem sich heute die meisten Regierungen i n Europa befinden, d.h. irgendwo i m Übergang von Phase 2 zu Phase 3 i n allen Dimensionen — und wo w i r alle Arten von Koordinationsfehlschlägen finden, die in einer der drei Dimensionen eintreten können. Betrachten w i r drei Beispiele: 1. Das Wirtschaftsministerium muß alljährlich die Voraussetzungen regeln, unter denen die Touristik-Unternehmen und »Organisationen Regierungskredite für Investitionen und Deckung ihrer Betriebskosten erhalten können. Die Verordnung hängt von den durch das Finanzministerium verfügten Bestimmungen über den Prozentsatz der Einnahmen i n ausländischer Valuta ab, den die TouristikUnternehmen und -Organisationen bei der Nationalbank abzuführen und umzutauschen haben. Diese Bestimmungen unterliegen wiederum dem vom Etatausschuß verfügten Ansatz hinsichtlich des benötigten Valutaaufkommens der Regierung. Jede Verzögerung über einen relativ früh vor Beginn der Touristiksaison liegenden Zeitpunkt hinaus macht die Verordnung für den Touristiksektor i n dem betreffenden Jahr wirkungslos. Der Etatausschuß könnte sich allerdings auf Schwierigkeiten berufen, einen verläßlichen Ansatz hinsichtlich des Valutabedarfes rechtzeitig vor dem kritischen Zeitpunkt zu erarbeiten. 2. Bei der Vorbereitung einer allgemeinen Volksbefragung konsultiert das Statistische Zentralamt üblicherweise alle Regierungsressorts hinsichtlich der einzubeziehenden Informationen. I m Extremfalle könnte ein Ressort die Initiative unbeachtet lassen oder die A n t wort würde verlorengehen. Häufiger jedoch t r i t t der Fall ein, daß die Anfrage innerhalb des Ressorts der falschen Stelle übergeben wird, und eine Routineantwort erfolgt, die unangemessen ist, da sie nicht alle Bedürfnisse des Ressorts hinsichtlich statistischer Information berücksichtigt. Auch könnte i m internen Kommunikationsfluß eine Verzögerung eintreten, so daß die schließlich erarbeitete A n t w o r t zu spät eingeht, u m die Abfassung der Fragebogen noch beeinflussen zu können. Außerdem können interne Unstimmigkeiten auftreten hinsichtlich der tatsächlich benötigten Informationen, und einige Abteilungen könnten sich durch übergeordnete Stellen innerhalb des Ressorts übergangen fühlen, und ihre Informationsansprüche würden nicht an das Statistische Zentralamt weitergeleitet werden. Schließlich ist es möglich, daß das Statistische Zentral-
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amt angesichts aller an es herangetragenen Forderungen der einzelnen Ressorts feststellt, daß die Einbeziehung aller gewünschten Informationen die Durchführung der Volksbefragung zu umständlich gestalten würde. I n der Tat können w i r i n der Regierungskoordination eine Tendenz vermuten, die letztlich gerade zu folgender Situation führt: Ressorts, die sich darüber uneinig sind, was vernünftig ist und notwendigerweise an die gleiche Frage von verschiedenen Gesichtspunkten und Aufgabenstellungen herangehen, d. h. aufgrund einfacher Unkenntnis und Dysfunktion durch interne und externe Unterschiede i n der Auslegung bis h i n zu fundamental verschiedenen Einstellungen, die sich aus unterschiedlichen Globalzielsetzungen ergeben, wachsen die Kommunikationsschwierigkeiten mit der Expansion des Systems und werden zu tatsächlichen Konflikten. 3. Zwecks Erhöhung der Produktivität der Wirtschaft importiert das Landwirtschaftsministerium hochwertiges Zuchtvieh zur Verbesserung des Viehbestandes, wobei das Zuchtvieh den einzelnen Viehzüchtern und großen landwirtschaftlichen Unternehmen unter günstigen Bedingungen zur Verfügung steht. Das Finanzministerium, das davon Kenntnis hat, sieht keinen Grund, seine Politik der progressiven Besteuerung der Viehhalter zu ändern i n Verfolgung einer w o h l parallelen, doch hier klar konträren Politik der Verhinderung von Kapitalanhäufung i n den Händen einzelner Landwirte. Vorausgesetzt, daß beide Strategien auf der politischen Ebene akzeptiert werden, kann der K o n f l i k t nur auf dieser Ebene gelöst werden, obwohl es sich nicht u m eine echte Alternative handelt, sondern eher u m eine Frage des Mehr oder Weniger, der richtigen M i t t e l und der Einsicht. Nehmen w i r eine Variation der obigen Situation an: das Finanzministerium verfolgt eine Politik zur Verhinderung von K a pitalanhäufung i m Sinne der gleichen Globalzielsetzung wie das Landwirtschaftsministerium, d. h. Steigerung der Produktivität der Wirtschaft. Durch Verordnung belegt es alle durch ein Wirtschaftsunternehmen neu erworbenen A k t i v a m i t restriktiven Konditionen. I n landwirtschaftlichen Betrieben fällt der Viehbestand unter die Definition „ A k t i v u m " , so daß auf diese Weise die Verordnung des Finanzministeriums den Effekt der Politik des Landwirtschaftsministeriums für landwirtschaftliche Betriebe aufhebt. Hier liegt kein erkennbarer K o n f l i k t der Zielsetzungen vor, sondern ein K o n f l i k t der Strategien. Das erste Beispiel illustriert das Dilemma der Zeit wie auch des Raums und anderer aristotelischer Anforderungen der dramatischen Einheit. Es ist das technische Problem der Koordination. Können Operationen der Regierung so zusammengepaßt werden, daß ihre Inter-
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dependenz i n Gleichzeitigkeit oder angemessene Folgerichtigkeit angesichts eines akzeptierten unstrittigen Zieles umgesetzt wird? Das zweite Beispiel zeigt das Dilemma der Einschränkungen (Zwänge). Die Zielsetzungen der Regierung müssen unter Beschränkungen von Mitteln, Information und Personal verfolgt werden, und nur das ist relevant, was innerhalb dieser Zwänge machbar ist. Das technisch perfekteste System der Steuerveranlagung und -einziehung ist nutzlos, wenn der Computer, der für die Analyse der Daten benötigt wird, nicht verfügbar ist, und die Installation modernster Computertechnologie h i l f t nicht weiter ohne die sie anwendenden Spezialisten. Das dritte Beispiel schließlich zeigt die tatsächlichen Konflikte zwischen politischen Zielsetzungen bzw. zwischen divergenten Auslegungen des einen und gleichen Ziels. Die Koordinationsapparate und -verfahren, die i m zentralen Interesse dieses Kolloquiums stehen und i n seinen Arbeitsgruppen ausführlich erörtert werden, können ebenfalls nach den drei Hauptstrategien von Zielsetzung, Relation und Technologie klassifiziert und innerhalb jeder Klasse können sie durch eine Hauptorientierung unterschieden werden: hinsichtlich Erleichterung der Kommunikation und Austausch kritischer Informationen, nach Identifizierung von Zwängen und ihrer Signifikanz für die A k t i o n oder i n Richtung der Identifikation des Konflikts und seiner Lösung innerhalb der Spielregeln des Systems. Die Zielsetzung der Koordination durch bessere Kommunikation w i r d einerseits durch Politiken zur schnelleren, vollständigeren und verläßlicheren Verbreitung relevanter Informationen gedient und andererseits durch Politiken, die Kongruenz i n der Interpretation von übermittelter und zur rechten Zeit erhaltenen Information erzielen sollen. Beim ersten Ziel w i r d das Problem infolge ständiger Differenzierung der Zielsetzungen hauptsächlich als Problem des Ausschlusses empfunden. Wie kann das System und seine Teile vor einer Informationsüberlastung geschützt werden? Vereinfachung, Standardisierung, Schabionisierung sind u m so schwieriger zu verhindern, je größer das System ist. Der Sprung von einem Integrationsrahmen zu einem weiteren und umfassenderen ist außergewöhnlich und für die Bürokratie meistens ein traumatisches Ereignis. Daher w i r d dies i n der normalen administrativen Analyse übersehen und die „Search-and-Stick"-Methoden der wohl-regulierten tagtäglichen Entscheidungen werden übermäßig betont (Cyert und March, 1963). Bei einer ausgeglicheneren Betrachtungsweise zeigt sich, daß der Ausschluß irrelevanter Informationen und die Änderungen der Relevanzkritierien zwei Aspekte eines einzigen dialektischen Prozesses sind.
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Das gleiche gilt für Koordination i n der Interpretation. Interpretationsregeln, obligatorische Klärung durch verschiedene Einheiten, die Proklamation einer offiziellen „Wahrheit", die Absorption von Ungewißheit sind allesamt darauf gerichtet, die Unterschiede i n der Auffassung der gleichen Politik i n den verschiedenen Teilen des Systems zu reduzieren. Aus diesem Grunde sind sie anfälliger für Differenzierung — oder besser — sie bedürfen i n größerem Maße ständiger Reinterpretation und gänzlicher Veränderung. Übertriebene Betonung der Identität der Standpunkte i n einem administrativen System, z. B. durch den Versuch, allen m i t Entscheidungen betrauten Personen eine bis ins einzelne gehende und emotional signifikante Ideologie einzugeben, zeigt mangelndes Verständnis für die Verbindung von Gegensätzen, nämlich Stabilität und Veränderung, die für eine Regierung als kooperatives System charakteristisch ist. Die vermehrte Interpretationsstabilität und -Verläßlichkeit w i r d durch einen Verlust der Anpassungsfähigkeit wettgemacht, wodurch es erforderlich wird, daß sich die Integrationsgrenzen öfters als sonst ändern oder eine signifikante Reduktion i n der funktionalen Effizienz erfahren. Ein Konflikt von Zielsetzungen i n einem großen, innerhalb hierarchischer Grenzen organisierten System führt normalerweise dazu, daß sich die Entscheidungsebene i n der Hierarchie nach oben verlagert. Diese Verlagerung hat einen Nachteil, sie involviert mehr Mitglieder, benötigt mehr Zeit und trägt insbesondere zu einer eventuellen Überlastung der Pyramidenspitze bei (Axelrod, 1970). Dieser Effekt ist einer der Hauptgründe der Krise i n der hierarchischen Organisation als I n tegrationsprinzip i n sehr großen Systemen, wie z. B. der Regierung. Pyramiden sind ungeeignet für Kommunikation, denn sie tendieren dazu, die größte Informationslast am engsten Punkt des Systems, der Spitze, zu konzentrieren, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn dezentralisierende Apparate scheiterten. Und dies genau ist beim Konf l i k t der Fall. Dringende Intervention und überwindender Konsensus zwischen verschiedenen Teilen des Systems sowie Vorausplanung und Festlegung von Prioritäten sind i n hierarchischen Organisationen wie der Regierung normalerweise der Spitze vorbehalten. Dies heißt so viel, wie zu sagen, daß Konfliktmanagement i n der Struktur enthalten ist, nämlich i n den relativ festgefügten Relationen, die für die Hierarchie charakteristisch sind. Dies ist die Hauptquelle struktureller Spannung i m System und erklärt bei derartigen Kooperationssystemen den außerordentlich hohen Einsatz an M i t t e l n für die Strukturerhaltung, also Gestaltung, Durchführung, Instandsetzung und geplante Relationsveränderungen, was gemeinhin Verwaltung genannt wird.
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Bei den Regierungsstrukturen, die der Koordination dienen, können zwei große Gruppen unterschieden werden: Organisationen und Einheiten, die ausdrücklich m i t Koordinationsaufgaben betraut sind, und Apparate, die indirekt durch die Logik der etablierten Relationen Koordinationszwecken dienen. I n die erste Gruppe gehören die Informationsdienste, z. B. Statistik, Datenbanken, automatische Informationssammlung, Informationsverarbeitung und Information-Retrieval-Systeme; das interne Management, d. h. Personal, Organisation und Methoden, Programm- und Etatauf Stellung, Versorgungswesen, Archive, Bauwesen; Hilfsdienste, die gewöhnlich politischen Koordinationseinheiten angegliedert sind, wie die Sekretariate von Ministerrat und Regierung, das persönliche Kabinett der Minister; Kontrollorganisationen, die m i t Macht und Verantwortung ausgestattet sind, u m i n gewisser Weise die Arbeit anderer Regierungsbereiche zu überwachen, wie Schatzkanzler oder Finanzminister i n vielen Systemen, Kontrollkommissionen oder Kontrollministerien, der Ombudsmann und seine Äquivalente; Planungsämter, die verschiedene Tätigkeiten inklusive die der Regierung koordinieren hinsichtlich der breiten, gemeinsamen Zielsetzungen, wie Entwicklung, Industrialisierung etc. Die Hauptaufgabe der Organisationen innerhalb dieser Gruppe ist es, m i t den Beschränkungen an Information, Menschen und Mitteln, die der Wirksamkeit des Systems Grenzen setzen, fertig zu werden, sowie die Lösung technischer Probleme der Koordination unter selbständigen Bereichen der Regierung zu erleichtern. Die zahlreichen politischen Strukturen zur Koordination des Regierungssystems von der politischen Ebene aus sind separat zu betrachten. Das Verfahren der Koordination hängt i n erster Linie vom grundlegenden Verfassungstypus ab. Ob es sich nun u m eine rein parteigebundene Regierung handelt, wo Koordination durch die Penetration und ideologische Mobilisierung der Regierungsmaschinerie seitens einer einzigen politischen Partei erzielt wird? Oder handelt es sich u m ein Körperschaftsregime, i n dem politisch repräsentative Körperschaften danach streben, den ganzen Regierungsprozeß — und nicht nur die Gesetzgebung — unter ihrer direkten Kontrolle zu halten? Oder handelt es sich u m ein parlamentarisches System i n einer seiner Spielarten, wo die Regierungsmacht auf einem ständigen Konsensus zwischen der repräsentativen gesetzgebenden Versammlung und einer kollektiven Exekutiv-Gruppe der Regierung basiert, oder u m ein Präsidialsystem m i t seiner starken Ein-Mann- Exekutive, oder u m ein System politischer Bürokratie, wo auch die politischen Entscheidungen von den höchsten Beamten der Bürokratie gefällt werden? Es gibt Anzeichen für eine Annäherung dieser traditionellen Typen und für ein mehr eklek-
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tisches Verfahren, wobei Elemente aus verschiedenen Entwürfen zu einem neuen Koordinationsmechanismus kombiniert werden. Organisationsapparate zur Erleichterung der Koordination sind i n erster Linie zur Entlastung der Spitze der hierarchischen Pyramide angelegt. M i t der Ausdehnung ihrer Mitgliedschaft tendieren politische Exekutiv-Gruppen dazu, konzentrische Kreise zu entwickeln, z.B. ein Kabinett innerhalb der Regierung und ein inneres Kabinett i n diesem Kabinett, u m die Anzahl der an einer Entscheidung beteiligten I n d i v i duen zu reduzieren. Regierungsabteilungen sind auch i n Schichten angeordnet, so daß Abteilungen der oberen Schicht die Einheiten i n der unteren koordinieren, oder sie sind i n einen inneren und einen oder mehrere äußere Ringe geteilt, so daß der innere Ring enger koordiniert ist, während die folgenden äußeren Ringe einen immer stärker werdenden autonomen Status haben. Die äußeren Ringe umfassen Dienste m i t klaren Technologien und Organisationen, die durch verschiedene Apparate reguliert werden, z. B. den Markt, wie auch Regierungsgesellschaften und nationalisierte Industrie. Wann immer es sich als möglich erwies, kooperatives Verhalten durch explizite Technologien zu regulieren, wurde gleichzeitig ein großer Teil des Koordinationsproblems gelöst. Standardisierte Operationen sind i n all ihren wesentlichen Dimensionen vorhersehbar und können bis zu einem gewissen Grad gegen Störungen i n der Umwelt und gegen personelle Veränderung resistent gemacht werden. Aus diesem Grunde haben standardisierte Methoden und Verfahren i n der Regierung eine lange Geschichte, lange bevor echte Technologien für alle Regierungsbereiche erarbeitet werden konnten. Das klarste Beispiel ist das allgemeine Verwaltungsverfahren. I n einer Reihe von Ländern müssen Regierungsstellen bei Entscheidungen, die Rechte oder gesetzlich geschützte Interessen der Bürger betreffen, standardisierte Verfahrensregeln beachten. Diese Forderung w i r d durch hierarchische Überwachung und Möglichkeit der Anrufung höherer Verwaltungsautoritäten durchgesetzt sowie durch Gerichtshöfe, allgemeine und Verwaltungsgerichte, die Verwaltungsbeschlüsse, die unter Mißachtung der Verfahrensregeln gefaßt wurden, aufheben und bisweilen sogar ersetzen können. Die üblichen Gründe für die Einführung von Verwaltungsverfahren, ob allgemein oder speziell, bestehen einerseits darin, daß Standardisierung die Beschlußfassung erleichtert, wo eine große Anzahl von fast gleichen Fällen vorliegt und andererseits, daß die Bestimmungen gewisser Verfahrensschritte, z.B. daß keine Entscheidung ohne Anhörung der betroffenen Partei oder Parteien erfolgen kann, eine Sicherung der Rechte darstellen, die als schutzwürdig gegen Regierungsaktivitäten erachtet wurden. A u f den
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ersten Blick widersprechen sich die beiden Gründe: was zur Zweckmäßigkeit beiträgt, kann Rechte gefährden und umgekehrt. I n der Tat ist bei beiden Aspekten der Verwaltungsakt ein Beispiel für Koordination durch Technologie. Die Strukturierung einer A k t i v i t ä t durch Normen, auch wo keine „objektive" Gesetzmäßigkeit sie einschränkt, reduziert die Unsicherheit durch Kanalisierung der Erwartungen. Es w i r d z. B. dadurch möglich, den Entscheidungsprozeß auf tiefere Ebenen i n der Hierarchie zu dezentralisieren, wo einzelne Beamte, die Verfahren bis zur endgültigen Entscheidung führen, die i n ihrem Namen und i n ihrer ausdrücklichen persönlichen Verantwortung erfolgt, i n größerem Maße durch bestehende Regeln als durch persönliche hierarchische Überwachung kontrolliert werden. Die meisten Dienstleistungsbereiche der Regierung werden i m Unterschied zu den traditionellen machtausübenden Bereichen (Verteidigung, Auswärtiges, Inneres, Justiz, Finanzen) i n wachsendem Maße durch das Vorhandensein von Technologien i m streng technischen Sinne koordiniert, wobei ihre Hauptaktivitäten standardisiert werden. Transport- und Verkehrswesen, Gesundheit, Erziehung, Sozialwesen, Energiepolitik, die meisten wirtschaftlichen Bereiche, Planung und Städtebau, öffentliche technische Dienste, wie Meteorologie, Geologie, Landesvermessung, Umweltschutz, lokale öffentliche Einrichtungen etc., werden immer mehr durch technologische Regeln strukturiert, die ihre verschiedenen Bestrebungen regulieren und daher von der expliziten Koordinationstätigkeit der Regierung immer unabhängiger machen. Hinzu kommt die technologische Umgestaltung der klassischen Bereiche, die Entwicklung der militärischen Technologie zum Beispiel, oder die „Neutralisierung" der Polizeiarbeit als technische Anwendung der Erkenntnisse i n Kriminologie, Sozialpsychologie, Psychiatrie, Erwachsenenbildung sowie die Automation der Buchhaltung und des Finanzwesens. Die Informationsrevolution i n den 60er Jahren hat neue überwölbende Technologien i n Datenanalyse und Planung geschaffen. Insbesondere die Entwicklung von Techniken für Planung i n großem Maßstab hat die Regierung m i t dem Problem konfrontiert, den politischen Entscheidungsprozeß von den rein administrativen Elementen i n der Planung zu trennen. Beide sind derart eng miteinander verflochten und so interdependent, daß es sinnvoller ist, von einem kontinuierlichen politischtechnischen Prozeß zu sprechen, als zu versuchen, den alten Mythos von administrativen Regierungsbehörden aufrechtzuerhalten, die die materiellen Grundlagen vorbereiten und die Pläne ausführen, während die Entscheidungen durch politische Beschlußgremien gefällt werden, die m i t dem technischen Aspekt des Plans nichts zu tun haben. Das Festhalten an dem alten B i l d der Trennung zwischen politischen und technischen Elementen der Regierungsplanung hat häufig zur Büro-
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kratisierung des politischen Prozesses und zur Verdrängung seiner Zielsetzungen beigetragen. III. Wie ich beschrieben habe, ist die institutionelle Realität der Regierung, die Realität, m i t der w i r leben müssen. Und wenn w i r bewußt anfangen, sie zu verändern, so sind uns durch die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten der Differenzierung und des Integrationsprozesses Grenzen gesetzt. Die Erfahrung hat ausreichend gezeigt, wie Umgestaltungen die diese Grenzen mißachteten, zu anderen Ergebnissen als beabsichtigt führen, wie auch das Versäumnis, Veränderungen herbeizuführen, die durch die Entwicklung notwendig wurden, m i t Stagnation oder Explosion bestraft wird. Wenn Integrationsgrenzen eines kooperativen Systems für die interne Mannigfaltigkeit, die durch die klar relevante Umwelt erforderlich ist, zu eng werden, so müssen sie durch einen weiteren Rahmen, durch tolerantere Generalnenner ersetzt werden, ansonsten w i r d das System durch steigende innere Spannungen „heiß laufen". Andererseits w i r d eine Komplexität, die größer ist als erforderlich, u m der relevanten Umwelt zu entsprechen, von den M i t gliedern des Systems und anderen gleichermaßen als fehlende Koordination und Integration, als Chaos und Anomie empfunden, wodurch die Ungewißheit i n gefährlichem Maße wächst, sowohl i m psychologischen Sinn der Unsicherheit als auch i m institutionellen Sinn der Nichtvorhersehbarkeit. Wenn dies nicht nur eine Metapher bleiben soll, wollen w i r die Probleme der Politik-Koordination i n der Regierung betrachten, wobei „Problem" als eine Schwierigkeit ohne augenscheinliche Lösung innerhalb der gegenwärtigen Leitsätze definiert wird. 1. Wenn man bei der Dreiheit Zielsetzung-Relation-Technologie bleibt, ergibt sich zuerst das Problem von Zielen, Absichten und Interessen i n der Regierung. Wessen Ziele oder wessen Interessen sind die der Regierung? Wer sind die Mitglieder des kooperativen Systems, das sich „Regierung" nennt i m weitesten Sinne? Die Fragen deuten auf einen grundlegenden Doppelsinn hin. Ist die Regierung der Ausdruck sozialer Solidarität, repräsentiert sie die Gemeinschaft der Bürger, wie auf der einen Seite des Meinungsspektrums behauptet wird? Oder ist sie eher eine Organisation, die aus Politikern und Bürokraten besteht mit umrissenen Ordnungsaufgaben, die jedoch ständig dazu neigt, ihre Grenzen unter dem Antrieb ihrer systemspezifischen internen Interessen und mittels ihrer Möglichkeit, übermächtige Gewalt anzuwenden, zu überschreiten, wie auf der anderen Seite behauptet wird. 4 Speyer 57
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I n der Geschichte wie auch in der politischen Anthropologie gibt es Beispiele einer Regierung als separate Organisation nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern innerhalb des nachgeordneten Bereichs der politischen Organisation, so daß vorübergehend zwei politische Netze nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren: die Stammeshäuptlinge und die lokalen Repräsentanten einer zentralen Macht jenseits und über ihnen (Balandier, 1967; Lloyd, 1968; Southwold, 1968). Es gibt jedoch auch Beispiele, bei denen die Regierung i n ihrer Entwicklung enger an soziale Gruppierungen gebunden ist wie i n einigen Stadtstaaten des Altertums und der Renaissance. Der Unterschied zwischen politischer und bürgerlicher Gesellschaft w i r d bei Hegel bestätigt sowie auch deren Wesenseinheit behauptet wie i m Kollektivwillen Rousseaus. Eine Entwicklung zur Rationalität i n den zwischenmenschlichen Beziehungen, inkl. ihrem politischen Aspekt, w i r d erkannt wie bei Weber, aber auch die periodische Sehnsucht danach, daß i n der Regierung die menschliche Solidarität und die emotional befriedigenden Aspekte der Gemeinschaft zum Ausdruck kommen (Wolin, 1960). Gegenwärtige Entwicklungen scheinen sowohl m i t einer pluralistischen Betrachtungsweise der Regierung als Zusammenschluß öffentlicher Dienste kompatibel zu sein als auch m i t einer monistischen Ideologie der Regierung als Organisator nationaler Entwicklung und als Sachverwalter der Zukunft der Gesellschaft. Die Differenzierung von Interessen, Zielsetzungen und Absichten ist eine Tatsache ungeachtet der vorherrschenden Betrachtungsweise innerhalb oder außerhalb der Regierung. Die vorrangige Frage ist, was aus dieser Tatsache gemacht wird. Hierzu gibt es zwei deutlich hervorzuhebende Anschauungen. Bei der einen w i r d dem Differenzierungsprozeß i m wesentlichen freien Lauf gelassen. Die wissenschaftlich begründete Erklärung für diese Haltung hat eine soziologische oder zynische Version i m Glauben, daß die Differenzierung von Interessen auch ihre Zersplitterung bedeutet: mehr Menschen werden i n zunehmendem Maße i n mehr Interessen verstrickt und können daher weniger Zeit und M i t t e l für die einzelnen Interessen aufbringen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit verringert, daß die von der Regierung verfolgten Zielsetzungen und Interessen ernstlich beansprucht werden. Sie hat auch eine ideologische oder optimistische Version i n der Hoffnung, daß die Koordination von Zielsetzungen, wenn auch differenziert, sich als eine A r t Resultante aus bestehenden politischen Prozessen auswirken kann, von den Wahlen bis zur Selbstkontrolle. Praktisch gesehen, ist der Unterschied zwischen den beiden Anschauungen geringer als aufgrund ihrer prinzipiellen Gegensätzlichkeit angenommen werden könnte. Beide würden eine gewisse Neuartigkeit der Zielsetzung i n der Regierung tolerieren, aber
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radikalen Wechsel abweisen, entweder w e i l er zu schwierig auf übliche A r t zu bewerkstelligen ist oder w e i l er den normalen Mechanismus von Koordination, Konsensus und Kompromiß untergräbt. Die alternative Anschauung hat sowohl ein positives als auch ein negatives Vorzeichen. Dies ist die Verpflichtung gegenüber den Zielsetzungen, die als ausreichend wichtig erachtet wird, so daß sie nicht durch Differenzierung verwässert werden dürfen. Einerseits werden Prioritäten festgelegt und aufrechterhalten, Ziele werden m i t Signifikanz ausgestattet und durch emotionale Aufladung gestärkt, wobei die Hauptzielsetzung den Bürgern stets vor Augen gehalten wird. Konkurrierende Interessen werden als irrelevant, eingennützig oder vollkommen schädlich erklärt. A u f der anderen Seite ergibt sich eine Situation, i n der das dominante Interesse einer Klasse, Gruppe oder Clique offen durch Regierungsinstrumente bewahrt wird, während i n K o n f l i k t stehende oder gegensätzliche Interessen m i t wechselnder Unbarmherzigkeit unterdrückt werden. Offensichtlich können die beiden Anschauungen ineinander übergehen, wobei die gleiche Situation so oder so interpretiert werden kann, und zwar sehr oft je nach Interessenlage der interpretierenden Person. Auch weisen solche Phänomene wie die Bürokratisierung des Charismas (Weber, 1921) auf die Tendenz des chiliastischen Missionsgeistes hin, zu einer selbstgefälligen Ausnutzung erreichter dominanter Interessenlagen zu degenerieren. Die beiden Anschauungen allerdings des „laissez-faire" und „faire" seitens der Regierung sind nicht gegenseitig reduzierbar, und es gibt keinen vernünftigen Grund, die eine der anderen prinzipiell und jederzeit vorzuziehen. Das Dilemma bleibt offen. 2. Hierarchie als eine Anordnung von Relationen, als Struktur, ist für die Regierung von besonderem Vorteil: sie gestattet eine relativ einfache Mobilität der Entscheidungsebene parallel zur vertikalen Achse zwischen Zentrum und Peripherie. Traditionellerweise bedeutet Regierung Zentralisation politischer Entscheidungen, so entwickelte sich die Regierung i n erster Linie gegen den Sog der Zentrifugalkräfte. M i t der Expansion des Regierungssystems w i r d die Zentralisation zusehends unerträglich und eventuell unmöglich. Die Hierarchie macht es möglich, unter Beibehaltung der letzten Kontrolle zu dezentralisieren. Sie erlaubt auch eine Rezentralisierung, falls Versagen i n peripheren Teilen des Systems oder andere Umstände dies wünschenswert erscheinen lassen. Da allerdings die Regierung m i t einer wachsenden Anzahl von differenzierten Interessen i n der Gesellschaft konfrontiert wird, erscheint die Dezentralisation parallel zu hierarchischen Grenzen nicht mehr als ausreichend verläßliche Methode, um systembezogene Interessendomi*
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nanz der Regierungszentrale über legitim konkurrierende Interessen zu verhindern. U m die Vielschichtigkeit der i n der Gesellschaft bestehenden und sich entwickelnden Interessen zu schützen, werden i n der Regierung strukturelle Apparate erdacht und perfektioniert, die über die Dezentralisation hinausgehen. Innerhalb des Regierungssystems selbst werden permanente Interessenzentren i n Konkurrenz zueinander aufgebaut. Dieser Apparat soll unter allen Umständen die äußerste Rezentralisation verhindern und potentielle Konflikte innerhalb der Regierung einleiten, um das große Übergewicht der Regierungsmacht und den Einfluß, den sie notwendigerweise auf andere Interessen ausübt, zu reduzieren. Das bekannteste Beispiel eines solchen Apparates ist die Gewaltenteilung, aber die Idee von Kontrollen und Gleichgewicht ist viel weiter gefaßt als diese spezielle Doktrin. Sie findet sich sogar i n als diktatorisch klassifizierten Regimen, wo Abteilungen oder Dienste strukturell einander feindlich gegenüberstehen können, damit sie nicht an die dominierende Macht Ansprüche stellen. Diese Anordnungen von Relationen, die sich von der Hierarchie unterscheiden, verhalten sich i m wesentlichen zur Koordination antagonistisch. Sie opfern die Einheit, um eine eingebaute Tendenz zum Konf l i k t und einen künstlichen Relationspluralismus als Sperre zu benützen. Dies bringt als notwendige Begleiterscheinung einen Doppelsinn i n der Koordination m i t sich. Politik-Koordination ist nicht mehr nur Suche nach Ordnung, das Bestreben zu verhindern, daß an Rätseln gearbeitet wird, die Forderung nach wachsender Effizienz i n der Regierung. Sie kann auch ein Versuch sein, Macht zu konzentrieren, kräfteraubende innere Konflikte zu vermeiden, die durch den Mechanismus der Kontrolle und des Gleichgewichts hervorgerufen werden, und die Wesenseinheit von Regierungszielsetzungen und Interessen zu behaupten. Das eine könnte — und t u t dies auch oft — als Vorwand für das andere dienen. Der Widerspruch zwischen Gewaltenteilung und Koordination wiederholt auf der Ebene der Relationen das Dilemma zwischen Einheit und Vielheit von Zielsetzungen. Die Regierung als ein System tendiert dazu, die Wucht des strukturellen Pluralismus innerhalb sich selbst zu reduzieren, Koordination jenseits und trotz Separation zu erreichen. I n manchen Fällen w i r d dies die Einheit des konstitutionellen Rahmens gleichermaßen verteidigen durch Proklamierung der unangefochtenen Oberhoheit einer gewählten Versammlung, eines Direktorats, einer politischen Partei. I n anderen Beispielen w i r d die kontrapunktische Struktur respektiert werden, aber i n konstitutioneller Vergessenheit belassen, gleichzeitig verehrt und mißachtet i m Alltagsgeschäft. I n der Gesellschaft werden zudem politische Kräfte nach Erneuerung der
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praktischen Signifikanz der regierungsinternen Auch dieses Dilemma bleibt offen.
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Kontrollen
streben.
3. Technologien sind von spezieller Natur, wenn man sie mit Zielsetzungen und Relationen vergleicht. Sie koordinieren die A k t i v i t ä t innerhalb ihres eigenen Bereichs effektiv, aber Koordination zwischen den Bereichen muß durch andere M i t t e l erreicht werden. Das Problem stellt sich, wenn diese Koordinationsaktivitäten einer A r t technologischen Umgestaltung unterworfen werden, wenn sie standardisiert werden m i t der Notwendigkeit oder dem Anspruch, spezialisiertes Wissen und die allgegenwärtige Aufmerksamkeit von Fachleuten zu erfordern. Ein Beispiel ist wirtschaftliche und allgemeine Entwicklungsplanung. Da Planung wachsende technische Erkenntnisse i n verschiedenen Bereichen voraussetzt, ergibt sich eine parallel wachsende Tendenz, Methoden zur „rationalen" Lösung von offensichtlich nicht-technischen Fragen der Interessen-Orientierung und des Interessenkonflikts zu entwickeln. Der Entscheidungsprozeß kann, wenn relevante Tatsachen nicht verfügbar sind, noch m i t Wahrscheinlichkeitsverfahren vollzogen werden, jedoch sind diese Wahrscheinlichkeiten berechnet, und zwar von der vergleichsweise verläßlichen Methode relativer Häufigkeit bis zu den mehr oder weniger zufälligen Annahmen der „subjektiven Wahrscheinlichkeiten". Der nächste Schritt ist der Entscheidungsprozeß unter Ungewißheit, wobei sogar die vagesten Wahrscheinlichkeiten nicht verfügbar sind, aber eine A r t des Kalküls des minimalen Risikos oder zumindest Bedauerns kann immer aufgestellt werden. I n diesen Situationen kann der K o n f l i k t sogar bei der Berechnung hilfreich sein, wie die komplexe Mathematik der Spieltheorie zeigt. I n der derzeitigen Phase sind zumindest alle diese „Technologien" noch zu wenig überzeugend, u m die starken involvierten Interessen zu beherrschen. Folglich dienen sie öfters als nicht der Maskierung von Interessen-Operationen durch pseudo-technologische Rationalität. Ob die Wirtschaft eines Landes durch Bevorzugung der Schwerindustrie gegenüber der Konsumgüterindustrie bzw. umgekehrt entwickelt wird, ob die Landwirtschaft i n einer alles-oder-nichts Verpflichtung gegenüber der Industrie mißachtet wird, ob eine Politik der regionalen Gleichstellung verfolgt w i r d oder die höchst entwickelten Teile weiterh i n m i t voller K r a f t vorwärtsdrängen können, ob Verstädterung ermutigt oder eingeschränkt werden soll, alle diese relevanten Fragen der Planung sind i m wesentlichen Fragen grundlegender Interessen von großen Bevölkerungsgruppierungen und beim heutigen Stand gibt es kein technologisches Kriterium, das entscheiden könnte, was unabhängig von involvierten Interessen besser ist. Koordination i n der Regierung pseudo-technologischen Routinen zu überlassen, kann zu einer Sachlage führen, i n der das viel gebrauchte
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und mißbrauchte Etikett der Technokratie an wirksamer Bedeutung gewinnen kann. Wenn dominante Gruppen i n oder mittels der Regierung versuchen, ihre Interessenvorteile durch Berufung auf technische Rationalität zu legitimieren, so könnte dies mit Recht als Technokratie bezeichnet werden. I m Prinzip sollte diese Unterscheidung zwischen Tatsache und Wert kein Problem darstellen. W i r können stets zwischen dem kognitiv-rationalen Problem, wie ein Resultat erreicht werden kann, und der Frage, wessen Interessen gedient oder geschadet w i r d durch dieses Ergebnis, unterscheiden. Aber wenn Technologien zur Koordination großer Systeme anstehen, so gewinnt das praktische Problem an Bedeutung. Was heute noch weit davon entfernt ist, verläßlich zu sein, nämlich Planungstechniken, rationale Interessenkalkulation, Konfliktmanagement etc., w i r d einmal perfektioniert werden. Vorausgesetzt, daß w i r eines Tages w i r k l i c h i n der Lage sein werden, die genauen Folgen einer allgemeinen Maßnahme für jedermanns Interessen vorauszusagen, so w i r d unsere Wahl nur noch qualvoller werden. Anstatt i m einfachen Glauben zu sein, daß das, was w i r vorhaben, zum besten der Allgemeinheit gereicht, würden w i r dann klar den unvermeidbaren Schaden sehen, den w i r verursachen werden. Keine Majoritätsregel kann i n dieser mißlichen Lage wirklich helfen. Wie schwere Schäden darf eine Mehrheit einer Minderheit zufügen, u m ein wie wichtiges Ziel für wen zu erreichen? Auch hier bleibt das Dilemma offen. Diese Probleme haben keine augenscheinlichen Lösungen, ein Charakteristikum, das w i r für die Definition des Wortes „Problem" benutzten. Das Äußerste, was w i r t u n können, ist langfristige Trends zu extrapolieren und die Ergebnisse zu betrachten, während w i r versuchen, den gleichen Abstand von einem Weltverbesserungsoptimismus wie auch von einem selbstgefällig gruseligen Vorgefühl einer drohenden Katastrophe einzuhalten. Sogar wenn man akzeptiert, daß die Regierung ihre Wurzeln i n der Begrenzung zwischenmenschlicher Aggressivität i n der Gesellschaft hat, so tendierte sie sehr früh dazu, zu einer Interessendominanz seitens einer aktiven Gruppe oder Klasse innerhalb der Gesellschaft zu degenerieren und zu einer sehr gefährlichen gegenseitigen Ausschließlichkeit zwischen verschiedenen politischen Gesellschaften zu gelangen. Seit diesen Anfängen hat sich der gleiche Prozeß viele Male wiederholt. Jede Krise brachte einen neuen Versuch hervor, die Regierung zur Erarbeitung einer Lösung zu nutzen, u m nur alsbald eine neuerlichen Verlagerung zu weniger wünschenswerten Bedingungen zu sehen. Daß die Regierung als Verwalter der sozialen Entwicklung agiert, kann i n der Perversion zur Clique und Junta-Herrschaft enden. Die Regierung dazu
Einführung: E. Pusic
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zu benützen, wirtschaftliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen, kann zu bürokratischer Artereosklerose m i t Interessendominanz durch die Regierung führen und die Regierung i n die Rolle eines Stoßtrupps wissenschaftlichen und technischen Fortschritts zu drängen, bedeutet sie zu einer A r t technokratischer Minderheitsregierung zu entarten. Angesichts der Begrenzungen unserer natürlichen Umwelt ist es vernünftig, ein ständig wachsendes Bedürfnis nach einer A r t allgemeinen Verhaltensordnung zu erwarten, u m nicht die Grenzen der Bevölkerungsdichte, verfügbaren M i t t e l und Fähigkeit, Verschwendung aufzufangen, zu überschreiten. Dies w i r d wahrscheinlich zu einem neuen Zyklus der Vergegenwärtigung einer konstruktiven Aufgabe für die Regierung als einem Ordnungssystem führen und wieder den Blickw i n k e l der „Korruption" öffnen auf eine andere Relation der Interessendominanz, womöglich seitens technisch weiter entwickelten, reicheren oder mächtigeren Teilen der Welt — die drei A t t r i b u t e decken sich nicht notwendigerweise — über weniger begünstigte Regionen und ihren Bevölkerungen. I n dieser Phase stellt sich ein Beispiel, das aus der kybernetischen Wiederbelebung der mystischen Zahlen genommen ist, wo elementare numerische Relationen gezeigt werden, wie sie zu weitreichenden, nicht einsehbaren Folgerungen führen. Nehmen w i r die folgende Transformation: Ein großer Computerspeicher w i r d nur m i t den zehn Grundzahlen des Dezimalsystems gefüllt, also von 0 - 9 . Der Computer ist darauf programmiert, wahllos zwei Zahlen zu multiplizieren und dann den Multiplikator durch die letzte Ziffer des Produkts zu ersetzen, u m dann die Operation fortzusetzen. Was geschieht? Das Produkt aus zwei geraden Zahle ist eine gerade Zahl, das Produkt aus zwei ungeraden Zahlen eine ungerade Zahl, und das Produkt aus einer geraden und einer ungeraden Zahl ist eine gerade Zahl. A u f diese Weise werden die geraden Zahlen dazu tendieren, die ungeraden i m Computerspeicher zu eleminieren, wie groß auch immer die Zufuhr von Ziffern ist. Und schließlich werden die Nullen alles andere verdrängen, da sie i n der M u l t i p l i k a tion einen klaren Vorteil haben (Ashby, 1962). I n ähnlicher Weise w i r d jedes innerhalb bestimmter Integrationsgrenzen operierende System unter dem Druck progressiver Differentiation dazu tendieren, Interessen, die seine Grenzen stärken, vorzuziehen. Die allmähliche Ausuferung von Zielsetzungen, das Auswuchern von Relationen, die Multiplikation von Technologien unterwirft die relativ stabilen Grenzen immer wachsender Anspannung. Das System w i r d automatisch dazu tendieren, Interessen zu fördern, die die Einheit stärken und dem Spaltungseffekt der Differenzierung entgegenwirken. Je differenzierter die Umwelt des Systems ist, um so mehr allerdings
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w i r d das grenzenbewahrende Verhalten des Systems durch die Träger differenzierter Interessen als „Degeneration" empfunden und schließlich nach einer gewissen Zeit von jedermann. Das ursprüngliche Charisma des Führers wandelt sich i n aristotelischer Manier zur harten Hand des Tyrannen, der begeisternde Monolithismus des revolutionären Ziels zur toten Hand eines gesichtslosen Apparats, selbst das beruhigende Wohlwollen des Wohlfahrtsstaates i n die ungeschickte Hand einer parasitären Klasse von bürokratischen Manipulatoren, die mit der Annahme operieren, daß w i r davon leben können, die gegenseitigen Memoranden zu lesen (Parkinson, 1969). Die Wertfolgerungen dieser Beschreibungen sind nebensächlich, sie ändern nichts i n der periodischen Natur des Phänomens selbst. Nach Erreichung der Limits muß jede Grenze weichen, bestehende Integrationsrahmen werden durch neue, tolerantere Prinzipien ersetzt, u m nun den ganzen Prozeß zu wiederholen, daß das, was stabil ist, gegen das, was nach Änderung drängt, resistent ist. Da die Verwaltung i n gewisser Weise eine Problemlösung darstellt, wäre es normal, i n einem befehlenden Tonfall zu enden: Was ist zu tun? Es wäre gleichermaßen normal wie einfach, m i t den üblichen Verkehrszeichen zu antworten, die den Mittelweg, die goldene Mitte anzeigen. Ein Regierungssystem sollte i n Richtung eines akzeptablen Effiziensniveaus koordiniert werden, aber nicht über eine gesunde A n passungsfähigkeit hinaus. Die vorhergehende Erörterung sollte zumindest gezeigt haben, daß es hier keinen leichten Ausweg gibt. Wie stabil sollten die Grenzen eines Regierungssystems sein? Wann ist die Zeit für Veränderungen gekommen? Die Antworten auf derartige, allerdings praktische Fragen hängen davon ab, welche Lösungen der grundlegenden Dilemmas der Regierung die Zukunft für uns bereithält. Es ist wahrscheinlicher, daß die Regierung i n Zukunft auf spezifische und umrissene, ordnende und Dienstleistungsaufgaben verwiesen wird, oder daß sie i n wachsendem Maße zum Ausdruck und Träger des W i l lens der Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft wird. Gegenwärtig gibt es eine sichtbare Tendenz zum ersten Modell i n den höchstentwickelten Gebieten der Welt und einen Trend i n die andere Richtung in den weniger entwickelten Teilen. Die erste Alternative würde durch implizite Lösung des Dilemmas der Mitgliedschaft — die Regierung ist nur eine Organisationsform unter anderen — wohl eine bessere Chance haben, das Dilemma der Macht zu lösen. Jegliche Regierungsgewalt würde gewissermaßen lokal werden und ein bestimmtes Gebiet des Globus ordnen und m i t Dienstleistungen versorgen, aber dennoch sich der überwölbenden planetarischen Probleme bewußt bleiben, die die Macht und Kompetenz eines
Einführung: E. Pusic
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jeden überschreiten, da sie Kooperation und Koordination fordern. Dies würde die Notwendigkeit eines weltweiten Ordnungs- und Dienstleistungsnetzes bedeuten, nicht i n Form einer Weltregierung i m traditonellen Sinne von „Regierung". Das Problem der Koordination würde i m Mittelpunkt bleiben, das Dilemma der Koordinationstechniken und ihrer Interessenimplikationen dominant. I n der zweiten Alternative würde die Zielsetzung der Entwicklung eines besseren Lebens für alle der koordinierende Generalnenner sein. Globale Interessen würden als Aufgaben einer möglichen Weltregierung angesehen werden, die womöglich als Ausdruck der Welt-Interessengemeinschaft etabliert würde. Nachdem wiederum das Dilemma der Mitgliedschaft i n der entgegengesetzten Richtung als i n der ersten Alternative implizit gelöst wurde, würde dieses Modell auch auf eine Lösung des Koordinationsproblems hinweisen: die Möglichkeit letzter Zentralisation. Das Problem der Macht würde jedoch offen bleiben und das Gesetz der systemverteidigenden Degeneration weiterhin in Kraft. Wie künftige Regierungen daran gehindert werden, die Verfechter solcher Minoritätsinteressen zu werden, die i n jedem Status die Integrationsgrenzen des Systems gegen differenzierende Kräfte verteidigen, würde i n diesem Fall das zentrale Dilemma sein. Durch Wahl des Themas der Koordination bringen w i r die Interessen des entwickelten Europas zum Ausdruck. W i r wollen i m gegenwärtigen Stadium das Problem der Macht nicht vollkommen aus den Augen verlieren, es könnte für die Zukunft der Dritten Welt entscheidend werden.
Quellen David E. Apter: The politics of modernization (Chicago, University of Chicago Press, 1965). — W. Ross Ashby: Principles of the Self-Organizing System, in Heinz von Foerster & Geeorge W. Zopf, Eds., Principles of SelfOrganization (New York, Pergamon Press, 1902), pp. 255-78. — Robert Axelrod: Conflict of Interest — A Theory of Divergent Goals with Application to Politics (Chicago, Markham Publishing Co., 1970). — Georges Balandier: Anthropologie politique (Paris, Presses universitaires de France, 1967). — Richard M. Cyert and James G. March: A Behavioral Theory of the Firm (Englewood Cliff, Prentice Hall, 1963). — Herman Finer: The Major Governments of Modern Europe (Evanston, Row, Peterson, & Co., 1960), p. 136. — P. C. Lloyd: Conflict Theory and Yoruba Kingdoms, in: G. M. Lewis, ed.: History and Social Anthropology (London, Tavistock Publications, 1968), 25 62. — C. Northcote Parkinson: Parkinson's Law and Other Studies in Administration (New York, Ballantine, 1969). — Martin South wold: The History of a History: Royal Succession in Buganda, in: G. M. Lewis, ed.: History and Social Anthropology (London, Tavistock Publications, 1968), 127 - 152. — Alain Touraine: A n Historical Theory in the Evolution of Industrial Skills, in Charles A. Walker, ed., Modern Technology and Civilization, A n Intro-
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duction to Human Problems in the Machine Age (New York, McGraw-Hill, 1962), pp. 425 - 437. — Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft — Grundriß der Sozialökonomik. I I I Abteilung (Tübingen, Verlag von J. C. M o h r - P a u l Siebeck, 1921). — Sheldon S. Wolin: Politics and Vision, Continuity and Innovation in Western Political Thought (Boston, Toronto, Little, Brown, and Co., 1960).
Thema I Der Regierungschef und sein Apparat in der Regierungskoordination und in der Prioritätensetzung Einleitende Bemerkungen von Roman Schnur Wenn ich die Tagungsleitung richtig verstanden habe, wollte sie das Referat von Herrn Pusic nicht als einen von den konkreteren Themen losgelösten Eröffnungsvortrag betrachtet wissen, sondern als ein Gerüst von grundsätzlichen Thesen, das helfen soll, die Fülle der konkreten Einzelheiten i n einige Ordnung zu bringen. Ich möchte vorschlagen, daß w i r dieser Überlegung der Tagungsleitung folgen, denn dadurch können w i r vermeiden, daß es zu einem beziehungslosen Nebeneinander vieler an sich wichtiger Informationen kommt, m i t dem für den Vergleich erfahrungsgemäß kaum etwas gewonnen werden kann. Andererseits hat Herr Pusic deutlich gemacht, daß es trotz bestimmter Gemeinsamkeiten i n der Fragestellung zu einer großen Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten kommen muß. Die allgemeine Fragestellung w i r d bekanntlich schon i n wichtigen Einzelheiten durch den Rahmen des jeweiligen Regierungssystems geprägt. Dadurch werden Lösungsmöglichkeiten abgeschnitten, die sich i n anderen Regierungssystemen anbieten mögen. Man w i r d deshalb nicht mehr, aber auch nicht weniger hoffen dürfen, als daß unsere Diskussionen durch das ständige Pendeln zwischen allgemeiner angesetzten Thesen und konkreten Einzelheiten die Schärfe sowohl der allgemeinen Aussagen als auch der konkreten Einzelheiten unseres ersten Tagungsthemas zu verbessern vermögen. Was nun die Aussagen von Herrn Pusic bezüglich unseres heutigen Themas angeht, so möchte ich ein besonderes Verdienst darin sehen, daß Herr Pusic sogleich klargestellt hat, wie wenig w i r an vielen überlieferten Vorstellungen vom Problem der Koordination festhalten können. Diese frühere Sicht des Problems der Koordination war weitgehend eine solche von technisch-administrativer (bzw. bürokratischer)
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Art. Man könnte sie so formulieren: I n der Handhabung der Regierungsgeschäfte fühlten sich die Ministerialbeamten oft durch gewisse Schwierigkeiten gestört, die sie Mängel der Koordination nannten. Infolgedessen glaubte man i n dieser Perspektive, dem Problem durch Veränderungen i n der Aufbauorganisation oder i n der Ablauforganisation beikommen zu können, falls nicht sogar der eine Beamte dem anderen bösen Willen und Mangel an Bereitschaft zur Zusammenarbeit unterstellte. Spätestens nach dem Referat von Herrn Pusic dürfte klargeworden sein, daß die Verwaltungswissenschaft das Problem viel stärker politisch verstehen muß. Die Probleme der Koordination i n der Regierung und die Rolle des Regierungschefs dabei entsteht sehr häufig nicht deshalb, weil auf der Ebene der Ministerialbeamten die Technik der Koordination versagt hat, sondern weil auf dieser Ebene politische Konflikte nicht beigelegt werden konnten. Die politische Sicht des Koordinationsproblems ergibt dann, daß es zwar nach wie vor auch eher technische Koordinationsmechanismen gibt, daß aber deren Wirksamkeit durch die Veränderungen des politischen Konfliktlösungsverfahrens in der Regierung bedingt ist. Das bedeutet zugleich, daß Versuche, den jeweils bestehenden Koordinationsmechanismus zu verändern, zugleich auch und vielleicht sogar vor allem politische Reformen darstellen. Wenn dem so ist, dann w i r d auch leichter zu verstehen sein, weshalb so viele Reformversuche gescheitert sind: Sie berührten elementare Machtpositionen innerhalb der Regierung und — falls sich die Kompetenzaufteilungen auch auf das Parlament beziehen (Ausschüsse usw.) — der gesetzgebenden Körperschaften. Demgemäß kann es auch kein festes Koordinationsschema geben, so sehr ein solches dem Ministerialbeamten als Entlastung erwünscht sein mag. Vieles kann eigenständig ablaufen (d. h. unkoordiniert bleiben), was m i t anderen Aufgaben nicht i n K o n f l i k t gerät. I n solchen Fällen, z. B. bei bestimmten „Service-Funktionen" mag die einzige Notwendigkeit zur Koordination i n der Ressourcenregelung bestehen, also beim Budgetreferat oder beim Finanzminister. Man w i r d also davon ausgehen dürfen, daß der Koordinationsbedarf i n der Regierungstätigkeit unterschiedlich groß ist. Das gilt nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auch insofern, als die politische Entwicklung durch Veränderung der Zielkonflikte die Schwerpunkte des Koordinationsbedarfs erheblich verschieben kann. Betrachtet man i m vergleichenden Blick die Problemszene i n hochentwickelten Staaten, so scheint sich ein besonders interessantes und fast überall nur unzulänglich gelöstes Problem ausmachen: Bestimmte Aufgaben der Regierungspolitik werfen ganz besondere Koordinations-
Einleitende Bemerkungen: Roman Schnur
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Schwierigkeiten auf. Ich denke beispielsweise an Umweltschutz, Raumordnung und ähnliches. Während es i n einem Regierungssystem gelungen sein mag, die bisher als vordringlich geltenden Aufgaben i n erträglicher Weise zu koordinieren, stößt die Koordination der eben erwähnten Aufgabenbereiche offensichtlich auf teilweise enorme Hindernisse. Man hat den Eindruck, daß es sich hier u m Schwierigkeiten ungewohnter A r t handelt. Vielleicht kommt man dem hier liegenden Problem besser bei, wenn man beachtet, daß die überkommene Ressorteinteilung durchweg auf dem beruht, was ich „primäre Aufgaben" nennen möchte. Sie haben Interessen zum Inhalt, die der Industriegesellschaft und ihrem Staat bislang als vordringlich galten, z. B. Wirtschaft, Soziales, Gesundheit usw., natürlich auch die sog. klassischen Staatsaufgaben. Diese Aufgaben lassen sich verhältnismäßig einfach organisieren, und demgemäß läßt sich auch der Koordinationsmechanismus i n der Regierung gestalten, auch wenn man weiß, daß es zwischen den Interessen hinter diesen Aufgaben schwere Konflikte geben kann. Raumordnung, Umweltschutz und dergleichen hingegen scheinen vor allem deshalb so schwer i n den bestehenden Koordinationsmechanismus zu passen, weil sie ganz anderer A r t als die „primären Aufgaben" sind. Man hat sie bisweilen „Querschnittsaufgaben" genannt; doch ist das irreführend, w e i l die bekannten Querschnittsaufgaben wie Haushalt, Organisation und Personal i n einem ganz anderen Verhältnis zu den Sachaufgaben stehen. Das bedarf hier vor Sachkennern keiner weiteren Erläuterung. Die erwähnten „neuen" Aufgaben sind jedoch ebenfalls Sachaufgaben. Ihre Eigenart scheint m i r darin zu liegen, daß sie — wie Raumordnung und Umweltschutz — i n der Regel Folgen der Erledigung der Primäraufgaben betreffen. Sie kommen als Aufgaben auf, weil man bestimmte Folgen der Verfolgung der Primärinteressen der industriellen Gesellschaft nicht mehr als „belanglose Nebenfolgen" hinzunehmen gewillt scheint. Diese Eigenart der „sekundären Aufgaben" erklärt, weshalb es hier ein sehr schwieriges Koordinationsproblem gibt: Sie lassen sich so schwer i n das bestehende Koordinationsschema einordnen, weil sie m i t in diesem bedienten Interessen i n scharfen Konflikt geraten können. Primärinteressen wie Wirtschaftswachstum lassen sich verhältnismäßig rasch organisieren und verfestigen. Sie können sich auf ein Koordinationsschema einigen, das sie von den Sekundärinteressen bedroht sehen, und diese ihrerseits sind kaum fest zu organisieren. Hier kann schon deshalb kein eindeutiger Interessent auftreten, weil der Bürger den Konflikt zwischen Primärinteressen und Sekundärinteressen oftmals i n sich selbst trägt. So diffus, von außen betrachtet, also solche Sekun-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
därinteressen sind, so schwierig ist es, sie organisatorisch i m Bereich der Regierung zum Zuge kommen zu lassen: Sie sind bisher als eigenständige Ressorts (z.B. Raumordnung) nicht effektiver geworden als dort, wo man sie anders organisierte, z. B. beim Regierungschef selbst. Wenn dem aber so ist, dann zeigt dies, daß es sich hier u m Aufgaben anderer Qualität als u m diejenige der primären Aufgaben handelt. Dann muß aber auch die Frage beantwortet werden, ob man diesem Problem durch organisatorische Vorkehrungen allein überhaupt beikommen kann, ob es nicht zuvörderst eine Änderung der gesamtgesellschaftlichen Zielsetzung bedarf, wie sie unter dem unscharfen Ausdruck des „schrankenlosen Wachstums" bereits diskutiert wird. Die Erkenntnis dieses fundamentalen Problems schließt freilich nicht aus, daß man nach Lösungen i m Rahmen des Möglichen trachtet. Nur scheint es, als ob man hier die Grenzen organisatorischer Lösungen sehr realistisch i n den Blick nehmen müßte. Deshalb kann man auch den Eindruck bekommen, als sei die Forderung, gerade hinsichtlich dieser neuen Aufgaben von den üblichen Koordinationen zur integrierten Planung überzugehen, um diese schwierigen Probleme i n den Griff bekommen zu können, eine A r t optischer Täuschung. Wenn nämlich unsere Beobachtung richtig ist, muß sich i m organisatorischen System integrierter Planung das hier skizzierte Problem wiederholen, und es spricht vieles dafür, daß Mißerfolge integrierter Planung insoweit und eben dort ihren Grund haben. Ebenso w i l l es scheinen, als sei eine Verstärkung der Position des Regierungschefs zu dem Zwecke, durch autoritärere Entscheidungen das Koordinationsproblem einer besseren Lösung zuzuführen, oftmals nur eine Scheinlösung. Wenn nämlich besonders schwierige Koordinationsprobleme ihren Grund vornehmlich i m Bestehen schwerer Zielkonflikte haben, dann vermag ein stärkerer Regierungschef zwar rascher und wirksamer zu entscheiden, doch bietet dies allein noch keine Gewähr dafür, daß auch besser entschieden wird, d. h. daß bislang zu wenig bediente Interessen bzw. Aufgaben nunmehr besser zum Zuge kommen. Es kann sogar das Gegenteil eintreten, d. h. man nimmt eine Zentralisierung der Macht innerhalb der Regierung vor, u m bestimmte Interessen besser abwehren zu können. Eine Verbesserung moderner Koordinationsprobleme durch den Einbau plebiszitärer Elemente bzw. durch die Einführung der Volkswahl des Regierungschefs hat insoweit ebenfalls ihre Grenzen. Es kann dies ein Instrument des Regierungschefs sein, gegenüber den „vested interests" der Primäraufgaben innerhalb der Regierung beispielsweise den Sekundäraufgaben eine festere Stütze zu verschaffen — falls der dermaßen gestärkte Regierungschef dies w i l l .
Einleitende Bemerkungen: Roman Schnur
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Man w i r d schließlich, was die Unterschiedlichkeit der Problemlagen angeht, auch darauf hinweisen dürfen, daß sich die Koordinationsprobleme i n Regierungssystemen mit bundesstaatlicher Gestalt anders darstellen können als i n unitarischen Systemen. Schon i n rein technisch-administrativer Hinsicht liegen hier die Dinge i m wahren Sinne des Wortes etwas einfacher, der Koordinationsbedarf also ist hier geringer. Aber auch wegen der Machtaufteilung auf Bund und Länder ist der Druck der politischen Konflikte innerhalb der jeweiligen Regierung durchweg etwas schwächer, und infolge der vertikalen Machtaufteilung i m Bundesstaat können die den Bundesländern zugewiesenen Aufgaben wegen ihrer verfassungskräftigen Zuordnung weniger leicht überspielt werden, als dies in der einen Zentralregierung möglich ist. Daß i n Bundesstaaten ein heutzutage besonders schwieriges Koordinationsproblem i n vertikaler Richtung besteht, versteht sich von selbst, doch gehört das nicht mehr zu unserem Thema. W i r sehen also i n den vorliegenden Referaten unterschiedliche Problemlagen m i t unterschiedlichen Antworten. Wenn w i r daher i n der Diskussion recht unterschiedliche Systeme vorstellen und erörtern, so sollten w i r doch nicht vergessen, den vorhin angedeuteten Bezug zu einigen Grundproblemen herzustellen. Nur so w i r d es, wie ich meine, möglich sein, neben der Information über unterschiedliche Systeme, die uns bereits i n den vorliegenden Referaten reichhaltig geboten wird, auch einige gemeinsame oder verwandte Probleme intensiv zu diskutieren. — Nach dieser Ausnutzung des Privilegs des Sitzungsleiters, vor allen anderen Teilnehmern etwas zur anstehenden Sache zu sagen, möchte ich nunmehr die Herren Referenten bitten, ihre Hauptthesen vorzutragen. Herr Letowski wird, zusammenfassend, das Referat von Herrn Starosciak vortragen. Ich darf hier allen Teilnehmern die Grüße übermitteln, die m i r Herr Starosciak i n Warschau aufgetragen hat. Er bedauert es außerordentlich, daß er nicht hierher kommen konnte. W i r müssen ihn bewundern, daß er trotz bereits sehr scherer Erkrankung die K r a f t aufgebracht hat, dieses Referat zu verfassen und, wenn ich mich nicht irre, wie stets als Erster fertigzustellen.
Der Regierungschef und sein Apparat in der Regierungskoordination und in der Prioritätensetzung Länderbericht: Frankreich von Francis de Baecque Seit Beginn der sogenannten „Neuzeit", wie die Historiker sagen, w i r d die Funktion des Regierungschefs i n Frankreich als wesentlich betrachtet und gleichzeitig sehen w i r eine unserer institutionellen Traditionen i n der Unterscheidung, die so gut wie kontinuierlich zwischen der Position des Staatschefs und derjenigen des Regierungschefs getroffen wurde. Das treffendste Beispiel dafür dürfte der Bericht über die Überraschung sein, m i t der alle Eingeweihten auf die von L u d w i g X I V . 1661 gemachte Ankündigung reagierten, er werde i n Zukunft sein eigener Premierminister sein. I n der Tat war nämlich seit Heinrich IV. und Sully, seit L u d w i g X V I . und Necker die „persönliche Herrschaft" des Sonnenkönigs eine Ausnahme gewesen. Die verschiedenen Regierungssysteme der Revolutionszeit haben die Unterscheidung zwischen Regierungschef und Staatschef beibehalten, namentlich während des Directoire, wenn auch während dieser Zeit die Funktionen von Staats- und Regierungschef kollegial ausgeübt wurden. Konsulat und Empire stellen aufgrund der Persönlichkeit Napoléon Bonapartes eine neue Ausnahmezeit dar, während deren der Staatschef beide Funktionen übernimmt. Seit 1815 jedoch hat Frankreich wiederum eine dualistische Exekutive gekannt, selbst zu Beginn der II. Republik, deren Verfassung gleichwohl das Präsidialsystem eingeführt hat, und mit Ausnahme des autoritären Empires 1 . Diese Tendenz bestätigt sich sogar während der Zeiten provisorischer oder Übergangsregierungen: man kann z. B. sagen, daß einer der Gründe für den Abgang Thiers 1873 i n der Verärgerung zu suchen ist, die die Kumulierung aller Verantwortlichkeit i n der Exekutive auf seinem Haupte hervorrief, und es ist bezeichnend, daß die erste Maßnahme, die das französische Regierungssystem auf die I I I . Republik hin orientierte, 1 Obwohl es auch unter dem liberalen Empire keinen eigentlichen Premierminister gab und man diesbezüglich warten mußte, bis Olli vier 1870 dieses Amt übernahm.
Länderbericht Frankreich: F. de Baecque
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der Text war, der für den, wenn auch noch provisorischen Staatschef die siebenjährige Amtszeit einführte. Außerdem ist es überraschend, daß der „französische Staat" der Kriegs- und Besatzungszeit von 1940 bis 1944 ebenfalls eine dualistische Organisation aufwies. Die französische Verfassungstradition enthält einen anderen Charakterzug, der zur Einführung zu vorliegendem Bericht unterstrichen werden sollte: der Staatschef besitzt i n unserem Lande wirkliche Autorität. Die Behauptung mag überraschend erscheinen auf den ersten Blick, wenn man die Kommentare berücksichtigt, die über die Tätigkeiten der Präsidenten der I I I . und IV. Republik vorliegen, welche vor allem, so heißt es manchmal, dazu da waren, „die Chrysanthemen einzuweihen", d. h. also rein repräsentative Funktionen auszufüllen. Aber diese Behauptung scheint m i r nicht nur durch autoritäte Regierungszeiten gerechtfertigt zu sein, wo der Staatschef sämtliche Verantwortlichkeiten übernehmen mußte, sondern auch i n sogenannten gemischten Regierungsformen wie der Restauration oder der Juli-Monarchie, wo die Regierung dem König verantwortlich war, und schließlich scheint diese Behauptung noch dadurch gerechtfertigt zu sein, daß das parlamentarische System i n Frankreich eh und je dem Staatschef eine durchaus bemerkenswerte politische Rolle zuerkannt hat. Natürlich hat die politische NichtVerantwortlichkeit des Präsidenten der Republik — die als einer der Grundpfeiler des parlamentarischen Systems zu betrachten ist — Konsequenzen nach sich gezogen, die den Staatschef i n gewisser Weise i n den Hintergrund drängten; auf der anderen Seite jedoch hat der Staatschef immer den Vorsitz i m Ministerrat gehabt (im Gegensatz zu dem, was i n England üblich ist, dessen Regierungssystem j a für viele andere Länder als Modell gegolten hat), und vor allem hat er immer die wesentliche Aufgabe, den Regierungschef zu ernennen, was i n Anbetracht des Vielparteiensystems, das w i r seit hundert Jahren haben, für den Staatschef eine reale Möglichkeit bedeutet hat, die Leitlinien der Politik zu bestimmen. W i r brauchen wohl nur die Rolle eines Poincare während des Krieges oder diejenige eines Vincent A u r i o l während der IV. Republik zu erwähnen, u m zu beweisen, daß es sich hier keineswegs u m rein theoretische Argumente handelt. U n d schließlich ist die Garantie der Dauerhaftigkeit, die sich aus den Funktionen des Staatschefs ergibt (und die siebenjährige Amtszeit ist zweifellos ein besonders langes Mandat) auch ein Faktor für die Steigerung seines Einflusses gewesen wegen der ministeriellen Labilität, die Frankreich seit 1875 so oft durchgemacht hat. Eine dritte traditionelle Tendenz i n Frankreich wäre noch hervorzuheben, bevor w i r zum eigentlichen Thema kommen: und zwar die Rolle der Kollegialorgane bei den Verantwortlichen der Exekutive. 5 Speyer 57
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Es ist tatsächlich häufig zu beobachten, daß entweder die Gewohnheit oder das geschriebene Recht dazu führen, daß wichtige Entscheidungen „ i m Ministerrat" beraten werden. Die Monarchie alter Präfung hatte immer mehr Räte u m den König versammelt, von denen die wichtigsten unter seinem Vorsitz und dem des Ministerrates tagten — und in geringerem Maße unter dem Vorsitz des Kabinettsrates während der I I I . und der IV. Republik —, die zu ganz wesentlichen Institutionen i m politischen Leben unseres Landes geworden sind, eine Lösung die keineswegs selbstverständlich ist, wobei diese letzte Feststellung nicht nur für Präsidialsysteme oder sehr autoritäre Systeme gilt. Dennoch darf man sich über diese Praxis des Regierens i m Ministerrat keiner Täuschung hingeben: sie bedeutet keineswegs die Errichtung eines Kollegialsystems (mit Ausnahme vielleicht der spezifischen Maßnahmen i n dieser Richtung, wie z. B. während der vier Jahre des Directoire). Das verantwortliche Mitglied der Exekutive hört die Stellungnahmen seiner Berater an, er kann sich ihnen natürlich anschließen, aber die Entscheidungen t r i f f t er, ohne durch ein V o t u m des Rates gebunden zu sein; es gibt keine Mehrheit und keine Minderheit, sondern die Beschlüsse werden einstimmig gefaßt, und allein die Tatsache, bei der Ratssitzung anwesend zu sein, wo eine Entscheidung getroffen wird, bindet bereits die Verantwortung aller und jedes einzelnen, m i t der einzigen Ausnahme, daß jedes Ratsmitglied von seinen Funktionen zurücktreten kann, wenn es seinem Gewissen eine derartige Desolidarisierung schuldig zu sein glaubt 2 . A l l diese Überlegungen sind natürlich zu oberflächlich, sie würden Kommentare und Differenzierungen erfordern, wenn w i r einer zweifellos subtilen und i n ständiger Bewegung befindlichen Realität w i r k lich gerecht werden wollten. Ich habe jedoch den Eindruck, daß die drei von m i r angesprochenen Hauptorientierungen tatsächlich vorhandenen Tendenzen i n unserem institutionellen Erbe entsprechen, das einen so außerordentlichen Reichtum an Verfassungen aufweist, die allein aufgrund ihrer Zahl eine i m Grunde bestehende Kontinuität verbergen könnten, die ich jedoch hervorzuheben bemüht war. Diese Vorbemerkungen werden hoffentlich dazu beitragen, die Analyse klarer erscheinen zu lassen, die ich jetzt vornehmen möchte, eine Analyse der Rolle des Regierungschefs und seiner Dienststellen auf dem Gebiet der Koordinierung und der Festsetzung der Prioritäten. 2 Das war der Fall im Oktober 1962 für M. Sudreau, der seine Ämter niederlegte, weil er den Rückgriff aufs Referendum zum Zwecke der Verfassungsreform kritisierte, und im April 1967 für M. Pisani, der seine Ämter aufgab, weil er den Rückgriff auf Regierungsverordnungen zum Zwecke bestimmter Maßnahmen und namentlich zum Zwecke der Reform der Sozialsicherheit ablehnte.
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I m ersten Teil möchte ich präzisieren, welches i n der Gesamtheit der an den Premierminister gebundenen Institutionen die eigentliche Funktion des Staatschefs und seiner Diensstellen ist, über die er bei der Koordinierung und der Festsetzung der Prioritäten direkt verfügen kann. I m zweiten Teil werde ich versuchen darzulegen, welche Verfahren und welches Instrumentarium i h m diese Aufgabe ermöglichen. I m dritten Teil möchte ich versuchen, ein Urteil über diesen Aspekt unserer Institutionen zu fällen.
Erster Teil: Der Premierminister und seine Dienststellen in der Koordinierung und der Festsetzung der Prioritäten Ich möchte hier auf zwei elementare Fragen antworten, die dieses Thema beherrschen: Welches ist der Platz, den die Festsetzimg der Prioritäten und die Koordinierung i m Aufgabenkomplex des Premierministers einnehmen müssen, unter Berücksichtigung des institutionellen Rahmens, i n den seine Tätigkeit eingeordnet ist. Was haben w i r unter „der Premierminister und seine Dienststellen" i m Zusammenhang mit dieser Aufgabenstellung zu verstehen. A. Wo ist der Platz für die Festsetzung der Prioritäten und für die Koordinierung im Aufgabenbereich des Premierministers?
Die A r t i k e l 21, 39 und 49 der Verfassung legen fest: „ A r t . 22. — Der Premierminister leitet die A k t i o n der Regierung. Er ist für die nationale Verteidigung verantwortlich. Er sichert die Ausführung der Gesetze. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von A r t . 13 übt er die Verordnungsgewalt aus und n i m m t die Ernennungen für zivile und militärische Ämter vor. Er kann einige seiner Befugnisse an die Minister delegieren. Er vertritt gegebenenfalls den Präsidenten der Republik i m Vorsitz der unter A r t . 15 angegebenen Räte und Ausschüsse. I n Ausnahmefällen kann er den Präsidenten der Republik i m Vorsitz des Ministerrates vertreten aufgrund einer ausdrücklichen Kompetenzdelegation und für eine ganz bestimmte Tagesordnung. Art 39. — Die gesetzgebende Initiative obliegt gleichermaßen dem Premierminister und den Mitgliedern des Parlaments. Die Gesetzesvorlagen werden i m Ministerrat beraten. *
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Art 49. — Der Premierminister verpflichtet nach Abordnung durch den Ministerrat die Regierung vor der Nationalversammlung auf sein Programm, oder evtl. auf eine allgemein politische Erklärung. Nach Beratung i m Ministerrat kann der Premierminister die Regierung vor der Nationalversammlung auf die Annahme eines Textes verpflichten." Diese Texte heben auf den ersten Blick zweierlei hervor: 1. Die Festsetzung von Prioritäten und die Koordinierung sind nur einer von vielen Aspekten i n der Rolle des Regierungschefs, was niemanden überraschen wird. Einerseits hat der Regierungschef beschränktere Aufgaben wahrzunehmen als die beiden obengenannten, z. B. bei der Verwaltung der i h m unterstellen Dienststellen, wo er für die gesamte Regierung ganz geläufige Verwaltungsmaßnahmen ausführt, vor allem i m Rahmen seiner Verordnungsbefugnis. Ferner und vor allem muß er jederzeit den Ereignissen und Reaktionen der nationalen und internationalen öffentlichen Meinung gegenübertreten, er muß die A k t i o n der Regierung erläutern, sie durch das Parlament billigen lassen und, soweit irgend möglich, sie der gesamten Nation nahebringen. Trotz alledem bleibt die Festsetzung der Prioritäten eine der Hauptaufgaben desjenigen, der die A k t i o n der Regierung leitet, und einer der Ausgangspunkte für die Autorität der Exekutive, sowohl gegenüber beiden parlamentarischen Versammlungen, wie auch gegenüber dem Land i n seiner Gesamtheit oder i n seinen konstituierenden Elementen. Oft läßt sich beobachten, daß i n dieser Hinsicht kein Gleichgewicht besteht zwischen der Regierung, die über die beträchtlichen Möglichkeiten einer gutbesetzten und spezialisierten, m i t den notwendigen M i t t e l n und Instrumentarien versehenen Verwaltung verfügt, und auf der anderen Seite den Mitgliedern des Parlaments, die schlecht ausgerüstet und wenig unterstützt, die Probleme nur ausschnittweise kennen und es u m so schwerer haben, gemeinsam und m i t Erfolg an einem Projekt zu arbeiten. Eines der besten Beispiele für diese Diskrepanz ergibt sich, wenn das Parlament die Entscheidungen des Entwicklungsplans zu überprüfen hat. Diese Entscheidungen sind natürlich vom Plankommissariat ausgearbeitet worden, die Regierung kann sie diskutieren, zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen und dann ihre Spezialisten bitten, die Studien möglichst auf ein hohes Niveau zu bringen, damit Abgeordneten und Senatoren ausreichend fundierte Alternativen vorgelegt werden können; je sorgfältiger diese vorbereitende Arbeit ausgeführt wird, u m so schwerer ist sie natürlich i n Frage zu stellen, wäh-
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rend umgekehrt bei der Vorlage von oberflächlichen Entwürfen eine Wahl unmöglich ist, da der genaue Inhalt jeder einzelnen Möglichkeit nicht bekannt ist. Was die Koordinierung betrifft, so ist sie i m Rahmen einer Regierung auf allen Ebenen erforderlich, aber ganz besonders auf Ebene des Premierministers, der für den Zusammenhang i n der A k t i o n der verschiedenen Bereiche verantwortlich ist. 2. W i r möchten darauf hinweisen, daß der Premierminister dem Parlament gegenüber die volle Verantwortung für die Regierungsaktion übernimmt, jedoch nicht der einzige ist, der Entscheidungen trifft, w e i l letztere oft i m Ministerrat beraten werden, und zwar unter Vorsitz des Staatschefs, und weil sowohl auf dem Gebiet der nationalen Verteidigung wie der Außenpolitik der Staatschef aufgrund der Verfassung ganz präzise und wesentliche Prärogativen i n der Hand hat. A u ßerdem bezieht sich der obengenannte A r t . 21 ausdrücklich auf A r t . 13, der dem Präsidenten der Republik die Ernennungsbefugnis erteilt und einen Teil der Verordnungsgewalt. Daraus ergibt sich, daß die Aufgabenbereiche des Premierministers auf den beiden Gebieten, die den Gegenstand dieses Berichtes ausmachen, nicht untersucht werden können, wenn nicht gleichzeitig geprüft wird, welches de jure und de facto die Befugnisse des Staatschefs sind. Der Staatschef w i r d i n allgemeiner Wahl gewählt und verfügt tatsächlich über eine beachtliche politische Autorität, die i n den Bestimmungen von A r t . 8 der Verfassung eine ganz besonders wichtige A n wendung findet, und zwar heißt es hier: „er ernennt den Premierminiser" und „beendet dessen Funktionen, sobald dieser i h m die Rücktrittserklärung der Regierung vorgelegt hat". Die Verfassungspraxis der V. Republik hat dazu geführt, daß aus diesem Text folgende Konsequenz gezogen wurde: der Regierungschef kann nur dann sein A m t weiterführen, wenn er weiterhin das Vertrauen des Staatschefs besitzt, sowie es nacheinander die Premierminister Michel Debré, Georges Pompidou, Jacques Chaban-Delmas und Jacques Chirac i n ihren öffentlichen Erklärungen ganz klar anerkannt haben 3 . Das ist beim augenblicklichen Stand unserer Institutionen eine der Konsequenzen, die sich aus dem Dualismus der Exekutive ergeben, und zu denen w i r i m weiteren Verlauf dieses Berichtes noch Erläuterungen geben werden. 8 Siehe dazu vor allem die Erklärungen, die Georges Pompidou anläßlich einer mündlichen Fragestunde vor dem Parlament gemacht hat (J. O. Débats Parlementaires Assemblée Nationale vom 26. April 1964).
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Da dieser Bericht sich jedoch mit der Rolle des Staatschefs und seiner Dienststellen befaßt, müssen w i r jetzt darauf eingehen, was dieser Ausdruck beinhaltet. B. Der Premierminister und die ihm zugeordneten Organe
I n der Verfassung vom 4. Oktober 1958 heißt es, daß „die Regierung die Politik der Nation festlegt und leitet. Sie verfügt über die Verwaltung und über die Streitkräfte." Natürlich stellen diese Bestimmungen i m Verhältnis zu vorhergehenden Regierungssystemen keine Neuerung dar, obgleich sie das Verdienst haben, eindeutig formuliert zu sein und außerdem i m juristischen und institutionellen Rahmen der V. Republik bedeutsam sind, verglichen m i t dem, was ich über die Rolle des Staatspräsidenten gesagt habe. 1. Wenn die Regierung die Politik der Nation festlegt und leitet, dann obliegt es selbstverständlich dem Regierungschef, zunächst auf den Zusammenhang zwischen den Entscheidungen zu achten, welche diese Politik ausmachen, und das wiederum weist daraufhin, daß es an erster Stelle seine Aufgabe ist, die Prioritäten festzulegen und sowohl die A k t i o n der etwa 20 Minister zu koordinieren, die zusammen die Regierung ausmachen, als auch die Initiativen und Entscheidungen, die das Werk der diesen Ministern direkt unterstellten Behörden sind, welche wiederum das ausmachen, was man als Zentralverwaltungen bezeichnet. Dasselbe gilt i m Prinzip für die „Außendienststellen", die zwar hierarchisch gesehen den jeweiligen Ressortministern unterstellt sind, jedoch ebenso unter die koordinierende A k t i o n des Regierungschefs fallen. M i t dem Ziel, diese Koordinierung zu stärken, wurde die Verwaltungsreform von 1964 i n Angriff genommen, auf die ich später zurückkommen werde; man muß jedoch gerechterweise zugeben, daß das Maß an Koordinierung, das auf lokaler Ebene besteht, nicht auf die direkte Initiative des Premierministers zurückzuführen ist, m i t Ausnahme des Planungsbereichs. I n diesem ganzen Komplex von Regierungsorganen, deren A k t i o n unweigerlich einer wachsenden Spezialisierung ausgesetzt ist und der, wie jeder großen Verwaltung, die Gefahr der Abkapselung droht, ist selbstverständlich eine Persönlichkeit erforderlich, die den Anstoß zu dieser oder jener Initiative gibt und ihre Durchführung koordiniert: darin besteht eine der Aufgaben des Regierungschefs höchstpersönlich. Die Persönlichkeit des Premierministers ist also letzten Endes der erste Teil einer A n t w o r t auf die zu Anfang gestellte Frage.
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Seine Autorität gegenüber seinen Ministern, seine Kompetenz, seine Kenntnis der Akten, seine Fähigkeit, das Wesentliche zu erfassen, sein Reformwille, sein Anliegen, jeden Bereich autonom zu erhalten oder nicht — all dies macht seine Tätigkeit aus, wobei w i r die Wahl seiner direktesten Mitarbeiter, der Mitglieder seines Kabinetts, noch unerwähnt gelassen haben. Außerdem steht er i n ständigem Kontakt m i t dem Parlament, so daß sein politisches Fingerspitzengefühl und seine Dialogbereitschaft ganz entscheidende Voraussetzungen sind. Wenn ich all diese Faktoren erwähne, dann deshalb, w e i l man die Stellungnahmen und Entscheidungen des Premierministers oft durch den Einfluß zu erklären versucht, den dieser oder jener Berater oder Minister auf i h n habe. Das ist sicher richtig, t r i f f t den Sachverhalt jedoch nur teilweise, und ich habe meinerseits oft folgende Erfahrung gemacht: nachdem ich m i t dem zuständigen Mitarbeiter Kontakt aufgenommen, i h m den Sachverhalt einer bestimmten Angelegenheit erläutert und i h m entsprechende Lösungsvorschläge vorgelegt hatte, die er dann i n einer Note an den Premierminister, von der ich eine Kopie bekommen hatte, übernommen hatte, glaubte ich dann die mich gutdünkende Entscheidung erreicht zu haben. Anschließend jedoch, bei der Arbeitssitzung, wo die Angelegenheit auf der Tagesordnung stand, und zwar unter Vorsitz des Premierministers, habe ich oft feststellen müssen, daß dieser die Angelegenheit zunächst i n einen scheinbar sachfremden Zusammenhang stellte und dann i n einer ganz anderen Richtung seine Entscheidung traf oder die Weiterbearbeitung der Sache auf neuen Grundlagen anordnete. 2. Nach diesen Einschränkungen wäre es allerdings genauso verkehrt, die Bedeutung von Personen oder Dienststellen unterschätzen zu wollen, die i n unmittelbarer Nähe des Premierministers und unter seiner Weisung arbeiten. Hier allerdings müssen gewisse Unterscheidungen getroffen werden. Seit 1945 nämlich, einem Termin, zu dem bei der Présidence du Conseil (einer Schöpfung der I I I . Republik) die sog. „Dienststellen der Présidence" eingerichtet wurden (die bereits vor dem Kriege i n Form des Erlasses vom 31. Januar 1936 — J. O. vom 2. Januar — skizzenhaft vorhanden waren, der die „Verwaltungsdienststellen der Présidence du Conseil" organisierte), ging die Tendenz dahin, immer mehr Institutionen und Organe an den Regierungschef zu binden, die keiner Verwaltung unterstanden. Nun muß allerdings eingeräumt werden, daß diese Maßnahmen oft ohne unbedingte Notwendigkeit getroffen wurden und daß die auf
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diese Weise m i t dem Regierungschef zustande gekommenen Bindungen relativ zusammenhanglos und oft äußerst locker sind 4 . Ich werde mich hier nur m i t den Organen befassen, die eine unmittelbare Rolle spielen, wenn es darum geht, den Premierminister bei der Festsetzung der Prioritäten und bei der Koordinierung zu unterstützen. 3. Das erste dieser Organe ist zweifellos sein „Cabinet". Es handelt sich hier u m eine typisch französische Einrichtung. Bereits unter der I I I . Republik hatte der Regierungschef, der gleichzeitig für ein bestimmtes Ressort verantwortlich war, i n seiner Eigenschaft als Präsident des Ministerrates ein Anrecht auf einige persönliche Mitarbeiter 5 . Das Cabinet des Premierministers hat dieselben Charakteristika wie das Cabinet jedes anderen Ministers; es besteht aus Personen, die aufgrund einer von i h m allein unterzeichneten Verfügung ernannt werden und deren Funktionen m i t voller juristischer Wirkung enden, sobald er selbst sein A m t verläßt. Es handelt sich hier nicht u m Ämter, die i m Haushalt vorgesehen sind, und von Ausnahmen abgesehen, bekommen die Mitglieder des Cabinet nur eine Kabinettsentschädigung und beziehen ansonsten weiterhin ihre früheren öffentlichen oder privaten Gehälter. Das erklärt wahrscheinlich, w a r u m die Kabinettsmitglieder des Premierministers i n der Praxis, wie übrigens auch die Kabinettsmitglieder der Minister oder der Staatssekretäre, Beamte sind, eine Lösung, die echte Risiken i n sich birgt, deren schwerwiegendstes die Schaffung einer Parallel Verwaltung ist, die je nach Fall, die bestehenden Behörden verdoppelt oder deren quantitative oder qualitative Schwäche ausgleicht 6 . A u f Ebene des Premierministers teilen sich die Kabinettsmitglieder nach Ressort oder nach Tätigkeitsbereich i n die anfallenden Aufgaben, wobei das Risiko eines Konflikts m i t dem jeweiligen Ministerium, seinem Kabinettsdirektor oder seinen Ministerialdirektoren nicht zu übersehen ist. I n der Praxis jedoch funktioniert dieses System ohne schwerwiegende Erschütterungen, und das Kabinett ist für den Premierminister oft das 4
Gegenstand dieses Berichtes kann es nicht sein, eine Analyse der an den Premierminister gebundenen Dienststellen vorzunehmen, noch der Gründe, die diese Bindungen gerechtfertigt haben; man wird nähere Erläuterungen zu diesen Fragen in folgender Literatur finden: F. de Baecque: L'Administration centrale de la France, Paris 1973, S. 113 ff. und R. LangloisMeurinne, Le Premier Ministre dans l'administration française, Thèse, maschschrftl. Paris 1965. 5 Siehe Erlaß vom 13. Februar 1912 (J. O. vom 14.) Art. 3, der dem Präsidenten des Ministerrates einen Chef de Cabinet und zwei Stellvertreter zugesteht, also insgesamt drei Personen! 8 Siehe zu diesem Punkt Institut Français des Sciences Administratives, Les superstructures des administrations centrales, Paris 1973.
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Organ, das für ihn die Grundzüge seiner Politik erarbeitet und anschließend die Akten vorbereitet i m Hinblick auf die Festsetzung der Prioritäten. Seit 1958 besteht eine Tendenz zur Stärkung des Personalbestands i m Kabinett des Premierministers, zunächst i m Vergleich zur IV. Republik, aber auch aufgrund einer Entwicklung während der dazwischenliegenden Jahre 7 . Außerdem läßt sich i n neuerer Zeit eine ausgeprägtere „Strukturierung" des Kabinetts feststellen, die vor allem i n der Regierung Jacques Chaban-Delmas (1969 - 1972) festzustellen war und die sich i m Kabinett Jacques Chirac ebenfalls beobachten läßt 8 . 4. Die zweite charakteristische Institution, die zu erwähnen wäre, ist das Generalsekretariat der Regierung 9 . Dieses Generalsekretariat besteht aus einer beschränkten Anzahl sog. Bevollmächtigter (chargés de missions); es untersteht einem Generalsekretär, der einen der wichtigsten Posten i n der französischen Verwaltung einnimmt und von einem Direktor unterstützt wird. Was dieses Organ kennzeichnet, ist die Kontinuität seiner Tätigkeit, die sich i n der großen Stabilität seiner Amtsinhaber konkretisiert (von 1946 bis 1974 gab es drei Generalsekretäre und drei Generaldirektoren, was eine durchschnittliche Amtszeit von mehr als 9 Jahren ausmacht, während für die Ministerialdirektoren die Amtszeit etwa 4 Jahre ausmacht), während es i n der gleichen Zeit 33 Regierungschefs gegeben hat, von denen 22 unter der IV. Republik fungierten und 11 seit Inkrafttreten der Verfassung der V. Reupblik (wobei allerdings M. Pompidou und M. Messmér vier resp. drei aufeinanderfolgende Regierungen gebildet haben). Die Rolle des Generalsekretariats der Regierung besteht vor allem darin, dem Regierungschef i n seiner Koordinierungsaufgabe zu helfen und zwar mittels dreier ganz bestimmter und wesentlicher Kompetenzen: — Übernahme des Sekretariats des Ministerrates, sowie aller interministeriellen Räte und Ausschüsse (und i n allen Fällen, i n denen der 7 Aufgrund der offiziellen Unterlagen des Generalsekretariats der Regierung ist man von 15 Personen unter der I V . Republik zu mehr als 35 Personen in den am besten besetzten Kabinetten der Premierminister der IV. Republik übergegangen. 8 Es gibt keinerlei ernsthafte Studie über die Zusammensetzung und die Rolle des Kabinetts des Premierministers. 9 Siehe zu diesem Punkt: J. Marcel, La présidence du Conseil, in: Les institutions politiques de la France, Documentation française Bd. I, S. 237 ff., Paris 1958.
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Staatschef den Vorsitz übernimmt, i n Verbindung m i t dem Generalsekretär des Elysee-Palastes), — Sicherung des rechtlichen Zusammenhangs zwischen den getroffenen Maßnahmen (durch Intervention des zuständigen juristischen Organs und dank der Autorität, die es auf das Journal Officiel ausübt), — Sicherung der Verbindung zwischen Exekutive und beiden Parlamenten. Der Generalsekretär spielt ebenfalls eine Rolle bei der Festsetzung der Prioritäten, und zwar vor allem durch seine Teilnahme an der Ausarbeitung bestimmter wesentlicher Texte (um einige Beispiele zu nennen, die ganz bewußt verschiedenen Bereichen entlehnt sind, möchte ich das Gesetz vom 31. J u l i 1973 über den Streik i m öffentlichen Dienst nennen, ferner alle Texte, welche die Institutionen betreffen, sowie die kürzlich durchgeführte Reform der ORTF). 5. Neben diesen beiden wesentlichen Elementen müssen noch die Organe genannt werden, die institutionell m i t dem Premierminister verbunden sind. Zu diesen gehört i n erster Linie die Generaldirektion der Verwaltung und des öffentlichen Dienstes, über die die entsprechende Verordnung vom 9. Oktober 194510 aussagt, daß ihre Aufgabe darin bestehe „die verschiedenen Elemente einer zusammenhängenden Politik vorzubereiten" und „besonderen Satzungen für die verschiedenen Personalkategorien des Staates zu koordinieren". Diese in das Generalsekretariat der Regierung eingebaute Direktion hat also die Aufgabe, die Politik i m Bereich des öffentlichen Dienstes auszuarbeiten und auf diese Weise die großen Entscheidungen zu treffen, sowie die Bereiche auszuwählen, die privilegiert werden sollen. Sie soll vor allem, da Veränderungen auf diesem Gebiet schwer durchführbar sind, die Koordinierung zwischen den verschiedenen Satzungen sichern und, eine mindestens ebenso wesentliche Aufgabe, die Koordinierung der Besoldungsindices. I n der Praxis allerdings übernimmt ein Minister oder Staatssekretär beim Regierungschef die Verantwortung für diesen Bereich i n unmittelbarer Form. Die Rolle des Premierminister äußert sich also hier i n weniger direkter Form. Eine andere Direktion, bzw. Generaldirektion gehört seit 1947 ebenfalls zum Generalsekretariat; die Direktion für Dokumentation und deren Verbreitung 1 1 , wobei es sich eher u m einen Hilfsdienst handelt, der allen Verwaltungen zur Verfügung steht, deren Rolle jedoch seit einigen Jahren ausgeweitet und durch den Ausschuß für Koordinierung 10 11
Ordonnance 45.2283 du 9 octobre 1945 (J. O. du 10). Erlaß 47.2148 vom 13. November 1947 (J. O. vom 14. November).
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und Verwaltungsdokumentation unterstützt w i r d 1 2 . Dieser Ausschuß unterbreitet dem Premierminister mit Hilfe der logistischen Unterstützung der Direktion Vorschläge für die Durchführung gemeinsamer Methoden auf dem Gebiet der Ausarbeitung, der Verwendung und der Verbreitung der von der Verwaltung zusammengestellten Dokumentation. I n dieser Hinsicht verdiente diese Aktion, die sich eher auf technischer Ebene abspielt, durchaus eine Erwähnung. 6. Ein anderer Typ der dem Regierungschef untergeordneten Organe m i t entscheidender Rolle auf beiden uns interessierenden Gebieten ist in folgenden Institutionen zu sehen: dem Generalkommissariat des Ausrüstungs- und Produktivitätsplans, oder der allgemeinen Delegation für Raumordnung und Regionalaktion. Selbstverständlich handelt es sich hier u m Institutionen, deren Aufgabe i n der Festsetzung der Prioritäten und in der Koordinierung nicht nur der administrativen A k tion besteht, sondern verschiedener Bereiche des privaten Sektors. Der einzige hier angebrachte Vorbehalt ergibt sich aus dem veränderlichen Charakter der Bindungen, die zwischen diesen beiden Institutionen und dem Regierungschef bestehen. Das i m Jahre 194613 geschaffene Plankommissariat wurde z. B. erst 196214 dem Premierminister zugeordnet und war seitdem 5 Jahre lang (von 1967 -1972) einem sog. ministre délégué beim Premierminister (einem Minister ohne Geschäftsbereich) unterstellt, der außerdem für die 1963 geschaffene 15 und damals direkt dem Premierminister unterstellte Raumordnungsdelegation zuständig war, die seit 1972 zunächst dem Ausrüstungsminister und anschließend dem Innenminister zugeordnet war. 7. I n diesem Zusammenhang nun stellt sich auf direkte Weise das Problem der Minister oder Staatssekretäre, die dem Regierungschef zugeordnet sind. Die verschiedenartigen Situationen, die sich i n dieser Hinsicht bereits ergeben haben, lassen i m Rahmen dieses Berichtes keine Einzeldarstellungen zu. Ganz kurz gefaßt möchte ich sagen, daß es drei Arten der Zuordnung bzw. Bindung an den Premierminister gibt. Die erste A r t ist praktisch nur eine Zuordnung der Ordnung halber gewissermaßen und macht den Minister oder Staatssekretär zum verantwortlichen Mann für den i h m unterstellten Bereich und zwar unter Bedingungen, die den Vorstellungen des gemeinen Rechts von einem normalen Minister entsprechen. Dieser Fall betrifft unser Problem also nicht. Um dennoch ein Beispiel zu nennen: Der Staatssekretär für Jugend 12 13 14 15
Erlaß Erlaß Erlaß Erlaß
71.570 vom 13. Juli 1971 (J. O. vom 16. Juli). 46.2 vom 3. Januar 1946. 62.555 vom 10. M a i 1962. 63.112 vom 14. Februar 1963.
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und Sport, der Minister oder Staatssekretär für die überseeischen Gebiete und Departements, sowie der für den Naturschutz zuständige M i nister befanden sich in dieser Situation. Beim zweiten Typ der Unterordnung geht es u m die Fälle, wo der Minister oder Staatssekretär für Probleme verantwortlich ist, die normalerweise i n den Zuständigkeitsbereich des Regierungschefs fallen, von denen dieser sich jedoch entlastet sehen möchte, wenn er sich auch eine direktere Befugnis hinsichtlich der wesentlichsten Entscheidungen vorbehält (öffentlicher Dienst, Plan, usw.). Der dritte Typ läuft auf eine A r t persönlicher Zuordnung hinaus: Der Minister oder Staatssekretär übt dann seine Autorität nicht gegenüber ganz bestimmten, i h m unterstellten Organen aus, sondern bekommt die Aufgabe übertragen, ganz bestimmte Fragen zu entscheiden. Das gilt für den Minister, der für die Beziehungen zum Parlament zuständig ist, i n geringerem Maße für den Staatssekretär m i t dem A m t „Sprecher der Regierung". Es gilt ebenso für den m i t Verwaltungsreformen beauftragten Minister, einer Aufgabe, die gleichzeitig zur Festsetzung der Prioritäten wie auch zur Koordinierung gehört. Dieser Minister kann m i t der Durchführung verschiedener Reformen betraut werden (die Tätigkeit von M. Joxe von 1962 bis 1967 ist ein Beispiel dafür), oder m i t einer ganz bestimmten Reform (Beispiel: M. Jeanneney i n der Regierung Couve de Murville, und zwar für die Senatsreform und für die Regionalreform — J u l i 1968 - Juni 1969 —). Und zu diesem dritten Typ der Zuordnung gehört m. E. der Staatssekretär für die Stellung der Frau (Mme. Françoise Giroud). I n den letztgenannten Fällen wären die betroffenen Regierungsmitglieder als privilegierte Mitarbeiter des Premierministers zu bezeichnen und gehören deshalb ganz besonders i n den Bereich der Analyse, welche dieser Bericht vornimmt. 8. Schließlich gibt es noch einen Komplex von Institutionen, auf den ebenfalls hinzuweisen wäre: die permanenten interministeriellen Ausschüsse, sofern sie tatsächlich unter dem Vorsitz des Premierministers tagen 16 . Unter den bedeutendsten Beispielen möchte ich den Interministerialausschuß für Fragen der europäischen Kooperation herausgreifen, der 1948 geschaffen wurde und dessen Kompetenz seitdem i m Jahre 1952 und i m Jahre 1958 erweitert wurde; ferner den permanenten In16 Es besteht eine Tendenz, einem besonders hervorragenden Minister im Falle verschiedener Reformen den Vorsitz zu übertragen und zwar entweder in Form direkter Zuweisung (Interministerialausschuß für Auslandsinvestitionen, der unter dem Vorsitz des Wirtschafts- und Finanzministers tagte) oder durch sozusagen permanente Delegation (Interministerialausschuß für wissenschaftliche u. technische Forschung zugunsten des Ministers für industrielle Entwicklung).
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terministerialausschuß für Probleme regionaler A k t i o n und raumpolitischer A r t , ein Vorläufer der Delegation für Raumordnung aus dem Jahre 1960, dann der Interministerialausschuß für berufliche Ausbildung und sozialen Aufstieg. Die Wirksamkeit der beiden letzten Ausschüsse w i r d gestärkt durch das Bestehen eines interministeriellen Fonds, dem die Zuweisung von Mitteln für bestimmte Projekte obliegt, die eine Unterstützung wert sind. W i r sehen also, daß die A k t i o n des Premierministers äußerst vielseitig ist, sowohl hinsichtlich der verschiedenen Tätigkeitsbereiche als auch hinsichtlich der Durchführungsweise.
Zweiter Teil: Das Instrumentarium für die Festsetzung der Prioritäten und für die Koordinierung und die Rolle des Premierministers A n dieser Stelle möchte ich zunächst den allgemeinen Vorgang beschreiben, bevor ich zu einer Reihe von spezifischen Fällen komme. A. Allgemeiner Vorgang
Ich möchte zunächst den normalen Ablauf verfolgen und dabei von der Ausarbeitung von Maßnahmen ausgehen, die zur Entscheidungsfindung führen sollen und anschließend zur Durchführung dieser Entscheidung. 1. Die Ausarbeitung der Maßnahmen gehört allgemein gesprochen nicht i n den Zuständigkeitsbereich des Premierministers, und es wäre i n diesem Stadium sogar schädlich, wenn er eine A r t Monopol ausüben würde. Denn jeder Minister muß sich für den i h m unterstellten Bereich verantwortlich fühlen, so daß er auch der erste sein muß, der die Polit i k und die Prioritäten seiner A k t i o n festsetzt. Natürlich muß auch der Regierungschef einen politischen Willen haben und für die gesamte A k t i o n der öffentlichen Behörden entsprechende Prioritäten auswählen, doch erscheint hier bereits der Dualismus unserer Institutionen, denn oft interveniert an diesen Punkten der Staatschef selbst; je nach Temperament und momentanen Gegebenheiten können die Bereiche seiner Interventionen und seiner Reaktionsweisen äußerst verschieden ausfallen, angefangen bei dem streng reservierten Bereich eines General de Gaulle bis zum gesamten Komplex der reformbedürftigen Fragen, angefangen bei der Wahl Valéry Giscard d'Estaing, über eine scheinbar übereinstimmend zwischen dem Präsidenten der Republik und dem Premierminister vorgenommene Verteilung, wie es unter der Regierung Chaban-Delmas der Fall war.
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A u f jeden Fall muß festghalten werden, daß der Premierminister immer einen wesentlichen Platz einnimmt und daß sein Kabinett i h m ebenso wesentliche Hilfe leisten kann, die oft allgemein sichtbar w i r d (wie z. B. i n der Rolle von Jacques Delors oder von Simon Nora bei Jacques Chaban-Delmas oder bei der Rolle von François-Xavier Ortoli bei Georges Pompidou), die jedoch oft auch zwar wirksam aber verborgen sein kann. Tatsächlich finden die vorbereitenden Sitzungen für Regierungsentscheidungen häufig i m Kabinett des Premierministers und m i t Unterstützung des Generalsekretariats der Regierung statt, so daß an dieser Stelle und i n diesen Augenblicken die Entscheidungen präzisiert und die sich daraus ergebenden Prioritäten definiert werden. Die Mitarbeiter des Staatschefs — vorbehaltlich einer noch nicht wahrnehmbaren seit Mai 1974 evtl. erfolgten Neuorientierung — berufen keine Sitzungen dieses Typs ein, sondern werden zu den i m Hotel Matignon organisierten Treffen eingeladen 17 und können auf diese Weise die vom Präsidenten der Republik gewünschten Richtlinien der Politik zur allgemeinen Kenntnis bringen und ihn vor allem rechtzeitig über die Ausarbeitung wesentlicher Maßnahmen informieren. Außerdem ist die Ausarbeitung bzw. Vorbereitung der zahlreichen Entscheidungen auch Gegenstand der Arbeit i n den Interministerialausschüssen, die unter dem Vorsitz des Premierministers arbeiten und je nach Bedarf aus den jeweils zuständigen Ministern und den wichtigsten für die zu behandelnden Fragen zuständigen Beamten bestehen; muß eine Angelegenheit auf Ebene des Staatschefs behandelt werden, w i r d jedoch meistens auch ein interministerieller Ausschuß einberufen und beauftragt, die interministerielle Ratssitzung vorzubereiten, die dann i m Elysée-Palast stattfindet. Diese Ratssitzung findet unter Vorsitz des Staatschefs statt und der Premierminister nimmt i n allen Fällen daran teil. Und schließlich w i r d der Ministerrat m i t jeder Frage bzw. mit jedem Text befaßt, bei dem es notwendig oder opportun erscheint. 2. A u f diese Weise kommen w i r zur Entscheidungsfindung selbst, die sich in der Unterzeichnung eines Dokumentes konkretisiert, das, sobald die Angelegenheit einen gewissen Bedeutungsgrad erreicht, die Form eines Erlasses annimmt, der immer vom Premierminister unterzeichnet w i r d — welcher diese Befugnis keinem Mitarbeiter übertragen kann —, oder vom Präsidenten der Republik, und in diesem Fall muß der Premierminister automatisch gegenzeichnen 18 . 17
Das Hotel Matignon ist der Amtssitz des Premierministers. Mit Ausnahme der Erlasse, welche die Auflösung der Nationalversammlung zum Gegenstand haben oder den Rückgriff auf die Sondervoll18
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Außerdem unterzeichnet der Premierminister die Erlasse erst, nachdem das Generalsekretariat der Regierung ihren Inhalt überprüft hat und das Kabinett ebenfalls konsultiert wurde, Überprüfungen, die es gleichzeitig ermöglichen sicherzustellen, daß die festgesetzten Prioritäten auch eingehalten wurden, und auf die Koordinierung des Gesamtkomplexes zu achten. Durch das Generalsekretariat der Regierung jedoch hat der Premierminister auch die Möglichkeit, sämtliche von den Ministern getroffenen Entscheidungen bereits vor ihrer Veröffentlichung i m Journal Officiel kennenzulernen. Ohne über das Recht der Entscheidungsänderung zu verfügen, kann er auf diese Weise verhindern, daß Entscheidungen getroffen werden, die m i t den allgemeinen Richtlinien der Politik oder m i t der i m Nachbarbereich festgesetzten Politik i m Widerspruch stehen. Meistens übrigens werden derartige Korrekturen auf Ebene des Generalsekretariats durchgeführt, ohne daß der Premierminister persönlich zu intervenieren hat. 3. Bleibt noch die Durchführungskontrolle bei den Entscheidungen, und auch hier w i r d vor allem das Generalsekretariat der Regierung aktiv. Es hat die Aufgabe, einen Überblick über die i n den verschiedenen Räten und Ausschüssen getroffenen Entscheidungen aufzustellen und jedem Minister mitzuteilen, was er i m einzelnen zu t u n hat. Jedesmal, wenn die Durchführung einer Entscheidung Anlaß gibt zu Maßnahmen juristischen Charakters (Durchführungserlaß oder Durchführungsverordnung z. B.), ist es für das Generalsekretariat einfach nachzuprüfen, ob Verzögerungen oder Fehler vorgekommen sind, und in diesem F a l l werden entsprechende Hinweise ausgesprochen. I n einigen Fällen, wenn es u m die Durchführung besonders zahlreicher Maßnahmen geht, kann das Generalsekretariat sogar i n Verbindung mit den betroffenen Verwaltungen einen Zeitplan und eine Dringlichkeitsreihenfolge aufstellen. Außerdem kann i n den Fällen, wo es u m die Durchführung einer Politik geht, die Maßnahmen auf allen Gebieten der Verwaltungstätigkeit erfordert, Veranlassung bestehen, eine Sonderinstitution zu schaffen, die den Auftrag erhält, oft komplizierte Verfahren durchzusetzen und die Vorbehalte zahlreicher Organe zu überwinden. Das war z. B. der Fall bei der Dezentralisierung der Verwaltung und bei der Wahl der Ebene (Region oder Departement), auf der sich dise Dezentralisierung abspielen sollte. Diese Aufgabe fiel zeitweise direkt i n den machten (Art. 16 der Verfassung), wo der Premierminister lediglich konsultiert wird. Was die Entscheidung des Rückgriffs auf das Verfahren des Volksentscheids (Referendum) betrifft, so wird sie auf Vorschlag der Regierung getroffen.
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Zuständigkeitsbereich des Premierministers, i n anderen Fällen den Zuständigkeitsbereich des Ministers für die Verwaltungsreform.
in
Aus allem Gesagten geht hervor, daß die Rolle des Premierministers und der i h m zugeordneten Organe durch den zentralen Platz bestimmt wird, den sie beim Ablauf der verschiedenen Verfahren einnehmen; daraus ergibt sich eine regelmäßige Information über das tägliche Funktionieren der Verwaltung, was wiederum zur Ergreifung jeglicher notwendiger Initiativen zur Beilegung der auftauchenden Schwierigkeiten führen kann. Der Premierminister hat ja auch eine Schiedsrichteraufgabe — und sein Kabinett unterstützt i h n oft i n diesem Punkte —, wenn es darum geht, zwischen divergierenden Meinungen verschiedener Ministerien zu vermitteln, was u m so häufiger der F a l l ist, als die strittigen Angelegenheiten meistens mehrere Verwaltungen betreffen. Es handelt sich hierbei u m eine zwar bescheidene, jedoch äußerst w i r k same Form der Festetzung von Prioritäten und der Koordinierung. A u f ein Risiko muß i n diesem Zusammenhang jedoch hingewiesen werden: auf die Gefahr allzu häufiger „punktueller" Interventionen von Seiten des Kabinetts des Premierministers, die dann allzu zahlreiche sekundäre Angelegenheiten auf diese Ebene heben. Eine derartige Praxis könnte nämlich dazu führen, daß die Minister und ihre Mitarbeiter auf höchster Ebene ihrer ureigensten Verantwortungen entkleidet werden. B. Einige Sonderfälle
Da ich hier nicht auf allzu zahlreiche Beispiele eingehen kann, möchte ich die Rolle des Premierministers und der i h m zugeordneten Organe i n großen Zügen anhand von vier Sonderfällen darlegen: — Aufstellung des Haushalts, — Verteilung der M i t t e l auf dem Umweg über spezialisierte Fonds, — Ausarbeitung und Durchführung bestimmter Reformen, — Beziehungen zum Parlament. 1. Aufstellung
des Haushalts
Hierbei handelt es sich u m ein privilegiertes Gebiet bei der Festsetzung der Prioritäten, denn i n jedem Jahr müssen die finanziellen Wünsche der als besonders „verschwenderisch" qualifizierten Minister reduziert werden, wobei diese Einschränkungen immer einige beschränkte Bereiche verschonen, denen man eine A r t Ausnahmeregelung zugestehen möchte. Die Auswahl w i r d vom Premierminister vorgenommen, oder sogar vom Staatschef und gibt Anlaß zu einer Beratung i m Ministerrat auf Vorlage des entsprechenden Berichtes von Seiten des Finanzministers.
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A u f dieser Grundlage werden, zunächst auf Ebene der Generaldirektion für finanzielle Angelegenheiten und Haushalt i m Rahmen jeder Verwaltung, anschließend auf Ebene jedes einzelnen Ministers die erforderlichen Streichungen vorgenommen. Anschließend w i r d das Haushaltsverfahren m i t dem Finanzministerium eingeleitet (Haushaltsdirektor, Staatssekretär für Haushaltsfragen und Finanzminister). Der Premierminister interveniert also nur i m Falle hartnäckiger Meinungsverschiedenheiten, aber i n jedem Jahr verbringt er mehrere Wochen damit, i n einem Ministerium nach dem anderen die offenen Fragen zu prüfen, und seine Schiedssprüche, die sein Kabinett vorbereitet, werden i m Laufe der i m Hotel Matignon stattfindenden A r beitssitzungen bekanntgegeben, i n Gegenwart des Finanzministers, der anderen betroffenen Minister und ihrer jeweiligen Mitarbeiter. Bei dieser Tätigkeit übt er oft eine koordinierende Funktion aus, t r i f f t jedoch vor allem die Auswahl dessen, was i h m für die Durchführung der Regierungspolitik vorrangig erscheint. 2. Die spezialisierten
interministeriellen
Fonds
Es handelt sich hier um eine relativ neue Technik, deren Wirksamkeit auf der uns interessierenden Ebene außer Zweifel steht, denn die Erfahrung zeigt, daß zusätzliche Haushaltsmittel oft entscheidend sind für die Durchführung einer Ausrüstung oder für die Gewährung einer Priorität i m Falle einer Ausgabe, die anderenfalls hätte aufgeschoben werden müssen. Der spezialisierte Fond bietet den Vorteil, daß er keine Verwaltungskosten impliziert, daß er die Verwaltungen nicht ihrer Verantwortungen entblößt, und daß er m i t relativ bescheidenen Summen wirksam arbeiten kann, welche zur Mobilisierung der durch die entsprechenden Organe i m Verhältnis zu der ihnen gewährten Hilfe aufgenommenen Kredite ausreichen. Letzten Endes handelt es sich hierbei um eine Anwendungsform der Grenzwerttheorie. Die Fonds dieses Typs sind nicht unbedingt dem Premierminister unterstellt; dennoch lassen sich als Beispiele zwei nennen, die bei interministeriellen Ausschüssen funktionieren, die unter dem Vorsitz des Regierungschefs arbeiten und von ganz konkreter Wirksamkeit sind: der Interventionsfond für Raumordnung (Fond d'intervention pour l'aménagement du territoire, abgekürzt: F. I. A. T.), eingerichtet durch A r t . 8 des Erlasses, der die Delegation für Raumordnung geschaffen hat 1 9 und der Fond für Berufsausbildung und sozialen Aufstieg 2 0 . 19 20
Erlaß 63.112 vom 14. Februar 1963 (J. O. vom 15. Februar). Erlaß 67.55 vom 18. Januar 1967 (J. O. vom 19. Januar).
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Der erstgenannte Fond wählt Vorhaben aus, die für die Entwicklung einer bestimmten Region als wertvolle Anregung betrachtet werden und ist somit ein wesentlicher Faktor i n der Festsetzung der Prioritäten, und der zweite Fond ist dank der verbindlichen Festsetzung von Normen für sämtliche Verwaltungen zu einem äußerst wirksamen Koordinierungsorgan geworden. Eine Bedingung sollte noch erwähnt werden, deren Einhaltung unbedingt erforderlich ist, wenn diese spezialisierten Fonds ihre Aufgabe wirklich erfüllen sollen: sie müssen so verwaltet werden, daß es weder zu einer Verzettelung der Kräfte, noch zu einer zu starken Streuung der M i t t e l kommt. 3. Ausarbeitung
und Durchführung
bestimmter
Reformen
Immer dann, wenn eine Reform die gesamte Verwaltung betrifft, bringt sie wegen der starken Spezialisierung der Verwaltungsdienste und wegen deren Furcht, ihre Autonomie zu verlieren, erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Aus diesem Grunde kann allein der Premierminister, unterstützt durch den Staatschef, Aktionen dieser A r t durchführen und sieht sich dabei oft veranlaßt, diese Aufgabe einem Mitglied der Regierung anzuvertrauen, das i h m ganz besonders nahesteht. I n dieser Form wurden die Verwaltungsreformen von 1964 und die Regionalreform von 1972 durchgeführt. Zwei Methoden sind in diesem Zusammenhang denkbar: eine, welche die Reform i m Rahmen einer beschränkten Arbeitsgruppe ausarbeitet und sie dann für alle Verwaltungsorgane als verbindlich erklärt, während die zweite Methode die Verwaltungen an der Vorbereitung und an der Durchführung der betreffenden Reformen beteiligt. Die erste Methode ermöglicht die Ausarbeitung eines konsequenteren und anspruchsvolleren Textes, aber sie stellt bei der Durchführung ganz besondere Probleme, während die zweite Methode oft allzu zahlreiche Ausnahmen zuläßt und allzu vielen Sonderfällen Rechnung trägt, jedoch auf der anderen Seite ein K l i m a des Vertrauens zwischen den verschiedenen Verwaltungsorganen schafft, das wiederum ein harmonisches Funktionieren der Verwaltung gewährleistet. Beide Methoden jedoch machen es erforderlich, daß der Regierungschef zum gegebenen Zeitpunkt einen festen politischen Willen zu erkennen gibt und daß er außerdem die praktischen Durchführungsbedingungen der beschlossenen Maßnahmen aus der Nähe verfolgt, wobei es wünschenswert wäre, daß ein interministerielles Organ diesen Vorgang i n seinem Namen kontrolliert.
Länderbericht Frankreich: F. de Baecque 4. Die Beziehungen
zum
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Parlament
M i t Hilfe des Ministers für die Beziehungen zum Parlament und der Dienststellen des Generalsekretariats der Regierung ist der Premierminister für die Beziehungen m i t beiden Parlamenten verantwortlich. Jedenfalls gilt das für alle bedeutenden Angelegenheiten. Der Premierminister unterzeichnet die Erlasse, i n denen dem Parlament die von der Regierung aufgestellten Gesetzesvorlagen zugeleitet werden. Er entscheidet darüber, ob die Vertrauensfrage gestellt w i r d und auf diese Weise die Verantwortung der Regierung zur Debatte gestellt wird. Ebenso w i r d bei der Übermittlung der Antworten auf schriftliche Fragen verfahren, bei der Zentralisierung der Anträge auf Berichterstattung von Seiten der Minister oder bestimmter hoher Beamter vor den Ausschüssen der beiden Parlamente. Durch das Generalsekretariat der Regierung w i r d der Premierminister auf diese Weise zum regulierenden Element für die Beziehungen zwischen der Exekutive und der Legislative, aber durch Vermittlung des Ministers für die Beziehungen zum Parlament spielt er auch eine wesentliche Rolle bei der Festsetzung der Prioritäten, und zwar aufgrund der Kompetenzen, die er bei der Festsetzung der Tagesordnung beider Parlamente hat, welche „ i n der von der Regierung festgesetzten Reihenfolge die Diskussion der Gesetzersvorlage . . . und der von i h m akzeptierten Gesetzesvorschläge enthält" (Art. 48 der Verfassung). Die Teilnahme des Vertreters des Premierministers an den Sitzungen der Präsidentenkonferenz ermöglicht es, diese Aufgabe i n Verbindung mit den verantwortlichen Persönlichkeiten des Parlaments zu übernehmen.
Dritter Teil: Versuch einer Beurteilung der Rolle des Regierungschefs auf dem Gebiet der Festsetzung der Prioritäten und der Koordinierung
Aus der vorausgegangenen allzu flüchtigen Analyse ergeben sich m. E. die drei folgenden Feststellungen: — Der Regierungschef spielt i n unseren Institutionen eine zentrale Rolle, selbst wenn w i r dem Dualismus der Exekutive den i h m gebührenden Platz einräumen, — aber er stößt dabei auf sehr spürbare Grenzen, — die er wiederum dank der i h m zugeordneten Organe überwinden kann. 6*
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
A. Der Regierungschef bildet den Mittelpunkt des gesamten Instrumentariums, das zur Festsetzung der Prioritäten führt und die Koordinierung ermöglicht. Hier drängt sich zweifellos eine Differenzierung auf, da nämlich der Staatschef auf verschiedenen Gebieten interveniert und der Premierminister bei seinen späteren Aktionen darauf achten muß, daß er sich m i t dem Staatschef stets i n Übereinstimmung befindet. Dieser Sachverhalt führt zweifellos zu einer tatsächlichen Begrenzung seiner Entscheidungsfreiheit: die Festsetzung der Prioritäten w i r d oft i n Abhängigkeit von Orientierungen vorgenommen, die vom Präsidenten der Republik getroffen wurden. Dennoch sollte man sich hier auch vor übertriebener Vereinfachung hüten: man spricht oft von der Verminderung der Befugnisse des Premierministers, vergißt jedoch dabei, daß er, wie oben erwähnt, an allen i m Elysee-Palast getroffenen Entscheidungen beteiligt ist und daß er jederzeit seinen Standpunkt zur Geltung bringen kann und eine Entscheidung i m Sinne des von i h m für richtig befundenen Weges verändern kann, und daß er außerdem über den Verwaltungsapparat verfügt, während der Staatschef letzten Endes nur eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern hat, deren Aufgabe darin besteht, i h n zu informieren, ihm die erforderlichen Entscheidungselemente zuzuarbeiten, i h m Lösungen oder Reformen vorzuschlagen, die aber keine eigenen Befugnisse haben und nur über die moralische Autoriät verfügen, die sich aus der Tatsache ergibt, daß sie in seinem Namen sprechen. Hier drängt sich noch eine Unterscheidung auf zwischen der Festsetzung der Prioritäten und der Aufgabe der Koordinierung. Zum ersten Punkt steht außer Zweifel, daß der Premierminister seine Befugnisse m i t dem Staatschef teilt. I n Punkt zwei jedoch ist er v o l l verantwortlich, wobei i h m der Staatschef die Aufgabe überträgt, durch diese Koordinierung den Erfolg der gemeinsam ausgearbeiteten Politik zu gewährleisten. B. A n Schwierigkeiten und Hindernissen allerdings fehlt es dem Premierminister bei der Ausführung dieser Aufgabe nicht. Zunächst gibt es innerhalb der Regierung j a noch einen Minister, der ebenfalls die Aufgabe hat, die Prioritäten festzusetzen und die Koordinierung des Gesamtkomplexes zu sichern. Es handelt sich um den Wirtschafts- und Finanzminister. Diese Situation ergibt sich aus dem außergewöhnlichen Gewicht dieses Ministers, der i m Grunde ja das wirtschaftliche Leben des Landes bestimmt und gleichzeitig über die öffentlichen Finanzen gebietet.
Länderbericht Frankreich: F. de Baecque
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Daraus ergibt sich, daß fast jede Gesamtmaßnahme seine Gegenzeichnung erfordert, während er auf der Ausführungsebne die Kompetenzen über die verschiedenen Organe hat, die sich aus der i h m übertragenen finanziellen Kontrolle ergeben, die i m Prinzip wiederum jeden Opportunitätsgedanken ausschließt, sich i n der Praxis jedoch nicht ganz davon distanzieren kann. Außerdem besteht die Finanzverwaltung natürlich aus hochqualifizierten Mitarbeitern, die sich der Bedeutung der ihnen übertragenen Aufgabe voll und ganz bewußt sind. Daraus ergibt sich manchmal die Tendenz, auf bescheideneren Ebenen der hierarchischen Organisation i m Namen einer strengen Haushaltspolitik zu intervenieren und von den Ministern selbst getroffene Entscheidungen ihrer Wirkung zu berauben. Aus diesen Gründen w i r d gelegentlich von einer Reform des Finanzministeriums gesprochen. Man hat vor allem daran gedacht, die Generaldirektion für den Haushalt direkt dem Premierminister zuzuordnen, wie das bereits für das Plankommissariat i m Jahre 1962 durchgeführt wurde. Ich persönlich glaube nicht an die Wirksamkeit einer derartigen Zuordnung. Vor allem deshalb nicht, weil der Premierminister nicht durch tägliche Sorgen belastet werden darf, sondern verfügbar bleiben muß, um unvorhergesehene Probleme i n Angriff zu nehmen oder Entscheidungen zu treffen, die sich aus der allgemeinen politischen Lage ergeben. Mein zweiter Einwand ist folgender: der Premierminister übt bereits jetzt eine schiedsrichterliche Funktion aus, wie oben erwähnt, die jedoch m. E. auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte. Hingegen könnten zwei ineinandergreifende Reformen das augenblicklich tatsächlich bestehende Übergewicht des Wirtschafts- und Finanzministers auf sinnvolle Weise einschränken: einmal könnte man Plan und Budget i n einem neuen Ministerium zusammenfassen und dam i t dem Premierminister das Plankommissariat entziehen, zumal er seine Autorität hier ohnehin nur i n lockerer Form geltend machen kann; außerdem könnte man ein Ministerium für Finanzen und Handelsaustausch schaffen, dessen Aufgabe die Durchführung der Haushalts- und Finanzpolitk, der Steuerpolitik und die Verwaltung der „Außenfinanzen" wäre; die zweite Reform könnte darin bestehen, ein weiteres M i nisterium interministeriellen Zuschnitts zu schaffen, das m i t der allgemeinen Verwaltung i m Bereich der Raumordnung und m i t den dort erforderlichen Reformen betraut würde. Dieses Ministerium würde die Generaldirektion für den öffentlichen Dienst und die Organe des Innenministeriums m i t Ausnahme der Polizei i n sich vereinen und hätte, so
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
scheint mir, gegenüber dem Wirtschafts- und Finanzministerium, das seine Ansichten z. Zt. oft allzu energisch durchsetzt, ein starkes Gewicht 2 1 . Und der Premierminister würde unter Beibehaltung seiner Befugnis, i n Konfliktfällen zu entscheiden, um so besser i n der Lage sein, seine Funktionen auszuüben und die jeweiligen Gewichte dieser drei Ministerien i m Gleichgewicht zu halten, die man als horizontal angeordnete Ministerien bezeichnen könnte, und gleichzeitig hätte er auf interministerieller Ebene ein noch wirksameres Mittel, gegenüber der traditionellen
Autonomie
jedes Ministeriums
seinen S t a n d p u n k t d u r c h -
zusetzen. Denn gerade i n diesem Punkt t r i f f t der Regierungschef auf das zweite beachtliche Hindernis. I n Frankreich hat nämlich der Premierminister keine hierarchische Gewalt über seine Minister, und der Staatschef ebensowenig. Darin liegt ein radikaler Unterschied zum tatsächlichen Präsidialregime. Zu dieser juristischen Situation gesellt sich dann noch die Praxis einer sehr ausgeprägten Unabhängigkeit jedes einzelnen Ministers, der der einzige Chef seiner Verwaltung ist und i m übrigen auch oft die äußerst solide verankerten Traditionen seiner Direktionen berücksichtigen muß, die ihrerseits ebenso darauf bedacht sind, ihren Handlungsspielraum zu behalten. I m Zusammenhang m i t diesen Feststellungen jedoch sollten sich keine Mißverständnisse ergeben: die französische Verwaltung ist diszipliniert, sie befolgt die erhaltenen Weisungen und respektiert die einmal festgesetzten Prioritäten. Schwierigkeiten ergeben sich viel eher i m Bereich der Koordinierung. Deshalb haben auch die interministeriellen Organe große Schwierigkeiten, ihre Autorität geltend zu machen, u m so mehr, als die Koordinierung i m Innern einiger Ministerien auf sehr schwachen Füßen steht. Ein deutliches Beispiel für die sich aus dieser Tradition der ministeriellen Autonomie ergebenden Probleme sind die Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung der Reformen vom 14. März 1964 i m Zusammenhang m i t der Neuordnung der Departements und der Regionen ergeben haben. Die Reformtexte haben nämlich die Befugnisse der Departementspräfekten gestärkt, i n dem sie sie zu Delegierten der Regierung und zu direkten Vertretern jedes einzelnen Ministers gemacht haben (Art. 1 des Erlasses 64.250 vom 14. März 1964, J. O. vom 20. März). 21 Die Einordnung der Raumordnung in das Innenministerium geht bereits in diese Richtung.
Länderbericht Frankreich: F. de Baecque
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Diese neue Situation hätte es erforderlich gemacht, daß das Präfektenkorps, dessen interniministerielle Rolle nunmehr verstärkt war, auch einen differenzierteren Aufgabenbereich bekommen hätte. Dies wiederum hätte zweifellos ihre direkte Zuordnung zum Premierminister erforderlich gemacht. I n Wirklichkeit aber hat der Innenminister die Leitung des Präfektenkorps i n der Hand behalten, er hat alle präfektoralen Initiativen vorbereitet, ohne seine Kollegen zu konsultieren, und oft sogar, ohne sich mit dem Regierungschef ins Benehmen zu setzen. A u f diese Weise sind die Präfekten i n einer ganz speziellen Form seine Vertreter geblieben, und die Referenten haben entsprechend reagiert und versucht, sich unter die Autorität ihrer jeweiligen Minister zu stellen, wobei das ganze natürlich auf Kosten von Koordinierung und Effizienz gehen mußte. Bei den Regionalpräfekten, die i n weniger direkter Weise vom Premierminister abhängig sind (Art. 2 des Erlasses 64.251 vom 14. März 1964) und einen Auftrag von sehr interministeriellem Zuschnitt haben, war das oben beschriebene Phänomen weniger deutlich. W i r sehen also, daß der Premierminister, der einige seiner Befugnisse mit dem Staatschef teilt, der sich ferner bei einem sehr mächtigen Finanzminister durchsetzen muß und überdies die Autonomiebestrebungen seiner Minister nicht ignorieren kann, es keineswegs immer leicht hat. C. Dennoch verfügt er über ganz beachtliche Instrumente, welche die eigentlichen Grundpfeiler seiner Aktion ausmachen. Z u n ä c h s t h a t er
sein Kabinett, dessen Rolle und Einfluß sich in den letzten Jahren wesentlich verstärkt haben aufgrund der längeren Amtsdauer seiner M i t glieder und aufgrund der größeren Amtsbeständigkeit des Regierungschefs selbst. A n zweiter Stelle wäre das Generalsekretariat der Regierung zu nennen, das sich auch einen Platz zu erobern verstanden hat durch enge Zusammenarbeit mit dem Kabinett des Premierministers und m i t dem Generalsekretariat des Elysée-Palastes, so daß es tatsächlich zu einem unumgänglichen Durchgangspunkt für alle Verfahren geworden ist, ohne daß dadurch das politische Instrumentarium schwerfälliger geworden wäre. Inzwischen hat man sich i n Frankreich derartig an diese Einrichtung gewöhnt, daß man sich nicht mehr vorstellen kann, wie die I I I . Republik darauf verzichten konnte und nun u m so besser die heftige und berechtigte K r i t i k eines Léon B l u m versteht, der sich vor dem Kriege von 1939 bitter darüber beklagt hat, daß der damalige Regierungschef ohne derart wichtige Organe auskommen mußte 2 2 . 22
Siehe Léon Blum, La Réforme administrative, S. 60 - 68, Paris 1936.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Abschließend läßt sich sagen, daß i n Frankreich die Rolle des Regierungschefs eines der charakteristischen Merkmale der V. Republik darstellt, die auf halbem Wege zwischen dem britischen Parlamentarismus, wo der Premierminister die gesamte Exekutivgewalt i n der Hand hat, und dem Präsidialregime einzuordnen ist, das sämtliche Befugnisse dem i n allgemeiner Wahl gewählten Staatspräsidenten überträgt. Zweifellos ist die Position des Regierungschefs i n Frankreich i n gewisser Weise als unbequem zu bezeichnen, und sein Einfluß hängt von seiner eigenen Persönlichkeit ab, sowie von dem Vertrauen, das i h m der Staatschef entgegenbringt. Trotzdem läßt sich wohl beim augenblicklichen Stand der Dinge festhalten, daß seine Position mehr Gewicht hat, als die Kommentatoren manchmal wahrhaben wollen. Möge dieser Bericht den Beweis dafür geliefert haben.
Der Regierungschef und sein Apparat in der Regierungekoordination und in der Prioritätensetzung Länderbericht: Finnland von Kauko Sipponen
I . D i e Verfassung und ihre Durchführung als H i n t e r g r u n d der Regierungsmaschinerie 1. Historische
Merkmale
Der wesentliche Teil der finnischen Verfassung besteht aus vier grundlegenden, i n den Jahren 1919 - 1928 i n K r a f t getretenen Gesetzen. Die beiden wichtigsten sind das Gesetz zur Regierungsform (1919) und das Reichstagsgesetz (1928). Von den Verfassungen, die i n Europa von den Staaten angenommen wurden, die nach dem 1. Weltkrieg entstanden, ist nur die finnische Verfassung ständig i n K r a f t geblieben. Selbst die Paragraphen sind i m wesentlichen unverändert geblieben. Die finnische Verfassung ist nicht i n erster Linie ein Produkt theoretischen Denkens, sondern basiert auf alter schwedisch-finnischer Tradition. Die Funktionen der staatlichen Organe und die Verteilung der Macht unter ihnen nahm nach der Geburt des schwedisch-finnischen Königreiches i m 13. Jährhundert allmählich seine Form an. Die politische Macht der gewählten Volksvertreter (heute der Reichstag), die des Staatsoberhauptes (heute der Staatspräsident) und die des Kronrats (das heutige Kabinett) sind Erbstücke aus dem Mittelalter. Der Präsident der Finnischen Republik ist i m wesentlichen m i t denselben Vollmachten ausgestattet, wie sie König Gustav der Dritte aus dem schwedischen Königshaus gegen Ende des 18. Jahrhunderts ausübte. Die Entwicklung wurde von dem Umstand beeinflußt, daß, außer i n einigen wenigen Jahrzehnten, der Kronrat i n Finnland nie dieselbe Autorität erreichte, wie der Monarch und das Volk, deren gegenseitiges Vertrauen ein Feudalsystem verhinderte und den Adel unter Kontrolle hielt. Unter dem russischen Regime (1907 - 1917) blieb die schwedische Verfas-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
sung von 1772 und 1789 i n Finnland i n Kraft. Dem Regierungssystem des Mutterlandes wurde so weit wie möglich gefolgt. 2. Die Teilung
der Gewalten
und der
Parlamentarismus
I n den meisten westlichen Demokratien sind die Beziehungen zwischen den wichtigsten Regierungsorganen nach einem der folgenden Muster geregelt: Das System mit weitreichenden Vollmachten des Präsidenten (USA), das dualistische System m i t eingeschränktem Parlamentarismus, in dem der Präsident mit seinen Ministern einen großen Spielraum für unabhängiges Handeln besitzt (Frankreich und Finnland), und letztlich die A r t des Parlamentarismus, i n dem das Staatsoberhaupt sich i n der Ausübung seiner formalen Macht regelmäßig nach den Meinungen der Minister richtet (z. B. England und Schweden). Die zentralen Prinzipien der finnischen Verfassung sind die Dreiteilung der Staatsgewalt, die ich Gewaltenteilung nenne und die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber dem Reichstag. Es ist das Ziel dieses Exposés eine Analyse des dualistischen Systems auf der Grundlage der Erfahrungen, die i n Finnland mit seinem Funktionieren gesammelt wurden, vorzulegen. Das fragliche System beinhaltet widersprüchliche Aspekte und ist i n der Praxis schwierig anzuwenden. Ein Forscher hat es m i t der Quadratur des Kreises verglichen — ein geeigneter Vergleich, wenn man i n Betracht zieht, daß das System eine recht strenge Gewaltenteilung m i t einem gewissen Ausmaß von Parlamentarismus vereint. Für das Erreichen der Unabhängigkeit war es allerdings absolut wesentlich, eine neue Regierungsform i n Finnland einzuführen. Die gleichzeitige Verwirklichung der Gewaltenteilung und des Parlamentarismus muß als Kompromiß verstanden werden, der die Voraussetzungen für das Gesetz zur Regierungsform schaffen half. Es ist i n Finnland seit mehr als fünfzig Jahren i n Kraft. Die Dreiteilung der Regierungsgewalt ist den fundamentalen Vorschriften bezüglich der Form staatlichen Handelns inhärent. Paragraph 2 der Verfassung schreibt zum Beispiel vor: „Die legislative Gewalt soll vom Reichstag zusammen m i t dem Staatspräsidenten ausgeübt werden. Die höchste exekutive Gewalt liegt beim Staatspräsidenten. Zusätzlich zum Präsidenten soll es zur allgemeinen Regierung des Staates einen Staatsrat (das Kabinett, die Ministerien), bestehend aus einem Premierminister und der notwendigen Anzahl von Ministern, geben. Die judikative Gewalt soll von unabhängigen Gerichten ausgeübt werden." Da i n einem demokratischen Staat alle politische Gewalt vom Volk ausgeht, und die Versammlung der Volksvertreter allen anderen Regierungsorganen übergeordnet ist, ist das Ziel der Gewalten-
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teilung vor allem, den anderen Organen die Freiheit unabhängigen Handelns i n individuellen Fällen zu gewährleisten und damit ein Gleichgewicht in der Machtausübung zu erreichen. Ursprünglich war Parlamentarismus ein Begriff, der bedeutete, daß die verantwortlichen Berater des Staatsoberhauptes das Vertrauen des Parlaments genießen sollten. I n den führenden parlamentarischen Ländern sind die Minister allein dem Parlament und nicht dem Staatsoberhaupt verantwortlich, und der letztere muß seine formale Gewalt in Übereinstimmung zu den Ansichten der Minister ausüben. I n Finnland müssen die Minister das Vertrauen des Reichstags genießen, aber dieses Bedürfnis nach Vertrauen des Reichstags t r i f f t nicht auf den Staatspräsidenten zu. Demzufolge ist die Ausübung der exekutiven Gewalt nur zum Teil abhängig vom Vertrauen des Reichstags. Der Staatspräsident beruft die Kabinettsmitglieder und hat traditionellerweise ein Mitspracherecht bei der Wahl des Premierministers, des Außenministers und sogar einiger anderer Minister. Es hat sich die Ansicht verbreitet, daß die Kabinettsmitglieder ebenfalls das Vertrauen des Staatspräsidenten genießen sollten, ein Bedürfnis, das nie exakt definiert wurde, aber i n der Praxis deutlich ist. Der Staatspräsident hat beträchtliche Vollmachten. Es ist der Staatspräsident, der über die Vorlage von Gesetzesentwürfen der Regierung i m Reichstag entscheidet. Bevor eine vom Reichstag akzeptierte Gesetzesvorlage ein Gesetz wird, sind Zustimmung und Unterschrift des Staatspräsidenten notwendig, der Staatspräsident hat allerdings nur ein aufschiebendes Vetorecht. Der Staatspräsident erläßt Anordnungen für noch höhere Ziele als bloß zur detaillierten Anwendung der Gesetze. Der Staatspräsident ernennt die höchsten Beamten, er ist der Oberste Befehlshaber der finnischen Streitkräfte, er kann den Reichstag zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen — auch um neue Wahlen anzuordnen —, und den Reichstag während einer Legislaturperiode auflösen. Er hat das Begnadigungsrecht und kann Strafen erlassen. Er ist der Vorgesetzte der staatlichen Verwaltung und kann i n Ausübung dieser Tätigkeit Inspektionen durchführen und Informationen von den Verwaltungsorganen verlangen. Der Staatspräsident ist verantwortlich für die Leitung der Auslandsbeziehungen außer den Verträgen, die die Gesetzgebung betreffen oder nach der Verfassung der Zustimmung des Reichstags bedürfen; nur die müssen vom Reichstag gebilligt werden. Unser erster Staatspräsident bewies, daß es i n seiner Präsidialgewalt steht, ein Kabinett, das das Vertrauen des Reichstags genießt zu ent-
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lassen, ein provisorisches Kabinett zu ernennen und das Parlament aufzulösen — vorausgesetzt, er ordnet gleichzeitig neue Reichstagswahlen an. I n Angelegenheiten, die i n seine Kompetenz fallen, fällt der Staatspräsident gewöhnlich seine Entscheidungen i m Staatsrat auf die Berichte des Ministers hin, i n dessen Verantwortungsbereich die Angelegenheit fällt. Der Staatspräsident benötigt i n der Präsidentensitzung des Staatsrates die Anwesenheit von mindestens fünf Ministern, ist jedoch i n keiner Weise dazu verpflichtet, deren Meinung anzunehmen, nicht einmal die einstimmige Meinung des gesamten Kabinetts. Der Staatspräsident genießt seine Privilegien in Unabhängigkeit, und es w i r d nicht abgestimmt. I m allgemeinen versuchen der Staatspräsident und die Minister die Kollision von Meinungen z. B. m i t Hilfe vorheriger Verhandlungen zu vermeiden. Entscheidungen werden fast immer m i t vollständiger Übereinstimmung erreicht, und nur selten tauchen Unstimmigkeiten auf der Ebene der formalen Entschließungen auf. I n der Praxis haben sich alle Staatspräsidenten in einer großen Mehrheit der Fälle der Ansicht des Ministers angeschlossen, aber jeder Staatspräsident hat seine Macht auch dazu benutzt, gegen die Meinung der Minister zu entscheiden. Natürlich können auch die Minister davon beeinflußt gewesen sein, was man von der Meinung des Staatspräsidenten zu dem betreffenden Gegenstand wußte. Da der Staatspräsident seine Entscheidungen i n der Gegenwart der Minister trifft, sind die letzteren politisch und rechtlich für sie verantwortlich, genauso, wie sie für andere Angelegenheiten, die m i t ihrer Unterstützung bewirkt werden, verantwortlich sind. Sollte sich ein K o n f l i k t zwischen Staatspräsident und Kabinett verhärten, ist der einzig offene Ausweg für das Kabinett die politische Waffe (dem Staatspräsidenten, Anm. d. Übers.), die Unterstützung zu entziehen, z. B. indem es zurücktritt. Kündigt das Kabinett seinen Rücktritt an, für den Fall, daß seine Meinung nicht akzeptiert wird, hat der Staatspräsident keine andere Wahl, als entweder dem Willen des Kabinetts nachzugeben, oder zu versuchen, seine Auffassung i n der Zusammenarbeit m i t einem neuen Kabinett durchzusetzen. Zöge sich der K o n f l i k t weiter hin und die Auffassungen des Staatspräsidenten und des neuen Kabinetts kollidierten m i t dem Willen des Reichstags, müßte der Staatspräsident nachgeben. Da der Staatspräsident i n der Ausübung seiner Amtsgewalt schon immer unabhängig war, war seine Position selbst i n der Beziehung zum Reichstag relativ stark, den Premierminister gar nicht zu erwähnen. I m Laufe der Jahrzehnte ist sie regelmäßig gestärkt worden, und
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heute w i r d der Staatspräsident oft der „leitende Direktor der Repub l i k " genannt. Die Stärke seiner Position ergab sich zuerst einmal aus der langen Amtszeit, die sechs Jahre beträgt — z. B. ist Dr. Urho Kekkonen Staatspräsident seit 1956 und soll es bis 1978 gemäß eines besonderen Gesetzes, das mit demselben Rang wie die grundlegenden Gesetze i n K r a f t gesetzt wurde, bleiben — zweitens aus seiner langjährigen Erfahrung und drittens aus der inneren Konsequenz einer Politik, die von ein und derselben Person verfolgt wird. Gemäß A r t i k e l 33 der Verfassung „soll der Staatspräsident die Beziehungen Finnlands zu ausländischen Mächten bestimmen". Obwohl der Reichstag die Macht besitzt, die wichtigsten internationalen Übereinkünfte zu billigen und über Fragen von Krieg und Frieden zu entscheiden, hat doch der Staatspräsident eine unanfechtbare Macht i n Fragen der Auslandsbeziehungen, die durch die derzeitige Mode, A u ßenpolitik durch persönliche Verhandlungen zwischen den Staatsoberhäuptern zu betreiben, noch stärker akzentuiert wird. Die Vormachtstellung der Staatspräsidenten i n der Außenpolitik hat dazu tendiert, seine Autorität auch i n innenpolitischen Angelegenheiten zu vergrößern. Die geschriebene Form der Verfassung bietet Spielraum sowohl für ein Regierungssystem, das zur Vorherrschaft des Präsidenten führt, als auch für ein rein parlamentarisches System, i n dem ausschließlich an die Vorherrschaft des Reichtstags zum tragen kommt. I n einem System wie diesem w i r d das Gleichgewicht der Macht zwischen den höchsten Instanzen andauernd von einzelnen Persönlichkeiten und entsprechend der Natur der Ereignisse verändert. Der Staatspräsident der Republik Finnland ist manchmal der de Gaulle des Nordens genannt worden. Der Vergleich hatte offensichtlich die Absicht aufzuzeigen, daß die Staatsoberhäupter sowohl Frankreichs als auch Finnlands relat i v große verfassungsmäßige Macht i m Vergleich zu anderen Staatsoberhäuptern haben können und daß sie nicht zögern, sie auszuüben. I n Finnland jedoch ist dieses System nicht an eine Person gebunden, sondern Teil einer flexiblen, auf Geschichte gegründeten Verfassung. Es bleibt der Zukunft überlassen, zu entscheiden, wie der Parlamentarismus i n jedem Zeitalter funktionieren soll. Daß die Verfassung i n der oben kurz beschriebenen Form vollendet wurde, war das Resultat von Jahrzehnten praktischer Anwendung und Entwicklung. Wegen seiner besonderen Eigenschaften können w i r dieses System mit Recht einen finnischen Parlamentarismus nennen. Die Finnische Verfassung verbindet das Prinzip der Gewaltenteilung mit dem des Parlamentarismus, beide i n modifizierter Form.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Das System ist auch schon hart kritisiert worden. Die meisten M i t glieder des Ausschusses für Verfassungsfragen, welcher vor einigen Monaten einen Zwischenbericht veröffentlicht hat, sind der Ansicht, daß die Position des Parlaments gestärkt werden sollte und daß, wenn der Staatspräsident Macht haben soll, er sie i n Übereinstimmung mit der Meinung der Minister ausüben soll. Diese Äußerung w i r d zur Zeit diskutiert, es gibt jedoch schon Anzeichen dafür, daß eine Bewegung m i t dem Ziel einer grundlegenden Reorganisation der Stellung des Staatspräsidenten kaum von den notwendigen zwei Dritteln der Volksvertreter unterstützt würde. 3. Wege und Mittel
des Einflusses des Staatspräsidenten
Ich habe schon aufgezeigt, daß der Staatspräsident über sehr weitreichende Privilegien und einen ausgedehnten Kompetenzbereich verfügt. Die Vorbereitung von Entscheidungen selbst i m Zuständigkeitsbereich des Kabinetts w i r d oft von dem beeinflußt, was man von der Einstellung des Staatspräsidenten zu dem jeweiligen Gegenstand weiß. Es gibt viele andere Wege, auf denen der Staatspräsident Einfluß ausüben kann. Er hat enge Verbindungen zum Premierminister und den wichtigsten anderen Ministern. Hier und da mag der Staatspräsident i n enger Verbindung mit einem leitenden Beamten stehen, ohne jedoch den Weg über den entsprechenden Minister zu nehmen. Er reist viel sowohl i m Inland wie i m Ausland und t r i f f t die Vertreter verschiedener Kreise und Gruppen. Er zögert nicht, seine Meinung zu wichtigen Staats- und Regierungsangelegenheiten i n seinen Reden, Interviews etc. zu äußern. Er hat einen bestimmten Kurs i n der Außenpolitik eingeschlagen und hält ein wachsames Auge auf dessen Einhaltung. I n der Innenpolitik zielen seine Vorschläge auf Verbesserungen i n verschiedenen Lebensbereichen oder einzelnen Fällen. Die Beamten und Behörden müssen die Tatsache beachten, daß der Staatspräsident festumrissene Ziele verfolgt, obwohl er i m Prinzip seinen Einfluß durch die Mittlerschaft der Ministerien ausüben möchte. Wegen des hohen Prestiges des Staatspräsidenten w i r d eine von ihm fest geäußerte Auffassung bezüglich irgendeiner Angelegenheit von den Behörden trotz der fehlenden gesetzlichen Verbindlichkeit akzeptiert. Als der Staatspräsident vor einigen Jahren ein neues Mitglied für einen vakanten Lehrstuhl der Finnischen Akademie ernannte, diktierte er eine kritische Meinung i n das Protokoll der Kabinettssitzung, i n der er die Auflösung der Akademie und die Verwendung derselben Gelder zu einer praktischeren Förderung der Wissenschaft unterstützte. Dies veranlaßte das Erziehungsministerium, Schritte zur Vorbereitung einer Reorganisation zu unternehmen. Ein ähnlicher Fall ist oft die Neu^
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jahrsaussprache des Staatspräsidenten, i n der er z. B. einige kritische Bemerkungen zu den Strafen für Kraftfahrer unter Alkoholeinfluß gemacht hat. 1965 beauftragte der Staatspräsident eine inoffizielle Arbeitsgruppe, unter seiner Amtsgewalt zu arbeiten, u m eine Modernisierung der Universitäten und der Universitätserziehung zu erwägen. Die Gruppe, die aus privaten Mitteln finanziert wurde, unterbreitete ihre Vorschläge dem Staatspräsidenten. Die Auffassung der Gruppe wurde schnell vom Staatspräsidenten i n seiner Radio- und Fernsehansprache veröffentlicht und i m anschließenden Lauf der Dinge wurde sie das Fundament, auf dem die nachfolgenden legislativen Bemühungen aufbauten. Der Staatspräsident von Finnland hat offiziell relativ wenig Einfluß auf ökonomische und soziale Angelegenheiten. Alle Anzeichen weisen jedoch darauf hin, daß die Position, das Prestige und der praktische Einfluß des Staatspräsidenten in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stark ist, ein Umstand, der sich nicht problemlos i n den Rahmen des gewöhnlichen Programms einer parlamentarischen Regierung einfügt. So machte zum Beispiel 1970, nachdem Lohnverhandlungen festgefahren waren, der Staatspräsident der Republik seinen eigenen Vorschlag zu einer umfassenden Lohnzahlungsregelung, welcher umgehend von den großen Arbeitsmarktorganisationen akzeptiert wurde. Der Mitarbeiterstab i m A m t des Staatspräsidenten ist eine A r t Sekretariat für den Staatspräsidenten, das i h m eine Reihe praktischer Dienste leistet. Das A m t bereitet die Arbeit des Staatspräsidenten i n Angelegenheiten vor, die i n seinen Aufgabenbereich fallen, aber i h m nicht von einem Ministerium vorgelegt werden, wie zum Beispiel die Dienstaufsicht über die staatliche Verwaltung. Das A m t hält auch die Verbindungen zwischen dem Staatspräsidenten und dem Volk aufrecht und baut sie weiter aus. Es unterstützt den Staatspräsidenten bei besonderen Pflichten, sowie bei der Vorbereitung von Reden und öffentlichen Auftritten, i n dem es Material sammelt, Aide-memoires und Entwürfe erstellt etc. Das Präsidialamt plant i n Zusammenarbeit m i t dem Außenministerium Staatsbesuche und arrangiert die Verabredungen und Reisen des Staatspräsidenten, erstellt ein tägliches Programm etc. Das Präsidialamt ist dafür verantwortlich, die bestmöglichen Bedingungen für die Durchführung der Geschäfte des Staatspräsidenten sicherzustellen. I m Präsidialamt arbeiten der Direktor des Amtes, drei Adjudanten, der besondere Berater für außenpolitische Belange, der Gebäudeverwalter, Büro- und Haushaltspersonal von etwa 40 Personen. Es wurde nie der Wunsch geäußert, das Präsidialamt zu vergrößern, so daß es mit den Ministerien konkurrieren könnte. Während der Staatshaushalt 1974 17.127 Millionen Finnmark umfaßte, beliefen sich die Ausgaben des Präsidialamtes auf weniger als 2 Millionen Finnmark.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat 4. Der Staatsrat (das Kabinett), die Ministerien und der Premierminister
Das Kabinett ist ein Körper m i t vielen Mitgliedern und vom Charakter her ein Kollegium. Seine Mitglieder entscheiden kollektiv unter kollektiver Verantwortung. Über den Premierminister hinaus gibt es ein Maximum von 16 weiteren Ministern i m Kabinett, von denen die meisten einzeln als Leiter einer Abteilung, bekannt unter der Bezeichnung Ministerium fungieren. Der Autorität des Premierministers untersteht kein Ministerium unmittelbar, er ist jedoch der Leiter des Büros des Staatsrates. Der Status dieses Büros entspricht dem eines M i nisteriums. Ein Ministerium handelt nicht als kollektiver Körper, es ist der i h m vorangestellte Minister, der die Arbeit des Ministeriums dirigiert. Die allerwichtigsten Angelegenheiten werden i n den meisten Fällen i n den Ministerien vom Minister selbst entschieden oder an hohe Beamte des Ministeriums delegiert. Einige Ministerien sind relativ große Behörden, i n zahlreichen Zweigen, Ämter und Abteilungen unterteilt, während einige klein sind, m i t nur dreißig bis vierzig Beamten von administrativem oder exekutivem Rang. Die Minister werden vom Staatspräsidenten berufen, der sie auch aus ihrer Mitgliedschaft i m Staatsrat entläßt. Bevor Angelegenheiten dem Staatspräsidenten zur Entscheidung unterbreitet werden, werden sie i n den Ministerien vorbereitet. Der Staatsrat hat auch die Aufgabe, die Entscheidung des Präsidenten i n die Tat umzusetzen. Doch darüber hinaus verfügt der Staatsrat über eine allgemeine Zuständigkeit. Die höchste Exekutivgewalt liegt beim Staatspräsidenten, das Kabinett jedoch verfügt über allgemeine Befugnisse, die alle Regierungsund Verwaltungsangelegenheiten umfassen, die i h m nicht ausdrücklich entzogen sind. Alle Angelegenheiten, die i n den Zuständigkeitsbereich des Kabinetts fallen und nicht ausdrücklich einem Ministerium zugeordnet sind, werden i n Plenarsitzungen beschlossen. Über Dutzende oder manchmal Hunderte von wichtig angesehenen Angelegenheiten, insbesondere finanzielle Probleme und Personalentscheidungen werden i n offiziellen Kabinettssitzungen entschieden — i n denen der Staatspräsident nicht teilnimmt — unter dem Vorsitz des Premierministers. Der Vorsitzende hat keine größere Macht als die anderen M i nister, wenn es u m Entscheidungen geht und hat wie sie nur eine Stimme. Neben dem Kabinett hat sich seit dem Ende der 30er Jahre ein anderer inoffizieller Körper entwickelt, die sogenannte „Abendschule", die i n der Regel am Vorabend der offiziellen Sitzungsperiode zu-
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sammentrifft. Dort werden alle wichtigen politischne Angelegenheiten inoffiziell behandelt, unabhängig davon, ob über die Angelegenheit letztlich i n einem Ministerium, bei einer Kabinettssitzung oder vom Staatspräsidenten bei einer Präsidentensitzung m i t dem Kabinett entschieden wird. Dabei sind keine Beamte anwesend oder machen Vorschläge, es sei denn, sie sind als Sachverständige besonders eingeladen worden. Der Premierminister entscheidet, wann Kabinettssitzungen abgehalten werden und i n welcher Reihenfolge die Probleme behandelt werden sollen. Die Regelungen der internen Tätigkeit des Staatsrates beinhalten verschiedene Vorschriften bezüglich der Koordination der A r beit. Der Premierminister hat den Vorsitz über jeden der beiden ständigen Ausschüsse des Staatsrates, d. h. über den Finanzausschuß und den Außenpolitischen Ausschuß. Der Finanzausschuß spielt eine zentrale Rolle i n der Leitung der nationalen Wirtschaft. Allerdings werden die Angelegenheiten, m i t denen sich diese Ausschüsse befassen, i n den relevanten Ministerien vorbereitet — selten i m Büro des Staatsrates. A u f diese Weise kann der Premierminister das Ergebnis der A r beit de facto nicht bestimmen, er oder sein Berater n i m m t an den wichtigen vorbereitenden Verhandlungen t e i l und weiß, welche Fortschritte die Dinge machen. Innerhalb des Staatsrates können auch andere ministerielle Ausschüsse eingerichtet sein. Deren Mitglieder werden vom Premierminister ernannt, aber i n der Praxis handelt er die Zusammensetzung der Ausschüsse m i t den Vertretern der Regierungsparteien aus, so daß jede Partei i n allen ministeriellen Ausschüssen vertreten sein kann. Ein Bericht über Pläne zur Reorganisation des Büros des Staatsrates, 1972 von einem Minister geschrieben, der m i t der sozialpolitischen Planung beauftragt und unter bestimmten Regierungen i n dem Büro beschäftigt war, besagt u. a.: „Sozialpolitische Planung, die umfassend gedacht war, hat die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt. Die Berichte, die Licht auf Probleme der sozialpolitischen Planung werfen sollten, waren bezüglich ihrer Ziele mehrdeutig. Eine umfassende Behandlung ging i m Labyrinth der zahlreichen willkürlich abgegrenzten Planungsbereiche verloren. Die verschiedenen öffentlichen Organe führen ihre Planung getrennt ohne Koordination von Zielen durch, und es gibt keine angemessenen Mittel, den Prozeß zu kontrollieren. Die obengenannten Umstände haben es unmöglich gemacht, umfassende Programme für die soziale Entwicklung vorzubereiten, und aus diesem Grunde war die Planung bisher ohne Wirkung und überschnitt sich." Aus diesen Gründen wurde das Büro des Staatsrates i m Jahre 1973 reorganisiert. Es besteht aus einer allgemeinen Abteilung und einer 7 Speyer 57
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Planungsabteilung. I n Verbindung m i t dem Büro arbeiten auch ein Komitee für Entwicklungsgebiete und ein Komitee für Fragen sozialer Gerechtigkeit. Dem Büro des Staatsrats untergeordnet sind das W i r t schaftsbüro und das Wirtschaftliche Planungszentrum. Die Allgemeine Abteilung ist i n erster Linie m i t Fragen der Verwaltung und Organisation wie m i t Angelegenheiten i n Verbindung m i t den Informationsdiensten des Staatsrats beschäftigt. Es ist auch für solche Fragen zuständig, die nicht i n den Aufgabenbereich eines der Ministerien fallen, jedoch vom Staatsrat behandelt werden müssen. Die Planungsabteilung befaßt sich m i t der Koordination und Leitung der Regionalplanung und der verschiedenen Zweige der Sozialplanung, m i t den Zielen und Alternativen auf diesen Gebieten, m i t Forschungen und Untersuchungen von Problemen, die m i t diesen Zielen zusammenhängen, soweit das nicht von einem Ministerium getan wird. Sie beschäftigt sich auch m i t anderen Angelegenheiten i m Zusammenhang m i t der Sozialplanung, die außerhalb der Zuständigkeit eines jeden Ministeriums liegen. Der Leiter des Büros des Staatsrates muß sich m i t den Angelegenheiten beschäftigen, die i n Beziehung m i t der Steigerung der Effizienz des Staatsrates stehen, da er des Premierministers nächster Beamte ist. I m Büro des Staatsrates ist auch ein politischer Sekretär des Premierministers beschäftigt. Ist der Staatspräsident nicht i n der Lage, seinen Pflichten nachzukommen, handelt der Premierminister als sein Stellvertreter, direkt gemäß der Verfassung.
5. Beratende
Komitees
und Zentrale
Verwaltungsausschüsse
Außerhalb des ministeriellen Apparats als solchem gibt es eine A n zahl von Beratenden Komitees, die, aus Vertretern der Ministerien und anderen Regierungsstellen, Führern von Interessengemeinschaften, Pol i t i k e r n und anderen Fachleuten zusammengesetzt, i n Finnland seit den 20er Jahren existieren. Für eine lange Zeit wurden solche Organe nur für begrenzte Zeiträume geschaffen, inzwischen haben die meisten von ihnen jedoch eine gesetzlich fundierte Grundlage erhalten. Die Beratenden Komitees erstellen Gutachten, führen Planungs- und Koordinationstätigkeiten durch, äußern ihre Meinung, geben Anregungen und machen Vorschläge. Sie sind meist ständige Ausschüsse und arbeiten unter der verwaltungstechnischen Leitung eines Ministeriums oder eines Zentralen Verwaltungsausschusses. Sie arbeiten als beratende, vorbereitende und koordinierende Körper. Die Komitees schicken ihre Vorschläge zur Kenntnisnahme an die betreffenden Ministerien.
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Die Verwaltungsfunktionen, die das ganze Land betreffen, werden zum größten Teil von den zentralen Verwaltungsausschüssen und den Behörden, die dem einen oder anderen Ministerium unterstellt arbeiten, geleitet und durchgeführt. Solche zentralen nationalen Ausschüsse sind für die Regierungssysteme Schwedens und Finnlands besonders typisch. Den Ministerien untergeordnet und relativ unabhängig, sind sie für spezielle wie routinemäßige Pflichten bezüglich bestimmter einzelner Angelegenheiten oder ausschließlich für Angelegenheiten eines Typs verantwortlich. Die wichtigsten zentralen Verwaltungsausschüsse sind die zentralen Ausschüsse für Gesundheit, Zoll, Erziehung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, öffentliche Straßen und Wasserwege, Schiffahrt, Bauwesen und Steuern, die Eisenbahnverwaltung, Postund Fernmeldeverwaltung, Bankprüfung, das Patent- und Registeramt, das Institut für Meeresforschung etc. Die meisten dieser zentralen Verwaltungseinheiten formen Kollegien, „Ausschüsse", manche werden jedoch von einem Direktor m i t zentraler Autorität geleitet. Die zentralen Ausschüsse und Behörden arbeiten unter der Aufsicht eines Ministeriums, und es wurde schon an einigen Stellen beschrieben, daß bestimmte Verwaltungsentscheidungen von Wichtigkeit dem zuständigen Ministerium zur Genehmigung und Bestätigung vorgelegt werden müssen. I n anderen Fällen sind die zentralen Ausschüsse und Behörden nicht verpflichtet, den Anweisungen eines Ministeriums i n einzelnen Fällen zu folgen. Die Ausschüsse haben eine generelle Verantwortung für die Entwicklung i n ihrem Tätigkeitsbereich und man erwartet von ihnen, daß sie Wünsche nach passenden und notwendigen Maßnahmen und Reformen äußern. Man kann das finnische Regierungs- und Verwaltungssystem i n groben Zügen wie folgt beschreiben: Der Staatspräsident
Ernennung
1
+ der Staatsrat = Die Regierung
t
Wahl
Die Verwaltung
t
Vertrauen
Der Reichstag
t
Wahl
Das Volk
7*
Verwaltungstätigkeit
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
I L Folgerungen 1. Planung
Die Notwendigkeit von Planung und der Koordination von Planung w i r d i n Finnland nicht i n Frage gestellt. Noch vor kurzer Zeit wurde das Büro des Staatsrates reorganisiert, so daß es die Verantwortung für die Koordination der i n den einzelnen Ministerien durchgeführten Planung übernehmen konnte. Die technische „Planungssprache" ist auch nicht unbekannt. Die moderne Regionalplanung begann auf regionaler Ebene schon i n den 40er Jahren, auf nationaler Ebene i n den 50ern. Das ganze Land ist heute von schon vollendeten oder noch i n der Vorbereitung befindlichen Plänen überzogen. Ich glaube, es gibt genug Experten, u m die Vorbereitung eines nationalen Wirtschafts- und Sozialprogramms oder gar -plans für eine gewisse Anzahl von Jahren zu ermöglichen. Die Informationsdienste — Statistiken, Datenbanken, Informationsverarbeitung usw. existieren schon oder könnten ohnehin auf den gewünschten Standard ausgerichtet werden. Die Hierarchie der Operationsziele ist schon ein Bestandteil des an Universitäten und i n der Staatsmaschinerie gegebenen Wissens. Das folgende Diagramm zeigt die Struktur des Konzepts von Operationszielen. Es stellt einen Schritt auf der Suche nach M i t t e l n dar, m i t deren Hilfe man die operationalen Ziele für den administrativen Output formulieren kann. Dimensionen Zielkonzept
der Situation
der Zeit
Mission (Auftrag)
Gründung der Existenz in einem ersten Entwurf
unendlich, Zukunft oder „überlangfristig"
Zielbereich Operationsziel
Operationale Formulierung wenn möglich
der Organisationsebene
Höchste Ebene, Top Management
langfristig kurzfristig
Mittlere und Untere Ebene
Man hat ins Auge gefaßt, daß der Staatsrat lang- und mittelfristige Programme und/oder Pläne für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung auf der Grundlage umfassender wirtschaftlicher Untersu-
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chungen vorbereiten soll, die Pläne von den Ministerien für verschiedene Sektoren erstellt und jene von der Planungsabteilung des Büros des Staatsrates vorbereitet werden sollen. Diese Programme und/oder Pläne könnten vom Reichstag gebilligt oder zumindest diskutiert werden. Sie würden als Richtschnur i n der Entwicklung der Wirtschaaftsund Sozialpolitik dienen, etwa so wie i n Frankreich. I m Zusammenhang mit der Reorganisation des Büros des Staatsrates wurde vorgeschlagen, daß ein koordinierender beratender Ausschuß und ein koordinierendes ministerielles Komitee zur Planung von politischen Impulsen und der politischen Führung gebildet werden sollten. Diesem Vorschlag wurde nicht zugestimmt. Ein solch umfangreiches Programm war das Ziel und der Vorschlag einer offiziellen Kommission 1968, aber es existiert nicht und wurde auch noch nicht vorbereitet. Statt dessen gibt es einige Pläne für bestimmte Verwaltungssektoren. So gibt es das Gesetz zur Entwicklung von Universitäten und einer Ausbildung auf universitärem Niveau für die Jahre 1967 - 1981 und den Plan für die Organisation des staatlichen Gesundheitswesens und der Krankenhäuser für die Jahre 1975 - 1979, der kürzlich vom Staatsrat verabschiedet wurde. E i n umfassender Plan für die Politik i m Wohnungsbau w i r d gerade vorbereitet. Programme für bestimmte Bereiche, zum Beispiel für die Verwaltung der Justiz und die Wissenschaftspolitik, sind dem Reichstag vorgelegt worden und werden von i h m diskutiert. Vom Wirtschaftsausschuß sind schon verschiedene Wirtschaftsprogramme vorgelegt worden, aber sie gaben weder die M i t t e l an, m i t denen man diese Ziele hätte erreichen können, noch erlangten sie die allgemeine Verbindlichkeit. Zur Zeit verfügen w i r über keinen nationalen Plan, der gewöhnlicherweise einen weitreichenden Koordinationsbedarf enthält. Beim derzeitigen Stand der Dinge hat die unter dem Dach des Büros des Staatsrates zusammengestellte Planungsmaschinerie ihre Planungskapazitäten noch nicht voll entwickelt. Die Beamten i n der Planungsabteilung — etwa vierzig — und die anderen M i t t e l sind zu einem großen Ausmaß m i t der Vorbereitung eines einzigen Sektorenplans, eines Plans für die Entwicklungspolitik, und einer Gesetzesvorlage, die den Plan i n die Tat umsetzen soll, i n Anspruch genommen. Die Gesetzesvorlage enthält i n erster Linie ökonomische Maßnahmen zur Entwicklung unterentwickelter Gebiete. Selbstverständlich ist es schwierig, einen nationalen Plan oder auch nur ein Programm für den sozialen und wirtschaftlichen Bereich zu erstellen, wenn es nur wenige zentrale Pläne zu einzelnen Sektoren gibt. Es bleibt abzuwarten, ob die Planungsabteilung mit der speziellen A u f gabe, m i t der Vorbereitung eines nationalen Wirtschafts- und Sozial-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Programms und/oder -plans i n der nächsten Zukunft beauftragt wird. Ich meine, w i r sollten den Prozeß der Beratung und Planung, der die Funktion des öffentlichen wie privaten Bereichs zu einem einzigen funktionalen Plan oder zumindest Programm vereinigt und die W i r t schaft und das Leben der Gesellschaft unseres gesamten Volkes umfaßt, weiter fortentwickeln. Der Premierminister ist normalerweise für die Planung nicht persönlich verantwortlich. Diese Aufgabe wurde i n den letzten Jahren einem anderen Minister des Staatsrates oder dem Minister eines anderen Ministeriums übertragen. Für die Koordination speziell gibt es keinen Minister. Man kann den Premierminister m i t dem leitenden Direktor und die anderen Minister m i t Direktoren der Planung vergleichen. Der Staatspräsident hat i n diesem Zusammenhang keine offizielle Position. Er gibt oft Impulse, die einen Beginn einer Planung verursachen, wie zum Beispiel i m Bereich der universitären Ausbildung. Finnland kann selbstverständlich nicht ohne integrierte und koordinierte Planung bestehen. Diese Arbeit w i r d hauptsächlich vom Finanzministerium getan. I n einer zentralen Verwaltung ist das wichtigste M i t t e l zur Koordination des gesamten Bereichs der Tätigkeiten des Staates ein kurzfristiger Plan, das Budget und die Maschinerie der Haushaltsplanung. Man hat große Anstrengungen unternommen, den gesamten Prozeß der Aufstellung des Haushalts zu einem wirkungsvollen Instrument für die Aufgabe der Planung und Durchführung zu machen. A m Ende des Jahres 1965 bereitete das Finanzministerium zum erstenmal einen sogenannten Grundetat für die Jahre 1966 -1969 vor, und man fuhr auf diese Weise auf der Grundlage von Fünfjahresspannen fort. Die innere Struktur des Etats wurde reorganisiert, die Buchführungs- und Rechnungsfunktionen der finnischen Republik verbessert und weiterentwickelt. 2. Das Fällen von
Entscheidungen
Der Premierminister entwickelt i n der Regel eine gewisse administrative und organisatorische Führung, aber dennoch ist er i n erster Linie der Führer eines Kollegiums, der verhandelt, vermittelt und über alle wichtigen Staatsangelegenheiten informiert ist. I n einem aus mehreren Parteien bestehenden Staatsrat hat der Premierminister selten die Gelegenheit, als ein Leiter zu fungieren, der fest entschlossen Entscheidungen fällt und koordiniert. Von Anfang an ist er ein Vermittler zwischen den Repräsentanten der Regierungsparteien. Er-kann zum Beispiel die Minister nicht selbst auswählen, sondern muß gewöhnlich
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die von den politischen Parteien vorgeschlagenen Ministerkandidaten akzeptieren. A l l e Angelegenheiten von Bedeutung werden i m vornherein i n der „Abendschule" und dem Finanzausschuß des Kabinetts vorbereitet und de facto entschieden. Von entscheidender Bedeutung ist die Stärke der Partei. Der Premierminister muß versuchen, das Kabinett zusammenzuhalten und es dazu bringen, eine konsequente Politik zu verfolgen. A l l e Ministerien sind durch das Instrumentarium der Regierung gehalten, die Dienstleistungen i n ihrem Aufgabenbereich zu koordinieren und zu beaufsichtigen. Einige Ministerien haben Koordinationsaufgaben für besondere Angelegenheiten. Es finden natürlich gelegentliche und regelmäßige Zusammenkünfte von Beamten aus verschiedenen Ebenen statt, u m die Koordination i n den erwogenen Angelegenheiten zu gewährleisten. Oft werden dazu nur für einen Problemkreis bestimmte Komitees von Beamten gebildet. Sehr oft w i r d ein Beamtenkomitee benannt, u m Überlegungen anzustellen, ob neue Statuten und Vorschriften notwendig sind und/oder ob die existierenden ergänzt werden sollten. Die beratenden Komitees sind ebenfalls bedeutende Koordinationsfaktoren i n allen Bereichen der Verwaltung. Das Finanzministerium hat eine Reihe von Koordinationsfunktionen zu erfüllen. Das Ministerium ist i n der Regel i n allen beratenden und entscheidenden administrativen Organen vertreten, wenn Wirtschaftsprobleme zur Debatte stehen. Enthält eine Angelegenheit eine deutliche wirtschaftliche Implikation die nicht i m Blickfeld des Finanzministeriums liegt, sollte das betreffende Ministerium sich vom Finanzminister i u m eine Stellungnahme zu der Angelegenheit geben lassen, bevor sie geregelt wird. A u f ähnliche Weise hat das Finanzministerium Anspruch darauf, über Maßnahmen anderer Ministerien mit Bezug auf w i r t schaftliche Angelegenheiten informiert zu werden. Es ist die Aufgabe der Wirtschaftsabteilung des Finanzministeriums, sowohl über allgemeine Richtlinien für die nationale Wirtschaftspolitik, als auch über spezifische Maßnahmen des Kabinetts i m Hinblick auf ihre Koordination und Harmonisierung m i t den beschlossenen Zielen der Sozial- und Wirtschaftspolitik i m allgemeinen Überlegungen anzustellen. M i t Hilfe verschiedener Verfahrensweisen — wie oben beschrieben — überwacht das Finanzministerium wirkungsvoll die gesamte Staatsmaschinerie vom ökonomischen Standpunkt her m i t der Erwägung aller Möglichkeiten, eine wirkungsvolle Koordination herbeizuführen. Es ist leicht zu verstehen, daß der Finanzminister m i t dem Premierminister oder dem Außenminister gut um den Titel als einflußreichstes Kabinettsmitglied wetteifern kann.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat 3. Führung
und
Leitung
I m folgenden Text befindet sich ein Diagramm, das auf sehr einfache Weise das System des Managements und des Verwaltungsprozesses verdeutlichen soll. Die politische Maschinerie verfügt über mehrere Werkzeuge für die Führung und Leitung: — Normen: Gesetze, Beschlüsse des Staatspräsidenten etc. — Etat — Berufungsgewalt für öffentliche Ämter — individuelle normative Anordnungen. Der Staatspräsident hat manchmal Druck ausgeübt, um einer Gesetzesvorlage oder einem eigenen Erlaß einen Inhalt nach seinen Vorstellungen zu geben. Die große Mehrheit der Gesetzesvorlagen steht natürlich i n der Praxis unter dem Einfluß des Kabinetts. Das Mittel, ministerielle Ausschüsse für jeweils ein bestimmtes Problem zu bilden, w i r d oft für die Vorbereitung von Gesetzesentwürfen benutzt, wenn politische Schwierigkeiten auftauchen oder schnelles Handeln vonnöten ist. Es gibt auch Verhandlungsteams. I n diesen Ausschüssen sind gewöhnlich alle politischen Parteien des Kabinetts vertreten, der Premierminister kann für ihre Arbeit jedoch keine persönliche Verantwortung übernehmen. Die letzte vorbereitende Verhandlungsinstanz i m Rahmen des Kabinetts ist die „Abendschule". Der Etat w i r d i m Finanzministerium i n Zusammenarbeit m i t den einzelnen Ministerien vorbereitet. Seine endgültige Version w i r d dem K a binett vorgelegt, das sich mehrere ganze Tage m i t ihr beschäftigt. I n diesen Sitzungen werden politische Meinungsverschiedenheiten beigelegt.
Die Berufung der Staatsbeamten befindet sich vielleicht fester i n den Händen des Premierministers als alle vorhergehenden Angelegenheiten. Größere Parteien i m Kabinett scheinen einem Minister eine besondere Verantwortung für die Vorbereitung und Geschäfte übertragen zu haben. Alle wichtigen Berufungen werden jedoch h i n und
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wieder gebündelt und zu einem Paket geformt. Berufungen für höhere Ämter unterliegen dem wachsamen Auge des Staatspräsidenten, der sich weigern kann, einen Kandidaten zu ernennen, der i h m ungeeignet scheint. Vom Premierminister werden selten einzelne normative Anordnungen an leitende Beamte des Büros des Staatsrates gegeben. Als ich 1968 - 1970 der Leiter des Büros für 25 Monate war, gab m i r der Premierminister selten direkte Anweisungen, die über die normale Verwaltungsroutine hinausgingen, und nur wenige Male wollte er die Dienste der Planungsbüros i n Anspruch nehmen. Meine Kollegen haben darauf hingewiesen, daß dies auch in der Regel der Fall sei; die Premierminister betrachten das Büro des Staatsrats nicht als starkes Werkzeug i n ihren Händen. 4. Politische
Organisation
Die Tätigkeiten des Staatsapparates werden i n Finnland nicht m i t Hilfe von lang- oder mittelfristigen Plänen, durch gut abgegrenzte Operationsziele oder durch Instrumente der Werkzeuge leistungsfähigen Führung und Leistungen koordiniert. Stattdessen werden sie zum großen Teil m i t politischen Mitteln koordiniert. Das grundlegende Instrument der Koordination ist das Programm des Staatsrats. Es w i r d vom Staatsrat i n den ersten Tagen seines Wirkens formuliert und herausgegeben, trotzdem w i r d es dem Reichstag nicht vorgelegt, und es kann keine parlamentarische Abstimmung darüber geben. Das existierende Koalitionskabinett (8 Sozialdemokraten unter der Führung vom Parteisekretär und Premierminister Sorsa, 5 Vertreter der Zentrumspartei unter der Führung ihres Vositzenden, zwei Minister, die der Schwedischen Partei angehören, der Vorsitzende der Liberalen Partei und ein parteiloser Minister) haben ein Programm (36 Seiten) herausgegeben m i t 45 Punkten zu allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens. Der Inhalt und der Umfang des Programms w i r d fortlaufend weiterentwickelt, es umfaßt Gegenstände und Ziele, die verschiedenen Hierarchien angehören. Das Programm wurde i n langwierigen Verhandlungen vorbereitet. Viele Experten wurden dazu gehört. Der Staatsrat hat das Programm schon mehrere Male offiziell seinen Ergebnissen gegenübergestellt. Diese Rückkoppelung bewirkte, daß das Programm mehrere Erweiterungen und Korrekturen erfuhr. Das Programm ist die koordinierende Flagge des Staatsrates. Es w i r d vorausgesetzt, daß die gesamte Vorbereitungsarbeit i m zentralen Verwaltungsapparat dem Programm folgt und es zu erfüllen sucht. Die Ministerien geben dem Büro des Staatsrats mehrere Male i m Jahr eine
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Liste von Gesetzesvorlagen, die i n Vorbereitung sind, und das Büro kann so sehen, wie das Programm realisiert wird. I n der Vergangenheit war es oft schwierig für das Kabinett, den Beziehungen zum Reichstag die angemessene Sorgfalt zukommen zu lassen. Dieses M a l besteht das Kabinett aus führenden Parteimitgliedern, und es wurden noch keine Brüche i n den Beziehungen offenbar. Die politische Koordination w i r d dadurch erleichtert, daß der Staatspräsident i n der Regel den Staatsrat loyal unterstützt. A m Anfang dieses Jahres teilte er dem Staatsrat seinen Wunsch mit, daß er (der Staatsrat, Anm. d. Übers.) seine Arbeit i m kommenden Jahr fortsetzen solle, vorausgesetzt, daß er die notwendige Unterstützung des Reichstags besäße. Der politische Gleichklang zwischen Staatspräsident und Staatsrat w i r d stark von dem Umstand gefördert, daß weitgehende Übereinstimmung i n der Außenpolitik herrscht. Es ist allgemein nicht bekannt, wie oft der Staatspräsident i n der Tat von seinen Vorrechten Gebrauch macht, u m die Politik des Staatsrates durchzuführen, obwohl es nicht immer so aussieht. Wenn das Kabinett starke parlamentarische Unterstützung genießt, hat der Premierminister dem Staatspräsidenten gegenüber eine starke Position. Es kann soweit gehen, daß der Staatspräsident und der Premierminister das Team bilden, das nötig ist, u m die Regierung und Verwaltung m i t angemessener Führung, Leitung und Konsequenz auszustatten.
Der Regierungschef und sein Apparat in der Regierungskoordination und in der Prioritätensetzung Länderbericht: Polen von Jerzy Starosciak I. Methodologische Einführung Die Auswahl des i m Titel genannten Themas zum Gegenstand einer internationalen Konferenz ermöglicht meiner Meinung nach eine interessante Darstellung des aktuellen Standes und der Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaften. Dieses gilt erstens wegen der Änderungen, die i n den letzten Jahren i m Bereich des Tagungsthemas durch rechtliche Regelungen und auch Verfassungsänderungen eingetreten sind. Dieses gilt aber auch zweitens deshalb, w e i l die Verwaltungswissenschaften, die bei der Reform der Lokalverwaltungen meistes aktiv waren, nur sehr zurückhaltend auf die Frage der Position der Zentralverwaltungsorgane eingegangen sind. Ohne ausführliche Behandlung der zentralen Verwaltungsorgane läßt sich jedoch kein allgemeines B i l d über das Funktionieren der Staatsverwaltung erarbeiten. Diesem Gebiet wendet sich erst jetzt ein stärkeres Interesse zu. Zunächst muß die A r t und Weise der Behandlung des vorgegebenen Themas erläutert werden. Ich denke, daß die Darstellung dem gegenwärtig gebräuchlichen Stil von Verwaltungsuntersuchungen entsprechen muß. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten i m Bereich der Verwaltungsuntersuchungen dieser A r t die Rechtswissenschaften, das Verwaltungsrecht, manchmal aber auch das Zivilrecht, nahezu das Monopol. Die Untersuchungen wurden dogmatisch angelegt. Aber bereits 15 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden spezielle Wissenschaften und festigten ihre Position, die nicht den rechtlichen Standpunkt der Beobachtung und Analyse des Funktionierens von Verwaltung i n den Vordergrund stellt. Es soll hier an die Verwaltungswissenschaften und an die sog. politischen Wissenschaften erinnert werden. Der Versuch einer Synthese dieser Wissenschaften g i l t als Konzeption zur Durchführung sog. interdisziplinärer Untersuchungen. Das Entstehen dieser Tendenz zeigt das Ziel, realistische Untersuchungen über die Verwal-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
tung zu unternehmen, d.h. auch Schlußfolgerungen aufgrund von Untersuchungen der Wirklichkeit vorzunehmen. Das Ziel dieser Untersuchungen der Verwaltung sollte zunehmend die Möglichkeit ausschließen, daß w i r bedeutende wissenschaftliche Ausarbeitungen und eine interessante Theorie der öffentlichen Verwaltung entwickeln, jedoch eine schlechte Verwaltungspraxis haben. Eine Situation dieser A r t zeugt nämlich von einem Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis, was für beide Seiten ungünstig ist. Die Theorie, die Darstellung von Verallgemeinerungen sollten maximal der Wirklichkeit angenähert werden. Dies ist auch die methodologische Voraussetzung meiner weiteren Ausführungen. Insbesondere soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß das zu behandelnde Thema nicht ausschließlich mit einer dogmatischen, rechtlichen Methode behandelt werden kann. Wenn nämlich die Staatsverwaltung i n erster Linie ein Apparat zur Realisierung der außerhalb ihrer selbst liegenden Ziele ist, Ziele die i n einem politischen Programm, also außerhalb der Verwaltung festgelegt werden, so ist die Position des Vorsitzenden der Regierung eine Schlüsselposition, die die Unterordnung der Verwaltung unter dieses Programm garantiert. Seine Position ist sowohl die Position des Verwaltungsorgans wie auch eine politische Schlüsselposition. Das beweist die Tatsache, daß der Regierungschef i m Staat ein Mandat einer bestimmten politischen Partei besitzt, und außerdem die Tatsache, daß das Bestehen sog. überparteilicher Regierungen von Fachleuten i m Leben der Staaten und Völker eine außergewöhnliche Ausnahme darstellt und daß Regierungen und ihre Leiter jeweils nur vorübergehende Erscheinungen sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für das vorliegende Thema, die Position des Regierungschefs i m politischen Mechanismus des gegebenen Staates zu behandeln, was nicht die vorrangige Heranziehung von rechtlichem Dokumentationsmaterial ausschließt. Diese Auffassung ist erforderlich, obwohl sie auf den Widerstand von Anhängern der These stoßen kann, daß die öffentliche Verwaltung einem fortschreitenden Prozeß der Entpolitisierung unterworfen sei 1 . Die Darlegung des Themas darf sich auch nicht ausschließlich auf die i n der Verfassung niedergelegten Lösungen stützen. Die Verfassungen 1 Die Notwendigkeit dieser Art Annäherung wird in der Tatsache deutlich, daß in den europäischen sozialistischen Staaten Organe von gemischtem Typ bestellt werden, sog. Partei- und Regierungsorgane. So rief z. B. das Gesetz Nr. 1/73 in Rumänien den Obersten Rat zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entfaltung als Organ der strategischen Planung ein. Vorsitzender dieses Rates ist der Generalsekretär der Partei und sein Stellvertreter der Ministerpräsident (vgl. ebenfalls Scintei vom 9.4.1973). I n Polen war das beratende, mit Vorschlagsrecht ausgestattete Organ, nämlich die Parteiund Regierungskommission für Fragen der Modernisierung der Lenkung, ein Organ vergleichbarer Art.
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formulieren nämlich i n der Mehrzahl der europäischen Staaten die Rolle des Ministerpräsidenten nur i n verhältnismäßig zurückhaltender Weise. Die der Verfassung entsprechenden Lösungen werden i m wesentlichen hier aufgrund von gewöhnlichen Gesetzen näher formuliert. Es geht dabei vor allem u m Gesetze, die die Organisation der örtlichen und zentralen Verwaltungen betreffen, Verfahrensgesetze und Gesetze über die öffentlichen Bediensteten der Staatsverwaltung. I I . Nähere Problematik der sozialistischen Länder I n der Gesetzgebung fast aller europäischen sozialistischen Länder trägt der Chef der Regierung den Namen Ministerpräsident 2 . Diese Bezeichnung w i r d auch i m weiteren Verlauf dieses Referates als Kennzeichnung des Regierungschefs verwandt. Die Position des Ministerpräsidenten i n der Verwaltung der sozialistischen Länder soll aufgrund der methodologischen Ausführungen unter I vorgestellt werden. Vor allem muß die Aufmerksamkeit auf die Besonderheit der Position des Ministerpräsidenten i n der Verwaltung sozialistischer Länder i m Vergleich mit den Staaten anderer Systeme gelenkt werden. Die Grundlagen dieser Besonderheit ergeben sich aus folgenden Gründen: 1. I n allen zu behandelnden Staaten w i r d die leitende politische Position von einer Partei, nämlich der kommunistischen Arbeiterpartei eingenommen. Dies gilt sogar dann, wenn i n manchen dieser Länder neben der kommunistischen Partei noch andere m i t ihr zusammenarbeitende Parteien bestehen. Die kommunistische Partei besitzt ein langfristiges, politisches Programm. Die Regierung ist das ausführende Instrument dieses Programms und die Leitung der Ausführung liegt bei dem Vorsitzenden der Regierung. Das Regierungsprogramm selbst ist dem politischen Programm untergeordnet. I n den sozialistischen Staaten ist das Regierungsprogramm ein Teil des gesamten politischen Programms. Die leitenden Organe der Partei kontrollieren die laufende Erfüllung dieses Programms und die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der für die Realisierung angewandten Methoden 3 . 2 Eine Ausnahme macht Jugoslawien: Hier trägt der Ministerpräsident gemäß der Verfassung aus dem Jahre 1974 den Titel „Vorsitzender des Bundesexekutivrates". Diese Nomenklatur ergibt sich aus den besonderen Verhältnissen der Staatsorganisation in Jugoslawien. 3 Nähere Ausführungen bei A. Lopatka (Hrsg.): „Die Organisierung der sozialistischen Gesellschaft in Polen", Warschau 1970; W. Afanasiew: „NAUTSCHNOJE U P R A W L E N I J E ABSCHTSCHESTWOM, S. 155, Moskau 1968.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Der Auftrag des Ministerpräsidenten zur Ausführung des Programms führt zu der Notwendigkeit, daß der Ministerpräsident in diesen Staaten immer Mitglied der höchsten Organe der Parteileitung ist, etwa des Politbüros. Andererseits bewirkt die Exekutivrolle des Ministerpräsidenten i m Verhältnis zur Politik der Partei, daß gegenwärtig der Grundsatz gilt, daß diese Funktion nicht zugleich m i t dem Posten der höchsten Parteifunktion, etwa der Stelle des I. Parteisekretärs, verbunden sein soll 4 . I n dieser Situation w i r d der Ministerpräsident jedoch das wesentliche Verbindungsglied zwischen der Politik der Regierung und der Partei, zwischen Parteipolitik und Regierungsprogramm. Das verschafft i h m eine besondere politische Position sowohl i n der Regierung als auch i n den Parteiorganen. 2. Die zweite Grundlage der besonderen Position des Ministerpräsidenten i n sozialistischen Staaten ergibt sich aus dem spezifischen W i r kungsbereich dieses Staates und der Tätigkeit der Staatsverwaltung. Zu der Staatsverwaltung gehört nämlich nicht nur die Aufsicht über die Wirtschaftstätigkeit, sondern auch die operative Lenkung. Z u den Aufgaben der zentralen Organe der Staatsverwaltung gehören somit Entscheidungen wie z. B. die Festlegung des Autotyps zur Produktionsaufnahme, die Festlegung eines Netzes von Verarbeitungsbetrieben für die Agrarproduktion oder die Bestimmung der Anteile der Produktion für den Binnenmarkt und für den Export. Diese Aufgaben n i m m t zwar nicht der Ministerpräsident alleine wahr — jedoch fallen Entscheidungen dieser A r t i n den Sitzungen des Ministerrates oder seines Präsidiums. I m Zusammenhang damit n i m m t die Rolle des Ministerpräsidenten i m Bereich der Wirtschaftslenkung ständig zu. Entscheidungen wie die Festlegung der Anteile zwischen den einzelnen Produktionszweigen, die Bestimmung der Prioritäten und die Überwachung der reibungslosen Realisierung eines beschlossenen Programms sind wesentliche Tätigkeiten der Ministerpräsidenten i n allen sozialistischen Ländern. Die Intensivierung der Industrieproduktion und ein zunehmend elastisches Reagieren auf die Bedingungen dieser Produktion führen dazu, daß die Verwaltungsorgane i n einem größeren Umfange m i t Fragen der Wirtschaft befaßt sind. Dies war u.a. ein Grund, um die Funktion des 1. Sekretärs von der Funktion des Ministerpräsidenten zu trennen. Dabei kommt dem Ministerpräsidenten die Rolle des „großen Verwalters" i n den laufenden Angelegenheiten der Volkswirt4 Allerdings war es nicht immer so. I n den Jahren 1950 - 1960 wurde in der Regel angenommen, daß gerade der I. Sekretär der Partei zugleich die Funktion des Ministerpräsidenten innehaben muß. Dies führte zu einer übermäßigen Zentralisierung der Behörden, zur Verringerung der Kontrollfunktionen der Partei und zu einer Aufgabenhäufung bei einer Person. Dies erschwerte für den I. Sekretär zugleich die Kontrolle über die Grundprobleme durch eine starke Inanspruchnahme in operativen Fragen.
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schaft zu. Wie er diese Aufgabe wahrnimmt, w i r d i m wesentlichen später dargestellt werden. 3. Die dritte Bedingung für die besondere Position des Ministerpräsidenten i n den sozialistischen Staaten ist die i n den meisten dieser Länder beibehaltene Trennung der „Vertretungsorgane" und der „Verwaltungsorgane". Die Vertretungsorgane, auch „Organe der Staatsmacht" genannt, sind wählbare Organe. Es sind dies auf der höchsten Stufe das Parlament und auf den unteren Ebenen der verwaltungsmäßigen Gliederung die „örtlichen Delegiertenräte". Die Konsequenz dieser ideologisch bestimmten Unterscheidung sind Organisationsformen i n der Verfassung, wonach die Tätigkeit der „Vertretungsorgane" nicht durch Direktiven der Verwaltungsorgane geregelt werden kann. Die Aufsicht über die Vertretungsorgane w i r d durch die Gesetze über das Verwaltungssystem ausschließlich oder fast ausschließlich i n die Hände der Vertretungsorgane der nächst höheren Stufe gelegt. Zu den Gruppen der Verwaltungsorgane zählen die Verfassungen dieser Staaten den Ministerrat wie auch den Ministerpräsidenten selbst. Das bedeutet eine Einschränkung seines Einflusses auf das Funktionieren der örtlichen Vertretungsorgane 5 . Die Leitung dieser Organe liegt i n der Hand solcher Organe, die von den „höchsten Vertretungsorganen" wie dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR oder dem Staatsrat i n Polen bestellt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nur u m den „vertretungspolitischen" Teil der Tätigkeit der örtlichen Räte. I h r wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich bleibt unter starkem Einfluß der zentralen Verwaltungsorgane, ebenso wie die Leitung der laufenden Tätigkeit ihrer Exekutivorgane 6 . 5 Klassische Organisationen dieser Art sind in den Verfassungen der UdSSR, der DDR und Bulgariens enthalten. Diese Unterscheidung war dagegen niemals in der tschechoslowakischen Verfassung enthalten. Die Gesetzgebung dieses Landes betrachtete die örtlichen Delegiertenräte als ausschließliche „Organe der Behörde und der Staatsverwaltung". I m Z u sammenhang damit lag die Überwachung der Tätigkeit aller örtlichen Organe in der Hand der Hauptverwaltungsorgane. Eine besondere Situation besteht in Polen seit 1973. Die Gesetzgebung nimmt die Unterscheidung in „Organe der Behörde und der Selbstverwaltung" und in „örtliche Organe der Staatsverwaltung" auf, kennzeichnet aber die letzten in dem Bereich ihrer Kompetenzen, in dem sie außerhalb der Leitung des Ministerialpräsidenten tätig sind, als „ausführende und lenkende Organe der Volksräte". I m Zusammenhang damit ist die Position des Ministerpräsidenten gegenüber den örtlichen Verwaltungsorganen, jedenfalls nach polnischem Recht besonders stark. Unterschiedlich ist auch die Position des „Regierungschefs" in Jugoslawien: Hier sind die Organe der örtlichen Verwaltung an die Konzeption der Selbstverwaltung angelehnt. Jedoch nehmen in diesem System die sog. Fachbereichsinspektionen als zentral gesteuerte Organe zur Überwachung der Tätigkeit der örtlichen Verwaltungsorgane eine wichtige Position ein.
• Die Position der Exekutivorgane der örtlichen Vertretungsräte, der Mechanismus ihres Funktionierens und die Beziehung zu den Räten ist in
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I I I . Allgemeine Position und die Funktion des Ministerpräsidenten Die Verfassungen der europäischen sozialistischen Länder bestimmen i m Unterschied zu den Verfassungen vieler Staaten Westeuropas die Position des Ministerpräsidenten nicht genau. Die Aufmerksamkeit w i r d vielmehr auf die Regelung der Position der jeweiligen Ministerräte gelenkt. Die Verfassungen beschränken sich auf die Feststellung, daß der Ministerpräsident diesem Rat vorsteht 7 . Die Bezeichnung der Zusammensetzung des Ministerrates weist jedoch darauf hin, daß es eine Abstufung innerhalb des Rates geben kann: die Stellvertreter des Ministerpräsidenten — wie i n Polen — oder auch die Stellvertreter des Ministerpräsidenten und die „ersten" Stellvertreter des Ministerpräsidenten, wobei diese mehrere sein können. Wenn man neben der Verfassung die Bestimmungen anderer Gesetze berücksichtigt, etwa die Gesetze zur Organisation der örtlichen Verwaltung der Grundstufe und spezieller Stufen sowie die Gesetze zum Verwaltungsverfahren, so kann festgestellt werden, daß die Position des Ministerpräsidenten drei unterschiedliche Bereiche umfaßt: 1. seine Position, die sich aus der Teilnahme und dem Vorsitz i m Ministerrat ergeben, 2. seine Rolle als Chef eines Ressorts, d. h. als Chef eines getrennten Bereichs von Verwaltungsangelegenheiten und den sozialistischen Staaten sehr unterschiedlich. Vgl. „Institutionen des Verwaltungsrechts der europäischen sozialistischen Staaten" / unter Redaktion von J. Staroéciak/, Warschau 1973 sowie B. Lasarjew: Miestnyje priedstawitielnyje organy i organy uprawlenija, Sowietskoje Gosudarstwo i Prawo 1974, Nr. 3, S. 73 ff. 7 Diese Verfassungen enthalten z. B. nicht Feststellungen der Art wie die Verfassung der BRD, daß der Kanzler die Richtlinien der Staatspolitik festlegt (Art. 65 G G sowie F. Knöpf le, in: La consultation dans l'administration contemporaine, sous la direction G. Langrod, S. 637 ff., Paris 1972). Sie sehen auch nicht vor, daß der Ministerpräsident — wie in Finnland — in gewissen Fällen den Präsidenten der Republik vertreten kann. Diese Verfassung verleiht ihm übrigens eine starke Position gegenüber der Verwaltung (Art. 25, 32 und 41 der Verfassung aus dem Jahre 1919 in der Fassung des Jahres 1957). Seine Position ist aber auch gegenüber dem Staatsoberhaupt nicht so geschwächt wie in Frankreich, wo der Präsident den Vorsitz im Ministerrat innehat (Art. 8, 9, 21 der Verfassung aus dem Jahre 1958 i. d. F. des Jahres 1969). I n dem französischen Schrifttum wird hervorgehoben, daß ein wesentlicher Teil der Autorität des Premierministers aus dem Recht seines Kontaktes zu dem Präsidenten der Republik hervorgeht (M. Prélot: Institutions politiques et droit constitutionnel, S. 717, Paris 1972). Unter verfassungsrechtlichen Aspekten entspricht die Position des Ministerpräsidenten in den besprochenen Staaten im wesentlichen der Formulierung, die sich in Art. 95 der Verfassung Italiens (aus dem Jahre 1947 i. d. F. von 1968) findet: „Der Ministerpräsident leitet die allgemeine Politik der Regierung . . . sichert die Einheit der Richtungen der politischen und der Verwaltungstätigkeit, regt an und koordiniert die Tätigkeit der Minister."
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3. seine Position als Vorgesetzter der verschiedenen Leiter der einzelnen zentralen Verwaltungsämter, die für die Ministerien und verschiedene andere Zentralorgane tätig sind. Zu 2.: Der Ministerpräsident führt nicht nur den Vorsitz i m Ministerrat, sondern hat auch einen entscheidenden Einfluß auf seine personelle Zusammensetzung. Er unterbreitet dem Parlament oder dem Staatsoberhaupt Vorschläge zur Berufung bestimmter Kandidaten i n das Ministeramt oder die den Ministerien gleichgestellten Kommissionen. Ohne seinen Antrag kann kein Minister berufen werden. Dasselbe gilt für Abberufungen. Der Ministerpräsident ist hierbei nicht zu einer genauen Begründung seines Antrages verpflichtet. Dennoch unterliegen Anträge dieser A r t einer vorhergehenden Prüfung durch die zentralpolitischen Organe. Als Vorsitzender des Ministerrates t r i f f t der Ministerpräsident Entscheidungen über die Abfolge der Tätigkeiten, entwirft einen langfristigen Plan seiner Arbeiten und die Tagesordnung konkreter Sitzungen und sichert schließlich m i t Hilfe des i h m unterstellten Amtes die Entscheidungsvorbereitungen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Sitzungen des Ministerrates unerläßlich sind. Die Situation des Ministerpräsidenten auf einem politisch hochbedeutenden Posten i n der Verwaltung hängt insbesondere von seiner politischen Autorität ab. Die Notwendigkeit dieser Autorität w i r d deutlich, wenn man bedenkt, daß vor allem wegen der hochentwickelten Funktion des Staates i m Wirtschaftsbereich die Mitgliederzahl i n den Ministerräten der sozialistischen Länder durchschnittlich größer ist als i n Staaten m i t anderen Gesellschaftsordnungen 8 . Je stärker ein Kollegialorgan besetzt ist, je mehr seine Mitglieder jeweils nur ein verhältnismäßig enges Spezialgebiet repräsentieren, desto stärker ist i n diesem Kollektiv die Position des Vorsitzenden, der für alle Entscheidungen des Organs und die Abstimmung der vorgebrachten Vorschläge und 8 I n der Sowjetunion sind Mitglieder des Ministerialrates u. a. neben dem Ministerpräsidenten sein erster Stellvertreter, einige weitere Stellvertreter, über 20 Unionsminister, eine ähnliche Anzahl unions-republikanische M i n i ster, mehrere Vorsitzende anderer Zentralorgane, sämtliche Ministerpräsidenten der Unionsrepubliken. Insgesamt setzt sich der Ministerrat aus mehreren Dutzend Personen zusammen. Vgl. zu dieser Frage: Administratiwnoje prawo unter Redaktion A. Luniew, S. 125, Moskau 1970; Administratiwnoje prawo unter Red. J. Koslow, S. 91, Moskau 1968; L. Szamel: Le système étatique de la R. P. Hongroise, S. 59, Budapest 1966; P. Peska, B. Rattinger, A. Dressler: Ustavni pravo CSSR, S. 102, Prag 1965; Art. 73 der rumänischen Verfassung sowie Art. 38 der Verfassung Bulgariens. I n Polen besteht der Ministerialrat nur aus dem Ministerpräsidenten, seinen Stellvertretern, dabei ist ein Teil dieser Stellvertreter gleichzeitig Ressortminister, und einigen Ministern. Leiter anderer zentraler Verwaltungsämter sind nicht Mitglieder des Ministerrates.
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Lösungen verantwortlich ist. Die Situation w i r d insbesondere bei der Erarbeitung und Festlegung gesamtstaatlicher Wirtschaftspläne sichtbar. Einzelne Stufen der Verwaltung melden i n der Vorbereitungsphase der Pläne ihre Wünsche an. I n der Regel überschreiten diese die derzeitigen Möglichkeiten des Staates, weshalb eine Festlegung der Prioritäten unerläßlich ist. Andererseits ergeben sich auch Situationen, i n denen gewisse Stufen der Volkswirtschaft die Erfüllung der A u f gaben nicht vorschlagen, die Vorbedingung für andere Tätigkeiten anderer Ressorts sind. Die Sicherung der Aufgabenerfüllung bei permanenter Veränderung der Anforderungen des Weltmarktes und des Binnenmarktes ist eine besonders schwierige Aufgabe. Zwar werden die Vorbereitungsarbeiten i n diesem Bereich von zentralen Planungsorganen durchgeführt, die i m Rang von Ministerien stehen 9 , doch w i r d die Position des Ministerpräsidenten durch die Möglichkeit der Koordinierung der Vorschläge zahlreicher Zentralorgane und mehr noch durch die Koordinierung der Erfüllung der Pläne besonders gefestigt. I m Funktionieren jeder Verwaltung kann jedoch die unerwünschte Erscheinung der sog. Überhäufung von Pflichten auftreten 1 0 . Diese Pflichtenhäufung kann die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten gefährden. Zur Vorbeugung gegen diese Entwicklung sind i n der Praxis der sozialistischen Länder einige Stellvertreter des Ministerpräsidenten berufen worden, manche von ihnen tragen den Titel „1. Stellvertreter". Diese Stellvertreter sind zur Koordinierung der Tätigkeiten mehrerer benachbarter Ressorts i m Namen des M i n i sterpräsidenten befugt. Der Ministerpräsident und die Stellvertreter des Ministerpräsidenten, oft auch die Leiter von Schlüsselressorts, wie z.B. des Finanzministeriums, bilden das Präsidium der Regierung. Dieses Präsidium kann ein eigenes Entscheidungsrecht besitzen, wenn es i n den Gesetzen vorgesehen ist. Übertragen die Gesetze i h m keine besonderen Kompetenzen, so hat das Präsidium der Regierung den Charakter eines inneren Organs des Ministerrates. Zu 2.: I n der polnischen Gesetzgebung w i r d die Position des Ministerpräsidenten als Chef besonderer Ressorts deutlich. Dies ergibt sich 9 Der Leiter des zentralen Planungsamtes, der Kommission oder des Komitees hat zur Erleichterung seiner Koordinationsaufgaben in der Vorbereitungsphase in der Regel den Rang eines stellvertretenden Ministerpräsidenten. 10 Es gibt die Erscheinung, daß auf eine Person, in der Regel auf den Chef irgendeines Verwaltungsorgans, zu viele Verpflichtungen übertragen werden oder er selbst diese aufnimmt. Eine solche Überlastung kann vorschnelle, nicht durchdachte Entscheidungen veranlassen oder eine Situation hervorrufen, in der der Chef eines Amtes eher hemmend wirkt, als in diesem Amt eine Triebkraft zu sein.
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daraus, daß i m polnischen System die Hauptverwaltungsorgane, wie das Ministerium der öffentlichen Verwaltung oder das Ministerium für Verwaltungsreformen keine eigentlichen Ministerien sind. Dagegen treten die örtlichen Organe der Staatsverwaltung jeweils i n doppeltem Charakter auf. Dies ist ein Spezifikum des polnischen Verwaltungssystems: Einerseits als Organ, das den Direktiven des Ministerpräsidenten untersteht, also entsprechend der gesetzlichen Bezeichnung „als örtliches Organ der Staatsverwaltung" und andererseits als Exekutivorgan der örtlichen Volksräte, also der örtlichen Vertretungsorgane. Durch die Unterstellung dieser Organe unter den Ministerpräsidenten kann nur er ihnen dienstliche Weisungen geben. Die Minister können nur „allgemeine Grundlagen" für die Tätigkeit dieser Organe i m Bereich ihres jeweiligen Ressorts festlegen. Der Ministerpräsident ernennt die Chefs der Organe auf Wojewodschaftsebene und Kreisebene. Das Verwaltungsorgan der Wojewodschaft ernennt wiederum die Chefs der Gemeindeverwaltung. Der Ministerpräsident hat auch Befugnisse i m Personalbereich. Z u seinem Bereich gehören insbesondere die Probleme der Fortbildung der leitenden Kader der Staatsverwaltung. Er ernennt die öffentlichen Bediensteten i m Range von Unterstaatssekretären. Er legt dem Staatsrat Anträge vor, die sich auf die Ernennung der unter seiner Aufsicht stehenden Staatsbediensteten beziehen: z. B. Professoren, Generäle, Botschafter. Er legt die Anträge für die Verleihung von Staatsorden vor. Er hat das Entscheidungsrecht für bestimmte, i n Gesetzen näher festgelegte Angelegenheiten, wie z. B. das Entscheidungsrecht i n K o m petenzstreitigkeiten zwischen Verwaltungsorganen, die Bestimmung der zuständigen Verwaltungsorgane für die Erteilung von Verwaltungsstrafen, die Einzelfallentscheidung bei besonderen Rentenversorgungsangelegenheiten usw. Unter seiner Leitung arbeitet die Redaktion zweier Veröffentlichungsorgane für die Gesetzesverkündigung: d. h. Dziennik Ustaw und Monitor Polski, also Gesetzblatt und Monitor. Zu 3.: Die dritte Kompetenzsphäre des Ministerpräsidenten ist die allgemeine Leitung einer ganzen Reihe von Zentralämtern, die für mehr als ein Ressort zuständig sind. Beispiele dieser Ämter sind: das Hauptamt für die Aufsicht i m Bergbau, das Hauptamt für Statistik, das A m t für Pressekontrolle, das A m t für Kirchenfragen, das Patenthauptamt usw. 1 1 . I n Polen sind die Leiter dieser Ämter nicht Mitglieder des 11 I n der Mehrzahl der sozialistischen Staaten sind diese Ämter den Ministerräten zugeordnet. So war es auch in Polen bis zur Wende der sech-
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Ministerrates. I h r Tätigkeitsbereich w i r d i m Ministerrat durch den Ministerpräsidenten vertreten. Sie bilden jedoch insofern spezialisierte Ämter, als der Ministerpräsident i n ihrem Tätigkeitsbereich keine unmittelbare Leitung, sondern nur eine Kontrolle ausübt. Sämtliche Budgets dieser Ämter sind i n den Haushalt des Ministerrates und des Ministerpräsidenten eingestellt. IV. Das Amt des Ministerrates Gemäß der Verfassung und der Gesetze hat das A m t des Ministerrates nicht die Position eines selbständigen Verwaltungsorgans. Es t r i t t nur als Hilfsapparat des Ministerrates und des Ministerpräsidenten auf. A n seiner Spitze steht i n Polen ein Chef i m Rang eines Ministers 1 2 . Diese formelle Position entspricht jedoch nicht voll der wirklichen Rolle dieses Amtes. Zunächst sind verschiedene Anordnungen des Ministerrates oder des Ministerpräsidenten m i t gesetzlicher Bevollmächtigung erlassen worden, die den Chef des Amtes des Ministerrates zur selbständigen Erfüllung bestimmter Verwaltungsfunktionen bevollmächtigen: z. B. zur Kontrolle über das Institut zur Fortbildung von Verwaltungskadern, dessen Funktion i n gesetzlichen Vorschriften zugunsten selbständiger Verwaltungsorgane geschützt ist. Zweitens geben die i m Rahmen dieses Amtes tätig werdenden Büros und Abteilungen i h m einen besonderen Rang, dies gilt selbst gegenüber den Ministern. Dies w i r d insbesondere i m Bereich der Gesetzgebungsvorbereitung deutlich. I m Rahmen des Amtes des Ministerrates w i r d ein Rechtsbüro und eine Rechtskommission zur Überprüfung der Entwürfe von Gesetzesvorlagen tätig. Solche Vorlagen werden i m Ministerrat erst dann diskutiert oder zur Annahme durch den Ministerpräsidenten vorgelegt, wenn sie vom Rechtsdienst des genannten Amtes beurteilt worden sind 1 3 . ziger/siebziger Jahre. Die Überwachung dieser Ämter durch den Ministerrat war jedoch mehr formeller Art. I m Rahmen der Verbesserung der Verwaltung wurden manche dieser Ämter in die ihnen sachlich nächstliegenden Ressorts eingegliedert, ein Teil wurde dem Ministerpräsidenten zur Überwachung zugeordnet. 12 Das Amt trägt einen Namen, aus dem hervorgeht, daß es ein Apparat des gesamten Ministerrates ist. Es wird für dieses Kollegialorgan tätig. Darüber hinaus ist es ein Apparat für die Tätigkeit des Ministerpräsidenten. Seine Aufgaben, die in seinem zweiten Funktionsbereich dargestellt wurden, sind bedeutend umfangreicher und wichtiger. 18 Unabhängig von dem Rechtsbüro beim Ministerpräsidenten ist ein Legislativrat tätig. I n die Reihen des Rates, der von dem Minister für Justiz geleitet wird, sind einige Minister sowie ca. 15 Experten verschiedener Rechtsgebiete, vorwiegend Professoren, berufen worden. Dieser Rat erarbeitet Fragen der legislativen Politik der Regierung und bewertet die Ent-
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Eine ähnliche Situation besteht i m Bereich der Prüfung der Beschwerden über die Tätigkeit sämtlicher Verwaltungsorgane. I m Rahmen dieser Ämter sind i n den sozialistischen Ländern Zentralbüros zur Untersuchung und Analyse von Materialien tätig, die auf Fehler i n der Verwaltungsarbeit hinweisen. Drittens stellt dieses A m t einen Schwerpunkt i n der Lenkung der örtlichen Verwaltung und i n dem Funktionieren der Verwaltung als Ganzes dar. Die Existenz eines solchen eindeutigen Zentrums, das die Einheitlichkeit der Konzeption i m Funktionieren der ganzen Staatsverwaltung sichert, ist eine natürliche Notwendigkeit i n jedem Staat. Diese Funktion der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung kann nur durch den Ministerpräsidenten optimal wahrgenommen werden. I n seiner Position laufen deutlich die Informationen über die Erfüllung der strategischen Ziele des Staates wie auch über ihre Schwierigkeiten zusammen, die die Erfüllung dieser Ziele hemmen. Nicht weniges w i r d davon durch den Mangel an Koordination zwischen den Ressorts veranlaßt. I m Rahmen dieses Amtes ist ein Büro tätig, das die Arbeit aller örtlichen Behörden und der Staatsverwaltung überwacht. Bei den Hauptvertretungsorganen besteht eine getrennte Abteilung zur Lenkung der Tätigkeiten der Vertretungsorgane. I n gleicher Weise ist eine ähnliche Abteilung für die örtlichen Verwaltungsorgane i m Rahmen des Amtes des Ministerrates tätig. Die Einwirkungsstärke dieser letztgenannten Abteilung auf den örtlichen Staatsapparat ist i n der Regel bedeutend intensiver als die Tätigkeit der Abteilung, die bei dem A m t des zentralen Vertretungsorganes tätig ist. Dies gilt schon deshalb, w e i l die gesellschaftlich wirksame Tätigkeit eine bedeutend genauere zentrale Lenkung benötigt, als dies i n Bezug auf die VerwaltungsBerufsorgane der Fall ist. Das vorgestellte A m t des Ministerrates erfüllt eine Koordinationsfunktion i m Bereich der Tätigkeit des Vorsitzenden der Regierung. Dies gilt insbesondere unmittelbar hinsichtlich der Kennzeichnung der Prioritäten der i n der Verwaltung wahrgenommenen Aufgaben. Dennoch ist es nicht nur als Arbeitsapparat des Ministerpräsidenten tätig. Es ist gleichzeitig ein selbständiger Stab und mehr noch Organisator verschiewürfe der wesentlichen Gesetze. Zu dem größten bisherigen Erfolg dieses Rates zählt die Erarbeitung eines Entwurfs für einen langfristigen Plan der legislativen Tätigkeit des Staates. Dieser Plan, ein Beschluß des Ministerrates, wird als für alle Ministerien verbindlich betrachtet. Der Rat hat auch die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes für die allgemeinen Grundlagen des Verwaltungsrechtes aufgenommen. Dieses Gesetz soll gegenüber der gesamten Verwaltungsgesetzgebung eine ähnliche Rolle spielen wie es die allgemeinen Teile in den Zivil- und Strafgesetzbüchern bereits tun. Ein Legislativrat ist seit 1971 auch in Rumänien tätig, allerdings beim Staatsrat, der dort „kollegiales Staatsoberhaupt" ist.
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dener Arten spezialisierter Stäbe, die als „Projektgruppen" bezeichnet werden und zur Erarbeitung der Taktik bei besonderen Engpässen der Verwaltungstätigkeit einberufen werden 1 4 . Stäbe dieser A r t sind auch die verschiedenen Räte und Kommissionen, die bei diesem A m t tätig sind, sowie die damit verbundenen wissenschaftlichen Institute. Die Ausführung einer so verantwortungsvollen Tätigkeit bedingt, daß an die Beschäftigten dieses Amtes besondere Qualifikationsanforderungen gerichtet werden müssen. Weil i n diesem A m t alle Linien des „inneren Informationssystems" der Staatsverwaltung zusammenlaufen, w i r d i h m die Erfüllung seiner Funktion i m Verhältnis zum Ministerpräsidenten und durch ihn gegenüber der ganzen Verwaltung erleichtert. V. Allgemeine Probleme der Koordinierung Ideal würde man eine Verwaltungsstruktur nennen können, i n der jedes Organ seine Aufgaben selbständig ausführt, ohne auf andere Organe zu schauen und ohne die Notwendigkeit der Koordinierung seiner Tätigkeit m i t anderen Verwaltungsorganen. Die Koordinierung stellt nämlich ein Thema der inneren Verwaltungstätigkeit i m engsten Sinne dar. Die Ziele der Verwaltung jedoch liegen immer außerhalb von ihr. Jede Arbeit innerhalb der Verwaltung muß eigentlich als notwendiges Übel betrachtet werden, als Preis, den die Verwaltung für die Erfüllung ihrer äußeren Aufgaben zu zahlen hat 1 5 . Dem Bau einer solchen idealen Verwaltungsorganisation dienen u. a. rechtliche Regelungen wie die enge Rechtsabgrenzung der Kompetenzen einzelner Verwaltungsorgane. Demgegenüber gibt es aber vor allem die Tendenz, einer „komplexmäßigen Gestaltung ihrer Kompetenzen, damit der Wirkungsbereich einzelner Organe die Problematik einer bestimmten gesellschaftlichen oder ökonomischen Erscheinung erschöpfend umfassen kann". Dies ist nicht immer möglich, vor allem nicht i n Hinsicht auf die auftretenden Interdependenzen verschiedener gesellschaftlicher Erschei14 Es soll erwähnt werden, daß die Verwaltungswissenschaft in den sozialistischen Ländern übereinstimmend der Meinung ist, daß die „Stäbe" in der Verwaltung höchst unterschiedliche Organisationsformen haben können. Sie können als „dauerhafte" oder „befristete" Organisationen auftreten. Zu der Frage der Verwaltungsstäbe und des Informationssystems in der Staatsverwaltung vgl. E. Pusic: Nauka o upravi, S. 279 ff., Zagreb 1968; J. Staroéciak: „Verwaltungswissenschaft, S. 185 ff., Warschau 1971 sowie St. Kowaleswski: „Theorie der Strukturen der Staatsverwaltung", S. 203 u. 247, Warschau 1973. Z u dieser Frage auch R. Schnur: „Über Team und Hierarchie", in: Demokratie und Verwaltung, 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1972. 15 La consultation dans l'administration contemporaine, sous la direction de G. Langrod, S. 813 ff., Paris 1972.
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nungen. W i r erleben z.B., daß sich die Bildung m i t dem technischen Fortschritt verbindet und die Frage der Renten für Bauern m i t der Einführung des wissenschaftlichen Fortschrittes i n die Landwirtschaft. Es wächst also die Bedeutung der Koordinierungsthematik i m Funktionieren der Staatsverwaltung 16 . I n Verwaltungen verschiedener Staaten muß die Durchführung der Koordinierungsaufgaben nicht notwendig i n identischen Rechtsformen erfolgen. Die Gestaltung der koordinierenden Tätigkeit i m ökonomischen Bereich kann etwa i n einzelnen Staaten der Einwirkung des marktwirtschaftlichen Prinzips ausgesetzt werden. Die Theorie der sozialistischen Staaten, die Konzeption der staatlichen Planwirtschaft, hat auf die Notwendigkeiten der Steuerung gegenüber dem marktwirtschaftlichen Prinzip hingewiesen. Dennoch gibt es auch i n den sozialistischen Staaten Probleme der Koordination, wie sie i n jedem anderen Staat bestehen, teilweise entstanden auch neue Probleme. Die Erfüllung der vom Staat übernommenen Aufgaben erfordert bereits i m Rahmen der Verwaltung, ohne daß hier von dem Bedarf an Koordinierung durch die Tätigkeit aller gesellschaftlicher Kräfte gesprochen wird, ein koordiniertes Tätigwerden dreier Faktoren: der Zentralorgane der gesamten Verwaltung, der Fachbereichsproduktionsorganisationen und der örtlichen Verwaltungsorgane. Eine so beschriebene Kordinierung könnte man als Gegenstand der allgemeinen Koordinierung bezeichnen. Bei der Umgestaltung der Verwaltung i n den sozialistischen Ländern kann man eine Tendenz zur Verengung des Gegenstandes dieser Koordinierung feststellen, was eine Tendenz zur Festigung der zur Koordinierung zwischen verschiedenen Verwaltungsorganen unerläßlichen Wirkungssphäre bedeutet: nämlich eine Hinwendung zu einer bedeutend einfacheren, i n der Realisierung spezialistischen Koordinierung, der fachbereichsmäßigen Koordinierung. Dazu trägt die Schaffung großer, fachbereichsmäßiger oder sogar zwischenfachbereichsmäßiger Wirtschaftsorganisationen bei, ebenso wie auch die Konzentrierung i n vorübergehend spezialisierten Verwaltungsorganen. Die Ziele der Koordinierungstätigkeit sind verhältnismäßig leicht festzulegen. Schwieriger ist es, solche Methoden der Koordinierungstätigkeit auszuwählen, die zugleich entsprechend effektiv sind und nicht die Tendenzen zur Einschränkung der Selbständigkeit der Tätigkeit der örtlichen Verwaltung und der Fachbereichsproduktionseinheiten aufweist. Grundinstrument dieser Koordinierungstätigkeit ist der gesellschaftliche Wirtschaftsplan. Der Plan weist bei der Festlegung der 16 I m polnischen Schrifttum hat sich mit diesem Thema eine besondere Monographie von K. Sobczak befaßt. Vgl. K. Sobczak: Wirtschaftliche Koordinierung — Eine Studie des Verwaltungsrechts, Warschau 1971.
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Aufgaben auch auf die Bedingungen und M i t t e l seiner Erfüllung hin. I n diesem Sinne entscheidet er auch über die Prioritäten i n der Erfüllung. I m Maße der Verbesserung des Planungssystems hat sich auch der Rechtscharakter der Pläne geändert und daraus ergibt sich ein Unterschied hinsichtlich der Stärke der Direktiven. Neben der Koordinierungsfunktion der Pläne kommt eine nicht weniger wichtige Rolle i n diesem Bereich dem Prozeß der Entstehung der Pläne zu. Deshalb hat für den Koordinierungsprozeß die Regelung der Entstehung von Plänen eine besondere Bedeutung. Die Entstehung der Pläne stellt einen großen Prozeß der Abstimmung der i n den Plänen eingeschlossenen Aufgaben dar. Die Übereinstimmung realisiert sich zwischen den Organen und Einheiten, die sich gegenseitig nicht unterstellt sind, die zu verschiedenen Verwaltungsstufen und Fachbbereichen gehören, und sogar zwischen Organen, die voneinander abhängig sind 1 7 . V I . Abschluß — Vorschläge Trotz eines zunehmenden Realitätssinns i n der Planung, trotz der „Mathematisierung der Politik", der Berücksichtigung des Einflusses objektiver Gesetze bei der gesellschaftlichen Entwicklung und der Wirtschaftsentwicklung i m Hinblick auf den Koordinierungsprozeß der Tätigkeit verschiedener Organe und Verwaltungseinheiten, kann der Koordinierungsprozeß von Verwaltungstätigkeiten nicht von der A n wendung von Maßnahmen und M i t t e l n absehen, die sich aus der Verwaltungsobrigkeit ergeben. Dadurch unterscheidet sich die Koordinierung der Tätigkeit der Verwaltungsorgane von der Koordinierung der Tätigkeit zweier voneinander unabhängiger Betriebe, die i m Rahmen eines freien Marktes wirken. Die Staatsverwaltung hat nämlich ein Ziel, das von der gesamten Verwaltung realisiert werden muß. Die Betriebe können verschiedene, sogar entgegengesetzte Ziele haben. Zur Erläuterung der genauen Position des Ministerpräsidenten i n der Koordinierungsproblematik kann auch ein weiteres Beispiel dienen. 17 I n der Theorie des Verwaltungsrechts der sozialistischen Länder herrscht die Meinung vor, daß die Beziehungen zwischen Organen, die sich dienstlich unterstellt sind, nicht nur tatsächliche sind, sondern im vollen Sinne des Wortes Rechtsbeziehungen. Ausführliche Materialien zu dieser Frage enthält die Monographie von J. Letowski: Dienstliche Empfehlungen in der Verwaltung, Warschau 1972. I n Jugoslawien wird, in Anlehnung an das System der Grundverwaltungsorgane einzelner Einheiten und der Staatseinteilung über die Idee der Autonomie und der Selbstverwaltung, die Einhaltung der Vorschriften, die die Beziehungen zwischen diesen Organen regeln, u. a. von dem System der Verwaltungs- und Verfassungsgerichte kontrolliert. Vgl. N. Stiepanovic: Uprovno pravo u SFRJ, II/S. 252 u. weitere, Belgrad 1973; S. Popovic: Administratiwnoje prawo F. N. R. J., S. 183 ff., Moskau 1968, Übersetzung.
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Zwei Ministerien des gleichen Staates können und sollen miteinander zusammenarbeiten und kooperieren. Aber deren Tätigkeit kann nur durch eine dritte Seite koordiniert werden, die m i t Entscheidungsbefugnissen i n Konfliktsfällen ausgestattet ist. Diese „dritte" Seite bei grundlegenden Streitigkeiten ist nach der Verfassung der Ministerrat. Jedoch stellt der Ministerpräsident, der m i t besonderen rechtlichen und politischen Befugnissen gegenüber den einzelnen Ministerien ausgestattet ist, eine bedeutende Sicherung gegenüber der Überlastung des M i n i sterrates m i t einzelnen Problemen zwischen den Ressorts dar. Einer der Ausgangspunkte der Koordinierungstätigkeit ist die Kontrolle der Ausführung. Deshalb können für die Durchführung der Koordinierungstätigkeit durch den Ministerpräsidenten auch alle I n formationen aus der Staatskontrolle eine wesentliche Bedeutung haben. Deshalb sind m i t dieser Kontrolle i n unserem System die Organe beauftragt, die unmittelbar m i t dem Ministerpräsidenten zusammenarbeiten, also die Regierungsorgane i m engeren Sinne. Es gibt jedoch auch Gründe, die gegen eine solche Lösung sprechen und die für eine Beauftragung solcher Organe sprechen, die von der Regierung und dem M i nisterpräsidenten unabhängig sind. Die Verfassungen und die Gesetzgebung der europäischen sozialistischen Länder lösen diese Frage nicht einheitlich 1 8 . Deshalb stellt die Kontrolltätigkeit in den verschiedenen Eingriffsstufen den Ausgangspunkt für eine koordinierende Tätigkeit des Ministerpräsidenten i n diesen Staaten dar. Wenn man i n dieser Situation die Besonderheiten der Ziele und Methoden der Verwaltungskoordinierung aus der Position des Ministerpräsidenten und seines Amtes i m System der Organe der Staatsverwaltung zusammenstellt, so ist daraus leicht zu entnehmen, daß beide in dem System der Verwaltungsorgane und i n dem Koordinierungsprozeß der Verwaltungstätigkeit „letzte Instanzen" sind. Sie sind I n stanzen, die i m Koordinierungsprozeß nicht ausgeschlossen und auch nicht vertreten werden können. Dies bedeutet nicht, daß die Koordinierungsverfahren und -merkmale bei dem Ministerpräsidenten unveränderlich sind. Die erste Änderungstendenz, nämlich die Übergabe von Koordinierungsfunktionen i n spezialisierten Wirtschaftszweigen durch große Wirtschaftsorganisationen wurde bereits angedeutet. Die zweite Änderungstendenz ist die Übertragung von Koordinierungsaufgaben bei der Ausführung lokaler Verwaltungsprobleme i m Bereich der Verwaltungsorgane allgemein und die Ausstattung dieser Organe 18 Beispielsweise: in der UdSSR und in Bulgarien sind die höchsten Organe der Staatskontrolle als Ministerien tätig. I n Polen und Jugoslawien wirken die Organe der Staatskontrolle als von der Regierung unabhängige Organe.
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m i t Rechtsbefugnissen, die die Erfüllung von Funktionen aus der Koordinierungssphäre ermöglichen. Diese Tendenz bedeutet eine Entlastung des Ministerpräsidenten und seines Amtes von der Ausführung der direkten Koordination i n Angelegenheiten geringerer Bedeutung 19 . Aber diese Entwicklung hängt mit der Festigung der Position des Ministerpräsidenten als Koordinator grundlegender Aktionen und Aufgaben der gesamten Staatsverwaltung zusammen. I n diesem Aufgabenbereich ist der Ministerpräsident ein Organ, das eine hohe Autorität und einen bedeutenden informellen Einfluß auf die in Vorbereitung befindlichen Entscheidungen des Ministerrates hat. Neben dieser Vorbereitung der Gesetzgebung w i r d gewöhnlich dem Ministerpräsidenten innerhalb der Exekutive eine persönliche und direkte Einwirkung auf die gesamte Arbeit des Staatsapparates auf verschiedenen Wegen (Konsultationen, Konferenzen, Empfehlungen) bis zur Entscheidung eingeräumt, und zwar auch aufgrund seines Einflusses auf die örtlichen Organe der Staatsverwaltung, die die Grundkoordinierungsfunktion i m örtlichen Bereich erfüllen. Bei einem Vergleich dieser Entwicklungstendenzen m i t den Richtlinien, die i m Weltmaßstab von der Verwaltungswissenschaft erarbeitet wurden, kann man der Meinung sein, daß sie den Voraussetzungen einer funktionellen, für die gesamte Verwaltung entwickelten Idee entsprechen. Aber gleichzeitig hat die Verwaltung, der die gesellschaftliche Kontrolle untersteht, den örtlichen und Fachbereichsorganen ihren unerläßlichen Selbständigkeitsgrad gesichert. Eine Selbständigkeit, die für ein optimales Harmonisieren der Ziele und Bestrebungen des ganzen Staates m i t dem örtlichen Ehrgeiz und den örtlichen Vorhaben der lokalen Gesellschaft erforderlich ist.
19 Dieses Streben nach Entlastung des Ministerpräsidenten von Angelegenheiten geringerer, vor allem individueller Bedeutung ist ein außerordentlich wichtiger Vorgang im Funktionieren der Verwaltung. I m Funktionieren dieser Verwaltungsstellen tritt nämlich mit voller Deutlichkeit das Problem auf, das die Verwaltungslehre als „das Problem der möglichen und zulässigen Spannweite der Leitung" (span of control) bezeichnet.
Diskussionsbeitrag von Günther Doeker I. Transformation der Exekutive und Verhältnis von Exekutive und Legislative Die Führungsrolle des Prime Minister i n Kanada ist durch die für den kanadischen Entscheidungsprozeß wesentliche Verflechtung von Legislative und Exekutive, die m i t der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Prime Minister Trudeau i m A p r i l 1968 eine qualitativ und quantitative Veränderung erfuhr, bestimmt. M i t der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Trudeau wurde vor allem die Frage nach dem adäquaten Gleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative bei der Festlegung und Prioritätensetzung außen- und innenpolitischer Entwicklungen gestellt. Die öffentliche Meinung glaubte m i t der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den neuen Prime Minister einen mehr und mehr sich abzeichnenden Machtzuwachs des Kabinetts bei gleichzeitiger Machtverminderung des House of Commons, dem Unterhaus, verzeichnen zu können. Selbst ein Teil der Öffentlichkeit, die die Ansicht über die Machtverschiebung zwischen Exekutive und Legislative nicht teilte, war zumindest durch den neuen politischen S t i l des Prime Minister und der von i h m initiierten Rekonstruktion der effektiven Machtausübung mittels der Organisation des Office des Prime Minister beeindruckt. Man glaubte i n der zunehmenden Machtfülle des Prime Minister eine Hinwendung zum präsidentiellen Regierungssystem nach amerikanischem Muster zu erblicken. Diese Tendenz suchte man vor allem i n der Reorganisation der Exekutive i m Verhältnis zur Legislative zu sehen. Die Reorganisation der Exekutiven und der Planungs- und Führungsinstrumente der Prime Minister bedingte gleichzeitig aber eine Reorganisation der bereits bestehenden Verflechtung von Exekutive und Legislative, die eine Reorganisation der Exekutiven überhaupt erst möglich machte. Das Verhältnis von Exekutive und Legislative i m kanadischen Entscheidungsprozeß ist daher nur dann zu verstehen, wenn die unter Trudeau eingeführten Reformen innerhalb der Exekutiven unmittelbar m i t der organisatorischen Neugestaltung des Unterhauses (House of Commons) verbunden werden.
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Die Reorganisation der Exekutive zeigte sich auf drei verschiedenen Ebenen: i n personeller Hinsicht, d. h. auf personal-politischer Ebene, in struktureller Hinsicht, d. h. auf verwaltungsorganisatorischer und entscheidungsorganisatorischer Ebene, und schließlich auf kommunikationstechnischer Ebene. Gleich m i t der Übernahme der Regierungsgeschäfte vergrößerte Trudeau i m Vergleich zu früheren Prime M i n i sters seinen Mitarbeiterstab erheblich. Die Erweiterung des Mitarbeiterstabes erfolgte aufgrund der von Trudeau beabsichtigten und zum Zwecke der effektiven Kontrollausübung neu eingerichteten Prime Minister's Office (PMO), das neben dem Privy Council Office das Zent r u m exekutiver Entscheidungsbefugnis darstellt. Das PMO ist das dem Regierungschef persönlich zur Verfügung stehende Büro, das mit den nicht routinemäßig wahrzunehmenden Aufgaben, die vom PCO erledigt werden, betraut ist (Im Vergleich zum Bundeskanzleramt würde dieses bedeuten, daß neben der Organisation des B K A eine weitere innerhalb der Struktur des B K A funktionierende Organisation arbeitet, die das persönliche Vertrauen des Kanzlers besitzt und deren Mitarbeiter zu absoluter Loyalität i h m gegenüber verpflichtet sind). A u f den ersten Blick sollte man annehmen, daß die Existenz zweier mehr oder weniger voneinander unabhängiger Organisationen innerhalb der Exekutive Konfliktstendenzen impliziere, die vor allem i m Rahmen von Kompetenzstreitigkeiten ausgetragen werden. Dieser Tendenz ist Trudeau dadurch aus dem Wege gegangen, als er aus dem PCO gleichzeitig M i t arbeiter i n das PMO berief und damit eine Klammer zwischen der tradierten Entscheidungshilfeinstitution und der neuen Organisation schuf. Die i n das PMO eintretenden neuen Mitarbeiter wurden nur für eine Legislaturperiode angestellt und es bestand keine Möglichkeit, i n ein Beamtenverhältnis einzutreten. Damit erreichte Trudeau einerseits, daß die aus dem PCO berufenen Karriere-Beamten sich keinesfalls durch den neuen Typus von Mitarbeiter bedrängt fühlten, andererseits aber besonders leitungswilligen jungen Mitarbeitern, die der eigenen Partei verbunden waren, die Möglichkeit eröffnete, unmittelbar an der politischen Entscheidungsfällung teilzunehmen. Nicht zuletzt begründete er damit ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen i h m und den neuen Mitarbeitern. Die auf vier Jahre berufenen Mitarbeiter werden i m PMO funktional eingesetzt. Die wichtigsten Mitarbeiter sind sog. „Principal aids", die unmittelbaren Zugang zum Regierungschef haben. Diese „Principal Aids" dienen gleichzeitig als Verbindungsglied zur Parteifraktion und zu den verschiedenen Ausschüssen des Unterhauses. Sie bereiten gleichzeitig Kabinettsvorlagen vor. Grundsätzlich ermöglichte die Einrichtung des PMO und die Erweiterung des Personalbestandes erst die enge Verbindung zwischen Ex-
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kutive und Legislative, da die verschiedenen funktional operierenden Mitarbeiter insbesondere die informelle Diskussionsebene und Zugangsmöglichkeiten zum Regierungschef für eine größere Anzahl von Mitgliedern der Legislative, nicht zuletzt der Mitglieder des House of Commons, eröffnete. Der Regierungschef legt besonderen Wert darauf, durch seine „Principal Aids" die informellen Kontakte zur Feststellung der Bedürfnisse der Abgeordneten i n den Wahlkreisen zu gestalten und auszubauen. Z u diesem Zweck wurden i m Rahmen des PMO sog. Regional desk Offices und Kommunikationsorgane eingerichtet. Diese informelle Strukturverbindung zwischen Exekutive und Legislative w i r d durch die politisch nicht weniger bedeutsame institutionelle Komponente ergänzt, die letztlich auch das parlamentarisch-föderalistische Entscheidungssystem Kanadas auszeichnet. Die institutionelle Verbindung von Exekutive und Legislative zeichnet sich insbesondere aus: 1. durch die relativ große Anzahl von Ministern und der Größe des Kabinetts; 2. durch die Kabinettsstruktur und Reorganisation der Exekutiven; 3. durch die i m Rahmen der Organisationsgewalt der Exekutiven vorgenommenen funktionalen Gliederung der Ministerien und deren Aufgaben; 4. durch regelmäßige Sitzungen des sog. caucus (der Fraktion) mit dem Kabinett einschließlich des Prime Minister; 5. durch die Anwesenheit des gesamten Kabinetts während der Parlamentsdebatten; 6. durch die Erweiterung und den Ausbau der wissenschaftlichen A r beit des Parlamentes für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen (ein i m amerikanischen Regierungssystem vergleichbare Einrichtung: Legislative Reference Service); 7. durch die parallel zu den Kabinettsausschüssen eingerichteten caucus Ausschüsse, die vor jeder neuen Gesetzesvorlage gemeinsame Sitzungen m i t den zuständigen Ministern abhalten; 8. durch die nunmehr vom caucus vorzunehmende Wahl des caucus Vorsitzenden (zuvor vom Prime Minister ernannt); 9. durch eine ausgeprägte Medien- und Pressepolitik. Zu 1.: Die Anzahl der i n das Kabinett zu berufenden Minister richtet sich nach dem Grundsatz der sektionalen Gleichheit, einem Grundsatz, der dem Prinzip der aus den verschiedenen Provinzen (Ländern) zu wählenden Abgeordneten des House of Commons entspricht. Dieser Grundsatz ist i n A r t . 37 der kanadischen Verfassung vom 26. März 1867 i n der Fassung vom 1. Januar 1957 niedergelegt.
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
I n diesem A r t i k e l werden die aus den verschiedenen kanadischen Bundesländern zu wählenden Abgeordneten zahlenmäßig festgelegt. Diese zahlenmäßige Festlegung der Abgeordnetensitze w i r d i n der durch den Prime Minister vorzunehmenden Berufung der Minister i n das Kabinett analog angewandt. Neben diesem ungeschriebenen Grundsatz der Verfassung w i r d die Auswahl der Minister durch zwei weitere Prinzipien bestimmt, die sich aus dem „sektionalen" oder „regionalen" Grundsatz ableiten: 1. daß die Berufung i n das Kabinett gleichzeitig die i n den Provinzen und Regionen existenten politischen Prioritäten und Probleme unter Berücksichtigung der Bundespolitik zu erfolgen hat und 2. daß möglichst alle religiösen und nationalen Gruppen entsprechende politische Repräsentation finden, u m eine möglichst breite Basis für politische Entscheidungen i m Kabinett zu gewährleisten. (Diese Grundsätze haben sich bei dem von dem Premier Schreyer, einem eingewanderten Austro-Marxisten i n der Provinz (Land) Saskatchewan geführten ersten sozial-demokratischen Kabinett des nord-amerikanischen Kontinents durchgesetzt und bewährt). Das gegenwärtige amtierende Kabinett Trudeaus umfaßt 32 Mitglieder. Von diesen führen 20 ein Ministerium, drei sind Minister ohne Protfolio. Neben diesen mit „Ministern" bezeichneten Mitgliedern des Kabinetts gehören darüber hinaus folgende Personen zum Kabinett Trudeau: 1. der Sprecher (Speaker des Unterhauses, 2. der Stellvertretende Sprecher (Deputy Speaker) und Vorsitzender des Committee of the Whole House (in diesem Fall berät das gesamte Unterhaus als „Ausschuß des gesamten Hauses"), 3. der Stellvertretende Vorsitzende der Committees of the Whole House, 4. der Führer der Regierungsmehrheit i m Senat, 5. der Präsident des Queen's P r i v y Council für Kanada (der Verwaltungsleiter des bereits erwähnten PCO), 6. der Präsident des Treasury Board (Schatzamt), 7. Secretary of State of Canada (zuständig grundsätzlich für die Wissenschafts- und K u l t u r p o l i t i k einschließlich der Entwicklungspolitik des Bundes), 8. der Solicitor-General of Canada (der General-Bundesanwalt) und 9. schließlich der Prime Minister als Kabinettsvorsitzender. Die Anzahl der Mitglieder des Kabinetts erscheint i m Verhältnis zur Bevölkerung Kanadas (etwa 22 Millionen) unverhältnismäßig groß. Dennoch hat die Größe des Kabinetts bisher i n der öffentlichen Meinung keine K r i t i k ausgelöst. Zur Exekutive gehören darüber hinaus die sog. parliamentary secretaries, die, obwohl sie keine Kabinettsmitglieder sind, den jeweiligen Minister i m Parlament und i n der öffentlichket vertreten. Den kanadischen Ministern sind insgesamt 16 parlamentarische Sekretäre zugeordnet, die grundsätzlich dafür verantwortlich sind, eine effektive Kommunikationsebene zwischen PMO, Kabinett, Parlament, Parlamentsabgeordneten und Ministerien herzustellen.
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Von den 1968 gewählten 161 Abgeordneten der Liberal Party Kanadas sind 48, fast Va, i n der Exekutive tätig. Die Verbindung zwischen Exekutive und Legislative zeigt sich allerdings auch i n der Tatsache, daß die Ausschüsse des Unterhauses entsprechend den Ausschüssen des Kabinetts gebildet worden sind und die Ausschußvorsitzenden direkten Zugang zum PMO über die verschiedenen i m PMO etablierten regional desks haben. Die Ausschußarbeit ist nicht zuletzt auf Betreiben von Trudeau verstärkt worden, u m die Abgeordneten mehr m i t den innerhalb der Exekutiven gesetzten politischen Prioritäten vertraut zu machen. Trudeau hat vor allem m i t der Erweiterung des wissenschaftlichen Dienstes des Unterhauses (etwa 100 Planstellen sind seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Trudeau dazugekommen, obwohl eine allgemeine Stellenerweiterung durch einen Ausgabenstop behindert wurde) die Arbeit des Unterhauses i n den Ausschüssen wesentlich beeinflußt. Die Stellenerweiterung kam ausschließlich den Ausschüssen zugute. Zu 2.: Trudeau veränderte gleichzeitig die Kabinettsstruktur. I m Gegensatz zu früheren Prime Ministers legt Trudeau Wert darauf, ein zur Festlegung von Prioritäten effektives Kabinett zur Hand zu haben, um die sich drängenden politischen und wirtschaftlichen Probleme i n einem schnell handelnden Kabinett entscheiden zu lassen. Das Kabinett als effektives Entscheidungsorgan m i t 32 Ministern gliederte er i n K a binettsausschüsse, die die jeweiligen i n ihren Bereich fallenden A u f gaben entscheidungsreif aufarbeiten, diese dem P + P Ausschuß (Planning and Priorities) und gegebenenfalls dem Gesamtkabinett zur Entscheidung vorlegen. Die Struktur der Kabinettsausschüsse wurde nach funktionalen Aufgaben ausgerichtet; zunächst wurden ständige Ausschüsse gebildet, die Koordinationsaufgaben innerhalb des Kabinetts übernahmen und grundsätzlich die bereits i n Kanada existenten innenpolitischen Probleme aufarbeiteten: 1. der Prioritäten- und Planungsausschuß, dem der Prime Minister vorsitzt, 2. der Ausschuß für BundLänder-Beziehungen, der ebenfalls vom Prime Minister geleitet wird, 3. der Ausschuß für Gesetzgebung und Prioritäten i m Parlament, deren Vorsitz jeweils wechselt, und 4. der Treasury Board (Schatzamt), das gleichfalls als Kabinettsausschuß für die Finanzplanung und Haushaltsfestlegung fungiert. Der Prioritäten-Planungsausschuß gilt zugleich als „Inneres" Kabinett, dem 8 - 9 Minister gehören, die gleichzeitig dem Prime Minister gegenüber durch eine besondere Loyalität ausgewiesen und als persönliche Freunde anzusehen sind. Alle Entscheidungen werden von dem Ausschuß nach Entscheidungsvorbereitung durch andere Kabinettsausschüsse getroffen. I n Konfliktsfällen w i r d gegebenenfalls i m Gesamtkabinett entschieden. Die beiden anderen Ausschüsse sind ebenfalls m i t 8 - 1 0 Ministern besetzt, während dem
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
4. Ausschuß (Treasury Board) ausschließlich hohe Verwaltungsbeamte des Ministeriums angehören. Die auf Kabinettsebene eingerichtete Entscheidungsebene w i r d durch vier weitere ständige und funktionale Ausschüsse ergänzt: 1. durch einen Ausschuß für Auswärtige Politik und Verteidigung, 2. durch einen Ausschuß für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsplanung, 3. durch einen Ausschuß für Kommunikation, öffentliche Arbeiten u n d Urbane Fragen und 4. durch einen Ausschuß für Sozialpolitik einschließlich Arbeit und Arbeitsmarkt. Auch auf dieser Ebene sind jeweils die Ausschüsse m i t 8 - 1 0 Ministern besetzt. Beide Entscheidungsebenen werden wiederum durch nicht-ständige ad hoc berufene Spezialausschüsse ergänzt. (z.B. Ausschüsse für Wissenschaftspolitik oder Ausschuß für Kulturfragen). Auch i n diesem Falle sind 8 - 1 0 Minister Mitglieder. Die Reorganisation der Kabinettsstruktur hatte gleichzeitig eine Reorganisation des Büros des Regierungschefs zur Folge. Vor der Reorganisation verfügte der Regierungschef über einen Stab von ca. 3 - 5 Mitarbeitern, die primär für die Terminplanung zuständig waren. Die gesamten Vorarbeiten für den Regierungschef und für die Kabinettssitzungen wurden durch das PCO geleistet, das P r i v y Council Office, das zugleich als Kabinettssekretariat funktionierte. Durch die zentrale Stellung und Funktion des PCO, das zugleich den Eingang und Ausgang zur Entscheidungsebene der Exekutiven kontrollierte, gelangte der bürokratische Verwaltungsapparat i n eine für den politischen Willensbildungsprozeß der Entscheidungsträger entscheidende Schlüsselposition. U m diese Schlüsselposition einerseits abzubauen, andererseits aber sich selbst einen zweiten, von der Beamtenschaft unabhängigen und dezentralisierten Informationskanal zu schaffen, wurde i m Rahmen der Exekutive ein erweitertes PMO (Prime Ministers Office) geschaffen. Zu 3.: Die Verbindung von Exekutive und Legislative wurde durch Informations- und Kritiksitzungen der Liberalen Fraktion i m Unterhaus m i t dem Prime Minister und seinen Ministern weiterhin gefestigt. Die Sitzungen des sog. caucus sind von Trudeau vor allem deswegen befürwortet worden, u m seiner eigenen Fraktion i m Unterhaus eine bestmöglichste Informationsquelle zu eröffnen und sich gleichzeitig der K r i t i k an seiner Politik zu stellen. Der caucus tagt i n nichtöffentlichen Sitzungen und stellt ein bedeutsames Forum des Meinungsaustausches zwischen Exekutive und Unterhausfraktion dar. Vor allem w i r d den sog. back-benchern die Möglichkeit zur K r i t i k gegeben ohne dabei disloyal zu erscheinen. Trudeau hat den caucus vor allem i m Hinblick auf die Kontrollfunktion des Unterhauses bei der Durchsetzung der
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Politik zu stärken versucht. So: ist i n einer Satzung vereinbart worden, dem caucus einerseits eine unabhängige Stellung vom Kabinett einzuräumen, andererseits jedes Gesetz vorhaben vor der Diskussion i m Unterhaus eingehend i m caucus zu diskutieren. Der Prime Minister verpflichtete sich gleichzeitig keine Gesetzesvorlage ohne Konsultation des caucus i m Unterhaus einzubringen. Der caucus richtete darüber hinaus funktionale Ausschüsse ein, die sich in ihrer Aufgabenstellung m i t denen der Kabinettsausschüsse decken. Die caucus Ausschüsse tagen alternativ zu den Sitzungen des Unterhauses. Zu 4.: M i t der Übernahme der Regierungsgeschäfte der Regierung Trudeau ist auch die Aufgabenverteilung der verschiedenen Ministerien neu gestaltet worden. Den Ministerien wurden i n sich begrenzte und überschaubare Funktionen zugewiesen, die vor allem nach den neuen Bedürfnissen der technologischen und wissenschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft sich ausrichten. Ministerien für Umweltschutz und Urbanisierungsprobleme übernahmen bisher anderen Ministerien zustehende Aufgaben, u m die Effizienzmaximierung bei der Durchsetzung politischer Vorstellungen zu ermöglichen. Die Vorbereitungsarbeiten zur Errichtung dieser neuen Ministerien wurden von den Kabinettsmitgliedern ohne Portfolio ausgeführt. Zu 5.: Jede Sitzung des Unterhauses erfordert die Anwesenheit des gesamten Kabinetts. Es gilt als Nichtbeachtung der Funktion des Parlaments, wenn weder Prime Minister noch die jeweiligen zuständigen Minister nicht Rede und A n t w o r t i m Unterhaus stehen, insbesondere dann, wenn die Abgeordneten von ihrem Fragerecht Gebrauch machen. Zu 6.: Die Erweiterung des Exekutiven bedingte gleichzeitig die Erweiterung der Kontrollfunktion des Parlamentes. Diese Funktionsfähigkeit des Parlaments hängt davon ab, inwieweit die von der Exekutiven und der ihr von der Administration vorbereiteten politischen Alternativen effektiv vom Unterhaus kontrolliert werden können. Die Kontrollfunktion kann aber nur dann effektiv wahrgenommen werden, wenn auch dem Parlament ein Apparat zur Verfügung steht, der die Politik der Exekutiven schon bei der Diskussion i m Parlament aufarbeiten und entsprechende Alternativen vorbereiten kann. Seit der Regierungsübernahme durch Trudeau sind allein der Liberalen Partei ca. 100 Planstellen, die dem wissenschaftlichen Dienst des Unterhauses angehören, zugewiesen worden. Den Oppositionsparteien wurden Finanzmittel zugewiesen, die eine gleichwertige Einrichtung wissenschaftlicher Dienste ermöglichen und ausschließlich dazu dienen sollen, notwendige Materien der Gesetzgebung zu erarbeiten, u m A l ternativen gegenüber der Regierungspolitik entwickeln zu können. 9 Speyer 57
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Nicht zuletzt ist durch die Ausschußarbeit den Oppositionsparteien die Möglichkeit eröffnet worden, mittels des wissenschaftlichen Apparates die Effizienz der Ausschüsse zu erhöhen. Gerade Trudeau versuchte, durch die Ausschußarbeit des Unterhauses die Funktions- und Kontrollfähigkeit dieses Organs zu erhöhen, wenn auch der Prime-Minister über die erhöhte Benutzung von Massenkommunikationsmittel, wie das Fernsehen, versuchte, das Unterhaus i n seiner politischen Effizienz einzuschränken. Dennoch gewann das Unterhaus an politischer Bedeutung, indem es versuchte, die erweiterten Machtmittel der Exekutive durch Analyse und Kontrolle i n den Ausschüssen auszugleichen. Den Vorsitzenden der Ausschüsse ermöglichte der unmittelbare Zugang zum PMO und zu den Kabinettsausschüssen weitere Kommunikationsebenen auszunutzen. Die Ausschußvorsitzenden werden nach einem bestimmten Zeitablauf als Junior-Minister i n eines der betreffenden Ministerien berufen. Die nicht abzulehnende Machtzunahme der Exekutive bedingte, daß auch das Parlament an Ansehen und politischer Bedeutung gewann, eine Entwicklung, die zu Beginn m i t „Polarisierung" der beiden Gewalten bezeichnet worden war, die gleichwohl vermieden wurde, i n dem Regierung und Regierungspartei bei der Ausübung von Exekutivfunktionen sich zu integrieren versuchten. Zu 7.: Eine besondere Stellung i m Rahmen des Verhältnisses von Exekutive und Legislative n i m m t der caucus der Liberalen Partei, d. h. der gegenwärtigen Regierungspartei ein. Unter caucus ist nicht die Fraktion i m eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern eine Gruppe von Politikern, die sowohl Abgeordnete als auch Exekutivmitglieder umfaßt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen auf verschiedenen Ebenen am politischen Entscheidungsprozeß beteiligten Mitglieder der Regierungspartei gewährleistet einen umfangreichen Informationsfluß. Zu 8.: Der Vorsitzende des caucus w i r d gewählt; er ist i n den meisten Fällen jedoch ein Vertrauter des Prime Minister; i m Namen des Prime Minister organisiert er den caucus und gewährleistet die Einsetzung des caucus als effektives politisches Instrument i n den Händen der Mitglieder gegenüber der Exekutiven und dem Prime Minister. Zu 9.: Die Stärkung des Unterhauses durch die Exekutive hat allerdings dazu geführt, daß der Prime Minister nunmehr weniger die Diskussion m i t dem Parlament sucht, sondern direkt über Medien die Nation anzusprechen versucht. Die verstärkte Betonung der Massenmedien i m politischen Entscheidungsprozeß geht zurück auf die Erfahrungen der Minderheitsregierung von Lester Pearson, die bei der Verabschiedung eines Steuergesetzes i m Unterhaus gemacht wurden.
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Die Regierung erlitt i m Unterhaus eine Niederlage und war nach Verfassungsbrauch dazu verpflichtet, das Unterhaus aufzulösen. A u f A n raten seines Pressechefs wendete sich Pearson unmittelbar nach der Niederlage über Radio und Fernsehen an die kanadische Nation, u m die m i t der Auflösung auf sie zukommenden Probleme darzulegen. Die Wähler antworteten mit einer Flut von Briefen, die an die einzelnen Abgeordneten der Opposition gerichtet waren. Pearson wurde nicht zum Rücktritt gezwungen. Noch bevor Trudeau Prime Minister wurde, zeigte sich, daß sich ein entscheidender Wandel i n der Verhaltensweise der Wähler gegenüber dem Parlament vollzogen hatte: man entdeckte, daß die Wähler die Entscheidung des Parlamentes nicht als endgültige Entscheidung zu akzeptieren beabsichtigten. Der Wähler versuchte nunmehr seine Bedürfnisse nicht nur über seine Interessenvertretung i m Parlament zu verfolgen, sondern benutzte außerhalb des institutionellen Rahmens sich ergebende Möglichkeiten, seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Interdependenz von Exekutive und Legislative i m politischen Entscheidungsprozeß i n Kanada begründete einerseits die Stärkung der Legislative gegenüber der Exekutive, i n dem die Regierungspartei unmittelbar am exekutiven Entscheidungsprozeß, insbesondere an der Prioritätensetzung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Abgeordneten und Wahlkreisen, beteiligt wurde, andererseits hatte die Entwicklung zur Folge, daß dem Regierungschef auf institutioneller Ebene ein weitaus effektiveres, m i t der Möglichkeit autoritativer Durchsetzung politischer Prioritäten versehenes Führungsinstrument i n Form eines unabhängig institutionalisierten Büros innerhalb der Exekutiven zugestanden wurde. Exekutive und Legislative gewannen durch diese Entwicklung an politischer und gesellschaftlicher Relevanz. I I . Organisation und Struktur des Prime Minister's Office (PMO) Die durch die Reorganisation bedingte Entwicklung des Verhältnisses von Exekutive und Legislative und die dadurch begründete Erweiterung der Führungsinstrumente des Regierungschefs, ihre Stellung, Rolle und Funktionen werden i m nachfolgenden dargestellt. Vorab ist zu bemerken, daß dem Prime Minister als Planungs- und Führungsinstrumentarium lediglich das PCO, (das P r i v y Council Office), ein kleiner Stab von ca. 4 - 6 Mitarbeitern und das Kabinett zur Verfügung standen. Zentrale Planungs- und Führungshilfe war das m i t Karrierebeamten besetzte PCO. Das PCO kontrollierte nicht nur das Kabinett, indem es Kabinettsvorlagen vorbereitete, sondern auch die wenigen Mitarbeiter des Prime-Ministers. Die Kabinettsmitglieder erlangten Kabinettsvorlagen nur über das PCO, da das PCO gleichzeitig als Kabinettssekretariat funktionierte. Dem Beamtenapparat wurde damit ö*
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ein zentrales Informationsmonopol gegenüber dem Kabinett eingeräumt. Ohne Entscheidungshilfe des Beamtenapparates i m PCO war es kaum möglich, politische Entscheidungen i m Kabinett zu formulieren. Das PCO wachte auch darüber, auf dieser Entscheidungsebene keine anderen Einflüsse sich entwickeln zu lassen. Durch Trudeau wurde dem PCO ein zweites, allein dem Prime Minister zur Verfügung stehendes Führungsinstrument errichtet: das sog. Prime Ministers Office. Das Büro steht ausschließlich dem Prime Minister zur Verfügung und ist i m Vergleich m i t dem PCO i n Struktur und Funktion unterschiedlich aufgebaut. Durch die Reorganisation und das Nebeneinanderstellen von PCO und PMO wurde jedoch keinesfalls die verwaltungstechnische Kompetenz oder verwaltungsmäßige Kontrolle des ersteren i n Frage gestellt. Während das PCO als Verwaltungsarm des Prime Minister zu bezeichnen ist, g i l t das PMO als politisches Instrument. Das PCO kontrolliert auch heute noch die gesamte Kabinettsarbeit, indem es die Tagesordnung festlegt und die notwendigen Entscheidungshilfen aufarbeitet. Das PMO hingegen w i r d von Trudeau als Instrument zur politischen Entscheidungsfällung i m Rahmen der Exekutiven und zum Durchsetzen exekutiver Autorität benutzt. Dabei werden die Mitglieder des PCO praktisch zur politischen Kontrolle des Verwaltungsapparats eingesetzt, ohne dabei allerdings die Rolle eines „Politkommissars" einzunehmen. Trudeau begegnete diesem Vorwurf, indem er nicht ein ausschließlich aus jungen Talenten zusammengesetztes Team i n die Exekutive einbrachte, sondern gleichzeitig Personen auswählte, die i m Rahmen der Exekutive bereits erhebliche Erfahrungen gesammelt hatten. Allerdings werden die Schlüsselfunktionen von Personen i n der Altersgruppe zwischen 3 2 - 4 0 eingenommen. Die ernannten Personen wurden lediglich m i t Zeitverträgen auf vier Jahre i n das PMO berufen. Die personelle Veränderung hatte zur Folge, daß durch das PMO eine Organisationsform gefunden wurde, die der Flexibilität und sich entwickelnden Bedürfnissen und politischen Anforderungen der Regierung entgegenkommt. Das PMO ist i n seiner Organisationsstruktur einerseits nach dem Grundsatz der effektiven Kommunikation m i t den Wählern, andererseits auf effektive Zusammenarbeit m i t den repräsentativen Institutionen ausgerichtet. Diese Organisationsstruktur bedingte die Erweiterung des PMO durch drei funktionale Aufgabenbereiche: 1. Die Errichtung eines sog. correspondence office, das dem P M die Möglichkeit eröffnet, jeweils den Stand der öffentlichen Meinung zu testen, ohne dabei auf die von der Bürokratie erarbeiteten Analysen zurückgreifen zu müssen. Der P M erhält aus dieser Abteilung monatliche statistische Analysen der eingegangenen Post m i t gleichzeitiger politischer Analyse und einer Auswahl der den Trend aufzeigenden Briefe.
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2. Die Einrichtung sog. „regionaler Abteilungen". Das gesamte Bundesgebiet wurde i n fünf Regionen aufgegliedert, u m eine stetige und umfassende Beobachtung der i n den verschiedenen Regionen sich abzeichnenden Bedürfnisse und Probleme zu ermöglichen. Regional desk men beobachten nicht nur die i n British Columbia, dem Westen, den maritimen Provinzen, Quebec und Ontario sich entwickelnde öffentliche Meinung, sondern dienen dem P M gleichzeitig als Verbindungsglieder zu einzelnen provinziellen Parteiorganisationen und politischen Gruppen. Damit konnte diesen Organisationen und Gruppen ein direkter Zugang zum Büro des P M geschaffen werden. Dieser Zugang zum P M kann unter Umständen gegen die aus diesen Regionen dem Kabinett angehörenden Minister oder Abgeordneten eingesetzt werden. Er ermöglicht gleichzeitig die Beobachtung interner Parteienentwicklung und der auf den P M zukommenden Fragen und Probleme. Der dadurch eröffnete Kommunikationsfluß erlaubt gleichfalls dem P M unmittelbar Wahlkampfhilfe zu leisten. Jeder Besuch des P M i n einer dieser Regionen oder einem Wahlkreis w i r d daher entsprechend durch die regional desk men programmiert, u m den P M über die i n dieser Region oder Wahlkreis bestehenden politischen oder wirtschaftlichen Probleme zu informieren und einen größtmöglichen politischen Nutzeffekt zu gewährleisten. Dabei werden gleichzeitig die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse an den P M herangetragen. 3. Durch die Einrichtung von sogenannten principal aids, denen die Funktion übertragen wurde, bestimmte politische Fragenkomplexe aufzuarbeiten, legte sich der P M ein weiteres Instrument zur unabhängigen, nach seinen Bedürfnissen ausgerichteten Entscheidungsfällung zu. Die fünf Mitarbeiter, die direkten Zugang zum P M haben, sind vor allem m i t der Planung und Durchsetzung des Regierungsprogramms betraut. Einerseits beobachten sie den Ablauf der Institutionalisierung des Regierungsprogramms und intervenieren dann, wenn der Zeitraum offensichtlich nicht eingehalten wird, andererseits versuchen sie i n Verbindung m i t Wissenschaftlern, neue Perspektiven der Entwicklung der kanadischen Gesellschaft i n den Griff zu bekommen und gegebenenfalls notwendig erscheinende politische Alternativen zu entwickeln, die i n Krisen eingesetzt werden können. Gleichzeitig ist ein Mitarbeiter damit beauftragt, eine Analyse zur politischen Rollenfunktion des P M zu erstellen, i n der vor allem seine Rolle und Funktion als Chef der Regierung, Führer der Mehrheitsfraktion, Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, Führer der Liberalen Partei und als Privatmann hinterfragt wird. Diese drei neuen Aufgabenbereiche des PMO werden gleichzeitig durch eine sog. talent bank ergänzt, die als Führungsreserve für die Exekutive angelegt ist. Die talent bank ermöglicht vor allem über die Personalpolitik des P M auch i n der Administration seine
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Politik durch die Besetzung administrativer Schlüsselpositionen durchsetzbar zu machen. Die bisherigen kanadischen Prime Ministers haben sich ausschließlich auf Erfahrungen ihrer Minister und höherer M i n i sterialbeamter gestützt. M i t der talent bank besitzt der P M nicht nur ein Informationssystem über das potentiell einsetzbare und i h m loyal verbundene Personal, sondern sie liefert, wenn notwendig gleichzeitig Alternativen i n der Personalpolitik gegenüber der Bürokratie und den Ministern. Damit w i r d einerseits das generell akzeptierte Patronagesystem, ohne dabei der Korruption verdächtig zu sein, gestützt, andererseits aber auch der personalpolitische Einfluß des P M verstärkt. Der P M hat m i t der Einrichtung der talent bank deutlich zu verstehen gegeben, daß er sich nicht ausschließlich m i t der Talentsuche durch die Bürokratie zufrieden gibt, sondern sein eigenes U r t e i l über die effektive Einsetzung des richtigen Mannes an richtiger Stelle bilden w i l l . Dabei läßt er sich durch die zu seinem persönlichen Stab gehörenden Mitarbeiter der talent bank beraten. Die Mitarbeiter haben neben personalpolitischen Funktionen gleichzeitig die Funktionen, lokalpolitischer Probleme zu identifizieren und zu analysieren. Die personelle Erweiterung des persönlichen politischen Stabes unter gleichzeitiger Statusanhebung der verwaltungstechnischen Funktionen des PCO hat einerseits zu einer politischen und verwaltungsmäßigen Effizienz der Exekutive geführt, andererseits aber den persönlichen politischen Einfluß des P M erheblich verstärkt. Dem P M stehen darüber hinaus drei weitere Berater für spezielle Aufgaben zur Verfügung, die ausschließlich auf die i m kanadischen Verfassungssystem existenten Probleme ausgerichtet sind: 1. Verfassungsrechtsberater, 2. Wirtschafts- und Finanzberater, 3. Berater für Gesetzgebungsfragen. Sie beobachten i m Rahmen ihrer Aufgaben die jeweiligen Tendenzen und politischen Probleme, die möglicherweise auf den P M zukommen könnten. Die Strukturänderung des PMO unter Trudeau zeigt sich vor allem i m Vergleich m i t der Struktur des PMO unter der Regierung Pearson.
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Struktur
bis 1968:
Special Assistant
Executive Assistant
Appointment
Principle Private
Special Assistant
Secretary
Secretary
Press Secretary
Insgesamt etwa 32 Personen, die für das P M O arbeiteten.
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Struktur seit 1968:
(Prime Ministers^ Office) Parliamentary Secretary
Press Secretary
Principal Secretary
Assistant Press Secretaries (3)
Exekutive Assistant
Regional Advisors (6)
Private Secretary Administrative Secretary
Programme Secretary
Appointments Secretary
Special Assistants (3)
Legislative Assistant
Senior Correspondence Secretary
Special Constitutional Advisors (2)
Research Assistant
Economic and Finance Advisor
Stenographers, clerks, etc.
Insgesamt etwa 75 - 80 Personen.
Durch die Personalerweiterung des PMO gelang es Trudeau einerseits das PMO aufzugliedern, andererseits bedingte diese Arbeitsteilung eine arbeitsmäßige Entlastung des PM, der damit i n die Lage versetzt wurde, sich ausschließlich mit wesentlichen politischen Entscheidungen vertraut zu machen. Die Arbeitsaufteilung führte gleichzeitig zu einer bisher nicht praktizierten effektiven Vorbereitung der Kabinettssitzungen. Die vom P M ernannten Berater wurden gleichzeitig unter Berücksichtigung der regionalen Interessen ausgewählt. So kommen z.B. die Berater für Verfassungsfragen aus dem Westen Kanadas, Wirtschafts- und Finanzberater aus Quebec und Ontario. I I I . Rolle und Funktion des Privy Council Office (PCO) Das Prime Ministers Office ist gemäß kanadischem Verfassungsbrauch Teil der Exekutiven i m Sinne des kanadischen Verfassungsrechts. Die Reorganisation der Exekutiven veränderte nur geringfügig die über das PCO ausgeübte Verwaltungskontrolle des P M innerhalb des exekutiven Entscheidungsprozesses. Das PCO garantiert dem P M die i n jedem Regierungssystem notwendige Verwaltungskontrolle und Koordination der Regierungspolitik. Es stellt grundsätzlich den verwaltungstechnischen Apparat zur Kontrolle der Ministerien und anderer für die Regierungsfunktion wichtigen Institutionen. Dabei fällt dem PCO gleichzeitig die Rolle des „Kabinettssekretariats" zu und übt dabei einen zentralisierenden Einfluß auf das Regierungssystem aus, da
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
die gesamte Bundesverwaltung den Anweisungen des Sekretariats zu folgen hat. Ohne die Unterstützung des PCO ist es den Kabinettsmitgliedern kaum möglich, eigene politische Initiativen zu entwickeln, die nicht zunächst innerhalb des Kabinetts eingehend diskutiert worden sind. Von besonderer Bedeutung für die Durchführung und Koordination der Politik des P M ist das von Trudeau errichtete Committee on Priorities and Planning, das als Kabinettsausschuß (The Inner Cabinett) tagt und auch m i t Mitgliedern des PCO besetzt ist. Der P M ist Vorsitzender des Ausschusses. Neben den Mitarbeitern aus dem PCO, die alle auf Zeit ernannt sind, nehmen jeweils 8 - 9 Kabinettsminister an den Sitzungen teil. Sie gehören dem Arbeitskabinett an und sind größtenteils vertrauliche Freunde des PM, innerhalb des kanadischen Regierungssystems als persönliches Führungsinstrument des P M zu betrachten, nicht zuletzt deswegen, w e i l die diesem zur Wahrnehmung angewiesenen Aufgaben der Unterstützung des Kabinetts und der Ausschüsse dienen und ein notwendiges und interdependentes Element der funktionalen Führungstechnik bilden. Die föderative Struktur des kanadischen Regierungssystems ist gleichfalls ein bestimmendes Element bei der personellen Besetzung des Amtes. Der P M hat aus allen Regionen Kanadas Mitarbeiter ernannt, die absolute Loyalität i h m gegenüber besitzen. Sie haben ein Durchschnittsalter von ca. 35 Jahren. Der Planungsstab des PCO w i r d von einem 32jährigen Mann geleitet. I n den Jahren seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Trudeau entwickelte sich der Planungsstab des PCO zum entscheidenden Faktor der Kontrolle der bürokratischen und ministeriellen Aufgaben. Ohne Zustimmung des PCO ist es für einen Kabinettsminister nicht einmal möglich, Vorschläge auf die Tagesordnung eines Kabinettsausschusses oder auf die Tagesordnung der Kabinettssitzung selbst zu bringen, da das PCO darüber entscheidet, i n welchen Ausschuß und auf welcher Kabinettssitzung die Vorlage diskutiert wird. Dieses Vorschalteverfahren ermöglicht einerseits die Koordinierung der Planung u n d Ausarbeitung der aus den Ressorts kommenden Regierungsvorhaben, andererseits w i r d der P M und das Kabinett erheblich entlastet. Durch die Teilnahme der Mitglieder des PCO an den verschiedenen Ausschußsitzungen und inter-ministeriellen Sitzungen ist ein Höchstmaß an Kommunikation zwischen PCO und Ressort gewährleistet. Die Teilnahme der Mitglieder des PCO an diesen Sitzungen w i r d schließlich dadurch unterstrichen, daß man i n ihnen Vertreter des P M sieht. I n Konfliktsituationen, insbesondere aber bei Streitigkeiten der einzelnen Ressorts, ist grundsätzlich das PCO für die Lösung von Kompetenzstreitigkeiten zuständig. Man kann seit dem Regierungsantritt von Trudeau das Kabinettsamt vielleicht
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m i t den Verwaltungsstäben des Weißen Hauses vergleichen, obwohl man einschränkend sagen muß, daß die dem Kabinettsamt übertragenen Funktionen nicht notwendigerweise identisch m i t denen der Verwaltungsstäbe des Weißen Hauses sind. Dennoch hat sich seit Trudeau eine Transformation vollzogen, indem einerseits das PCO m i t politischen Beratern besetzt wurde, andererseits die Funktion des PCO sich aus der reinen administrativen Tätigkeit i n eine politische umsetzte. Gerade die von Trudeau eingeführten Neuerungen hinsichtlich der Organisation und Struktur des parlamentarischen Regierungssystems (Entlastung der Ressortminister von der täglichen Teilnahme an den Fragestunden des House of Commons, um ihnen mehr Zeit für administrative Tätigkeit zu geben, kurze parlamentarische Sitzungen m i t besonderem Zeitplan, Nutzbarmachung der Ausschüsse des House of Commons, insbesondere bei der Haushaltsplanung, Reorganisation und effektiver Gebrauch von Kabinettsausschüssen, Ernennung einer größeren Anzahl von Ministern), führte dazu, daß das kanadische Regierungssystem sich an das amerikanische i m Hinblick auf die Zentralisation der Regierungsaufgaben anlehnte, ohne dabei den eigentlichen Charakter eines parlamentarischen Bundesstaates aufzugeben. Die Reorganisation und Straffung des Führungsinstrumentes des P M (PMO, PCO, Kabinettsausschüsse, Ausschuß für Prioritäten und Planung), bedingte, daß der Regierungschef mehr denn je die Richtlinien der Politik aus eigener Initiative i n verschiedenen Teilbereichen der Regierungstätigkeit zu bestimmen i n der Lage ist, die kurz-, mittel- und langfristige Planung zu gestalten und eine Erfolgskontrolle zu v e r w i r k lichen, die durch den ständigen Informationsfluß gewährleistet wird. Man hat diese Transformation dadurch erreicht, daß man das Prinzip der „ministeriellen Verantwortung" einschränkte, ohne es dabei vollständig aufzuheben.
IV. Thesenhafte Zusammenfassung 1. der und und
Die Reorganisation des PMO bewirkte eine Professionalisierung Entscheidungsebene. Entscheidungen richten sich nach PlanungsPrioritätenzielsetzungen unter Berücksichtigung institutioneller gesellschaftlicher Bedürfnisse.
2. Die Verbindung von administrativer (PCO) und politischer (PMO) Tätigkeit bedingte eine zentralisierende Tendenz der Politik zugunsten der Exekutive, die insbesondere durch den P M i n personeller Hinsicht gesteuert werden kann. 3. Die Durchsetzung der Politik durch die Exekutive w i r d als „Management" Problem angesehen und aufgearbeitet; dabei werden
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
neueste wissenschaftliche Methoden (Computertechnik, Systemanalyse, Sozialindikatoren u. ä.) verwendet. 4. Die erweiterte Organisation des PMO eröffnete dem P M einen von der Bürokratie unabhängigen Informationskanal, der nach eigenem Ermessen jederzeit eingesetzt werden dürfte, ohne dabei Gefahr zu laufen, mit Kompetenzstreitigkeiten konfrontiert zu werden. 5. Die Reorganisation ermöglichte (durch die Einrichtung der regional desks) einen direkten Zugang des Wählers zur Exekutive. Der Regierungschef wurde i n seiner Rollenfunktion gestärkt, da er sich direkt an den Wähler wenden kann, ohne dabei Wahlen ausschreiben zu lassen. Sowohl Wähler als auch P M können unter Umgehung des Unterhauses direkt miteinander kommunizieren. Der Zugang der Wähler zur Exekutive ist vom P M mit „partizipatorischer Demokratie" bezeichnet worden. 6. Planung und Programmierung von politischen Prioritäten und Alternativen vollziehen sich i m PCO und PMO ohne Rivalitäts- und Ressortdenken. Alle durch Ministerien eingebrachten Planungen und Vorschläge werden zunächst auf ihre politische Relevanz von beiden Organen geprüft, bevor sie dem Kabinett bzw. einem Kabinettsausschuß zur Diskussion und Verabschiedung vorgelegt werden. Dadurch erfolgt vor allem eine Entlastung des PM. Dem Kabinett werden grundsätzlich nur entscheidungsreife Vorlagen vorgelegt. Politisch aufbereitet und geprüft werden sie dabei vom PMO, während das PCO Haushalts- und Rechtsfragen und verfahrenstechnische Probleme unter Berücksichtigung administrativer Probleme nachprüft. 7. Dem P M sind durch die Reorganisation mehr Möglichkeiten gegeben, politische Alternativen zu entwickeln und politische Prioritäten zu setzen. 8. Das Parlament konnte i n seiner Effektivität gestärkt werden; die eigentliche politische Arbeit wurde auf die Unterhausausschüsse verlegt, die i n die Lage versetzt wurden, Gesetzgebungsvorhaben der Exekutive einer eingehenden Analyse zu unterziehen. 9. Die Einrichtung von Kabinettsausschüsse ermöglichte dem Kabinett, ausschließlich entscheidungsreife Vorlagen zu verabschieden. Die Politik wurde nicht erst i m Kabinett formuliert, sondern unter Führung des P M unter Berücksichtigung der vorliegenden Alternativen entschieden. 10. Die Reorganisation bedingte, daß sich innerhalb des Kabinetts keine Oppositionsgruppen bildeten, die der Führungsrolle des Regierungschefs entgegenwirkten. Der Umfang des Kabinetts ermöglichte
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jederzeit das Auswechseln eines Ministers ohne dabei die Gesamtregierung i n eine Krise zu stürzen. Darüber hinaus konnten aus der talent bank genügend Nachwuchsminister bereitgestellt werden, die sich durch Loyalität gegenüber dem Regierungschef und Fachwissen auszeichneten. 11. Die funktionale Aufgliederung des PMO ermöglichte einerseits eine effektive Beobachtung politischer Entwicklungen i n allen Teilen des Landes, andererseits führte es zu einer Arbeitsentlastung für den PM, der sich damit ausschließlich Führungsproblemen und Führungsfragen zuwenden konnte. 12. Das Kabinett w i r d nur i n den wichtigen zu verabschiedenden Entscheidungen befragt und einberufen. 13. Die Reorganisation etablierte eine besondere Kommunikationsebene zwischen Legislative, Exekutive und Wählerschaft. 14. Koordination und Planung der Regierungspolitik erfolgt durch den PM, dem dazu eigens eingerichtete Organe zur Verfügung stehen und Alternativen entscheidungsreif vorbereiten. 15. Kontrolle der Effizienz und Durchsetzung der von der Exekutiven verfolgten Politik vollzieht sich in den vom P M personalpolitisch kontrollierten Organe des PCO und PMO.
Diskussionsbeitrag von Georges Langrod 1. Die Koordination, auf welcher Organisationsebene man sie auch ansiedeln und zu welchen M i t t e l n man zu diesem Zweck auch greifen mag, ist eine Forderung, von der häufig gesprochen, die jedoch selten vertieft wird. Behandelt man diesen Begriff jedoch oberflächlich, oder begnügt man sich m i t einer fragmentarischen Betrachtungsweise, ohne den gesamten Problemkomplex zu erfassen, besteht die Gefahr von Mißverständnissen. Geht man zum Beispiel davon aus, daß die Koordination „dem Instinkt oder der Gewohnheit jedes tüchtigen Administra-
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tors entspreche" 1 , dann beschränkt man das Problem auf das Phänomen der Selbstregulierung, die mehr oder weniger spontan von statten geht und für einfache, j a primitive Unternehmensformen typisch ist 2 . Hebt man jedoch den institutionellen Aspekt der Koordination hervor, ergeben sich Schwierigkeiten bei der Unterscheidung ihrer funktionalen Leistungen, d. h. der verschiedenen Gliederungs- und Verbindungselemente zwischen den Aktivitäten der Einheiten oder Untereinheiten des jeweiligen Organs auf der einen Seite und den spezifischen strukturellen Leistungen koordinierender Organe auf der anderen Seite; Der Begriff der Koordination nämlich bezieht sich auf beide Aspekte 3 . Reihen w i r sie unter die Organisations-„Grundsätze" ein 4 , dann ergeben sich sofort Hindernisse aus ihrer Eigenschaft als „Ober- respektive Überbegriff", der für sich allein schon „nichts weniger ausdrückt als alle anderen Organisationsprinzipien insgesamt, . . . , sowie auch sämtliche Zielsetzungen der Organisation, soweit sie sich auf ihre interne Struktur beziehen" 5 ' Ä . Ausgehend von dem Bestreben u m Einheit bei den verschiedenen Aktionen, psychologische Einheit / „geistige Einheit" /, Zusammenarbeit über die organisationellen Schranken hinaus, Kampf gegen die Zentrifugalkräfte und ihre Äußerungen i n Form „kleiner Imperien", die hermetisch gegen die Umwelt abgeschlossen sind, i n der die Initiative der Vorgesetzten gelegentlich dazu neigt, die von ihnen geleiteten Zellen zu verändern —, w i r d doch i n den meisten Fällen vergessen, mehr als nur eine Fraktion der jeweils analysierten Organisation zu erfassen, so als ob es sich u m eine vom übrigen Mechanismus isolierte Anlage handelte. Da Koordination per definitionem die Überwindung der Fraktionierung bedeutet, w i r d das oben genannte Bestreben immer bruchstückhaft bleiben ohne zu einer Gesamtschau der relevanten Erscheinungen vorzustoßen, also ohne jemals eine vollständigere und systematischer angelegte Beobachtungsebene zu erreichen. Das gilt auch für die Untersuchung der Koordinationsinstrumente — und Methode; entweder begnügt man sich m i t verschwommenen Be1 Feststellung von Sir Henry Bunbury (zitiert nach L. D. White: „Introduction to the Study of Public Administration", S. 210, 3. Ausgabe, New York, 1948). 2 H. A. Simon: „Administrative Behavior", S. 104 ff., New York 1948 spricht in diesem Sinne von „Selbstkoordinierung" (Self-coordination). 5 Siehe dazu z.B. G. Langrod: „Contribution à l'étude de la terminologie administrative", in: Revue intern, des Sciences administratives, S. 14 ff., 1954, und Diskussion dieser Begriffe bei Paul Meyer: „Die Verwaltungsorganisation", S. 41 ff., Göttingen 1962, Übersetzung aus dem Englischen. 4 Siehe dazu z. B. J. D. Mooney : „Die Grundsätze der Organisation", S. 5 ff., New York - London, 1947. 5 Ibidem. • Ibidem. Der Verfasser unterscheidet die „externen" Zielsetzungen und ein einziges „internes Ziel" = Koordination.
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griffen und vermischt die auf vertikaler Ebene gewählten Lösungen m i t denjenigen der horizontalen Ebene, oder man reduziert seine Darlegungen auf die rein technischen Erfordernisse rationeller Gruppenarbeit. I n dieser Situation liegt auch der Pessimismus der Autoren begründet: Entweder ist Koordination nichts als eine Illusion 7 oder sogar eine unerfüllbare Forderung, auf jeden Fall eine, die niemals erfüllt wird. I n diesem Zusammenhang wäre noch darauf hinzuweisen, daß das Phänomen der Koordination von der theoretischen Forschung fast nicht beachtet wird, vor allem i n Europa, so erstaunlich das auch scheinen mag; man behandelt sie nur teilweise und ohne jeden Tiefgang, selbst wenn sich die meisten Verfasser über ihre Hauptmerkmale einig sind 8 . Diesen Gedankengängen entsprechend müssen w i r das Problem der Holle des Premierministers und seiner Dienststellen bei der Koordination, ja sogar bei der Aufstellung der Prioritäten — damit dieser Aspekt besser beleuchtet w i r d — i n den allgemeinen theoretischen Zusammenhang stellen, i n dessen Rahmen verschiedene koordinierende Lösungen ihren Platz finden, unabhängig von der Ebene ihrer Anwendung und den jeweiligen Details verfahrenstechnischer oder institutioneller Natur. 2. Angesichts einer wachsenden Aufgabenspezialisierung i n immer zahlreicheren Bereichen und der Komplexität jeder öffentlichen A k t i o n ist es Ziel der Koordination, „die getrennten Elemente so einander zuzuordnen, daß sie ein zusammenhängendes Ganzes bilden oder einen bestimmten Zweck erreichen können" 9 ; sie erscheint als das natürliche Gegenstück der Strukturen Proliferationen und der Kompetenzenzersplitterung, denn beide sind nichts anderes als eine unvermeidliche Konsequenz der Arbeitsteilung, die von einer bestimmten Entwicklungsstufe an i n jedem menschlichen Unternehmen einsetzt. A u f horizontaler Ebene stellt die Koordination also eine Waffe dar, die i m Kampf gegen den Zellenseparatismus ebenso unerläßlich ist wie die Hierarchie auf vertikaler Ebene, wo sie entlang der Pyramide eine ganze Reihe von Koordinationsmaßnahmen bietet. Je stärker die heterogenen Aufgaben i m modernen Staat zunehmen, desto mehr steigen auch die Trennwände zwischen den Zellen dieses Apparates, führen zu Unverständlichkeit oder gar Konflikt, so daß man immer mehr nach Lösungen sucht, welche die nötigen Verbindungen schaffen, wenn die Fraktionierung nicht zur völligen Desintegration führen soll. 7 Siehe dazu z.B. J. W. Fessler, in: „Elements of Public Administration", S. 287, New York 1946. 8 Siehe dazu P. Meyer: op. cit., S. 40. 9 Larousse: 3 Bände, Band. I, S. 745,1967.
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Die Koordination wendet sich gegen den Begriff „geschlossener" und undurchdringlicher Einheiten, sie ist ein kontinuierlicher Prozeß, dessen Ausbreitung i n direktem Verhältnis zur Fraktionierung der administrativen Struktur steht. Sie harmonisiert bestimmte Tätigkeiten i n Raum oder Zeit, oder i n beiden Dimensionen. Wollen w i r sie korrekt in das Schema des modernen Staates einordnen, dann müssen w i r sie zunächst an die Informationsprozesse anschließen: sie ist „das Endprodukt der effektiven Kommunikation" 1 0 . M i t anderen Worten: Keine Koordination ohne Datenübertragung, ganz gleich, m i t welchen Instrumenten, Techniken und Infrastrukturen diese durchgeführt wird. Nach dieser ersten Etappe müssen die Koordinationsbestrebungen m i t der Planung i n Verbindung gebracht werden 1 1 , woraus sich dann die Aufstellung der Prioritäten ergibt, d. h. eine Entscheidung zugunsten prioritärer Lösungen i m Rahmen einer ganz bestimmten Politik, bestimmter vorausgeschätzter Veränderungen, sowie der Auswahl von Aktionsmethoden für die Durchführung der Politik auf operationeller Ebene. Und schließlich muß noch darauf geachtet werden, daß eine für die genannten Verbindungen günstige Umgebung i n psychologischer Hinsicht geschaffen wird, und zwar durch eine Strategie, welche Widerstände jeglicher A r t zu brechen geeignet ist, durch Förderung eines „Corpsgeistes" i m positiven Sinne des Wortes, i n dem die an ein vorherrschendes soziales Ziel angepaßten Pläne koordiniert werden und „die Koordination über das Nervensystem jedes einzelnen geleitet wird, das wahrscheinlich den wirksamsten aller Koordinationsfaktoren darstellt" 1 2 . Die Koordination ergibt sich also aus entgegengesetzten Tendenzen, die immer und überall i n der Organisationspraxis auftauchen: Man vereinbart das zunächst unvereinbar erscheinende m i t positiven Ergebnissen, die viel häufiger und gelungener sind, als man oft glaubt, und zwar durch die Kanalisierung vorhersehbarer Reaktionen, indem man die betreffenden Einheiten über die bestehenden Trennwände hinweg kombiniert und gruppiert, und zwar durch Bereitstellung angemessener und veränderbarer Mechanismen. So ermöglicht es der — mehr oder weniger große — Erfolg an den Hauptansatzpunkten dieser Koordinierungsbestrebungen, die Qualität des Verwaltungsapparates i n seiner Gesamtheit richtig einzuschätzen. 3. Da sich das Koordinationsbedürfnis auf allen Ebenen dieses Apparates bemerkbar macht, verdient die Koordination an der Pyramiden10 Zitiert aus J. M. Pfiffner und R. V. Presthus: „Public Administration", 3. Ausgabe, S. 123, New York 1953. 11 Siehe dazu z.B. H. A. Simon, D. W. Smithburg und V. A. Thompson: „Public Administration", S. 435 passim, New York 1950. 12 Ibidem, S. 131.
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spitze zweifellos besondere Aufmerksamkeit. Denn unabhängig von unserem Urteil über einen solchen Sachverhalt finden sich hier, am obersten Ende der Leiter, die Orientierungs- und Weisungszentren, die einen wesentlichen Einfluß auf das Funktionieren und auf die Strukturen der „nachgeordneten" Ebenen ausüben. Es besteht jedoch die Tendenz, sich weit mehr mit den Organen am unteren Ende oder i n der Mitte der Pyramide, als m i t denjenigen der Pyramidenspitze zu befassen. Die Verwaltungswissenschaft liefert zwar bereits deskriptive Studien über die Superstrukturen der Zentralverwaltungen, aber theoretische Betrachtungen zu diesem Thema lassen immer noch auf sich warten. I m Hinblick auf die Koordination ist das Problem der Pyramidenspitze ganz besonders akut, da es dort, i m Gegensatz zu den unteren Ebenen, kein Äquivalent zur „allgemeinen Verwaltung" (Präfektur) gibt, also keinerlei „natürlichen" K e r n der „ i m Zentrum" dieses Netzes spezialisierter Verwaltungen stünde und die nötigen Verbindungen herstellte. Gerade an der Pyramidenspitze muß also ein Koordinator gefunden und eingesetzt werden. I m modernen Staat hat der Regierungschef diese Aufgabe, obwohl die Vielzahl seiner Verpflichtungen unterschiedlicher Bedeutung die tatsächliche und kontinuierliche Durchführung dieser Aufgabe schwierig macht und obwohl das positive Recht hier keinerlei gesetzliche Präzisionen liefert. Außerdem erfordert die vom Regierungschef ausgeführte Koordinationstätigkeit unweigerlich die Schaffung zusätzlicher Organe, ergänzender oder korrigierender Instrumente, auch wenn sie nur Konsultativ- oder Hilfsfunktionen übernehmen. So läßt sich hier und da feststellen, daß die Existenz verschiedener, mehr oder weniger autonomer Dienststellen i m unmittelbaren dieser „Presidence du gouvernement" dahin tendiert, eine A r t neue „Ministerium" m i t verschiedenen und internen nicht koordinierten oder kaum koordinierten Aufgaben zu schaffen. Es ist j a bekannt, daß m i t steigender Aufsplitterung der Strukturen immer neue Koordinationsaufgaben heranwachsen, was zu einer ersten Diskrepanz i m Bereich der Koordinationstätigkeit des Premierministers führen muß. Berücksichtigt man die außerordentliche Schwerpunktverlagerung jeder staatlichen A k t i o n von der Legislative h i n zur Exekutive, die i n unserer Zeit stattgefunden hat und eine charakteristische Entwicklung der zentralen Strukturen des modernen Staates darstellt, dann w i r d die Tragweite deutlich, welche der Rolle des Regierungschefs heute zukommt, sowie die außerordentlichen Schwierigkeiten, die er bei der Erfüllung dieser spezifischen Aufgabe bewältigen muß, eine Aufgabe, die wahrscheinlich i m Verhältnis zu den anderen Aufgaben von hervorragend politischem Charakter sekundärer Natur ist, oder zumindest in der Praxis als weniger bedeutend angesehen wird. Diese Schwer-
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punktverlagerung findet i n Frankreich zum Beispiel ihren Ausdruck in der konstitutionellen Umkehrung der Befugnisse zwischen Parlament und Regierung, wenn es um die Ausübung der normativen Gewalt geht: die Verordnungsbefugnis fällt zur Zeit unter das „allgemeine Recht". Zur weiteren Illustration dieser Veränderung mag auch die Tatsache dienen, daß die fundamentale Rolle des Regierungschefs, wie es auch i n Frankreich der Fall ist, auch i n der formalen Änderung der Bezeichnung ihren Ausdruck findet, und zwar von der quasi angelsächsischen Form „Président du Conseil", hin zu „Premier ministre" 1 3 . Zu dieser Diskrepanz, die noch dadurch vertieft wird, daß u m den Regierungschef herum allmählich ein ganzes Reservoir zentraler Organe entsteht, die quasi aus Verlegenheit hier angesiedelt werden, gesellen sich noch andere, keineswegs zu unterschätzende Hindernisse: Zunächst besteht immer eine potentielle Konkurrenzsituation zwischen der jeweiligen A k t i o n des Regierungschefs und seiner Dienststellen auf der einen Seite und derjenigen des Staatschefs m i t seinen Organen auf der anderen Seite. Und diese Gefahr der Konkurrenz und der Doppelarbeit zwischen den verschiedenen Kabinetten, auch wenn sie offiziöser Natur sind, ergibt sich nicht nur i n Präsidialsystemen oder i n solchen m i t „präsidialer" Ausrichtung, wie es i m Augenblick i n Frankreich der Fall ist, sondern manchmal auch i n ganz andersgearteten politischen Systemen, sobald dieser Dualismus auftritt. Der koordinierenden Tätigkeit des Regierungschefs kann entgegengewirkt, oder sie kann durch diese parallel laufenden und nicht koordinierten Initiativen gelähmt werden, zumindest eine Zeit lang und i n jedem Fall auf Kosten seines eigenen Prestiges. A u f der anderen Seite muß man immer m i t der beherrschenden, manchmal geradezu diktatorischen Rolle des Finanzministers und seines für den Haushalt verantwortlichen Ministeriums rechnen. Der ganz reale Einfluß dieses Ministers dringt bis i n die letzten Ecken des gesamten Apparates vor und kann, aus Sparsamkeitsgründen, jeder koordinierenden A k t i o n ein Ende setzen. Die Standpunkte des Schatzmeisters und des zentralen Koordinators treffen sich nicht immer, Divergenzen sind denkbar, und der Rückgriff auf die schiedsrichterliche Funktion des Staatschefs ist selten, wenn nicht gar eine Ausnahme. 18 Die Forderung, sich in diesem Bereich nicht auf die offiziellen Texte zu verlassen, sondern sich in erster Linie auf das im Zuge der Machtausübung herausgebildete Gewohnheitsrecht zu stützen, erhellt z. B. aus der Tatsache, daß in der Entwicklung der französischen Verfassung das Amt des Regierungschefs ursprünglich nicht ausdrücklich vorgesehen war ( I I I . Republik); außerdem gestehen ihm die späteren Verfassungsrechte keinen Sonderplatz i m Verhältnis zum für die Minister geltenden allgemeinen Recht (IV. und V. Republik).
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Wenn die großen Richtlinien der allgemeinen Politik sich i m Haushalt abzeichnen, ist die tägliche A k t i o n des Finanzministeriums von ausschlaggebender Bedeutung bei der Zuteilung der M i t t e l und der Verteilung der Lasten, was immer die Gefahr m i t sich bringt, daß die Initiativen einer Koordinierung durch den Premierminister i n verschiedenen individuellen oder auch die Allgemeinheit betreffenden Fällen blokkiert werden. Schließlich stellt sich noch das Problem der Delegation von Befugnissen durch den Regierungschef an einen i h m beigegebenen „delegierten Minister", oder an ein anderes Organ 1 4 . A u f diese Weise kommt es zu einer „Zersplitterung der Funktion des Premierministers, der sich i n diesem Falle seiner wesentlichen koordinierenden Funktionen begeben würde" 1 5 . Dennoch scheinen derartige Praktiken i n Anbetracht der Vielzahl der dem Regierungschef obliegenden Aufgaben unvermeidlich, verbunden m i t der Notwendigkeit, ihn von bestimmten Aufgabenkategorien zu entlasten. I m übrigen haben verschiedene besonders ausgeprägte Organe i m Bereich des Regierungschefs häufig die Tendenz zu einer mehr oder weniger deutlichen Autonomie, was auch zu einer Schwächung seiner persönlichen Rolle beitragen kann. „So schafft eine ernstlich versagende Struktur auf künstliche Weise geradezu hartnäckige ,Koordinations'-Bedürfnisse, für deren Befriedigung man i m allgemeinen auf Superstrukturen zurückgreift. Diese jedoch können die von einer falschen Konzeption der hierarchischen Strukturen herrührenden Fehler nur i n unzulänglicher Weise korrigieren. Schlimmer noch, die auf diese Weise organisierte Pseudokoordination kann die wirklichen Koordinationsprobleme, die sich unweigerlich stellen, überhaupt nicht lösen.. ." 1 6 . 4. W i r haben es dann m i t einer Pseudo- oder Fassadenkoordination zu tun, welche die fehlende Koordination immer dann zu kaschieren versucht, wenn sich ein augenfälliges Mißverhältnis zwischen dem handelnden Apparat und seiner soziokulturellen Umgebung ergibt, wenn sich der Entscheidungsprozeß i n besonderen Fällen gegen die allgemeine Politik wendet, oder wenn die Initiative des Koordinators blockiert ist. „So schafft man, i n der Annahme, alle Koordinationsorgane müßten unter der unmittelbaren Führung des Premierministers arbeiten, u m i h n herum einen W i r r w a r von Koordinationsdiensten, deren beachtliche Entwicklung natürlich zu einer A r t Regierung inner14 Siehe dazu M. Prelot: „Institutions politiques et droit constitutions", 5. Ausgabe, S. 715, Paris 1972. 15 Ibidem. 16 Zitiert aus Francis de Baecque, in: „Les superstructures des administrations centrales, S. 296 u. 297, Paris 1973.
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halb der Regierung führen muß . . . A u f diese Weise kommt es dazu . . . , daß selbst innerhalb der zentralen Verwaltungsstrukturen eine geradezu überwältigende Arbeitslast anfällt, die dann direkt an den Premierminister weitergegeben w i r d aufgrund der Vielzahl von Organen, die i h m unterstellt sind 1 7 ; i n diesen Fällen kann man sich fragen, ob durch das Überhandnehmen der Koordinationsorgane die Koordination nicht die Koordination umbringt 1 8 ." Eine mögliche Lösung für dieses schwerwiegende Problem, von dessen Bewältigung der Erfolg einer echten Verwaltungsreform zum großen Teil abhängt, läßt sich gleichzeitig auf zwei Ebenen anstreben: Einmal i n Form einer wirksamen Verbreitung wesentlicher Informationen bei all denjenigen, deren A k t i o n eine Koordination erforderlich macht. Das bedeutet die größtmögliche Ausnutzung der „indirekten" Koordination, „deren Mittelpunkt nicht i n erster Linie ein Kräftezent r u m sein muß, aus dem die Koordinationsentscheidungen hervorgehen, sondern daß eine „Kommunikationszentrale" sein kann, die eine möglichst wirksame Verteilung wichtiger Informationen gewährleistet.. ," 1 9 . „Durch die Verlagerung der Kommunikation auf eine höhere Ebene ergibt sich bei den zu koordinierenden Personen und Dienststellen ein ausreichender Grad von Verständnis und Bereitschaft, u m die nötigen Koordinationsinitiativen i n unabhängiger Weise zu entwickeln . . ." 2 0 . Durch die Ermutigung und Förderung des Austausches und der Informationsverarbeitung durch die Betroffenen selbst und durch den damit verbundenen Meinungsaustausch w i r d eine A r t „Selbstkonsultation i m neuen Stil" praktiziert, die unter der Voraussetzung der geeigneten Umweltatmosphäre zur Bewältigung der Koordinationsaufgaben ohne Intervention eines besonderen Organs beitragen dürfte. Es w i r d behauptet, „die Praxis beweise bereits die Durchführbarkeit dieses Gedankens . . ." 2 1 . Außerdem ist es möglich, ein besonderes Zentralorgan zu schaffen, das speziell m i t Koordinationsaufgaben betraut würde, wahrscheinlich i n Verbindung m i t bestimmten Kontrollfunktionen. Das wäre denkbar i n Form eines „Koordinationsministeriums" 2 2 . Nichts spricht dagegen, 17 Zitiert aus Roland Drago: „La coordination sous l'égide du Premier ministre — Introduction", in: „La coordination administrative en matière économique et sociale", S. 31, Paris 1967. 18 Ibidem. 19 Zitiert aus H. Luyk: „Spécialisation, coordination et intégration — facteurs de croissance", Bericht des 14. internationalen Kongresses für wissenschaftliche Organisation, S. 10, Rotterdam 1967. 20 Ibidem. 21 Ibidem. 22 Ein solches Ministerium gab es z. B. in Griechenland im Jahre 1967.
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daß ein solches Organ , i n der einen oder anderen Form von der Autorität des Regierungschefs profitiert. A u f diese Weise würden allen anderen entsprechenden Organen diejenigen Verantwortungen abgenommen, welche die Koordination betreffen. Eine solche Konzentration der Befugnisse i m Koordinationsbereich ohne jede Vermischung m i t anderen Befugnissen hätte eindeutige Vorteile, selbst wenn sie nicht i n der Lage wäre, die oben genannten Diskrepanzen ganz auszuschalten; sie würden sich aber weniger störend bemerkbar machen. Entscheidend ist es, auf diese Weise hartnäckigen Fiktionen sowie dem Mißtrauen und der Ermutigung ein Ende zu setzen, die sich aus derartigen Zuständen ergeben. Das neue Organ wäre ein Orientierungszentrum, Ausgangspunkt neuer Initiativen und Anregungen, es würde gleichzeitig den Fortschritt i n der Verwaltung fördern und damit i m Informationsbereich auch auf die Hilfe des Computers zurückgreifen, ja sogar auf Datenbanken. Erforderlich wäre die Gewährleistung enger Kontakte zwischen einem solchen Ministerium und den Forschungszentren und verschiedenen Instituten. A u f diese Weise könnte auch die zur Zeit oft unweigerlich stattfindende Entwicklung verschiedener Staatsorgane zu autonomen Faktoren der staatlichen Politik verhindert werden. Bei alledem würde der Regierungschef seine vorherrschende Rolle bei der Auswahl der Prioritäten behalten und auch bei jedem Planungsvorhaben den Ton angeben. Gelegentlich ist er als das „Nervenzentrum" des gesamten Apparates bezeichnet worden, w e i l es i h m obliegt, einander zuwiderlaufende Kräfteströmungen je nach Bedarf zu fördern, miteinander zu vereinbaren oder auch gegeneinander zu neutralisieren. Dennoch würde die konkrete Verantwortung für die Koordination woanders liegen, nämlich dort, wo die koordinierende Tätigkeit sich tatsächlich durchführen läßt. 5. Die Koordination kann also weder als Illusion noch als Mythos bezeichnet werden. Von der Vollendung allerdings ist sie zur Zeit noch weit entfernt, und verschiedene Aktionen i n diesem Bereich betreffen vorerst nur die Fassade. „Die Kunst zu koordinieren" muß erst noch erlernt werden, damit die Anpassung der den verschiedenen Einheiten übertragenen Aktionen wirklich verbessert werden kann. Das Koordinationsorgan an der Pyramidenspitze wartet noch auf seine Ausrüstung, um seine Rolle spielen zu können. Information und Ausbildung müssen Hand i n Hand gehen, damit das Personal i n den Verwaltungen die Tragweite des Problems verstehen und seine Rolle spielen lernt. Was sich tatsächlich als Illusion herausstellen dürfte, ist die A n nahme, die Koordination könnte eines Tages dank einer Veränderung der Strukturen und dank der Anpassung von Entscheidungsprozessen an das erweiterte Datenangebot und die wachsende Entfaltung von Initiativen ganz überflüssig werden. I n der staatlichen Verwaltung 10*
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w i r d immer die Notwendigkeit stehen, nach kombinierten und ergänzenden Lösungen zu suchen, die für Verbindung und Kohärenz zwischen den Aktionen der großen Ministerien, der Koordinationsausschüsse, der Konferenzen usw. sorgen. Was man allerdings erwarten kann, das ist die allmähliche Herauslösung der Koordination aus einer Phase der Einzelentscheidungen und Hineinwachsen i n die Ausarbeitung einer Reihe von Prinzipien 2 3 . Somit besteht die Forderung der Zukunft darin, die betreffenden Organe durch Vereinfachung weniger schwerfällig zu gestalten, indem man sie modernisiert und das Schwergewicht i n immer stärkerem Maße auf den menschlichen Faktor verlagert.
Diskussionsbeitrag von Peter Oberndorfer I. Unser Thema verlangt analog zu den bereits vorliegenden Referaten einen kurzen Blick auf die österreichische verfassungsrechtliche Situation. Die österreichische Verfassungsordnung ist sowohl i m Bundeswie auch i m Länderbereich durch ein eindeutiges Überwiegen des Ressort- oder Ministerialprinzips gegenüber dem Kollegial- oder Kabinettsprinzip gekennzeichnet. Grundsätzlich sind daher die einzelnen Bundesminister und die Bundesministerien als ihnen unterstellte Hilfsorgane für die einzelnen Verwaltungsgeschäfte, die ihnen jeweils durch Gesetz — beim Bund — bzw. durch Verordnung — bei den Ländern zugeteilt wurden, allein verantwortlich und entscheidungsbefugt. Lediglich ausnahmsweise unterliegen besonders wichtige Verwaltungsund Regierungsangelegenheiten, — wie der Beschluß über die Grundsätze der Regierungspolitik, also über das „Regierungsprogramm", sowie der Beschluß von Gesetzesvorlagen an den Nationalrat u. a. — kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Zuweisung der Bundesregierung als Kollegialorgan, also einer Koordination und Abstimmung nach Maßgabe des Kabinettsprinzips. 88 Siehe dazu die beachtliche Studie von André G. Delion: „Les problèmes administratifs de la coordination en matière de développement économique et social", S. 11 ff., 12/Brüssel, 1.1. S. A., 1969.
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Prinzipiell obliegt der Bundesregierung unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers w o h l auch die Konfliktregelung, wenn eine Einigung von Bundesministern i n ressortübergreifenden Angelegenheiten nicht erzielt wird. Formell beschränkt allerdings das Bundesministeriengesetz 1973 die Bundesregierung i n solchen Fällen auf die Feststellung des vorwiegend betroffenen, daher federführenden Ministeriums (§ 5 Abs. 2) oder gar nur auf die „Beratung", wenn die Sachgebiete anderer Ministerien nur berührt werden. Diese aus dem Ressortprinzip abgeleitete normative Beschränkung der Bundesregierung w i r d zwar faktisch kaum durchschlagen. Dennoch dürfen die Koordinationsleistungen eines Kollegialorgans wie der Bundesregierung aus verschiedenen Gründen nicht allzu hoch veranschlagt werden: Einmal verhindert der Zeitaspekt die Herstellung einer für optimal koordinierten Entscheidungen erforderlichen kommunikativen Basis. Ministerratssitzungen finden i n der Regel einmal wöchentlich — traditionell am Dienstag — i n der Dauer von ca. 2 Stunden — statt und sind zusätzlich durch zahlreiche Routineangelegenheiten belastet. Eine derartig zeitlich beschränkte Regierungsarbeit setzt eine vorhergehende Abwicklung der nötigen politischen Koordination schon voraus. Zum zweiten unterliegen Beschlüsse der Bundesregierung nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Auffassung dem Einstimmigkeitsgrundsatz, beinhalten sohin ein gehöriges Maß negativer Koordination. Jeder Bundesminister hat es i n der Hand, durch Verweigerung seiner Zustimmung eine Entscheidung zu verhindern. Dieser Einstimmigkeitsgrundsatz hat sich für die bis 1966 amtierenden Koalitionsregierungen auf das Zustandekommen von Regierungsentscheidungen und auf die dazu notwendigen Koordinationsleistungen äußerst negativ ausgewirkt. Die drei seit 1966 amtierenden Einparteienregierungen ließen hingegen die Schwäche des Einstimmigkeitsprinzips i n der Bundesregierung bedeutend weniger sichtbar werden. Dafür mögen zwei Gründe maßgeblich sein, die auch direkten Einfluß auf das für die gesamte Regierungspolitik erforderliche Koordinierungspotential besitzen: Die Regierungsentscheidungen vorangehende politische Koordination findet i m Vorfeld verfassungsrechtlicher Institutionen innerhalb parteipolitischer Gremien und Kontakte statt. Die Chance einer Koordination innerhalb einer Partei ist dabei zwangsläufig größer als zwischen zwei Parteien, die sich noch dazu i n ihrer politischen Taktik jeweils als „Bereichsopposition" (Kirchheimer) verstehen. So w i r d es verständlich, daß der „Koalitionsausschuß", (das war als eine A r t verfassungsfremder Nebenregierung das tragende Koordinationsorgan zwischen den Parteien während der Koalitionsära) eine ungleich schwierigere und müh-
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samere Koordinationspraxis entwickelte als etwa derzeit die „Ministerratsvorbesprechungen". Zusätzlich zu den am Dienstag stattfindenden Sitzungen des Ministerrates, i n denen die formellen, verfassungsrechtlich relevanten Beschlüsse durch das Kollegialorgan Bundesregierung gefaßt werden, findet nämlich regelmäßig, — zumeist am Montag —, eine Ministerratsvorbesprechung statt, bei der i n Abwesenheit der Beamten, unter Beiziehung leitender Parteifunktionäre, Bundeskanzler, Vizekanzler und die Bundesminister die entscheidenden Probleme der Regierungspolitik unter sich, daher vertraulich, besprechen und koordinieren. Ferner besitzt der Bundeskanzler als Vorsitzender der Bundesregierung ein erhebliches politisches und rechtliches Koordinierungspotential. Darauf ist i m folgenden kurz einzugehen: Die bedeutsame Rolle des Bundeskanzlers, also des österreichischen Regierungschefs i m politischen Koordinationsprozeß resultiert aus seiner regelmäßig anzutreffenden Identität mit dem Parteivorsitzenden und dem Vorsitzenden der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen. Diese beeinflußt, wenn gleichwohl ohne rechtliche Basis, als institutionalisierte Plattform der Sozialpartnerschaft die Preis- und Lohnpolitik der österreichischen Wirtschaft, damit einen der koordinationsbedürftigsten Teile des Staates, i n entscheidendem Maße. Zusätzlich ist der Bundeskanzler immer auch gleichzeitig Abgeordneter zum Nationalrat, gegenwärtig sogar Fraktionsvorsitzender seiner Partei, sodaß er seine eigenen Prioritätsvorstellungen auch auf die parlamentarische Arbeit zu übertragen vermag. Die rechtliche Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers ist in ihrem Inhalt und Umfang nicht ganz eindeutig geklärt. Offen ist (1) ob und wieweit eine Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers verfassungsrechtlich abgesichert ist oder ob sie ganz oder teilweise an andere Bundesminister weitergegeben werden kann, und (2) was an konkreten Koordinationsbefugnissen sie beinhaltet. Die Bejahung einer verfassungsrechtlichen Koordinationsbefugnis des Bundeskanzlers käme wohl der bundesdeutschen Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers wenn schon nicht gleich, so doch nahe. Da für die österreichische Verfassungsordnung eine derartige Richtlinienkompetenz abgelehnt wird, — mag sie auch faktisch auf Grund des politischen Übergewichts des Bundeskanzlers i n der Bundesregierung bestehen —, läßt sich auch eine Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers rechtlich kaum belegen. Das bedeutet, daß sie zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht, dem aufgetragen ist, die Zahl, den Aufgabenbereich und die Einrichtung der einzelnen Bundesministerien zu bestimmen (Art. 77 Abs. 2 B-VG).
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Der einfache Gesetzgeber hat den „Staatskanzler", nachmaligen Bundeskanzler bereits i m Jahre 1918 i m Zuge der Organisation der neu entstandenen Republik damit betraut, „auf das einheitliche Zusammenarbeiten aller Staatsämter und auf die Wahrung der allen Verwaltungszweigen gemeinsamen Interessen hinzuwirken". Diese Funktion der administrativen Koordination wurde vom derzeit geltenden Bundesministeriengesetz 1973 (BGBl. 389/1973) unter der Umschreibung „Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik einschließlich der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes, . . . " (Anlage Teil 2, 1.) dem Bundeskanzleramt belassen. Diese über das Bundeskanzleramt ausgeübte Koordinationsbefugnis ist nach Inhalt und Umfang relativ beschränkt. Sie ist i n ihrem Inhalt dadurch eng begrenzt, daß das „ H i n w i r k e n " auf ein einheitliches Zusammenarbeiten aller Ressorts nach herrschendem Verständnis noch keine Entscheidungsbefugnis bei Konflikten umfaßt. Schon deshalb kann beim Bundeskanzleramt keine Rede von einem „Oberminister i u m " sein. Die Koordinationspflicht ist ferner i n ihrem Umfang dadurch eingeschränkt, daß zwei anderen Bundesministerien Koordinationsaufgaben explizit übertragen und insoweit aus dem Bundeskanzleramt ausgeschieden wurden. So hat das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung die „Koordination der Forschungsvorhaben des Bundes zur Wahrung der allen Verwaltungszweigen gemeinsamen Interessen . . . sowie die Koordination der Planung des Einsatzes von Bundesmitteln zum Zwecke der Forschung" und das Bundesminister i u m für Gesundheit und Umweltschutz die „Koordinierung auf allen Gebieten des Umweltschutzes" wahrzunehmen. Die Ausgliederung von Koordinationskompetenzen aus dem „Koordinationsministerium" schlechthin, — und das war das Bundeskanzleramt nach seiner u r sprünglichen Konstruktion —, zeigt das offensichtliche Ungenügen herkömmlicher bürokratischer Strukturen, insbesondere auch des als „Staatskanzlei" fungierenden Bundeskanzleramtes, wenn es gilt, neu zugewachsenen Staatsaufgaben, die i n ihrer Struktur gerne mit dem Schlagwort der „Komplexität" gekennzeichnet werden, zu begegnen. Fragwürdig bleibt, inwieweit solcherart aus der zentralen Koordinationsstelle ausgegliederte Koordinationsbefugnisse auf einzelnen Sachgebieten höherer Komplexität den erwünschten Erfolg zeigen. Dabei scheint eine unterschiedliche Bewertung nach A r t der jeweiligen koordinationsbedürftigen Verwaltungsaufgabe geboten. Einesteils zeigt die administrativ-politische Praxis, daß der Koordinationsbedarf für mehr oder minder standardisierte, sohin — trotz ihrer Interdependenz m i t den von anderen Ressorts betreuten Fachbereichen doch — stark konturierte Aufgaben i m Schöße der damit insbesondere betrauten Ministerien unter Zuhilfenahme der überkommenen Koordinations-
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muster hinlänglich abgedeckt werden kann. So genügen insbesondere zwei Sektionen des Bundeskanzleramtes, der sogen. „Verfassungsdienst" und die mit der zentralen Personalverwaltung betraute Sektion I I in durchaus überzeugender Weise dem Koordinationsbedürfnis aller Bundesdienststellen, beschränkt auf eine je spezifische Materie: A u f die Wahrung der verfassungsrechtlichen Belange sowie auf grundsätzliche Fragen der Rechtsordnung und -entwicklung, wie Gesetzestechnik, — so die Aufgabe des Verfassungsdienstes; auf die M i t w i r kung bei allen Personalangelegenheiten des Bundes i n Form eines Zustimmungsrechtes zu sämtlichen Dienstpostenbesetzungen zum Zwecke der Koordinierung und Gleichbehandlung aller personellen Maßnahmen i m Bereich des Bundes durch die Dienstrechtssektion. Auch das Wissenschaftsministerium vermag, so scheint es, der durchaus eindeutig abgrenzbaren Koordinierungsaufgabe auf dem Gebiet der Forschung hinlänglich zu genügen. Gleichwohl erweisen auch die i m Bundeskanzleramt den Sektionen Verfassungsdienst und zentrale Personalverwaltung anvertrauten Koordinierungsaufgaben die engen Grenzen, die herkömmlichen Koordinationsprozessen gesetzt sind. So ist der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes m i t der i h m entsprechend der Geschäftseinteilung übertragenen Verwaltungsreform für den gesamten Bundesbereich offenkundig ebenso überfordert wie die Personalverwaltungssektion m i t der ihr anvertrauten personellen Planung, soweit diese Planung über eine bloße Fortschreibung des alljährlichen Dienstpostenplanes hinausgehen soll. Der Ressortegoismus der einzelnen Bundesministerien ist viel zu stark entwickelt, als daß eine echte Abtretung von Entscheidungsbefugnissen i m organisatorischen und personellen Bereich an eine zentrale Koordinationsstelle i m Bundeskanzleramt toleriert würde. Das gleiche gilt, wenn es sich nicht u m Querschnittsaufgaben, sondern u m Sachaufgaben hoher Komplexität handelt, wie Raumordnung und Umweltschutz, die praktisch alle oder eine Vielzahl von Ressorts i n ihren angestammten Sachinteressen betreffen. Nicht umsonst wurde das erst seit 1972 existierende Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz zu einem der beliebtesten Angriffsobjekte der öffentlichen Meinung. Die diesem Ministerium übertragene „Koordinierung auf allen Gebieten des Umweltschutzes" ist, abgesehen vom Gesundheitswesen, m i t wenig Sachkompetenzen i m Detail verbunden und würde daher erheblich in die politisch-administrativen Handlungsbezüge fremder Ressorts eingreifen. Dementsprechend w i r d die Umweltschutzkoordinierung von besagten Ressorts mehr oder minder neglegiert und ist bisher gänzlich ohne Wirkung. Gleiches oder ähnliches gilt für vier spezifische Sachbereiche, die weniger auf Grund ihrer Sachstruktur als vielmehr i m Hinblick auf ihre besondere Koordinationsbedürftigkeit i m
Diskussionsbeirag: P. Oberndorfer
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„Koordinationsministerium", sohin i m Bundeskanzleramt organisatorisch angesiedelt wurden: d. s. wirtschaftliche Koordination einschließlich der zusammenfassenden Behandlung der Angelegenheiten der Strukturpolitik, Familienpolitik, Raumordnung und umfassende Landesverteidigung. A l l e zuletzt angeführten Verwaltungsbereiche transzendieren die herkömmlichen Koordinationsprozesse, wie Einvernehmens- oder A n hörungskompetenzen. Diese — negativen — Formen der Koordination, die aus der Koalitionsära i n Österreich besonders reichhaltig überkommen sind, beinhalten i m Grunde reine „Behinderungskompetenzen", also nicht mehr als ein Vetorecht eines Ministeriums gegenüber einem bereits ausgearbeiteten Verwaltungsvorhaben, das von einem anderen Ministerium vertreten wird. Aufgaben wie Umweltschutz, Raumordnung oder umfassende Landesverteidigung bedürfen hingegen der positiven Koordination, also einer Organisation, die eine simultane Problemverarbeitung für übergreifende Problemzusammenhänge, damit umfassende Lösungen gestattet, ohne daß diese Lösungen m i t einem Verlust an spezialisierter Information und damit optimaler Rationalität verbunden sind. I m zweiten Teil soll daher berichtet werden, welche Ansätze zu positiver oder integrierender Koordination i m Zuge der genannten komplexen Verwaltungsaufgaben das österreichische Verwaltungssystem ausgebildet hat. II. 1. Eine bedeutsame Rolle i m Bereich der politischen Koordination, der politischen Abstimmung zweier oder mehrerer Minister i m Detail kommt ohne Zweifel dem persönlichen Beraterstab des zuständigen Bundesministers zu. Er läuft unter der Bezeichnung „Kabinett des Bundeskanzlers", „Büro" des Bundesministers, „Sekretariat" des Bundesministers oder „ A d j u t a n t u r " des Bundesministers für Landesverteidigung. Diese Büros umfassen i n jedem Ressort zwischen 2 und 7 persönliche Mitarbeiter des Ministers, die außerhalb der üblichen dienstrechtlichen Hierarchie stehen, vielfach keine Beamte sind, jedoch das politische Vertrauen des Ministers genießen. Das Bundesministeriengesetz 1973 hat i n seinem § 7 Abs. 3 diese Organisationseinheiten neben der sonst üblichen Ministerialgliederung „zur zusammenfassenden Behandlung aller zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums gehörenden Geschäfte, . . . sowie zur Beratung und Unterstützung des Bundesministers bei den i h m obliegenden Entscheidungen auf dem Gebiet der allgemeinen Regierungspolitik" vorgesehen. Der besondere politische Charakter dieser persönlichen Referenten bedingt ihr Ausscheiden aus dem Ministerium m i t dem Ressortleiter. Die konkreten Koordinationsleistungen der Ministerbüros sind von Fall zu Fall verschieden, können
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kaum verallgemeinert werden und entziehen sich auch auf Grund der vertraulichen Position der entsprechenden Referenten einer näheren Untersuchung. 2. M i t der Leitung spezifisch koordinationsbedürftiger Agenden wie Familienpolitik, wirtschaftliche Koordination einschließlich der Raumordnung, Verwaltungsreform und dem koordinierten Einsatz von EDVAnlagen für den gesamten Bundesbereich wurden vom Bundeskanzler Staatssekretäre betraut, die gleichzeitig jeweils den Vorsitz i n einem zugeordneten Kollegialorgan, einem Beirat oder Kommission (dazu unten 3.) wahrnehmen. Dadurch w i r d das für eine kontinuierliche Verwaltungsleistung unzureichende Potential jener „Beiräte" und „ K o m missionen", die nicht bürokratisch sondern punktuell arbeiten, wiederum ausgeglichen. Die Bestellung der Staatssekretäre dient zweifelsohne auch der politischen Entlastung des Regierungschefs bei besonders komplexen, daher schwierigen und vom Erfolg her undankbaren Koordinationsaufgaben. Der politische Erfolg dieser Koordinationsstaatssekretäre ist — angesichts der Schwierigkeit ihrer Koordinationsaufgaben nicht verwunderlich — gering, dementsprechend ihre „Sündenbockrolle" manifest. 3. Besonders zahlreich sind schließlich beratende Gremien außerhalb der üblichen Ministerialorganisation, die als Ausschuß, Beirat, Kommission, Komitee, Projektgruppe usw. eingerichtet werden. Diese K o l legialorgane beruhen zum Teil auf spezialgesetzlicher Grundlage, wie etwa der familienpolitische Beirat i m Bundeskanzleramt, zum Teil bildet ihre unmittelbare Organisationsgrundlage ein entsprechender Beschluß der Bundesregierung oder des Ressortchefs, der sich auf § 8 des Bundesministeriengesetzes 1973 stützen kann. Danach kann jeder Bundesminister Kommissionen einsetzen, die der Vorbereitung und Vorberatung von Geschäften dienen, denen vom Standpunkt der Koordinierung und vorausschauenden Planung i m Einzelressort Bedeutung zukommt, ferner soweit es die wechselseitige Koordinierung der Vollziehung des Bundes und der Länder erfordert und schließlich auch für Geschäfte, die auch den Wirkungsbereich anderer Bundesministerien betreffen. Eine derartige Bildung ressortübergreifender Kommissionen bedarf des Einvernehmens m i t den betreffenden Bundesministern. Die einzelnen Kommissionen unterscheiden sich nach Zusammensetzung und Wirkweise beträchtlich. Für die Koordination der Verwaltungsgeschäfte genießen zweifellos Beamtenkomitees die größte Rolle. Durch Besetzung der Koordinationskomitees, wie etwa des Komitees für den Einsatz von EDV-Anlagen i m Bundesbereich oder der Stellvertreterkonferenz der Raumordnungskonferenz durch Ressortbeamte, erscheint am ehesten sichergestellt, daß die Beschlüsse der kollegialen
Diskussionsbeitrag: P. Oberndorfer
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Gremien innerhalb der einzelnen Ressorts i n konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Dem entspricht auch eine empirische Untersuchung der vom höheren Verwaltungspersonal eines österreichischen Ministeriums erbrachten Verwaltungsleistungen (Titscher, 1972). A u f die Rubr i k „Koordination zwischen Gremien und Ministerium" antworteten 57 °/o der Befragten bejahend. Beinahe drei Viertel dieser mit Koordination befaßten Bediensteten sahen i n Koordinationsleistungen der angeführten A r t ihre „hauptsächliche" oder mindestens „ständig teilweise" Tätigkeit. Eine nähere Betrachtung der Koordinationsarbeit i n den konkreten Kommissionen selbst, etwa der Stellvertreterkommission der österreichischen Raumordnungskonferenz, die überwiegend mit Beamten besetzt ist, muß indessen zu einer erheblich negativen Bewertung führen. Die einzelnen Gremien sind für eine positive Koordination, bei der sämtliche Mitglieder zum Ergebnis beitragen, durchwegs zu umfangreich und zu wenig arbeitsintensiv. Daher werden Subgremien gebildet: von der Stellvertreterkommission der österreichischen Raumordnungskonferenz etwa 4 Unterausschüsse, denen die Erarbeitung einzelner Teilabschnitte zur Erstellung eines österreichischen Raumordnungskonzeptes aufgetragen wurde. Da diese Funktionen von den Mitgliedern der Kommissionen durchwegs neben ihren sonstigen ministeriellen Routinearbeiten wahrzunehmen sind, äußert diese Form der interministeriellen Koordination zumindest i m Bereich der Raumordnung bisher keine besondere Wirksamkeit. Das entscheidende Dilemma der interministeriellen Koordination durch eigene kollegiale Einheiten scheint darin zu liegen, daß die M i t glieder besagter Einheiten über die notwendigen Informationen und über Chancen zur Durchsetzung der von der Kommission getroffenen Entscheidung nur unter der Voraussetzung verfügen, daß sie sowohl i n der Bürokratie des einzelnen Ressortministeriums fest verankert sind und darüber hinaus politischen Rückhalt i n der Ressortspitze finden; daß sie aber auch gleichzeitig für komplexe Aufgaben wie Umweltschutz oder Raumordnung eine ständige Präsenz und laufende Arbeitsleistung aufbieten können. Dadurch läuft aber das m i t der Koordination betraute Personal Gefahr, die erforderlichen Kontakte zu den Hausressorts zu verlieren. 4. Fordert eine Koordinationsleistung erhöhten politischen Konsens und besonderen politischen Rückhalt, so werden interministerielle Komitees gebildet, sohin Organe, die sich aus mehreren, den betroffenen, Bundesministern zusammensetzen und vielfach auch die Spitzen der politisch bedeutsamen Interessenverbände beiziehen. Beispielhaft sei hier nur die österreichische Raumordnungskonferenz erwähnt,
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deren Vorsitz der Bundeskanzler innehat und die neben 10 weiteren Bundesministern, die Landeshauptleute der österreichischen Bundesländer, die Präsidenten der großen Interessenvertretungen, sowie Vertreter des österreichischen Gemeinde- und Städtebundes zu ihren M i t gliedern zählt. Beschlüsse von Ministerkomitees besitzen keine rechtsverbindliche Kraft, sie dürfen von Verfassungs wegen m i t keiner selbständigen Kompetenz ausgestattet sein, weil anders das verfassungsrechtliche Ressortprinzip verletzt wäre. Ministerkomitees werden regelmäßig durch Beschluß der Bundesregierung eingesetzt. Ihre Funktion endet m i t der Erledigung der gestellten Aufgabe, wie z. B. m i t der Erstellung eines Energieplanes; sie sind hingegen auf Dauer berechnet, wo die Aufgabe eine langfristige ist, wie etwa Raumordnung. Soweit der Bundeskanzler Mitglied und damit zugleich Vorsitzender eines Ministerkomitees ist, erfolgt die Geschäftsführung des Komitees durch das Bundeskanzleramt. Über Anzahl, Tätigkeit und Effektivitäten der interministeriellen Komitees i n Österreich gibt es keine ausreichenden Unterlagen. 5. Einer besonderen Koordination i m Wege interministerieller Verhandlungen, zuerst auf Beamtenebene, dann auf Ministerebene, schließlich i m Schöße der Bundesregierung bedarf die Erstellung des jährlichen Bundesvoranschlags. Die gegenwärtige Praxis der Budgetierung beruht i m Grunde auf einer Fortschreibung alter Ansätze und einer gegenseitigen Abstimmung i m Hinblick auf den projektierten Budgetrahmen durch ein Abstrichverfahren. Die notwendige Ziel- und Programmorientierung einer erfolgreichen Koordination w i r d hier besonders deutlich. Der vorliegende Entwurf eines österreichischen Bundeshaushaltsgesetzes entwickelt ein Finanzplanungskonzept, das, — wohl angelehnt an das bundesdeutsche Vorbild —, den Zusammenhang der Finanzrahmen- und Investitionsplanung m i t der Regierungs-, also A u f gabenplanung betont: Es w i r d gefordert, daß die Abfassung des Finanzplans und die Aufstellung des Investitionsprogramms ihren Ausgang vom Regierungsprogramm n i m m t und insbesondere der Abstimmung m i t dem Bundeskanzler i m Sinne der i h m zustehenden Koordinierungsbefugnisse bedarf. Wieweit über eine zukünftige Finanzplanung der Koordination der Regierungspolitik besser Rechnung getragen werden kann als gegenwärtig, w i r d sich erweisen.
Literatur Adamovich: Die Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers in verfassungsrechtlicher Sicht, JB1. 1973, S. 234 ff. — Oberndorfer: Steuerung komplexer politischer Systeme am Beispiel der Raumordnung, 1973 (Manuskript).
Diskussionsbeitrag: F. F. Ridley
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— Pernthaler: Umfassende Landesverteidigung, 1970. — Schäffer: Koordination in der öffentlichen Verwaltung, 1971. — Titscher: Struktur eines M i nisteriums, dargestellt am Beispiel des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1972. — Weiler: Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, ÖJZ 1962, F. 281 ff., 314 ff. — Welan/Neisser: Der Bundeskanzler im österreichischen Verfassungsgefüge, 1971. — Wittmann: Planung und Koordination in der obersten Bundesverwaltung, österr. Zeitschrift f. Politikwissenschaft, 1974, S. 181 ff.
Diskussionsbeitrag von F. F. Ridley I. Die Problematik des Vergleichs Vor nicht langer Zeit befürwortete ich den Vergleich von politischen und administrativen Institutionen als eine praktische Tätigkeit. Ich schrieb damals: „Es ist nahezu unmöglich, festzustellen, ob eine administrative Einrichtung besser ist als die andere. ,Besser wofür? 1 ist eine naheliegende Frage. Selbst wenn man dem zustimmen sollte, bleibt es schwierig, eine einzelne Institution aus ihrem administrativen Kontext zu ziehen, viel weniger schwierig, als aus ihrem weiteren Kontext ihrer politischen K u l t u r . Ihre Arbeitsweise hängt von unzähligen, manchmal fast unidentifizierbaren Umweltfaktoren ab. Wenn es schon schwer ist, m i t Überzeugung zu sagen, warum es innerhalb seines eigenen Systems gut (oder schlecht) funktioniert, ist es noch schwerer, Vermutungen darüber anzustellen, wie es, i n ein anderes System transferiert, funktionieren würde. Aber aus diesen Schwierigkeiten kann man viel machen. A u f der untersten Ebene, eine Ebene, die trotzdem nicht verachtet werden sollte, kann man fremde Erfahrungen untersuchen, u m zu sehen, ob es irgendwelche Einrichtungen gibt, die neue Ideen stimulieren könnten, an die man nicht gedacht hätte, wenn man Reformenn allein i m Lichte der eigenen nationalen Erfahrungen sieht. Man kann jedoch weitergehen. Eine Untersuchung des Umstandes wie — und wie erfolgreich — ein anderes Land versucht hat, ähnliche Probleme wie die eigenen zu lösen, muß irgendeinen Wert haben, selbst wenn die
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Lehren aus fremden Erfahrungen nur anregenden Charakter haben. Trotz all der Unterschiede zwischen den Kulturen, i n denen verschiedene Verwaltungssysteme operieren, haben die westeuropäischen Staaten vieles gemeinsam und stehen i m großen und ganzen vor ähnlichen Problemen der Verwaltungsmodernisierung. Da das Gebiet der Verwaltungstechnik bei dem derzeitigen Kenntnisstand eine praktische Fertigkeit bleibt, kommen komparative Untersuchungen i n der wissenschaftlichen Exaktheit ihrer Empfehlungen nicht viel schlechter weg als Untersuchungen i m eigenen Lande 1 ." Angesichts dieses Zitats behaupte ich nur ungern, daß es schwierig sein mag, viel aus der britischen Erfahrung zu lernen, die Regierungspolitik durch den Premierminister zu koordinieren. Teilweise ist es jedoch so, w e i l w i r i n Großbritannien nicht gerade v i e l von einer premier-ministeriellen Maschinerie haben, die als Basis für eine institutionelle Analyse dienen könnte. Dies ist auch so, w e i l die Stellung des Premierministers insbesondere von verfassungsrechtlichen und politischen Faktoren abhängig ist, die für das betroffene Land spezifisch sind. Aus dem Grunde ist die m i t i h m verbundene Maschinerie stark von variablen Umweltfaktoren abhängig. Tatsächlich variieren diese Faktoren nicht einfach nur von Land zu Land, sondern — i n einem größeren Ausmaß, als es m i t den meisten Institutionen der F a l l ist — ändern sie sich i m Lauf der Zeit innerhalb eines einzigen Landes entsprechend sich verändernden politischen und personellen Konstellationen. Es ist sehr verlockend, eine vergleichende Diskussion der Rollen des Premierministers mit dem zu beginnen, was man für die allgemeinen Probleme der Politik hält: m i t den organisatorischen Notwendigkeiten, die i n der Natur einer übergreifenden Zielplanung sowie i n der Koordination von Teilprogrammen liegen. Schließlich könnte man annehmen, daß die Regierungsmaschinerie überall auf irgendeine Weise auf diese an sie gestellten Anforderungen zugeschnitten ist, sei es durch überlegte Reform oder einen weniger überlegten Anpassungsprozeß. Allerdings ist das Gegenteil genauso wahrscheinlich: der Prozeß der Politik paßt sich der Verfassungsordnung und dem politischen System an. (Es paßt sich auch an existierende Verwaltungsstrukturen an: dies ist allerdings etwas anderes, als ich hier aussprechen w i l l , da administrative Unzulänglichkeiten, wie tief sie auch immer verwurzelt sein mögen, einer Reform auf einer ganz anderen Ebene als der der politischen und verfassungsrechtlichen Veränderung bedürfen.) 1 Vgl. meinen Beitrag „Comparison as a Practical Activity", Government and Opposition, Dezember 1973; neu abgedruckt in derselbe: The Study of Government (Allen & Unwin, 1975).
Diskussionsbeitrag: F. F. Ridley
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Insoweit, wie verschiedene politische und verfassungsmäßige Voraussetzungen ein bestimmender Faktor i n der Ausformung des Prozesses politischer Koordination sind, machen sie den Vergleich zwischen politisch-administrativen Institutionen weniger nützlich, als es sonst der Fall wäre. Dies erscheint von Bedeutung, weil man i n praktischer Hinsicht eher daran interessiert ist, wie verschiedene Länder sich organisieren, u m m i t gemeinsamen Problemen fertigzuwerden (und somit an übertragbaren Maßnahmen), als an den Gründen, warum verschiedene Regierungssysteme möglicherweise unterschiedliche Probleme zu lösen hätten. Blickt man auf die europäischen Länder findet man eine Reihe verschiedener koordinierender Institutionen. Es kann dem Finanzminister i u m äquivalente Superministerien, Stäbe, die die Politik überprüfen, und Planungskommissariate geben oder auch nicht; Kabinette können über ein leistungsfähiges Ausschußsystem verfügen oder auch nicht. A u f der anderen Seite gibt es i n allen Systemen einen Premierminister (unter Berücksichtigung der Ambiguität der zweifachen Exekutive i n Frankreich) und ein Kabinett. Sie haben offensichtlich viel gemeinsam und aus gerade diesem Grund muß man sich davor hüten, die Gleichsetzung zu weit zu treiben. Ich vermute, daß es i n allen Ländern ein Büro des Premierministers und ein Kabinettsbüro gibt, wie auch immer sie heißen und organisiert sein mögen. Man kann die Rolle keiner dieser Institutionen bei der Festlegung der Politik und der Koordination ohne Bezug zu den politischen Realitäten von Zeit und Ort diskutieren. Sie konstituieren die äußeren faktischen Determinanten. Recht andersartig und i n gewissem Sinne ernster für diese unsere Diskussion sind die Verfassungsprinzipien. Sie sind sowohl normative wie faktische Determinanten. Den Premierministern werden formell durch unterschiedliche „Philosophien", auf denen die Regierungssysteme selbst basieren, sehr unterschiedliche Funktionen übertragen. Demnach erfüllen scheinbar ähnliche Strukturen nicht nur verschiedene Funktionen aufgrund der unterschiedlichen Machtverteilungen, die aus diesem oder jenem Grunde i n verschiedenen Ländern existieren, sie sollen tatsächlich verschiedene Rollen i n verschiedenen Ländern ausüben. Der Zweck dieser Ausführung ist einfach, daß man die Rolle des Premierministers nicht diskutieren kann, noch weniger M i t t e l und Wege, diese Rolle zu verändern, indem man Veränderungen i m Regierungsapparat vornimmt, als ob das einzige K r i t e r i u m die Effizienz des Zielsetzungs- und Programmkoordinationsprozesses sei. Ich glaube nicht, daß eine vergleichende Betrachtung notwendigerweise i n diese Falle laufen muß. I n der Tat, begänne man mit der Diskussion der politischen Systeme, wäre man sich der Kontraste sehr bewußt. Die
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Gefahr stellt sich ein, wenn man sich zu allererst auf die Planung konzentriert. Wenn man m i t einer Diskussion beginnt, wie dieser Prozeß leistungsfähiger organisiert werden kann, könnte man dazu neigen, den Premierminister und seine Dienste i n erster Linie nur als Zahnräder i n dieser speziellen Maschine zu betrachten. Die Gefahr ist dann, daß man Reformen vorschlägt, die vielleicht den Umstand ignorieren, daß die Rolle dieser Institutionen von einem weiteren Spektrum faktischer und normativer Erwägungen bestimmt wird. Wenn die Verbesserung des Prozesses der Politik eine Veränderung i m Mächtegleichgewicht i m Regierungssystem bedeutet, vielleicht sogar zu einem Überdenken der dem System zugrundeliegenden politischen Theorien anhält, sollte man zumindest sich des Ausmaßes des vorgeschlagenen Unternehmens und der Unwahrscheinlichkeit seines Erfolges bewußt sein. Andere Probleme tauchen auf, wenn man von der Planungsseite der Debatte ausgeht. Auch dies ist keine Tätigkeit, die sich selbst erklärt. I n verschiedenen Ländern und i n ihnen zu verschiedenen Zeiten w i r d es jeweils sehr unterschiedliche Auffassungen über den Zweck von Planung geben. Genauso, wie man nicht annehmen kann, daß die Regierungsstrukturen dieselben Funktionen haben, kann man nicht annehmen, daß m i t der Funktion der Koordination von Politik immer beabsichtigt ist, demselben Zweck zu dienen. W i r können hier keine konkurrierenden Auffassungen von Planung diskutieren, aber es gibt da noch eine simple Feststellung, die getroffen werden muß, bevor w i r die Rolle des Premierministers, des Kabinetts und ihrer Dienste diskutieren. Das Festlegen der Politik, eine noch geringere Form des Setzes von Prioritäten, ist nicht dasselbe wie die Koordination der Politik. Es gibt natürlich keine vorgeschriebene Definition dieser Begriffe, und es besteht kein Grund, über die Bedeutung dieser oder anderer Worte zu streiten. Es gibt jedoch zwei verschiedene Arbeitsgebiete, die sie brauchbar unterscheiden können. Unter der Festlegung der Politik verstehe ich die Ausarbeitung politischer Richtlinien. Dies kann einen Rahmenplan betreffs eines weiten Spektrums von Regierungstätigkeiten einschließen; eine Gruppe von interdependenten Zielen, ohne besondere Pläne für ihre Durchführung (ein „Regierungsprogramm" i m parteipolitischen Sinne); oder gar die Direktive für einen einzelnen Sektor. M i r geht es hier jedoch nicht um die A r t der Planung, sondern u m den, der die Richtlinien der Politik ausarbeitet. Der Kernpunkt hier ist, ob die Richtlinien der Politik auf irgendeine Weise vom Mitarbeiterstab des Premierministers oder einem von ihm abhängigen Büro, von der Struktur der Ministerien getrennt und ihr übergeordnet, ausgearbeitet — festgelegt — werden sollten.
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Unter Koordination der Politik verstehe ich die Koordination von Plänen aus verschiedenen Ministerien, ihre Abstimmung aufeinander und m i t den vorhandenen Mitteln, wenn nötig, durch Prioritätenentscheidung. Dies ist eher eine Funktion von Ausschüssen (Kabinettsausschüsse oder Ausschüsse aus Mitgliedern verschiedener Ministerien, vielleicht unter dem Vorsitz des Premierministers oder eines seiner Mitarbeiter), obwohl es auch die Funktion von Superministerien (dem Finanzministerium) sein kann, oder Arbeit i m Büro des Premierministers einschließen kann. Die Angelegenheiten können verschieden gehandhabt werden, abhängig davon, ob es sich um Probleme technischer Abstimmung zwischen sektoralen Programmen handelt oder Entscheidungen über Prioritäten, die die Zuteilung beschränkter M i t t e l betreffen. Der springende Punkt hier ist, daß die Substanz der (und vieles der Initiative zu den) Programme(n) eher von den einzelnen Ministerien, als vom Premierminister oder Kabinett herkommt. Anders gesagt, das Festlegen der politischen Linie beginnt v o n oben, während die Koordination der Politik einen Prozeß einschließt, der von unten beginnt. Es ist klar, daß dies eine Vereinfachung komplexer Sachverhalte ist. Offensichtlich ist auch, daß ich nur die beiden Enden eines Spektrums aufgezeigt habe. Insofern, als die Rolle des Premierministers betroffen ist, gibt es darüber hinaus noch eine dritte — m i t t lere — Position zwischen der Festlegung der Politik durch den Premierminister und der Koordination durch Kabinettsausschüsse: dort entscheidet der Premierminister zwischen kollidierenden Programmen, oder fällt eine endgültige Entscheidung über Programme, die i h m i m Licht politischer Erwägungen unterbreitet wurden. Obwohl er eine allgemeine Idee davon haben wird, worauf seine Regierung zusteuert, so ist es doch eher eine reaktive als eine initierende Rolle. Die jeweils auf dem oben beschriebenen Spektrum eingenommenen Positionen spiegeln vielleicht zwei unterschiedliche Umstände wider. Der erste besteht aus verschiedenen Auffassungen über die Durchführbarkeit von Planung als solcher und über die leistungsfähigste A r t und Weise, die Planungstätigkeit i n Angriff zu nehmen. Die gegenseitige Abstimmung von Sektorenprogrammen, die von spezialisierten Ministerien ausgearbeitet wurden (selbst wenn diese sich vom allgemeinen politischen Programm leiten ließen) ist offensichtlich ein bescheideneres Unterfangen als die vorangehende Ausarbeitung eines umfassenden Planes. Von größerer Relevanz ist hier, daß diese Positionen verschiedene verfassungsrechtliche Prinzipien widerspiegeln, die sich auf den Premierminister, das Kabinett und einzelne Minister beziehen, ihren angemessenen Rollen und ihren angemessenen Rollen untereinander. 11 Speyer 57
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Gleichzeitig werden sie w o h l ein unterschiedliches Mächtegleichgewicht zwischen ihnen und Unterschiede i m Gewicht ihrer entsprechenden administrativen Strukturen widerspiegeln. Ich trenne die verfassungsrechtlichen Prinzipien ganz bewußt von den anderen Erwägungen, weil, wie ich schon sagte, ein normatives Element einbezogen ist: den formalen Verfassungsprinzipien liegen verschiedene Philosophien zugrunde, wie die Regierung an ihrer Spitze organisiert sein sollte. I I . Die verfassungsrechtliche und politische Stellung des Premierministers I n vergleichenden Studien w i r d regelmäßig die Feststellung getroffen, daß die Stellung des Premierministers bei der Bestimmung der Regierungspolitik von einer Anzahl von Faktoren beeinflußt w i r d 2 . Ich schlage folgende Titel vor, unter denen sie analysiert werden können. Erstens gibt es da die verfassungsgemäße Stellung des Premierministers i n Beziehung zu seinem Kabinett. Relevant ist nicht nur die formale Verteilung von Macht i m Zusammenhang m i t dem Machen der Politik, sondern auch andere Vollmachten, wie die der Ernennung und Entlassung von Kabinettsministern und der Auflösung des Parlaments. Verfassungskonventionen — allgemein akzeptierte Normen, nach denen die Regierungsgeschäfte geführt werden — können i m britischen Kontext nicht ignoriert werden. Zweitens, die politische Konstellation. Sie hat zahlreiche Faceten: die Machtstruktur innerhalb der Partei des Premierministers und seine Beziehungen zu anderen führenden Kabinettsmitgliedern; seine Beziehungen zu der Partei i m Parlament wie i m Lande; seine Stellung gegenüber dem Parlament als einem Ganzen und der Wählerschaft außerhalb des Parlaments, das bemerkenswerte Ausmaß, i n dem er sich auf die „Personifizierung von Macht", wie sie von den Massenmedien geschaffen wird, stützt und das Ausmaß, i n dem er Wahlkampfstrategien bei politischen Entscheidungen berücksichtigen muß. Zusätzliche Faktoren tauchen i m Falle einer Koalitionsregierung auf. Drittens, personelle Faktoren. Diese umfassen seine Persönlichkeit, Führungseigenschaften und politischen Fähigkeiten; sein Prestige, welches er selbst geschaffen haben kann oder auch nicht; und seine eigenen Vorstellungen über die Rolle des Premierministers. Viertens, krisenabhängige Faktoren. Die Entscheidungsfreiheit des Premierministers kann leicht von zahlreichen, i m allgemeinen unvor2 z. B. K. von Beyme: Die parlamentarischen Regierungssysteme (Piper, 1970).
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hersehbaren Einschränkungen infolge von Krisen betroffen werden. Während diese die Regierung als Ganzes betreffen, nicht nur den Premierminister, so könnte es doch von Bedeutung sein, das Ausmaß, i n dem er persönlich m i t dem Krisen-Management i n Anspruch genommen ist, i n Betracht zu ziehen. Fünftens und letztens gibt es da den Apparat der Regierungsorganisation. Was der Premierminister t u n kann, hängt als eine notwendige, wenn auch nicht ausreichende Bedingung vom institutionellen Apparat und dem Mitarbeiterstab zu seiner Verfügung ab. I n der Aufzählung sollte das Gegengewicht der politikbestimmenden Strukturen, die nicht seiner persönlichen Kontrolle unterliegen, nicht vergessen werden. Es w i r d festgestellt werden, daß die meisten dieser Faktoren m i t der Zeit variieren. Das Ausmaß, i n dem der Führer einer Partei i n einer Koalitionsregierung dominieren kann, w i r d sich m i t Kräfteverschiebungen bei den Parlamentsparteien ändern. Nachfolgende Premierminister werden wahrscheinlich unterschiedliches Geschick i m Umgang m i t ihrem Kabinett, unterschiedliche politische Interessen, sogar unterschiedliche Konzeptionen ihrer Rolle haben. Die Verhältnisse verändern sich andauernd. Man braucht bloß zu betrachten, wie und warum die planende Rolle des Bundeskanzleramts aus anderen als technischen Gründen i n Deutschland modifiziert worden ist 3 . Oder, möglicherweise aus Krisengründen, aber auch, weil er ein neues Image seiner Rolle angenommen hatte, den veränderten Stil Harold Wilsons nach den Wahlen 1964 und 1974. Das Fehlen einer geschriebenen Verfassung macht die Diskussion der dem Premierminister verfassungsrechtlich übertragenen Rolle i n Großbritannien sehr schwierig. I n Deutschland ist die Lage ganz anders, wo, wie auch immer die politische Realität sein mag, die Verfassung allgemeine Prinzipien festlegt, auf etablierte Traditionen gegründet, und diese werden i n der Geschäftsordnung des Kabinetts weiter ausgearbeitet 4 . Es ist schwierig, die britische Verfassung zu ihren besten Zeiten zu definieren, und es ist besonders schwierig, irgendwelche formalisierten Prinzipien zu den Funktionen des Kabinetts und des Premierministers zu entdecken. I n bestimmter Hinsicht ist die britische Verfassung lediglich eine Beschreibung von akzeptierter Praxis, aber, wie w i r sehen werden, bringt sogar das Probleme m i t sich, da die Praxis i n den 3 Vgl. K. Dyson: „Planing and the Federal Chancellor's Office in German Government", Political Studies, September 1973. 4 Vgl. meinen Beitrag „Chancellor Government as a Political System and the German Institution", Parliamentary Affairs, Herbst 1966.
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schwindelnden Höhen des Premierministers und Kabinetts von geheimnisvollem Nebel umhüllt ist. Das wiederum führt uns zur Diskussion über die wirkliche Macht des Premierministers, ein ganz anderer Punkt, zu dem ich später zurückkehren werde. Gladstone sagte über den Premierminister: „Er verfügt über keine Vollmachten i m eigentlichen Sinne über seine Kollegen i m Kabinett." Die Wendung „ i m eigentlichen Sinne" geht i n gewisser Weise von falschen Voraussetzungen aus. Es ist allerdings sicher wahr, daß der Premierminister oder, was das betrifft, das Kabinett als Ganzes, legal m i t irgendhwelchen Vollmachten ausgestattet ist (Exekutivgewalt haben die Krone und die Ressortminister; Vollmachten bezüglich der Durchführung von Politik fallen nicht i n die Zuständigkeit des Gesetzes). Andererseits gibt es eine Reihe fester Gewohnheitsrechte, bemerkenswert sind sein Recht, seine Kollegen zu ernennen und entlassen (durch den Souverän), wie seine weitreichenden Vollmachten als Vorsitzender des Kabinetts, die weit über die eines Vorsitzenden i m eigentlichen Sinne hinausgehen. Es ist viel darüber gestritten worden, was i n Kabinettssitzungen vor sich geht, aber die Frage, ob der Premierminister „Erster unter Gleichen" ist oder „Vorgesetzter seiner Kollegen" ist zu einem gewissen Grad eine interne Angelegenheit. Uns interessiert i m Moment die Verfassungsdoktrin (unterschieden von den nicht-existenten Verfassungsgesetzen). Daß es wohl keine rechtliche Definition vom Premierminister und des Kabinetts geben wird, ist das eine; was vielleicht noch erstaunlicher ist, ist der Umstand, daß es Mehrdeutigkeiten bei den zugrundeliegenden Prinzipien gibt. Man kann m i t Recht behaupten, daß es zwei i n gewisser Hinsicht kollidierende Doktrinen gibt. Das erste Prinzip ist das der kollektiven Verantwortlichkeit des Kabinetts. Die klassische Feststellung des letzteren findet man i m Haidane Bericht, vor mehr als 50 Jahren veröffentlicht, aber noch viel zitiert 5 : „Die Hauptfunktion des Kabinetts kann man wie w i r glauben beschreiben als: (a) die endgültige Bestimmung der dem Parlament zu unterbreitenden Politik; (b) die oberste Kontrolle der nationalen Exekutive i n Übereinstimmung der vom Parlament vorgeschriebenen Politik; und (c) die kontinuierliche Koordination und Abgrenzung der Tätigkeiten der verschiedenen Ministerien." 8
Report of the Machinery of Government Committee (H. M. S. O., 1918).
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Man mag bezweifeln, ob das Kabinett diese Funktionen heute tatsächlich erfüllt, oder ob diese Äußerungen durch das Anwachsen der Macht des Premierministers einerseits und durch das Aufkommen eines ausgefeilten Ausschußsystems andererseits überholt worden sind. Sicherlich wahr bleibt, daß das Kabinett dem Parlament gegenüber für die Regierungspolitik kollektiv verantwortlich bleibt. Verantwortlichkeit bedeutet natürlich nicht notwendigerweise, daß das Kabinett die i n Frage kommenden Entscheidungen selbst fällt: es kann einfach bedeuten, daß Kabinettsmitglieder die politische Verantwortung für die Entscheidungen des Premierministers oder von Ausschüssen, denen sie nicht angehören, übernehmen muß. Dessen ungeachtet ist das britische Regierungssystem oft als „Kabinettsregierung" beschrieben worden und diese Beschreibung ist bedeutungsvoll. Obwohl man heute viel von einer Premierminister-Regierung redet und i n welchem Ausmaß das auch eine bessere Beschreibung der Tatsachen sein mag, so gibt es wahrscheinlich noch darunterliegend den festen Glauben bei Ministern und Parlamentariern, daß das Prinzip der Kabinettsregierung verfassunsgmäßig angemessen ist — und i n dem Ausmaß w i r k t dieser Aspekt der britischen politischen K u l t u r als Hemmnis der Institutionalisierung der Autorität des Premierministers. Man kann die verfassungsmäßige Stellung jedoch von einem anderen Gesichtspunkt betrachten. Birch t r i f f t die nützliche Unterscheidung zwischen zwei Aspekten der britischen Verfassung: dem „Westminster" und dem „Whitehall" Modell 6 . Die Westminster Theorie konzentriert sich auf die Verantwortung gegenüber dem Parlament. Die Whitehall Theorie unterstreicht die Tatsache, daß die Exekutivfunktion eigentlich der Krone übertragen ist. Man muß die Beziehung des Premierministers und des Kabinetts zum Souverän daher i n diesem Lichte sehen. Hier w i r d die Mehrdeutigkeit dann offenbar. Ein Standardlehrbuch 7 zum Verfassungsrecht sagt recht deutlich: „Es ist Brauch, daß die Königin i n allen Angelegenheiten vom Kabinett beraten wird. Als Kabinettsmitglieder beraten die wichtigsten Minister die Königin gemeinsam." Es gibt jedoch eine alternative Theorie, nach der der Premierminister der Berater der Königin und die einzige Verbindung zwischen ihr und dem Kabinett ist. Dies braucht wiederum nicht mehr zu bedeuten als das, was in den Kabinettssitzungen vorgeht; das Kräftegleichgewicht zwischen dem Premierminister und seinen Kollegen ist eher eine interne — politische — Angelegenheit, als eine Verfassungsrechtliche: die Annahme wäre, daß der Premierminister 6
A. H. Birch: The British System of Government (Allen & Unwin, 1967). H. C. S. W a d e & G . Philips: Constitutional Law (Longmans, zahlreiche Ausgaben seit 1931). 7
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das Kabinett 8 vertritt, wenn er Rat gibt. Sir Alec Douglas-Home verfolgte diesen Gedankengang viel weiter, als er als Premierminister sagte 9 : „Jedes Kabinettsmitglied ist i n gewissem Sinne Vertreter des Premierministers, sein Assistent. Es ist das Kabinett des Premierministers, und er ist die einzige Person, die der Königin gegenüber direkt verantwortlich ist für die Tätigkeit des Kabinetts." Dies mag eine persönliche Interpretation der Verfassung sein, aber die Position könnte kaum stärker vertreten werden. Die wirkliche Macht des Premierministers i n Beziehung zu seinem Kabinett und die persönliche Rolle, die er bei der Erstellung der Politik spielt, hängen von einer ganzen Reihe politischer, persönlicher und administrativer Faktoren ab. Die Doktrin der kollektiven Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament ist nichtsdestotrotz tief i m Denken von Hinterbänklern des Parlaments wie führenden Fraktionsmitgliedern verwurzelt. Ich betone dies nicht, w e i l dies der Ort ist, Verfassungsprinzipien zu erörtern, sondern w e i l dieses Denken einen praktischen Effekt hat. Welche Macht ein Premierminister auch immer ausübt, so ist man doch sehr zurückhaltend, die Praxis i n Prinzipien umzusetzen, und so w i r d jedem Gedanken an eine Erweiterung der Dienste, die dem Premierminister zur Verfügung stehen, zu so etwas wie einem Premierministerium zu erweitern, wahrscheinlich von emotionalen Schranken Einhalt geboten. Es gibt viele Gründe, warum nachfolgende Premierminister keine eigenen großen zielsetzenden und programmkoordinierenden Einheiten aufgestellt haben, aber der Umstand, daß dies eine zu deutliche Abweichung von der Idee der Kabinettsregierung darstellte, ist von Wichtigkeit. Interventionen des Premierministers bleiben demzufolge zum größten Teil eine Frage des persönlichen Einflusses, obwohl er i n zunehmendem Maße von einem kleinen Mitarbeiterterstab unterstützt wird, der deutlich unter dem Schirm eines Kabinettsbüros bleibt. Seif 1 0 hat dazu folgendes bemerkt: „ I n den letzten Jahren wurden einige Versuche unternommen, die dem Premierminister und Kabinett zur Verfügung stehenden M i t t e l zu stärken. Jedoch haben die Premierminister immer zurückgesteckt, wenn es zu dem Problem der Errichtung von Stabsabteilungen nach amerikanischem oder gar französischem Modell kam." Er illustriert dies an dem F a l l Harold Wilson, der sich vor der 64er Wahl m i t der Wirtschaftsplanung identifizierte und dessen Interesse dies auch offensichtlich war, der aber, als es zu diesem Problem kam, diese Funktion lieber einer neuen Abteilung anvertraute, 8
A. H. Birch. Observer, 16. Sept. 1962. 10 P. Self: Administrative Theory and Politics, (Allen & Unwin, 1972).
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als einer neuen direkt unter seiner Kontrolle befindlichen Einheit, wie man es hätte erwarten können. Über die tatsächlichen Vollmachten des Premierministers ist i n diesem Lande schon viel von Akademikern, politischen Autoren und Journalisten diskutiert worden. Es gibt inzwischen eine umfangreiche Literatur darüber, i n der eine Reihe kollidierender Positionen diskutiert werden 1 1 . Fundamentale Meinungsverschiedenheiten über die Realität der Situation lassen sich natürlich größtenteils m i t dem Fehlen „harter" Informationen erklären. Selbst die ansteigende Tendenz unter früheren Ministern, ihre eigenen Insider-Berichte 12 zu veröffentlichen, h i l f t überhaupt insofern nicht, als diese Berichte selbst i m Widerspruch miteinander stehen. Selbst wenn die Information umfangreicher und zuverlässiger wäre, so bliebe doch die Möglichkeit alternativer Interpretationen: wie hart die Daten auch sein mögen, sie wären nicht quantifizierbar und ihre Synthese bliebe lediglich eine Frage von Eindrücken. Ein Großteil der Diskussion u m eine Regierungsform i m „Präsidialstil" i n Großbritannien konzentriert sich auf die politische Führung des Premierministers, seine Überlegenheit gegenüber dem Kabinett, seine Kontrolle über seine Partei und seine starke Wirkung auf den Wähler. I m Laufe dieser Diskussion werden die Autoren vermutlich auch das Ausmaß berühren, i n dem er i n die Erstellung der Politik eingreift: Beispiele von Entscheidungen i m Alleingang oder Entscheidungen m i t einigen wenigen Kabinettsfreunden; Fälle, i n denen er sein Kabinett überfahren hat oder sich i n der Tat rücksichtslos darüber hinweggesetzt hat; Situationen, i n denen er persönlich zwischen verschiedenen Ressortministern als Schiedsrichter fungierte oder die Durchführung der Angelegenheiten selbst übernahm. Doch i m allgemeinen werden diese Beispiele als Beweis der Macht des Premierministers aufgeführt, und es gibt nur relativ wenige Analysen seiner kontinuierlichen Rolle i m alltäglichen Prozeß, i n dem Politik gemacht wird. Wenn sich das Interesse eher auf die Frage der politischen Macht als den Prozeß, i n dem Politik gemacht wird, als solchem, diesen Begriff i n einem eher technischen Sinne gebraucht, konzentriert, so kann das gut so sein, da Studien zu dem Premierminister eher von Politikern, politischen Journalisten und Politikwissenschaftlern unternommen worden sind, als von Verwaltungsexperten und Studenten der Verwaltungs11
Vgl. z.B. A. King (Hrsg.): The British Prime Minister (Macmillan, 1969), darin befindet sich die Diskussion zwischen J. P. Mackintosh und G. W. Jones; R. H. S. Crossman: Introduction to Bagehot's The English Constitution (Watts, 1964); H. Berkeley: The Power of the Prime Minister (Allen & Unwin, 1968); P. Gordon Walker: The Cabinet (Cape, 1970). 12 I n den letzten Jahren z.B. Brown, Butler Crossman, Gordon Walker, Macmillan, Wigg und Wilson.
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Wissenschaften. Es kann aber auch so sein, w e i l die Rolle des Premierministers i n Wirklichkeit relativ beschränkt ist. Wie groß seine Macht über seine Kollegen, wie gewichtig seine Stimme i m Kabinett auch sein mögen, wie oft er auch persönlich i n Entscheidungen eingreifen mag, so erscheint die Ausübung seiner Macht eher entweder reaktiv (und i n dem Ausmaß auf einzelne Fälle beschränkt) oder auf das Setzen sehr weitgefaßter Leitlinien eingeengt (vielleicht auch dies nur bezüglich einzelner Fälle). I n all diesem sind, wie ich schon erwähnte, persönliche Faktoren sehr wahrscheinlich von Bedeutung. Es hat sich nicht viel geändert, seit Asquith gesagt hat: „Das A m t des Premierministers ist das, wozu es sein Inhaber zu machen sich entschlossen hat." Selbst wenn man gewisse Trends berücksichtigt (z.B. die „Personifizierung von Macht" durch die Massenmedien, oder das Wachstum von bestimmten Formen zentraler politischer Planung), so ist dieser personale Faktor doch zu jedem Zeitpunkt noch von Bedeutung. Dies ist nicht nur eine Frage von persönlicher Autorität und politischen Fähigkeiten; es hängt ebenso von der Auffassung ab, die der Premierminister von seinem A m t hat. Diese beiden Dinge sind nicht notwendigerweise identisch: i n der Tat kann es eine K l u f t zwischen seiner Konzeption und seinen Fähigkeiten geben. Der Stil aufeinanderfolgender Premierminister war aus diesen beiden Gründen recht unterschiedlich. Harold Wilson war vermutlich der erste, der sich einige Gedanken über die Implikationen seines Konzeptes der Rolle des Premierministers für den Regierungsapparat gemacht hat. Daher rührt sein vielzitiertes Wort, daß No. 10 Downing Street das „ K r a f t w e r k der Regierung" 1 3 werden sollte. Die Frage hier i m Moment gilt der Grundlage der Macht des Premierministers. Viel Bedeutung wurde seiner Macht beigemessen, M i nister nach eigenem Gutdünken zu ernennen und zu entlassen, die Geschäfte des Kabinetts und dessen Ausschußsystem zu organisieren, für das Kabinett zu entscheiden, was dessen Beschlüsse sind. Selbstverständlich ist das abhängig von seiner Fähigkeit, über seine Kollegen zu dominieren, von der Loyalität seiner Partei und seinen Beziehungen zum Wähler, genauso wie seinen politischen Fähigkeiten. Dies ist nicht der Ort, kollidierende Meinungen über seine Macht vom Standpunkt dieser Faktoren zu diskutieren. Ich w i l l nur einfach sagen, daß sein Eingreifen i n den Ausarbeitungsprozeß der Politik weniger abhängig ist von der Regierungsmaschinerie, ob institutionell oder verfahrensmäßig, als von einer Reihe von engen persönlichen Beziehungen zu seinem Kabinettskollegen, zu seiner Partei i m Parlament und der Partei i m ganzen Land, m i t dem Parlament selbst, m i t einzelnen Gruppen, der 18
Vgl. sein Radio-Interview mit N. Hunt, auch in A. King, op. cit.
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Presse, dem Fernsehen und der Öffentlichkeit i m allgemeinen sowie zu seinem persönlichen Mitarbeiterstab und zu leitenden Beamten i n anderen Ministerien. Es gibt zweifellos politische Sphären, i n denen der Premierminister die Initiative ergreift und mehr als eine nur schiedsrichtende Funktion ausübt. Hier wiederum sind persönliche Präferenzen und der Druck der Ereignisse von größerer Bedeutung als irgendeine Doktrin über seine eigentlichen Verantwortlichkeiten. Er w i r d wahrscheinlich sein Hauptinteresse aktuellen, politisch empfindlichen Bereichen zuwenden und die Politik der Ministerien nach Berücksichtigung des Wählerwillens ausbalancieren; er mag sich auch als Vermittler i n bestimmten Krisensituationen gefallen — so Harold Wilsons Rolle i n gewissen industriellen Streitigkeiten. Es kann auch Gebiete der Politik geben, die für ihn von größerem und anhaltendem Interesse sind als andere. Dies war traditioneller Weise so m i t der Außenpolitik und ist auch heute noch der Fall. Abgesehen von persönlichen Präferenzen, macht der anwachsende Gebrauch von Gipfelkonferenzen der einen oder anderen A r t dies unweigerlich zu der Funktion eines Staatsoberhauptes. Die Lage ist weniger klar i m Hinblick auf die Wirtschaftspolitik und, etwas spezifischer, die wirtschaftliche Planung. Da besteht ohne Zweifel ein wachsendes Interesse von Seiten des Premierministers, unabhängig von Person oder Partei. Aber nur relativ wenig ist bekannt über die Methoden oder gar das Ausmaß seines Eingreifens — wieder, weil ein solches Eingreifen eher persönlich als institutionalisiert ist. I I I . Die Regierungsmaschinerie und der Entstehungsprozeß der Politik Was auch immer die verfassungsmäßige Stellung des Premierministers ist, wie auch immer seine politischen und persönlichen Stärken, letzten Endes ist das Ausmaß, i n dem er — sollte er es wollen — eine effektive Rolle bei der Zielbestimmung und politischen Koordination spielen kann, abhängig von dem i h m zur Verfügung stehenden Apparat. M i t effektiver Rolle meine ich hier zwei Dinge. Erstens ist sie eher initiativ als reaktiv, beinhaltet demzufolge ziemlich viel Stabsarbeit. Zweitens ist sie eher überdauernd als auf einzelne Fälle beschränkt, m i t anderen Worten, routiniert, und verlangt daher ebenfalls institutionelle Arrangements. Es ist offensichtlich, daß i n allen Ländern der Premierminister über irgendeine A r t persönliches Büro verfügt und es ein Kabinettsbüro unter einer Kontrolle geben wird. Für die A r t der Zielbestimmungsund Programmkoordinationstätigkeiten, wie w i r sie uns hier vorstellen, würde man jedoch eher etwas umfangreichere institutionelle Struktu-
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ren als diese erwarten. Die Organisation dieser Strukturen w i r f t eine fast endlose Reihe von Fragen auf. Ein deutlicher Gesichtspunkt ist, daß wenn ein Büro des Premierministers beabsichtigt, eine Hauptrolle bei der Ausarbeitung der Politik zu spielen, seine Effektivität nicht nur von den eigenen organisatorischen Strukturen abhängig ist, sondern auch vom Fehlen fest verwurzelter institutioneller Konkurrenten. Während alle Finanzministerien bei der Planung der Ausgaben und somit bei der Prioritätensetzung, einen besonderen Status genießen, ist die Stellung des Britischen Schatzamtes besonders bemerkenswert. Ein starkes Büro des Premierministers kann auch ein schwaches System von Kabinettsausschüssen implizieren. Diesen Aspekt stellte Johnson heraus, als er zum Beispiel die relativ schwache Stellung des Büros des britischen Premierministers i m Vergleich zum deutschen Bundeskanzleramt m i t den Verschiedenheiten i n den beiden Kabinettssystemen, insbesondere dem gut funktionierenden System koordinierender Ausschüsse i n England i n Verbindung bringt 1 4 . Dies w i r f t die Frage auf, wo die zentrale Planungsfunktion tatsächlich am besten angesiedelt wird. Es sind viele verschiedene Arrangements möglich. Sie kann dem Büro des Premierministers zugeteilt werden; sie kann in das Finanzministerium integriert werden; oder es kann ein separates Planungsministerium eingerichtet werden. Ein A r gument für eine der beiden ersten Lösungen ist die Notwendigkeit, sektorale Interessen der Ressorts und vielleicht selbst des Kabinetts auszugleichen, wo dies zu einer „Versammlung von Interessen" wird. Man kann den F a l l auch von dem Standpunkt aus diskutieren, daß bürokratische Rivalitäten zwischen Abteilungen vermieden werden müssen, die vermutlich sogar ein nicht-ressortzugehöriges Planungsministerium hervorbrächte. Eine weitere Erwägung w i r d vermutlich sein, inwieweit die Erfordernisse aktueller Politik langfristige Planungsperspektiven überwiegen. Insoweit als Wählermanipulation und Krisenmanagement wichtige Determinanten darstellen, sind dies Funktionen des Premierministers und des Kabinetts, und eine Planungstätigkeit, die m i t diesen nicht eng verbunden wäre, fände sich mit einer intellektuellen, von der Praxis geschiedenen Tätigkeit befaßt. Dagegen mag man das Argument halten, daß ein gewisser Grad von Isolation wünschenswert ist, wenn umfangreiche Perspektiven i n der Analyse der politischen Entscheidungsmöglichkeiten ernsthaft behandelt werden sollen, die politischen Entscheidungen jedoch werden gleich anschließend getroffen. 14 N. Johnson: Government in the Federal Republic of Germany (Pergamon, 1973).
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Schließlich kann man noch die Frage des politischen und administrativen Gewichts angehen. Wenn die Planung mehr als die Funktion einer wirtschaftlichen und politischen Beratung haben soll, wenn Zielsetzung Direktiven an ausführende Abteilungen einschließen soll und Koordination mehr als gegenseitiges Einverständnis zwischen Mitgliedern interministerieller Ausschüsse, dann muß das entsprechende A m t das Gewicht der Autorität hinter sich haben. Dies bedeutet wahrscheinlich die Autorität des Premierministers. Nicht nur, daß der Premierminister die stärkste Persönlichkeit i n der Regierung ist: Verfechter der Kabinettsregierung mögen das bezweifeln. Der springende Punkt ist, daß das Kabinett sich selbst i n einer unklaren Position befindet, da die Kabinettsminister die Interessen verschiedener Ressorts vertreten. Dies sind jedoch allgemeine Gesichtspunkte. Hier sind w i r zu allererst an der britischen Situation interessiert, an den Diensten, die dem britischen Premier-Minister zur Verfügung stehen und den Funktionen, die sie ausüben. Die Dienste sind der Zahl nach begrenzt; und die Funktionen, obwohl von Bedeutung, der Reichweite nach. Es mag triftige Gründe für ein „Premierministerium" i m Unterschied zu einem „Büro" geben (diese beiden Begriffe markieren die Enden eines Spektrums, i n dem man Ämter z. B. eher entsprechend ihrer Größe und dem Ausmaß ihrer Tätigkeitsbereiche als nach dem Mitarbeiterstab und Funktionen plazieren kann). I n England w i r d dies jedoch von Verfassungsgrundsätzen, politischen Einwänden, fest begründeter Ausschußsysteme und bestehenden Strukturen der Ministerien verhindert. Nach der Untersuchung der politischen Rolle des Premierministers beschäftigt sich ein Lehrbuch m i t dem „Premierminister als A d m i nistrator": „Für den Premierminister bestehen keine anderen Möglichkeiten als Vorsitzender von Ausschüssen und Schiedsrichter bei Streitfällen zu sein." Dies ist zweifellos eine Unterteilung, aber das Buch fährt fort, und darauf w i l l ich hinaus: „Man nennt den Premierminister oft einen Koordinator. Dies ist nur i n begrenztem Ausmaß wahr. Ein echter Koordinator ist Herr über die Arbeit aller Ministerien und modifiziert vorgelegte Vorschläge um ein allgemeines Ziel zu fördern." Ich sagte schon, daß Schiedsrichten keine Koordination darstellt. Noch weniger natürlich ist Koordination eine Tätigkeit auf derselben Ebene wie die Festlegung der Politik. Daß der Premierminister eine wichtige Rolle bei der Bestimmung von Zielen und der Programmkoordination aufgrund seines Vorsitzes i m Kabinett und i n bestimmten Kabinettsausschüssen besitzt, braucht nicht erwähnt zu werden. Es ist ebenfalls zutreffend, daß das Kabinett und seine Ausschüsse ein recht geeignetes M i t t e l zum Umgang mit diesen Problemen sein können. Ich w i l l mich hier m i t keinem der beiden Ge-
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sichtspunkte beschäftigen. Diskussionsgegenstand ist die Rolle des „Premierministers als Administrator", also eine Persönlichkeit, die aus eigenem Recht Politik macht, nicht als Vorsitzender (irgendwelcher Ausschüsse, Anm. d. Übers.). Um es noch genauer zu sagen: es geht m i r hier mehr u m den institutionellen Apparat i n seiner Verfügung als um Regierungsausschüsse. I m Grunde genommen bestehen die dem Premierminister zur Verfügung stehenden Dienste aus denen des Kabinettsbüros, ein Begriff, der mehr oder weniger austauschbar m i t dem des Kabinettssekretariats gebraucht wird, obwohl man m i t der Feststellung, daß das letztere einen Teil des ersteren bildet, eine zutreffendere Beschreibung der Funktionen erreichen könnte. Zu dem Kabinettsbüro gehört auch der „Zentrale Stab zur Überprüfung der Politik". Darüber hinaus verfügt der Premierminister über ein Privatbüro. Bevor w i r uns der Diskussion des Kabinettsbüros zuwenden, ist es vielleicht am einfachsten, zwei neuere Beschreibungen von Jones und Seif zu betrachten. Es w i r d deutlich werden, daß sogar i n diesen kurzen Abschnitten verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. Das erste Zitat ist von Jones: „Das Kabinettsbüro war, obwohl es dem Kabinett als ganzem und nicht dem Premierminister allein dient, schon immer eine wichtige Quelle von Rat und Unterstützung für den Premierminister und ein Schlüsselmechanismus, der i h n m i t den Ministerien verbindet. Es hat sich mittlerweile i n Bezug auf Umfang und Aufgabenbereich stark ausgedehnt, u m nun das Nervenzentrum der britischen Regierung zu sein. Es unterstützt den Premierminister bei der Aufstellung der Tagesordnung für das Kabinett, bearbeitet Vorlagen der Ministerien, führt das Protokoll der Kabinettssitzungen, hält dessen Entscheidungen fest, gibt sie an die Ministerien weiter und versucht, ihre Einhaltung sicherzustellen. Es dient ebenfalls als allgemeiner Koordinator der Regierung, der „neutrale" Vorsitzende und Sekretäre für zahlreiche offizielle interministerielle Ausschüsse stellt und auch Kabinettsausschüssen zur Verfügung steht. Bei Themen, die mehr als ein Ministerium betreffen, bereitet es Kurzinformationen vor, die von Mitarbeitern, die sich auf politische Fachgebiete, wie Wirtschaftsangelegenheiten, Sozialoder Überseepolitik, spezialisiert haben, aufgestellt werden. Das Kabinettsbüro ist der Sitz einer Reihe von koordinierenden Dienststellen und Missionen. Außen, Verteidigungs- und Militärpolitik werden heute auf den höchsten Ebenen durch einen Kabinettsausschuß integriert. Er behält einen Überblick über die Wirtschaftspolitik und unterstützt damit den Premierminister. Es (das Kabinettsbüro, Anm. d. Übers.) beherbergt das inzwischen stark erweiterte Zentrale A m t für Statistik.
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Es beherbergt auch den Obersten Wissenschaftlichen Berater, dessen Mitarbeiterstab i m letzten Jahrzehnt ebenfalls angewachsen ist. Seit 1970 ist es die Heimat des „Zentralen Stabes zur Überprüfung der Politik", der für strategische politische Konzepte und die Durchführung spezieller Projekte zur Analyse von Politik auf problematischen oder kritischen Gebieten verantwortlich ist. A u f diese Weise ist das Kabinettsbüro strategisch so plaziert, daß es den gesamten Bereich des politischen Geschäfts abdeckt. Seine Verantwortlichkeiten spiegeln die des Kabinetts wider. I m Laufe der vergangenen zwanzig Jahre hat sich das Kabinettsbüro bezüglich seiner Größe und seines Verantwortungsbereichs ausgedehnt. 1950 bestand der leitende Beamtenstab des Büros aus einem ständigen Staatssekretär, einem Deputy Secretary, einem Under Secretary, drei Assistant Secretaries und sieben Principals. 1972 bestand der leitende Beamtenstab des Kabinettsbüros aus einem Permanent Secretary, einem Second Secretary, fünf Deputy Secretaries, sechs Under Secretaries, zehn Assistant Secretaries und vierundzwanzig Principals. Fügt man die Sonderbeamten hinzu, werden daraus fünf i m Rang des Permanent Secretary, sieben Deputy Secretaries, elf Under Secretaries und sechzehn Assistant Secretaries. Die Politik sowohl Mr. Wilsons wie auch Mr. Heaths, ,die zentrale Maschinerie der Koordination zu stärken 4 w i r d i n dieser Ausweitung deutlich 1 5 ." Das zweite Zitat stammt von Seif: „Das Kabinett i m allgemeinen und der Premierminister i m besonderen verfügen über die Unterstützung durch den Mitarbeiterstab des Kabinettssekretariats. Da der Arbeitsumfang der Koordination zugenommen hat, wurde das Sekretariat ausgebaut und das Arrangement, daß derselbe Beamte Permanent secretary des Schatzamtes und Staatssekretär des Kabinetts war, wurde 1962 aufgelöst. Nichtsdestotrotz ist der Umfang des Kabinettssekretariats, selbst wenn man die persönlichen Mitarbeiter des Premierministers hinzurechnet, sehr gering, wenn man es m i t dem amerikanischen Präsidenten oder dem französischen Premierminister vergleicht. Die Aufgaben des Sekretariats bleiben ebenfalls begrenzt. Seine Hauptaufgabe ist die Aufgabe, die Vorgänge des Kabinetts selbst zu unterstützen und die komplexe Regelung von Kabinettsausschüssen. Obendrein hat das Kabinettssekretariat die wichtige Aufgabe, diese umfangreiche Koordinationstätigkeit abzurunden und dafür zu sorgen, daß „Kabinettsbeschlüsse", (welche die Entscheidungen aller von i h m abhängigen Körper umfaßt) ordnungsgemäß verstanden und zur Kenntnis genommen werden. Wie auch immer, das Sekretariat ist keine Kontroll- oder Vollzugsbehörde 15 G. W. Jones: „The Prime Ministers' Advisors", Political Studies, September 1973.
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— diese Aufgabe liegt bei den Ministerien — auch ist es kein Instrument zur Formung der Politik. Politische Ziele und Pläne entwickeln sich i n den Ministerien i m Rahmen der allgemeinen, vom Kabinett festgelegten, Strategie. Insgesamt hat diese Strategie einen weitgefaßten politischen Charakter und schließt i n der Regel keine detaillierte Analyse möglichen politischen Vorgehens und möglicher Pläne durch das Sekretariat ein. Das Sekretariat nimmt eine Zwischenposition zwischen den beiden Hauptorten, an denen in der britischen Regierung Politik gemacht wird, ein, nämlich der Partei- und Ministerialpolitik 1 6 ." Theoretisch ist das Kabinettssekretariat genau das, was sein Name impliziert. Es organisiert die Arbeit des Kabinetts und überwacht die Durchführung seiner Entscheidungen. Logischerweise ist es daher dem Kabinett verantwortlich. Oder, besser gesagt, m i t den Unklarheiten der englischen Verfassung, ist das die Theorie. Es ist deutlich, daß es i n der Praxis selbst als Sekretariat (und w i r haben gesehen, daß das Kabinettssekretariat andere Aufgaben erfüllt) sein Personal der direkten Kontrolle des Premierministers unterstellt hat. Während seine Beamten dem Kabinett dienen und sogar m i t einzelnen Ministern zusammenarbeiten, wenn die Situation es erfordert, kann man sie dennoch nicht realistisch als ihre Untergebenen i m Sinne einer Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung (z. B. i n der Befehlshierarchie) bezeichnen. I h r Vorgesetzter ist der Premierminister, genauso, wie andere Minister die Leiter ihrer Ministerien sind. Kabinettsauf gaben sind jedoch nur ein Teil der Pflichten des Kabinettsbüros. Seine Mitarbeiter beraten den Premierminister auch zu der allgemeinen Regierungspolitik und den Bereichen, an denen er besonderes Interesse findet (manchmal i n Verbindung m i t leitenden Beamten von anderen Ministerien). Der Umstand, daß der Premierminister sich zu seiner Beratung i n einem so großen Ausmaß auf das stützt, was noch formal als Kabinettssekretariat beschrieben wird, ist i m Lichte dessen, was ich zuvor über die Zurückhaltung bei der Einrichtung eines Premierministeriums gesagt habe, nichtsdestoweniger bedeutsam. Aber es ist auch i n einem praktischeren Sinne bedeutsam. Wie groß auch immer der A n t e i l seiner Arbeit sein mag, die man heute zu Recht die eines Sekretariats nennen kann, diese war sein Ursprung und für lange Zeit seine Hauptfunktion — und während das Büro vielleicht erweitert wurde, u m anderen Ansprüchen gerecht zu werden, ist es nicht so einfach, seinen Charakter zu ändern. Ein Insider beschreibt es als „einen komplizierten und leistungsfähigen Körper, aber eher m i t der reibungslosen Durchführung von Entscheidungen beschäftigt als mit ihren 16
P. Seif, op. cit.
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politischen Inhalten" — daher „ist Sekretariat die zutreffende zeichnung" 17 .
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Be-
U m seiner Auffassung ein Gegengewicht hinzuzufügen, könnte man Harold Wilson zitieren, daß das Kabinettssekretariat als das private Ministerium des Premierministers fungiert: „Sein Mitarbeiterstab ist auch mein eigener Mitarbeiterstab. Der Ständige Staatssekretär des Kabinetts berät mich nicht nur i n den Kabinettsgeschäften, sondern auch zu der allgemeinen Durchführung der Regierungsgeschäfte soweit Verfahrensfragen betroffen sind 1 8 ." I n dieser Hinsicht ist das Kabinettssekretariat i n der Tat i m Laufe der letzten Jahre durch die Hinzufügung leitender Beamten, die bestimmte politische Bereiche bearbeiten sollen (einige werden von anderen Ministerien unterstützt), und der Hinzufügung einiger akademischer Wirtschaftsexperten zu seiner W i r t schaftsabteilung geworden. Wenn all dies so aufgeführt wird, darf man jedoch die Möglichkeiten eines solch kleinen Körpers nicht übertreiben. Die Beratung des Premierministers bei der allgemeinen Durchführung der Regierungsgeschäfte, selbst zu politischen Problemen, m i t denen er sich laufend beschäftigen muß, ist nicht dasselbe wie ein effektives Festlegen der Politik i n dem Sinne, wie ich es am Anfang dieses A b schnittes definiert habe. Nach der Wahl 1964 verstärkte Harold Wilson die Hilfsmittel des Premierministers, indem er das Kabinettssekretariat vergrößerte; i m Dezember 1970 war es Edward Heath, der den „Zentralen Stab zur Überprüfung der P o l i t i k " 1 9 einrichtete. Der theoretische Hintergrund dessen war der, daß der Premierminister und das Kabinett mehr Gutachten i n den Techniken der politischen Analyse brauchten, u m ihre Ziele zu setzen und zu überwachen, Programme der Ministerien zu überprüfen und zwischen Vorlagen der Ministerien zu entscheiden. Eine kleine Gruppe von politischen und wirtschaftlichen Beratern wurde dem Kabinettssekretariat angefügt, obwohl sie i n ihrer Arbeitsweise recht unabhängig ist. Der C. P. R. S. scheint eher dem Kabinett als dem Premierminister als solchem zu dienen. Dies ist die offizielle Doktrin und w i r d auch von Insidern verfochten (z. B. „ K l i e n t seiner Tätigkeiten ist das Kabinett als Ganzes" 20 ) und scheint der Realität zu entsprechen. Dies ist der Fall, da seine Aufgaben nicht so sehr die Beratung des Premierministers oder gar einzelner Minister bezüglich des Verfahrens i n 17 G. Plowden: „The Role and Limits of a Central Planning Staff in Government", Public Administration Bulletin, Juni 1974. 18 Interview mit N. Hunt, loc. cit. 19 I m Folgenden C. P. R. S. + Central Policy Review Staff abgekürzt, Anm. d. Übers. 20 G. Plowden, loc. cit.
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aktuellen Angelegenheiten sind, als vielmehr das Kabinett mit Hintergrundinformationen zu versorgen, was die Alternativen langfristiger Politik und ihre Implikationen betrifft — Angelegenheiten, die notwendigerweise über die Grenzen einzelner Ministerien hinausreichen. Der C. P. R. S. bedarf hier keiner ausführlichen Beschreibung. Einige Punkte können jedoch von Relevanz sein. Erstens, dieser Stab ist sehr klein, ob nach dem Maßstab solcher Einheiten i m allgemeinen oder i m Vergleich zu den Mitteln einzelner Ministerien bewertet. Zweitens, er hat reine Stabsfunktionen ohne jedes Element von Sachgebietsfunktionen, über die die meisten höheren ministeriellen Berater verfügen. U m den Insider nochmal zu zitieren: es ist „ein rein beratender Körper, der Eingaben i n den Prozeß der Erstellung der Politik bereitstellt, kein quasi-exekutiver Körper, der eigentlich i m Namen und mit der Unterstützung eines höchsten Entscheidenden handelt". Er schränkt dies jedoch ein, indem er hinzufügt, daß genauso, wie das Kabinettsekretariat dafür verantwortlich ist, sicherzustellen, daß die Ministerien Kabinettsentscheidungen formal durchführen, der C. P. R. S. ein Interesse daran hat, seine wesentlichen Auswirkungen i m Verlauf des administrativen Prozesses zu überwachen — und i n diesem Umfang seine Mitarbeiter an Tätigkeiten i m Zusammenhang m i t einzelnen Sachgebieten als „Diskussionspartner" beteiligt werden können. Der C. P. R. S. wurde zum Teil deshalb eingerichtet, weil kabinettspolitische Entscheidungen i n Isolation gefällt wurden, m i t nur wenig Kenntnis ihrer Auswirkungen auf andere Bereiche der Politik (um fair zu sein, sollte hinzugefügt werden, daß dies sowohl durch den Druck der Ereignisse, wie durch das Fehlen analytischer Quellen geschah). Er war auch eingerichtet worden, w e i l es innerhalb der Regierung keine Einheit gab, die man fragen konnte „wohin gehen w i r und wohin wollen w i r gehen"? (um wiederum fair zu sein, war dies traditioneller Weise eine Sache der politischen Parteien). Aber man sollte nun nicht folgern, und dies ist ein dritter Aspekt und i n gewissem Sinne der wichtigste, daß der C. P. R. S. eine umfassende oder gar systematische Planungstätigkeit durchführt: er informiert die Regierung zu einer Reihe von Problemen, die i h m aus dem einen oder anderen Grund zur Kenntnis gebracht wurden. Damit versucht der Stab zweifellos die Minister bei der Entwicklung einer „gemeinsamen Strategie" irgendwelcher A r t zu unterstützen, aber er kann keinen Gesamtplan für die 80er Jahre anbieten. Schließlich sollte noch ein Wort zum privaten Büro des Premierministers i n No. 10 Downing Street gesagt werden. Es ist notwendig, dies i n der richtigen Weise vom Kabinettsbüro abzugrenzen. Offiziell ist das Privatbüro, obwohl es nicht mehr als das ist, Teil des Schatz-
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amtes: der Premierminister ist natürlich auch Erster Lord des Schatzamtes, und dieses Arrangement ist ein weiteres Anzeichen für die Tatsache, daß der Premierminister als solcher keine formalen Befugnisse über seinen Kabinettsvorsitz hinaus hat. Der sehr kleine Mitarbeiterstab, unter der Leitung eines Ersten Privatsekretärs (im Unterschied zum Ständigen Staatssekretär des Kabinetts), befriedigt die persönlichen Bedürfnisse des Premierministers. Zu diesem Punkt bietet Jones eine Zusammenfassung: „1972 bestand das Privatbüro aus einem Principal Private Secretary i m Rang eines Under Secretary, einem Mitglied des Außenministeriums i m Rang eines Assistant Secretary, einem Assistant Secretary für innenpolitische Angelegenheiten, zwei Principals für innenpolitische und Parlamentsangelegenheiten und einem Mitglied i m Rang eines Assistant Secretary, etwas abseits von den anderen, als Sekretär für Berufungen, meist kirchlicher Natur und für Auszeichnungen. Die Funktionen des Privatbüros haben sich i n diesem Jahrhundert wenig verändert. Es führt das Tagebuch des Premierministers, informiert ihn zu aktuellen Problemen und bildet die Verbindung zu den Ministerien. Es teilt den Ministerien die Ansichten des Premierministers m i t und sammelt Anzeichen für Vorgänge innerhalb der Ministerien, u m sie i h m wiederum mitzuteilen. Es unterstützt i h n bei der Ausübung seiner parlamentarischen Pflichten, Bearbeitung der Parlamentsanfragen, Vorbereitung seiner Reden und Erklärungen und behält i m allgemeinen die politischen Entwicklungen und Meinungstendenzen i m Auge. Es ist das Zentrum seiner Korrespondenz und des unaufhörlichen Stroms von Papieren zu und von No. 10 Downing Street 2 1 ." Die Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Kabinett und Privatbüro muß recht unscharf sein, besonders wenn der Premierminister Berater i n No. 10 Downing Street bringt. Demzufolge ist auch die Unterscheidung zwischen den beiden i n der Diskussion so unscharf. Als Harold Wilson sagte, er werde No. 10 zum Kraftwerk machen, zum Beispiel, blieb es unklar, welches Büro er i m Sinn hatte: nur einige wenige Sätze später erklärte er, daß es das richtige sei, daß Kabinettssekretariat auf seine angemessene Stärke zu bringen. Dies scheint wieder zu zeigen, daß die Funktionen des Premierministers nicht leicht von denen des Kabinetts zu trennen sind: soweit, als er ein koordinierender Superminister sein soll, ist er das, w e i l er der Vorsitzende des Kabinetts ist. W i r dürfen uns auf Seif 2 2 stützen, um diesen Abschnitt sinnvoll abzuschließen: „Das britische System schließlich spart am Umfang der Un21 22
G. W. Jones, loc. cit. P. Seif, op. cit.
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terstützung durch Mitarbeiterstäbe, die es politischen Führungskräften, selbst dem Premierminister, zur Verfügung stellt. Dies spiegelt zum Teil die starke Stellung des regulären Beamtenapparats als Berater der Ministerien, die Ansicht, daß Minister vorübergehende Leiter überdauernder Organisationen sind und ein Mißtrauen gegenüber politischen Formen von Mitarbeiterstäben wider. Aber das System spiegelt auch das beharrliche Fortbestehen der starken Tradition von horizontaler Koordination zwischen Ministerien und die eher allgemeinen als spezifischen Aufgaben der Koordination, m i t denen der Premierminister betraut ist, wider. Soll der Premierminister Politik i m Detail machen, muß er sich Hilfsmittel von Ministerien ausleihen oder sie bewilligen, wie es manchmal m i t dem Außenministerium geschieht, aber nur selten anderswo. Demzufolge vermeidet das System die Fehlfunktion, den Premierminister m i t einem größeren Gewicht von direkter personeller Verantwortung zu belasten, als er begreiflicherweise tragen könnte." I V . Schlußbetrachtung
Eine Reform des Regierungsapparates m i t dem Ziel, Zielsetzung und Koordination von Politik zu verbessern, darf nicht nur die zahlreichen von m i r angeführten Faktoren dieses Zusammenhanges i n Betracht ziehen, sondern muß auch von einem Konzept davon ausgehen, welche A r t der Planung wünschenswert und durchführbar ist. U m i n diese Diskussion einzutreten, bedürfte es eines ganz anderen und viel längeren Artikels. I n gewissem Sinne sind Beurteilungen dieser Angelegenheit nicht Aufgabe des Studenten der administrativen Institutionen: seine Aufgabe ist es, Ratschläge zu institutionellen Techniken und logisch daraus folgend zu Vorschriften bezüglich des aufzunehmenden Planungsprozesses zu geben, obwohl er dann möglicherweise davor warnen wird, daß aus institutionellen Gründen bestimmte Prozesse wahrscheinlich nicht erfolgreich sein werden (seine Stellung ist, mit anderen Worten, ähnlich der des Architekten i n der Beziehung zu seinem Kunden). Einige Kommentare mögen jedoch angebracht sein. Lassen Sie mich m i t einer Auffassung von Planung beginnen, die Plowden, ein Mitglied des C. P. R. S. 23 , geäußert hat, denn sie ist eine A r t Leitlinie zum Verständnis der derzeitigen Arrangements i n England. Nur eine begrenzte Form der Planung ist möglich. Dessen ungeachtet muß eine gewisse Definition von langfristigen Zielen versucht werden, eine allerdings eher kontinuierliche als einmalige Tätigkeit, bei der die Ziele fortlaufend i m Lichte der veränderten Situationen, des veränderten Kenntnis28
G. Plowden, loc. cit.
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standes (Rückkoppelung) und der allerdings sich ändernden politischen Ansichten neu bewertet werden müssen. E i n Großteil des Inputs i n diesen Prozeß sollte von außerhalb der alltäglichen exekutiven Maschinerie kommen, sei es nur u m sicherzustellen, daß die Diskussion nicht unzulässig begrenzt w i r d von denen, die ein Interesse an etablierten politischen Verfahrensweisen haben oder m i t sektoralen Interessen drängen. (Ein großer Teil dieses Inputs, hätte er hinzufügen können, w i r d vermutlich insgesamt von außerhalb des Regierungsapparates kommen, von politischen Parteien und anderen Verfechtern von Reformen). Während Politik i n der Praxis nur durch Zuwachs am Rande modifiziert w i r d und das aus guten Gründen, ist es vernünftig, i n jedem Stadium das theoretisch mögliche Spektrum an Alternativen i n Erwägung zu ziehen und diese i n Hinsicht auf ihre wahrscheinlichen Konsequenzen für den gesamten —existenten und vorgeschlagenen — Bereich der Politik, mit dem die Regierung beschäftigt ist, zu analysieren. Dann können Entscheidungen mit einigem Bewußtsein ihrer weiteren I m p l i kationen gefällt werden. Plowden ist der Auffassung, daß ein solcher Ansatz besonders relevant ist für ein Kabinettssystem, wie w i r es i n England finden. Die Idee einer kollektiven Exekutive ist kein Mythos. Es ist i m Grunde unmöglich für den Premierminister, irgendeine A r t eines eigenen zentalisierten Mitarbeiterstabs, der einen Gesamtplan vorbereiten und seine Durchführung sicherstellen wird, aufzustellen. Das Kabinettsystem bedeutet jedoch eine Institutionalisierung von „beidseitiger parteilicher Anpassung". Kabinettsmitglieder haben Interessen zu vertreten. Selbst jene Mitglieder, deren Ministerien nicht unmittelbar betroffen sind, werden wahrscheinlich ihre Informationen aus parteilichen Äußerungen entnehmen; einige mögen von ihren eigenen M i n i sterien Instruktionen erhalten, aber diese sind, wenn sie nicht auch parteiischer Natur sind, wahrscheinlich schlecht informiert. N u r der Premierminister w i r d regelmäßig auf eine etwas neutralere A r t vom Kabinettssekretariat informiert, und dieses hatte bis zur Schaffung des C. P. R. S. nur eine geringe analytische Kapazität. Das Kabinett neigt auch dazu, seine Entscheidungen der Reihe nach zu fällen, indem es politische Bereiche isoliert betrachtet. Angesichts des Drucks der Ereignisse und des politischen Drucks ist dies nicht verwunderlich. Man sollte daran denken, daß das Kabinett für die w i r k lich wichtigen exekutiven Entscheidungen verantwortlich ist, denen sich die Regierung täglich gegenüber sieht und, daß es, da es aus führenden Parteimitgliedern zusammengesetzt ist, auch für die Stellung der Partei hinsichtlich der Wahlen verantwortlich ist. Daß es selbst nicht zu oft über langfristige Ziele reflektieren kann, ist nicht nur eine Frage der Zeit, sondern spiegelt die zahlreichen widersprüchlichen Ansprüche 12*
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
wider, die es i n Betracht zu ziehen hat. Unter diesen Umständen, könnte man folgern, ist die A r t der Funktion, die dem Zentralen Stab zur Uberprüfung der Politik übertragen ist, und die darin implizite Konzeption von Zielsetzung und Programmkoordination dem b r i t i schen Kabinettssystem wahrscheinlich angemessen. Alles andere würde eine andere Struktur der Regierung erfordern, und das würde ein anderes Mächtegleichgewicht i m Zentrum voraussetzen. Dagegen sind von Heclo und Wildavsky i n einem neueren Buch 2 4 Argumente für eine Verstärkung der Dienste zur Verfügung des Premierministers gesammelt worden. Sie argumentieren ebenfalls auf der Grundlage, daß das britische System der Kabinettsregierung über alle Eigenschaften eines „government of committee" verfügt — und zwar einen Ausschuß, der aus Repräsentanten sektionaler Interessen zusammengesetzt ist. Das „gemeinsame Interesse" w i r d leicht übersehen. Daher das Bedürfnis nach einer aktiveren Rolle des Premierministers. „Wie könnte eine Regierung des Premierministers aussehen?" fragen sie, und die grundlegende A n t w o r t ist die, daß der Motor der Regierungsinitiativen bei No. 10 läge. U m das zu erreichen, müßten seine Quellen für politische Beratung genauso gut gemacht werden wie seine M i t t e l zur politischen Manipulation. Aber in der Realität bedeutet dies, wenn die Durchführung der auf dieser Ebene bestimmten Politik koordiniert werden soll, so etwas wie ein Premierministerium unter seiner direkten Autorität m i t einer beträchtlichen Anzahl von Ressortbeamten sowie einen großen Mitarbeiterstab. Und, u m leistungsfähig zu sein, und die notwendige Autorität zu haben, u m sich über die anderen Ministerien zu stellen, könnte der Premierminister nicht nur als dessen nomineller Leiter fungieren; er müßte sich in größerem Umfang auch an dessen Arbeit beteiligen. Den Autoren ist jedoch klar, daß dies selbst zur Unproduktivität führen könnte. Dem Premierminister sind schon zahlreiche Rollen auf gebürdet, die niemand als er selbst füllen kann: eine weitere Belastung w i r d sehr wahrscheinlich seiner Leistungsfähigkeit als politischer Führer abträglich sein, zu einer Zeit, i n der Führung für das Land so wichtig ist wie Planung. Größeres Engagement bei der Planung als Leiter eines Ministeriums w i r d darüber hinaus wahrscheinlich zusätzliche Konflikte m i t dem Kabinett erzeugen und könnte i h n in diesem Umfang eher schwächen als stärken. Wieder kann man zu dem Schluß kommen, daß der Preis für eine aktivere Rolle des Premierministers zu hoch ist. Es kann gut sein, daß sein wahrer Beitrag i n der politischen Manipulation und nationalen Führung liegt. 24 H. Heclo und A. Wildavski, The Public Government of Private Money, (Macmillan, 1974).
Diskussionsbeitrag: F. F. Ridley
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Bevor Harold Wilson Premierminister wurde, sprach er von dem „Bedürfnis, der gesamten Regierungsmaschinerie eine stärkere zentrale Richtung zu geben". I n einem zweiten Interview, als er mittlerweile i m A m t war, wurde dies abgeschwächt: „Meine Idee ist, alles zu wissen, was vor sich geht, und dort einzugreifen, wo es notwendig ist 2 5 ." Vielleicht fand er sich v o l l damit ausgelastet, einer Krise nach der anderen zu begegnen, innen- und außenpolitisch, dem Problem, streitende Flügel seiner Partei und der Gewerkschaften zusammenzuhalten und den fast nie fehlenden Druck der Wahlen zu begegnen. Dies mag allerdings eine zu negative Auffassung davon sein, warum sich keine wirkliche Maschinerie einer Premierministerregierung entwickelt hat. Die Durchführbarkeit einer Planung von Zielsetzung und Programmkoordination mag damit etwas zu tun haben. Gleichermaßen kann die Tatsache von Bedeutung sein, daß die erste Aufgabe des Premierministers die politische Führung ist und das Opfern einer effektiveren Planungsrolle der Preis ist, den man dafür zahlen muß. Wenn jemand allerdings die Funktion des Premierministers bei der Zielsetzung und Programmkoordination zu stärken wünschen sollte, was kann der technische Experte für Institutionen von fremden Erfahrungen lernen? Er könnte die formalen Arrangements anderer Länder untersuchen. Diese werden i h m sicher Ideen geben. Eine Untersuchung der Praxis wie der Form mag auf einige Probleme hinweisen, die sehr wahrscheinlich folgen werden. Der wichtigste Schluß könnte allerdings der sein, daß einfache Veränderungen i n der Struktur nicht automatisch zu größeren Veränderungen i m Verfahren führen 2 6 . Obwohl diese Bemerkung heute als eine Binsenwahrheit angesehen werden könnte, akzeptiere ich sie nur zögernd: ich glaube nicht, daß es auf weniger hohe Ebenen der Regierungstätigkeit zutrifft, auf denen formale Arrangements bei der Veränderung des administrativen Verhaltens sehr weit gehen können. I n diesem F a l l liegt vielleicht solange nur wenig Sinn i m Vergleich fremder Systeme i m Hinblick auf ausgewählte Einrichtungen, bis die politische Intention feststeht und das bürokratische System dafür empfänglich ist. Dann natürlich kehre ich zu meinem Ausgangspunkt und dem Wert praktischen Vergleichs zurück.
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Interview mit N. Hunt loc. cit. I n einer relevanten Diskussion dieser These vgl. K. Dyson, loc. cit,
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Diskussionsbeitrag von William Plowden 1. Der Tagung mag es dienlich sein, ihr einen kurzen Bericht über die Arbeitsweise des Central Policy Review Staff (CPRS) vorzulegen, von einem Stab, für den ich selbst tätig bin. 2. Der CPRS wurde bereits angesprochen i n den Papieren von Professor Chapman und Professor Ridley. Unter den bestehenden Einheiten i m Bereich der britischen Zentralregierung ist der CPRS vielleicht noch am besten vergleichbar m i t einer Koordinationseinheit auf administrativer Ebene, obwohl auch unser Ehrgeiz i n dieser Hinsicht recht bescheiden ist, wie ich gleich zeigen werde. Unsere Kompetenzen w u r den i m White Paper on the Reorganisation of Central Government (Cmnd. 4506) niedergelegt, das die konservative Regierung i m Oktober 1970 herausgab. Dieses Papier kündigte an, daß ein multi-disziplinärer Stab — bekannt geworden als CPRS — i m Cabinet Office errichtet werden sollte. Seine Aufgabe war es, die Minister zu befähigen, bessere politische Grundsatzentscheidungen zu fällen: (a) indem ihnen Hilfe gewährt wird, die Implikationen ihrer grundsätzlichen Strategie für spezifische Bereiche herauszuarbeiten; (b) die relative Priorität einzurichten, die verschiedenen Teilen des Regierungsprogramms zukommt, (c)
der Bestimmung von Bereichen, für die neue Optionen durchgeführt werden könnten,
(d) sie zu vergewissern, daß für alle Handlundsvollzüge die zugrundeliegenden Implikationen ausreichend analysiert und i n Betracht gezogen worden sind. 3. I n der Praxis gewährte diese Vorausschau auf die Funktionen des CRPS eine ziemlich gute Leitlinie für seine wichtigsten Aktivitäten während der letzten dreieinhalb Jahre. (Tatsächlich nahm er seine A r beit i m Februar 1971 auf.) Obwohl der CPRS m i t der Koordination bedacht ist, bedeutet dies nicht den Versuch, alle wesentlichen Geschäfte der Regierung zu steuern, sondern etwas mehr Beschränktes. Monsieur de Baecque stellte bereits heraus, daß die Prioritätensetzung der Koordination vorauszugehen hat. Ich würde meinen, daß beidem eine Bestimmung von Zielsetzungen vorauszugehen hat. I n der Praxis fällt dies äußerst schwer und dort hat ein Großteil der Arbeit des CPRS ihr Schwergewicht gehabt. U m es i n einem Satz zu sagen: Unser Geschäft lag bei der Analyse politischer Grundsatzentscheidungen, die darauf zielte, den Ministern Hilfe zu gewähren bei der Bestim-
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mung ihrer wesentlichen Zielsetzungen sowie bei der Verbindung dieser Ziele m i t dem Tagesgeschäft. Diese Verbindung kann i n zweifacher Richtung wirksam werden. Zuerst: Sofern sich Entscheider vor die Notwendigkeit gestellt sehen, zwischen mehreren Optionen zu wählen, von denen sich jede auf die Erreichung unterschiedlicher Ziele beziehen ließe, sollten sie sich selbst fragen, welches Ziel sie als wichtigstes betrachten. Wo sie hingegen für ein bestimmtes Ziel fest entschieden sind, sollten sie sich anders herum fragen, welche Option am meisten relevant ist. 4. Ich möchte einige Punkte unserer Arbeitsweise herausstreichen, die nach meiner Ansicht unseren „approach" deutlich machen und uns i n einigen Fällen von anderen annähernd vergleichbaren Einheiten i n Europa oder sonstwo unterscheiden. 5. Zuallererst: W i r sind eine extrem kleine Einheit. Die Größe des CPRS variiert zwischen 14 und 18 vollzeitlich angestellten Mitgliedern. W i r haben keine uns unterstützende Forschungseinheit. 6. Zweitens: Der CPRS ist unabhängig von den politischen Parteien. W i r wurden eingerichtet von einer konservativen Regierung, führen aber fort, ihren sozialistischen Nachfolger auf genau der gleichen Basis zu beraten, trotz der beispiellos großen Zahl an politisch ausgewählten Beratern (policy advisers), die seit Februar dieses Jahres für das Büro des Premierministers und andere Ministerien berufen wurde. 7. Drittens: Das CPRS arbeitet für das Kabinett insgesamt. Generell werden unsere Papiere allen Ministerien des Kabinetts zugeleitet, und unsere Dienste sind für alle gleichermaßen zugänglich. I n dieser H i n sicht unterscheiden w i r uns deutlich von den oben erwähnten Beratern des Premierministers, die ausschließlich für i h n arbeiten. 8. Viertens: Der CPRS gibt seinen Rat vertraulich. I n dreieinhalb Jahren wurden drei CPRS Berichte veröffentlicht, und ich erwarte, daß es bei dieser durchschnittlichen Rate bleiben wird. Soweit ich eis sehe, weichen w i r damit von dem „approach" des Netherlands Scientific Council for Government Policy ab, von dem ich annehme, daß er auf eine Publikation seiner prinzipiellen Ergebnisse abstellt. 9. Fünftens: W i r besitzen ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Zu Beginn waren die Mitglieder des CPRS nur zur Hälfte Civil Servants, während die andere Hälfte von außen rekrutiert wurde — von Universitäten, Beratungs- und Finanzinstitutionen etc. Sollte uns der Civil Service aus irgendeinem Grund keine hochbefähigte Kandidaten senden, wären w i r daher gleichwohl i n der Lage, hoch qualifizierte M i t glieder zu rekrutieren. (Im Blick auf die Praxis sollte ich sagen, daß uns das Civil Service Department Personen m i t äußerst hohen Quali-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
täten überlassen hat und es daher i n diesem Punkt auch keine Beschwerden gibt.) Ebenso können w i r auch — und t u n es auch faktischunabhängig von den Ministerien tätig werden. Obwohl w i r ihre Sichtweise in Rechnung stellen, sind w i r an sie i n keiner Weise gebunden, weder bei der Wahl eines bestimmten Themas, zu dem es Bemerkungen zu machen gilt, noch bei der A r t der Bemerkungen, die w i r machen. Dam i t kommt ein anderer Punkt zur Sprache, den ich für äußerst wichtig halte, nämlich, daß w i r eher initiierend als reaktiv sind. W i r verlassen uns nicht darauf, daß uns Arbeit gegeben wird, sondern bestimmen stattdessen unser Programm zu weiten Teilen selbst. Obwohl Minister uns Fragen übermitteln können und tatsächlich auch so verfahren, stimmt es m i t unserem unabhängigen Status überein, daß w i r uns frei fühlen, jedes Thema zu studieren und zu kommentieren, das w i r für bedeutsam erachten. Gleichwohl sind unsere Arbeitsbeziehungen zu den Ministerien und zum Rest des C i v i l Service eng und gut. Unsere Existenz würde unmöglich werden, wären sie es nicht. Nicht nur, daß w i r i n einer Umwelt leben, die bestimmt w i r d durch die Einstellungen von Bediensteten, die i n den größten Ministerien arbeiten; zudem sind w i r i m Blick auf die meisten Informationen, die w i r benötigen, in kritischer Weise von diesen Ministerien abhängig. 10. Schließlich möchte ich auf eine generelle Frage zu sprechen kommen, ausgelöst durch einiges, was bisher auf dieser Tagung gesagt worden ist. Mein Ausgangspunkt ist der Gedanke, daß die Wirklichkeit viel weniger geordnet und weniger einer rationalen Analyse zugänglich ist, wie es Theorien der Politikkoordination manchmal erlauben. Prof. Pusic hielt uns an, nicht die Frage der Macht außer acht zu lassen. Ich stimme dem v o l l zu. Jedermann, der die Politikkoordination zu verbessern wünscht, oder irgendeinen Aspekt der Entscheidungsfindung, muß die Verteilung der Macht i n der ihn interessierenden Umwelt verstehen und sich i h r gegenüber empfänglich zeigen. Er muß nicht nur die technischen, sondern auch die politischen Hindernisse gegenüber Verbesserungen kennen. Zum Beispiel: Obwohl es hilfreich ist, Ziele zu definieren und — wo es möglich ist — sicherzustellen, daß an ihnen von verschiedenen Ministerien gleichermaßen festgehalten wird, muß man sich selbst fragen, wieweit in der Praxis zwei einflußreiche Minister — beauftragt m i t unterschiedlichen Ministerien — geneigt sein werden, ihre eigenen persönlichen Absichten zugunsten der Verfolgung eines gemeinsamen Zieles zu modifizieren. Wiederum existieren dort sozusagen verhaltensmäßige Hindernisse gegenüber einem praktischen Gebrauch selbst der brilliantesten Stücke der PolitikAnalyse. Ich erinnere mich an den Widerwillen der Entscheider, die Gültigkeit von Ergebnissen zu akzeptieren, die ihnen nicht paßten. (Dabei können sie beispielsweise entweder argumentieren, daß die
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Analyse selbst fehlerhaft war, oder, daß das Thema der Analyse nicht ausreichend relevant ist i m Blick auf die diskutierte Angelegenheit. Manchmal mögen sie selbst verhindern, daß die Analysen überhaupt gemacht werden — aus dem Beweggrund, daß die Politik-Entscheidungen irreversibel getroffen worden sind und selbst implizit nicht i n Frage gestellt werden sollten.) Schwierigkeiten dieser A r t i n Rechnung zu stellen, ist ein wesentlicher erster Schritt i n Richtung auf eine Verbesserung der Politik-Koordination i m Bereich der Regierung.
Diskussionsbeitrag von Heribert Schatz Die herkömmliche, staatsrechtlich orientierte Verwaltungslehre geht (ähnlich wie die Verwaltungspraxis) bei der Behandlung von Koordinationsproblemen i m Staatsapparat häufig noch von einem Problemverständnis aus, dem die Vorstellung hoher Autonomie des Regierungsund Verwaltungshandelns zugrundeliegt. Koordinationsprobleme werden i n diesem Zusammenhang i m wesentlichen als Probleme der Informationsverarbeitung, der Organisation oder der Motivation der Angehörigen des Verwaltungsapparates behandelt. Auch besteht die Neigung zu vorschnellen Urteilen über die Möglichkeit von MehrLändern-Vergleichen i n bezug auf diesen Problemkomplex. U m diese, sich spätestens beim Scheitern entsprechender Problemlösungsstrategien als zu „introvertiert" erweisende Perspektive zu durchbrechen, müssen Koordinationsprobleme innerhalb des Staatsapparates m i t der Entwicklung der ökonomischen und sozio-kulturellen Umwelt in bezug gebracht werden. Dies führt zu folgenden Thesen: I. Notwendigkeit
der Koordination
im planenden
Leistungsstaat:
Der Koordinierungsbedarf i n bezug auf die Staatsfunktionen ist bedingt durch die Konstellation einer Reihe von Faktoren außerhalb und innerhalb des „politisch-administrativen Systems"; diese Bedingungskonstellation zeigt für kapitalistische und für sozialistische Systeme eine jeweils spezifische Ausprägung. I n kapita-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
listischen Systemen wie der BRD sind als wichtigste Bedingungen des (steigenden) Koordinationsbedarfs anzusehen: 1. Dynamik und Spontaneität der sozio-ökonomischen Entwicklung; infolge der pluralistischen Gruppenstruktur und teilweise hoher Organisations- und Konfliktfähigkeit der etablierten Interessen sieht sich das politisch-administrative System einer wachsenden Fülle konfligierender Partikularinteressen m i t hoher Durchsetzungsfähigkeit gegenüber bei gleichzeitig geringer Prognostizierbarkeit der Entwicklung dieser Anforderungen i m Detail. 2. Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung; die zunehmende Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Strukturen und Funktionen verstärkt die wechselseitige Abhängigkeit der verschiedenen Teilbereiche und erhöht damit die Störanfälligkeit des Gesamtsystems; die relativ abnehmende Selbstregulierungsfähigkeit der verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereiche führt zur Abwälzung von Koordinierungsbedarf auf das politisch-administrative System bei gleichzeitig wachsender Problemkomplexität. 3. Politisierungsgrad der gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung; die wachsende Ausdehnung des Bereichs staatlicher Tätigkeit („Politisierung") erhöht die Kollisionswahrscheinlichkeit und damit den Abstimmungsbedarf zwischen einzelnen Aktivitäten i m „Zielgebiet". 4. Autonomie des politisch-administrativen Systems; als Folge säkularer Entwicklungen i m sozio-kulturellen Bereich („political culture") sinkt bei gleichzeitig steigendem Erwartungsniveau der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Toleranzgrenze für Effektivität und Koordinationsmängel des Regierungs- und Verwaltungshandelns stetig ab („Legitimationskrise", steigendes Konfliktniveau der „Weltinnenpolitik"). II. Verfassungsrechtlicher rungsorganisation :
und
politischer
Hintergrund
der
Regie-
Neben die eben genannten externen treten folgende interne Bedingungen des Koordinationsbedarfs: 1. Stand der systeminternen Arbeitsteilung; unabhängig vom Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung können spezifische historische Faktoren zu einer hohen, den Koordinationsbedarf steigernden Ausfächerung der Binnen-
Diskussionsbeitrag:
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struktur des politisch administrativen Systems führen; i m Falle der BRD führte die Situation des Zusammenbruchs nach 1945 zu einer „Überdifferenzierung" (Scharpf 1973), insbesondere durch die starke Betonung des föderalistischen Prinzips. 2. Flexibilität der Systemstrukturen; die Fähigkeit des politisch-administrativen Systems, seine Strukturen zu verändern („Lernkapazität"), z.B. zur Verminderung von Koordinationsbedarf disfunktionale oder funktionslos gewordene Strukturelemente aufzulösen, ist u m so geringer, je stärker bestehende Strukturen durch irreversible formale Regelungen bzw. bestehende Macht- und Interessenkonstellationen festgeschrieben sind; i m Falle der BRD w i r d hier neben Verfassungsvorschriften (z. B. A r t . 65 GG) vor allem auch das Beamtenrecht negativ wirksam. 3. Perzeption von Koordinierungsbedarf; neben die bisher genannten „objektiven" Bedingungsfaktoren für den Koordinationsbedarf treten subjektive Faktoren, die den objektiven Bedarf teils mindern, teils erhöhen; mindernd w i r k t z. B. die durch die sektorale Organisation der Ressorts, die Spezialisierung der Beamtenschaft usw. bedingte Selektivität der Problemwahrnehmung: an sich bestehender Koordinationsbedarf bei der Bestimmung von Zielen, der Auswahl von Handlungsalternativen und der Abstimmung von Programmauswirkungen w i r d unterschätzt, w e i l die tatsächlichen Interdependenzen sozio-ökonomischer Strukturen und Prozesse verkannt werden; eine Verzerrung des Koordinationsbedarfs nach oben ergibt sich aus koalitionspolitischen oder bürokratischen Eigeninteressen: u m Mißerfolge abzuwälzen und an Erfolgen teilhaben zu können, w i r d Koordinationsbedarf künstlich erfunden (Mitzeichnungsunwesen). I I I . Apparat, Verfahren und Regierungskoordination:
Instrumente
des Regierungschefs
zur
Die vom Regierungschef zu erbringende Koordinationsleistung w i r d bestimmt durch den vom politisch-administrativen System insgesamt perzipierten Koordinationsbedarf abzüglich der bereits von anderen Systemelementen (Ressorts usw.) erbrachten Koordinationsleistungen. Bezogen auf diesen „Restbedarf" hat der Regierungschef folgende alternative Verhaltensmöglichkeiten: 1. er kann versuchen, diesen Koordinationsbedarf begrenzt zu halten und m i t Hilfe seines Apparats und der i h m zur Verfügung stehenden Instrumente und Verfahren („Koordinations-
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
ressourcen") abzuarbeiten; seine „Koordinationskapazität" (definiert als der Quotient aus Koordinationsressourcen und »bedarf) bleibt unverändert. 2. er kann versuchen, seine Koordinationskapazität zu erhöhen, a) durch Verbesserung seiner Ausstattung m i t Koordinationsressourcen bzw. eine Rationalisierung ihres Einsatzes b) durch Verminderung des auf ihn entfallenden „restlichen" Koordinationsbedarfs. Die Entwicklung des politisch-administrativen Systems der Bundesrepublik vom Beginn der 60er Jahre an läßt erkennen, daß die verschiedenen Bundeskanzler diese unterschiedlichen Verhaltensstrategien m i t wechselndem Erfolg verwirklicht haben. 1. Gegen Ende der Ä r a Adenauer nahm der Koordinationsbedarf der Regierungspolitik infolge wachsender Anforderungen der sozio-ökonomischen Umwelt und die zusätzlich durch den üppigen Zufluß von Steuermitteln stimulierte „Politikerzeugung" der Ressorts stetig zu. Adenauer war, bedingt durch das A b bröckeln seiner Machtposition i n Partei und Kabinett nach Verlust der absoluten CDU/CSU-Mehrheit i m Jahre 1961 nicht mehr i n der Lage, diese Entwicklung zu steuern. Auf der anderen Seite gelang es i h m nicht, den Verlust an persönlicher Autorität durch neuartige Koordinierungsinstrumente und »Verfahren zu kompensieren. Das Ergebnis war eine bemerkenswerte Verselbständigung der Ressorts, die schließlich unter seinem Nachfolger Erhard einen Höhepunkt erreichte und als eine der Ursachen für die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 1966/67 angesehen werden muß. 2. Kiesingers Strategie zur Erhöhung seiner Koordinierungskapazität bestand i m wesentlichen aus zwei Varianten der o. g. A l ternative: Die erste betraf die Schaffung eines neuen apparatexternen Koordinierungsgremiums („Kressbronner Kreis"), die zweite die Einführung der Mittelfristigen Finanzplanung m i t der neuen Institution des „Finanzkabinetts" unter seinem Vorsitz. Ein dritter Ansatz, der Ausbau kanzleramts-interner Planungs- und Koordinierungskapazitäten blieb nach anfänglichem Interesse Kiesinger's i m Aufbau stecken, nicht zuletzt weil die Fachabteilungen des Kanzleramtes die Entwicklungen des Planungsstabes zu blockieren versuchten. I m Ergebnis entwickelten sich die oben genannten Gremien statt zu Hilfsinstrumenten der ex ante-Richtliniengebung zu Schieds-
Diskussionsbeitrag:
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stellen zur Schlichtung von Streitfällen, die i m Selbstkoordinierungsprozeß der Ressorts übriggeblieben waren. Die Kapazität des Bundeskanzlers zur „leitenden Koordination" (Bökkenförde) blieb praktisch unverändert gering. 3. Nach dem Regierungswechsel von 1969 unternahm der neue Bundeskanzler Brandt bzw. sein Kanzleramts-Minister zusammen m i t dem Chef der stark ausgebauten Planungsabteilung den Versuch, die „Negativkoordinierung" der Ressorts durch ein „Frühkoordinierungssystem der Bundesregierung" zu unterlaufen. Nach ersten Anfangserfolgen scheiterte dieser Innovationsversuch an den Kosten-Nutzen-Kalkülen der Ressorts: der Aufwand für das Verfahren erschien den Ressorts angesichts der nur geringen Rationalisierungsmöglichkeiten zu hoch. Aus ähnlichen Gründen blieben auch Bemühungen spezifischer Reformgremien (vor allem der „Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform") neue Koordinationsverfahren für den Regierungsapparat zu entwickeln (vgl. z. B. den Dritten Bericht der Projektgruppe vom November 1972) bisher ohne Wirkung. 4. Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet durch eine hohe Dunkelziffer bezüglich bestehender Koordinationsmängel der Regierungspolitik. Angesichts der dürftigen analytischen Aufhellung der vom Staatsapparat heute und i n nächster Zukunft zu bewältigenden Probleme sowie der Kenntnismängel bezüglich der Wirkungszusammenhänge der i m Stile herkömmlichen K r i senmanagements verwirklichten Problemlösungen bestehen nur äußerst vage Vorstellungen über die gesamtgesellschaftlichen Folgen der gegenwärtig praktizierten „Negativkoordination". Unter diesen Umständen muß man annehmen, daß die Effektivität des Regierungs- und Verwaltungshandelns trotz steigendem Mittelaufwands und überproportional wachsender Bürokratien derzeit eher sinkt als steigt. Über diese Mängel können auch rechnerisch „stimmige" Haushalts- und Finanzpläne nicht hinwegtäuschen. Die gegenwärtig vom Bundeskanzler demonstrierte Koordinationskapazität i n bezug auf die Regierungspolitik beruht weitgehend auf „Krisenmacht" (beispielsweise der „Legitimationskrise", die durch die inflationsbedingte steuerliche Mehrbelastung breiter Bevölkerungskreise ausgelöst wurde).
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
Diskussionsbeitrag von Tjeenk W i l l i n k I. Das politische System Das politische System i n den Niederlanden w i r d von der Existenz vieler, für lange Zeit streng voneinander getrennten Gruppen gekennzeichnet. Es ist bemerkenswert, daß ihre Führer bald ihrer permanenten Minderheitssituation gewahr wurden. Diese Situation führte zu der Übernahme eines Systems gegenseitiger Garantien, ein System von Unabhängigkeit wo möglich, Kooperation und Koordination wo nötig. Außer gleichen Proportionen entstand ein allgemeines Prinzip der Entscheidungsfindung. Erst seit den letzten zehn Jahren n i m m t die „Politik des Ausgleichs" (nach Lijpharts Bestimmung) ab. Das Konzept eines neuen politischen und institutionellen Musters ist allerdings nicht ganz deutlich zu erkennen. Für die Kabinettsbildung implizieren die Eigenschaften des politischen Systems i n Holland die Unvermeidbarkeit von Koalitionen, die nach Proporzgesichtspunkten von mindestens drei oder vier politischen Parteien gebildet werden. Eine formale Hierarchie unter den Ministern w i r d nicht akzeptiert. Das Prinzip heißt Gleichheit und Autonomie. Diese politische Unabhängigkeit entspricht dem Streben nach Unabhängigkeit, wie sie allen Organisationen, ministeriellen und anderen, eigen ist. Das Prinzip gleicher Anteile i n der Zusammensetzung des Kabinetts t r i f f t auch auf die Aufteilung von Funktionen i n miteinander i n Beziehung stehenden politischen Bereichen zu. I m sozialökonomischen wie i m sozialen Bereich der Erziehung sind die Verantwortlichkeiten unter verschiedene politische Parteien verteilt. Innerhalb der Ministerien w i r d auch oft versucht, einen Minister und Parlamentssekretär von unterschiedlicher politischer Couleur zu haben.
I I . Die Notwendigkeit der Koordination von Politik M i t der wachsenden Interdependenz politischer Bereiche w i r d die Koordination mehr und mehr zum unerläßlichen Gegengewicht gegenüber der Aufgabenverteilung unter den Ministerien. Dem liegen drei Ziele zugrunde: 1. Kontroversen zu vermeiden 2. Übereinstimmung i n den politischen Zielsetzungen zu erlangen 3. eine integrierte Politik auf interministeriellen Gebieten zu bilden, die von politischem Interesse sind.
Diskussionsbeitrag: T. Willink
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Diese Unterscheidung zeigt die Probleme der Koordination von Politik. Das politische System i n Holland ist i n der Lage, (offene) Kontroversen zu vermeiden. Es ist weniger dazu geeignet, Koordination der zweiten oder dritten A r t durchzuführen. Daher w i r d eine Übereinstimmung i n politischen Ansichten und Zielen notwendig. Beides ist i n einem Mehrparteiensystem schwer zu erreichen, und wenn formale Kompetenzen fehlen, kann es kaum durchgesetzt werden. Immer öfter t r i t t eine recht paradoxe Situation auf: die politischen Parteien fordern eine koordinierte Politik — besonders auf neueren politischen Gebieten — aber Konsequenzen für das politische System werden nicht gezogen. Solange dieses Paradoxon existiert, kann ein koordinierender Minister nur für den Koordinationsprozeß verantwortlich gemacht werden. Das impliziert, daß alle Minister gleichermaßen für das Setzen der Prioritäten und die politische Linie verantwortlich sind. I n diesem Zusammenhang ist die Entwicklung der Funktion des Premierministers recht aufschlußreich. I I I . Der Premierminister Die formale Gleichberechtigung der Minister bedeutet nicht, daß ihre Stellung i n Wirklichkeit auch gleich ist. I n der Tat w i r d seit fast einem Jahrhundert ein Kabinettsführer anerkannt. I n der Regel war er der Mann, der gebeten worden war, eine Regierung zu bilden, und der gleichzeitig Leiter eines der wichtigsten Ministerien war. Der Einführung der Funktion des Premierministers hatte man sich lange widersetzt, da sie die Anerkennung einer gewissen formalen Hierarchie bedeutete. I n diesem Zusammenhang könnten w i r auf das Fehlen von Kompetenzen und auch auf die reservierte Haltung gegenüber der Außenwelt, das Fehlen eines Kabinettbüros und (anderer) äußerer Anzeichen wie eines offiziellen Amtssitzes hinweisen. Selbst heute sind die Koordinationskompetenzen des Premierministers auf die (wichtigen) Vorschriften beschränkt, die zugunsten eines reibungslosen Funktionierens des Kabinetts und der Vollmacht, Kompetenzstreitigkeiten zu schlichten, aufgestellt worden sind. Die zahlreichen Kontakte und der umfangreiche Informationsaustausch zwischen dem Kabinett des Premierministers und den Ministerien basiert eher auf der gegenseitigen Bereitwilligkeit zur Kooperation, als auf formalen Kompetenzen. Aufgabe des Premierministers ist es, Frieden zu stiften, wenn nötig als Schiedsrichter zu fungieren und Impulse zu geben. Die Arbeit seines Kabinetts und die Beziehungen zu anderen Ministerien sind dementsprechend strukturiert. Das Studium der Instabilität i n der
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
holländischen Politik hat die Rolle des Premierministers i m politischen Alltag deutlich gestärkt. Wenn man diese tatsächlich starke Position betrachtet, wäre es jedoch ein Fehler, daraus den Schluß zu ziehen, daß nun allgemein eine Kompetenz (seinerseits Anm. d. Übers.), politische Direktiven zu geben, allgemein akzeptiert würde. I n Anbetracht der realen Situation werden häufige Initiativen von Seiten des Premierministers die Kooperationsbereitschaft der Ministerien sehr wahrscheinlich verringern. Dadurch würden Premierminister und sein Kabinettsbüro der notwendigen Information durch die Ministerien beraubt. Der Einfluß des Premierministers auf die Kabinettspolitik bleibt zunächst einmal auf seine Fähigkeit und Bereitschaft begrenzt, den Koordinationsprozeß von Politik zu überwachen und seine wichtigsten Probleme zu meistern. IV. Die anderen koordinierenden Minister Da die Interdependenz zwischen den politischen Bereichen ständig zunimmt, w i r d es immer weniger möglich, alle interministeriellen A n gelegenheiten direkt vor dem Kabinett zur Sprache zu bringen. Das ist auch nicht notwendig, da die Ministerien nicht i n gleichem Maße von all den verschiedenen politischen Gebieten betroffen sind. Zwischen der Politik der einzelnen Minister und der Koordination i m Kabinett hat sich eine dazwischen liegende Ebene entwickelt. Auch die Koordination auf dieser Ebene w i r d nicht automatisch i n die Tat umgesetzt. Es ist die Frage, ob der Premierminister sich dieses Koordinationsprozesses annehmen kann. Dies scheint m i r aus drei Gründen möglich: — Obwohl die Koordination letzten Endes die Schlichtung von Kontroversen ist, so ist sie doch vor allem ein kontinuierlicher Prozeß, diese zu vermeiden. Es ist für eine Person physisch unmöglich, dem Koordinationsprozeß i n allen interministeriellen Bereichen zusätzlich zu der Leitung der Beschlußfassung des Kabinetts und Kontrolle der politischen Entwicklungen, die die Position des Kabinetts beeinflussen könnten, Beachtung zu schenken. — Koordination impliziert einen Verlust an Autonomie für die einzelnen Ministerien und damit die Möglichkeit von Friktionen. Es ist ratsam, diese Friktionen nicht zu konzentrieren. — Die Möglichkeiten der Schlichtung verringern sich, wenn der Premierminister am Vorbereitungsprozeß stark beteiligt wäre. Wenn es unmöglich ist, den Premierminister m i t allen Aufgaben der Koordination zu betrauen, taucht die Frage auf, welche anderen M i n i -
Diskussionsbeitrag: T. Willink
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ster m i t Koordinationsaufgaben betraut werden sollten, und welche Kompetenzen sie benötigten. Da nahezu alle politischen Bereiche interministerielle Aspekte haben, beanspruchen alle Minister — m i t einigem Recht — irgendeine Koordinationsaufgabe für sich. Die Ernennung eines Koordinationsministers ist sinnlos, ohne das zu koordinierende politische Feld zu definieren. Es ist Aufgabe des Premierministers, die sich hieraus möglicherweise ergebenden Kompetenzkonflikte zu diagnostizieren und zu schlichten. Es ist ebenfalls seine Pflicht, dafür zu sorgen — m i t Hilfe seiner Koordinationskompetenzen —, daß die Aufgabe des koordinierenden Ministers respektiert wird. Angesichts der Erweiterung der Funktion des Premierministers kann argumentiert werden, daß i m holländischen politischen System ein Koordinationsministerium nur als eine Frage der Verfahrensweise und unter Ausnutzung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten zwischen den Ministern möglich ist. Die Elemente, die die relative Macht unter den Kabinettsmitgliedern beeinflussen, sind: — das von ihnen geleitete Ministerium; — die Persönlichkeit des Ministers und sein politischer Hintergrund; — die politische Situation. Fehlen Koordinationskompetenzen, bestimmen diese Elemente die A r t und Weise auf die der koordinierende Minister seine Aufgabe erfüllen kann. Solange die politische Situation keine klaren Prioritäten setzt, nach denen die Regierungsorganisation gelenkt werden kann, liegt das Gewicht auf den beiden ersten Elementen. I n dieser Hinsicht ist es ziemlich deutlich, daß ein Minister ohne Geschäftsbereich, m i t einer Koordinationsaufgabe betraut, i n einer äußerst schwierigen Position ist. Er ist derjenige, der am meisten formaler Kompetenzen bedarf. Innerhalb des politischen Systems können diese Kompetenzen lediglich den Koordinationsprozeß betreffen; sie können nicht die Befugnis zu politischen Direktiven beinhalten. Die Politik w i r d unter gemeinsamer Verantwortung festgelegt. Mögliche Kompetenzen sind: — das Sammeln von Informationen; — die Ernennung des Vorsitzenden und des Sekretärs des Ausschusses für interministerielle Koordination; — das Aufstellen der Tagesordnung für den Ausschuß für interministerielle Koordination; — die Befugnis zu verlangen, daß ein Problem zuerst i m Koordinationsausschuß behandelt wird, bevor es i m Kabinett diskutiert wird. 13 Speyer 57
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Thema I : Der Regierungschef und sein Apparat
die Verpflichtung anderer Minister, den koordinierenden Minister über alle Projekte zu informieren, die für den zu koordinierenden Bereich von Bedeutung sein könnten (diese Verpflichtung besteht i n ähnlicher Form i n den Fällen der Kabinettspolitik, Finanzpolitik, Personalpolitik und Raumplanung). Die Aufgabe des koordinierenden Ministers w i r d durch die Existenz interministerieller Ausschüsse auf politischer Ebene oder der Ebene leitender Beamten nicht wesentlich verändert. Es muß i n jedem einzelnen Fall entschieden werden, ob diese Ausschüsse benötigt werden oder nicht. Interministerielle Koordinationsausschüsse, die den Koordinationsprozeß unterstützen, können die Position des koordinierenden M i n i sters stärken. Sie können jedoch den Koordinationsprozeß behindern und die Position des koordinierenden Ministers schwächen, wenn dieser aufgrund anderer Faktoren stark sein könnte.
V. Die parlamentarische Kontrolle der Koordination I n der Verwaltung nimmt das Verständnis für und die Bereitwilligkeit zur Koordination m i t der politischen Relevanz zu. Deshalb sollte ein Minister m i t der Koordination betraut sein. Die Bereitwilligkeit der Minister zur Koordination nimmt m i t der Notwendigkeit zu, die auch außerhalb der Verwaltung gespürt wird. I n welchem Umfang kann das holländische Parlament eine impulsgebende Rolle i n diesem Zusammenhang spielen? I n der Praxis scheint das Parlament nur gelegentlich an den Problemen der Koordination Interesse zu haben. Natürlich verlangen alle politischen Parteien nach einer integrierten Politik. Die parlamentarische Kontrolle jedoch konzentriert sich i n erster Linie auf die einzelnen Ministerien und alltäglichen politischen Gegebenheiten. I m Unterhaus (Zweite Kammer, Anm. des Übers.) wurde vorgeschlagen — bei der Ausübung der Macht des Geldes —, weniger den einzelnen Kapiteln des jährlichen Budgets als mehr den Hauptbereichen der Regierung Beachtung zu schenken. Es ist denkbar, daß alle an der Koordination beteiligten Minister vor dem Parlament erscheinen und der koordinierende Minister i n ihrem Namen spricht. Zwei Probleme treten dabei auf: — es ist zweifelhaft, ob die Minister und ihre Parteien diesen Versuch eines formalen Durchbruchs des Gleichberechtigungsprinzips akzeptieren werden;
Diskussionsbeitrag: T. Willink
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— Debatten über Hauptbereiche ohne Finanzdebatten werden vermutlich i n vages politisches Philosophieren abrutschen. Die wirkliche parlamentarische Kontrolle bleibt da, wo finanzielle Kontrolle ausgeübt wird. Es ist vorstellbar, daß diese Argumente i m Oberhaus (Erste Kammer Anm. d. Übers.) von weniger Gewicht sind. Seit 1972 passieren die Budgets dort ohne Debatte und formalen Namensaufruf. I n Sondersitzungen w i r d die Politik der einzelnen Ministerien diskutiert. Die Beachtung der interministeriellen Koordination von Politik entspricht mehr oder weniger dieser modernen Praxis. I n Anbetracht der eher reservierten Haltung des Oberhauses gegenüber den alltäglichen politischen Tatsachen und seines Interesses an der Verwaltung w i r d die Erscheinung des koordinierenden Ministers wahrscheinlich eine weniger provokative Wirkung haben. Dessen ungeachtet gäbe sie dem Koordinationsprozeß die notwendige politische Dimension.
Thema I I Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Planung im Bereich der Politikentscheidung und Prioritätensetzung Einleitende Bemerkungen von André Molitor I. Einführung 1. Das zweite bei der Herbsttagung 1974 i n Speyer behandelte Thema betrifft Rolle, Struktur und Funktionsweise der Dienststellen, welche auf Regierungsebene sowie auch i m begrenzteren Rahmen jedes einzelnen Ministeriums die Aufgabe haben, die Richtlinien der Politik auszuarbeiten und deren Koordinierung zu gewährleisten. M i t anderen Worten haben w i r es hier m i t den Verwaltungsstvuktuven zu tun, oder besser noch m i t der Infrastruktur, welche auf politisch verantwortlicher Ebene die Ausarbeitung der Aktionspläne erleichtern soll. 2. I m Grunde wäre eine etwas andere Reihenfolge der Arbeiten dieses Kolloquiums wahrscheinlich wünschenswert gewesen. Man hätte z. B. an erster Stelle die Rolle des Regierungschefs und diejenige der Ministerialausschüsse behandeln können, da diese beiden Institutionen dem Bereich angehören, den ich als politische Ebene bezeichnet habe, und da sie auch alle beide auf administrative Dienststellen zurückgreifen, u m ihren Auftrag der Ausarbeitung und Koordinierung vorzubereiten und durchzuführen. Dennoch ist diese Frage der Reihenfolge von zweitrangiger Bedeutung. 3. Weit wichtiger ist der Hinweis auf die tatsächliche Verflechtung des politischen und des administrativen Elementes i n ein und dem selben System. Zum Zwecke der Analyse und besseren Erleuterung mögen diese beiden Realitäten zwar voneinander unterschieden und getrennt behandelt werden, doch sollte man dabei niemals ihre Konvergenz und die Einheitlichkeit ihrer Zielsetzung aus dem Auge verlieren und deshalb ein für allemal von der Dichotomie Politik-Verwaltung Abstand nehmen, welche i n der Vergangenheit nur allzu oft Verwirrung gestiftet hat. Die Gesamtheit der Mechanismen zur Ausarbeitung und Koor-
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
dinierung der Richtlinien i n den verschiedenen politischen Bereichen sollen als ein integriertes System betrachtet werden. Das Antriebselement: Regierungschef, Ministerkomitee, einzelner Minister — hat die Verantwortung für die Entscheidung. Eine m i t dem Entscheidungsorgan direkt verbundene Dienststelle, die an einem ganz präzisen Punkt des Staatsapparates untergebracht ist, bereitet diese Entscheidung vor, beobachtet ihre Durchführung und beurteilt die Ergebnisse. 4. Diejenigen Dienststellen, deren Struktur und Aktionsweise i n diesem Teil des Speyerer Kolloquiums analysiert wurden, haben also — wie alle anderen Verwaltungsdienststellen auch — die Aufgabe der Vorbereitung und der Durchführung der politischen Zielvorstellungen. Besonders eindringlich sei auf die enge Verbindung hingewiesen, die i n der Praxis zwischen der Ausarbeitung der Zielvorstellungen , der Festsetzung der Prioritäten und der Koordinierung besteht, denn jede einzelne dieser Aufgaben ist ohne die beiden anderen nicht denkbar. Die Ausarbeitung einer Politik auf einem bestimmten Gebiet, z.B. demjenigen der sozialen Sicherheit oder des Erziehungswesens, w i r d immer i n erster Linie die Festsetzung der Zielvorstellungen erfordern. Ebenso wesentlich ist allerdings die Entscheidung über die relative Bedeutung jeder einzelnen Zielvorstellung und ihrer Einordnung i n einen Durchführungsplan auf der Grundlage der so gewählten Reihenfolge. Schließlich gilt es noch die Harmonisierung zwischen den verschiedenen Aktionstypen sicherzustellen und deren Konvergenz bei der Verfolgung des gemeinsamen Zieles zu gewährleisten. A u f diesem H i n tergrund w i r d sich unsere Aufmerksamkeit gleichzeitig drei verschiedenen Tätigkeitskategorien zuwenden, und w i r werden i m Hinblick auf die Strukturen feststellen, daß ein und dieselben Dienststellen oft gemeinsam diese drei Aufgabenbereiche wahrnehmen, wobei der vierte, nämlich die Ergebniskontrolle, noch nicht mit einbezogen wurde. 5. I m Interesse der Analyse haben w i r eine summarische Einordnung dieser Organe vorgeschlagen. Die einen nehmen interministerielle Aufgaben wahr, welche die Gesamtheit oder einen Teil des zentralisierten Staatsapparates umfassen, i m Grunde den gesamten Komplex der öffentlichen Dienste. Einige dieser Organe oder Einheiten arbeiten allen anderen Ministerien zu. Andere wiederum koordinieren die A k t i o n nur einiger von ihnen, die wiederum auf einem ganz bestimmten Gebiet tätig werden: i n der Wirtschafts- und Sozialpolitik, oder i n der Wissenschaftspolitik. W i r schlagen vor, eine dritte Kategorie von Organen getrennt zu behandeln, und zwar diejenigen, welche die Richtlinien der Politik auf dem Gebiet der sogenannten Hilfstätigkeiten ausarbeiten und
Einleitende Bemerkungen: A. Molitor
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koordinieren, das heißt diejenigen Aufgabenbereiche, welche den Betriebseinheiten- und -abteilungen die erforderlichen M i t t e l für Existenz und A k t i o n an die Hand geben. W i r denken hier z.B. an die Politik i m Bereich des öffentlichen Dienstes 1 . A u f der anderen Seite gibt es i n jedem Ministerium auch Dienststellen, die speziell für Aufgaben der Planung, der Ausarbeitung politischer Richtlinien und der Koordinierung der A k t i o n verschiedener Bereiche vorgesehen sind. 6. Noch eine letzte einführende Bemerkung, bevor w i r einen kurzen Kommentar zu den Gedanken abgeben, die sich aus den Vorbereitungsberichten und aus den Diskussionen ergeben haben. Die Lösung für alle hier konkret angesprochenen Probleme steht — dieselbe Feststellung gilt für alle anderen während des Kolloquiums angeschnittenen Fragen — i n engem Zusammenhang m i t dem gesamten politischen Hintergrund und System des betreffenden Landes. Das bedeutet, daß die von Land zu Land selbstverständlich auftretenden Unterschiede bei einem Vergleich zwischen west- und osteuropäischen Ländern noch stärker zu Tage treten. I I . Gemeinsame Tätigkeiten aller Ministerien 1. Einige Verwaltungsdienste werden i n dieser Arbeit nicht behandelt. Die dem Staatschef (Präsidialsystem oder halbes Präsidialsystem) und dem Regierungschef zugeordneten Organe, welche zur direkten und persönlichen Hilfeleistung bestimmt sind, wurden i n dieser Untersuchung nicht m i t einbezogen, da sie zum ersten Thema des Kolloquiums gehören. Es gibt jedoch Einheiten oder Verwaltungsstellen, welche direkt an die beiden genannten Autoritäten gebunden sind und eindeutig Aufgaben wahrnehmen, welche zu den uns interessierenden Tätigkeiten zählen. I m übrigen ist es manchmal schwierig, eine genaue Unterscheidung vorzunehmen. I m englischen Cabinet Office oder i m Deutschen Bundeskanzleramt könnte man sich die Frage vorlegen, welche Referate spezifisch zur Hilfeleistung an den Regierungschef da sind and welche anderen wiederum für die ganze Regierung bestimmt sind. Theoretisch mag eine solche Unterscheidung möglich sein, i n der Praxis erweist sie sich manchmal als zweifelhaft. I n denjenigen Ländern, wo es neben den Verwaltüngseinheiten noch Ministerialkabinette (Cabinets ministériels: Frankreich, Belgien) gibt, fällt die Differenzierung zwar leichter, aber auch hier ist sie nicht immer möglich. Wie dem auch sei: I n den Arbeiten der Berichterstatter, sowie i n der anschließenden Diskussion wurden uns interessante Beispiele von 1 Der konkrete Fall, auf den ich mich hier beziehe, ist Belgien, aber in allen anderen Ländern stellt sich das Problem in ähnlicher Weise.
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
Dienststellen erläutert, welche die Zielsetzungen des gesamten Regierungsbereiches umfassen und auf die eine oder andere Weise die A u f gabe haben, den Erfordernissen gerecht zu werden, die auch uns i n diesem Zusammenhang interessieren. Bei der Beschreibung dieser Organe zeichnet sich eine gemeinsame Tendenz ab, die von bemerkenswertem Interesse ist: Der Wille nämlich, bei der Analyse der Zielsetzungen, der Festsetzung der Prioritäten und dem Aufbau der Aktionsprogramme auf Regierungsebene m i t wissenschaftlichen Methoden zu arbeiten. Dieser Modernisierungsprozeß ist i n zahlreichen, wenn nicht gar i n allen Ländern angelaufen, was w i r z.B. den Berichten der Herren Professoren Chapman und König entnehmen können (innerhalb des Cabinet Office und des Bundeskanzleramtes wurden neue Verwaltungseinheiten geschaffen), sowie auch den Diskussionsbeiträgen verschiedener Teilnehmer. Ein besonders interessantes Beispiel scheint uns der Central Policy Review Staff zu sein. W i r werden hier auch weder den Haushalt, noch die Zentralverwaltungen behandeln, die sich m i t seiner Koordinierung auf der gesamten Regierungsebene befassen, da diese Frage ebenfalls i n einem anderen Teil des Kolloquiums behandelt wurde. W i r können allerdings nicht darauf verzichten, und sei es nur zur Gedächtnisstütze und zwecks besseren Überblicks, auf die wesentliche Rolle hinzuweisen, welche der Haushalt und die i h m zugeordneten Dienststellen bei der Ausarbeitung der politischen Richtlinien spielen, vor allem wenn es u m die Anwendung groß angelegter Verwaltungstechniken geht wie z. B. das P. P. B. S. (Planning Programming Budgeting System) oder die R. C. B. (Rationalisation des Choix Budgétaires). Die Planung ihrerseits geht zweifellos über das eigentliche Thema unserer Arbeiten hinaus, aber man kann dennoch sagen, daß sie es m i t beinhaltet oder zumindest aus nächster Nähe berührt, insofern nämlich, als sie sich für die öffentlichen Dienste als eine zwingende Notwendigkeit erweist. Unter diesem Blickwinkel ist sie auch, oder zumindest könnte sie es sein, ein wirksames M i t t e l für die Festsetzung der Zielvorstellungen, die Aufstellung der Prioritäten und die Koordinierung der politischen Richtlinien. Diese Feststellung g i l t für die Konzeption des Plans und für seine Durchführung. W i r sagten soeben, sie könnte es sein — Dieses Konditional erklärt sich aus dem Umstand, der sich oft zwischen dem Plan als Projekt auf der einen Seite und seiner Durchführung auf der anderen Seite ergibt, und zwar vor allem i n den Fällen, wo die Regierungen die Planung zwar theoretisch zulassen, dann jedoch Vorbehalte gegen deren tatsächliche Durchführung geltend machen, oder nicht die erforderliche politische K r a f t dafür aufbringen.
Einleitende Bemerkungen: A. Molitor
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Dennoch haben die Planungsorgane unter der von uns hier gewählten Perspektive eine bemerkenswerte Bedeutung. Die beiden Berichte, welche dem Kolloquium von Seiten „westlicher" Länder vorgelegt wurden, haben diesen Aspekt der Sache kaum herausgestellt, wahrscheinlich deshalb nicht, w e i l weder die Bundesrepublik Deutschland, noch Großbritannien besonders „planungsfreundlich" sind. Auch bei der Diskussion wurde auf dieses Thema nicht näher eingegangen. 2. Die
Koordinierung
der
gemeinsamen
Tätigkeiten
verschiedener
Ministerien. I n jeder Regierung gibt es große Tätigkeitsbereiche, deren verschiedene Aspekte auf mehrere Ministerien verteilt werden, sofern man nicht die Lösung der „Mammut-Ministerien" gewählt hat, die dann den gesamten Bereich umfassen (z. B. i n Großbritannien). Beispiele für diese Tätigkeitsbereiche (1): Die Wirtschaft (welche neben einem eigentlichen Wirtschaftsministerium noch andere Ressorts wie z. B. das Außenhandelsministerium, das Landwirtschaftsministerium, das Finanzministerium usw. interessiert), der Umweltschutz (wo die Ministerien für öffentliche Arbeiten, öffentliches Gesundheitswesen, Industrie, Finanzen und viele andere i h r Wort mitzureden haben), und die Wissenschaftspolitik (welcher die Aufmerksamkeit des Erziehungs- respektive Kultusministeriums gilt, sowie auch die Aufmerksamkeit des Wirtschaftsministeriums, des Landwirtschaftsministeriums und einiger anderer). Gegenstand unserer Arbeiten war es, die weitreichenden Koordinierungsbemühungen herauszustellen, die i n den genannten Bereichen und i n nach manchen anderen zur Schaffung politischer und administrativer Organe geführt haben, welche eine ausgesprochene Syntheseaufgabe wahrnehmen: Zunächst die Ministerialausschüsse (comités ministériels, siehe Thema IV), ferner die interministeriellen Dienststellen, die manchmal dem Regierungschef zugeordnet sind und dadurch i n den Genuß seiner Schiedsrichterfunktion kommen. A n dieser Stelle taucht der Begriff des integrierten Systems wieder auf, auf den w i r uns zu Beginn dieses Referates bezogen haben. W i r hatten nämlich Gelegenheit als praktisches Beispiel für dieses Modell das System anzuführen, dem i n Belgien die Leitung der Wissenschaftspolitik auf nationaler Ebene obliegt. A n der Pyramidenspitze fällt ein beschränktes Comité ministériel die großen Entscheidungen zwischen den verschiedenen vorgelegten Projekten, bewilligt die erforderlichen Haushaltsmittel und spricht sich über die belgische Beteiligung an internationalen Aktionen aus. Dieses Komitee stützt sich auf die Programmierungsdienststellen für die Wissenschaftspolitik (Services de Programmation de la Politique scientifique) die einem Staatssekretär zugeordnet sind, der seinerseits dem Premierminister unterstellt ist. Die genannten Programmierungsdienststellen arbeiten i n ständiger Verbindung m i t der interministeriellen Kommission für Wissenschaftspolitik (Commis-
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
sion interministérielle de la Politique scientifique), i n der alle betroffenen Ministerien vertreten sind; außerdem steht sie i n ständigem Kontakt m i t einem sogenannten Conseil national de la Politique scientifique, einem Konsultativorgan, das Vertreter aller gegebenen Interessengruppen umfaßt. I n anderen Ländern dürfte es ähnliche Beispiele geben. 3. Koordinierung der Hilfstätigkeiten. Diese Tätigkeiten, gelegentlich auch als funktionale Aktivitäten bezeichnet, umfassen den Einsatz der für die Ministerien erforderlichen Instrumente bei der Durchführung ihrer Aktionen. W i r behandeln diese Hilfstätigkeiten getrennt, weil sie meistens alle großen Verwaltungseinheiten des gesamten Regierungsbereiches betreffen und w e i l sie anders geartet sind als die oben unter Punkt 2. aufgeführten Tätigkeiten (entsprechend der klassischen Unterscheidung zwischen operationeilen Tätigkeiten einerseits und Hilfstätigkeiten andererseits). Sobald es jedoch u m die Durchführung ihrer Aufgaben geht, müssen auch die Grundzüge der Gesamtpolitik definiert werden, i n der sektorielle politische Maßnahmen ihren Platz finden, es müssen Prioritäten i m Dienstleistungsbereich aufgestellt sowie Regeln und Statuten koordiniert werden. Die genannten Hilfstätigkeiten können sich i m öffentlichen Dienst ergeben; ob sie nun die Politik des Verwaltungspersonals betreffen, die Ausarbeitung allgemeiner Satzungen, die Harmonisierung der Besoldungen, oder auch die Zentralisierung der Einstellungspolitik und die Organisation der Ausbildung und beruflichen Weiterbildung der Beamten. Außerdem richten sich die Hilfstätigkeiten auf materielle Aufgaben: auf die Bereitstellung von Gebäuden und Einrichtungen für die Ministerien. Außerdem erfordern noch andere logistische Einrichtungen auf Grund ihrer Bedeutung und ihres spezifischen Charakters eine zentrale, wenn auch nicht unbedingt zentralisierte Handhabung und Kontrolle; w i r denken i n diesem Zusammenhang besonders an die Verwendung der Datenverarbeitung bei den öffentlichen Diensten, eine Frage von inzwischen vorrangiger Bedeutung. Unsere Analyse hat uns zur Feststellung einer bemerkenswerten Entwicklung i m Bereich derjenigen Dienststellen geführt, die sich i n den verschiedenen zu diesem Kolloquium eingeladenen Ländern mit derartigen Aufgaben befassen: die leitenden Stellen i m öffentlichen Dienst (Directions de la Fonction publique), die Bauleitungen (Régies des Bâtiments), die zentralen Stellen für administrative Datenverarbeitung (Services centraux d'informatique administrative), usw. I n einigen Ländern wurden diese Aufgaben nicht nur einzelnen Diensten oder Abteilungen übertragen, sondern eigens dafür bestellten M i n i stern, wie z. B. dem C i v i l Service Department i n Großbritannien.
Einleitende Bemerkungen: A. Molitor
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Es sei noch darauf hingewiesen, daß i n diesen Bereichen mehr als in allen anderen eine Kontroiifunktion gegenüber der Tätigkeit der anderen Ministerien hinzukommt und neben der Ausarbeitung politischer Richtlinien, der Festsetzung von Prioritäten und der Koordinierung (s. u.) eine nicht unwesentliche Rolle spielt. I I I . Die Zuordnung der interministeriellen Koordinierungsdienste (services coordinateurs interdepartementaux) 1. Die Frage, wem diese interministeriellen Koordinierungsdienste zugeordnet werden sollen, ist keineswegs unwesentlich, es ist eine Frage guter Organisation und eine politische Frage voller Politik. Die Lösung dieses Problems dürfte oft von der Wirksamkeit dieser Koordinierungsdienste abhängen. Häufig besteht die Tendenz, alle Dienste dieser Kategorie dem Regierungschef beizuordnen. Aus dieser Lösung ergibt sich der Vorteil, daß die betreffenden Dienste sich dann i n zentraler Position befinden, d. h. in unmittelbarem Kontakt m i t der höchsten politischen Funktion. Ein Nachteil ist darin zu sehen, daß der Regierungschef durch diese Lösung Aufgaben, Entscheidungen und schiedsrichterlichen Funktionen buchstäblich überlastet wird, so daß der erwartete Nutzen der Sache letzten Endes ausbleibt. Das Dilemma w i r d sich dadurch lösen lassen, daß diese Koordinierungsdienste Staatssekretären oder Unterstaatssekretären unterstellt werden, d. h. also Ministern zweiten Ranges, die ihrerseits wiederum vom Regierungschef abhängig sind. A u f diese Weise kann dieser seine Autorität indirekt und ohne eigene Überlastung zur Geltung bringen. Die Koordinierungsdienste könnten auch an einige der großen M i n i sterien angeschlossen werden (Finanzen, Volkswirtschaft, usw., je nach Gebiet), wobei dieser Modus allerdings des öfteren zu dem V o r w u r f führt, der eine oder andere Minister bekäme dadurch zuviel Macht i n die Hand. Manchmal wurde auch die Lösung sogenannter Koordinierungsminister ohne Portefeuille gewählt, die dann aber eine Planungszelle zugeordnet bekommen. Unter anderem läßt sich ein solches Beispiel in Belgien anführen (Regierung Harmel 1965 - 66), das allerdings keinen wegweisenden Charakter hatte. Eine weitere Möglichkeit ist die „ K o ordinierung durch Absorption", für die es i n Großbritannien interessante Beispiele gibt: Umweltschutzministerium („Mammutministerium") — Ministerium des öffentlichen Dienstes (Hilfstätigkeiten). 2. Die jeweils gewählten konkreten Lösungen variieren natürlich von Land zu Land, und zwar i n Zusammenhang m i t historischen Faktoren,
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
Fragen technischer Rationalität, politischer Opportunität, bestimmter Kräfteverhältnisse usw. I V . Innerhalb der Ministerien 1. Innerhalb jedes einzelnen Ministerium ergeben sich die gleichen Erfordernisse wie für den gesamten Regierungsapparat. Hier geht es i m wesentlichen darum, die A k t i o n der verschiedenen großen operationeilen Dienste zu harmonisieren, die jeweils m i t einer der Hauptaufgaben betraut sind, welche zur allgemeinen Zielsetzung des Ressorts gehören. Außerdem g i l t es auch, mittelfristig und langfristig die Bedingungen für die Durchführung dieser Aufgaben zu definieren, sowie die Ziele, welche i m Zusammenhang m i t der Entwicklung von Staat und Gesellschaft verfolgt werden sollen. 2. Dieser letzte Punkt ist per definitionem eine Aufgabe, die direkt i n den Zuständigkeitsbereich des Ministers fällt. Selbstverständlich müssen zu ihrer kontinuierlichen Durchführung bestimmte M i t t e l eingesetzt werden. 3. Diese Mittel, bzw. diese Ausgangsbasis kann der Generalsekretär des betreffenden Ressorts sein, sofern es einen gibt — jedenfalls meinen w i r damit den hohen Beamten, der unter verschiedenen Bezeichnungen an der Spitze der Zentralverwaltung steht. Einen solchen gibt es nicht i n allen Ländern (Frankreich). Aber dort, wo es ihn gibt, kann er i n Zusammenarbeit (Team-work) m i t den Abteilungsleitern aktiv an der Ausarbeitung und Koordinierung der politischen Richtlinien wirken und vor allem die Kontinuität gewährleisten. 4. Manchmal überträgt der Minister diese Aufgabe einem Cabinet persönlicher Mitarbeiter, deren Charakteristikum es ist, daß sie diese Funktion nicht ständig ausüben. Die Probleme, welche sich aus der Existenz dieses Räderwerks und aus diesen Beziehungen m i t der obersten Verwaltung ergeben, sind ja allgemein bekannt. 5. Seit kurzem macht sich die Tendenz bemerkbar, i n jedem Minister i u m eine Zentraleinheit zu schaffen, welche auf dem hier behandelten Gebiet mehr eine Rolle langfristiger Beratung und Reflexion übernimmt als eine eigentliche Koordinierungsaufgabe (Beispiele dafür i n Großbritannien und Frankreich). V. Offizielle und inoffizielle Formen 1. Die vorausgegangenen Überlegungen stellen eine Zusammenfassung der Feststellungen dar, die sich aus der Untersuchung des Themas,
Einleitende Bemerkungen: A. Molitor
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sowie aus unseren Diskussionen über die Regierungs- und Ministerialdienste ergeben haben, d.h. also die offiziellen Strukturen , die dazu geschaffen wurden, u m den wachsenden Erfordernissen bei der Ausarbeitung der politischen Richtlinien, der Festsetzung der Prioritäten und der Koordinierung der Aufgaben gerecht zu werden. 2. Es dürfte müßig sein, auf den Abstand hinzuweisen, der auf diesem Gebiet wie i n jeder Organisation öffentlichen oder privaten Charakter zwischen den förmlichen, offiziellen Strukturen einerseits und der konkreten Realität der Ausübung von Befugnissen, sowie der Verteilung der Entscheidungsgewalt auf der anderen Seite besteht. 3. I n einigen Fällen — und dafür konnten w i r konkrete Beispiele anführen — erfüllen die offiziellen Strukturen die ihnen übertragenen Aufgaben i n wirksamer Weise. I n anderen Fällen, und aus verschiedenen Gründen, die w i r hier nicht zu vertreten haben, werden diese Aufgaben außerhalb der eigentlich dafür vorgesehenen Strukturen wahrgenommen. Manchmal werden sie sogar ohne jede Formalisierung, d.h. ohne eigens für sie geschaffene spezifische Strukturen wahrgenommen. I n diesem Zusammenhang muß auf die überragende Rolle hingewiesen werden, welche Einzelpersönlichkeiten spielen können, sei es, daß ihnen die Regierung das dafür erforderliche Vertrauen schenkt, sei es, daß sie spontan handeln auf der Grundlage ihres u r eigenen „Charisma" . . . VI. Schlußbemerkungen 1. I n den nach dieser Einführung veröffentlichten Berichten wurden weder unsere begrifflichen Kategorien, noch unser gedanklicher A u f bau übernommen. Die Berichterstatter haben i n dieser Hinsicht eine v o l l und ganz gerechtfertigte Freiheit genossen, sie sie auch sinnvoll wahrzunehmen wußten. Außerdem, und auch m i t vollem Recht, haben sie es für angebracht gehalten, sich speziell m i t einigen Aspekten des Problems zu befassen, während w i r aus methodologischen Gründen versucht haben, i n den vorangegangenen Überlegungen das gesamte Thema zusammenzufassen, damit unsere Einführung als Referenz brauchbar ist. A u f jeden Fall stößt man i n den Berichten und i n den Diskussionen auf ein und dieselbe Problematik, u m deren Synthese w i r uns bemüht haben. 2. Der Kongruenz der Problematik entspricht die Divergenz der vorgeschlagenen Lösungen, ein ganz normaler Vorgang, wenn man die von Land zu Land bestehenden Unterschiede berücksichtigt. Diese Unterschiede machen sich i n der staatlichen Struktur bemerkbar (Einheitsstaat oder Bundesstaat), i m politischen System (Unterschiede zwi-
2 0 6 T h e m a I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
sehen den Ländern Ost- und Westeuropas), i n der Regierungsform (Präsidialregime — Kabinettsregierung — Zwischenform), i n Rolle und Bedeutung der Planung, usw. usw. W i r waren uns alle von vornherein darüber einig, daß w i r keine „Musterlösung" finden könnten, ein per definitionem zu verwerfender Gedanke. Aber der Vergleich der verschiedenen Erfahrungen hat durchaus seinen Wert; er hat es uns manchmal ermöglicht, partielle Analogien i n den verschiedenen Lösungsmodellen herauszuarbeiten, sowie ein grundlegendes allgemeines Interesse für das festzustellen, was eines der Hauptprobleme i n den politisch-administrativen Systemen unserer Zeit ist und auch zu sein hat. Schließlich hat der Erfahrungsaustausch verschiedene Punkte hervorgehoben, die w i r kurz behandeln wollen. 3. Der erste dieser Punkte ist die Koordinierung als Kompetenzoder Machtfaktor, der i m Zusammenhang mit der Entscheidungsgewalt gesehen werden muß. I m Verlaufe unserer Diskussionen sind w i r vom Gedanken der Koordinierung als selbstverständliche Voraussetzung ausgegangen. Anschließend wurden die Autoritätsmißbräuche- und Überschreitungen kritisiert, die i n der A k t i o n derjenigen Dienste vorkommen können, welche m i t der Aufstellung der Prioritätenlisten und der Harmonisierung der sektoriellen A k t i o n beauftragt sind, und w i r haben zum Abschluß dieser Gedankengänge die Koordinierung als Ausübung einer schiedsrichterlichen Entscheidungsgewalt i n Frage gestellt. Dennoch wurde die Diskussion über diesen Punkt abgeschlossen m i t der Unterscheidung zwischen den Zielen einerseits und den Verfahren dieser A k t i o n andererseits. Die Ziele: Es geht darum, das Gleichgewicht zu wahren zwischen der Zielautonomie der besonderen Strukturen einerseits und der Konvergenz ihrer A k t i o n i n Richtung auf eine integrierte Politik andererseits. Die Verfahren: Nach Möglichkeit soll auf der Grundlage der Konzertation vorgegangen werden, aber beim Scheitern dieses Verfahrens ist eine Entscheidung von oben herbeizuführen. Unter dieser Perspektive betrachtet impliziert das bürokratische Schema (Weber hat das ausdrücklich gesagt) bereits grundlegende Koordinierungselemente, die heute natürlich durch den Beitrag der zeitgenössischen Analyse über die großen Organisationsformen gemäßigt und ergänzt werden müssen. 4. Ein anderer mächtiger Harmonisierungsfaktor für die politischen Richtlinien ist eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen administrativen Einheiten verschiedener Ebenen und vor allem, u m an unser eigentliches Thema anzuknüpfen, auf höchster Ebene: nämlich zwischen den Ministerien (Problem der Mammut-Ministerien usw.).
Einleitende Bemerkungen: A. Molitor
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5. Die Strukturen für die Harmonisierung der Politik führen i n jedem Falle zu spezifischen Problemen. W i r haben weiter oben auf den Unterschied zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Formen hingewiesen, sowie auf die Rolle leitender Persönlichkeiten (Beispiel: die Generalsekretäre der Ministerien). Zum Abschluß sollen noch folgende Probleme kurz gestreift werden: — das Risiko der „parkinsonschen Aufblähung" dieser Verwaltungsstrukturen, die per definitionem leicht zu handhaben sein sollten; — der Machtkampf zwischen den Harmonisierungsstrukturen einerseits und den sektoriellen Diensten (Teilbereiche andererseits). 6. Abschließend wollen w i r auf die Überlegungen zu den speziellen Qualifikationen hinweisen — geistiger, psychologischer und technischer A r t —, die vom Personal dieser zentralen Verwaltungsstrukturen erwartet werden, und zwar nicht weil es sich hier u m eine besondere A r t von Beamten handelte, sondern w e i l sie bei der Ausübung dieser Tätigkeiten ihre Begabungen i n einer ganz neuen Perspektive einsetzen müssen. Z u diesem Zweck sollte eine besondere Ausbildung oder Fortbildung vorgesehen werden.
Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Planung im Bereich der Politikentscheidung und Prioritätensetzung Länderbericht: Großbritannien von Richard A. Chapman Obwohl sich die konstitutionelle Seite der britischen Regierung seit 1945 kaum gewandelt hat, so hat sich doch die Handhabung der Regierungsaufgaben i n den letzten 10 bis 15 Jahren bedeutend verändert. Diese institutionellen und verfahrensmäßigen Änderungen jedoch, die sowohl die Unabhängigkeit der Ministerien, wie auch die Abhängigkeit untereinander betreffen, sowie die Koordination und Kontrolle derselben von Seiten des Parlaments, sind — zusammen m i t den jeweiligen Komitees und Ausschüssen — mittlerweile so stark geworden, daß sie auf die grundsätzliche Verteilung der Regierungsentscheidungen bereits Einfluß genommen haben. Der konstitutionelle Rahmen scheint wenig verändert; und auch heute noch verweisen Verfasser von Lehrbüchern, Lehrer, Professoren und Politiker auf die ziemlich mechanisch gehaltene Analyse des 1919 erschienenen Berichts über den Regierungsapparat, wenn Fragen nach der Lenkung der Politik oder der Bestimmung von Prioritäten auftauchen. I n diesem Bericht beschreibt Haidane die Hauptmerkmale des Kabinetts wie folgt: 1. es hat die letzte Entscheidung über Entwürfe, die dem Parlament unterbreitet werden sollen. 2. es verkörpert die höchste Macht der nationalen Exekutive i m Einvernehmen m i t der vom Parlament vorgeschriebenen Politik. 3. es beaufsichtigt ständig die Koordination und Abgrenzung Aktivitäten der verschiedenen Ministerien i m Staat 1 .
der
Hier hat Haidane jedoch zwei wichtige Faktoren außer Acht gelassen. Der erste ist, daß das britische Ministerkabinett normalerweise aus Mitgliedern der gleichen politischen Partei zusammengesetzt ist. Dem1 Report of the Machinery of Government Committee, Cd. 9230, paragraph 6, London, H M S O 1918.
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene P l a n g s e i n h e i t e n
zufolge ist jeder Bericht über Politik und Planung einseitig, der i n unseren Jahrzehnten die Rolle des Kabinetts besonders hervorhebt, da er die zahlreichen anderen, auf die Planung einflußnehmenden Elemente unseres so viel weiterentwickelten Regierungssystems, außer Acht zu lassen droht. Die ganze Sache ist auf keinen Fall so einfach wie Haidane sie darstellt. Außerdem sah Haidane die Planungsfunktion des Kabinetts mehr i n Hinblick auf das legislative Programm. Dies jedoch hängt wesentlich von der so wichtigen Bereitstellung von Fakten und Statistiken ab, die den Ministern den wahren Einblick i n die jeweilige Lage verschaffen, damit sie sich darüber klar werden können, welche Maßnahmen wirklich praktikabel sind und sich nicht nur von rein wünschenswerten Zukunftsplänen leiten lassen. Zweitens hat Haidane die parteipolitischen Aufgaben des Kabinetts unerwähnt gelassen, nämlich dafür zu sorgen, daß seine Regierung an der Macht bleibt. Und es ist vielleicht nicht ganz unberechtigt zu behaupten, daß diese spezielle Aufgabe eine so übergeordnete Rolle spielt, daß anderen A u f gaben i m Vergleich weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Während Haldane's Analyse weiterhin die formalistische und konstitutionelle Position erörtert, haben neue Tendenzen zur Bewältigung der Regierungsgeschäfte ihren Weg i n das Regierungssystem gefunden und damit den Charakter desselben verändert. Dies geschah nicht ohne das Einverständnis der Politiker, ganz i m Gegenteil, die Veränderungen wurden bereitwillig von ihnen selbst eingeführt. Es ist jedoch anzunehmen, daß sie nicht ganz ermessen konnten, welche unbeabsichtigten Folgen sie haben würden; auch war ihnen w o h l auch nicht ganz klar, daß die Initiative für diese Änderungen weder von Seiten der Legislativen noch von der Exekutiven, sondern von anderen Quellen herrührte. I. Koordination und Planung innerhalb des Begierungsapparats Jede Analyse der Koordination und Planung i n der Politik der britischen Regierung ist m i t einer zweifachen Problematik konfrontiert. Einerseits müßte erst einmal unterschieden werden, was als Politik und was als Verwaltung gilt, und andererseits müßte herausgefunden werden, welche Beziehung zwischen den Politikern m i t ihren Ratgebern und den, die Koordination und Planung vertretenden, Fachleuten mit den gemeinsamen Ausschüssen der Ressorts, besteht. Und jede Analyse, die vorgibt, es bestünde eine deutliche Wechselbeziehung zwischen diesen zwei Problemgebieten, waren i n unseren 70er Jahren völl i g fehlleitend. Früher war die Situation wesentlich einfacher, w e i l das Ausmaß der Regierungsaktivitäten kleiner war, und w e i l Verwaltungsprobleme meist ohne den modernen verwaltungstechnischen Apparat gelöst wurden.
Länderbericht Großbritannien: A. Chapman
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Die Tatsache besteht jedoch, daß die Vergrößerung des Staates u n d neuste Entwicklungen der Forschung f ü r V e r w a l t u n g u n d öffentliche Dienste strukturelle Änderungen der Koordination u n d Planung m i t sich gebracht haben. I n England konzentrieren sich diese Veränderungen erstens auf eine neue Einstellung zu Zuständigkeits- u n d K o o r d i nationsfragen, u n d zweitens auf den A u f b a u großer Verwaltungskörperschaften, auch „Giganten" genannt. Diese zwei Veränderungen sind i m wesentlichen verwaltungstechnischer A r t . Dazu k o m m t aber die gesetzliche Einführung politischer Ratgeber — analog zu den P r i v a t sekretariaten oder cabinets der französischen Minister — die als Neuerung, vor allem auf politischem Sektor, angesehen werden darf. Die Neuerungen, die Zuständigkeit u n d Koordination betreffen, haben ihre Wurzeln i m 1961 erschienenen Bericht des Plowden-Komitees über die Überwachung öffentlicher Ausgaben2. Z w e i Ausschüsse sind i n diesem Zusammenhang entstanden: PESC Public Expenditure Survey Committee u n d P A R Programme Analysis Review. M i t v e r a n t w o r t l i c h für die Gründung dieser Ausschüsse ist auch die Entwicklung des Managements mittels ziel- u n d programmbedingter Haushaltung. Das Plowden-Komitee wurde 1959 unter Aufsicht des Schatzkanzlers ins Leben gerufen, u m die Prinzipien u n d Praktiken, die die Exekutive zur K o n t r o l l e öffentlicher Ausgaben verwendet, überprüfen zu lassen. Dieses Komitee w a r die Folge der Besorgnis, die das Select Committee on Estimates 3 i m Jahre 1957/58 bezüglich der Finanzplanung u n d Ausgabenüberwachung Ausdruck gab. Hier w u r d e auf die i m 19. Jahrhundert entwickelte britische Methode der stückweisen Einzeleintscheidungen von Staatsausgaben hingewiesen u n d behauptet, daß diese Methode nicht mehr angemessen sei. Wachsendes Ausmaß u n d komplexere V e r wendung der öffentlichen Ausgaben, längere Zeitabschnitte f ü r das Planen u n d E r f ü l l e n politischer Aufgaben u n d neues wirtschaftliches Denken bedingten eine Erneuerung der Methode. Deshalb empfahl das Komitee regelmäßige Überprüfung der Gesamtausgaben, konsequentere Entscheidungen über die Verwendung öffentlicher Gelder, Modernisierung der öffentlichen Finanzbuchhaltung u n d einen effektiveren Apparat zur Vereinfachung kollektiver Entscheidungen innerhalb des Regierungssystems. Außerdem wurde empfohlen, systematisch zu versuchen, die A r b e i t verschiedener Ressorts auf ähnlichen Gebieten zu koordinieren. Während i n verschiedenen Ressorts die v o m Plowden-Komitee empfohlenen Vorschläge, m i t H i l f e der I n i t i a t i v e u n d des Rats des Schatz2
Control of Public Expenditure, Cmnd. 1432, HMSO, 1962. Select Committee of Estimates, Sixth Report, Session 1957 - 58, Treasury Control of Expenditure, HC 254, HMSO, 1958. 8
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ministeriums, überdacht und angewandt wurden, stellte die Regierung 1966 den Fulton-Ausschuß auf, der zwei Jahre später über das Civil Service referieren sollte 4 . Dieser Ausschuß war vor allem daran interessiert, moderne Verwaltungstechniken und Methoden einzuführen, die das C i v i l Service leistungsfähiger machen sollten. „Da die Aufgaben der Regierung größer und komplexer geworden sind, ergibt sich die Notwendigkeit für Beratung und Koordination" 5 . Der Fulton-Ausschuß macht mehrere Vorschläge, von denen einige besonders wichtig für die politische Koordination waren. Sie riefen Planungsgruppen ins Leben zur Unterstützung richtungsbestimmender, politischer Entscheidungen. U m den Verlauf solcher Entscheidungen gezielter zu gestalten, schlug der Ausschuß vor, daß Verwaltungsbeamte sich i n den Fachgebieten spezialisieren, m i t denen sie hauptsächlich zu t u n haben, also vornehmlich m i t Gebieten des Wirtschaft-, des Finanz- und Sozialwesens. Zu diesem Zweck sollten, speziell für Staatsbeamte, bestimmte Kurse zur Ausbildung eingerichtet werden und ein sorgsamer ausgearbeitetes Staatsbeamtenlaufbahnsystem ausgearbeitet werden 6 . I m Zusammenhang m i t diesen und anderen Vorschlägen empfahl der Ausschuß die Einrichtung von Beamtencolleges zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten innerhalb des Staatsdienstes, eine Abteilung für gezielte Planung bezüglich der Anwerbung und der Zahl des Personals und außerdem die Bereitstellung hochentwickelter Verwaltungsdienste. Er hob besonders hervor 7 , daß Ministerien Verwaltungsgruppen inkorporieren sollten, die mehr Verantwortung tragen, als bislang O und M Abteilungen zustanden. Beeindruckt von dem kurzen Einblick, den Lord Fulton und seine Kollegen i n das Politikwesen Frankreichs und Schwedens hatten, befürworteten sie die Entwicklung kleinerer sogenannter Planungsgruppen für die verschiedenen Ressorts 8. Solche Gruppen sollten von relativ jungem Personal besetzt werden, das an langfristiger, richtungsweisender Planung interessiert ist und dem der Apparat zur Zusammenstellung und zur Analyse wichtiger Informationen zur Verfügung steht. Die Hauptaufgabe der Gruppe besteht darin, die Bedürfnisse und Probleme der Zukunft zu studieren und eventuelle Möglichkeiten zu ihrer Lösung auszuarbeiten. Gleichzeitig muß die Gruppe darauf achten, daß alle gegenwärtigen Entscheidungen, m i t dem vollen Bewußtsein ihrer möglichen zukünftigen Auswirkungen, getroffen werden. Der Leiter einer solchen Gruppe wäre ein Senior Policy Advisor, der unter Umständen nicht i m Staatsdienst steht und 4 The Civil Service, Vol. 1, Report of the Committee 1966 - 68, Cmdn. 3638, HMSO. 5 Ibid., paragraph 9. • Ibid., Chapter 2. 7 Ibid., paragraph 165. 8 Ibid., paragraph 173.
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gerade deshalb dem progressiven Denken neuen Impetus verleihen kann. Dieser Senior Policy Advisor w i r d vom Minister des jeweiligen Hessorts selbst gewählt 9 . I n der Zeit u m 1970 wurden die Neuerungen i n Punkto Zuständigkeit und Koordination durch PESC und PAR i n vielen Hessorts eingeführt und anerkannt. Das Public Expenditure Survey Committee (PESC), das vor allem die Verteilung der finanziellen M i t t e l unter die Ressorts überprüft, ist die direkte Folge eines Vorschlags des Plowden-Komitees. Obwohl das Schatzministerium bereits i n kleinem Umfang Wege zur Kontrolle öffentlicher Ausgaben gebahnt hatte, so fand die erste umfangreiche Gesamtüberschau aller Staatsgelder, die einen Etatplan für die darauffolgenden fünf Jahre einbegriff, erst i m Jahre 1961 statt 1 0 . Technisch gesehen ist das momentane PESC ein Ausschuß des Schatzministeriums, es gehören i h m aber die Principal Finance Officers aller größeren, Staatsgelder ausgebenden, Ressorts an. Dieser Ausschuß stellt jährlich einen Bericht zusammen, i n dem aufgezeigt wird, wie sich die momentane politische Richtung auf die Verwaltung der öffentlichen Gelder auswirkt und innerhalb der darauffolgenden fünf Jahre auswirken wird, — vorausgesetzt die Preise bleiben über diesen Zeitraum hinweg stabil. Darüber hinaus werden i n dem Bericht die möglichen Auswirkungen i m Fall einer politischen Richtungsänderung erörtert 1 1 . Dieser Jahresbericht w i r d den Ministern i m Juni überreicht zusammen m i t einem, vom Schatzministerium selbst verfaßten, jährlichen Gutachten der wirtschaftlichen Lage, das die gleiche Zeitspanne behandelt, wie der Bericht des PESC Ausschusses. Es enthält außerdem eine Voraussage der Bilanzen, eine Schätzung der erwarteten wirtschaftlichen Wachstumsquote und andere wichtige wirtschaftliche Indikatoren. PAR jedoch ist ein Ausschuß innerhalb eines Ressorts und ist das Resultat der post-Fulton Reformen. Er ist dafür verantwortlich, daß die jeweiligen Ressorts eine möglichst klare und brauchbare Erklärung ihrer Ziele und Prioritäten zur zentralen Begutachtung abgeben, bevor die Finanzenverteilung beginnt. Dies ist i n der Tat die A r t und Weise der Haushaltsplanung, wie sie sich innerhalb der britischen Regierung entwickelt hat. Sie zielt darauf ab, wie John Garret vor kurzem erklärte, die analytischen Vorarbeiten zu verbessern, auf denen spätere 9
Ibid., paragraph 182. 10 Vergleiche Sir William Goldman: „New Techniques in Government Budgeting: 1. The Presentation of Public Expenditure Proposais to Parliament", Public Administration, Vol. 48, pp. 247 - 261, 1970. Vergleiche ebenso Public Expenditure White Papers, Handbook on Methodology, 72, HMSO. 11 Select Committee on Procedure, Session 1968 - 69, H C 410, The Planning and Control of Public Expenditure, Memorandum by H M Treasury, p. 19. Quoted by John Garrett: The Management of Government, Penguin Books, p. 106, 1972.
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Entscheidungen der Finanzverteilung basieren. Gleichzeitig möchte der PAR der Gefahr der Überanalyse aus dem Wege gehen, eine Gefahr mit der die Fachleute des amerikanischen PPB schwer zu kämpfen haben. PAR befaßt sich w o h l hauptsächlich damit, eine Rechtfertigung für ein paar wenige Schlüsselprogramme zu finden, die ein für allemal als gültig erklärt werden können. Der Ausschuß scheint sich weniger m i t Fragen der Verbesserung der Planungs-, Haushaltsplanungs- oder Verwaltungsverfahren innerhalb eines Ressorts zu beschäftigen 12 ." Somit sind PESC und PAR zwei einflußreiche Gruppen, die i n den bestehenden zentralen Regierungsapparat für Richtlinie und Planung eingebaut sind. Jedes Ressort muß sich nun den Bestimmungen der beiden Ausschüsse fügen; und damit nun ist die Notwendigkeit, besonders i n großen Ressorts Planungsgruppen, so wie sie der Fulton-Bericht vorschlug, einzusetzen, ganz deutlich zu Tage getreten. I n den 50er Jahren gab es zwar schon von Verwaltungsbeamten geleitete Gruppen, die wichtige Arbeit zur Fortentwicklung leisteten, aber nur wenige unter ihnen waren i n ihrer Funktion anerkannt. Diese Situation resultierte zum Teil aus der verschiedenen Einstufung von Forschungs- und Verwaltungspersonal innerhalb des britischen C i v i l Service. Zum anderen glaubte man damals noch, es ließe sich eine klare Trennimg zwischen Politik und Verwaltung ziehen. Man gab selten zu, daß Staatsbeamte an politischen Entscheidungen beteiligt waren, und das Märchen, daß nur Politiker Politik machen, wurde aufrecht erhalten. Deshalb wurde auch das Prinzip ministerieller Verantwortlichkeit — zumindest i n der Öffentlichkeit immer sehr hervorgehoben. Eine der Schwierigkeiten, denen sich die neuen Planimgsverfahren gegenübersehen, resultiert aus der Tatsache, daß der natürliche Planungszyklus eine Zeitspanne von 10 Jahren umfaßt, während der längste politische Zyklus zwischen Wahlen höchstens 5 Jahren beträgt. Daher ist das Meiste, was i n den jeweils bevorstehenden 5 Jahren geschieht, bereits vorausbestimmt, und die meisten Minister müssen m i t dem Resultat der Planungserfolge oder Mißerfolge ihrer Vorgänger leben. Sir W i l l i a m Pile, ständiger Sekretär i m Ministerium für Erziehung und Wissenschaft, hat vor kurzem gesagt 13 , der Planungsapparat erfülle zwei Funktionen. Die erste Funktion ist analytischer Natur, sie ist eine A r t Nachrichtendienst, der so genau und brauchbar wie möglich die Charakteristiken der gegenwärtigen politischen Richtlinien und Programme beschreibt und gleichzeitig darauf hinweist, welche Veränderungstendenzen diese Charakteristiken aufweisen werden, obwohl 12
John Garrett: The Management of Government, p, 148. Sir William Pile: „Corporate Planning for Education in the DES", Public Administration, Vol. 52, pp. 13 - 25, 1974. 13
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weder Richtlinie noch Programm selbst bewußt abgeändert wird. Die zweite Funktion besteht i n der Aufgabe, den Ministern entscheiden zu helfen, welche Pläne sie verwirklichen wollen. Hier w i r d sich m i t Fragen der Zielsetzung, Auswahl und Priorität befaßt. Die Beschäftigung m i t diesen Fragen ist jedoch völlig sinnlos, wenn nicht vorher i n Erfahrung gebracht wurde, was unter den Einflüssen der momentanen Polit i k geschieht und wohin diese Politik führen wird, wenn keine Änderungen vorgenommen werden. Rein praktisch gesehen, erklärt Sir W i l l i a m Pile, setzt sich der Planungsapparat i n dem Ressort für Erziehung und Wissenschaft heute aus folgenden Elementen zusammen: 1. Eine, die Richtlinien bestimmende Policy steering group unter dem Vorsitz des ständigen Staatssekretärs, der die Dienstältesten des Verwaltungs- und Fachpersonals angehören. Die Aufgabe dieser Gruppe ist es, a) das Planungsprogramm zu bestimmen — dies geschieht i n Beratung m i t den Ministern, b) besondere Planungsübungen zu veranlassen, c) dafür zu sorgen, daß der der jeweiligen Aufgabe angemessene Planungsapparat zur Verfügung steht, d) Resultate i n Empfang zu nehmen und, wo angebracht, zu begutachten, bevor sie den Ministern unterbreitet werden. 2. Mehrere Policy Groups, meist unter dem Vorsitz des deputy secretary. Jede dieser Gruppen gehört zu einem größeren Bereich innerhalb des Ressorts, wie zum Beispiel zur Planung des Schulwesens oder der Höheren Ausbildung. Jede Gruppe setzt sich aus einer Anzahl „under-secretaries" zusammen, die Verwaltungsabteilungen leiten, und aus Fachleuten wie „H. M. Inspectors", Statistikern, Wissenschaftlern, Architekten, Quantitätsprüfern und Rechnungsführern. Diese Gruppen tendieren dazu, sich i n Untergruppen zu teilen, u m besondere Fachgebiete zu behandeln. Es sind aber außerdem auch vielseitige Fachgruppen i m ganzen Ressort eingerichtet. 3. Ein Planungsausschuß, der von einem „under-secretary" geleitet wird, welcher ex officio Mitglied der Policy Steering Group ist. I m wesentlichen sorgt dieser Plänungsausschuß dafür, die Policy Steering Group i n Stand zu halten, die Führung zu übernehmen, wenn Material i n der Zusammenarbeit von Verwaltung und Spezialisten i n Vorbereitung steht und allgemein für die Folgerichtigkeit der Methodik und Koordination der Bemühungen innerhalb des ganzen Planungswesen des Ressorts zu sorgen 14 . Die neuesten allgemeinen Entwicklungstendenzen i m zentralen Regierungsapparat sind die Folge des „White Paper" über Die Reorganisa14
Ibid., pp. 16 - 17.
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tion des zentralen
Regierungsapparats
15
,
das 1970 v e r ö f f e n t l i c h t w u r d e .
Obwohl dieses White Paper während der damals erst kürzlich gewählten konservativen Regierung herauskam und innerhalb des Rahmens konservativer Richtlinien gehalten ist, ist es doch das Resultat langfristiger Untersuchungen und füllt somit die Lücke i m Fulton-Bericht, dessen Aufgabe diese Untersuchungen nicht einbegriff. Das White Paper schlug vor, die Verteilung von Verantwortung derart zu regeln, daß sie i n direktem Zusammenuang m i t der Funktion der jeweiligen Ressorts steht. „Die Organisation eines Ressorts sollte von den speziellen Aufgaben und Zielen desselben bestimmt sein, anstatt Verantwortung willkürlich unter verschiedenen Ressorts aufzuteilen, so daß jedes dann mit einer Klientengruppe zu t u n hat 1 6 ." Umfangreiche Ressorts sollten ihre verschiedenen Funktionen i n Gruppen zusammenfassen, u m eine Anzahl von Gebieten m i t einheitlichen Richtlinien zu schaffen. Diese daraus resultierenden größeren Ressorts, so behauptet das White Paper, würden dann viele Vorteile aufzeigen. Der Hauptvorzug solcher Superministerien wäre die Möglichkeit, eine i h m angemessene eigene Strategie entwickeln und seine eigenen Prioritäten bestimmen zu können. Konflikte beim Entwurf und bei der Ausführung politischer Richtlinien könnten dann innerhalb des Ressorts ausgetragen werden, anstatt m i t Hilfe interministerieller Ausschüsse oder der Minister des Kabinetts. Man hoffte i n der Tat als Folge dieser Entwicklung, den Umfang des Kabinetts reduzieren zu können. Superministerien sollten groß genug sein, eine eigene spezialisierte Managementabteilung unterhalten zu können. Auch sollte es diesen Superministerien leichter gemacht werden, auf die Gesamtstrategie der Regierung Einfluß zu nehmen. Der Hauptnachteil, den diese Entwicklung m i t sich bringen würde, erstens durch das Ausmaß der Verantwortung und zweitens durch die Notwendigkeit, die kollektive Verantwortung unter den fünf oder sechs Ministerien der Superministerien aufrecht zu erhalten. Den Vorschlägen des White Papers zufolge konnte eine große Zahl an kleineren Ressorts i n fünf Superministerien zusammengefaßt werden: 1. das Ressort für Handel und Industrie, 2. das Ressort für Umweltfragen, 3. das Verteidigungsministerium, 4. das Ressort für Gesundheit und soziale Sicherung und 5. das Außen- und Commonwealthministerium. Bei den drei letztgenannten mußten kaum Veränderungen vorgenommen werden, da sie bereits als große Organisationen existierten, sie mußten lediglich durch eine neue Brille betrachtet werden. Während der letzten zwei Jahre sind jedoch neue Probleme i n diesen neuen Ressorts aufgetaucht. Die Strukturen, die erst vor so kurzer Zeit eingeführt wurden, werden schon wieder i n manchen Aspekten abge15 16
The Reorganization of Central Government, CMnd. 4506, HMSO, 1970. Ibid., paragraph 8.
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ändert; darüber hinaus existieren mehr Vorschläge, sie auch weiterhin i n mehrerer Hinsicht zu modifizieren. Das Ressort für Handel und Industrie, zum Beispiel, hat sich wegen interner Managementschwierigkeiten i n drei neue Kleinministerien gespalten.
II. Diesbezügliche Änderungen der Organisation und des Management innerhalb der Ressorts Obwohl verschiedene Änderungen der Organisation und des Management innerhalb der Ressorts zur Verbesserung der Koordination und der Richtungsbestimmung unternommen worden sind, so sollten doch zumindest dreien von ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das wären Änderungen i n Personalplanung und Personalentwicklung i m ganzen Staatsdienst, Änderungen i m Schatzminister i u m und neueste Erfahrungen, die die politischen Ratgeber und Planungsgruppen innerhalb der einzelnen Abteilungen betreffen. Die Personalplanung und Entwicklung hat während der letzten 10 Jahre dramatische Veränderungen mitgemacht. Bevor der FultonBericht herauskam, trug das Schatzministerium die Hauptverantwortung i n Personalfragen. Aus verschiedenen Gründen aber erhielt seine Arbeit auf diesem Gebiet keine große Anerkennung, auch konnte der Fulton Ausschuß i n mancher Hinsicht nicht die benötigte Information vom Schatzministerium erhalten. Deshalb machte der Fulton-Ausschuß zwei wichtige Vorschläge, die, sobald der Bericht herauskam, von der Regierung durchgeführt wurden. Es wurde empfohlen, die Abteilung für Gehälter und Personalmanagement aus dem Schatzministerium zu lösen und sie der Civil Service Commission zu übergeben, und zwar i n das neugeschaffene Ressort des C i v i l Service. Außerdem sollte ein C i v i l Service College eingerichtet werden. Demnach hat sich das C i v i l Service Ressort seit den letzten 6 Jahren m i t Personalforschung und Personalentwicklung und m i t der Organisation der zentralen Regierung befaßt. Es prüfte einige der Problemgebiete, die der Fulton Ausschuß eingehend zu untersuchen empfohlen hatte, es unternahm eine „O and M " Begutachtung, es regte an, Personalexperten zur Analyse bestimmter Personalfragen einzustellen und es überprüfte die Methoden und Erfordernisse der Personaleinstellung. Eine seiner wichtigsten Aufgaben bestand darin, das Einstufungssystem des Civil Service zu überarbeiten, das heißt, die sogenannte „offene Struktur" einzuführen und das britische Laufbahngruppensystem i m Civil Service abzubauen. Damit werden Angestellten m i t unterschiedlicher Ausbildung bessere Aufstiegsmöglichkeiten geboten und freiere Beweglichkeit des Personals innerhalb der verschiedenen
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Bereiche des C i v i l Service gewährleistet. Da das Ressort für die Rekrutierung zuständig ist, das C i v i l Service College unter sich hat u n d eine bedeutende Rolle i m PESC spielt, steht es außer Frage, daß dieses Ressort i n vieler Hinsicht Einfluß auf Planung u n d Koordination ausübt. Seit seiner Einrichtung 1970 bietet das College eine große A n z a h l von Kursen f ü r alle Stufen des C i v i l Service Personals. I m ersten A u s b i l dungsjahr zum Beispiel haben ungefähr 8000 C i v i l Servants Kurse i m College besucht, u n d jedes Jahr wächst die A n z a h l u n d A u s w a h l dieser Kurse u n d ihre Hörerschaft. Diese Kurse werden sicherlich i n verschiedener Hinsicht die E n t w i c k l u n g der P o l i t i k - u n d Entscheidungsfindung beeinflussen. Beispielsweise machen sich die Spezialisten m i t ökonomischen Tatbeständen, statistischen Techniken w i e auch m i t P o l i t i k Analysen vertraut, wodurch sie nicht n u r zu einer größeren W e r t schätzung gegenüber der eigenen A r b e i t kommen, sondern zugleich i n den Stand versetzt werden, größere Beiträge zur Politikentwicklung zu machen. Obwohl das Schatzministerium n u n nicht mehr für das C i v i l Service Management verantwortlich ist, h ä l t es doch eine überaus wichtige Position i n der zentralen Regierung. Sir Samuel Goldman, der vor k u r zem pensionierte zweite Staatssekretär des Schatzministeriums, hat i n seiner A b h a n d l u n g ü b e r The developing
system of public
expenditure
and control 17 die Hauptaspekte der Rolle des Schatzministeriums erläutert. Das Schatzministerium, so schreibt Goldman, steht i m Dialog m i t jedem einzelnen M i n i s t e r i u m u n d f ü h r t m i t allen Gesprächen über die Größe, Zusammensetzung, die Zwecksetzung u n d das Management ihrer Ausgabenprogramme sowie über die diesen Programmen zugrundeliegende P o l i t i k . Das Schatzministerium befaßt sich m i t den Plänen f ü r öffentliche Ausgaben u n d m i t den rationalen Einnahmequellen sowie deren Wachstumschancen. PESC fungiert unter dem Vorsitz des Schatzministeriums u n d ist vornehmlich für den PESC Jahresbericht verantwortlich. Außerdem bereitet das Schatzministerium die Hauptpunkte vor, die i m Sommer u n d Herbst zur ministeriellen Entscheidung vorgelegt werden. Desgleichen verfaßt es jährlich ein W h i t e Paper zum Budgetentwurf. So v i e l Wichtigkeit mißt das Schatzministerium diesen Aufgaben bei, daß es einen Ausschuß f ü r Programmanalyse u n d Überwachung gegründet hat (PARC = Programme Analysis and Review Committee), der den Vorsitzenden u n d viele Mitglieder m i t dem PESC teilt. Außerdem hat es den Geschäftsbereich des für den v o m ständigen Staats17
Sir Samuel Goldman: The developing system of public expenditure and control, HMSO, 1973.
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sekretär geleiteten Lenkungsausschuß für öffentliche Ausgaben (Steering comittee on Public Expenditure) dergestalt erweitert, daß er sich nunmehr auch m i t wichtigen programmatischen wie auch organisatorischen Problemen befassen kann, die von den PARs aufgeworfen werden. Der Fulton-Ausschuß machte eindeutige Vorschläge über die politische Planung und empfahl, daß die Verantwortung für wichtige langfristige Planung i n einem Ressort einer Spezialgruppe für Forschung und Planung übergeben werden solle. Fulton empfahl relativ kleine Planungsgruppen, die „die Probleme und Bedürfnisse der Zukunft und die möglichen Mittel, m i t denen man ihnen begegnen können wird, studieren. Außerdem sollte eine Gruppe die gegenwärtigen Entscheidungen dahingehend genau untersuchen, welche Bedeutung sie i n Hinblick auf die Zukunft haben" 1 8 . Auch schlug der Ausschuß vor, daß die meisten Ressorts höhere politische Ratgeber für ihre Planungsgruppen bereitstellen sollten, „die vom Minister gelegentlich von außerhalb des Staatsdienstes engagiert werden können, u m diesem neue Impulse für sein formalistisches Denken zu geben" 1 9 . Minister haben natürlich schon immer politische Ratgeber i n irgendeiner Form gehabt 20 . Die meisten Premierminister hatten eine solche Assistenz: L l o y d George hatte ein Sekretariat, das anfänglich von Professor W. G. S. Adams, Professor für öffentliche Verwaltung an der Universität Oxford, geleitet wurde; Winston Churchill hatte Professor Lindemann; Harold Macmillan hatte John Wyndham; Edward Heath hatte Douglas Hurd; und Anthony Crossland — sich auf seine Erfahrung als Minister für Erziehung berufend — hob hervor wie wichtig es sei, unabhängigen Rat von Leuten einzuholen, die m i t den Prinzipien der Labour Partei übereinstimmen und Spezialwissen auf dem Gebiet der Erziehung besitzen 21 . Demnach ist die Ernennung politischer Ratgeber ganz und gar nicht unüblich. Die Planungsgruppen i n den Ressorts jedoch sind das Resultat der PAR Bestimmungen und Arbeiten nun Seite an Seite m i t den vielen Ratgebern, die vor kurzem von den Ministern als Beamte auf Zeit engagiert wurden. Und dies ist nun eine Änderung des britischen Regierungssystems von beispielloser Bedeutung. Wenn auch die Fulton Kommission, die 18
The Civil Service, Vol 1, Report of the Committee, 1966 - 68, Cmnd. 3638, paragraph 173, HMSO, 1968. 19 Ibid., paragraph 182. 20 Für einen Bericht über die Entwicklung der politischen Berater siehe G. W. Jones: „The Prime Ministers Advisors", Political Studies, vo. X X I , pp. 363 - 375, 1973. 21 Vergleiche Edward Boyle und Anthony Crossland in der Unterhaltung mit Maurice Kogan: The Politics of Education, Penguin Books, p. 185,1971.
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besonderen Bezug auf das ihr überreichte Schreiben der Labour Partei von 1966 nahm, die Einführung politischer Ratgeber für Minister empfahl, so kann man Hugo Young, der i n der Sunday Times von einer „Invasion Whitehalls" 2 2 sprach, nicht ganz Unrecht geben. Mitte Juni 74 war die Zahl dieser politischen Assistenten auf 38 gestiegen. Der Premier Minister selbst hat 3, inklusive Lord Crowther-Hunt (und diese drei Berater scheinen unabhängig von der Policy U n i t des Premier Ministers zu arbeiten, von der noch später die Rede sein wird), beispielsweise sind 4 i m Ministerium für Gesundheit und soziale Sicherung und je 3 i n den Ressorts für Industrie, Preisregelung und Käuferschutz. I n der Tat gibt es jetzt nur noch 4 Minister i m Kabinett, die keine persönlichen politischen Berater haben 23 . A l l e Berater sind auf ihre Positionen nach Gutdünken des Ministers berufen, dem sie zur Seite stehen, und alle außer zweien sind praktisch C i v i l Servants. I m Ganzen sind sie bedeutungsvoll i m Hinblick auf die Macht der M i nister, und sie werden gewiß m i t großen Interesse von all denjenigen verfolgt, denen es u m Fragen der konstitutionellen Entwicklung geht. Aber man kann die Einführung der Ratgeber auch als die Folge anderer Veränderungen i n der Regierung ansehen: die institutionellen und verfahrensmäßigen Veränderungen haben wohl dazu geführt, daß sich Minister an der Spitze von Superministerien den mannigfaltigen A u f gaben nicht mehr ganz gewachsen fühlen ohne Unterstützung i n ihrer Rolle als Initiatoren der Politik. I I I . Zentrale Gruppen für Koordination und Planung Das 1970 erschienene White Paper über Die Reorganisation der zentralen Regierung hob hervor, wie wichtig es wäre, eine zentrale Gruppe zu gründen, deren Aufgabe es ist, eine klare und umfassende Definition der Regierungsstrategie abzugeben. Diese kann dann systematisch weiterentwickelt werden, so daß Rechenschaft über veränderte Umstände abgelegt werden kann, und allgemein ein Rahmen geschaffen wird, i n dem die Richtlinien der Regierung wirkungsvoller formuliert werden können. U m dieser Notwendigkeit zu entsprechen, richtete die Regierung einen kleinen, multidisziplinär ausgerichteten, „Zentralen politischen Überwachungsstab" i m Kabinettsamt ein (CPRS = Central Policy Review Staff). Dieser CPRS Stab wurde bald danach unter der Führung L o r d Rothschilds ins Leben gerufen. Er arbeitet unter der Aufsicht des Premier Ministers für die gesamte Ministerschaft als Teil des Kabinettamts. 22
The Sunday Times, 21. April 1974. 23 Vergleiche The Times, lOth of june, 74.
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Somit w i r d deutlich, daß es sich hier eher u m eine „Stabs-" als um eine „Linien-Einheit" der Regierungsmaschinerie handelt. Er besteht aus 15 Leuten von denen 8 (inklusive der Direktor) keine Karrierebeamten des C i v i l Service sind 2 4 . Ihre Hauptaufgaben bestehen darin, den M i n i stern zu besseren politischen Entscheidungen zu verhelfen, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die Folgen ihrer Handlungen richten, und zwar auf die Folgen innerhalb eines längeren Zeitraums, als den, den man bislang i n Betracht gezogen hat. Weiterhin ist es ihre Aufgabe, darauf zu achten, daß die Politik der einzelnen Ressorts m i t der Gesamtstrategie der Regierung Hand i n Hand gehen. Ein Mitglied dieses Stabs hat dessen Funktion wie folgt zusammengefaßt: „ w i r versuchen, den Ministern i m voraus bewußt zu machen, welche wahrscheinlichen oder möglichen Folgen ihr T u n und Lassen haben w i r d und wie weit dieses Tun und Lassen i n bezug zur Gesamtstrategie der Regierung steht 2 5 ". Der CPRS widmet sich auch Gebieten, die über die Grenzen der Ressorts hinausgehen und beschäftigt sich außerdem m i t grundlegenden Regierungsfragen: „Der Stab befaßt sich intensiv m i t ausgewählten Sachbereichen, für die die Ressorts normalerweise nicht zuständig sind, oder auch m i t grundlegenden Fragen der Regierungsstrategie, u m alteingefahrene Ansichten dem Test der Gegenmeinung auszusetzen 26 ." Unter den Sachbereichen, die der CPRS Stab behandelt hat, befinden sich das Concorde-Projekt, die Regionalpolitik, der Bevölkerungszuwachs, die Unterstützung von der Regierung für die Computerindustrie sowie für die Organisation und das Management der Regierungsforschung und Entwicklung. I m Unterschied zum CPRS Stäb, der langfristige politische Probleme bearbeitet, hat die i m Frühjahr gewählte Labour Regierung einen neuen Ausschuß gegründet, der nur für den Premier Minister da ist 2 7 . Wie schon erwähnt wurde, hatten frühere Premier Minister — wie i n der Tat auch andere Minister aller Parteien — ihre persönlichen Ratgeber, aber dieser neue Ausschuß zeigt eine bedeutende politische Entwicklung auf, die i n beispiellos offener A r t vollzogen wurde. Bald 24 Es existiert ein auf brauchbaren Fakten aufgebauter Bericht über die Arbeit des CPRS von W. J. L. Plowden: „The Central Policy Review Staff: the first two years", ein nicht veröffentlichter Bericht, der 1973 bei der Political Studies Association Conference, vorgelesen wurde. 25 William Plowden: „The role and limits of a central planning staff in government: a note on the Central Policy Review Staff", ein unveröffentlichter Bericht, der 1973 für die Conference on the Study of Public Policy in Birmingham vorbereitet wurde. 20 Peter Jay: „CPRS: Magic Circle of Fifth Wheel?", The Times, 21 January 1972, von John Garret zitiert: The Management of Government, p. 145. 27 G. W. Jones: „The Prime Ministers' Policy Unit". Ich bin Herrn Dr. Jones sehr dankbar, daß er mich das Resultat seiner Studien vor seiner Veröffentlichung durchsehen ließ.
2 2 2 T h e m a I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
nach seiner Ernennung zum Premier Minister ernannte Harold Wilson Dr. Bernard Conoughue, Dozent für Politik an der Londoner Hochschule für Wirtschaft und politische Wissenschaft, zu seinem persönlichen Ratgeber und zum Leiter des neuen Ausschusses. Donoughue, der seit mehreren Jahren Mitglied der Labour Partei ist, hat persönlich — m i t Zustimmung des Premier Ministers — die anderen Mitglieder des Ausschusses nach folgenden Gesichtspunkten ausgesucht: sie sollten Spezialisten auf einem Gebiet der Innenpolitik sein, die für die Labour Regierung von besonderer Wichtigkeit ist, sie sollten Diensterfahrung i n Whitehall haben und sie sollten der Labour Partei wohl gesinnt sein, ohne unbedingt Parteimitglieder zu sein. Der Ausschuß besteht aus dem Senior Policy Adviser, fünf weiteren politischen Ratgebern, zwei Assistenten und ein oder zwei weiteren Mitgliedern, die noch ernannt werden sollen. A l l e sind als Beamte auf Zeit eingestellt und dem C i v i l Service Ressort zugehörig. Die Funktion dieses Ausschusses wurde bei seiner Ernennung folgendermaßen definiert: er soll die Entwicklung aller, i m Programm der Regierung vorhandenen, politischen Pläne fördern, vor allem diejenigen, die die Gegenwart und die nähere Zukunft betreffen. G. W. Jones beschrieb kürzlich die Arbeit des Ausschusses für den Premier Minister als „politisch, parteigebunden und persönlich". „Dr. Donoughue liest alle Schreiben, die an die Kabinettsausschüsse und an das Kabinett selbst gerichtet sind; er wählt die Punkte aus, von denen er möchte, daß sie seine Mitarbeiter näher untersuchen. Er übergibt dem jeweilig Zuständigen die Schreiben m i t seinen eigenen Notizen zu den entsprechenden Punkten. Wenn das Gebiet dann vom Fachmann überarbeitet ist, bekommt Dr. Donoughue eine kurze Zusammenfassung der einschlägigen Fakten. Darüber hinaus h i l f t er dem Premier Minister, bei Entscheidungen das politische Manifest seiner Partei klar i m Auge zu behalten, damit den politischen Werten und Prioritäten der Partei i n den Vorschlägen zu Regierungsmaßnahmen v o l l Rechnung getragen wird. Er verbringt täglich ungefähr eine Stunde m i t dem Premier Minister, meist essen sie zusammen oder treffen sich am Abend i n entspannter Atmosphäre, wo sie, nach der Diskussion über Ereignisse des Tages, auch miteinander plaudern können." Anfänglich dachte man, diese Einheit würde die politischen Ratgeber der Minister der verschiedenen Ressorts zu einem gewissen Grad koordinieren, eine Entwicklung, von der die Eingeweihten zwar wußten, die aber erst i n den späten 60er Jahren, als diesbezügliche Verabredungen getroffen wurden, öffentlich diskutiert wurde. G. W. Jones hat aber herausgefunden, daß eine solche Koordination praktisch schwer zu bewerkstelligen ist, da erstens die primäre Loyalität des einzelnen Ratgebers seinem eigenen Minister gilt, und zweitens, w e i l die Rat-
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geber, was ihre Erfahrung, ihr Geschick und ihre Funktion betrifft, so sehr verschieden sind. Trotzdem w i r d i n Fällen, wo ein politisches Problem gemeinsames Interesse hervorruft, Kontakt m i t den Ratgebern aufgenommen. Da sich aber diese Ratgeber meist gut untereinander kennen, ist die Kommunikation, zumindest auf nicht formeller Ebene, eine recht rege. IV. Kommentar und Schlußfolgerungen Obwohl sich die konstitutionell festgesetzte Verantwortung für die Richtlinien- und Prioritätenbestimmung nicht geändert hat, und obwohl die konstitutionelle Position heute nicht anders ist als die, die Haidane beschrieb, so ist doch die institutionelle Struktur der Regierung heute eine wesentlich andere. Vor über 50 Jahren schrieb Haidane, daß „weder angemessene Vorkehrungen zur organisierten Fakten- und Informationssammlung noch zur systematischen Abwägung derselben getroffen worden sind, bevor politische Entschlüsse gefaßt und deren verwaltungstechnische Folgen erwogen worden sind" 2 8 . Das kann heute gewiß nicht mehr behauptet werden. Es könnte i m Gegenteil gesagt werden, daß diesen Aufgaben so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, daß Unklarheiten über den eigentlichen Ort der Macht bei der politischen Entscheidungsfindung entstanden sind. Diese Situation erzeugt wiederum ihre eigenen Gefahren, die w o h l i n ähnlicher Weise analysiert werden könnten, wie Haidane andere Elemente des Regierungsapparats analysiert hat. Die kürzlich eingeführten Neuerungen (1974) sind, wie so viele politische Veränderungen, nicht das Resultat ausgezeichneter, wichtiger, öffentlicher Berichte, sondern Nebenerscheinungen von Krisensituationen. Obwohl 1961 der Plowden-Bericht seine Vorschläge machte, und obwohl das Schatzministerium erste Schritte i n die empfohlene Richtung unternommen hatte, kam der wirkliche Anlaß zur Veränderung aus der dringenden Notwendigkeit der wirtschaftlichen Krise Ende der 60er Jahre. Gleichermaßen waren die vor kurzem eingeführten strukturellen Änderungen innerhalb der Ressorts weniger das Resultat eines eingehenden Studiums des White Papers über die Reorganisation der zentralen Regierung, als die von Mr. Wilson und seinen Kollegen als politisch notwendig empfundene Entscheidung. Die vor kurzem unternommenen Änderungen i n der Struktur der Superministerien und die Ernennung politischer Ratgeber sind Resultate folgender Einsichten: es hat sich herausgestellt, daß der leitende Minister eines Superministeriums der enormen Aufgabe gegenüber28
Report of the Machinery of Government Committee, paragraph 12.
2 2 4 T h e m a I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
steht, riesige Probleme, die über das ganze Spektrum der Regierungsaktivitäten reichen, alleine bewältigen zu müssen. Gleichzeitig erhöhte sich die Spannung innerhalb der Labor Partei, weil man das Gefühl hatte, der C i v i l Service hielte die Durchführung der Labourpläne zurück. Wichtigen Einfluß diesbezüglich übte das 1972 veröffentlichte autobiographische Buch Inside No. 20 29 von Marcia Williams, heute Baroness Falkeden, aus. Marcia Williams war viele Jahre lang Harold Wilsons politische und persönliche Sekretärin. I n ihrem Buch behauptet sie, daß die Politiker der Labour Partei zu zuversichtlich seien, m i t der Beamtenschaft umgehen und sie unter Kontrolle halten zu können. I n der Tat, meint M. Williams, hatte die Beamtenschaft größere politische Macht als die Politiker, und dies sei der Grund warum es 1964 notwendig geworden wäre, ein politisches Büro i n No. 10 einzurichten. Ihr Rat scheint von Harold Wilson besonders bereitwillig angenommen worden zu sein. Ebenfalls hat die Erfahrung als Minderheitsregierung bedeutenden Einfluß ausgeübt. Somit kann sich die Regierung der institutionellen Veränderungen zum Zweck erwünschter politischer Schritte bedienen, ohne sie erst dem Parlament vorlegen zu müssen, wo sie möglicherweise vom Unterhaus abgelehnt werden würden. Man darf natürlich nicht glauben, daß diese neuen Entwicklungen nicht auch ihre Probleme m i t sich brächten, denn das ist ganz und gar nicht der Fall. Das Ausmaß der Superministerien zum Beispiel, präsentiert einen zweifachen Problemkomplex. Aus politischen Gründen ist es in der Tat nicht möglich, daß ein Minister (selbst m i t politischen Ratgebern) mehr als eine gewisse Anzahl von Sachbereichen i m Kabinett oder Parlament vertritt und dabei den nötigen Grad politischen Feingefühls für alle i h m anvertrauten Gebiete beibehält. Natürlich w i r d durch die Vergrößerung auch das Management zum Problem. Denn Superministerien, auch wenn sie sich neuer Planungs- und Koordinationstechniken bedienen, haben m i t großen praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen. I n diesem Zusammenhang berichtet Sir Richard Clarke, daß das Ministerium für Technik i n 26 verschiedenen Gebäuden i m Londoner Zentrum und i n sieben i n der näheren Umgebung der Stadt untergebracht war. Diese Tatsache bedeutet ein enormes Hindernis sowohl praktischer, als auch psychologischer N a t u r 3 0 bei der Ausarbeitung eines wirkungsvollen Kommunikationssystems . . . und war zugleich das größte Problem i n dem Versuch, Abteilungen zu koordinieren 3 1 , Sir Richard Clarke fügte hinzu, daß es nach seiner Meinung zwei Jahre dauere, ein größeres Ressort zusammenzuschweißen und 29 80 31
Marcia Williams: Inside No. 10, Weidenfeld and Nicolson, 1972. Sir Richard Clarke: New Trends in Government, p. 26. Ibid., p. 86.
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fünf Jahre, bis es eine etablierte sorts oft zu häufig umorganisiert falten zu können. A u f alle Fälle Schlußfolgerungen aus den erst tionen ziehen zu können.
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Einheit würde 3 2 . Er meint, daß Reswerden 3 3 , u m sich wirklich voll entist es gewiß noch viel zu früh, u m jüngst vorgenommenen Reorganisa-
Alles i n allem betrachtet, bedeuten die Veränderungen i m Regierungsapparat, daß seit den frühen 60er Jahren eine ständig sich steigernde Notwendigkeit spürbar wurde, die Regierung leistungsfähiger machen zu müssen. Diese Forderung kommt von den Politikern, w i r d aber auch i n offiziellen Kreisen begrüßt. M i t dem Anstoß äußerer A n lässe, wie sie wirtschaftliche Krisen gegeben haben, sind Vorschläge wohl schneller ausgeführt worden, als dies sonst der F a l l gewesen wäre. Leuten, denen die Regierungsmethoden Billigung entlocken, sollten ein gewisses Maß an Vorsicht beibehalten und bedenken, was für Folgen diese Methoden haben können. I m Moment stehen zwei unbeabsichtigte Gefahren, oder vielmehr unwillkommene Folgen am Horizont: sie betreffen die mögliche Gefahr der zu großen Selbstzufriedenheit und der zu starken Verlagerung des Einflusses bei der politischen Entscheidungsfindung. Es ist die generell akzeptierte Ansicht, daß die Implementierung der PESC und PAR, zusammen m i t den folgenschweren Reorganisationen i m Schatzministerium und den Modifizierungen in den anderen Ressorts, willkommene Schritte zu einer rationaleren und leistungsfähigeren Politikbestimmung sind. Und obwohl all die Veränderungen noch neu sind, glaubt man, daß die anfänglichen Zahnschmerzen bald überwunden werden. Darüber hinaus macht der Apparat für Regierungsplanung den Eindruck, er könne m i t der Zeit viel leichter laufen. Der britische öffentliche Dienst hat Grund, auf seine Vergangenheit i n Managementleistungen, seit der Pionierarbeiten des Schatzministeriums i n „O and M " Abteilungen während der 40er Jahre, stolz zu sein. Deshalb stellt Sir Samuel Goldman wohl m i t einem gewissen Recht fest, „daß w i r ein System für die Entwicklung des öffentlichen Sektors ausgearbeitet haben, das trotz seiner Mängel wohl kaum seinesgleichen i n irgendeinem anderen Land der Welt finden w i r d " 3 4 . Bemerkungen solcher A r t könnten darauf hinweisen, daß es eine britische Charaktereigenschaft ist, sich gerne „durchzuwurschteln" oder ad hoc Entscheidungen zu machen — aber vielleicht ist auch das nicht 32
Ibid., p. 34. as Vergleiche auch Richard A. Chapman: The Higher Civil Service in Britain, p. 102, Constable 1970. 34 Sir Samuel Goldman: The developing system of public expenditure and management and control, p. 53.
15 Speyer 57
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ganz zutreffend. Früher war es w o h l offensichtlicher, warum Einzelentscheidungen getroffen wurden und wie auf politischen Druck reagiert wurde, denn das Regierungssystem und die Regierungsvorgänge konnten allgemein leichter verstanden und durchschaut werden. Heute könnte zu große Zufriedenheit m i t den Reformen gefährlich werden, da sie i n ihrer Komplexität nur ungenügend verstanden werden können. Ohne die ständige Wachsamkeit der Bevölkerung, könnte die Selbstgefälligkeit der Ämter, oder auch der Mangel an Überprüfungsmöglichkeiten zur Stagnation des Systems führen und die Mängel des Systems annehmen, das es selbst ersetzte. Die Autoritätsverlagerung bei der Politikbestimmung und i n den Regierungsvorgängen allgemein sind aber w o h l von noch größerer Wichtigkeit. Heute scheinen die Minister nicht mehr uneingeschränkt verantwortlich für die Entscheidungen ihrer Bediensteten zu sein. Mehr und mehr w i r d akzeptiert, daß Entscheidungen nicht von einer Einzelperson, sondern von einem respektierten System getroffen werden, das von Bediensteten geführt wird. Es w i r d auch immer deutlicher, daß die Minister nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, die Richtung öffentlichen Handelns kurzfristig zu ändern. Dies kann sehr wohl eine zu billigende Entwicklung sein, und ein Bürger, den man darauf anspricht, hat möglicherweise nichts gegen sie einzuwenden. Es ist aber nicht klar, ob die Öffentlichkeit diese Veränderungen bewußt wahrnimmt, und es scheint auch nicht viel Anstrengung darauf verwendet zu werden, die Öffentlichkeit über diese Machtverschiebungen aufzuklären. Was i n der Tat geschah ist, daß das britische Regierungssystem, welches vor 100 Jahren Bagehot noch als einfach erschien, heute alles andere als „einfach" ist. Abgesehen von ganz extremen Fällen, können Entscheidungen nicht mehr nach den Gesichtspunkten der „Politik" oder „Verwaltung" unterschieden werden. Anstatt dessen haben w i r heute ein kompliziertes Regierungsgewebe, das ein außerordentlich komplexes System politischer Verwaltung zur Folge hat.
Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Planung im Bereich der Politikentscheidung und Prioritätensetzung Länderbericht: Bundesrepublik Deutschland von Klaus König
I.
1. Regierungssysteme i n hochentwickelten Gesellschaften sind gekennzeichnet durch den fortgeschrittenen Stand ihrer sozialen Differenzierung: der i n ihnen bestehenden Machtverteilungen, Arbeitsteilungen, Kompetenzverteilungen, beruflichen, informationalen, autoritativen usw. Gliederungen 1 . Das gilt für sozialistische Länder wie für westliche Demokratien gleichermaßen. I n sozialistischen Ländern hat sich z. B. eine Kompetenzverteilung zwischen Partei und Staatsverwaltung herausgebildet, von der w i r annehmen dürfen, daß sie eine strukturelle Prämisse der Steuerungskapazität i n diesen Gesellschaften ist. Und auch i n der Bundesrepublik Deutschland ist deutlich, daß die Bearbeitung öffentlicher Probleme bei uns eine spezifische Trennung von Partei und Regierung voraussetzt. Soziale Differenzierung gilt weiter auf allen territorialen Ebenen der Politik. Sieht man über den nationalen Bereich hinaus, so ist die internationale Arbeitsteilung nicht nur eine Kategorie ökonomischer Produktions- und Verwertungsverhältnisse, sondern auch eine weitreichender politisch-administrativer Beziehungen. I m nationalen Rahmen zeigt die Regionalisierungsdiskussion, die auch i n Staaten m i t zentralistischen Traditionen geführt wird, wie w i r auf eine Kapazitätsausweitung durch territoriale Tiefengliederung angewiesen sind. Soziale Differenzierung gilt schließlich und i m besonderen i n dem Regierungsbereich, über den hier gesprochen wird, nämlich dem der exekutiven Spitze, des Kabinetts, der Ministerien, und zwar unabhängig von der jeweiligen Regierungsform. W i r beobachten, wie i n einer Präsidialdemokratie der groß angelegte Versuch der Vereinheitlichung der öffentlichen Entscheidungspolitik durch ein integriertes Planungs-, 1 Vgl. allgemein Klaus König: öffentliche Verwaltung und soziale Differenzierung, in: Verwaltungsärchiv 1973, 1 ff.
15*
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Programmierungs- und Budgetierungssystem an den Ressortgrenzen haltgemacht hat. I n unserer weniger hierarchischen Regierungsorganisation kennzeichnet das Schlagwort vom Ressortegoismus deutlich die negativen Folgen bestehender Macht- und Kompetenzverteilungen. Organisatorische prozessuale, personale Differenzierungen sind eine Grundstruktur des Regierungshandelns i n den hier berücksichtigten Ländern, die sich dann allerdings i n vielfältigen Formen ausdrücken. Das gibt der vergleichenden Verwaltungsforschung ihren besonderen Sinn. Unser Gesamtthema: Regierungspolitik und Koordination stellt das Komplement der Arbeitsteilung, die Koordination, i n den Vordergrund. Und i n der Tat kann man der Ansicht sein, daß es i n einer i n positiven und negativen Kompetenzkonflikten geübten Verwaltungspraxis verhältnismäßig gut gelungen sei, immer neue Aufgliederungen i n die Geschäftsverteilung, i n den Behördenaufbau, i n das Personalsystem usw. einzuführen, daß es aber eine offene Frage sei, wie die i n einer hochdifferenzierten Regierung arbeitsteilig erstellten Handlungsanteile abgestimmt, d. h. koordiniert werden können. Die Koordinationsproblematik ist freilich i n der Bundesrepublik Deutschland durch die Erörterung eines anderen politisch-administrativen Schlüsselbegriffs, nämlich den der Planung, verdeckt worden. Die Planungsdiskussion w i r d mit sehr unterschiedlichen Argumenten geführt. Ein Gedanke ist auch darauf gerichtet, die erheblichen Koordinationsschwierigkeiten auf die Weise aus der Welt zu schaffen, daß man durch Planung Systemsteuerungen höherer Ordnung bildet. Angesichts solcher Vorstellungen scheint es nützlich, einige Bemerkungen zum Koordinationsbedarf insbesondere auf der Regierungsebene vorauszuschicken. Organisationen, Entscheidungsprozesse, Personalsysteme i n der öffentlichen Verwaltung sind idealerweise Ausdruck der zu lösenden öffentlichen Aufgaben. Demgemäß hätte die Regierung in ihrer A r beitsteilung den Differenzierungen der gesellschaftlichen Problemzusammenhänge zu folgen. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Frage sozialer Interdependenzen irrelevant wird. W i r leben i n einer Zeit, i n der der hohe Grad sozialökonomischer Verflechtungen der verschiedenen Lebensbereiche von Bildung, sozialer Sicherung, Mobilität, öffentlicher Sicherheit usw. überaus deutlich geworden ist. A m Umweltschutz als öffentlicher Aufgabe hat sich gezeigt, daß w i r angesichts einer Vielfalt wechselseitiger Abhängigkeiten immer weiterfassen müssen. Bleibt es aber bei den Interdependenzen i m gesellschaftlichen Problemzusammenhang, dann ist entsprechend der Koordinationsbedarf i m aufgabenteiligen Regierungssystem prinzipiell nicht aufhebbar. Es kann nur darum gehen, Teilproblembereiche abzugrenzen, die intern durch
Länderbericht Bundesrepublik Deutschland: K. König
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möglichst hohe, extern durch möglichst geringe Interdependenzen gekennzeichnet sind 2 . W i r wollen an dieser Stelle nicht erörtern, inwieweit i n den westdeutschen Regierungsinstanzen durch den behördlichen Aufgabenzuschnitt umgrenzbaren sozialen Problemfeldern entsprochen w i r d oder inwieweit wegen mangelnder Korrespondenz i n den Handlungsmustern mehr Koordination erforderlich wird. Zwei andere Gründe sind i m Hinblick auf die Ausweitung des Koordinationsbedarfs noch zu nennen. Der erste ist ein quantitativer. Auch i n unserer Gesellschaft mit einem marktwirtschaftlich ausdifferenzierten ökonomischen Subsystem hat sich der Staatsanteil an den sozialen Aktivitäten ständig ausgedehnt. Mehr öffentliche Aufgaben haben letztlich mehr öffentliche Verwaltung bedeutet. Fällt aber i n einer hochdifferenzierten Gesellschaft immer mehr Verwaltungsarbeit an, dann stellen sich auch immer neue Arbeitsteilungen ein. Der Koordinationsbedarf wächst. Zweitens muß auf eine qualitative Veränderung hingewiesen werden, die sich insbesondere für den engeren Regierungsbereich der Kanzleien des Regierungschefs und der Ministerien ausgewirkt hat. Rationales Staatshandeln ist dadurch charakterisiert, daß auf die öffentlichen Probleme nicht m i t einem bloßen Dezisionismus der Macht geantwortet wird, sondern daß das politisch-administrative System durch Programmsteuerungen objektiviert w i r d 3 . Zu solchen Programmen gehören z. B. die Gesetze, deren Erarbeitung traditionell i n den A u f gabenbereich der Ministerialinstanzen fällt. Zu diesen Programmen sind auch die Pläne zu rechnen, die als Finanzpläne, Raumordnungspläne, Verkehrspläne, Bildungspläne mehr und mehr die Regierungen beschäftigen. Die Entwicklung zum Sozialstaat hat sich auch auf die öffentlichen Entscheidungsprozesse ausgewirkt. Es geht bei der Regierungsarbeit i m leistenden und umverteilenden Staat nicht nur darum, Anspruchsgrundlagen für Studienbeihilfen und Altersrenten zu entwerfen, sondern auch Situationstypiken für die Errichtung von Universitäten und den Bau von Altersheimen zu konzipieren. Es geht nicht mehr nur um das Wenn-Dann-Schema des Gesetzes — also um konditionale Programmierungen —, sondern auch u m das Zweck-MittelSchema des Planes — also u m finale Programmierungen. Das offene Konditionalprogramm der klassischen Gesetzgebung hat es ermöglicht, Zielkonflikte nicht endgültig austragen zu müssen, son2 Vgl. dazu den Untersuchungsbericht für die Projektgruppe Regierungsund Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern vom Institute for Operational Research und Fritz Scharpf: Methoden der Problemstrukturierung: Positive Koordination in der Langfristplanung, August 1972. 3 Vgl. Klaus König: Programmsteuerungen in komplexen politischen Systemen, in: Die Verwaltung 1974, 137 ff.
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
d e m verschwiegene und variierende Zielsetzungen i n die Gesetze einzubringen. Die programmierende Instanz konnte es dabei bewenden lassen, daß das, was bei ihr unkoordiniert blieb, i n den Interpretationen und Applikationen des Programmvollzugs abgestimmt wurde. I m Rahmen von Generalklauseln, unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensvorschriften läßt sich beim Vollzug vieles zusammenbringen. Anders liegt es bei den Plänen, die als Finalprogramme Zwecke und M i t t e l kombinieren. Zwar sind Pläne i m alltagssprachlichen Gewände offene Entscheidungsmuster m i t sekundären Elastizitäten, die auch bei der Erfüllung noch Abstimmungen zulassen. Aber die primäre A u f deckung von Zwecken und Mitteln macht es erforderlich, die i n einer arbeitsteiligen Organisation erstellten Aktionsprogramme von vornherein und eindringlich zu koordinieren. Ziel- und Mittelkonflikte liegen offen zu Tage. Läßt sich auf das Deckblatt eines Gesetzesentwurfes noch schreiben „Kosten: keine" und damit möglicherweise darauf setzen, daß sich diese Frage i n einem akzessorischen Verfahren löst, so w i r d an den an Zwecken und M i t t e l n orientierten Planungen eher sichtbar, daß letzten Endes zwischen allen Ministerialinstanzen die knappen Ressourcen i m Streit sind, über die von Staatswegen verfügt werden kann. So hat Planung als finale Programmierung i m westdeutschen Regierungsbereich den Koordinationsbedarf erhöht, was nicht ausschließt, daß sich auch Planungsformen entwickeln lassen, die Entlastungseffekte beinhalten. 2. Nachdem Differenzierung und Koordination und insbesondere einiges zum Koordinationsbedarf dargelegt worden ist, muß der allgemeine, vor allem konstitutionelle Rahmen der Politik- und Arbeitsverteilungen i m engeren Regierungsbereich skizziert werden 4 . I m parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland bestimmen i m exekutiven Bereich drei Prinzipien das Regierungshandeln. I n der Bundesverfassung ist festgelegt, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt und daß er die Geschäfte der Bundesregierung leitet, weiter: daß jeder Minister innerhalb dieser Richtlinien seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet und schließlich: daß über Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesministern die Bundesregierung entscheidet. Man spricht insofern vom Kanzlerprinzip, vom Ressortprinzip und vom Kabinettsprinzip. 4 Vgl. in diesem Zusammenhang das Gutachten für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern von Klaus Stern: Zur Problematik der Inkorporierung eines „Aufgabenplanungssystems" in die Organisationsstruktur der Bundesregierung, in: Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Anlagenband, 1969, 563 ff.
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Da w i r bei unseren Ausführungen auch auf den Erfahrungsbereich der einzelnen Gliedstaaten — der Länder — der Bundesrepublik Deutschland zurückgreifen, ist hinzuzufügen, daß dieses Verteilungsmuster freilich m i t einigen Abweichungen auch auf Länderebene gilt. Abweichungen bestehen insoweit, als das Kabinettsprinzip durch die Zuweisung besonderer Kompetenzen verschiedentlich stärker hervortritt. Für die Stadtstaaten ergibt sich zudem, daß i n einem Falle die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs eingeschränkt ist, i n den beiden anderen Fällen der Regierungsspitze überhaupt nicht zukommt. Aber auch da, wo die Kollegialität ausgeprägter ist, bleibt es i m Prinzip dabei, daß es für den Minister bzw. i n den Stadtstaaten den Senator einen eigenen Verantwortungsbereich gibt. Das Ressortprinzip gilt — wenn auch unter unterschiedlichen Ausformulierungen — durchgängig. Für die Koordinationsfrage hat das zur Folge, daß bei den westdeutschen Regierungssystemen von Bund und Ländern nicht von einem durchgreifenden politisch-administrativen Zentralismus der Machtbildung und Informationsverarbeitung auszugehen ist. Die Richtlinienkompetenz ist w o h l nicht für den politischen Alltag geeignet. Das K a binett hat nur eine beschränkte Kapazität der Konfliktaustragung und Problemlösung. Die Tagesgeschäfte der Regierungsarbeit werden i n den Ressorts durchgeführt. I m Hinblick auf die Regierungspraxis des Bundes ist das dahin interpretiert worden, daß es einen Grundsatz maximaler Ressortproduktion und zugleich minimaler interressortmäßiger Koordination gebe. Die Instrumentarien zur Interressortabstimmung leisteten i m wesentlichen die negative Koordination i n dem Sinne, daß überall dort, wo die vitalen Interessen eines Ressorts getroffen seien, negative, nämlich bloß Ressortinteressen absichernde, nicht jedoch positive, konzeptionell vorwärtsgerichtete Koordination wirksam werde und der Zwang zu einer Abstimmung vollinhaltlich Platz greife 5 . W i r folgen hier nicht der Ansicht, daß das Kabinettsprinzip i n seiner positiven, koordinierenden, Politik entscheidenden und Prioritäten setzenden Funktion neben dem Ressortprinzip — und auch dem Kanzlerprinzip — i n der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik untergegangen sei. Auch teilen w i r nicht die Meinung, daß die Koordination nur auf die Verteidigung angestammter Ressortinteressen gerichtet sei, daß deren Interpretation i n den Referaten als organisatorische Unter6 Vgl. Reimut Jochimsen: Zum Aufbau und Ausbau eines integrierten Aufgabenplanungssystems und Koordinierungssystems der Bundesregierung, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 97 vom 16. Juli 1970, 949 ff.
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Thema I I : Zentrale oder ressorteigene P l a n g s e i n h e i t e n
einheiten liege und daß es nur, wenn diese negative Koordination sich nicht durchsetze, zur konzeptionellen Aufgabenabstimmung komme. Solche Zuspitzungen geben — insbesondere wenn man die Erfahrungen der Länder m i t einbezieht — die Regierungspraxis nicht zureichend wieder. Bei der K r i t i k , die man nicht nur bei uns m i t den Begriffen der positiven und negativen Koordination verbindet, darf man nicht das Verständnis für die Komplexität der Handlungssituation i n einem Regierungssystem verlieren, das auf einen hohen Grad der Arbeitsteilung nicht verzichten kann. Vollständige Koordination bedeutet doch ein politisch-administratives Verbindungsmuster, das allen Interdependenzen i m relevanten sozialen Problemfeld folgt. Über eine solche Kapazität der Interessenartikulierung und Informationsverknüpfung verfügt keine Regierung. Es müssen Handlungsformen der Reduktion von Komplexität entwickelt werden, die eine angemessene Problem Verarbeitung zulassen. So können Prozesse entwickelt werden, i n denen die Handlungsanteile nicht i n alle Entscheidungsrichtungen verändert werden, sondern nur eine einbahnige A b stimmung offengehalten wird. Hier kann der Eindruck des Hinunterkoordinierens entstehen. Oder es setzen sich Methoden durch, i n denen nicht bestimmte an öffentlichen Aufgaben orientierte Zwecksetzungen, sondern schlichte Abzugsverfahren angesichts vorgegebener Ressourcen praktiziert werden. Man denke an Kürzungen innerhalb eines Personalrahmens. Oder es werden Beteiligungsregeln aufgestellt, gemäß denen eine bestimmte Selektion nach zu berücksichtigenden Instanzen erfolgt. Es können ferner eigene Organisationseinheiten geschaffen werden, die auf interministerielle Abstimmungen spezialisiert sind. Und neben vielen mehr kann es schließlich darum gehen, den einschlägigen Regierungsaktivitäten eine über die Koordination hinausreichende Qualität zu geben, wie sie etwa i n der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs zum Ausdruck kommt. I m westdeutschen Regierungsbereich steht für koordinierendes Handeln ein traditionelles Verwaltungsinstrumentarium zur Verfügung, wie das der Anhörung, des Benehmens, des Einvernehmens, der Federführung usw. Indes läßt sich m i t solchen Verknüpfungsmustern den Erfordernissen der Aufgaben- und Ressourcenfestlegungen i m Sozialstaat nicht Genüge tun. Insbesondere das anspruchsvolle Geschäft der Planung verlangt höhere Koordinationsformen. So nehmen auf dem Felde der Politikentscheidungen und Prioritätensetzungen auch i n der Bundesrepublik Deutschland diejenigen koordinierenden Organisationen und Prozesse einen hervorragenden Platz ein, die i m Rahmen unseres Gesamtthemas als Gegenstände der vergleichenden Verwaltungsforschung ausdrücklich genannt werden: die Ämter der Regierungschefs und der Kabinette, die Budgetierung und die interministeriellen Aus-
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6
schüsse . Wiewohl diese Gegenstände m i t dem Unterthema der Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Regierungspolitik und für Planung i n einem engeren Sinne nicht gemeint sein sollen, müssen w i r sie doch als Hauptsysteme der Koordination i n unsere Erörterung einbeziehen. Sie sind Ansatz und Bezug von Entwicklungen i n Bund und Ländern, über die hier zu berichten ist. Die Staatskanzleien — Bundeskanzleramt und Staats- und Senatskanzleien der Länder — sind nach den allgemeinen politischen und konstitutionellen Prämissen zuerst i n der Lage, die Leistung einer allgemeinen Koordinationsinstanz zu erbringen 7 . Ihre Zuordnung zum Regierungschef und zum Kabinett stellen sie i n einen entsprechenden Funktionszusammenhang ein. Die Unterstützung der Regierungsspitze — je nach Kanzler- oder Kabinettsprinzip — bei der politischen Lenkung und bei der Durchsetzung politischer Richtlinien bezieht die Staatskanzleien i n Konsens- und Kommunikationsprozesse ein, i n die vielfältige Abstimmungen impliziert sind. Ihr durch die Geschäftsordnung festgelegter Platz i m Hinblick auf die Kabinettsarbeit, die Position des Regierungschefs als Vorsitzender des Kabinetts und als Geschäftsleiter der Regierung sichern einen formalen Zugang zu koordinierenden Abläufen. Ihre Schlüsselstellung für die Übersetzung des Regierungshandelns in die politische Umwelt — wobei i m föderalistischen Staat die Problematik der mehreren politischen Ebenen zu berücksichtigen ist — macht sie zu Vermittlern von Rückkoppelungen und vieles mehr. Trotz solcher Möglichkeiten konnte man früher manchmal den Eindruck gewinnen, daß die Staatskanzleien einerseits, und zwar je nach der personalisierten Macht des Regierungschefs, Assistenzeinheiten für einen politischen Dezisionismus darstellten, andererseits bei der Koordination sich eher auf Notariatsfunktionen beschränkten. Eine als gelungen angenommene Kompetenzverteilung schien die für sie maßgebliche Entscheidungsprämisse zu sein, angesichts deren man m i t Zuleitungen, Verkündungen usw. beschäftigt war. Heute haben die Staatskanzleien sicher nicht den Platz von „Oberministerien" eingenommen. Sie sind jedoch ein aktiver Partner i m Koordinationsgeschäft geworden 8 . Ein Hinweis dafür mag sein, daß sie von den Finanzressorts i m 6 Vgl. zu letzterem das Gutachten für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern von Arnd Morkel: K a binettsausschüsse als Instrumente interministerieller Koordination, Dezember 1973. 7 Vgl. dazu den Tagungsband der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Die Staatskanzlei, Aufgaben, Organisation und Arbeitswiese auf vergleichender Grundlage, Berlin 1967. 8 Vgl. Klaus König: Planung und Koordination im Regierungssystem, in: Verwaltungsarchiv 1971,1 ff.
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mer mehr als Rivale oder Koalitionspartner akzeptiert werden. Denn wie anderenorts ist auch i n der Bundesrepublik der Budgetierungsprozeß das koordinierende Verfahren, das man i n der Qualität der Informationsverarbeitung, nicht aber i n der Rigorosität der Abstimmung bezweifeln kann 9 . II. 1. Sieht man die zunehmenden Aktivitäten der Staatskanzleien vor dem Hintergrund dessen, was zuvor und insbesondere zum Koordinationsbedarf ausgeführt worden ist, und geht man von der überkommenen Ausstattung dieser Ämter aus, dann stellt sich die Frage nach der Ausweitung koordinierender Arbeitskapazität. Eine solche Ausweitung kann i n dreifacher Weise erfolgen. Erstens können Organisationen, Verfahren und Personalbestand der Staatskanzleien selbst ausgebaut werden. Das ist i n der Tat geschehen. W i r können i n den letzten Jahren eine hohe Änderungsrate bei der Organisation der Staatskanzleien feststellen, die nicht durch den Wechsel i n der politischen Führung, sondern durch die Arbeitserfordernisse bedingt ist. Auch die Handlungsabläufe sind verfeinert worden. Man denke an Verbesserungen i m Bereich der Datenverarbeitung. Über Personalverstärkungen braucht nicht besonders gesprochen zu werden. Sie gehören zu den bevorzugten Themen der jeweiligen Oppositionspartei. Neben dem Ausbau der Staatskanzleien ist zweitens an eine Funktionsausweitung i n den Ressorts zu denken. Dabei geht es nicht u m die Verlagerung von Fachaufgaben, also von Aufgaben, wie sie die Ressorts wahrnehmen, etwa auf dem Gebiete der Rechtspflege oder der Bildung. Derartige Verlagerungen aus den Staatskanzleien haben mehrfach stattgefunden. Vielmehr geht es u m spezifische Kompetenzen der Koordination. Zum Beispiel gibt es Überlegungen zur Programmbudgetierung, denen zufolge wichtige Bereiche der Aufgabenkoordination nicht nur i n mittelbarer Weise über die Haushaltserstellung, sondern direkt über die Abstimmung der Programme vorgenommen werden sollen. Dabei w i r d den Finanzressorts eine einflußreiche Stellung zugeordnet. Ausweitungen der Koordination zugunsten der Staatskanzleien öder zugunsten der Ressorts werden von vielen Interessenten wie ein N u l l Summen-Spiel behandelt, indem der eine Spieler das, was der andere gewinnt, verlieren muß. U m so wichtiger ist es, für die dritte Möglichkeit des Kapazitätsausbaus von vornherein zu sehen, daß es angesichts 9 Vgl. das Gutachten für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern von F. Naschold/D. Seuster/W. V ä t h / O . Zipfel: Untersuchung zur mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, Dezember 1971.
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weitreichender Interdependenzen i n den sozialen Problemfeldern darauf ankommt, den politisch-administrativen Handlungsspielraum überhaupt auszudehnen. Es gilt, Organisationen und Prozesse informationaler Selektion einzurichten, die es erlauben, die politisch-administrativen Verknüpfungsmuster umfassender zu gestalten. Von solchen A k tionsräumen können Staatskanzléi und Ressorts gleichermaßen Gewinn für ihre Handlungen ziehen. Der dritte Weg wurde i m westdeutschen Regierungsbereich i n der Weise beschritten, daß man ein besonderes Zentrum der Koordination als Verbundsystem zwischen Staatskanzlei und Ressorts schuf. Die A n fänge dieser Koordinationssysteme fallen i n eine Zeit, i n der man i n der Bundesrepublik Deutschland vielerorts i m Namen der politischen Planung eine Integration der Teilpolitiken zu einer Gesamtkonzeption der Regierung anstrebte 10 . Mancher wollte durch zentralisierte Programmsteuerung die bestehenden Organisationen und Prozesse der Problemlösung i n ein System höherer Ordnung transferieren. Dabei mag insbesondere die Möglichkeit verbesserter Sozialtechnologien überschätzt worden sein. Insgesamt kam es aber vor allem der Koordination zugute, daß das kommunikative Instrumentarium i n den Verwaltungen selbst zum Diskussionsgegenstand wurde. Man mag bezweifeln, ob es gelungen ist, durch das, was unter dem Plánungsbegriff reformiert worden ist, eine die Summe der Teilpolitiken überschreitende, finale Gesamtpolitik darzustellen. Daß man m i t der politisch-administrativen Alltagsarbeit der Koordination einen Schritt weitergekommen ist, ist hier zu berichten. Zuerst wurde eine zentrale Koordination durch einen Verbund von Staatskanzlei und Ressorts i m Bunde geschaffen. W i r beschränken unsere darstellende Skizze auf dieses Beispiel 11 . Es gibt die Grundmerkmale von Koordinationssystemen wieder, wie w i r sie auch auf Länderebene finden. Dabei sind die historischen Anlässe jeweils andere gewesen. Es ergeben sich auch Verschiedenheiten der Ausgestaltung von 10 Vgl. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, I I I . Teil, Verbesserung des Führungsinstrumentariums von Bundeskanzler und Bundesregierung, vorgelegt von der Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, August 1969. 11 Vgl. die ausführlichen Beschreibungen bei Hartmut Bebermeyer: Regieren ohne Management — Planung als Führungsinstrumentarium moderner Regierungsarbeit —, Stuttgart 1974; Heribert Schatz: Auf der Sache nach neuen Problemlösungsstrategien: Die Entwicklung der politischen Planung auf Bundesebene, in: Hrsg.: Renate M a y n t z / F r i t z Scharpf: Planungsorganisation, München 1973, 9 ff.; ferner: Horst Ehmke: Planung im Regierungsbereich — Aufgaben und Widerstände, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1971, Nr. 187, 2026 ff.; Reimut Jochimsen: Planung im staatlichen Bereich, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1971, Nr. 113, 1236 ff.
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Organisation, Prozeß, Personalauswahl i m einzelnen. Insbesondere werden von den jeweiligen Regierungen unterschiedliche Ansprüche i m Hinblick auf die Frage erhoben werden, ob und wie die Koordination in eine neue Qualität der politischen Planung umschlägt. Auch w i r d man sicherlich darüber streiten, m i t welcher Variante die Effektivität von Koordination und Regierungspolitik am besten gewährleistet ist. Aber man muß festhalten, daß das i n der Bundesregierung eingerichtete Koordinationssystem nicht nur publizistisch die größte Aufmerksamkeit erwecken, sondern in vielem die Landesregierungen auch anregen konnte. I m Rahmen der i n Bonn entwickelten Reformkonzepte zur politischen Planung wurde 1969 i n jedem Ministerium ein Planungsbeauftragter eingesetzt. Diese Planungsbeauftragten kommen i m Bundeskanzleramt zusammen, dessen Planungsabteilung die Geschäftsleitung der neuen Organisationseinheit hat. Die Planungsbeauftragten sollen die Vorhaben der Bundesregierung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt unter inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen Prioritäten koordinieren. Davon soll die laufende Koordination der Einzelprojekte i m fachlichen Sinne durch die bisherigen Abstimmungsformen innerhalb und außerhalb der Ressorts unberührt bleiben. Die Planungsbeauftragten arbeiten dem Kreis der beamteten Staatssekretäre zu, die sich unter dem Vorsitz des Chefs des Bundeskanzleramtes treffen, um ihrerseits wiederum das Kabinett bei der Koordination der Regierungstätigkeit zu unterstützen. Die Planungsbeauftragten sollen darüber hinaus Moderatoren der Planung i n und zwischen den Ressorts sein. Nach dem Grundgedanken, alle wichtigen Vorhaben, die i n den M i n i sterien vorbereitet werden, möglichst schon i n der Entstehungsphase zu erfassen, sachlich vergleichbar, politisch, wirtschaftlich und finanziell bewertbar und dabei allen Ressorts sofort zugänglich zu machen, erhielt das angestrebte Frühkoordinationssystem eine eigene Informationsbasis. Seit 1970 melden die Ressorts monatlich auf speziellen Datenblättern dem Bundeskanzleramt die Projekte an, die mittelfristig als von allgemeiner, politischer oder finanzieller Bedeutung angesehen werden. Für 1972 w i r d ein laufender Bestand von 650 Vorhaben genannt. Für 1973 w i r d angegeben, daß erstmals alle wesentlichen Ressortvorhaben der Legislaturperiode erfaßt sind. Es gilt ein Prinzip der Gegenseitigkeit, nach dem den Ressorts alle eingehenden Informationen oder eine gewünschte Teilmenge laufend zur Verfügung gestellt wird. Das Datenblatt der Bundesregierung war von vornherein auf automatisierte Datenverarbeitung angelegt. Die beabsichtigte Früherfassung und die angestrebte Gegenseitigkeit setzten die Unterstützung durch automatisierte Verfahren voraus. M i t dieser Hilfe ist es möglich,
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die auf den Datenblättern gemeldeten Informationen nach verschiedenen Sortierungsgesichtspunkten aufzulisten und zunehmend die Listenbilder nach Benutzerwünschen auszugestalten. Zum Jahre 1972 w i r d berichtet, daß es aus dem Bundeskanzleramt und den Ressorts Daueraufträge von monatlich 44 verschiedenen Auswertungslisten und zusätzlich viele einmalige Auswertungen gegeben hat. Das Datenblatt selbst wurde seit seiner Einführung mehrmals geändert und insbesondere i n seinen Informationskategorien erweitert. Wenn man nach dieser Skizze des Verbundsystems von Bundeskanzleramt und Bundesressorts nach den allgemeinen Funktionen fragt, so w i r d man i n dreifacher Weise unterscheiden können, nämlich: erstens inwieweit Orientierungshilfen für anderweitig organisierte und ablaufende Koordination geleistet werden, zweitens inwieweit selbst Koordinationen i n A n g r i f f genommen werden und drittens inwieweit über die Koordination hinaus ein eigener Planungsansatz geboten wird. Die erste Frage ist bereits zum Teil i n unserer Darstellung mitbeantwortet worden. Es geht darum, die möglichst frühzeitige und vielseitige I n formation des Regierungschefs und der Minister über wichtige Vorhaben aller Ressorts zu sichern, die Koordination innerhalb und zwischen den Ressorts zu verbessern und die Kabinettsarbeit zu erleichtern. Vor allem der Zuschnitt auf die Aktivitäten des Kabinetts und insoweit wiederum insbesondere auf die i n ihrer Maßgeblichkeit nicht zu unterschätzende Zeitplanung der Kabinettsarbeit sind zu betonen. I m einzelnen w i r d eine Vielfalt von Soll-Leistungen von dem Koordinationssystem erwartet: Die Vereinbarkeit m i t der politischen Zielsetzung der Regierung soll überprüfbar werden. Zielkonflikte sollen frühzeitig erkennbar werden. Bei der sachlichen und zeitlichen Prioritätensetzung soll geholfen werden. Eine Frühwarnung für die Finanzplanung soll ermöglicht werden. Die politischen Initiativen des Regierungschefs und der Minister gegenüber Parlament und Öffentlichkeit sollen erleichtert werden. Entsprechendes gilt für die Zeitplanung i m Hinblick auf Bundestag und Bundesrat. Für die Aufstellung und Fortschreibung von Arbeitsprogrammen der Bundesregierung sollen Informationsgrundlagen geliefert werden. Damit sind w i r bei den weiteren Fragen von aktiver Koordination und Planungsansatz. Ohne zwischen beiden an dieser Stelle zu unterscheiden, ist noch folgendes zu berichten: I m Jahre 1970 erfolgte m i t der Erstellung eines Arbeitsprogramms der Bundesregierung ein Übergang zu einer Handlungsqualität, die mindestens eigene Koordinationsaktivitäten des Verbundes darstellt. I n einem besonderen Erhebungsund Bearbeitungsverfahren wurden Programm- und Maßnahmemeldungen zu 27 Reformschwerpunkten verdichtet und i n sechs Bereichen
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wie Bildungspolitik, Forschungspolitik oder Strukturpolitik und Raumordnung zusammengefaßt. Innerhalb dieser nach zusammengehörigen Materien geordneten größeren Bereiche wurden die einzelnen Reformschwerpunkte als Teilbereiche unter Interdependenzgesichtspunkten ausgewiesen. Das Arbeitsprogramm ist innerhalb der Teilbereiche wie folgt gegliedert: Ausgangslage bei Regierungsantritt — Zielsetzungen der Bundesregierung — bisher erreichte Ergebnisse — Übersicht über alle zum Reformschwerpunkt gehörenden Einzelvorhaben, jeweils mit Terminangaben für den Entscheidungsprozeß — Hinweis auf die vom Bund vorgesehenen M i t t e l i m Finanzplan 1970 -1974 oder sonstige Finanzquellen. Dieses Arbeitsprogramm der Bundesregierung ist dann i n den folgenden Jahren mehrfach fortgeschrieben worden. 2. Das Verbundsystem zwischen Staatskanzlei und Ressorts auf dem Gebiete der Koordination finden w i r i n der Bundesrepublik Deutschland m i t den bereits genannten Vorbehalten nicht nur auf Bundesebene, sondern auch i n den Ländern. Dabei sind die Hauptmerkmale dieses Systems, nämlich die Organisationseinheit der Planungs- oder Koordinationsbeauftragten und der Informationsprozeß durch Datenblätter, weit verbreitet. Dieser Umstand erlaubt es, i m folgenden von dem Anschauungsfall der Bundesregierung und seiner aktuellen Lage zu abstrahieren und unter Einbeziehung von Erfahrungen der Landesregierung einige allgemeine Probleme dieser neuen koordinierenden Zentren zu erörtern 1 2 . Der Koordinationsverbund zwischen Staatskanzlei und Ressorts stellt ein Verwaltungssystem dar, das gemessen an den überlieferten organisationalen und prozessualen Formen der Zusammenarbeit i m Regierungsbereich einige spezifische Züge aufweist. Man kann ihn weder als bloße Ausdehnung des Apparates des Regierungschefs noch als üblichen interministeriellen Ausschuß bezeichnen. Die allgemeine Koordinationskompetenz der Staatskanzlei gibt deren Vertretern eine Position i m Verbund, die sich m i t dem Ein Mitglied / eine Stimme-Modell nicht erfassen läßt. Schon äußerlich ergibt sich oft das B i l d einer Überrepräsentation, w e i l die Staatskanzlei m i t zahlreichen Mitgliedern vertreten ist. Man muß dabei berücksichtigen, daß nicht nur die für den Verbund federführende, sondern i m Grunde alle Abteilungen der Staatskanzlei irgendwie Koordinationsfunktionen haben. Dazu ist zu berücksichtigen, daß die Geschäftsführung für den Verbund besondere Bedeutung hat. Die Qualität der Koordinationsarbeit hängt i n starkem 12 Seit 1970 besteht ein Erfahrungsaustausch zwischen den Staats- und Senatskanzleien der Länder und dem Bundeskanzleramt in Fragen der Planung und Koordination, in dessen Rahmen der Verfasser ein Bundesland vertritt.
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Maße von dem informationalen Instrumentarium ab. Dessen Betreuung obliegt der geschäftsführenden Staatskanzlei. So kommt es letzten Endes auf eine Balance zwischen Staatskanzlei und Ressorts an, die einerseits der allgemeinen Koordinationskompetenz der Staatskanzlei Rechnung trägt, andererseits aber den Ressortvertretern soviel kommunikative Möglichkeiten läßt, daß die Zusammenarbeit für sie attraktiv bleibt. Es sind Fälle bekannt geworden, i n denen ein präjudizielles Vorgehen der Staatskanzlei zu einem Rückschlag geführt hat, w e i l die Ressorts ihre Selbständigkeit angetastet gesehen haben. Hingegen hat man es i n anderen Fällen verstanden, deutlich zu machen, daß nicht nur die Ressorts, sondern auch die Staatskanzlei einen spezifischen Informationsvorsprung hat, und daß man bereit ist, diesen zu Gunsten der Zusammenarbeit m i t den Ressorts i n den Koordinationsverbund einzubringen. Erfolgsvoraussetzung ist, daß das Prinzip der Gegenseitigkeit von allen Partnern befolgt wird. Der Koordinationsverbund zwischen Staatskanzlei und Ressorts ist ein Verwaltungssystem. Das muß gegenüber allen betont werden, die insbesondere unter der Kategorie der politischen Planung ein Steuerungsvermögen von dieser Zusammenarbeit erwartet haben, das eine besondere Machtbildung voraussetzt. Damit soll nicht einer schlichten Trennung von Politik und Verwaltung das Wort geredet werden. Die Verwaltung ist ein politisches Subsystem. Die Ministerialbürokratie ist auch ein Machtfaktor, und es gibt historische Anschauungsfälle dafür, daß gerade dann, wenn neue Aktionsräume für das öffentliche Handeln erschlossen werden, der Verwaltungseinfluß i n diesen Plätzen stark ist. Aber bei unserem Stand der politisch-administrativen Differenzierung gibt es m i t politischen Parteien, parlamentarischen Fraktionen, Koalitionsausschüssen, politischen Regierungsspitzen usw. andere soziale Systeme, die auf Machtbildung und Konsensbeschaffung spezialisiert sind. M i t dem Koordinationsverbund zwischen Staatskanzlei und Ressorts stößt man i n kein Machtvakuum, sondern allenfalls in ein Gebiet vor, i n dem angesichts ausgeprägter Ressortorientierungen die Gewichte bedenklich verteilt sind. Deswegen ist es adäquat, ein neues Koordinationssystem i n Richtung auf die Stärkung des Kabinettsprinzips anzulegen, dies dann allerdings nicht i n der Meinung, daß sich m i t der Artikulierung nicht zureichend berückstichtigter Interessen schon Machtpositionen besetzen ließen. Vielmehr geht es nur darum, •dem politisch-administrativen Differenzierungsgrad entsprechende Strukturen zu entwickeln, die eine — wenn man so w i l l - positive Koordination ermöglichen. Das setzt zuerst Verständnis für das bestehende Machtverteilungsmuster voraus. Die i n der Tat selbst bei Ministern mit weiterreichen-
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den Funktionen i n ihren politischen Parteien zu beobachtende Ressortbindung beruht regelmäßig nicht auf dem Umstand, daß sie Gefangene ihrer Ministerialbürokratien sind, sondern darauf, daß die Ressorts die Instanzen sind, i n denen die Sonderinteressen einer differenzierten Gesellschaft angemeldet und formuliert werden 1 3 . Dem entsprechend muß der Ressortminister z. B. aus den i m Koordinationsverbund erarbeiteten Überblicksinformationen etwas für die von i h m vertretenen Sonderinteressen und deren weiteren Zusammenhang entnehmen können. Es soll vorgekommen sein, daß Ministern selbst auf ihrem besonderen Sachgebiet Einsichten vermittelt werden konnten, die ihnen ihr eigenes Haus nicht gegeben hat. Die angemessene Einschätzung der politischen Zusammenhänge w i r k t sich bis i n das Detail der Koordinationsarbeit aus. So mögen sich m i t der Hierarchiesierung der Kommunikationswege etwa i n der Weise, daß Vorhabenanmeldungen über den Minister geleitet werden, Nachteile zusätzlicher taktischer Erwägungen verbinden. Indessen sind Verfahren unergiebig, i n denen das informational vielleicht besser abgestimmte Projekt mangels korrespondierender Konsensbeschaffung politisch ins Leere fällt. Wenn m i t h i n auch eine Verknüpfung von spezifisch politischem Handeln der Machtbildung und spezifisch administrativem Handeln der Informationsverarbeitung erforderlich ist, so kommt es doch i m Grunde darauf an, das i m Hinblick auf den Koordinationsverbund benutzte Wort von der Regierungsbuchhaltung i n seinen positiven Sinn zu wenden. Geht man mit Max Weber davon aus, daß der „rationale Staat" auf einer rationalen Verwaltung beruht, dann ist es Sache des Verwaltungsmannes, auch den Dezisionen auf der höchsten Regierungsebene kommunikative Strukturen zu vermitteln. Bedenkt man etwa, welcher schmale Zeithaushalt für die Kabinettsarbeit zur Verfügung steht und welche Vielzahl von Regierungsprojekten schon kompetenzmäßig das Kabinett passieren müssen, so ist es kaum vertretbar, die einschlägigen Terminierungen nur der punktuellen Aufmerksamkeit zu überlassen. M i t Hilfe der Vorhabenanmeldung i m Koordinationsverbund ist es gelungen, zeitliche Programme für die Kabinettsarbeit und Zeitvorstellungen für die parlamentarischen Beratungen zu entwickeln. Es soll sogar vorgekommen sein, daß diese Terminlisten als Leistungskontrollen i n der Legislaturperiode gewirkt haben. Bedenken w i r die Bedeutung des Zeitfaktors i m politisch-administrativen Prozeß und den Umstand, daß i m allgemeinen noch keine befriedigende Zeitplanung i m öffentlichen Sektor besteht, werden w i r das als Erfolg ansehen. 18 Vgl. den Projektbericht zur Programmentwicklung in der Ministerialorganisation von Renate Mayntz-Trier / Fritz Scharpf u. a., erstattet für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Juni 1972.
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A n diese Überlegungen läßt sich ein Hinweis auf die Personalprobleme des Koordinationsverbundes von Staatskanzlei und Ressorts anknüpfen. Der hohe politische Stellenwert der Tätigkeit der Koordinationsbeauftragten setzt eine spezifische Loyalität voraus. Die hohen kommunikativen Anforderungen des Koordinationsgeschäfts verlangen besondere kognitive Fähigkeiten. Für beides ist i m Personalsystem des westdeutschen Verwaltungdienstes nicht hinreichend vorgesorgt. Der personelle Bereich der Regierungsspitze ist auf Wechsel angelegt. Politiker werden gewählt und abgewählt. Für die Verwaltungsleute gilt i n aller Regel die Kontinuität des Lebenszeitprinzips. Unser Beamtenrecht läßt den erklärten politischen Parteigänger nur sehr ausnahmsweise und eigentlich eher am Ende der Karriere zu. Die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Lage ergeben, haben zu nicht systemkonformen Maßnahmen geführt. Hiernach lassen sich strukturelle Personalfragen stellen, die über den Fall der Koordinationsbeauftragten hinausgehen. Koordinationen auf der Ebene der Gesamtregierungstätigkeit verlangen besonderen Sachverstand. A n dieser Stelle pflegt man darauf hinzuweisen, daß nach unserem Rekrutierungs- und Karrieresystem zuerst Juristen die Chance haben, solche Positionen zu besetzen, daß sie aber nach ihrer Ausbildung nicht auf diese Arbeit vorbereitet sind. Wir müssen feststellen, daß nach dem Herkommen westdeutscher Studiengänge kaum jemand die für solche Koordination erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt erhalten hat. Erst i n jüngerer Zeit sind an den westdeutschen Hochschulen curriculare Vorstellungen entwickelt worden, die solche Berufstätigkeiten mitberücksichtigen. I n der Bundesrepublik Deutschland ist es indes nicht dabei geblieben, daß der Verwaltungsmann zum Autodidakten werden mußte. Zwar hat die Ausweitung der planerischen und koordinierenden Aktivitäten wohl nicht solche Bildungskonzeptionen angeregt, wie sie i m Zusammenhang m i t der Einführung des Planungs-, Programmierungs- und Budgetierungssystems i n den Vereinigten Staaten ausgelöst worden sind. Aber Planung und Koordination gehören heute zum Kernbereich der Fortbildung für den höheren Verwaltungsdienst, und vielleicht ist es an manchem Ort gelungen, Multiplikatorwirkungen zu entfalten 1 4 . Die Organisation des Koordinationsverbundes ist i n ihrer Grundstruktur bereits zuvor beschrieben worden. W i r wollen auf einzelne Variationen bei den Landesregierungen, was den Aufbau nach oben anlangt, nicht eingehen, sondern noch eine allgemeine Schwierigkeit kennzeichnen. Wenn man bei der personellen Auswahl der Planungsbeauftragten i m Grunde keine vereinheitlichenden Regeln ausgegeben 14 Zum Fortbildungsbedarf vgl. den Tagungsband der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Fortbildung des höheren Verwaltungsdienstes, Berlin 1974.
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hat, sondern es i m allgemeinen dem jeweiligen Ressortchef überlassen hat, jemanden zu rekrutieren, dem Loyalität und Sachverstand zugetraut wird, so werden i m Organisatorischen verhältnismäßig wenig Vorgaben gemacht. I m Bund w i r d bei den Planungsbeauftragten auf die Ebene des Abteilungsleiters abgestellt. Dieses Gremium setzt sich dann aus Leitern von Fachabteilungen, von Zentralabteilungen, von Grundsatzabteilungen, von Planungsstäben zusammen. I n den Ländern geht es regelmäßig u m die Referentenebene. Auch hier ergeben sich Heterogenitäten. Schwerwiegender als dieser Faktor und die Nebenamtlichkeit ist jedoch, daß nur ausnahmsweise organisatorische Konsequenzen i n den Ressorts selbst gezogen werden. Der Gedanke einer Koordination auf breiter Informationsbasis setzt eine ebenso breite organisatorische Grundlage i n den Ministerien voraus. Das gilt u m so mehr, wenn die Koordinationsbeauftragten noch Moderatoren i n ihren Ressorts sein sollen. I m allgemeinen ist sie Frage noch nicht befriedigend beantwortet, wie Organisationszusammenhänge i n den M i nisterien geschaffen werden können, i n denen dem Koordinationsbeauftragten zugearbeitet wird. Das formalisierte Koordinationsverfahren des Datenblattsystems zeigt, wie sehr man trotz oft genannter Planungsmethoden auf eigene Entwicklungsarbeiten angesichts praktischer Anforderungen angewiesen ist. Es müssen informationale Selektionsmuster entworfen werden, die dem arbeitsteiligen Handeln i n der Regierung Rechnung tragen. So ist der Koordinationsverbund zwischen Staatskanzlei und Ressorts i n spezifischer Weise i n seiner Tätigkeit an den öffentlichen Aufgaben orientiert. Es ist auch bekannt, daß die Organisation der Ministerien nur idealerweise Ausdruck der öffentlichen Aufgaben ist, während i n der Realität ziemlich alles zwischen der Kompetenz ohne Aufgaben und der doppelten Wahrnehmung von Aufgaben vorkommt. U n d doch muß das Muster der Informationsauswahl die Kompetenzen v o l l respektieren, soll es von den Ressorts angenommen werden. Erst i m zweiten Zugriff ist es möglich, durch eine besondere Aufgabenorientierung die herrschenden Kompetenzverteilungen i n Frage zu stellen. Von allen Informationskategorien des Datenblattes ist am fraglichsten, was denn eigentlich Vorhaben i m Sinne der Arbeit des Koordinationsverbundes ist. Man steht i n einem Zwiespalt zwischen der Vollständigkeit i n der Erfassung aller Regierungsaktivitäten und einer Beschränkung auf eine Auswahl, die der kommunikativen Kapazität und der Funktion des Koordinationssystems Rechnung trägt. M i t der schlichten Forderung, alles sei anzumelden, läuft man mindestens am Anfang Gefahr, hohe Dunkelziffern i n Kauf nehmen zu müssen oder i m Datenmaterial das für Koordinationen auf dieser hohen Regierungsebene Relevante aus dem Auge zu verlieren. A u f der anderen Seite bleibt
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jede Selektion problematisch. Vielfach ist versucht worden, Kriterien der Änderung einzuführen. Aktivitäten, m i t denen nur der Status quo fortgeschrieben wird, sollen als laufende Tätigkeiten beiseite gelassen, Änderungsaktivitäten berücksichtigt werden. Vor allem w i r d auf die Kabinettsarbeit abgestellt und Anmeldung immer dann Verlangt, wenn die Angelegenheit i m Kabinett behandelt werden soll. Angesichts der Unwägbarkeiten dieses Geschäfts erweisen sich dann allerdings zusätzliche Generalklauseln als erforderlich wie die politischer oder finanzieller Bedeutung. Auch hierbei kann es sich indes allenfalls u m erste kommunikative Bezugsrahmen handeln, innerhalb deren sich ein Konsens entwickelt, der Einzelregeln wie eine finanzielle Bagatellgrenze und eine gewisse Kasuistik umfaßt. Das Datenblatt w i r d inzwischen solange praktiziert, und die Datenblätter sind so oft überarbeitet worden, daß trotz einiger unterschiedlicher Akzentuierungen bei den verschiedenen Regierungen ein Bestand von Hauptfragen zu verzeichnen ist. Sie beziehen sich auf die inhaltliche Beschreibung des Vorhabens, seine finale Begründung und seine Einordnung i n Vorhabenzusammerihänge, auf einschlägige politischprogrammatische Äußerungen, Wertungen und Dringlichkeitserklärungen, auf das Verhältnis zu Betroffenen, interessierten Organisationen und anderen politischen Institutionen, auf erwartete organisatorische und personale Auswirkungen, auf raumordnerische und Umweltgesichtspunkte, auf den Verfahrensablauf m i t Einschluß von Terminangaben und insbesondere auf die Finanzproblematik. Der Erfassungszeitraum erstreckt sich prinzipiell auf fünf Jahre. Damit w i r d über den jeweiligen Haushalt hinaus die Verbindung zur mittelfristigen Finanzplanung gesucht. Man muß hierbei berücksichtigen, daß die große Schwierigkeit der öffentlichen Entscheidungspolitik, nämlich A u f gabenplanung und Finanzplanung miteinander zu verzahnen 15 , bereits eine Frage der Datenbasis ist. Aufgabénorientierung und Finanzmittelorientierung sind durch unterschiedliche Aufmerksamkeiten gekennzeichnet. Zum einen werden mehr die politischen Intentionen, zum anderen mehr finanzielle Absicherungen berücksichtigt. Indessen müssen von den Informationsgrundlagen her Umrechnungen möglich sein. Das formalisierte Verfahren i m Koordinationsverbund bietet ein vielseitiges Erfahrungsmâterial zu allgemeinen Fragen der Verwal16 Vgl. noch Anlagenband zu Dritter Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung der Projektgruppe Regierungsund Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, November 1972; ferner: den Bericht für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Management-System für ein Bundesministerium — A m Beispiel des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, erstellt von McKinsey and Company Inc. M a nagement Consultants, Januar 1973.
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tungswissenschaft, die über den konkreten Anschauungsfall hinausreichen. Bei forcierter Einführung und rascher Revision des Datenblattes zeigt sich einiges über die Grenzen innovatorischer Belastbarkeit. Unklare Kriterien weisen darauf hin, wie unsicher vieles i n der Sache selbst ist, wie sehr man sich bei der Entwicklung neuer Kommunikationsformen noch i n der Erprobungsphase bewegt. I n diesem Zusammenhang muß insbesondere auf die Unterstützung durch die automatisierte Datenverarbeitung hingewiesen werden. Von den ersten Überlegungen zur Brauchbarkeit vorhandener EDV-Systeme bis zur Aufstellung eines Terminals i n der Staatskanzlei sind Erfahrungen gesammelt worden, die einige Einsichten zu den gern diskutierten Themen der Datenbank für Planung oder des Management-Informationssystems für den Regierungschef vermitteln. Datenblattbestände sind für sich hilfreich. Ihre Brauchbarkeit für die Koordination hängt i m weiteren von ihrer Auswertung ab. Dabei kann i n elementarer Weise vorgegangen werden. Bei dem heutigen Grad der Arbeitsteilung kann man schon davon ausgehen, daß die bloße listenmäßige Zusammenstellung der Vorhaben nützlich ist. Ein Verzeichnis von Zeitvorstellungen w i r d die Engpässe des Verfahrensablaufs verdeutlichen. Eine Aufstellung der intendierten Investitionsvorhaben w i r d vor verfügbare Finanzrahmen gestellt, u m das nach den Ressourcen Mögliche zu klären. Eine Liste angemeldeter interministerieller Beteiligungen w i r d etwas vom Stand der Ressortorganisation angesichts der Sache ausweisen. Eine Gegenüberstellung von Vorhaben bei ressortüberschreitenden Aufgaben w i r d Widersprüche, Ergänzungen, Überlappungen aufzeigen. Der Gedanke des Koordinationsverbundes geht indes über solche Orientierungshilfen hinaus. Ein Arbeitsprogramm m i t dem Inhalt, daß die und die Gesetzgebungsvorhaben, wenn auch ohne Festlegung i n der Sache, so doch jedenfalls i n der Legislaturperiode von der Gesamtregierung gewollt sind, stellt eine erste Ordnungsleistung dar. K o m m t es zudem zu einer Abstimmung über Termine, dann sind implizit Prioritäten oder Posterioritäten gesetzt. Werden überdies dem Grunde nach bestimmte Ziele und Ressourcenbeanspruchungen akzeptiert, dann ist bereits eine inhaltliche Koordination erfolgt. Die i m Verbund von Staatskanzlei und Ressorts entwickelten Programme haben unterschiedliche Eigenschaften. Manchmal handelt es sich nur u m Teilprogramme, also etwa u m Programme, die sich auf Gesetzgebungs- oder Investitionsvorhaben beziehen. I n anderen Fällen ist eine umfassende Abstimmung gemeint, i m Sinne etwa des allgemeinen Arbeitsprogramms der Regierung. Manche Programme sind verhältnismäßig fest und werden nur i n längeren Zeitabständen fortgeschrieben. A u f der anderen Seite gibt es Programme, die ständig fort-
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geführt werden und gleichsam gleitende mittelfristige Arbeitsprogramme sind. Meist greift die Koordination über die Akzeptierung des Vorhabens als solches nur bis zur zeitlichen Abstimmung. Manchmal sind auch ganz bestimmte inhaltliche Festlegungen beabsichtigt. Hier berühren sich Koordination und Planung, auf deren Verhältnis später noch einzugehen ist. I m vorliegenden Zusammenhang muß noch ein Hauptproblem der Regierungskoordination genannt werden. Die Bundesregierung hat ihr i m Verbund von Bundeskanzleramt und Bundesressorts erstelltes Reformschwerpunktprogramm als internes Arbeitsprogramm behandelt. Nachdem der amtierende Bundeskanzler die Existenz eines solchen Arbeitsprogramms bekannt gegeben hatte, versuchte die Opposition, seine Offenlegung zu erreichen. Die entsprechenden parlamentarischen Anfragen blieben ohne Erfolg. Auch auf der Ebene der Landesregierungen bestehen Arbeitsprogramme, die strikt als interne Vorgänge angesehen werden. Hierzu muß man folgendes sehen. Was die Opposition anlangt, so erleichtert ihr eine derartige Veröffentlichung die Arbeit außerordentlich. Man muß i n Rechnung stellen, daß Oppositionen ohne entsprechende Verwaltungsapparate nur m i t einem begrenzten Aufmerksamkeitspotential ausgestattet sind. Man hat so von dem Arbeitsprogramm der Regierung als von einer Abhakliste für die Opposition gesprochen. Darüber hinaus w i r d durch die Publikation des Arbeitsprogramms der Regierung ein ganz bestimmter Erwartungshorizont i n der Öffentlichkeit aufgebaut und neue Forderungen werden hervorgerufen. Es werden Maßstäbe ausgegeben, an denen sich Erfolg oder Mißerfolg der Regierung ablesen lassen. Bei entsprechender Verbreitung durch die Massenmedien sind Folgen bis zu den Wahlen abzusehen. W i r kennen i n unserem politisch-administrativen System abgestufte Formen der kommunikativen Reichweite: von den höchsten Geheimhaltungsstufen bis zur allgemeinen Publikation durch die Presse- und Informationsämter. Der Regierung w i r d ein kommunikativ interner Arbeitsspielraum zugebilligt, der ihr die angemessene Vorbereitung ihrer A k t i v i t ä t e n erlaubt. Berücksichtigt man, daß die Koordination ein Komplement der Arbeitsteilung ist, dann lassen sich wie das arbeitsteilige Regierungshandeln selbst auch dessen Koordination als interne Regierungsgeschäfte ansehen. Das schließt freilich nicht aus, daß die Regierung sich m i t ihrem Arbeitsprogramm der demokratischen Kontrolle durch Opposition und Wählerschaft stellt. Man w i r d der Regierung w o h l auf die Dauer dazu raten müssen. Allerdings haben die Bemühungen des Koordinationsverbundes zwischen Staatskanzlei und Ressorts noch nicht überall ein solches kommunikatives Niveau erreicht, daß man das Risiko einer Regierungserklärung auf sich nehmen kann.
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m. 1. W i r haben m i t dem Verbund von Staatskanzlei und Ressorts Koordinationszentren i m westdeutschen Regierungssystem genannt, die sich von den i m Rahmen des Gesamtthemas der Koordination und Regierungspoltik genannten klassischen Gegenständen des Amtes des Regierungschefs, der Budgetierung und der ministeriellen Ausschüsse abheben lassen. Es bleibt die Frage, ob sich noch andere zentrale oder ressorteigene Einheiten ausmachen lassen, denen über den Umstand hinaus, daß alle sozialen Problemfelder mehr oder weniger interdependent sind und deswegen alle Regierungsaktivitäten mehr oder weniger koordiniert und koordinierend sein müssen, eine spezifische Koordinationsfunktion zuzuschreiben ist. Dabei liefert uns die Budgetierung, die hier als Koordinationsfaktor thematisch eigens berücksichtigt ist, einen ersten Hinweis. Wie w i r wissen, entspricht die finanzielle Rationalität des öffentlichen Haushalts nicht ohne weiteres den Zweck-Mittel-Konzepten der m i t Bildung, Umweltschutz, öffentlicher Sicherheit usw. befaßten fachlichen Ressorts. Es gibt genug drastische Äußerungen von Ressortchefs, die beim Verlassen des Finanzministeriums dem Haushalt i n der und der Sache jeden politischen Sinn abgesprochen haben. Und i n der Tat lassen sich die Probleme der Bildung, des Umweltschutzes, der öffentlichen Sicherheit nicht auf die finanziellen Ausgleichungen der Budgetierung reduzieren. Indessen muß die Prioritäten und Posterioritäten setzende Wirkung des Haushaltsprozesses von den Ressorts hingenommen werden. Das liegt letzten Endes nicht an rechtlichen Sanktionsr möglichkeiten, die der Finanzminister nach der Verfassung oder Geschäftsordnung der Regierung haben mag. Die Kompetenz- und Machtstellung des Finanzressorts kann durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein. Maßgeblich für die koordinierende Funktion der Budgetierung ist, daß i m Streit u m knappe Ressourcen eine Abstimmung innerhalb der finanziellen Rahmen erfolgen muß. Überträgt man diese Überlegungen auf andere öffentliche Mittel, so zeigt sich, daß auch aus anderen Knappheiten ein Abstimmungszwang erwächst. Regierungsaktivitäten müssen sich z. B. i n den Rahmen dessen einordnen, was als Personal und Organisation zur Verfügung steht. Es ist zu fragen, ob nicht die politisch-administrativen Handlungszusammenhänge solcher Ressourcenverteilungen als spezifische Koordinationssysteme i m Bereich der Politikentscheidungen und Prioritätensetzungen eingesetzt oder einsetzbar sind. Bevor w i r dieser Frage nachgehen, müssen w i r aber noch ein Vorurteil ausräumen, dem man manchmal i n der Verwaltungswissenschaft und früher auch i n der Verwaltungspraxis begegnet. Finanzen, Perso-
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nal, Organisation gehören zu den sogenannten Querschnittsaufgaben. Das sind Handlungsbereiche, die sich aus dem Entscheidungsprozeß ausgliedern und zur allgemeinen Wahrnehmung einer eigenen Einheit zuweisen lassen. Die Querschnittstätigkeiten werden von manchen als Hilfsaufgaben angesehen, die nicht so wichtig seien. Die Fachtätigkeit erscheint als das Primäre; Querschnittsaktivitäten gelten demgegenüber als sekundär. Das hat bestimmte Konsequenzen für die Ausgestaltung der Verwaltungen gehabt. I n Deutschland war lange Zeit das wohl deutlichste Zeichen dieser Einschätzung, daß Haushalts-, Personal» Organisationsangelegenheiten die Domäne des nicht wissenschaftlich ausgebildeten Verwaltungsdienstes waren. Heute hat sich das Meinungsbild gründlich geändert; wer sich m i t dem A m t für Management und Budget des Präsidenten der Vereinigten Staaten beschäftigt, w i r d kaum der Ansicht sein, es m i t einer unwichtigen Zentralinstanz zu t u n zu haben, bei der über Politikentscheidungen und Prioritätensetzungen nicht zu sprechen ist. Mancher Verwaltungswissenschaftler hält sich an die Begründung, daß die Endprodukte der Verwaltung stets nur so gut sein können, wie Personal, Organisation und Finanzierung sind. W i r müssen demgegenüber betonen, daß sich diese Handlungsbereiche nicht bloß als institutionelle Tätigkeiten i n dem Sinne betrachten lassen, daß sie nur M i t t e l zu Fachzwecken ohne eigene Einwirkungen auf die Verwaltungsumwelt sind. Regierung und Verwaltung sind auch insoweit ein offenes System. Die Reaktionen, die das Publikum bei der territorialen Verwaltungsreform i n der Bundesrepublik Deutschland gezeigt hat, weisen darauf hin, daß es bei Reorganisationen u m mehr als u m inneradministrative Probleme geht. Wenn man die politischen Auseinandersetzungen u m die Anzahl der Planstellen für Lehrer bei uns verfolgt, w i r d man es kaum dabei bewenden lassen können, das Lehrpersonal als rein institutionelles M i t t e l zu Bildungszwecken zu begreifen. Schließlich kann auf die Reformdiskussion zum Budgetierungsprozeß verwiesen werden, wo es darum geht, kommunikative Formen zu entwickeln, die das Finanzielle nicht nur als Eingang i n das Verwaltungssystem und dann nicht nur als Ausgang aus diesem System, sondern als Einwirkung auf die soziale Umwelt ausdrücken. Sieht man angesichts der den Personal- und Organisationsangelegenheiten innewohnenden Koordinationszwänge auf die systematische Ausgestaltung dieser Handlungsbereiche, dann muß man für die Bundesrepublik Deutschland i m Prinzip davon ausgehen, daß auf der interministeriellen Ebene — anders als i m innerbehördlichen Bereich der Ressorts — Personal und Organisation als integrierte Bestandteile der Fachaufgabe behandelt werden. Das heißt, sie unterliegen den allgemeinen Arbeitsteilungen i n der Sache, ohne daß besondere zentrale
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oder ressorteigene Einheiten für personale und organisatorische Geschäfte bestehen. Davon gibt es eine Reihe von punktuellen Abweichungen. Eine der hervorragendsten Ausnahmen ist die, daß der Bundeskanzler nicht nur das Kabinettbildungsrecht hat, sondern i h m die Organisationsgewalt i m Bereich der Bundesregierung insoweit zusteht, als sich dies aus seiner Richtlinienkompetenz ergibt. Das Kabinett hat z. B. Geschäftsordnungsbefugnisse. Auch einzelne Ministerien haben ressortüberschreitende Aufgaben i m Bereich von Personal und Organisation. Das gilt insbesondere für den Minister des Innern, der auf verschiedenen Gebieten, wie denen des Beamtenrechts oder der Errichtung von Dienststellen, allgemeinere Verantwortungen hat. Z u erwähnen ist, daß für die besonderen Unternehmen der territorialen und funktionalen Verwaltungsreform i n den Ländern auch besondere personale und organisatorische Vorkehrungen ihrer Bearbeitung getroffen worden sind. Insgesamt bleibt es jedoch für die Regierungsgeschäfte dabei, daß auf interministerieller Ebene personale und organisatorische Aktivitäten der fachlichen Arbeitsteilung folgen und dann i m Verwaltungsalltag von der Vielfalt allgemeiner Koordinationsformen erfaßt werden. Eine beachtliche systematische Abweichung von diesen Arbeitsteilungs- und Koordinationsmustern finden w i r i n einem westdeutschen Stadtstaat 16 . Dort ist der kollegial organisierten Regierung — dem Senat — ein Senatsamt für den Verwaltungsdienst beigeordnet. Dieses zentrale Senatsamt ist i n zwei Untereinheiten, ein Organisationsamt und ein Personalamt, gegliedert. Das Organisationsamt ist für grundsätzliche Organisationsangelegenheiten und gewisse Querschnittsaufgaben, für Personalbedarf und Organisation der Behörden und für Automation zuständig; das Personalamt ist für Beamtenrecht, Tarifrecht, Besoldungsrecht — einschließlich der Prozeßführung i m Rechtsstreit —, ferner für Ausbildung, Fortbildung, Personalführung, Beamtenernennung, Nachwuchsfragen und dazu für gewisse Gebiete der Automation i m Personalbereich zuständig. Die möglichen Koordinationsleistungen der Querschnittsaufgaben m i t Ressourcencharakter zeigt die Beschreibung folgender Funktionen, die das Organisationsamt i n enger Verknüpfung m i t dem Personalamt in18 Vgl. Senatsamt für den Verwaltungsdienst der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.), Managementsysteme — Systeme und Methoden des M a nagements in der hamburgischen Verwaltung, Hamburg, April 1973; ferner: Ulrich Becker: Das strukturelle Instrumentarium der Regierung und Verwaltungsführung der Freien und Hansestadt Hamburg, in: Die Verwaltung 1969, 213 ff.; ders.: Organisationaufgaben und Organisationsstellen — am Beispiel der Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg —, in: Hrsg.: Erhard Mäding und Franz Knöpfle: Organisation und Effizienz der öffentlichen Verwaltung, Köln 1974.
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nerhalb des Senatsamts für den Verwaltungsdienst hat: Das Organisationsamt unterstützt den Senat bei der Erfüllung von Lenkungsfunktionen, wozu die Zuständigkeitsverteilung auf die Behörden, die Organisationsplanung für die Gesamtverwaltung m i t Umsetzung i n konkrete Aktivitäten und die Einführung neuer Systeme und Methoden — Zeichnungsrecht, Netzplantechnik usw. — gehören. Das Organisationsamt ist die Instanz für eine Reihe von Kompetenzen, die zur angemessenen Gesamtkoordination aus der Perspektive einer zentralen Stelle wahrgenommen werden. Das sind insbesondere personalwirtschaftliche Maßnahmen bei der Vorbereitung des Stellenplans und andere Bedarfsfragen — wie Raum, Fahrzeuge usw. — sowie die Planung und Lenkung der Automation. Das Organisationsamt übt aus seiner zentralen Stellung heraus überdies Beratungen und Dienstleistungen aus, etwa bei der Umorganisation von Behörden, bei Meinungsverschiedenheiten der Behörden als neutrale Instanz, bei methodischen Fragen und Wirtschaftlichkeitsanalysen. Der Einrichtung von zentralen Koordinationseinheiten i m Bereich von Personal und Organisation w i r d bei uns anderenorts, insbesondere i m Bund, eine verfassungsrechtliche Argumentation entgegengehalten, die darauf verweist, daß jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet und daß zu diesem Ressortprinzip auch Personalhoheit und Organisationsgewalt gehören 1 7 . Deswegen sind die i m Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform des Bundes gemachten Vorschläge eher zurückhaltend 18 . So w i r d i m Personalbereich von Teilzentralisierungen von der A r t gesprochen, daß eine zentrale Personaldatenbank m i t dezentralem Zugriff einzurichten sei. A u f dem Felde der Organisation w i r d die Zusammenführung folgender Bereiche vorgeschlagen: Fortsetzung der Arbeiten für die Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Aufgaben einer Koordinations- und Beratungsstelle für angewandte Verwaltungsforschung, Aufgaben der Koordinationsund Beratungsstelle für elektronische Datenverarbeitung, Aufgaben i m Bereich überbehördlicher und innerbehördlicher Organisation, Förderung von Verwaltungsplanspielen, Grundsatzfragen des behördlichen Vorschlagswesens, Mitwirkungsbefugnisse bei der Errichtung oder Veränderung von Dienststellen, Rationalisierungen i m Bereich der Bundesverwaltung, Geschäftsführung des Ausschusses für Organisationsfragen. 17
Zum Personalbereich vgl. das Gutachten für die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Zentralisierungen im Personalwesen des Bundes, von K a r l Heinrich Friauf, November 1972. 18 Vgl. Dritter Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, I V . Teil, Zentralisierung und interministerielle Zusammenarbeit, der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, November 1972.
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W i r wollen hier nicht der Frage nachgehen, inwieweit nach den verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilungen zwischen Kanzler, Kabinett und Ressorts i n den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland Personal- und Organisationsangelegenheiten zentralisiert werden können und ob und welche Verfassungsänderungen i n Betracht zu ziehen sind. Maßgeblich ist, daß der Grundtatbestand des Koordinationszwanges bei kanppen Ressourcen nicht aus dem Auge verloren geht. Es liegt nahe, daß i n Zeiten verhältnismäßig ungebremster Expansion von Verwaltungspersonal und Verwaltungsorganisation die einschlägigen Koordinationsfragen nicht als vordringlich behandelt werden. Gerät man i n Zeiten, i n denen die Ausweitung des politisch-administrativen Sektors unter den Druck öffentlicher Kontrollen gerät, und läßt sich nicht mehr m i t leichter Hand verfahren, dann stellt sich die Frage systematischen Vorgehens. Es n i m m t nicht wunder, daß selbst i n einem Bun^ desland, i n dem es ein Landespersonalamt gibt, heute gerade dem Finanzminister zugetraut wird, den längerfristigen Personalentwicklungsplan zu erarbeiten. I m Zusammenhang m i t einem solchen Personalentwicklungsplan werden die Knappheitsprobleme deutlich. Man sieht die Ressourcenrahmen, innerhalb derer man sich abstimmen muß. Dabei fallen sicher zuerst die finanziellen Grenzen des Personalhaushalts auf. Die Zahl von über 40 vom Hundert A n t e i l an den Gesamtausgaben i n dem betreffenden Land spricht eine deutliche Sprache. Indessen w i r d genauso klar, daß Verwaltungspersonal i n der Zukunft weder i n beliebiger Zahl noch zu beliebigen Zeitpunkten noch i n beliebiger Qualität auf dem Arbeitsmarkt verfügbar ist. Dem stehen Ressortvorhaben gegenüber, die eine Personalnachfrage über das Verfügbare hinaus implizieren. Hier müssen zwischen den Ressorts Abstimmungen vorgenommen werden, m i t denen Prioritäten und Posterioritäten i n der Sache gesetzt werden. Das läßt sich nicht als institutionelle Tätigkeit i m engeren Sinne interpretieren. Größen wie der Bedarf an Lehrern, Polizisten, Richtern, Steuerbeamten verweisen auf die Einwirkungen auf die soziale Umwelt der Verwaltung i m einschlägigen Fachgebiet hin 1 0 . W i r können zusammenfassen: Aus Querschnittstätigkeiten m i t Ressourcencharakter erwächst jenseits rechtlicher Sanktionsmöglichkeiten ein Koordinationszwang. Diese Koordination kann i n den Formen allgemeiner Abstimmungsprozesse geleistet werden. M a n kann aber auch zentrale oder ressorteigene Einheiten institutionalisieren, die den einschlägigen Koordinationen ein spezifisches System geben. I n der Bundesrepublik Deutschland haben w i r nur wenige zentrale Einrichtungen 19 Zum Problem des öffentlichen Personalsystems vgl. jetzt: Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bericht der Kommission, Baden-Baden 1973.
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auf dem Gebiete von Personal und Organisation. Insbesondere die Minister des Innern haben einige ressortüberschreitende Personal- und Organisationsaufgaben. Heute w i r d zunehmend die Frage der Zentralisierung von Querschnittstätigkeiten erörtert. Modelle einer Funktionsverlagerung i n ein Kabinettsämt für Organisation oder i n ein entsprechendes Zentralamt oder einer Zusammenfassung beim Minister des Innern werden diskutiert. W i r müssen i n diesem Zusammenhang betonen, daß es dabei nicht nur u m die Verbesserung und Vereinheitlichung der Personal- und Organisationsarbeit für sich, sondern zugleich u m ein Koordinationssystem für Politikentscheidungen und Prioritätensetzungen i n fachlichen Bereichen wie Bildung, Gesundheit usw. geht, und zwar angesichts knapper staatlicher Ressourcen. Dem A b stimmungszwang entgeht man nicht durch die Wahl bestimmter Koordinationsformen. Die Frage ist nur, ob man nicht durch die Einrichtung von Ämtern für personale und organisatorische Querschnittsaufgaben ein Koordinationssystem schaffen soll, i n dem die unvermeidbaren Verteilungskonflikte transparent und strukturiert ausgetragen werden. Man kann hier aus ausländischen Erfahrungen m i t einschlägigen Zentralämtern, wie sie i n vielen Staaten bestehen, lernen. 2. Nachdem w i r die Koordinationsfunktion von Querschnittsaufgaben m i t Ressourcencharakter für die Fachaufgaben und weiter entsprechende Einrichtungen i n der Bundesrepublik Deutschland skizziert haben, müssen w i r noch prüfen, ob es nicht auch Fachaufgaben wie Bildung, soziale Sicherheit usw. gibt, die sich durch einen besonderen Koordinationseffekt auf andere Fachaufgaben auszeichnen. Diese Frage läßt sich i m Grunde bis zur Überlegung verfolgen, wie i n den westlichen Demokratien öffentliche Aufgaben identifiziert, formuliert und geordnet werden. Wie w i r aber zuvor die weiteren politisch-ökonomischen Abhängigkeiten der Verteilung staatlicher Ressourcen beiseite gelassen und auf Regierungsorganisation und Regierungsprozeß abgestellt haben, so wollen w i r jetzt bei konkreten Institutionalisierungen öffentlicher Entscheidungspolitik ansetzen. Staatsbürokratien w i r d gern eine Verspätung gegenüber den gesellschaftlichen Problemlagen vorgeworfen. Wie weit diese These i n ihrer pauschalen Meinung zutrifft, mag man bezweifeln. Indessen muß eingeräumt werden, daß immer wieder Situationen eintreten, i n denen das Muster arbeitsteiligen Handelns i n Regierung und Verwaltung den sozialökonomischen Problemstrukturen nicht entspricht. A u f solche mangelnden Korrespondenzen i s t der i m Rahmen der westdeutschen Verwaltungsreform verwendete Begriff der Funktionalreform gerichtet. Aktueller Ausdruck der Unstimmigkeit politisch-administrativer Problemverarbeitung ist ein unangemessener Koordinationsaufwand. K o m men dazu noch gewisse Problemverschiebungen oder Problemverdich-
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tungen i m sozialen Feld, dann mag folgendes geschehen: I m interministeriellen Ausschuß für Wasser t r i f f t eine Vielzahl von Ressorts zusammen, u. a. auch Vertreter des Verkehrsministeriums, des W i r t schaftsministeriums, des Landwirtschaftsministeriums, des Innenministeriums. Jedes Ressort kann auf eine beachtliche Zahl von wasserpolitischen Teilaufgaben verweisen. Kein Ressort kann dartun, daß es die öffentliche Aufgabe i m Schwerpunkt wahrnimmt. Die Frage der Federführung bleibt offen. Sucht man dann nicht nur die punktuelle Lösung, so w i r d oft die Forderung nach einem Koordinationsministerium für die gesamte Sache erhoben. W i r sind damit beim Thema zentraler oder ressorteigener Einheiten für Regierungspolitik und Planung i m Bereich der Politikentscheidungen und Prioritätensetzungen. I n der Bundesrepublik Deutschland w i r d diese Koordinationsproblematik heute vor allem i m Hinblick auf den Umweltschutz betont 2 0 . Es gibt i n Bund und Ländern i m Bereich des Umweltschutzes unterschiedliche Kompetenzverteilungen, unterschiedliche Schwerpunktbildungen und unterschiedliche Konzentrationen. I n diesem Zusammenhang spricht man davon, die Koordinierung liege beim Minister für Landwirtschaft und Umwelt, beim Sozialminister, bei der Staatskanzlei, oder man sagt, der Senator für Gesundheit und Umweltschutz habe koordinierende Funktionen, der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales habe koordinierende Aufgaben. Es gibt aber auch außerhalb des Umweltschutzes Beispiele der Betonung der Koordinationsfunktion bis zur Vorstellung eines ausgesprochenen Koordinationsressorts. So heißt es i m Organisationserlaß zu einem Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung: Es sei zuständig für die Koordinierung der gesamten Tätigkeit des Bundes auf dem Gebiete der Wissenschaft. Zu dem Gedanken der besonderen Koordinationsfunktion einer A b teilung eines Ministeriums i m Interressortbereich — also z. B. einer A b teilung Umweltschutz — oder eines besonderen Koordinationsressorts — also z. B. eines Wissenschafstministeriums — muß i m Hinblick auf das westdeutsche Regierunsgsystem folgendes beachtet werden 2 1 . Zunächst bestehen unterschiedlich weitreichende Verflechtungen i n den sozialen Problemfeldern und damit unterschiedliche Grade der A b hängigkeit i n den öffentlichen Aufgaben. Läßt man beiseite, daß i n den Staatsverwaltungen selbst Deformationen bestehen können, aus denen ein zusätzlicher Koordinationsbedarf erwächst, so gibt es mehr oder 20
Wie sich an den verschiedenen Umweltschutzberichten der Regierungen zeigt. 21 Zum Begriff des Koordinationsministeriums vgl. Klaus von der Groeben: Probleme der interministeriellen Koordinierung, in: Die Verwaltung 1968, 385 ff.; Josef Kölble, Ist Art. 65 GG (Ressortprinzip im Rahmen von Kanzlerrichtlinien und Kabinettentscheidungen) überholt?, in: D Ö V 1973,1 ff.
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weniger interdependente öffentliche Aufgaben und darunter auch hochinterdependente Fachaufgaben. Eine Kompetenz i m Bereich solcher Aufgaben bringt die betreffende Instanz i n einen weiter dimensionierten Koordinationszusammenhang, als es bei enger abgrenzbaren sozialen Verhältnissen und bei entsprechend spezialisierten Fachtätigkeiten der Fall ist. Eine weitere Einflußmöglichkeit besteht, wenn m i t der Kompetenz für Teilaufgaben die Federführung für die gesamte Angelegenheit verbunden ist. Hieraus erwachsen Ausarbeitungs- und Geschäftsführungsbefugnisse sowie die Übernahme bestimmter Gesamtverantwortungen. Kompetenzen i m Bereich von hochinterdependenten Fachaufgaben und dazu die Federführung für einen umfassenden A u f gabenkomplex wie Umweltschutz erfordern demgemäß besondere Koordinationsleistungen. Man darf aber aus der damit oft verbundenen Vorstellung von einer Koordinationsabteilung oder einem Koordinationsressort bei Fachaufgaben nicht ohne weiteres auf Prozesse zwangsweiser Abstimmung schließen. Nach den maßgeblichen Zuständigkeitsverteilungen muß der Federführende die Ministerien, die i n der Angelegenheit berührt sind, beteiligen. Kommt keine Einigung i n der Sache zustande, muß das Kabinett entscheiden. Es bestehen zusätzlich weder rechtliche noch ökonomische Koordinationszwänge. Nach dem Ressortprinzip sind keine Weisungen von Ministerium zu Ministerium zulässig. Hält man die fachliche Aufgabenplanung und die Mittelausstattung auseinander, so besteht kein Erfordernis zur Abstimmung i m Rahmen knapper Ressourcen. Die daraus folgende Problematik der Erfüllung hochinterdependenter Aufgaben läßt sich am Beispiel der Raumordnung verdeutlichen. Raumordnerische Vorhaben sind i n den westlichen Demokratien m i t ihren marktwirtschaftlich ausdifferenzierten ökonomischen Subsystemen von hoher Interdependenz. Insbesondere auf der politischen Ebene der Länder sind raumordnerische Programme kaum denkbar, die nicht einen vielfachen Bezug zu anderen Fachaufgaben des Verkehrs, der W i r t schaft, der Bildung, der sozialen Sicherung usw. haben. Wegen dieses hohen Verflechtungsgrades sind m i t Raumordnungsplänen weitreichende Koordinationsleistungen verbunden. U n d doch w i r d immer wieder das nicht zureichende Steuerungsvermögen dieser Pläne beklagt. Die Gründe hierfür werden an folgendem Beispiel anschaulich: Der Raumordnungsminster kann den Postminister nicht daran hindern, dort zu investieren, wo viele Telefonanschlüsse m i t geringstem A u f w a n d für Kabel zu erreichen sind, nämlich i n Ballungsräumen. Deswegen ist man auf Landesebene mehrfach dazu übergegangen, Entwicklungspläne zu erarbeiten, die als Infrastrukturplanungen nicht nur raumordnerische Programme, sondern zugleich Investitionsplanun-
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gen sind 2 2 . Zusammen m i t raumbezogenen Bestimmungen werden F i nanzmittel i n den Feldern von Sozialpolitik, Kulturpolitik, Wirtschaftspolitik, Verkehrspolitik festgelegt. Während i n der Raumplanung für sich ein Ordnungsrahmen gegeben wird, von dem offen bleibt, wie und wann er durch öffentliche Maßnahmen von infrastruktureller Relevanz ausgefüllt wird, gelingt es zusammen m i t der Investitionsplanung, vielfältige Fachaufgaben i n ihrem räumlichen Bezug festzulegen. Man erschwert Ressortaktivitäten, die den raumordnerischen Zielen entgegenlaufen. Ist man überdies i n der Lage, nicht nur langfristige Planungen zu entwerfen, sondern auch mittelfristige Programme zu konkretisieren, dann kann das Regierungshandeln als Handeln i n der Zeit den Zuschnitt einer umfassenden konzeptionellen Politik erhalten. Für unser Thema der Koordination und Regierungspolitik schließt sich damit der Kreis. Denn diese Entwicklungsplanungen hängen mancherorts i n den Ländern eng m i t Arbeiten zusammen, die i m Verbund von Staatskanzlei und Ressorts geleistet werden. Hier jedenfalls schlägt die Zusammenarbeit von der Qualität der Koordination i n die der Planung um. Es geht nicht mehr darum, arbeitsteilig erstelltes Regierungshandeln i n irgendeiner Weise abzustimmen, wobei die Frage: Koordination zu welchem Ende? i n den Additionen und Subtraktionen alltäglcher Machtbildungen und Informationsverarbeitungen verdeckt bleiben kann. Eine Entwicklungsplanung, die räumliche Gestaltungen zum Gegenstand hat und die die Investitionsplanung gleich miterfaßt muß eine eigene finale Programmstruktur enthalten, wenn die Integration raumbezogener und finanzbezogener Aspekte gelingen soll. Als integrierende Arbeitsleistung entzieht sie die einschlägigen Regierungsaktivitäten den Störungen der Arbeitsteilung, etwa von der A r t , daß i n dem einen Bereich Größen als Handlungsdeterminanten angesehen werden, die i n einem anderen Bereich als Handlungsalternativen gelten. W i r können abschließend auf drei Veränderungsstrategien zur Rationalisierung der Regierungspolitik verweisen: erstens auf die Reorganisation der Kompetenzverteilung, zweitens auf die Systematisierung der Koordination und drittens auf den Aufbau von integrierten Planungen. Unser Gesamtthema stellt die Koordination i n den Mittelpunkt der Diskussion. W i r haben am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland zu zentralen und ressorteigenen Einheiten berichtet, wie versucht wird, die Abstimmung der Regierungsaktivitäten auf eine breitere I n formationsgrundlage zu stellen und die konzeptionelle Politikbildung 22 Vgl. zu einem Überblick Frido Wagner: Für ein neues Instrumentarium der öffentlichen Planung, in: Raumplanung — Entwicklungsplanung, Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 80, Hannover 1972, 23 ff.
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zu unterstützen. Wenn man diese Versuche m i t dem zusammenhält, was i n den Ämtern von Regierungschef und Kabinett, i m Budgetierungsprozeß, i n den interministeriellen Ausschüssen und durch andere Koordinationsformen geleiset wird, dann hat man es m i t einem System zu tun, das — bei allen Unwägbarkeiten des politischen Geschäfts und bei allen noch nicht genutzten Koordinationszwängen — die Abstimmung arbeitsteilig erstellten Regierungshandelns auf der Interessortebene weitgehend strukturiert. Und doch zeigt sich bei uns immer wieder, wie schwierig es ist, koordinierende Verknüpfungsmuster politisch-administrativer Problemverarbeitung einzurichten, und zwar angesichts der Interessenbindung der Ressorts an soziale Teilbereiche und der selektiven Aufmerksamkeit der sozialisierten Einheiten gemäß ihren Kompetenzen. Deswegen wiegen zusätzliche Unstimmigkeiten zwischen sozialem Problemzusammenhang und ministerieller Arbeitsteilung schwer, mögen sie durch die gesellschaftliche Dynamik, durch bürokratische Verselbständigungen oder durch parteipolitische Eingriffe erzeugt sein. I n den Projektarbeiten zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung hat die Frage der Neuabgrenzung der Ressorts aus gutem Grunde einen Platz 2 3 . Änderungen, die die Regierungsorganisation an maßgebliche soziale Interdependenzen anpassen, sind wie die Verbesserung der Koordinationsformen i n Rechnung zu stellen. Integrierte Planungssysteme — i n denen Teilhandlungen der Regierung i n eine höhere Ordnung gebracht, i n ihrer Selbständigkeit herabgesetzt und damit Störungen der Arbeitsteilung vermieden werden — sind wie anderenorts i n der Welt, wo man eine die Summe der Teilpolitiken überschreitende Gesamtpolitik anstrebt, auch i n der Bundesrepublik Deutschland Gegenstände wissenschaftlicher Auseinandersetzungen und praktischer Erprobung. W i r haben bereits auf die Entwicklungsplanung verwiesen, m i t der versucht wird, Raumordnung und I n vestitionsprogramm i n ein Ganzes einzubeziehen. Überdies gibt es zahlreiche Systementwürfe, von der Programmbudgetierung 2 4 bis zum Integrierten Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollsystem 2 5 . Für die 28 Vgl. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Teil I, Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche; Dritter Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Teil I I I , Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche, zusammen vorgelegt von der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, 1969 bzw. 1972. 24 Vgl. Dritter Beridit zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Teil I, Grundfragen der politischen Planung im Bereich der Bundesregierung, der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, 1972. 25 Vgl. I P E K S — ein Geheimnis, das keines ist, in: Staatszeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, 25. Jg., Nr. 23 vom 18. Juni 1974, 2.
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interessante Grenzfrage, unter welchen Umständen eine Zusammenarbeit von Staatskanzlei und Ressorts von der Koordination i n die Planung übergeht, können w i r noch auf das Verbundsystem eines Stadtstaates verweisen 26 . Leitgedanke dieses Systems ist es, durch ressortübergreifende Planungen die Planungen i n den Ressorts zu ergänzen, so daß es nicht nur Einzelpläne gibt, die dann m i t anderen Einzelplänen koordiniert werden müssen. Vielmehr werden bestimmte Probleme i n der Zusammenarbeit der verschiedenen Instanzen behandelt. Folgende Subsysteme sind vorgesehen: Es bestehen Planungsteams, die sich aus Repräsentanten der beteiligten Ressorts zusammensetzen und i n befristeter Zeit das jeweilige Problem bearbeiten sollen. Diesen Einheiten steht ein Planungsausschuß zur Seite, der sich aus politischen Vertretern von Ressorts, Verwaltungen und des Parlaments und fallweise auch von Interessenorganisationen zusammensetzt. Vorsitz führt der Chef der Senatskanzlei. Die Planungsausschüsse sind die politischen Kommunikationspartner der Planungsteams. I n der Senatskanzlei besteht als A b teilung eine Planungsleitstelle. Sie ist die Stelle, die die Koordinationen des Planungssystems insgesamt vornimmt und überdies Dienstleistungsfunktionen ausübt. I n jedem Ressort besteht die Funktion eines Planungsbeauftragten. Die Planungsbeauftragten sollen die ressortinterne Planung koordinieren und die ressortübergreifende Planung miteinander abstimmen helfen. Die Planungsbeauftragten treten als Planungskommission zusammen, gelegentlich erweitert u m die politischen Spitzenbeamten der Ressorts. Die Planungskommission berät die Grundprobleme des Planungssystems und arbeitet bei der Koordination m i t der Planungsleitstelle zusammen. W i r müssen es bei dieser institutionellen Skizze bewenden lassen. Über die Leistungen dieses vom Jahre 1970 an eingerichteten Planungssystems und seine Zusammenhänge i n Regierungsorganisation und Regierungsprozeß und einige weitere Entwicklungen informiert jetzt ein Bericht zum Verfahren der Planung und der Stadtentwicklung des betreffenden Stadtstaates 27 . Er nennt auch die Themen, die von der ressortübergreifenden Planung bearbeitet worden sind. Dazu gehören Pro26 Der Senat von Berlin, Bericht über die Organisation der Planung in Berlin, Mitteilung Nr. 189 über längerfristige Planungen des Senats — Drucks. Nr. 1093 — und über moderne Planung der Stadtentwicklung — Drucks. Nr. 1130 (Zwischenbericht) —, abgedruckt in: Mitteilungen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, V. Wahlperiode, Nr. 55, 15 ff.; ferner: Nils Diederich: Das Berliner Planungssystem — Ein Beitrag zur Stadtentwicklungsplanung, in: Recht und Politik 1973, 10 ff. 27 Der Senat von Berlin, Bericht zum Verfahren der Planung und Stadtentwicklung, Vorlage zur Kenntnisnahme an das Abgeordnetenhaus von Berlin vom 13. April 1974, Drucks. 6/1367 vom 23. April 1974.
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bleme des Bildungsbereichs, des Umweltschutzes, des Verkehrs, der sozialen Vorsorge, der Freizeit, der Kriminalität. I n der westdeutschen Planungsdiskussion steht mancher den Ergebnissen dieser und anderer integrierenden Arbeitsleistungen — wie der Infrastrukturplanung i n einigen Bundesländern — eher skeptisch gegenüber. Er w i r d dann die Feststellung i m erwähnten Bericht, daß die Bemühung u m frühzeitige ressortübergreifende Abstimmung planerischer A k t i v i t ä t e n i n der Verwaltung gewachsen sei, eher i n die Richtung der Koordination, denn i n die der integrierten Planung interpretieren. Wenn man die Arbeiten beobachtet, die i n der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der 70er Jahre i m Verbund von Staatskanzlei und Ressorts i n Bund und Ländern geleistet worden sind, w i r d man die verwaltungswissenschaftliche These aufstellen dürfen, daß Koordination und integrierte Planung Kommunikationsformen des heutigen Regierungshandelns sind. M i t der integrierten Planung haben w i r freilich, was Interessenartikulierung und Datenverarbeitung anlangt, unsere Schwierigkeit. Koordination läßt sich demgegenüber informational einfacher und i n der Machtbildung rigoroser handhaben. Beide haben ihre Funktion i m Regierungssystem. I n der Verwaltungswissenschaft muß man allerdings zur Planungsproblematik noch einiges von der Nüchternheit der Koordinationsfragen lernen. Neulich konnte man die Nachricht i n den Tageszeitungen lesen, daß der Koalitionspartner i n der Regierung eines westdeutschen Bundeslandes die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms verhindert habe. W i r mögen Mitgefühl m i t den Planern und Verwaltungsmännern haben, die ihre Entwurfsarbeit umsonst geleistet haben. W i r dürfen aber auch annehmen, daß sie einen gewissen Trost finden werden. Der Partner w i r d den Koordinationszwängen des Regierungsgeschäfts nicht allzu lange entgehen können. Einmal w i r d er durch den schmalen Gang der finanziellen Abstimmung seiner Vorhaben hindurch müssen. Vielleicht werden manche das Geräusch des budgetären Fallbeils nicht ungern hören.
Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Planung im Bereich der Politik* entscheidung und Prioritätensetzung Länderbericht: Tschechoslowakei v o n K a r e l Svoboda I. W e n n w i r die E n t w i c k l u n g der Staatsverwaltung i n der sozialistischen Gesellschaft i n d e n l e t z t e n J a h r z e h n t e n n ä h e r betrachten, k ö n n e n w i r die wachsende R o l l e d e r K o o r d i n a t i o n b e i der A u s a r b e i t u n g u n d R e a l i s i e r u n g d e r R e g i e r u n g s p o l i t i k n i c h t u n b e a c h t e t lassen 1 . D i e W i c h t i g k e i t d e r K o o r d i n a t i o n w i r d v o r a l l e m schön d u r c h d e n U m f a n g d e r sozialistischen S t a a t s v e r w a l t u n g b e s t i m m t , d i e als o r g a n i s i e r e n d e r F a k 1 Die Verschiedenheit der Ansichten in der sozialistischen Theorie äußert sich besonders in der Frage des Wesens und der Mittel der Koordination (siehe Anmerkung Nr. 3), und keineswegs in der Begriffsbestimmung der Koordination selbst. Einzelne Autoren, auch wenn sie verschiedene Seiten der Koordination akzentuieren, unterscheiden sich i m wesentlichen nicht bei der Definition der Koordination. Z. B. D. Hendrych und A. Srämek verstehen unter Koordination „ . . . H a r monisierung der einzelnen Tätigkeiten (Prozesse), die infolge der Arbeitsteilung unter mehrere Leute oder der Organisationsteile i m Rahmen eines Organisationssystems so verteilt sind, daß die Person oder jeder Organisationsteil die zu leistende Arbeit in gleicher Richtung einzustellen hat, d. h. zu einem Ziel, ohne daß es zu Verlusten infolge einer Verdoppelung oder Kreuzung der einzelnen Prozesse kommt . . ( v g l . Ceskoslovenskä stätni spräva — Übersetzung der Bezeichnung: Tschechoslowakische Staatsverwaltung —, Prag — 1973, S. 25). Nach A. E. LunSv bedeutet die Koordination in der Staatsverwaltung Einklang und Festlegung einer Zweckbeziehung zwischen den Tätigkeiten verschiedener Organe, der Glieder ihrer Struktur und der Angestellten zum Zweck der Erreichung bestimmter Ziele bei einem möglichst geringsten Aufwand von Kräften und Mitteln (vgl. Koordinacia v gosudarstvennom upravlenia, — Übersetzung: Die Koordination in der Staatsverwaltung — Sovetskoje gosudarstvo i pravo, 1971, Nr. 11, S. 69). Der bulgarische Autor W. N. Kostov führt an, daß man die Koordination im weitesten Sinne definieren kann als „ . . . Anordnung und Verbindung der Bestandteile irgendeines Systems auf die Weise, die deren harmonische Wirkung mit dem Ziel ein bestimmtes Ziel zu erreichen, gewährleistet (Nutzeffekt). Koordination ist ein Synonym für Harmonie und Symetrie . . . " (vgl. Za pravnoto ponatije „koordinacija" v systemata na drzavnoto upravlenie — Übersetzung: Über den Rechtsbegriff „Koordination" im System der Staatsverwaltung — Pravna misal, 1973, Nr. 6, S. 13.
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tor i n allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auftritt, d.h. i m wirtchaftlichen, kulturell-sozialen und administrativ-politischen Bereich. Gerade der Umfang und die Allseitigkeit der sozialistischen Verwaltung erzwingt, daß die Tätigkeit der einzelnen Verwaltungsorgane möglichst vielseitig harmonisiert wird. Ein weiterer bedeutsamer Faktor ist die Spezialisierung der Tätigkeiten der Verwaltungsorgane, die sich unter dem Einfluß der Entfaltung des wissenschaftlich-technischen Fortschrittes vertieft. Eine Begleiterscheinung der Spezialisierung der Verwaltungsorgane sind manche gewisse Neigungen zu einem engen ressortmäßigen Herangehen, und bis zu einem gewissen Maße auch zentrifugale Tendenzen, die sich i n ihrer Tätigkeit äußern. Es ist logisch, daß die Überwindung dieser zentrifugalen Tendenzen, die durch die Anforderung der Einhaltung der Einheit des Systems der Staatsverwaltung diktiert wird, mit der Stärkung der vereinheitlichenden Tendenzen und des komplexen Herangehens an die Aufgaben verknüpft ist. Endlich w i r k t hier auch die Erweiterung der Selbständigkeit der örtlichen Organe der Staatsmacht und Verwaltung sowie auch der niedrigeren Glieder der Leitung überhaupt (z. B. der Unternehmen). Der i m Aufbau des sozialistischen Staates geltend gemachte Grundsatz des demokratischen Zentralismus erfordert, daß die Zentralisierungsprozesse durch eine unerläßliche Zentralisierung der Entscheidungen wesentlicher Fragen begleitet werden, die durch verschiedene M i t t e l (einschließlich der koordinierenden) verwirklicht wird. I n der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik macht sich noch ein spezifisches Moment geltend: die Tatsache, daß es sich u m einen Föderativstaat 2 handelt, schlägt sich i m Bedarf nieder, die Tätigkeit der Föderalregierung und der Regierungen der Republiken, der Föderalministerien untereinander, der Föderalministerien und der Ministerien der Republiken und schließlich der Ministerien der Republiken untereinander zu koordinieren. Ohne uns mit Einzelheiten zu befassen, bemerken wir, daß die Föderalisation des tschechoslowakischen Staates in der Verteilung der Kompetenz der Föderation und der Republiken im Bereich der Staatsverwaltung und in der Struktur der Verwaltungsorgane ihren Ausdruck gefunden hat. 2 Die Föderalisierung des tschechoslowakischen Staates wurde durch das Verfassungsgesetz Nr. 140/1968 Slg. über die tschechoslowakische Föderation durchgeführt, das durch das Verfassungsgesetz Nr. 125/1970 Slg. und durch das Verfassungsgesetz Nr. 43/1971 Slg. novelliert worden ist. Eine Gesamtcharakteristik der die tschechoslowakische Föderation betreffenden Fragen bietet z. B. J. Grospié, Bases constitutionnelles de la fédération tschécoslovaque, Prag — 1973, S. 7 - 38.
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Man unterscheidet eine ausschließliche Kompetenz der Föderation (z. B. auswärige Angelegenheiten, Verteidigung), eine gemeinsame Kompetenz der Föderation und der Republiken (z. B. Planung, Finanzen, Landwirtschaft und Ernährung) sowie eine ausschließliche Kompetenz der Republiken, (z. B. Gesundheitswesen, Schulwesen, Kultur). I n der Tschechoslowakei bildet das System der obersten Organe und der Zentralorgane der Staatsverwaltung: a) die Regierung der CSSR, die Regierung der Tschechischen Sozialistischen Republik und die Regierung der Slowakischen Sozialistischen Republik; b) die Föderalministerien und die übrigen Zentralorgane der Staatsverwaltung; einige von ihnen wirken im Bereich der ausschließlichen Kompetenz der Föderation, d. h. auf der Ebene der Republiken wird kein korrespondierendes Organ errichtet, andere im Bereich der gemeinsamen Kompetenz, das bedeutet, daß die gleichen Organe sowohl auf der Ebene der Föderation als auch auf der der Republiken w i r ken; c) die Ministerien der Republiken und die übrigen Zentralorgane der Staatsverwaltung (einige wirken im Bereich der gemeinsamen Kompetenz der Föderation und der Republiken, andere im Bereich der ausschließlichen Kompetenz der Republiken, das bedeutet, daß das angeführte Zentralorgan der Staatsverwaltung nur in den Republiken errichtet wird). W e n n w i r w e i t e r v o n der Koordinationstätigkeit der Regierung, der M i n i s t e r i e n u n d a n d e r e r O r g a n e sprechen, m ü s s e n w i r s t ä n d i g i n B e t r a c h t ziehen, daß d i e K o o r d i n a t i o n i n n e r h a l b des Systems der Staatsv e r w a l t u n g d u r c h d i e g r u n d s ä t z l i c h e n R i c h t l i n i e n d e r obersten V e r t r e t u n g s k ö r p e r u n d d e r o b e r s t e n O r g a n e d e r K o m m u n i s t i s c h e n P a r t e i als l e i t e n d e K r ä f t e des p o l i t i s c h e n Systems des sozialistischen Staates b e s t i m m t w i r d . Z . B., d e r Beschluß des P a r t e i t a g e s u n d des Z e n t r a l a u s schusses d e r P a r t e i z u d e n g r u n d l e g e n d e n F r a g e n d e r E n t w i c k l u n g d e r V o l k s w i r t s c h a f t oder d e r e n e i n z e l n e r Z w e i g e b e s t i m m e n die H a u p t r i c h t u n g e n der T ä t i g k e i t d e r R e g i e r u n g s o w i e der M i n i s t e r i e n u n d d a d u r c h b e s t i m m e n sie — w e n n auch i m a l l g e m e i n e n — auch d e n R a h m e n ihrer Koordinationstätigkeit. Z u m A b s c h l u ß dieses e i n l e i t e n d e n T e i l s möchte i c h noch b e m e r k e n , daß i c h i n der w e i t e r e n D a r l e g u n g d a v o n ausgehe, daß d i e K o o r d i n a t i o n s t ä t g k e i t e i n e n B e s t a n d t e i l d e r L e i t u n g b i l d e t ( d . h . sie v e r w i r k l i c h t diese — u n d z w a r i n j e d e m S t a d i u m d e r L e i t u n g , d. h . b e i d e r P l a n u n g , O r g a n i s i e r u n g , E n t s c h e i d u n g , K o n t r o l l e — das ü b e r g e o r d n e t e O r g a n g e g e n ü b e r d e m u n t e r g e o r d n e t e n u n d w i r d auch gegenüber n i c h t untergeordneten O b j e k t e n ausgeübt8. 3 I n der Theorie ist die Frage des Wesens der Koordination und deren Umfang strittig. Einige Autoren gehen von einer engeren Auffassung der Koordination aus, die nur Beziehungen des koordinierenden Organes gegenüber nicht untergeordneten Organisationen umfaßt, d. h. sie schließen aus der Koordination die auf Grund einer hierarchischen Unterordnung entstehenden Beziehungen aus (z. B. M. N. Kostov, der zit. Artikel, S. 21, in der polnischen Literatur Z. Ribicki, K. Sobszak, u. a.). Dem gegenüber umfaßt die Koordination nach Ansicht vieler Autoren auch Beziehungen, die im Prozeß der Leitung entstehen (vgl. z. B. in der sowjetischen Literatur A. E. LunSv,
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Eine besondere Aufmerksamkeit werde ich den Organisationsformen widmen, sowie auch den Mitteln, durch deren Vermittlung die Koordination verwirklicht wird, eventuell auch der Charakteristik der Rechtsgrundlage, auf die sich diese M i t t e l stützen. II. 1. Die führende Rolle bei der Koordinationstätigkeit der Ministerien und der übrigen Zentralorgane der Staatsverwaltung steht der Regierung als dem obersten Verwaltungsorgan m i t einer allgemeinen Kompetenz zu 4 . Die Regierung t r i t t als Faktor auf, der die Tätigkeit der M i nisterien und der übrigen Zentralorgane, die i n den einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung w i r k e n oder bestimmte allen diesen Zweigen gemeinsame Funktionen (z. B. die Planung) ausüben, i n Einklang bringt. I n diesem Zusammenhang entsteht die Frage der Begrenzung der Kriterien, auf deren Grundlage bestimmt wird, welche Fragen die Regierung löst, sei es selbst oder durch Vermittlung ihres Präsidiums (vgl. I I . 2.) oder unter M i t w i r k u n g besonderer Kömmissionen, Beiräte und Ausschüsse (vgl. I I . 3.). Eine Grundlage zu deren Beantwortung, wenn auch einer ziemlich allgemeinen, finden w i r i n den Rechtsvorschriften. Wenn w i r ihre Analyse durchführen, sehen wir, daß i n den einzelnen Fällen die Gesetze ausdrücklich bestimmen, daß über bestimmte Sachen die Regierung direkt entscheidet. So z. B. genehmigt die Regierung die Richtlinien für die Ausarbeitung des Fünf jahresplanes und des Jahresplanes der Entwicklung der Volkswirtschaft der Tschechoslowakischen Sozialistischen zit. Artikel, S. 72; Ju. M. Kozlov, Gorizontal 'ny je upravlenCeskije otno§enija — Ubersetzung: Horizontale Verwaltungsbeziehungen —, SovStskoje gosudarstvo i pravo, 1973, Nr. 12, S. 65; in der polnischen Literatur z. B. W. Brzezinski, Problemy prawne planowania gospodarczego — Übersetzung: Rechtsprobleme der Wirtschaftsplanung —, Warszawa — 1964, S. 53; M. Kierek, Pojecie koordinacje — Übersetzung: Die Auffassung der Koordination —, Ruck prawniczy, ekonomiczny i socialogiczny, 1967, Nr. 3, S. 103). Ich glaube, daß die Verschiedenheit dieser Ansichten dadurch bedingt ist, daß über die Koordination im allgemeinen Sinne oder bloß im rechtlichen Sinne gesprochen wird (auf diesen Umstand weisen polnische Autoren Z. Rudnicki und T. Skozzny hin (vgl. Istota prawna koordinacji — Übersetzung: Das rechtliche Wesen der Koordination —, Panstwo i prawo, 1971* Nr. 11, S. 799). M i t Rücksicht darauf, daß sich das Referat nicht ausschließlich auf die Rechtsproblematik der Koordination beschränkt, betrachte ich es als richtig, von einer breiteren (allgemeinen) Auffassung der Koordination auszugehen. 4 Diese ihre Seite der Tätigkeit ist i m Art. 76, Abs. 1 des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation folgend ausgedrückt: „Die Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republiken — vereinheitlicht, leitet und kontrolliert die Tätigkeit der Föderalministerien und der übrigen föderalen Zentralorgane.". Über die Koordinationstätigkeit der Regierung der Nationalrepubliken vgl. Art. 134 des zit. Gesetzes.
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Republik 5 deren E n t w u r f die Staatliche Planungskommission ausarbeitet, genehmigt die Entwürfe der staatlichen Pläne der Entwicklung der Volkswirtschaft und des Staatshaushaltes 6 usw. Wie ersichtlich, handelt es sich um Fragen, die alle Zweige der Staatsverwaltung betreffen und deshalb können diese, und zwar einschließlich der Widersprüche zwischen den einzelnen Ressorts, nur durch die Regierung gelöst werden. I n den übrigen Fällen, wo die Kompetenz der Regierung nicht genau konkretisiert ist, müssen w i r uns an die Regelung durch die Verfassung wenden, die eine allgemeine Charakteristik der Kompetenz der Regierung bietet. Hier finden w i r allgemeinere Formulierungen, die das Recht und die Pflicht der Regierung begründen, i m Kollegium grundsätzliche wirtschaftliche Maßnahmen zwecks Sicherung der W i r t schaftspolitik zu entscheiden 7 . Eine solche Begrenzung, deren Allgemeinheit auf der Ebene des Verfassungsgesetzes verständlich ist (wir lassen die Frage der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit deren Konkretisierung i n einem speziellen Gesetz beiseite), ermöglicht, daß Gegenstand der Verhandlung durch die Regierung jede beliebige Frage werden kann, falls dies ihre Wichtigkeit (Tragweite) 8 erfordert. Ich bin der Meinung, daß i n diese Kategorie gerade Sachen gehören, die den Rahmen des durch das Ministerium geleiteten Zweiges der Staatsverwaltung übersteigen und i n deren Lösung das Ministerium nicht durch ein besonderes Gesetz ermächtigt ist. I n diesem Falle ist nämlich die Regierung das einzige Organ, das befugt ist, die übrigen Ressorts zu einem einklangmäßigen Vorgehen zu verpflichten. Zur Erreichung der Koordination selbst ist schon die Vorbereitung der Materialien für die Regierung seitens der Ministerien eingestellt. Nach den i n der Praxis geltenden Regeln, versendet der Minister seine Vorschläge für die Regierung auch denjenigen Zentralorganen, die sie unmittelbar betreffen und holt deren Stellungnahme ein. Unterschied5 Vgl. § 15 Abs. 2 Buchst, d) des Gesetzes Nr. 145/1970 Slg. über die Planung der Volkswirtschaft. 6 Vgl. Art. 77 Abs. 1 Buchst, e) des Verfassungsgesetzes über die Tschechoslowakische Föderation. 7 Vgl. Art. 77 Abs. 1 Buchst, d), f) des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation. 8 Uber die Wichtigkeit einer bestimmten Problematik und über ihre Behandlung durch die Regierung entscheidet die Regierung, gegebenenfalls ihr Präsidium, sei es schon aus eigener Initiative (z.B. dadurch, daß sie dem Minister die Aufgabe auferlegt, Vorschläge und Unterlagen für die Verhandlung der Regierung vorzubereiten) oder durch Überprüfung der Stichhaltigkeit eines vom Minister unterbreiteten Vorschlages (z.B. die Einreihung einer bestimmten Aufgabe in den Arbeitsplan der Regierung). Ein wichtiges Hilfsorgan der Regierung (des Präsidiums) ist in dieser Richtung ihr Fachapparat — das A m t des Präsidiums der Regierung der CSSR, die Ämter der Regierungen der CSR und der SSR.
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liehe Standpunkte werden dann i m Vornherein zwischen diesen Organen direkt verhandelt und falls keine Einigung erzielt worden ist, w i r d darüber die Regierung informiert. Es kommen auch solche Fälle vor, wo die Vorschläge, die durch ihre Tragweite eine mehreren Ressorts gemeinsame Problematik lösen, gemeinsam unter der Leitung eines betrauten Mitgliedes der Regierung erarbeitet werden. Es ist nicht nötig zu betonen, daß der über die Sache selbst sowie auch der über die Koordination des Vorgehens der Ministerien verbindlich entscheidende A k t , der Beschluß der Regierung ist. 2. Eine wichtige Rolle i n der Organisations- und Koordinationstätigkeit der Regierung hat das von der zuständigen Regierung errichtete Präsidium der Regierung 9 . Das Präsidium der Regierung erfüllt insbesondere diese Aufgaben: — es organisiert die Arbeit der Regierung und sorgt für ihre Planmäßigkeit; — es koordiniert die Vorbereitung grundsätzlicher Fragen für die Verhandlungen der Regierung, insbesondere durch die Leitung der Arbeiten der Beiratsorgane der Regierung; — es entscheidet über laufende Fragen i n einem von der Regierung betrauten Umfang; — es kontrolliert die Erfüllung der Hauptaufgaben der Regierung. Die Mitglieder des Präsidiums der Föderalregierung, d. h. die Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung erfüllen die Kontroll-, Koordinations- und Informationsfunktionen gegenüber den Ministerien und den übrigen Zentralorganen der Staatsverwaltung, und zwar auf bestimmten Arbeitsabschnitten, die ihrem Wesen nach einander nahe sind oder die sich gegenseitig ergänzen, gegebenenfalls aneinander anknüpfen 1 0 . So z. B. einer der Stellvertreter des Vorsitzenden verfolgt und koordiniert die Arbeiten auf dem Gebiete der Föderalministerien für Brennstoff und Energie, für Hütten- und Schwermaschinenbau und allgemeinen Maschinenbau, ein weiterer der Stellvertreter des 9 Uber das Präsidium der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vgl. Art. 77 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation; über das Präsidium der Regierungen der Nationalrepubliken vgl. Art. 137 Abs. 2 des zit. Gesetzes. 10 I n der Tschechoslowakei hat sich eine verfassungsmäßige politische Praxis herausgebildet, der zufolge die Vorsitzenden beider Republiken gleichzeitig Stellvertreter des Vorsitzenden der Föderalregierung sind, was von großer Bedeutung für die gesamtstaatliche integrierende Wirkung der Regierung der CSSR ist. Die Stellvertreter des Vorsitzenden der Föderalregierung, die Vorsitzende der Regierungen der Republiken sind, sind nicht mit der Verfolgung und Koordination bestimmter Arbeitsabschnitte betraut.
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Vorsitzenden koordiniert die Tätigkeit i m Bereich der wirtschaftlichen und wirtschaftlich-technischen Zusammenarbeit sowie auf dem Gebiet des Außenhandels, usw. A u f analoge Weise ist die Aufgabenteilung und Kompetenz auch i m Präsidium der Regierungen der Republiken durchgeführt, die allerdings zahlenmäßig geringer ist. Der Realisierung der Koordinationsfunktion des Präsidiums der Regierung ist auch der Umstand behilflich, daß einige der Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung gleichzeitig Vorsitzende der Koordinationsorgane der Regierung (der Kommissionen, Ausschüsse, Beiräte — siehe unten) sind. 3. Bei der Föderalregierung werden Organe m i t verschiedener Bezeichnung (Kommissionen, Ausschüsse, Beiräte) errichtet, die ihrem Wesen nach beratende, initiative und koordinierende Organe sind. I n ihrer Tätigkeit nimmt die Koordination eine wichtige Stellung ein, sie ist jedoch nicht deren einzige Funktion. Vom Gesichtspunkt der Dauer ihres Wirkens, können w i r sie i n ständige Organe der CSSR und i n zeitweilige Organe einteilen. Insgesamt kann gesagt werden, daß die Errichtung zeitweiliger Kommissionen keine allzu häufige Erscheinung ist und sie kommt i n denjenigen Fällen zur Geltung, wo eine außerordentliche Wichtigkeit einer bestimmten Aufgabe, die eine Vereinheitlichung verschiedener Ressorts erfordert, für die Bildung eines besonderen Organs auf der Ebene der Regierung zeugt (wie z. B. die Einführung einer zeitweiligen Regierungskommission für die Inbetriebsetzung des ersten tschechoslowakischen Kernkraftwerkes). Ständige Organe dieser A r t wirken insbesondere i m Bereich: a) der Volkswirtschaft und der Entwicklung der Wissenschaft und Technik (z. B. der Regierungsausschuß für die Entwicklung des Systems der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft, der Regierungsausschuß für Wissenschaft und Technik der CSSR); b) der Vervollkommnung der örtlichen und zentralen Staatsverwaltung / die Koordinationskommission der CSSR für Nationalausschüsse / örtliche Volksvertretungen / die Kommission für Fragen der Rationalisierung der Staatsverwaltung; c) der legislativen Tätigkeit / der Legislative Beirat der Regierung der CSSR; d) auswärtiger Beziehungen / der Beirat für internationale w i r t schaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, der Regierungsausschuß für Kulturelle-, Schulwissenschaftliche und Gesundheitsbeziehungen m i t dem Ausland.
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Aus der Stellung der Föderalregierung als Spitzenorgan der tschechoslowakischen Staatsverwaltung ergibt es sich, daß ihre Organe ihr bei der Durchführung der Koordination i n zwei Richtungen behilflich sind: teils auf der Ebene der Föderation, d.h. gegenüber den Föderalorganen der Staatsverwaltung, teils zwischen den Föderalorganen und den Organen der Staatsverwaltung der Republiken. Von diesem Gesichtspunkt aus kann man meiner Ansicht nach zwei Gruppen ständiger beratender, initiativer und koordinierender Organe der Regierung der CSSR unterscheiden: a) Organe, die bei der Koordinationstätigkeit der Föderalministerien und anderer Zentralorgane der Staatsverwaltung w i r k e n (zu dieser Gruppe gehört z.B. der Legislative Beirat der CSSR); b) Organe, die sowohl bei der Koordinationstätigkeit der Föderalministerien und der übrigen Zentralorgane der Staatsverwaltung, als auch bei der Koordinationstätigkeit der Föderalorgane und der Republiken, wirken (z.B. die Kommission für die Rationalisierung der Staatsverwaltung). Der angeführte Unterschied i n der Zielrichtung der Koordinationstätigkeit projektiert sich i n unterschiedlicher Weise bei ihrer Errichtung und ihrer Zusammensetzung. Die Organe der zweiten Kategorie, die zur Koordinierung einer einheitlichen Lösung grundsätzlicherund Konzeptionsfragen auf den ganzen Territorien der CSSR beizutragen berufen sind, können durch die Regierung nur i m Einvernehmen m i t den Regierungen der Tschechischen Sozialistischen Republik und der Slowakischen Sozialistischen Republik 1 1 errichtet werden und i n ihrer Zusammensetzung macht sich der Grundsatz der gleichmäßigen Vertretung der Organe beider Republiken geltend. Dem gegenüber werden die Organe der ersten Kategorie von der Föderalregierung errichtet, ohne daß es nötig wäre, i m Einvernehmen m i t den Regierungen der Nationalrepubliken vorzugehen und die Anforderung einer gleiche mäßigen Vertretung ist nicht vorgeschrieben (die Organe der Republiken sind allerdings auch i n diesem Falle vertreten). Die Regierungen errichten gleichfalls ihre beratenden und koordinierenden Organe. Unter die wichtigen ständigen Organe der Regierungen der Republiken gehört auch der Beirat für Nationalausschüsse, der Legislative Beirat, die Kommission für Leitung und Organisation, der Beirat für den Umweltschutz und der Regierungsausschuß für den Reiseverkehr. Bei diesen Organen entwickelt sich die Koordinationstätigkeit insbesondere gegenüber den Zentralorganen der Staatsverwaltung der Republiken. 11
Vgl. Art. 76 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation.
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Beachten w i r jetzt die gemeinsamen Grundzüge, die für ein Verständnis der Rolle dieser Organe i m Bereich der Koordination von Bedeutung sind. a) Hinsichtlich ihrer Zusammensetzung ist es charakteristisch, daß i n ihr Repräsentanten verschiedener Ressorts vertreten sind, was dadurch bedingt ist, daß diese Organe durch den Gegenstand ihrer Tätigkeit über den Rahmen eines bestimmten Zweiges der Staatsverwaltung hinausgehen (z. B. die Rationalisierung der Staatsverwaltung, Bildung des Umweltschutzes, Reiseverkehr). Außer den Repräsentanten der Ressorts sind Mitglieder dieser Organe, Vertreter der Organe der Staatsverwaltung niedrigeren Grades, sowie auch wissenschaftliche A r beiter. Man kann sagen, daß eine solche Zusammensetzung zu einem komplexen Überblick und zur Lösung der Fragen i n verschiedenen Zusammenhängen beiträgt, was Voraussetzung des koordinierenden Vorgehens der interessierten Verwaltungsorgane ist und gleichzeitig die Gefahr herabsetzt, daß die Standpunkte der Kommission (des Beirates, des Ausschusses) nur ein Ergebnis von Kompromissen zwischen verschiedenen Ressorts wären. b) A n der Spitze der Kommission (des Beirates, des Ausschusses steht i n der Regel der Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung, wodurch die Anknüpfung ihrer Arbeit an die Regierung und an das Präsidium der Regierung vertieft und gleichzeitig ihr „überressortmäßiger" Charakter unterstrichen wird. c) Aus dieser Regel existieren Ausnahmen, wo Vorsitzender eines solchen Organes ein Minister ist. Dies ist der F a l l bei der Kommission für Fragen der Rationslisierung der Staatsverwaltung, deren Vorsitzender der Finanzminister der CSSR ist; auf der Ebene der Regierungen der Republiken z. B. bei den Ausschüssen für den Reiseverkehr, ist es der Handelsminister 12 . : Der Zusammenhang m i t der Tätigkeit der Regierung ist nicht nur durch die Person des Vorsitzenden der Kommission (des Beirates, des Ausschusses) gegeben, sondern auch dadurch, daß die Regierung oder ihr Präsidium befugt sind, diesen Organen Aufgaben aufzuerlegen und sie anzuweisen, die der Regierung zur Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu behandeln und ihre Stellungnahme mitzuteilen. d) Die Kommissionen (Beiräte, Ausschüsse) sind nicht befugt, Entscheidungen zu treffen, die für die Koordinierungssubjekte verbindlich 12 Bei der Lösung dieser Fragen erscheinen zwischen beiden Republiken manche Unterschiede. Während z. B. Vorsitzender des Beirates der Regierung der CSR für den Umweltschutz der Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung ist, ist in der Slowakei Vorsitzender eines analogen Organes der Minister für Aufbau und Technik der SSR.
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sind. Sie nehmen zu den behandelten Fragen Stellungen und legen Empfehlungen und Schlußfolgerungen vor, die entweder an die Föderalorgane gegebenenfalls auch an die Organe der Staatsverwaltung der Republiken oder an die zuständige Regierung adressiert sind, die auf deren Grundlage verbindliche Entscheidungen treffen. Wie ersichtlich, führen die Kommissionen (Beiräte, Ausschüsse) die Koordinierung nicht vermittels verbindlicher Verwaltungsakte durch (über diese Möglichkeit disponiert nur die Regierung). Von diesem Gesichtspunkt aus kann gesagt werden, daß die angeführten Organe zur Koordination der Lösung bestimmter Fragen beitragen, wobei sie i n ihrer Tätigkeit spezifische Arbeitsmethoden (Beurteilung der vorgelegten Materialien) anwenden, die ihrem Wesen nach nicht rechtliche Machtmittel der Einwirkung darstellen. I n vielen Fällen wirken ihre Schlußfolgerungen, die den Charakter von Empfehlungen haben, ziemlich intensiv gegenüber den Ressorts, denn sie stützen sich auf die faktische Autorität der Kommission (des Beirates, der Kommissionen), die sich aus ihrer Zusammensetzung ergibt. Sofern die endgültige Entscheidung betreffend die Koordination der sachlichen Lösung und deren organisatorische Sicherung der Regierung zusteht, kann man die angeführten Organe als ein die Koordinationstätigkeit der Regierung vermittelndes Glied betrachten. 4. Eine besondere Rolle spielen einige Ministerien und Zentralorgane, die i n die Theorie des sozialistischen Verwaltungsrechtes als Funktional- oder Querschnittsorgane bezeichnet werden. Es handelt sich z. B. u m die zentralen Planungsorgane 13 , das Finanzministerium, die Zentralorgane i m Bereiche der Kontrolle, die statistischen Zentralorgane u. ä. I n allen diesen Fällen handelt es sich u m Organe auf der gleichen Stufe wie die übrigen Ministerien (Zentralorgane der Staatsverwaltung) und die ihnen nicht übergeordnet sind. Eine Besonderheit ihrer Stellung besteht jedoch darin, daß sie bei der Ausübung ihrer Funktionen (z. B. bei der Planung, Kontrolle) gewisse Koordinationsbefugnisse gegenüber den ihnen nicht untergeordneten Organen und Organisationen haben. W i r können einige Beispiele anführen. Die Staatliche Planungskommission koordiniert den Vorgang für die Ausarbeitung der staatlichen Pläne und der Wirtschaftspläne i n or13
Die Wichtigkeit der Staatlichen Planungskommission, der Tschechischen Planungskommission und der Slowakischen Planungskommission wird dadurch unterstrichen, daß die tschechoslowakischen Rechtsordnungen ausdrücklich bestimmen, daß der Vorsitzende der Planungskommission der Stellvertreter des Vorsitzenden der zuständigen Regierung ist (vgl. z. B. Art. 2 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes Nr. 126/1970 Slg. über Maßnahmen im System der Föderalorgane, an deren Spitze ein Organ der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik steht).
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ganisatorischer und methodischer Hinsicht aus und erläßt dazu einheitliche methodische Weisungen; sie bestimmt verbindliche Hegeln für die Aufschlüsse (Aufteilung) der Aufgaben der staatlichen Pläne und der Wirtschaftspläne auf niedrigere Stufen der Leitung, koordiniert Maßnahmen, die auf dem Abschnitt der Entwicklung des Systems der planmäßigen Leitung der Volkswirtschaft i n ihren Wirkungskreis die übrigen Zentralorgane vorbereiten 1 4 . Das Föderalministerium der Finanzen erläßt (gemeinsam m i t den Finanzministerien der Republiken) einheitliche Richtlinien für die A u f stellung der Staatshaushaltspläne und der Finanzpläne, nach welchen auch die übrigen föderalen Organe vorgehen 15 . Der Ausschuß der Volkskontrolle der CSSR sichert die wechselseitige Koordination der fachlichen Kontrolltätigkeit m i t anderen föderalen Zentralorganen der Staatsverwaltung 1 6 . Das Föderale Statistische A m t bestimmt eine einheitliche Methodik der sozial-ökonomischen Informationen und die statistischen Organe der Republiken (das Tschechische Statistische A m t und das Slowakische Statistische Amt) bewilligen anderen Organen der Republiken eine selbständige Organisierung und Durchführung der statistischen Ermittlungen 1 7 . Wie ersichtlich, üben alle diese Organe die Koordinationstätigkeit auf Grund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung aus: sofern sie eine solche Ermächtigung nicht hätten, könnten sie diese nicht entwikkeln, denn i m Verhältnis zu den übrigen Organen der Staatsverwaltung sind sie kein übergeordnetes Organ. Die angewendeten M i t t e l der Koordination unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Intensität: sie umfassen nichtformelle Vorgänge, verbindliche Entscheidungen i n einer konkreten Angelegenheit und auch allgemein verbindliche Rechtsvorschriften. 5. Sofern es sich u m die Koordination zwischen den Ministerien handelt, verdienen zwei Fragen Aufmerksamkeit: a) Vor allem möchte ich darauf aufmerksam machen, daß Koordinationsbeziehungen auch zwischen Ministerien entstehen, die i n verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung wirken 1 8 . 14 Vgl. § 17 Abs. 1 Buchst, a), d), h) des Gesetzes Nr. 145/1970 Slg. über die volkswirtschaftliche Planung. 15 Vgl. § 9 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 133/1970 Slg. über die Kompetenz der Föderalministerien. 16 Vgl. § 4 Abs. 1 Buchst, a) des Gesetzes Nr. 103/1971 Slg. über die Volkskontrolle. 17 Vgl. § 4 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 21/1971 Slg. über das einheitliche System der sozial-ökonomischen Informationen. 18 Zum Unterschied von Beziehungen, die zwischen den sog. Funktionaloder Querschnittsministerien und Zweigministerien entstehen, handelt es
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Zum Beispiel, die Erziehung i m Bereich ihrer Kompetenz organisieren, leiten und kontrollieren die Wirtschaftsministerien (für Industrie, Bauwesen usw.) und die von ihnen geleiteten Unternehmen. Das M i nisterium für Schulwesen der Nationalrepubliken, obwohl i h m Fachbildungsstätten nicht untergeordnet sind, steht die methodische und ideologische Leitung der Erziehung der Lehrlinge und ihre Koordination zu, und zu diesem Zwecke disponiert es m i t Mitteln der Einwirkung auf einen einheitlichen Prozeß des Unterrichts ohne Rücksicht darauf, welchem Ressort die Bildungsstätten untergeordnet sind 1 9 . Oder ein anderes Beispiel: die wissenschaftliche Forschung i m Bereich der medizinischen Wissenschaften führen nicht nur die dem M i nisterium untergeordneten Institutionen durch, sondern auch anderen Ressorts. Nichtsdestoweniger t r i t t das Ministerium für Gesundheitswesen hier als Organ auf, das die wissenschaftliche Forschungstätigkeit i m Bereich der medizinischen Wissenschaft koordiniert 2 0 . W i r können uns die Frage stellen, aus welchem Grunde Koordinationsbeziehungen dieser A r t entstehen. Ich glaube, daß der Hauptgrund das gesellschaftliche Interesse an der Einheitlichkeit der Staatsverwaltung und an einem harmonischen Wirken der Staatsverwaltung zur Erreichung gemeinsamer Ziele und Aufgaben ist, ohne Rücksicht auf ihre Organisationsgliederung, wobei die Koordinationsbefugnis gerade demjenigen Ministerium anvertraut ist, wo der Schwerpunkt der Ausübung der Staatsverwaltung i m gegebenen Bereich liegt. Aus dem Umstand, daß es sich u m Beziehungen zwischen Verwaltungsorganen der gleichen Ebene handelt, ergibt sich, der die Koordination sich i n diesem Falle nicht auf der Beziehung der Überordnung und der Unterordnung gründen kann, d. h. sie ist nicht ein Bestandteil der Leitung. Darum muß die Koordinationsbefugnis eines Zweigministeriums gegenüber anderen Zentralorganen der Staatsverwaltung eine selbständige Rechtsgrundlage (eine besondere gesetzliche Ermächtigung) haben. Die Formen, durch die das zuständige Ministerium die Koordination realisiert, sind verschiedenartig: das intensivste M i t t e l sind nicht nur die durch i h n erlassenen allgemeinen verbindlichen Rechtsvorschriften, sondern auch technische und andere Normen. b) Ich habe schon erwähnt, daß i n einigen Fällen nur Ministerien der Nationalrepubliken errichtet sind (z. B. für Schulwesen, K u l t u r , Gesich hier um eine Beziehung zwischen zentralen Zweigorganen der Staatsverwaltung. I n beiden Fällen handelt es sich um eine Beziehung zwischen gleichgestellten Organen, d. h. um eine horizontale Koordination. 19 Vgl. § 26 Abs. 1, § 29 und § 30 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 89/1958 Slg. über die Erziehung des Nachwuchses zum Beruf im Lehrverhältnis. 20 Vgl. § 69 des Gesetzes Nr. 22/1966 Slg. über die Fürsorge um die Volksgesundheit.
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sundheitsweseii, Forst- und Wasserwirtschaft). Selbstverständlich entsteht hier die Frage ihres einheitlichen Vorganges i n einer ganzen Reihe von Fragen. Die Praxis beschreitet hier den Weg der Bildung besonderer verschieden benannter Koordinationsorgane (z. B. Beirat für Gesundheitswesen, Koordinationsbeirat der Ministerien für Forst- und Wasserwirtschaft), die sich nach Bedarf zur Festlegung eines gemeinsamen Vorganges zusammentreffen. Auch i n diesem Falle handelt es sich u m eine horizontale Koordination, und zwar zwischen Ministerien zweier Republiken, die i n Zweigen der Staatsverwaltung wirken, welche i n den ausschließlichen Wirkungskreis der Republiken fallen. Dieser Umstand kommt auch sowohl i n der Zusammensetzung der Koordinationsorgane als auch i n den M i t teln zum Ausdruck, durch die die Koordination bewirkt wird. Die Koordinationsorgane sind nämlich paritätisch aus Vertretern beider Ministerien zusammengesetzt. Z . B . der Beirat für Gesundheitswesen kommt i n folgender Zusammensetzung zusammen: die Minister, ihre Stellvertreter und die Leiter der Sekretariate. Eine einheitliche Lösung kommt durch Einigung beider Minister zustande, die jeder von ihnen auf dem Territorium des Wirkungskreises seines Ministeriums durch M i t t e l erzielt, m i t denen er disponiert (durch Erlassung einer Kundmachung, durch interne Instruktionen). Aus der Arbeitsteilung auf die einzelnen Gliedorgane des Ministeriums (sein Apparat gliedert sich auf Sektionen, die sich weiter auf Abteilungen teilen) ergibt sich der Bedarf einer Koordination innerhalb des Ministeriums. Die Koordination verwirklicht sich vor allem i n vertikaler Linie, aber auch i n horizontaler Ebene. Die gesamte Koordinationstätigkeit des Ministeriums (seiner Gliedorgane) verwirklicht die Leitung des Ministeriums, die aus den M i n i stern und seinen Stellvertretern besteht. Es ist zu bemerken, daß der Minister durch seine Entscheidung die Abschnitte abgrenzt, für die seine Stellvertreter verantwortlich sind. So z.B. ein Vertreter des Ministers für Forst- und Wasserwirtschaft leitet (und kann demnach auch koordinieren) die Arbeit der Funktionalglieder, ein zweiter — die Arbeit der Gliedorgane auf dem Abschnitt für Forstwirtschaft und ein dritter — die Arbeit der Gliedorgane auf dem Abschnitt der Wasserwirtschaft. I n allen diesen Fällen (der Minister — die Stellvertreter; die Stellvertreter — Leiter der Sektionen) handelt es sich u m Leitungsbeziehungen, die sich auf einer hierarchischen Unterordnung gründen, und deshalb t r i t t die Koordination als Bestandteil der Leitung auf und er-
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fordert nicht eine besondere Rechtsgrundlage. Sie verwirklicht sich i n der Form von verbindlichen Dienstweisungen. Eine bestimmte Aufgabe i n der Koordinationstätigkeit steht auch den Beiratsorganen des Ministeriums zu. So hat z. B. das Kollegium des Ministers die Möglichkeit durch Verhandlung der Hauptaufgaben des Ministeriums — wenn auch i n der Form einer für den Minister unverbindlichen Äußerung — auch auf ihre Koordination 2 1 einzuwirken. Ebenso sind wissenschaftliche bei einigen Ministerien errichtete Beiräte (z. B. für Gesundheitswesen) ein Hilfsorgan, das zur Koordination der wissenschaftlichen Forschungstätigkeit i m gegebenen wissenschaftlichen Bereich beiträgt. Die horizontale Koordination verwirklicht sich teils auf der Ebene der Stellvertreter des Ministers teils auf der Ebene der Sektionsleiter. M i t Rücksicht darauf, daß es sich u m Subjekte der Leitung handelt, die einander gleichgestellt sind, kommt die Koordination auf Grund einer Einigung zustande. I m Falle, daß es sich u m eine mehreren Gliedorganen gemeinsame Aufgabe handelt, kann einer von ihnen als Koordinator nur auf Grund einer Ermächtigung des i h m übergeordneten Organs auftreten und die übrigen Gliedorgane sind verpflichtet, ihm nicht nur alle erforderlichen Informationen und Unterlagen zu gewähren, sondern auch diejenigen Teile der Materialien auszuarbeiten, die in ihr Arbeitsfeld fallen. Die Koordinationstätigkeit i m System der Zentralverwaltung ist außerordentlich umfangreich und verläuft sowohl i n vertikaler als auch i n horizontaler Ebene, wobei sie i n der letzten Stufe i n die Regierung als obersten Exekutivorgan der Staatsmacht münden. Ich habe versucht zu zeigen, daß die Koordination als Bestandteil der Leitung keine besondere rechtliche Ermächtigung erfordert: das übergeordnete Organ ist infolge seiner Stellung befugt, die Tätigkeit der untergeordneten Objekte zu koordinieren. Einigermaßen anders ist die Situation bei einer Koordination, die sich i n horizontaler Ebene verwirklicht, d. h. zwischen Subjekten, deren Beziehungen sich auf die Überordnung und Unterordnung gründen. Hier kann sich die Koordination entweder durch eine Einigung verwirklichen oder i m Gegenteil können sich machtrechtlich Formen der Einwirkung des koordinierenden Organs gegenüber dem koordinierten Organ geltend machen: i n diesem Falle ist es jedoch unerläßlich, daß 21 Mitglieder des Kollegiums sind neben den Vertretern des Ministers weitere leitende Mitarbeiter des Ministeriums, Mitarbeiter von Verwaltungsorganen niedrigerer Stufen und eventuell wissenschaftliche Arbeiter sowie auch die vom Minister ernannten Repräsentanten.
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das koordinierende Organ zu so einem Vorgehen durch ein besonderes Gesetz ermächtigt ist. Die Unterschiedlichkeit der Natur der Beziehungen zwischen dem koordinierenden und koordinierten Organ bestimmt auch die Intensität der geltend gemachten M i t t e l der Koordination. Allgemein gesagt, die intensivsten Koordinationsmittel (verbindliche Entscheidungen, interne Weisungen) kommen zur Geltung i n den auf einer Unterordnung beruhenden Beziehungen. Fast gleich intensive M i t t e l können angewendet werden, wie w i r gesehen haben, auch bei einer horizontalen Koordination. Meiner Ansicht nach kann jedoch ein wesentlicher Unterschied nicht übersehen werden: während i n vertikalen Beziehungen die Koordination einen integralen Bestandteil der Leitung bildet und sich demnach auf jede beliebige Frage beziehen kann, die Machtmittel der Koordinationstätigkeit zwischen gegenseitig nicht untergeordneten Organen können nur bestimmte, durch Rechtsvorschriften abgegrenzte Fälle betreffen. I n den übrigen Fällen der sog. horizontalen Koordination machen sich M i t t e l geltend, die ihrem Charakter nach nicht Machtmittel sind. Es ist nötig, auch den Umstand zu erwähnen, daß auch dort, wo autoritative Koordinationsmittel angewendet werden können, sich gleichzeitig andere M i t t e l (keineswegs Machtmittel) geltend machen. Ich glaube, daß bei der Koordinationstätigkeit der Verwaltungsorgane ausdrucksvoll Kombinationen verschiedener (autoritativer und nichtautoritativer) M i t t e l der Einwirkung zum Ausdruck kommen. Es scheint mir, daß gerade i n dieser Richtung theoretisch und praktisch ein ziemlich kompliziertes Problem vorliegt: nämlich zu bestimmen, wo eine autoritative Entscheidung am Platze ist und wo ein anderes Vorgehen wünschenswert wäre. Die Erfahrungen zeigen, daß für die Stärkung der Koordination i n der Staatsverwaltung es unerläßlich ist, die Rolle der Verwaltungsorgane m i t einer allgemeinen Kompetenz sowie der Funktional- oder Querschnittsorgane zu erhöhen: nur durch deren Vermittlung kann man einem engen ressortmäßigen Herangehen entgegentreten, das den komplizierten i n den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens existierenden Zusammenhang nicht i n Betracht zieht. Dabei können eine positive Rolle auch besondere bei der Regierung und bei den Ministerien errichtete Beiratsorgane spielen, die ihnen bei der Koordinierung behilflich sind oder sogar durch nichtautoritative M i t t e l die Koordination verwirklichen.
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Diskussionsbeitrag von Inge Perko-Separovic M i t Koordination bezeichnen w i r jede Tätigkeit i n einem System m i t dem Ziel der Reduktion der natürlichen Tendenzen eines Systems zur Entropie und Desintegration. I n diesem Sinne können w i r die Begriffe „Koordination" und „Management" synonym verwenden. Die grundlegende Eigenschaft dieser Tätigkeit oder Funktion ist das unablässige Streben zur Integration des Systems, das immer wieder herausgefordert wird. Der Entwicklungsprozeß des Systems w i r d von einem wachsenden Differenzierungs- d.h. Komplexitätsgrad begleitet. Je höher das N i veau der Differenzierung i n Systemen, desto schwieriger ist es, Integration zu erreichen. I n diesem Falle müssen sogar die Instrumente und Methoden der Koordination oder Integration differenziert werden, um m i t dem ständig ansteigenden Komplexitätsgrad des Systems Schritt zu halten. Die Regierung als ein System kann dem Los seiner Entwicklung nicht entfliehen, d. h. eine konstant anwachsende Anzahl von Elementen oder Einheiten zu schaffen. Das Konzept des „Wohlfahrtstaates" hat eine ungeheure Ausweitung i m Bereich der Regierungstätigkeiten m i t sich gebracht, von einer entsprechenden Ausweitung der Institutionen, die diese Tätigkeiten durchführen, begleitet. Es gibt verschiedene Kriterien, m i t denen w i r die Arten der Koordination klassifizieren können, die wichtigste Klassifizierung jedoch scheint die Klassifizierung von Koordination i n zwei Hauptkategorien zu sein: die Koordination von Interessen (politische K.) und technische Koordination (der Verwaltung). M i t Koordination von Interessen meinen w i r Prozesse, m i t dem Ziel der Konfliktlösung i m System einerseits, m i t technischer Koordination Prozesse, die verschiedene Aufgaben zusammenfassen, u m die Übereinstimmung der Ziele sicherzustellen, andererseits. Wichtigstes Merkmal der Koordination durch die Regierung ist die Macht als ihr grundlegendes Instrument. Natürlich kann die Komplexität einer modernen Regierung nicht ohne die Benutzung anderer Instrumente der Koordination absorbiert werden; aber wenn sich alle
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anderen Instrumente als inadäquat herausstellen, ist die Macht die letzte Zuflucht. Z u r gleichen Zeit können einige Probleme der Koordination, wie man glaubt, m i t Hilfe von bestimmten institutionellen A r rangements, die eine bessere Koordination begünstigen, gelöst werden. Dies ist die Erklärung, die für die so große Reorganisation der Regierung i n den letzten Jahrzehnten gegeben wurde. Es ist vielleicht interessant, die jugoslawischen Erfahrungen, die von unablässigen Veränderungen i n der Struktur des Exekutivörgans auf Bundesebene gekennzeichnet sind, zu betrachten. Dieses Orgaii stellt die „Verbindung" zwischen dem Bundesparlament und seinen administrativen Organen her und leitet die alltägliche Koordination der Verwaltungsorgane. Veränderungen i n der Zusammensetzung des Exekutivorgane sind nahezu das beste Beispiel dafür, wie schwierig es ist, gewisse Verfassungsprinzipien (die Einheit der Gewalt d. h. das Parlamentssystem) m i t dem Bedürfnis nach täglicher Koordination i n Einklang zu bringen. I. Historische Entwicklung Die gesamte Nachkriegsgeschichte Jugoslawiens, die sich über einen Zeitraum von fast dreißig Jahren erstreckt, ist von Veränderungen i n und der Entwicklung der Verfassung gekennzeichnet. Die erste Verfassung, 1946, wurde auf einer Grundlage errichtet, die i n gewisser Hinsicht schon durch den antifaschistischen Kampf der jugoslawischen Völker und ihrer sozialistischen Orientierung vorbereitet war. Die exekutiven und administrativen Funktionen des Bundes, sowohl was Fragen der Verfassung als auch politische Angelegenheiten angeht, wurden der Regierung übertragen, die gleichzeitig für die allgemeine Politik des Landes i m Rahmen der Bundeskompetenz verantwortlich war und fungierte als der Initiator fast aller Entscheidungen, die vom Bundesparlament und dem Präsidium gebilligt wurden (das Präsidium als das Repräsentantenkollegium und als Exekutivkörper des Parlaments war das Staatsoberhaupt). Obwohl das Parlament eine Regierung aus seinen eigenen Reihen gewählt hatte, konzentrierte die Regierung eine ungeheure Machtfülle i n ihren Händen. Alltägliche Koordination war recht einfach durchzuführen, da die Regierungsmitglieder gleichzeitig Leiter der Abteilungen (Minister) waren. Die wirkliche Macht der Regierung hatte das Prinzip der Einheit der Gewalt herausgefordert; und aus diesem Grunde mußte dieses System abgeschafft werden. Entsprechend des Verfassungsgesetzes von 1953 und i n Einklang m i t dem Prinzip des Parlamentssystems, wurden der Präsident der Republik und der Bundesexekutivrat die exekutiven Körper des Bundes. Der Präsident der Republik war nicht nur Staatsoberhaupt, sondern 18»
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auch K r a f t seines Amtes Präsident des Bundesexekutivrates und Oberster Befehlshaber der Streitkräfte des Landes. Da er die formale Regierung ersetzte, behielt der Bundesexekutivrat viele Funktionen und die allgemeine Rolle dieses Körpers, nicht i m Sinne eines Kabinetts, wie es unter der Verfassung von 1946 der Fall war, sondern i n der Form eines relativ neuen und originalen Körpers. Dieses war eine A r t ständiger Ausschuß des Parlaments, m i t politisch-exekutiver Kompetenz, die auch leitende und überwachende Rollen i n der Staatsverwaltung umfaßte, ausgestattet. Es war jedoch nicht einfach, die Tätigkeiten der Verwaltungsorgane des Bundes zu koordinieren, aufgrund der strengen Trennung der Funktion des administrativen Leiters von der Funktion des Mitglieds des Exekutivrats. Die Verwaltungsorgane waren verantwortlich für die direkte Anwendung von Gesetzen, Plänen und anderer Akte des Parlaments und des Bundesexekutivrats. Für ihre Arbeit waren sie i n erster Linie dem Bundesexekutivrat gegenüber verantwortlich, der ihre leitenden Beamten ernannte und entließ, die i n der Regel den Status von berufenen und nicht gewählten Beamten hatten. I n Übereinstimmung m i t der Verfassung wurden 1963 der Präsident und die Mitglieder des Bundesexekutivrates vom Bundesparlament aus den Reihen des Bundesparlaments gewählt, indem man der nationalen Zusammensetzung Rechnung trug, auf den Vorschlag des Stellvertreters, den der Präsident der Republik zum Präsidenten des Bundesexekutivrats vorschlug und nachdem man die Meinung der Kommission für Wahlen und Berufungen gehört hatte. Außer gewählten Mitgliedern waren die Präsidenten der Exekutivräte der Republiken 1 , Staatssekretäre des Bundes, Sekretäre des Bundesexekutivrates und anderer Bundesbeamte, die das Parlament auswählt, ebenfalls Mitglieder des Bundesexekutivrates K r a f t ihres Amtes. Allgemeine Angelegenheiten und Prinzipienfragen, sowie Angelegenheiten von allgemeinem Interesse für Verwaltungseinheiten w u r den von allen Mitgliedern des Bundesexekutivrates behandelt. Über andere Angelegenheiten wurden nur von ausgewählten Mitgliedern des Rates und von Staatssekretären entschieden, m i t der Einrichtung, daß einzelne Mitglieder des Bundesexekutivrats an der Diskussion teilnehmen konnten, wenn die Punkte auf der Tagesordnung m i t den Sphären der Kompetenz der Körper, die sie vertraten, i n Beziehung standen. Der Bundesexekutivrat war als der politisch-exekutive Körper des Bundesparlaments für die Durchführung der Bundespolitik, deren 1
Die Sozialistische Föderative Rpublik Jugoslawien besteht aus sechs Republiken und zwei autonomen Provinzen, die eigene Parlamente und Regierungen haben. Anm. d. Übers.
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Grundzüge vom Bundesparlament niedergelegt wurden, verantwortlich. Der Bundesexekutivrat legte dem Parlament Vorschläge zu internen Fragen und Fragen der Aufstellung der Politik, Anwendung von Gesetzen, Aufnahme von Plänen, Budgets und anderer gesetzlicher Vorschriften vor; er kümmerte sich u m deren Durchführung; erließ Verfügungen und Entscheidungen und gab Empfehlungen für die Durchsetzung der Gesetze und anderer Vorschriften des Bundesparlaments heraus, sofern er nach dem Gesetz und den Vorschriften dazu ermächtigt war; er stellte allgemeine Prinzipien bezüglich der Organisation der Bundesverwaltung auf, hob gesetzliche Vorschriften, die von Verwaltungsbehörden des Bundeserlassen waren, auf, wenn sie i m Widerspruch m i t Bundesgesetzen oder vom Bundesexekutivrat erlassenen Vorschriften standen. Der Bundesexekutivrat war für seine Arbeit dem Bundesparlament verantwortlich und mußte es darüber informiert halten. Billigte das Bundesparlament ein Gesetz oder andere Vorschriften, die i m Widerspruch zu der begründeten Auffassung des Bundesexekutivrates standen, konnte der letztere seinen kollektiven Rücktritt erklären, wenn er sich nicht i n der Lage sah, die Durchführung des betreffenden Gesetzes oder der betreffenden Vorschrift sicherzustellen. Die neue Zusammensetzung des Bundesexekutivrats (seine „engere" und „ausgeweitete" Zusammensetzung) hatte eine bessere Koordination der Verwaltungsorgane begünstigt. Jedoch zeigte die aus der A r beit und dem Funktionieren des Bundesexekutivrats i n seiner „engeren" und „ausgeweiteten" Zusammensetzung gewonnene Erfahrung, daß die Beziehungen zwischen den politisch-exekutiven und administrativen Behörden nicht auf adäquate A r t und Weise realisiert waren. Diese Zusammensetzung des Bundesexekutivrats und die von dieser speziellen Zusammensetzung aufgezwungene Arbeitsweise erwies sich als eine Behinderung des erfolgreichen Funktionierens und der weiteren Entwicklung des Parlamentssystems. Dies machte es notwendig, den Bundesexekutivrat auf eine A r t zu organisieren, die es möglich machte, daß er sich ausschließlich auf seine politisch-exekutiven Funktionen konzentrieren konnte und darauf, für die Ausübung seiner politischen und exekutiven Gewalten verantwortliche Behörden und K ö r per des Parlaments zu handeln. I m Einklang m i t diesem Prinzip regelte der Zusatz I I zu der Verfassund 1967, daß der Bundesexekutivrat allein aus Mitgliedern besteht, die aus den Bundesabgeordneten vom Parlament gewählt werden, m i t Beachtung der nationalen Zusammensetzung. Entsprechend der Vorschrift dieser Ergänzung nahmen an den Sitzungen des Bundesexekutivrates Staatssekretäre mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die
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Ratsmitglieder teil; während die Sekretäre des Bundes und andere Bundesbeamte die vom Bundesparlament ernannt wurden, an der Arbeit des Bundesexekutivrates n u r i n den Angelegenheiten m i t denselben Rechten wie Ratsmitglieder teilnehmen könnten, die i n ihren Aufgabenbereich und den der Behörde, die sie leiteten, fielen und den Rat durch dessen Ermächtigung vertreten konnten. Diese neue Zusammensetzung sollte mehr Klarheit i n der verfassungsmäßigen Konzeption des Funktionierens von u n d der organischen Unterschiede zwischen den politisch-exekutiven Körpern des Parlaments und der Bundesverwaltungsbehörden schaffen. Die Zusatzartikel zur Verfassung, gebilligt und verkündigt am 30. Juni 1971, haben unter anderem wichtige Veränderungen i m Charakter und der Rolle der Föderation und dementsprechende Veränderungen i n ihrem Funktionieren m i t Sich gebracht. Die Beziehung zwischen dem Bundesexekutivrat und dem Bundesparlament blieb i n der Hauptsache unverändert. Die bedeutendste der neuen Funktionen des Bundesexekutivrats, wie sie i m Zusatzartikel X X X I I I niedergelegt ist, ist seine Vollmacht und Pflicht, die Ansichten der zuständigen Behörden der Republiken und Provinzen zu allen Punkten, die als allgemeine A u f gabe der Föderation, nach dem Zusatzartikel X X X I I I nur i n Übereinstimmung m i t den Republiken und Provinzen behandelt werden können, aufeinander abzustimmen. Die Abstimmung der Auffassungen wurde m i t verschiedenen Methoden durchgeführt, bei denen der gesamte Mechanismus des Bundesexekutivrates ausgenutzt wurde. Eine besonders wichtige Rolle i m Prozeß der Abstimmung spielten d i e Interrepublikanischen
Komitees,
die der Rat m i t Z u s t i m m u n g der
Exekutivräte der Republiken und Provinzen einrichten konnte. Konnte keine Übereinstimmung i n einem Interrepublikanischen Kommittee erreicht werden, wurde die Streitfrage an die Koordinierende Kommission des Bundesexekutivrats weitergeleitet. Den Vorsitz dieser Kommission hatte der Ratspräsident inne, sie bestand aus acht Ratsmitgliedern, je einen von jeder Republik und autonomer Provinz, und den Präsidenten oder Vizepräsidenten der Exekutivräte aus Republiken und Provinzen. Aufgabe der Koordinierenden Kommission war es, soviel wie möglich zur Annäherung der Standpunkte beizutragen, so daß i m Bundesexekutivrat Übereinstimmung zwischen den Vertretern der Exekutivräte aus Republiken und Provinzen erreicht werden konnte. Würde weder i m interrepublikanischen Komitee noch i n der Koordinierenden Kommission Übereinstimmung erreicht werden, wurde die Angelegenheit dem Bundesexekutivrat als Ganzem vorgelegt. Von den Vertretern der Republiken und Provinzen besuchte Sitzungen des Bundesexekutivrates waren die höchsten Formen für die Angleichung der
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Standpunkte von politisch-exekutiven Behörden der Föderation, der Republiken und der Provinzen. Selbst vor dem Inkrafttreten der Zusatzartikel wurde der Bundesexekutivrat nach dem Paritätsprinzip gewählt, obwohl dies nicht explizit von der Verfassung ausgeführt war. Da nun das Prinzip der gleichen Repräsentation der Republiken und entsprechenden Repräsentation der autonomen Provinzen, d.h. das Prinzip der paritätischen Zusammensetzung verfassungsmäßig festgelegt war, schrieb die A k t e des Bundesexekutivrates vor, daß der Rat aus vier Mitgliedern von jeder Republik und zwei Mitgliedern von jeder autonomen Provinz zusammengesetzt sein sollte. Sie wurden vom Bundesparlament auf den Vorschlag des Präsidentschaftskandidaten (der selbst vom Parlament auf den Vorschlag des Präsidiums gewählt wird). Da die Zusatzartikel vorschreiben, daß ein Mitglied des Bundesexekutivrats nicht gleichzeitig Abgeordneter sein konnte, endete das Mandat eines Parlamentsmitgliedes am selben Tag, an dem er für den Bundesexekutivrat nominiert wurde. Bei der Wahl der Mitglieder des Bundesexekutivrats nominierte das Bundesparlament aus seinen Reihen den Vizepräsidenten und den Ratssekretär, dazu die Bundessekretäre* Die Bundessekretäre wurden aus den Reihen der Ratsmitglieder nominiert, u m eine bessere Koordination und Effizienz bei der Arbeit des Bundesexekutivrats und des Bundessekretariats zu erreichen. A u f diese Weise hatte der Rat den Charakter einer Regierung „ m i t Geschäftsbereich" und wurde zum K o l legium der grundlegenden Bundesbehörden eigener Prägung. Dies bedeutete eine beträchtliche Veränderung gegenüber der vorherigen Situation. Man sollte dabei nicht vergessen, daß die Anzahl der Bundessekretariate und ihrer Tätigkeitsbereiche m i t den Vollmachten und Verantwortlichkeiten, d. h. dem Zuständigkeitsbereich des Rats als politisch-exekutiver Behörde der Föderation nicht vollkommen identisch sind. Aus diesem Grunde wurden zusätzlich zum Präsidenten, Vizepräsidenten und Sekretär des Bundesexekutivrates eine Anzahl von Ratsmitgliedern ernannt, um die restlichen Gebiete der Tätigkeiten des Rats abzudecken. I I . Die heutige Situation Die Beziehungen i n der Föderation wurden i m Grunde von den Zusatzartikeln zur Verfassung von 1971 geregelt. Die neue Verfassung brachte 1974 einige Zusätze, i n erster Linie durch Veränderungen i n der Struktur des Parlaments der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Definition seiner Vollmachten. Nach der neuen Verfassung ist der Bundesexekutivrat der Exekutivkörper des Bundesparlaments. Es ist dem Parlament i m Rahmen der
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Rechte und Pflichten der Föderation für den Staat i n allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, für die Durchführung der Politik und Durchsetzung von Bundesgesetzen und anderen Vorschriften und Verfügungen des Bundesparlaments, sowie für die Leitung und Abstimmung der Arbeit der administrativen Bundesbehörden aufeinander verantwortlich. Die Verfassungsvorschrift des Paritätsprinzips bezüglich der Zusammensetzung des Bundesexekutivrats kann man wieder finden. „Der Bundesexekutivrat besteht aus einem Präsidenten, Ratsmitgliedern, die i n Übereinstimmung m i t dem Prinzip gleicher Repräsentation der autonomen Provinzen gewählt werden, Bundessekretären und anderer Beamten, die — wie es Bundeserlasse näher bestimmen — Verwaltungsbehörden und Organisationen der Föderation leiten . . . Werden der Präsident und Mitglieder des Bundesexekutivrates aus den Reihen der Abgeordneten des Parlaments der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gewählt, ist ihre Mitgliedschaft i m Parlament der S. F. R. J. beendet." (Art. 348). Der Präsident des Bundesexekutivrats w i r d von den Kammern des Bundesparlaments auf Vorschlag des Präsidiums der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gewählt; die Ratsmitglieder auf Vorschlag des Präsidentschaftskandidaten auf der Grundlage der Meinung der Kommission für Wahlen und Berufungen des Parlaments der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Unter Berücksichtigung dieser Verfassungsvorschriften führt die Akte des Bundesexekutivrates aus, daß der Rat aus mindestens drei M i t gliedern aus jeder Republik und einem M i n i m u m von zwei Mitgliedern aus jeder autonomen Provinz zusammengesetzt sein soll. Die Interrepublikanischen Komitees, von den Zusatzartikeln zur Verfassung 1971 eingerichtet, nehmen dieselbe, sehr wichtige Rolle i n der neuen Verfassung ein. „ U m die Teilnahme der zuständigen Behörden der Provinzen und Republiken bei der Beschließung von Regelungen, die die Durchführung von Gesetzen und anderen Verordnungen des Parlaments der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, die i n Übereinstimmung m i t diesen Behörden beschlossen werden müssen, zu gewährleisten, werden der Bundesexekutivrat und die zuständigen Behörden der Republiken und Provinzen i n gegenseitiger Übereinstimmung interrepublikanische Komitees für einzelne Sphären einrichten. Interrepublikanische Komitees werden gemäß dem Prinzip der gleichen Repräsentation der Republiken und entsprechender Repräsentation der autonomen Provinzen eingerichtet. Mitglieder von interrepu-
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blikanischen Komitees werden von den zuständigen Behörden der Republiken und Provinzen delegiert werden. Vorsitzende von interrepublikanischen Komitees werden vom Bundesexekutivrat aus seinen eigenen Mitgliedern ernannt." (Artikel 357). Die Koordinierende Kommission als Instrument der Anpassung von Standpunkten der zuständigen Behörden der Republiken und Provinzen wurde abgeschafft. Heute ist die Koordinierende Kommission des Bundesexekutivrats m i t der Koordination der „Arbeit des Rats selbst und der Arbeit der Bundessekretariate und anderer Bundesbehörden" beauftragt. Was seine interne Organisation betrifft, verfügt der Bundesexekutivrat über bestimmte Körper, die Material für seine Sitzungen vorbereiten und für die Realisierung seiner Entscheidungen und Beschlüsse sorgen. Die ständigen Kommissionen sind arbeitende Körper, die m i t der Erwägung jeglicher Punkte der Tagesordnung einer Ratssitzung beauftragt sind, m i t der Ausnahme von Routinefragen, die einer solchen Erwägung nicht bedürfen und von Vorschlägen, über die der Rat i n beschleunigtem Verfahren beschließen muß. Die ständigen Kommissionen haben allerdings nicht die Vollmacht, über einzelne Punkte zu entscheiden und können dem Rat lediglich ihre Auffassung unterbreiten. Der Rat verfügt heute über die Koordinierende Kommission, die Kommissionen für Außenpolitische Angelegenheiten, für sozialpolitische und organisatorische Angelegenheiten, für Wirtschaftspolitik, für Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland, für das Budget, die Personalund Verwaltungskommission, die Kommission für die Vorbereitung der Bundesbehörden i m Falle einer Mobilmachung und die Kommission für die Beziehungen zu religiösen Gemeinschaften. Gemeinsame Kommissionen werden ja nach Bedürfnis und i n Abhängigkeit vom Zustand der jugoslawischen Wirtschaftskooperation und anderen Formen internationaler Kooperation eingerichtet. Sie sind das Resultat der Abkommen m i t anderen Staaten. Z u ihnen gehören die Kommission für die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Jugoslawien und dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe und die Kommission für Koordination der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Jugoslawien und M i t gliedern der EG, EFTA und OECD. Die derzeitigen Lösungen, wie die von den 1971er Zusatzartikeln geschaffene Situation, begünstigen eine bessere Koordination und Effizienz i n der Arbeit des Bundesexekutivrats i n der Beziehung zu den Verwaltungsbehörden des Bundes. Zwischen dem Bundesexekutivrat und den Verwaltungsbehörden des Bundes und Bundesorganisationen wurden enge und direktere Verbindungen geschaffen. Die Vollmachten des Rats i n der Beziehung zu den Verwaltungsbehörden des Bundes
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und den Bundesorganisationen wurden erweitert, besonders hinsichtlich der Durchführung der Politik und gesetzlicher Regelungen der Föderation. I I I . Schlußbemerkungen Dieser Überblick über die historische Entwicklung der institutionellen Arrangements des Exekutivorgans der Föderation bezüglich der Koordination der Verwaltungskörperschaften des Bundes scheint darauf hinzuweisen, daß w i r uns bei dieser unablässigen Suche nach besserer Koordination i n einem Teufelskreis befinden. Irgendwie sieht es sogar so aus, als ob all diese Reorganisationen, die soviel von unserer Energie und unseren M i t t e l n verbraucht haben, nicht mehr als eine Methode „des Versuchs und Irrtums" bei der Suche nach Auswegen aus Dilemmas ist, die uns aus Konflikten zwischen gewissen ideologischen Prinzipien und den Bedürfnissen des alltäglichen Lebens erwachsen sind. I n manchen Perioden unserer Entwicklung haben w i r die Effizienz von Koordination geopfert, u m die Anwendung des Parlamentssystems durchführen zu können und umgekehrt. A l l diese Reorganisationen waren nicht das Ergebnis eines Drucks, der auf das System aufgrund seines höheren Grades an Differenzierung und Komplexität ausgeübt wurde. Nur einem Aspekt der Differenzierung wurde i n unserem System genug Aufmerksamkeit gezollt, m i t dem Ergebnis neuer Institutionen: der Differenzierung gemäß dem Nationalitätenprinzip. U m die Abstimmung der Interessen der verschiedenen Republiken, d. h. Nationen, untereinander zu verbessern, wurde einerseits das neue Prinzip, das die Zusammensetzung des Bundesexekutivrats und der Verwaltungsbehörden des Bundes regelt, eingeführt und andererseits die Einrichtung des Präsidiums (zusammengesetzt aus je einem Mitglied aus jeder Republik und autonomen Provinz und dem Präsidenten des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens kraft seines Amtes) als kollektives Staatsoberhaupt geschaffen. Es scheint, daß Regierungssysteme nicht zu radikalen Erneuerungen auf dem Gebiete der Institutionen und Methoden zum Zwecke der K o ordination neigen — zumindest solange die Integration des Systems nicht ernsthaft herausgefordert wird. Andererseits können die Probleme von noch weiterer Differenzierung innerhalb des traditionellen Parameters von Koordination nicht gelöst werden. Die Gefahr, der w i r uns auf intrasystemischer Ebene der Koordination gegenübersehen, w i r d auf der Ebene intersystemischer (zwischenstaatlicher) Koordination noch bedrohlicher. Das jugoslawische Beispiel von Koordination von Interessen zwischen Republiken zeigt i n kleinem Maßstab, wie schwierig und aufwendig es ist, Koordination zu erreichen. M i t an-
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deren Worten stellt trotz aller Arrangements oder trotz der Erhaltung des Status quo, da keinerlei Übereinstimmung zu einem bestimmten Punkt erreicht werden kann, die Möglichkeit zahlreicher temporärer Maßnahmen einen schwachen Punkt dar, m i t dem man rechnen muß 1 . Die Komplexität der heutigen Weltlage, besonders wenn w i r den zerbrechlichen Charakter unserer Planeten i n Rechnung stellen, verlangt nach einer radikalen Wendung i m Konzept der Koordination als conditio sine qua non für unsere Zukunft. Bei diesen Bemühungen scheint das gefährlichste Hindernis die Macht des Systems und jener Interessen zu sein, die an der Erhaltung des Status quo beteiligt sind.
Diskussionsbeitrag von Karol Sobczak I . Allgemeine Bemerkungen
Die Leitung der Aufmerksamkeit seitens der Veranstalter unserer Tagung auf die Rolle der zentralen Organe bei der Prioritätensetzung und i m Bereich der Planung erscheint vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nützlich und muß zu Diskussionen Anlaß geben. Dabei richte ich mein Augenmerk auf zwei Gründe, die m i t den i n einer Reihe sozialistischer Staaten, darunter ebenfalls i n Polen, vor sich gehenden Umwandlungen zusammenhängen. Als erstes ändert sich seit einigen Jahren nach und nach die Rolle der zentralen Organe i n dem i n Betracht gezogenen Bereich. Dies ist besonders ersichtlich bei Berücksichtigung der sich vollziehenden Um1 Für einen Juristen kann auch das interessant sein, daß der Bericht der Kommission dem Rechtssystem einverleibt wurde. Gemäß der neuen Vorschriften über die Verrichtungen der sogen. Großen Wirtschaftsorganisationen — die neue Form der Organisation staatlicher Unternehmen — sollen sich diese bei ihrer Arbeit an in dem Bericht enthaltene Richtlinien halten. Es ist dagegen zu erwähnen, daß in Polen, im Gegensatz zu anderen sozialistischen Staaten, gemeinsame Beschlüsse der Regierung und des ZentralParteikomitees nicht als Rechtsquellen in Anwendung kommen.
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Wandlungen hinsichtlich der Stellungnahme seitens der Grundeinheiten als Adressaten und unmittelbare Vollstrecker der Pläne. Dies betrifft solche Einheiten wie staatliche Unternehmen, Verwaltungsanlagen, örtliche Volksräte und dergleichen. Sie alle wurden heute ebenfalls Mitschöpfer der Pläne. Die Pläne dieser Einheiten sind nicht mehr nur Durchführungsakte gegenüber den Plänen höheren Grades. Die Letzteren dagegen wurden zu Synthesen der Pläne niedrigeren Grades. I n dieser Situation wurde somit die Realisierung der Zentralorgane i m Planungsbereich schwieriger. Wie kann unter solchen Bedingungen eine aktive, gestaltende Wirtschaftspolitik beibehalten werden? Nebenbei gesagt, handelt es sich aktuell, genau genommen, nicht nur u m vom Planungssystem erfaßte wirtschaftliche Fragen. Seit drei Jahren hat sich der Planungsbereich erweitert. Äußerlich kommt das dadurch zum Ausdruck, daß die gegenwärtigen Pläne die Bezeichnung Pläne sozialwirtschaftlicher Entwicklung und nicht nur wirtschaftlicher Entwicklung tragen. Gegenwärtig haben die Zentralorgane nicht nur den Charakter, wenn man dies so bezeichnen kann, von Sendern von Planungsdirektiven, sondern sie sind gleichzeitig Empfänger von Anregungen von Seiten der ihnen unterstellten Einheiten. Zweitens haben die unlängst durchgeführten wesentlichen Umwandlungen i m System der örtlichen Verwaltung die Aufmerksamkeit der Wissenschaft und der Presse auf diese Probleme gelenkt. Auch i n der Zeit vor diesen Änderungen wurden Fragen der örtlichen Verwaltung m i t Vorzug behandelt. Das Interesse an der Arbeit der Zentralorgane ist somit vollkommen begründet. Wenn man jedoch von einer grundlegenden Prioritätensetzung i m Staate spricht, muß man, wenn man die Frage der Planungsrolle der Zentralorgane berührt, auf die basierende Tatsache hinweisen, daß die grundlegende, treibende Rolle i n diesem Bereich sich i n den zentralen Parteiorganen konzentriert. Die Politik der Prioritätenbildung findet an den Parteitagungen, i n den Sitzungen des Zentralkomitees sowie des Politischen Büros statt. Die Verknüpfungen m i t der Regierung haben i n diesem Bereich grundsätzlich einen politischen Charakter. Dagegen ist es interessant, daß i n diesem Bereich die Zusammenarbeit des Zentralkomitees und der Regierung i n letzter Zeit eine neue Gestalt gemeinsamer Handlungen annahm. Ich habe hierbei vor allem das Ergebnis der dreijährigen gemeinsamen Arbeit der Partei-RegierungsKommission zur Modernisierung des Funktionierens des Wirtschaftsund Staatssystems i m Sinn. Diese Kommission hat i n der Angelegenheit einen Bericht verfertigt, der einen Katalog der Prioritäten i n der weiteren planungsbildenden Tätigkeit bildet.
Diskussionsbeitrag: K. Sobczak
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Worin besteht das Hauptproblem sowie die Hauptschwierigkeit bei der Bestimmung der ordnungsmäßigen Rolle der Zentralorgane i m Planungsbereich? Ich denke, daß es sich hierbei um ein gewisses Paradox sowie u m die Lösung eines Widerspruchs handelt. Einerseits stellt die Planung zweifellos eine positive Erscheinung dar. Sie führt zu einer bewußten Gestaltung der Zukunft, sie ermöglicht die Vermeidung von Gefahren, läßt auch eine eigentliche Ausbildung der Verwendungspolit i k der materiellen und der finanziellen M i t t e l zu. Die Planung kann hier eine enorme Rolle spielen und zwar nicht nur i m ökonomischen Bereich. Man kann ebenso auf den humanistischen Aspekt der Planung hinweisen. Andererseits kann jedoch die Planbildung insbesondere i n ihren mancherlei Formen und Methoden eine Quelle von Bürokratismus, ein Hemmschuh der Initiative werden und kann i m Endergebnis zu einer Verneinung ihrer eigenen Ziele führen. Ich denke, daß dies ein Allgemeinproblem bildet. Die Lösung dieses Paradoxes ruft die Notwendigkeit hervor, i m Rechtssystem der sozial-wirtschaftlichen Planbildung bedeutende Mobilisierungs- und Elastizitätseigenschaften beizubehalten, die ständige Korrekturen und Vervollkommnungen ermöglichen. Die Rolle der Zentralorgane ist nicht nur die, unmittelbar Prioritäten festzustellen. Diese Organe haben auch die Planungsordnung zu korrigieren, welche i m gesamten staatlichen und wirtschaftlichen Apparat die PlanungsVorgänge organisiert. Und auch hier haben w i r es wieder mit einem gewissen Paradox zu tun. Die Planbildung ist ein konstitutioneller Grundsatz des Funktionierens des gesamten Staatsapparates2. Es gibt jedoch i n unserem Rechtssystem kein allgemeines Gesetz, welches eine erschöpfende Grundlage für Planungsangelegenheiten schaffen würde. (Ich übergehe hier selbstverständlich die gesetzlichen Grundlagen betreffend die Budget- sowie die Raumplanung.) Die Schaffung eines solchen Gesetzes würde jedoch die Stabilisierung der Planungsmethodik bedeuten. Dagegen arbeitet die Regierungspolitik darauf hin, ein Optimum der Planungsvorgänge, eine Aussonderung und Vermeidung der Bürokratiesierungsgefahren zu erreichen und die Planbildung auf der Zentralstufe zu einem Instrument zu bilden, welches die Möglichkeit einer Feststellung der tatsächlichen Prioritäten gewährleistet.
2 Dieser Frage sind die Artikel 7 Abs. 1 und 3, Art. 9, 19, Art. 32 Pkt. 2, 3, 5 der Konstitution Polens vom 22.7.1952 gewidmet. Manche Kenner des konstitutionellen Rechts sind der Ansicht, daß die Planungsproblematik in künftigen Konstitutionen bedeutend mehr ausgebaut werden müßte. Vergleiche über dieses Thema Otto Bihari (Ungarn) in dem Text der Vorlesung unter dem Titel: Konstitutionelle Fragen der rechtlichen Wirtschaftsführung in europäischen sozialistischen Ländern, Katowice 1971.
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II. Tätigkeitsbereich der Regierung und ihrer Organe Wenn man von den unmittelbar durch die Regierung i m Bereich der Prioritätenfeststellung sowie der Planung ausgeübten Funktionen spricht, wäre zu bemerken, daß die Funktionen dieses Organs i m Bereich der Wirtschafts- und Sozialprobleme sich gegenwärtig auf diese Angelegenheiten konzentrieren. Z u einer solchen Realisierung hat vor einigen Jahren eine Reform der Regierungsarbeit beigetragen 3 . U. a. beruhte sie auf dem Überweisen einer Reihe von Kompetenzen auf dem Gebiet der unmittelbaren Verfügungen, die bisher zu der Regierung gehörten, auf die Ressorts minister. Es ist eine Diskussionsfrage, ob diese Modefizierung als Dezentralisation oder ganz einfach als technische Maßnahme, die eine A r beitsrationalisierung bezweckt, bezeichnet werden kann. So weit ich von der Regierungsarbeit spreche, ziehe ich die Tätigkeit zweier Organe i n Betracht d. i. des Ministerrates und des Regierungspräsidiums. Z u dem Letzteren gehören sämtliche Vertreter des Präsidenten des Ministerrates, neun an der Zahl sowie, was für unser Thema wesentlich ist, der Vorsitzende der Planungskommission beim Ministerrat. Die Funktion der Prioritätensetzung durch den Ministerrat konzentriert sich auf drei Gebieten. Als erstes handelt es sich um die Bildung eines Planungssystems für die sozial-wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Aufgabe des M i n i sterrates ist die Begutachtung der Planungsobjekte sowie deren Vorlage i m Parlament. Es ist bemerkenswert, daß es sich hier u m alle Planungsprojekte handelt, d.h. sowohl u m Einjahrespläne als auch um Pläne für mehrere Jahre. Anders stellt sich dagegen die Problematik der Prognosen dar, die i m Jahre 1970 i n die Praxis eingeführt wurden 4 . Die Prognosen werden auf manchen Gebieten der Wirtschaftstätigkeit des Staates sowie der Sozialpolitik angewandt. Die Prognosen sind ein Werk des Ministerrates oder auch der zentralen Verwaltungsorgane der Regierimg. Es bestehen wesentliche, rechtliche Unterschiede zwischen den Plänen und den Prognosen. Die ersteren bilden eine Sammlung von 3 Vergleiche den Beschluß Nr. 113 des Ministerrates vom 30. 6.1969 betr. die Art der Tätigkeit des Ministerrats und des Präsidiums der Regierung („Monitor Polski" Nr. 30, Pos. 223) sowie den Beschluß des Ministerrates Nr. 115 gleichen Datums betr. die Zusammenarbeit der oberen und der zentralen staatlichen Verwaltungsorgane in Planimgsangelegenheiten („Monitor Polski" Nr. 30, Pos. 225). 4 Vergleiche den Beschluß des Ministerrates Nr. 150 vom 17.9.1970 betr. Einführung des Prognosensystems als Grundlage der Planbearbeitung („Monitor Polski" Nr. 34, Pos. 226).
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i n Form von rechtlichen Urkunden ausgedrückten Aufgaben. Die zweiten können nur als juristische Tatsachen anerkannt werden, die keine unmittelbaren juridischen Folgen nach sich ziehen 5 . Der zweite Aufgabenbereich des Ministerrates beim Modellieren von Prioritäten beruht auf der Festsetzung von Grundsätzen des Planungssystems und der Verwaltung der Staatswirtschaft sowie auf der Betätigung metodologischer Planungsvoraussetzungen. Damit hängt auch die Funktion der Bildung methodologischer Voraussetzungen zusammen, die die Sammlung von Informationen für die Grundlage zur Planung betreffen 6 . Schließlich betrifft das dritte Tätigkeitsgebiet des Ministerrates auf dem i n Erwägung gezogenen Bereich die Festsetzung grundsätzlicher Proportionen auf dem Gebiet der Wirtschaftsführung hinsichtlich finanzieller und materieller Mittel. Insbesondere verdient hier die Festsetzung grundsätzlicher Proportionen bei der Lohnbildung, der Bildung grundsätzlicher Preise sowie der Bilanzen von Rohstoffen und Investitionserzeugnissen Beachtung. Das Regierungspräsidium bildet eine A r t Emanation des Ministerrates, die als selbständiges Organ zur laufenden Wirtschaftslenkung berufen ist. I n diesem Bereich hat es einen bedeutenden Einfluß auf die Setzung von Prioritäten. Ich möchte hierbei auf die Rolle des Regierungspräsidiums beim Modellieren der Prioritäten m i t Investitionscharakter hinweisen. Das Regierungspräsidium verfügt somit z. B. über zentrale Investitionsreserven. Eine andere charakteristische, rechtliche Tätigkeitsform des Regierungspräsidiums ist der Erlaß von Beschlüssen über Realisierungen konkreter, insbesondere wichtiger Investitionen. Solche Beschlüsse bezeichnen ausführliche Dispositionen für die verschiedenen Einheiten des Staatsapparates hinsichtlich ihrer Pflichten sowie der m i t der Realisierung dieser Prioritätsinvestitionen verbundenen Mittel. Das Regierungspräsidium kann auch auf Anordnung des Ministerrates als eines Ganzen fungieren. Das Regierungsorgan für Planungsangelegenheiten ist die Planungskommission beim Ministerrat. Als Ergebnis der durchgeführten Umwandlungen wurden die Funktionen dieses Organs tatsächlich ausschließlich auf Planungsangelegenheiten konzentriert. Es gab eine Zeit, da die Stellung dieser Einheit eher an die Rolle eines über einem Ressort stehenden Organs für Angelegenheiten der W i r t schaftsverwaltung und Planung erinnerte. Diese Praxis erwies sich jedoch nicht als wirksam. Es w i l l scheinen, daß auf dieser Stufe die Inne6
Prognosen können dagegen auf mittelbare Weise rechtliche Folgen hervorrufen, da sie eine obligatorische Grundlage zur Plänebearbeitung bilden. • Das Stabsorgan der Regierung in diesen Angelegenheiten ist die Planungskommission beim Ministerrat.
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haltung einer gewissen Trennung, ja sogar eines Abstandes notwendig ist zwischen den Funktionen m i t Planungscharakter sowie solchen, die Verfügungen betreffen. Dies geht nicht nur aus der Notwendigkeit einer Spezialisierung, sondern ebensowohl aus der Notwendigkeit der Beibehaltung der stimulierenden Rolle der Planung hervor. Die Festsetzung der Prioritäten durch die Planungskommission beim Ministerrat betrifft heute grundsätzlich nur die Planungsproblematik. Ein charakteristisches Zeichen der Umgestaltung i n diesem Sinne ist u. a. ein Beschluß des Ministerrates, kraft dessen i n zahlreichen Angelegenheiten die vorher streng innegehaltene Pflicht, eine Reihe von Entscheidungen m i t der Kommission i n Übereinstimmung zu bringen, abgeschafft wurde 7 . Tatsächlich wurde die Rolle der Planungskommission beim Ministerrat bei der Gestaltung von Prioritäten i n letzter Zeit mehr révélant und erfolgreicher als bisher. Der stützende Charakter dieses Organs dem Ministerrat und dem Regierungspräsidium gegenüber sichert „Bewegungsfreiheit" bei der B i l dung von Konzeptionen zu. Die Bereinigung der Arbeit der Kommission durch Verzicht auf den Ehrgeiz ihrer „Allgegenwart" i n Angelegenheten, die die laufende Koordination betreffen, hat eine Konzentration der Interessen auch hinsichtlich der methodologischen Problematik der Planung ermöglicht. I I I . Die Rolle der Ressortorgane A u f die Stellung der Ressortorgane i m Bereich der Feststellungspolit i k von Prioritäten haben zwei Umstände einen wesentlichen Einfluß. Ich denke, daß beide von einer bedeutenden Modernisierung der traditionellen Fassung des Ressortsystems zeugen. Zunächst ist das Augenmerk auf die Entwicklung einer neuen Rechtseinrichtung i n Gestalt einer sogenannten Koordination zwischen den Ressorts zu richten 8 . Die Realisierung der Feststellungspolitik von Prioritäten sowie Planungen war i n gewissem Grade für viele Ressortorgane durch gegenseitige Isolierung der einzelnen Ressorts erschwert. Die Festsetzung von Prioritäten kann dagegen ausschließlich i n einem Bereich bestimmter, tatsächlicher Gesamtheiten erfolgen z. B. i n W i r t schaftsbranchen. Es erhob sich ein Zwiespalt zwischen der bestehenden Teilung der Ressorts und einer Menge komplexer, i m Rahmen verschie7 Es könnte dies zu weiteren Verallgemeinerungen führen, daß eine der Quellen der ausgebauten Koordinationsaufgaben die Dürftigkeit im Informationsbereich ist. 8 Vergleiche zu diesem Thema den Beschluß des Ministerrates Nr. 114 vom 13.6.1969 betr. die Koordination zwischen den Ressorts („Monitor Polski" Nr. 30, Pos. 224).
Diskussionsbeitrag: K. Sobczak
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dener Ressorts lokalisierter Verfügungsgebiete. Die Vorschriften über die Koordination zwischen den Ressorts bestimmen, daß die einzelnen Minister auf Grund von Verfügungen des Präsidenten des Ministerrates zusätzliche Aufgaben i n der Politik der Prioritätensetzung sowie der Planung erhalten. Diese Berechtigungen sind nach außerhalb der betreffenden Ressorts gerichtet, betreffen Angelegenheiten, die sich i m Tätigkeitsbereich anderer Verwaltungsressorts befinden. Dieser Außencharakter der Funktionen der Ressortminister ist dem Wesen nach nichts ganz Neues. Es genügt, auf die traditionellen Aufgaben des F i nanzministers hinzuweisen, von denen sogar die Mehrzahl „nach außerhalb" der Organisationsrahmen des Finanzministeriums gerichtet ist. Die Gleichordnung zwischen den Ressorts ist dagegen durch zahlenmäßige Kennzeichen charakterisiert. Kann ihre vielfache Anwendung auf eine A r t „Krisis" der Ressortstruktur hinweisen? Vielleicht ist sie nicht imstande, den neuen, sich komplizierenden Aufgaben nachzukommen? Und vielleicht, was wahrscheinlicher erscheint, gehört die Zukunft den Ressorts, welche auf möglichst vollständige Weise gewisse Komplexe sozialer sowie ökonomischer Angelegenheiten lösen? Bildet hier das französische Ministerium für Angelegenheiten der Lebensqualität kein gutes Beispiel? Ein zweites, die Rolle der Ressort-Organe bei der Bestimmung von Prioritäten und Planungen betreffendes Problem geht aus der Bedeutung der Konzentration für das Ressortsystem i m allgemeinen hervor. Bedeutend sind die Umwandlungen i n Polen, die auf der Vergrößerung der Organisationsrahmen verschiedener staatlicher Organisationseinheiten, Unternehmen sowie Verwaltungseinheiten und anderen bestehen. Die unlängst durchgeführte teilweise Gebietsreform beruhte ebenfalls auf einer bedeutenden Konzentrierung der bisherigen Gebietseinheiten. A l l e diese Modifikationen führen zu einer Änderung der Zentralfunktionen der Ressortorgane. Das Motiv dieser Umwandlungen ist die grundsätzliche Verringerung der leitenden Aufgaben dieser Organe bei gleichzeitiger Entwicklung gerade der Planungsaufgaben sowie der Aufgaben, die die Politik der Prioritätensetzung betreffen. Die bisher ausgebauten Aufgaben der Leitung waren durch eine bedeutende Organisationszerstreuung der geleiteten Einheiten begründet. IV. Schlußwort Die Realisierung der abgeänderten Funktionen i m Bereich der Planung sowie der Bestimmung über Prioritätsangelegenheiten durch Regierungs- und Ressortorgane erfordert eine bedeutende Rationalisierung der Beibringungs- und Umarbeitungsprozesse von Informationen sowie eine erhöhte Möglichkeit i m Bereich der Auswertung von 19 Speyer 57
2 9 0 T h e m a I I : Zentrale oder ressorteigene Planungseinheiten
Tatsachen. I n dieser Hinsicht verdient die Bildung rechtlicher Grundlagen, die die Tätigkeit und weitere Entwicklung des Informationsdienstes sicher stellen, eine besondere Betonung. Es scheint, daß eine wesentliche und allgemeine Forderung i n diesem Bereich die Vergrößerung der Tauglichkeit der Informationsdienste zur Bezeichnung von Prioritäten i m Maßstab einer weiten Zeitenperspektive sowie einer langfristigen Planung bildet. Über das effektive Ergebnis der Planung i m allgemeinen entscheidet heute die Kunst der Planung auf lange Sicht. I n welchem Grade hängt die Gegenwart von der Fähigkeit der Verwaltung ab, Zukunftsfragen zu lösen? Die Erfüllung dieser Forderung hängt i n erster Linie von der hier analysierten Gruppe der Zentralorgane ab. Eine „Verankerung" neuer Situationen i m Rechtssystem ist eine Frage von Schwierigkeiten und ein Risiko bedeutenden Grades. Es scheint daher, daß hier juristische vergleichende Prüfungen eine positive Rolle spielen könnten.
Thema I I I Der Haushalt als Instrument der Koordination und Prioritätensetzung Einleitende Bemerkungen von Guy Braibant Bereits der Titel unserer Diskussion stellt einige Probleme der Semantik und der Übersetzung, die nützlicherweise vorher dargestellt werden sollten, u m den Gegenstand zu erläutern. Zunächst ist das „Budget", ein französisches Wort, das aus dem Englischen kommt, nicht genau das Äquivalent des englischen „Budgeting". Das Budget i m eigentlichen Sinne ist die Gesamtheit der Einkünfte und Ausgaben eines Landes bzw. das Dokument, das jenes enthält, während „Budgeting" die Idee einer Handlung, eines Prozesses bezeichnet. I n Wirklichkeit ist es nicht so sehr das Budget selbst, welches ein Instrument der Koordination darstellt. Dieses sind vielmehr die Maßnahmen, deren Resultat oder deren Grund das Budget ist. Das Budget ist das Resultat eines wichtigen und minuziösen Ausarbeitungsverfahrens, das eine wesentliche Rolle i n der Koordination der Regierungspolitik spielt: I n der Tat werden i n diesem Augenblick die Entscheidungen zwischen den Möglichkeiten der Ausgaben getroffen, i m Rahmen der allgemeinen Begrenzung, die die Einnahmenhöhe darstellt. Das Budget bildet i n gleicher Weise den Beginn einer Serie von Verfahren der Ausführung und Kontrolle, die bereits i n sich Koordinationseffekte enthalten und die ihrerseits auf die Vorbereitung späterer Budgets einwirken. Durch diese Gesamtheit der Techniken der Ausarbeitung, der Ausführung und der Kontrolle trägt das Budget — oder genauer das Budgetverfahren — zur gouvernementalen und adminstrativen Koordination und zur Prioritätensetzung bei. Diese letzten Begriffe bedürfen i n gleicher Weise einer Präzision. Sie sind nicht synonym. Die Prioritäten beziehen sich auf die Rangfolge der Ziele. Es handelt sich darum, eine Auswahl zwischen verschiedenen Politiken oder verschiedenen Lösungen zu treffen. Die Koordination dagegen bezieht sich auf die A r t und Mittel: Es handelt sich darum, die 19*
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination
Kohärenz zwischen verschiedenen Aktionen sicherzustellen und das Funktionieren der Behörden zu harmonisieren. Die Koordination ist eine generelle und ständige Notwendigkeit, die sich i n gleicher Weise auf der Ebene der täglichen Tätigkeit der Verwaltung stellt, unabhängig von der Auswahl der Priorität. Dagegen kann letztere die Koordination beiseite lassen, die sowohl bei ihrer Bestimmung als auch bei ihrer Ausführung eingreifen muß. Beide Begriffe sind deshalb zugleich unterschiedlich und verbunden, wie es die drei Berichte zeigen, die für unsere Debatte erstellt worden sind. Diese Berichte unterstreichen gleichfalls, daß die doppelte Notwendigkeit der Koordination und der rationalen Definition der Prioritäten einer Reform des Budgetierungsverfahrens erfordert und bereits hervorgerufen hat. Professor Sabino Cassese, der zugleich Jurist und Wirtschaftswissenschaftler ist, stellt die historische Entwicklung des Verwaltungsund Finanzystems von Italien dar und zeigt die Reform auf, die i h m gegenwärtig wünschenswert erscheint. Professor Nils Andrén zeigt auf, wie sich die Tradition und das Moderne i n dem schwedischen System verbinden, das besonders entwickelt ist. Thomas O'Cofaigh, der wesentliche Verantwortlichkeiten i m Finanzministerium von Irland innehat und der Arbeitsgruppe „Neue integrierte Budgetierungssysteme" des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften vorsteht, plädiert nachdrücklich für die Modernisation der Budgetierungsverfahren. Tradition und Reform: Es erscheint mir, daß sich jenseits dieser Begriffe, die antinomisch und komplementär sein können, drei grundsätzliche Fragen stellen: a) Von welcher Wichtigkeit ist tatsächlich die Rolle des Budgets in der Koordination und der Prioritätensetzung? Professor Andrén antwortet auf diese Frage eher negativ, indem er erklärt, daß i n seinem Lande „die großen Prioritätssetzungen normalerweise außerhalb des Budgetverfahrens i m engeren Sinne getroffen werden". Dieses t r i f f t ohne Zweifel auf andere Länder nicht i n gleicher Weise zu, und dies t r i f f t sicherlich noch weniger zu, soweit die Koordination betroffen ist. U m sich davon zu überzeugen, genügt es den Generalbericht heranzuziehen, den André Delion für den Internationalen Kongreß der Verwaltungswissenschaften i n Dublin 1968 zu dem Thema erstellt hat: Die administrativen Probleme der Koordination i m Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Man findet nämlich i n diesem Dokument eine Reihe von bezeichnenden Begriffen, die den nationalen Be-
Einleitende Bemerkungen: G. Braibant
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richten entnommen worden sind: „Wesentliches M i t t e l der Koordination" (Griechenland, Niederlande), „einzig wirksames M i t t e l " (Finnland), „zentrale Rolle" (Österreich), etc. Es gibt dort also einen Punkt, der mehr beleuchtet werden muß, eine Beurteilung, die zu formulieren i s t . . . b) Die zweite Frage ist i n dem Bereich der normativen Ideen zu stellen: Welches ist die Rolle, die das Budget i m Bereich der Koordination und Prioritätensetzung spielen sollte: Wichtig, zweitrangig, unbedeutend? Diese Frage hat mehrere Aspekte: Einen politischen (die jeweiligen Rollen der Regierung und des Parlaments i m Budgetierungsverfahren); eine administrative (sollen die Behörden durch die Finanzverwaltung koordiniert, soll zwischen ihnen durch diese Verwaltung entschieden werden?); einen wirtschaftlichen (hier handelt es sich u m das Problem der Beziehung zwischen Budget und Plan, dem Budgetierungsverfahren und der wirtschaftlichen und sozialen Planung). I n allgemeinerer Form stellt sich die Frage, ob nicht die Bedeutung, die i m Prinzip oder i n der Praxis dem Budget eingeräumt wird, das Risiko i n sich trägt, den finanziellen Aspekten der Probleme einen Vorrang einzuräumen, c) Welches auch immer die Antworten auf die beiden vorgenannten Fragen sind, es scheint doch so, daß jedenfalls das Budget eine nicht unerhebliche Rolle i n dem System der Koordination und der Prioritätensetzung spielen muß. Von dort aus stellt sich eine dritte Frage: „Unter welchen Bedingungen kann diese Rolle wirksam werden?" Es scheint, daß die drei großen Prinzipien — Jährlichkeit, Universalität, Einheitlichkeit — i n Frage gestellt werden müssen, jedenfalls teilweise. Das Jahr ist häufig zu kurz für eine Anwendung der Prioritäten. Die Berichte zeigen, daß Schweden und Italien aus diesem Grunde und i n sehr verschiedenen juristischen Kontexten Aufweichungen an dem Prinzip der Jährlichkeit vorgenommen haben. Das Prinzip der Universalität stellt manchmal ein Hindernis für das Handeln der Behörden dar, die Anpassungsfähigkeit und Autonomie benötigen; daraus resultiert das Phänomen der „Flucht aus dem Budget", die zu bedeutenden administrativen Organisationen außerhalb des klassischen Rahmens des Budgets führt. Diese Dispersion schwächt die Rolle des Budget als Koordinationsinstrument. Das Prinzip der Einheit des Budgets w i r d bisher durch die Gruppierung der Ausgaben entsprechend bestimmten Kategorien („Personal, materielle Kosten, . . . " )
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und nicht entsprechend den Funktionen oder den Zielsetzungen realisiert. Die klassischen Budgets sind Budgets, deren M i t t e l nach Behörden klassifiziert werden und nicht Zielbudgets, die nach Programmen klassifiziert werden. Das ist einer der Hauptgründe, w a r u m sie nicht i n einer zufriedenstellenden Weise zur Koordination und Prioritätensetzung beitragen. Die Rolle des Budgets erscheint so zugleich als zu wichtig und wenig wirksam. Dieses ist vielleicht eine zu pessimistische und strenge Sicht. Aber sie w i r d mindestens das Verdienst haben, die Diskussion anzuregen. Dem „Moderator" kommt es auch zu, Anregungen zu geben, sogar zu provozieren.
Der Haushalt als Instrument der Koordination und Frioritätensetzung Länderbericht: Schweden von Nils Andrén I. Einleitung Definitionen
usw.
Koordination und das Setzen von Prioritäten sind die zentralen Konzepte für diese Tagung. Sie bestimmen auch die Perspektive, aus der die Haushaltsplanung betrachtet werden sollte. Thema I I I scheint nämlich i n der Tat zumindest zwei verschiedene Interpretationen zuzulassen. Einerseits können Koordination und Prioritätensetzen (im Folgenden als K + P abgekürzt) i m Zusammenhang m i t verschiedenen Zielen, die eine Haushaltsplanung verfolgen kann, gesehen werden; andererseits ist die Haushaltsplanung als Instrument für K + P nur eins (oder zwei) von vielen anderen Instrumenten, u m dieses Ziel zu erreichen. Der erstgenannte Aspekt unterstreicht die Tatsache, daß K + P nicht der einzige Zweck der Haushaltsplanung ist, der zweite, daß die Haushaltsplanung nicht das einzige Instrument ist, m i t dem K + P realisiert werden kann. Unter Haushaltsplanung w i r d i n diesem Papier der Prozeß verstanden, der zur vollständigen Aufstellung eines Haushaltes führt. Obwohl die Probleme der Haushaltsplanung i m Großen und Ganzen i n allen Behörden und öffentlichen Körperschaften sehr ähnlicher Natur sind, liegt das Gewicht dieses Papiers i n dem Bereich der Haushaltsplanung auf staatlicher Ebene. Lehrbuchweisheiten und praktische Erfahrungen bestätigen tendenziell, daß das Wort Haushaltsplan, selbst wenn es auf nationale Belange beschränkt bleibt, nicht unzweideutig ist. Die gebräuchlichste Auffassung w i r d i n der einfachen wörtlichen Definition ausgedrückt, die W i l darsky folgendermaßen formuliert: „Ein Haushaltsplan ist ein Dokument, das Worte und Zahlen enthält, die Ausgaben für bestimmte Posten oder Absichten vorschlagen. Die Worte bezeichnen Posten (Gehälter, Ausrüstungsgegenstände, Reisen) oder Absichten (Verhinderung von Krieg, Bekämpfung von Geisteskrankheiten, Wohnungsbau für
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination
Schichten m i t niedrigem Einkommen) der Ausgaben, dabei sind die Zahlern jedem Posten oder Zweck zugeordnet 1 ." Aus der Perspektive von K + P scheint diese Definition jedoch zu eng zu sein. Nach weitergefaßten Definitionen schließt der Haushalt sowohl Einkommen wie Ausgaben ein 2 . I m schwedischen Verfassungsrecht hat der Terminus diese weitere Konnotation 3 . I m allgemeinen würde ich mich der Definition des Haushaltsplanes, wie sie i n der Beschreibung durch den letzten schwedischen Haushaltsausschuß impliziert wird, anschließen: „Unter dem Staatshaushalt w i r d das Dokument verstanden, welches die Einnahmen und Ausgaben i m kommenden Haushaltsjahr zusammenfaßt. Der Staatshaushalt kann jedoch auch als ein weiteres Konzept betrachtet werden, nämlich als ein Informations- und Lenkungskontrollsystem. Das Dokument Haushaltsplan ist eigentlich nur ein — wenn auch wichtiger — Teil eines umfassenderen Systems der Haushaltsplanung. Das System der Haushaltsplanung hat verschiedene Ziele. Ein Ziel der nationalen Entscheidungen über die Verwendung von M i t t e l n ist es, zu einer gleichmäßigen Verteilung des Lebensstandards und der Konsummöglichkeiten beizutragen, die aus der Sicht politischer Wertvorstellungen als erstrebenswert betrachtet werden. Beschlüsse zu Steuern, Devisentransfers, Bildungswesen und medizinischer Versorgung sind Beispiele von Beschlüssen zur Verwendung von Mitteln m i t einem solchen Ziel 4 ." Es ist offensichtlich, daß Überlegungen dieser A r t auch bei der Einschätzung von Methoden von K + P, oder zumindest von P — dem Setzen von Prioritäten — i n einer Regierung von großer Bedeutung sind. I n diesem Zusammenhang ist die Unterstützung der weiteren Definition des Haushaltsplanes jedoch weniger als Programm für den Rest dieses Papiers zu verstehen, sie soll vielmehr an die Komplexität des Problems erinnern. 1 A. Wildavsky: The Politics of the Budgetary Process (Little, Brown & Co., 1964), S. 1. 2 Vgl. z.B. Gould & Kolb: A Pictionary of the Social Sciences, Stichwort „Budget". 8 Regierungsdokument (von 1974), Kapitel 9, Artikel 3, nach dem der vom Riksdag angenommene Haushalt sowohl den Umfang der Einnahmen, wie auch die für die im Haushaltsplan angegebenen Zwecke bewilligten Ausgaben umfassen sollte. 4 Budgetreform (Bericht der Budgetutredningen, SOU 1973: 43), S. 15.
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K + P besteht aus einer Kombination von Konzepten, die eine weniger vage Bedeutung hat als der Begriff des Haushaltsplans. Der Begriff der Koordination mag jedoch noch einiger Klärung bedürfen. Hier w i r d er als ein Prozeß verstanden, der vorzugsweise dazu führen soll, daß Prioritäten so gesetzt werden, daß sie das ganze System, welches (in diesem Falle) vom Haushaltsplan beeinflußt wird, optimieren und dabei eine Unter-Optimierung zugunsten einzelner Teilbereiche vermeiden. I n bezug auf die Haushaltsplanung scheint es darüber hinaus angebracht zu sein, alle möglichen Methoden zur Realisation von Koordination einzuschließen, ob sie nun auf einfacher Information, systematischer Konsultation, der offenen oder verdeckten Ausübung von Druck beruhen. II. Die Bedeutung von konventioneller vs. moderner Haushaltsplanung Der Entwurf des Themas I I I bildet einen umfangreichen Katalog der Mängel von Konventionalismus und dem Segen, den man sich als Resultat des Modernismus erhofft. Moderne Planungs- und Finanzexperten haben nur wenige Bedenken bezüglich der Verschiedenheiten zwischen konventionellen und modernen Verfahrensweisen i m Bereich der Haushaltsplanung. Andere mögen weniger davon überzeugt sein, daß die Moderne, sagen wir, i n den 60er Jahren anfing, als die USA PPBS i m Verteidigungsministerium einführten. Realistisch scheint es korrekter zu sein, von einem graduellen Prozeß entlang eines Kontinuums zu sprechen, das sich erstreckt zwischen den Extremen der Ideale eines passiven Staates, i n dem die Haushaltspfenung ein M i n i m u m von grundlegenden Staatsausgaben i n einer nur von wenigen Veränderungen gekennzeichneten Gesellschaft repräsentiert einerseits, und dem Ideal eines dynamischen Instruments für das Beschließen und Durchsetzen von Prioritäten i n einer sich unaufhaltsam verändernden Gesellschaft andererseits. I n den meisten Ländern markieren verschiedene Stufen historischer und wirtschaftlicher Entwicklung die verschiedenen Positionen entlang eines solchen Kontinuums. Wenn man der Versuchung widersteht, bei den Konzepten des staatlichen Finanzwesens i n den Gesetzen Skandinaviens i m Mittelalter einzusetzen, kann man die Hauptabschnitte i n den neueren Entwicklungsphasen m i t einem Zitat eines Teilnehmers und Beobachters der Haushaltsplanung definieren 5 : ö
Pierre Vinde (inzwischen Unterstaatssekretär im MoF), in: H u r Sverige styres. Centralförvaltingen och statens budget. Wie Schweden regiert wird. Die Zentralverwaltung und der Staatshaushalt. 3. rd. ed. Prisma 1971.
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„Gemäß den i n früheren Zeiten vorherrschenden Auffassungen von Staatshaushalt, war die erste Absicht, den Besitz des Staates unvermindert zu erhalten. Die Auswirkungen der staatlichen Finanzpolitik auf die Wirtschaftsverhältnisse der Gesellschaft als Ganzem wurden kaum berücksichtigt. Daher hielt die frühere Praxis der Haushaltsplanung die Regel aufrecht, daß der Haushalt für laufende Ausgaben nie eine Unterbilanz aufweisen sollte. Der besondere Haushalt für Kapitalinvestitionen hingegen könne durch verschiedene Anleihen finanziert werden." Unter dem Einfluß von Ideen, international als Keynesianismus bekannt, hörte diese alte Philosophie auf, das leitende Konzept zu sein: „Die Bedingung, daß der Haushalt für laufende Ausgaben jedes Jahr ausgeglichen sein sollte, wurde fallengelassen. Stattdessen sollten Überschüsse und Defizits über längere Zeitspannen ausgeglichen werden. — Einfach gesprochen, war die Haltung gegenüber dem Haushaltsplan als einem Instrument für Wirtschaftspolitik i n den 30er Jahren die, daß der Haushaltsplan i n einen Rahmen eingebettet werden sollte, um die übrige Wirtschaft i n der gewünschten Richtung zu beeinflussen. Dies war deutlich ein großer Fortschritt i n der Entwicklung einer modernen Staatshaushaltsphilosophie. „ I n den letzten Jahren haben w i r uns einer eher integrierenden Denkweise genähert, derentsprechend der Staats- oder nationale Bereich als ein Element der gesamten Volkswirtschaft betrachtet wird. Die Absicht der Haushaltspolitik ist nun, ein Teil der allgemeinen W i r t schaftspolitik zu sein, m i t dem Ziel der ausgewogenen Expansion. (Die »Nullrate 4 ist — noch? — nicht i n Mode.)." Eine andere Maßnahme des Konventionalismus — oder vielleicht besser Traditionalismus — ist das Ausmaß, i n dem die die Haushaltsplanung steuernde Gesetzgebung eine langfristige Planung zuläßt. I n vielen Ländern t r i f f t die Regel zu, daß kein Parlament ein nachfolgendes binden kann. Was das Prinzip der jährlichen, Ein-Jahr-Haushaltsbeschlüsse angeht, so ist dies von den Protagonisten langristiger Haushalte und Planungen strenger K r i t i k unterworfen worden. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, daß dieses Prinzip als eine Schutzmaßnahme für den Einfluß des Parlaments und als Einschränkung möglicher W i l l k ü r der Exekutive aufgenommen wurde. Es gibt mehrere Wege, das Dilemma zu umgehen, das dieses Prinzip m i t sich bringt; ein Prinzip, das, streng gesprochen, immer i n gewissem Sinne bloßer Unsinn war. Denn letzten Endes werden i n den meisten Fällen mehr als 90 °/o eines jeden Staatshaushaltes vom unausweichlichen Erbe der bestehenden Institutionen, Personal usw. bestimmt. Der wichtigste bestimmende Faktor für Ausmaß und Inhalt des Haushaltes für das kommende Jahr
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ist der Haushalt für dieses Jahr. Darüber hinaus war es, wenn immer notwendig, auch möglich, einen moralisch verpflichtenden Grund dafür zu finden, einen gesetzlich verbindlichen Parlamentsbeschluß über Ausgaben zu erfüllen, die sich über längere Zeit als bis zu dem Zeitraum der nächsten Haushaltsbeschlüsse erstreckten. A n welchem Punkt i n Prozessen dieser A r t nun ein Haushaltsplan aufhört konventionell zu sein, entzieht sich meinem Urteilsvermögen. Vielleicht sollte man den konventionellen Haushaltsplan so wie den modernen eher als Idealtypen i m Weberschen Sinne auffassen, als i m Sinne existierender Vorbilder. Oder ist es lediglich eine Frage des „Verkaufens", daß der Terminus „konventionell" m i t einem abwertendem Stigma behaftet ist und gewissen Verhaltensmustern zugeschrieben wurde, u m Veränderung zu fördern? Ich werde es vermeiden, ein Urteil darüber zu fällen, inwieweit das gegenwärtige Verfahren der Schwedischen Haushaltsplanung konventionelles oder modernes Denken repräsentiert. Die Implikation des bisher Gesagten ist jedoch die, daß w i r uns i n einem Stadium dynamischer Entwicklung befinden, daß Konventionalismus sich m i t Modernismus mischt, und daß der Modernismus, soweit er existiert, beeinflußt oder gemildert w i r d vom Konventionalismus, oder einfach durch das Erbe der Vergangenheit. Der anschließende Versuch, die schwedsche Situation zu beschreiben, sollte auf dem Hintergrund der vorangegangenen Bemerkungen gesehen werden. Der Versuch w i r d aus drei Hauptteilen bestehen. Der erste beinhaltet eine kurze und notwendigerweise selektive Skizze des derzeitigen Verfahrens der schwedischen Haushaltsplanung. Der zweite w i r d sich m i t der K r i t i k an konventionellen Methoden der Haushaltsplanung auseinandersetzen, wie sie sich i n den Bestrebungen zu einer neuen Struktur des Haushalts-, Planungs- und Verteilungsprozesses wiederspiegelt. I m dritten Teil werden einige i n dem Umriß des Themas I I I aufgeworfenen Probleme direkter diskutiert werden. Schließlich werden eine Anzahl provokativer Vorschläge vorgebracht. I I I . Die Verfahrensweise der schwedischen Haushaltsplanung Das schwedische Modell zentraler
Verwaltung
Die Struktur der Haushaltsplanung muß vor dem Hintergrund einiger grundlegenden Fakten betreffs der politisch-verwaltungstechnischen Struktur der Schwedischen Zentralregierung gesehen werden. Der zentrale Punkt ist hierbei der Dualismus i m administrativen System. Vom Gesichtspunkt der formalen Organisation arbeitet die Zentralverwaltung auf zwei Ebenen.
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Die höchste Ebene bilden die Regierungsabteilungen oder Ministerien, von denen jedes einen Minister des Kabinetts als Leiter besitzt. Die Abteilungen (Ministerien) sind kleinere Körperschaften, i n erster Linie m i t Politik und überwachender Funktion allgemeiner Natur beauftragt. Dies ist zumindest die theoretische Konzeption ihrer Rolle. I n der Praxis müssen sie auch eine große Anzahl von Beschlüssen zu Angelegenheiten fassen, die prinzipiell wichtig genug sein sollten, um eine Entscheidung auf der höchsten Ebene der Hierarchie zu rechtfertigen 6 . Wie dem auch sei, die Alltagsarbeit i n der Zentralverwaltung w i r d von einer großen Zahl recht unabhängiger zentraler Behörden, bekannt als zentrale Verwaltungsausschüsse oder -büros (centrala ämbetsverk), geleistet, die formal und auch i n einem großen Ausmaß faktisch unabhängig unter den Gesetzen und Durchführungsbestimmungen operieren, und auch m i t der Aufgabe betraut sind, die direkten Anweisungen und Verordnungen der Regierung auszuführen. Nach dem Gesetz führt diese Formel soweit, nur der Regierung als Ganzem, nicht jedoch den einzelnen Ministern, das formale Recht, den Verwaltungsbüros Anweisungen zu erteilen, zu übertragen. I V . Die Aufstellung eines Haushaltsplanes Das schwedische Haushaltsjahr (Hhj) erstreckt sich vom 1. J u l i bis zum 30. Juni. Der jährliche Haushaltsplan muß vom Reichstag rechtzeitig genug vor dem Beginn des H h j gebilligt werden, u m die Regierung i n die Lage zu versetzen, die notwendigen Anordnungen an die Verwaltungskörper zu erlassen. Die wichtigsten Haushaltsvorschläge der Regierung werden dem Reichstag zu Beginn der jährlichen Sitzungsperiode (10. Januar) vorgelegt. Ergänzende Vorschläge sollten dabei aufgrund ihres Unterbrechungseffektes auf die Arbeit am Haushaltsplan, und der A r t der Ausgewogenheit, die die Regierung i m Haushaltsplan zu realisieren sucht, vermieden werden. Die Notwendigkeit, neue Posten einzuführen, muß jedoch berücksichtigt werden. Einzelne Mitglieder des Reichstages können Vorschläge — ob bezüglich des Haushaltes oder anderer Angelegenheiten — innerhalb der ersten 15 Tage nach Einbringung der Hauptvorschläge zum Haushalt vorlegen, und sinngemäß auch innerhalb von 15 Tagen nach Vorlage 6 Formal sind praktisch alle Entscheidungen, auf dieser Ebene Kollektiventscheidungen, für die das gesamte Kabinett verantwortlich ist. Die Regel, daß alle Regierungsbeschlüsse vom König und Kronrat gefällt werden mußten, einer Versammlung, in der der König oder ein Regent den Vorsitz innehatte, wurde in der Verfassung von 1974 aufgehoben. Der König nimmt — nicht einmal mehr im formalen Sinne — an dem System der Beschlußbildung nicht mehr teil. Übrig bleibt lediglich das „Recht zur Information".
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späterer Vorschläge der Regierung. Mögliche „Unterbrechungseffekte" durch Vorschläge einzelner Mitglieder sind also mit Hilfe wenig großzügiger Fristen streng unter Kontrolle gehalten. Nachfolgende Veränderungen i m Originalhaushalt, die vom Reichstag bis zum Ende der Sitzungsperiode i m Frühling beschlossen wurden, führen zu der Einrichtung von Ergänzungshaushalten. Die Bedingungen, unter denen der parlamentarische Teil an der A u f stellung des Haushalts vor sich geht, haben einen entscheidenden Einfluß auf die vorbereitende Arbeit am Haushaltsplan i n der Verwaltung und i n den Regierungsabteilungen (Ministerien). Die folgende Tabelle zeigt die Schritte der Vorbereitung i n den Behörden, Ministerien und dem Reichstag vor dem Beginn eines Haushaltsjahres (Hhj 0): Kj Hhj Arbeit am Haushaltsplan
1/1 -2
1/1 1/7 H h j
-1
Behörden Ministerien
1/1 1/7
Reichstag
Hhj 0
1/7
I, I I , I I I . . . Ergänzende Haushalte
K j = Kalenderjahr, H h j = Haushaltsjahr.
U m die Haushaltsvorlage, die immer als erste behandelt wird, rechtzeitig für die Eröffnung des jährlichen Reichstages fertigzustellen, ist es notwendig, die Vorbereitungen dazu sehr frühzeitig i n A n g r i f f zu nehmen, oft bis zu 18 Monaten vor H h j 0, und das an der Basis der Verwaltungsmaschinerie. Schon i m Winter des H h j —2 müssen möglicherweise örtliche Verwaltungen ihre Schätzungen ihren zentralen Behörden unterbreiten. Während des Frühjahrs und Sommers vervollständigen die Zentralausschüsse die Vorbereitung ihrer eigenen Voranschläge an die Regierung. Die natürliche Tendenz, erhöhten Bedarf an M i t t e l n zu rechtfertigen, t r i t t zu den Bemühungen, das Verhältnis zwischen den verschiedenen Funktionen und den zugeordneten Organen, die unter ihnen (den Zentralausschüssen, Anm. d. Übers.) arbeiten, als ausgewogenes darzustellen. Direktiven der Regierung, daß Wirtschaftlichkeit von essentieller Bedeutung ist, haben nicht immer die erwünschte W i r kung. Die Arbeit am Haushaltsplan i n den Ausschüssen w i r d nach Direktiven durchgeführt, die die Regierung schon i m A p r i l des Hhj—2 herausgibt. Diese Direktiven zeigen eine vorläufige Einschätzung der Regierung — oder besser des Finanzministers und seiner Experten — be-
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züglich der allgemeinen Aussichten und Bedingungen von Wirtschaft, Finanzen und Haushalt. U m die Wahl zwischen Alternativen zu ermöglichen, sind die Behörden i n den letzten Jahren angewiesen worden, ihre Vorschläge nach Wchtigkeit zu ordnen. Wenn die Behörden ihre Voranschläge der Regierung bis zum 1. Sept. durch die zuständigen Ministerien unterbreitet haben, t r i t t die Haushaltsplanung i n ihre letzte Phase. Diese umfaßt die Aufforderung an eine Anzahl von Büros, ihre Meinung zu den Voranschlägen i n einem Bericht vorzulegen. Die koordinierende Bedeutung dieses rerniss Verfahrens ist offensichtlich. I m frühen Oktober legt der Finanzminister seine Ansichten zu den finanziellen Möglichkeiten vor. Insoweit wie Reformen, die die Regierung möglicherweise durchführen möchte, noch nicht anderweitig angekündigt worden sind, ist dies die Zeit, es nachzuholen. M i t anderen Worten, es besteht eine letzte Möglichkeit, Prioritäten abzuschätzen innerhalb des begrenzten Bereichs, der noch nicht durch ein Erbe gebunden ist, das von früheren Entscheidungen, bestehender Organisation und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen konstituiert wird. Ein langwieriges Verfahren n i m m t nun seinen Lauf, i n dem das F i nanzministerium und andere Ministerien versuchen, sich über Prioritäten, Kürzungen und Erhöhungen des Etats einig zu werden. Können Beamte der Ministerien i n Konferenzen keine Einigung erzielen, treffen sich die Minister persönlich, u m die strittigen Punkte zu beseitigen. I n außergewöhnlichen Fällen, wenn keiner von beiden nachzugeben bereit ist, kann die Streitsache einer Sitzung aller Kabinettsmitglieder zur Entscheidung vorgelegt werden. I n der Zeit, zu der eine Übereinstimmung erreicht wurde und alle Posten des Haushalts vollständig sind, sind die Berechnungen der Einnahmen für den nächsten Haushalt schon vorbereitet. Der gesamte Haushalt w i r d dann zum Einbringen i n den Riksdag schließlich gebilligt. Obwohl die Arbeit an der Haushaltsplanung nur eine kurze EinJahr-Perspektive hat, w i r d sie vor dem Hintergrund langfristiger Erwägungen durchgeführt. Diese enthält das langtidsbudget (Langfristige Budget), das H h j 0 / H h j 1 - 4 umfaßt, also 5 Jahre. Das langfristige Budget hält die Balance zwischen zwei Konzepten, dem der auf zuverlässiger Information beruhenden Vermutungen und dem strenger Programme oder Pläne. Das Dilemma zwischen diesen beiden Konzepten erinnert an Odysses zwischen Skylla und Charybdis: Die erste Form erscheint bei weitem zu unsicher, u m ein nützliches Instrument zur
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Orientierung von Regierung und Riksdag zu sein. Von der zweiten erwartet man Hindernisse bei den Bemühungen, den Inhalt des Haushalts an zukünftige Prioritäten und Bedürfnisse anzupassen. Die Kompromißlösung bedeutet, das Ziel zurückzustecken, die sich für den Haushalt ergebenden Konsequenzen einzuschätzen, die sich aus schon gefallenen Entscheidungen oder aus dem Festhalten an gegenwärtigen Bestrebungen bezüglich staatlicher Unternehmungen ergeben. („Unveränderte Bestrebungen" ist i n sich natürlich ein vages und flexibles Konzept, eine Tatsache, der i n jeder Hinsicht gewahr zu sein die Haushaltsexperten behaupten.) Der hier umrissene Aufbauprozeß bildet einen wichtigen Rahmen für K + P. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, daß die großen Entscheidungen über Prioritäten normalerweise außerhalb des Prozesses der Haushaltsplanung i m strengen Sinne stattfinden. Sie sind kein Bestandteil des kalenderorientierten, normalen Planungsprozesses. Nichtsdestoweniger, da ihre Implikationen für den Haushalt oft fundamentaler Natur sind, ist es angemessen, sie als ein Hauptelement i m wirklichen Haushaltsplanungsprozeß zu betrachten. Sie mögen verschiedenen Ursprungs sein, werden aber normalerweise früher oder später i n die Maschinerie der Untersuchungen der Legislative dirigiert, die oft durch verschiedene Formen von ad hoc Kommissionen repräsentiert werden. Dieser gesamte Prozeß übt wichtige Funktionen bezüglich K + P aus. Die Richtlinien einer solchen Kommission, die den allgemeinen Bereich der Untersuchung angeben, können allgemein gehalten sein, und so der Kommission i n ihrem Ansatz und der Lösungswahl für die i h nen unterbreiteten Probleme Freiheit lassen. I n anderen Fällen können die Richtlinien so enggefaßt sein, daß die Aufgabe der Kommission auf das Angebot rein technischer Lösungen begrenzt ist. I n diesem Fall mag die Frage der Prioritäten schon entschieden sein. Wie auch immer, technische Einzelheiten können auch wichtige Probleme echter Koordination beinhalten. Die Zusammensetzung der Kommission hängt von der Aufgabenstruktur ab. Wenn eine breite Zustimmung zu wichtigen Prioritäten von essentieller Bedeutung ist, besteht die Kommission aus einer größeren Auswahl von Parteirepräsentanten, und vielleicht auch Sprechern von Interessenverbänden. I m Großen und Ganzen w i r d das Bestreben der meisten Kommissionen anerkannt und begrüßt, die Erzielung einer Einigung zu versuchen und Minderheitsvoten zu vermeiden. Dieses Bestreben kann natürlich nicht immer erfolgreich sein. Manchmal ist der Untersuchungsgegen-
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stand politisch gesprochen zu stark infiziert, u m selbst von einer umfassenden Kommission sterilisiert zu werden. Schwedische Untersuchungskommissionen sind für ihre Gründlichkeit bekannt. I n der Tat wurde i m Laufe der Jahre ein Großteil der Sozialforschung als Untersuchungen für Kommissionen durchgeführt. I m allgemeinen sind die traditionellen Untersuchungen von Kommissionen langsam und am besten dazu geeignet, langfristige Probleme zu lösen. I n den letzten Jahren hat eine alternative Methode m i t dem Vorteil, schnellere Ergebnisse zu bringen, eine immer größere Bedeutung erlangt. Es ist die Untersuchung durch Experten aus den Ministerien, durchgeführt von deren eigenen Mitarbeitern (die oft nach politischen Erwägungen eingestellt werden) oder von Personen, die zu diesem Zweck auf Zeit angestellt werden, und die konzentrierte Bemühungen über eine kurze Zeitspanne hinweg anstellen, u m ein Memorandum oder einen Bericht, für weiteres Handeln notwendig, zu erstellen. Die normale Bearbeitung von Kommissionsberichten schließt jedoch die Bitte oder Einladung ein an eine Reihe von Behörden, zentrale, regionale wie lokale, sowie auch von dem Vorschlag betroffene Interessenverbände, ihre Stellungnahme zu den Ergebnissen und Empfehlungen des Berichts vorzulegen. Diese Phase des Prozesses (remiss) ist nicht zuletzt vom Gesichtspunkt K + P sehr wichtig. Sie bedeutet, daß der Vorschlag, bevor er dem Riksdag unterbreitet wird, von einer beträchtlichen Zahl von Gruppen, sowohl m i t Fachkenntnis als auch vitalem Interesse am Gegenstand, kommentiert wurde. Das ganze Verfahren kann entweder zum Abfassen eines Vorschlages zu bestimmten Aktionen oder, weniger häufig, doch häufiger als selten, zum vollständigen Fallenlassen des Berichts führen. V. Der Weg zum Modernen Die Beschreibung des existierenden Systems zeigt eine Mischung aus „Konventionalismus" und Modernismus. Der gesamte Trend geht seit dem Ende der 60er Jahre i n Richtung Modernismus. Drei wichtige Ereignisse i n dieser Entwicklung werden von drei Berichten zur Haushaltsplanung markiert, nämlich 1967 Programbudgetering (Programmhaushalten), herausgegeben vom Büro für Rationalisierung und Sparmaßnahmen i n der Verwaltung, 1969 Planering och budgetering in om försvaret (Planen und Haushalten i n der Verteidigung), herausgegeben vom Verteidigungsministerium, und 1973 Budgetreform von der Haushaltskommission herausgegeben. Der erste und zweite Bericht bedeuten die Öffnung zur ProgrammHaushaltsplanung auf der hierarchischen Ebene der Behörden (die mit
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der administrativen Durchführung von politischen Entscheidungen beauftragt sind). Die Bestrebungen für die Zukunft umfasssen auch die Einführung von PPBS auf Ministerienebene (Budgetreform). Der Bericht von 1967 kann als der formale Ausgangspunkt für die anschließende Entwicklung angesehen werden. Die wichtigsten Empfehlungen dieses Berichtes faßten die Autoren i n sechs Punkten zusammen: — Die Tätigkeiten der nationalen Verwaltungsorgane sind i n Ziele zu unterteilen, die den Aufgaben dieser Behörden entsprechn. Der Haushaltsplan sollte auf Überlegungen basieren, die mehrere alternative Programme einbeziehen. M i t t e l sollen für die Realisation von Programmen bewilligt werden. — Die zu erbringenden Leistungen der Behörden sollten präzis definiert und festgelegt werden. — Eine Kostenbuchführung sollte eingeführt werden. Die bestehenden Buchführungsverfahren der Behörden sollten erweitert werden, u m die Verteilung der Kosten auf die Programme, die einzelnen Verantwortlichkeitsbereiche der Organisation und Dienstleistungen aufzuzeigen. — Es sollte ein Haushaltssystem entwickelt werden, das die Tätigkeit der Behörden dirigiert. Dies bedeutet für jeden Verantwortungsbereich einer Behörde, daß die durchzuführenden Aufgaben geplant, und die Kosten der Programme vorveranschlagt werden sollten. Der Vorgang sollte demzufolge auf der untersten Stufe der Behörde beginnen, u m eine enge Verbindung zur täglichen Kleinarbeit herzustellen. Der bewilligte Haushalt sollte dann die Tätigkeiten während seiner Ausführung dirigieren. — Es sollte ein Buchführungssystem eingeführt werden, das eine kontinuierliche Kontrolle der Entwicklung der Tätigkeiten i m Vergleich zu den laufenden Plänen erlaubt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten einen Teil eines umfassenden Haushalts- und Buchführungssystems bilden. Der Terminus „Programm-Haushalte" wurde benutzt, u m die zentrale Rolle, die der Lenkung von Zielen und Programmen der Verwaltungsorgane zugeschrieben wird, zu unterstreichen. — Die Programm-Haushalte waren als Instrument zur Steigerung der Effektivität der nationalen Verwaltungsorgane beabsichtigt; sowohl durch die Einführung einer Kontrolle der Behörden m i t Hilfe eines Instrumentes u m ihre Tätigkeiten zu lenken, als auch eine Bewertung der Dienstleistungen und Resultate, die die Behörden i m Verhältnis zu den aufgewandten M i t t e l n erbracht haben, zu ermöglichen. 20 Speyer 57
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Die Kommission betonte, daß die beiden Schlüsselkonzepte der Untersuchung Produktivität und Effektivität waren. Produktivität w i r d hier i m selben Sinne gebraucht, wie i n der Betriebswirtschaft, d. h. u m das Verhältnis zwischen Größe oder Wert der Produktion und der Kosten oder anderen Verzichts auf produktive Mittel, der für die Produktion notwendig ist. Das wirkliche Problem ist das der Effektivität. Effektivität kann man nicht m i t dem groben Maßstab des Profits messen. Nach der Kommission ist Effektivität das Verhältnis zwischen dem von der Behörde erreichten Wirkung oder Resultats (Erreichen des Ziels) einerseits, und die Aufwendungen (Kosten) für die Tätigkeit andererseits. Ein Vergleich der Effektivität kann sich entweder auf die Gesamttätigkeit einer Behörde, oder auf spezifische Ziele von einzelnen Phasen oder Teilen der Tätigkeit beziehen. Trotz dieser Einschränkungen ist der Ansatz der Kommission zur Effektivität deutlich von der Idee des Profits als Maßstab der Effektivität gekennzeichnet. „Effektivität setzt nicht nur voraus, daß die Ziele der Tätigkeit erreicht worden sind, sondern auch, daß dies bei den geringstmöglichen Kosten geschieht. Hier kann das Programm-Haushalten eine wichtige Aufgabe erfüllen. Der Kostenvoranschlag, den das Programm-Haushalten voraussetzt, bedeutet, daß die Wichtigkeit verschiedener Tätigkeiten und Resultate immer m i t dem Blick auf ihre Kosten beurteilt werden müssen." Und weiter: „Das laufende Buchhalten der Kosten kann . . . zeigen, wie sich die Produktivität innerhalb der verschiedenen Teile der Organisation einer Behörde entwickelt, eine Tatsache, die bei den Beamten das Interesse an Verbesserungen stimulieren könnte." Die Kommission fürchtete offensichtlich, daß diese A r t des Anreizes unzureichend sei, u m einen Geist organisatorischer Verbesserungen mit dem Blick auf Verringerung der Kosten zu fördern. Einen Ersatz für den Wettbewerb, der der Anreiz für Geschäftsunternehmungen ist, findet man i n den „strengen Prüfungen der Kostenvoranschläge, die von den Behörden vorgelegt wurden" durch Regierung und Riksdag. VI. Entwicklungen auf dem Verteidigungssektor Fortschritt durch die Einführung neuer Planungssysteme, ProgrammHaushalten eingeschlossen, wurde aus verschiedenen Bereichen des Systems der nationalen Verwaltungsorgane berichtet (z. B. auf der Ebene der Behörden). Bisher wurden die meisten anhaltenden Bemühungen auf dem Verteidigungssektor gemacht. Seit dem Haushaltsjahr 1972/73 wurde der gesamte Verteidigungshaushalt i n der A r t des ProgrammHaushalts aufgestellt. Nach dem neuen System folgen Planung, Haus-
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halt und Buchführung einer Unterteilung des Verteidigungsministeriums und seiner Tätigkeiten nach „Programmbereichen" und „Produktionsbereichen". Die Mittel, der interne Haushalt und die sogenannten „Aufgaben" („Verträge") von der Regierung für die zentralen Verwaltungsorgane und zwischen verschiedenen Behörden sind i n diese Unterteilung aufgenommen. Das gesamte neue System w i r d von einer Anzahl von Vorschriften geregelt, die die Verteilung von Rollen zwischen den verschiedenen Ebenen i m Verteidigungssystem, die w i r t schaftlichen Beziehungen zwischen Behörden sowie die Leistung und Kostenbuchhaltung betreffen. Die Hauptelemente des neuen Systems sind: — perspektivische Planung — Planung von Systemen — Planimg von Programmen — Erstellung des Programm-Haushaltes. Die Bedeutimg der verschiedenen Elemente w i r d weiter ausgearbeitet werden i n Verbindung m i t der nun folgenden Beschreibung der Arbeitsweise des Planungssystems i m Verteidigungsbereich. I n dem Haushaltsentwurf, der dem Riksdag 1973 (für das H h j 1973/74) vorgelegt wurde, wurde deutlich festgestellt, daß noch nicht alle Elemente des neuen Systems realisiert worden waren. Es fehlten noch Pläne von Systemen sowie noch andere wichtige Elemente. Die Messung und Beschreibung der Leistung waren nur zu einem begrenzten Ausmaß erreicht worden. Darüber hinaus wurde öffentlich betont, daß die wiederholte Anwendung des Systems Erfahrungen m i t sich bringen könnte, die Änderungen innerhalb des allgemeinen Rahmens der übernommenen Prinzipien herbeiführen könnten. Das Ziel von PPBS ist natürlich, die Effizienz staatlicher Unternehmungen zu steigern durch bessere Ermittlungen und Planung für politische Entscheidungen, durch verbesserte Methoden der Lenkung ihrer Durchführung und neue Wege der Effizienzbewertung ihrer Leistimg. Bisher ist es schwierig oder unmöglich, greifbare und wesentliche Fortschritte i n dieser Beziehung vorzuweisen. Das kann erklärt oder entschuldigt werden m i t dem Umstand, daß sich das ganze System noch i m Aufbauprozeß befindet. Das wiederum mag erklären, warum das System bisher erhöhte Ausgaben, keine Einschränkung der Ausgaben bedeutet; ein signifikant großer Teil der intellektuellen Kräfte der an dem neuen Planungssystem beteiligten Verwaltungsorgane ist zur Zeit damit beschäftigt, die abstrakten Prinzipien der logischen PPBS Modellstruktur zu m i t operationalen Inhalten zu füllen. 20*
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Das Verfahren des Programm-Haushalts erhöht i n der Tat die Belastung der Beteiligten durch Berechnungen 7 . Dies t r i f f t sowohl auf das Verteidigungsministerium, wie auch verschiedene zentrale und regionale Behörden zu. I n einem gleichmäßig wachsenden Ausmaß w i r k t es sich auch auf Behörden außerhalb des Verteidigungsbereichs aus. Es w i r d oft und m i t Recht darauf hingewiesen, daß der Verteidigungsbereich ein naheliegendes Gebiet für ambitiöse Planungsexperimente darstellt. Die Notwendigkeit langfristiger Planung w i r d deutlicher verspürt als i n vielen anderen Bereichen staatlicher Administration. Dies hängt m i t der „Lebensdauer" der grundlegenden Elemente des Verteidigungssystems und ihren allgemeinen Eigenschaften zusammen. Die Voraussetzungen für eine systematische langfristige Planung existieren i m großen und ganzen schon seit 15 Jahren. Anfangspunkt war die Einführung des Prinzips, daß verteidigungspolitische Beschlüsse faktisch — jedoch aus naheliegenden aber obsoleten verfassungsrechtlichen Gründen nicht formell — für eine Reihe von Jahren oder zumindest für mehr als ein Jahr Gültigkeit haben sollten. Dies eröffnete den Raum für die Entwicklung eines Planungssystems, das sow o h l die Arbeitsmethoden, als auch die allgemeine Philosophie i n der gesamten administrativen Organisation der Verteidigung beeinflußt hat. Die politische Führung hat eine erhöhte Verantwortung für die langfristige Entwicklung der Verteidigung übernommen. Nach wie vor w i r d über die übergreifende Zielsetzung der Verteidigung i m Riksdag nach üblichen Untersuchungen durch Kommissionen m i t parlamentarischen Mitgliedern entschieden. I n seiner derzeitigen Entwicklungsphase w i r d beabsichtigt, das langfristige Planungssystem nach folgendem allgemeinem Muster zu handhaben: Der jährliche Haushaltsbeschluß soll einen Programmplan von normalerweise 5 Jahre Dauer realisieren. Dieser Plan soll jährlich nachgeprüft, revidiert und u m ein Jahr verlängert werden. Die Revisionen werden unter anderem i m Hinblick auf längere Perspektiven von 15-20 Jahren, die i n einem „Perspektivenplan" enthalten sind, durchgeführt oder besser, die Aussichten auf mögliche Bedingungen und Bedürfnisse i n dem langperspektivischen Plan sollen systematisch jedes vierte Jahr revidiert werden. 7 So stellt Wildawsky es dar, op. cit., S. 136. — Ich füge dem einen aktuellen Witz, der unter den Skeptikern in der schwedischen PPBS-Arbeit die Runde macht hinzu: Die einzig sichere Tatsache ist die, daß ProgrammHaushalten im gesamten Bereich staatlicher Verwaltung auch die Aufhebung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 bedeuten wird.
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Der Ausgangspunkt i n diesem Verfahren besteht aus Beschreibungen von „Zukunftsalternativen". Die Eigenschaften solcher zukünftiger Welten werden systematisch untersucht und analysiert, sowohl i n allgemeinen Beschreibungen möglicher Trends i n allen wichtigen Bereichen, als auch i n der Form von Drehbüchern, die der Verteidigung mögliche gefährliche Entwicklungen i m internationalen System als Ganzen aufzeigen müssen, sowie — noch spezifischer — Entwicklungen zeigen, die zu einer Lage führen könnten, i n der die Qualität und K a pazität der Schwedischen Verteidigung auf eine Probe gestellt werden müßten. I n den erwähnten Studien und der anschließenden Planung werden Gefahrenmodelle und verwandte Studien formuliert, u m eine Basis für das Testen verschiedener Strukturen für die Verteidigung zu schaffen. I m ersten Stadium der „perspektivischen" Studien werden Verteidigungsstrukturen auf verschiedenen wirtschaftlichen Ebenen getestet. A u f der Grundlage der Resultate dieser Studien müssen Regierung und Riksdag über die langfristige (5 Jahre) Verteilung der M i t t e l auf die Zweige der Verteidigungsorganisation entscheiden. Dies w i r d i n erster Linie durch die Analyse der Konsequenzen aus alternativen Aktionsprogrammen i n Richtung auf die Verwirklichung der Strukturen, die i n der ersten Phase der Studien getestet wurden. Die Ergebnisse dieser Studien äußern sich i n Form von Verteilungsprogrammen, welche die angestrebte Ausgewogenheit zwischen den Hauptfunktionen der Verteidigung zum Ausdruck bringt. Für die militärische Verteidigung umfassen diese Verteilungsprogramme: Mobile Bodentruppen, territoriale Bodentruppen, Uberwassereinheiten der Marine, Offensiv-Waffen-Systeme für Langstrecken, Luftverteidigung, zentrale und regionale Kommandos, allgemeine Verteidigungsforschung, dazugehörige Behörden und Funktionen. Die Produktionsaufgaben, die aus den Prinzipien der Verteilungsprogramme hervorgehen, müssen zu der organisatorischen Struktur der Verteidigung i n Beziehung gesetzt werden, die noch i n so traditionellen Begriffen wie „Einheiten des Heeres, der Marine, der Luftwaffe, zentrale und regionale Kommandos, dazugehörige Behörden und Funktionen" ausgedrückt werden. Es sollte unterstrichen werden, daß selbst i n der Organisation der Verteidigung, die m i t Recht von sich behauptet, i n der Realisierung der Prinzipien von PPBS weiter fortgeschritten zu sein, als jeder andere Bereich der schwedischen Verwaltung, noch viel zu t u n bleibt, bevor man die vorbereitend-experimentelle Phase endgültig verlassen kann. Es ist m i t Recht darauf hingewiesen worden, daß das System eingeführt worden ist, bevor seine Prinzipien vollkommen ausgearbeitet waren.
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Die Beschreibungen und Vorschriften sind noch zu einem großen Teil i n Formen wie „man sollte" und ähnlichen gehalten, nicht i n eindeutig festgelegten Prinzipien, die durch Erfahrung oder schlüssige Experimente erprobt wurden. Es wurde darauf hingewiesen, daß Koordination auf verschiedene Arten erreicht werden kann, z. B. durch Information und Voraussicht, Konsultation und Kompromisse oder Druck und Unterwerfung. Von einem (erwartungsvoll) beobachtenden Teilnehmer an dem Teil des Prozesses, der als „Perspektivenplanung" hier genannt wurde, mögen die folgenden Bemerkungen zu dieser Angelegenheit angemessen sein. Der Vorgang der Untersuchung möglicher „Zukunftsalternativen" und das Problem, die Ergebnisse so auszudrücken, daß sie von Planern verwertet werden können, stimuliert zu erhöhter Koordination durch Information und Konsultation. Normalerweise vertreten die Teilnehmer an diesem Projekt verschiedene Interessen; daher werden sie i n der Regel von dem Drang beeinflußt, vorauszusehen, wie die alternativen Bilder der Zukunft den Bereich des Unternehmens betreffen werden, dessen Repräsentanten sie sind. Nicht nur die Streitkräfte, sondern auch andere Zweige der „totalen" Verteidigung, denkwürdigerweise die wirtschaftliche und zivile Verteidigung, haben ihre „am meisten bevorzugten Aggressionen". Das führt zu Koordination durch Konsulation und Kompromiß. Besonders wenn die M i t t e l schwinden und keine Kompromisse erreicht werden können, i n dem jedem gegeben wird, was er w i l l oder erwartet, kann Koordination durch Kompromiß allmählich i n Koordination durch Druck transformiert werden. V I I . Wachstum — und Stagnation? — des Programm-Haushaltens Das Programm-Haushalten ist nach und nach i n eine Anzahl von Bereichen der staatlichen Verwaltung eingeführt worden. I n der Haushaltsvorlage für 1973/74 berichtet der Finanzminister, daß die neue Haushaltsstruktur für nahezu 30 verschiedene Behörden von Belang ist. Diesen Behörden werden die bewilligten M i t t e l von der Regierung i m Sinne von „Programmen" zugeteilt. Die i n das neue System einbezogenen Behörden umfassen solch bedeutende Verwaltungsorgane wie das Zentralamt für Statistik, dem Büro für Rationalisierung und Sparmaßnahmen i n der Verwaltung (natürlich), und den Rechnungshof (ein weiteres offensichtliches „natürlich"). Ihnen wurde unter anderem das zentrale Arbeitsamt hinzugefügt, das i n der unlängst eingetretenen Periode der Rezession und Arbeitslosigkeit von stark erhöhter Bedeutung war („ein Staat i m Staat" nach seinen Kritikern). Die Einführung des Programm-Haushaltssystems w i r d offiziell noch als eine A r t experimentelle Einrichtung betrachtet. Es war allerdings
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vom Anfang an erklärt worden, daß dieses Experiment einfach Erfolg haben mußte und daß die grundlegenden Prinzipien von PPBS sich auf immer etabliert hatten. N u r die Formen und Details, nicht die grundlegenden Prinzipien waren offen für ihre Infragestellung und Veränderung. I n diesem Zusammenhang hatte die Aufgabe eine wichtige Funktion, m i t der die Regierung den Rechnungshof betraute, nämlich die Resultate, die während der Programm-Haushalts-„Experimente" erzielt worden sind, zu beurteilen. Das Ziel dieser Beurteilung sollte sein, Methoden zu finden, u m die Auswirkungen des Übergangs zum Programm-Haushalt einzuschätzen, und auch Antworten auf eine A n zahl von Fragen zu erhalten bezüglich der Wahl zwischen verfügbaren Mitteln, Änderung der Planungsverfahren der Behörden, der Basis für den Haushalt, der Auswertung des Haushaltes, der Existenz und des Gebrauchs von Leistungsmaßstäben, etc. Bisher behaupten die Auswerter den Schluß gezogen zu haben, daß die Ergebnisse des Experiments i m großen und ganzen, wenn auch nicht vollständig, positiv waren. Der Übergang von Bewilligungen, die an den Gebrauch bestimmter M i t t e l gebunden waren, zu Bewilligungen, die an der Erreichung von Zielen orientiert sind, hatte — nach der Untersuchung — zu keinen drastischen Veränderungen i n der Wahl der Mittel, Techniken und Methoden geführt. Allerdings konnte ein gewisses Ansteigen i m Gebrauch technischer Hilfsmittel beobachtet werden (es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Entwicklung notwendigerweise i n Verbindung m i t der Veränderung i m Haushaltssystem steht). Eine weitere Beobachtung war, daß die Behörden dazu tendierten, eher die tatsächlichen Kosten als die Geldausgaben hervorzuheben. Andere positive Ergebnisse waren: besseres Wirtschaften m i t bestimmten allgemeinen Mitteln, einheitliche und systematische Information und auch eine deutlichere Abgrenzung der Verantwortungsbereiche. Was die Planung angeht, wurde beobachtet, daß die unmittelbare Perspektive (die „Programmperspektive") besser ausgearbeitet war, als zuvor; Aufwand und Leistung waren i n einen engeren Zusammenhang gebracht worden. Diese verbesserte Verbindung schuf auch mehr Klarheit über die Konsequenzen von Entscheidungen. Delegation von Verantwortung für den Haushalt wurde zu einem bestimmten Grad erreicht, allerdings war dies bisher auf die höchsten Ebenen der Behörden beschränkt. Der Planung der Produktion und der internen M i t t e l wurden erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht. Diese Ansichten wurden i n einem Bericht vom Dezember 1971 vorgelegt und i n einem Anhang zur Haushaltsvorlage 1972 aufgenommen. Ein Jahr später wurde ein Bericht derselben A r t vorgelegt. Es
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waren neue Versuche unternommen worden herauszufinden, i n welchem Ausmaß der experimentelle Betrieb des Programm-Haushaltens die Erwartungen erfüllte. Nun war die Zielsetzung i n erster Linie nicht mehr die A r t der Veränderungen, die als Resultat des ProgrammHaushaltens i n der Arbeits- und Verfahrensweise der Behörden stattgefunden hatten. Ausgangspunkt für die Untersuchungen war eine A r t Idealmodell von Programm-Haushalten, Die Absicht war lediglich herauszufinden, i n welchem Ausmaß die tatsächliche Anwendung i n bestimmten Behörden den Erfordernissen des Modells entsprach. Die Ergebnisse waren nicht i n jeder Hinsicht positiv; den Anforderungen war i n bestimmten Aspekten nicht entsprochen worden, so zum Beispiel i n der Anwendung verschiedener, i m Programm-Haushalt enthaltenen Techniken, wie das Erstatten von Berichten über Leistung und Nutzen, die Methoden der Planung und Definition von Zielen — alle von zentraler Bedeutung, u m die Absichten von PPBS zu erreichen. Darüber hinaus schien es, daß noch vielen der entscheidenden Persönlichkeiten ausreichende Kenntnis und Erfahrung i n der praktischen Anwendung von Programm-Haushaltung fehlte. Der nationale Rechnungshof zog daraus den Schluß, daß weitere Information und Ausbildung in diesem Bereich notwendig sei. Das Gesamtergebnis war i m großen und ganzen erstaunlich positiv. Der nationale Rechnungshof fühlte sich berechtigt zu bemerken, daß i n der nationalen Verwaltungsorganisation das Problembewußtsein bezüglich Programm-Haushalten erhöht worden sei und das Verständnis für die Notwendigkeit, diese Probleme zu lösen, stärker anwachse. I n seinem dritten Bericht (1973) hielt der nationale Rechnungshof fest, daß diese Beobachtungen bestätigt worden seien. Als besonders positiv wurde von dem Auswerter betont, daß die Basis für einen Dialog zwischen den betroffenen Behörden und der politischen Ebene verbessert worden sei; es wurde auch Befriedigung über die Zunahme sow o h l von Zieldiskussionen i m Zusammenhang m i t der Haushaltsplanung als auch von Kostenbewußtsein ausgedrückt. Als negativ gab das A m t zu, daß ein Informationssystem über relevante Ergebnisse noch nicht entwickelt und Planungstätigkeiten kaum angeregt worden seien. I n diesem Zusammenhang sollte vielleicht bemerkt werden, daß der Rechnungshof zwar ein kompetenter, aber nicht unvoreingenommener Richter des Systems ist; wie schon erwähnt, hat das A m t schon seit jeher diese A r t der Haushaltsreform unterstützt. Obwohl es m i t der Aufgabe einer objektiven Bewertung der bisher erreichten Ergebnisse betraut worden war, mag es daher vielleicht nicht i n der Lage gewesen sein, einen absolut unparteiischen Standpunkt zur Leistung aufrechtzuerhalten.
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Der Finanzminister hat die bestehenden Unzulänglichkeiten zugegeben, indem er unterstrich, daß die Einführung des Programm-Haushalts als ein Prozeß i n einer weiteren Perspektive betrachtet werden muß, i n der Berichtigungen und Steigerungen des Niveaus der Bestrebungen allmählich vorgenommen werden müßten, m i t dem Ziel, das Haushaltssystem i n Richtung höherer Effizienz für seinen Zweck zu perfektionieren. Wenn der Finanzminister sich dem Rechnungshof anschließt und die Wichtigkeit von Information und Weiterbildung unterstreicht, akzeptiert er damit gleichzeitig die Tatsache, daß das neue System, um von der gesamten Verwaltung übernommen zu werden, von einem Prozeß wohlüberlegter „Indoktrination" der Beamtenschaft begleitet werden muß. I n der Tat sind Kommentare der Beamten zum neuen System v o l l von kritischen Bemerkungen, die eine negative Einstellung zum gesamten Experiment reflektieren. Das Ergebnis, das von der Regierung erzielt und i n den jährlichen Sitzungsperioden des schwedischen Riksdag 1973 und 1974 berichtet wurde, war, daß die während der Anwendung des Programm-Haushaltes auf der Ebene der Verwaltungsorgane gesammelten Erfahrungen i m großen und ganzen positiv waren. Der Finanzminister hielt es daher für natürlich, daß das Programm-Haushalten, nach angemessenen Untersuchungen und Tests i n jedem gesonderten Fall, auch i n andere Behörden eingeführt wird, als nur denen, die bisher an dem Experiment beteiligt waren 8 . V I I I . Die Ausweitung des Programm-Haushaltes Es ist zuvor erwähnt worden, daß das Problem des Programm-Haushaltes i n Schweden national auf die Ebene der Verwaltungsorgane und die politische Ebene bezogen ist. Es wurde ebenfalls bemerkt, daß Programm-Haushalten nur die erste dieser beiden Ebenen betrifft. I n seinem Bericht von 1973 hat der Haushaltsausschuß einen Vorschlag formuliert, Programm-Haushalten auch auf höchster Ebene anzuwenden. Programm-Haushaltung würde nach diesem Plan sich i n der Gesamtstruktur des jährlichen Staatshaushaltes und der Bewilligungen durch das Parlament wiederspiegeln. Der Bericht des Ausschusses umfaßt Vorschläge zu Prinzipien, nach denen Programm-Haushalten auf die politische Ebene angewandt werden könnte. Der Ausschuß ist sich jedoch der administrativen und anderen Probleme, die ein schneller Wechsel zu einem solchen System m i t sich bringt, bewußt. Daher w i r d vorgeschlagen, das System Schritt für Schritt einzuführen, nach einem in dem Bericht recht detailliert be8
Vgl. auch Vinde, op. cit., S. 206.
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schriebenen Muster. Hier geht es uns weniger u m die zahlreichen technischen Einzelheiten der Programmstrukturen etc., als vielmehr u m die grundlegenden Prinzipien die dem Ausschuß entsprechend auf die Einführung des Programm-Haushaltens i n die politische Ebene angewandt werden sollen. Der Ausschuß betont die folgenden Komponenten als grundlegend für ein System von Programm-Haushalten auf politischer Ebene: — eine klarere Verteilung der Rollen zwischen der politischen Ebene und der Verwaltungsebene — erhöhte Anwendung von Mittel-Zweck-Analyse — eine Unterteilung des Staatshaushaltes sollte nach „Zweck" vorgenommen werden, ein weitgefaßtes Konzept das darauf hinweist, daß die Tätigkeiten, die dasselbe Ziel betreffen, „sektorweise" zusammengefaßt werden sollen — die Planungstätigkeit sollte erweitert werden — höhere Anforderungen an Aussagen über die Leistung und an die Kostenbuchführung sollten gestellt werden. I n einem Haushaltssystem m i t Programm-Haushalten als Leitprinzip sowohl auf politischer als auch auf behördlicher Ebene kommt der Rollenverteilung zwischen den beiden Ebenen eine große Bedeutung zu. Dem Ausschuß entsprechend sollte das grundlegende Konzept daraus bestehen, daß die politische Ebene erhöhte Verantwortung für die Richtung der staatlichen Unternehmungen auf weitgefaßte Ziele übernehmen sollte, während den Behörden erhöhte Verantwortlichkeit für die Wahl der Methoden der Durchführung der ihnen anvertrauten Aufgaben übertragen werden sollte. Die vorgeschlagene Rollenverteilung folgt insgesamt recht streng den Prinzipien, die i m Zusammenhang m i t der Verteidigung umrissen wurden, für die auch wiederholt gefordert wurde, daß Regierung und Riksdag die Verantwortimg für die Angabe der Ziele übernehmen müßten, während Entscheidungen zu den anzuwendenden „Produktionsmethoden" i m größtmöglichen Ausmaß delegiert werden sollten. Viel Aufmerksamkeit wurde darauf konzentriert anzugeben, wie man die Hauptsektoren für den Staatshaushalt auszuwählen und ihn nach dem Leitprinzip des „Zwecks" unterteilen kann. Es liegt ein vorläufiger Plan für den gesamten vom Haushalt umfaßten Bereich vor, m i t dem Ziel, eine Verbindung zwischen zweckorientierten Sektoren und der organisatorischen Struktur zu schaffen. Der Ausschuß ist sich sicher der Schwierigkeiten bewußt, aber ist optimistisch, was die Möglichkeiten ihrer Überwindung angeht. Das Verfahren der Haushaltsplanung kann verstanden werden als ein Prozeß
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der Zuweisung von M i t t e l n zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Zielen, um die Verteilung von verfügbaren M i t t e l n zu erhalten, die den größtmöglichen Nutzen für die Gesellschaft als Ganzem bringt. Eine Zweckangabe, als gesamtgesellschaftliche Ziele zum Ausdruck gebracht, kann jedoch oft nur i n sehr allgemeinen Formulierungen gehalten werden. Für dermaßen allgemein und vage formulierte Ziele w i r d es vermutlich schwer sein, einen Maßstab für das Erreichen des Ziels zu finden. Bisher ist noch nicht entschieden worden, ob ein Versuch unternommen werden sollte, die Empfehlungen des Haushaltsausschusses zu realisieren. Die remiss Meinungen sind i m ganzen bejahend, w i r d berichtet. Das Endergebnis scheint 1974 jedoch bei weitem weniger sicher als man vor einem Jahr glaubte. I X . Wie mangelhaft sind die Mängel? I m Entwurf des Themas I I I werden eine Reihe Mängel aufgeführt, die der konventionellen Haushaltsplanung zugeschrieben werden: — unzulängliche Perspektive und Zeitspanne — die an Ausgaben (anstatt an Kosten) orientierten Vorlagen — unzureichende Bewertung der Prioritäten — Berichtigung durch Addition zu bestehenden Unternehmungen anstatt Ersatz der alten durch neue Unternehmungen — fehlerhafte Koordination — das Fehlen systematischer Einschätzung der Wirkung von Programmergebnissen auf Ziele (Erfolge, Anm. d. Übers.). Die i n diesem kurzen Papier vorgestellten schwedischen Erfahrungen repräsentieren keine Lösungen für auch nur eins dieser Probleme; denn es gibt vermutlich keine endgültigen Lösungen, lediglich verschiedene Arten von mehr oder weniger erfolgreicher Koexistenz mit ihnen. 1. Die Unzulänglichkeit von Perspektive und Zeitspanne können teils als Problem der Verfassung, teils als psychologisches und teils als Problem von Kenntnisstand und Information betrachtet werden. Der juristische Aspekt hängt m i t dem jährlichen Haushaltsplan zusammen. Obwohl der juristiche Einwand oft wiederholt wird, scheint er i n gewisser Weise das geringste Problem zu sein; denn selbst wenn das Verfassungsrecht unverändert bliebe, gibt es verschiedene Methoden, sich moralische, politische oder gar gesetzliche Verpflichtungen zu sichern. Ich bin m i r dessen bewußt, daß das Problem der Gesetzlichkeit
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i n Staaten m i t geringerer politischer Stabilität als Schweden sich als bedeutender erweisen kann. I n diesem Zusammenhang mag es von Interesse sein, zwei neue Regelungen, die Bestandteil der Schwedischen Verfassung von 1974 sind, zu erwähnen. „Der Riksdag kann beschließen, daß bestimmte Bewilligungen i m Staatshaushalt für eine andere Frist gelten, als die Frist des Haushalts als Ganzem" (Kapitel 9, A r t . 3.2). U n d auch: „Der Riksdag kann i m Zusammenhang m i t Haushaltsentscheidungen oder sonst Richtlinien für bestimmte Staatsunternehmungen für eine längere Frist als die Frist der Bewilligung von M i t t e l n beschließen. (Kapitel 9, A r t . 7)9. Die neuen Regelungen repräsentieren den Versuch, den Buchstaben des Gesetzes m i t der Verfassungswirklichkeit i n Einklang zu bringen. Das psychologische Problem ist zum Teil ein politisches. Wie sehr w i r auch darauf bestehen wollen, daß für die Politiker Alternativen i m Zusammenhang m i t langfristigen Perspektiven bereitgestellt werden sollten, so sehr scheinen es die Politiker zu verabscheuen. Wie dem auch sei, eine gut erforschte Alternative m i t sichtbaren Implikationen, die nicht weiter reichen als die ins Auge gefaßte Zeit bis zu den nächsten allgemeinen Wahlen, w i r d normalerweise vom Durchschnittsparlamentarier vorgezogen. Sowohl für Politiker wie auch Bürokraten ist dies ein klar erkanntes Problem der Erziehung oder sogar Indoktrination i n den Werten eines neuen Systems. Das bezieht sich natürlich auf andere Aspekte der Koordination und des Setzens von Prioritäten genauso, wie auf den Gesamtkomplex der Verwaltungsreform. Die Nutzung angemessener Planungsfristen ist ebenfalls eine Frage der Methode, des Wissens und der Information. Allerdings, was immer Futurologen uns erzählen mögen (oder w i r uns i n unseren Eigenschaften als Futurologen gegenseitig sagen mögen), ist es ein äußerst schwieriges und ernstes Problem. Der schwedische Beitrag zu seiner Bewältigung wurde i n den vorhergehenden Seiten dieses Papiers dargestellt m i t dem Planungssystem für die schwedische Verteidigung und den Argumenten und Vorschlägen des Haushaltsausschusses (1973) für ähnliche Einrichtungen i m Bereich von Regierungsunternehmungen. 2. Das m i t Ausgaben- (Anstatt Kosten-)orientierten Vorlagen verbundene Problem wurde i n den vorher erwähnten Bewertungen der bisherigen Anwendung von Programm-Haushaltung i n Schweden besonders behandelt. Das Problem der Vorlagen scheint weniger Kopf• Der Haushaltsausschuß bemerkte in seinem Bericht von 1973, daß „Während der Ausschußtätigkeit Konsultationen mit dem Ausschuß für Verfassungsreform stattgefunden haben". Op. cit., S. 4.
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schmerzen zu bereiten. Schwieriger ist es vermutlich, die Denkweise selbst i n eine neue zu verändern. 3. Unzureichende Bewertung von Prioritäten. Dies scheint i n allen Haushalten, i n denen das „Stein auf Stein"-Prinzip eine hervorragende Rolle spielt, eine eingebaute Schwierigkeit zu sein. Es ist deutlich ein Hauptanliegen von Programm-Haushalten, ein neues Überdenken der Prioritäten zu erreichen. Die strenge Anwendung des „Zertrümmerungsprinzips" kann ein Weg zur Bewältigung des Problems sein, normalerweise als ein Teil des Programmhaushalts. Die Höchstgrenzen, die neuerdings für die künftige Entwicklung der schwedischen Verteidigungsausgaben festgesetzt worden sind, liefern ein dramatisches Beispiel eines Versuches, eine durchdringende Bewertung grundlegender Prioritäten für die Verteidigungsorganisation zu erzwingen. Es ist i n Schweden fast ein politischer A k t , eine Beurteilung zu versuchen, inwieweit dieses Ziel erreicht worden ist. Eine andere Methode, die Behörden zur Enthüllung ihrer wirklichen Priotitäten zu bringen, wurde schon erwähnt: z.B. indem man sie zwingt, die Ordnung ihrer Haushaltsvorschläge nach Priorität anzugeben. Sowohl i m Fall der Verteidigung wie auch i n anderen Fällen besteht allerdings eine deutliche Tendenz, die Situation zur Verfolgung untergeordneter Ziele auszunutzen, z. B. indem darauf bestanden wird, daß m i t weniger Geld etwas von den entscheidenden Politikern als essentiell Betrachtetes geopfert werden muß. Ein F a l l von erfolgreicher Behandlung des Prioritätenproblems m i t Hilfe von Konsultationen stellt die langfristige Planung von Forschungsvorhaben i m Forschungsinstitut der schwedischen Verteidigung dar, dessen Forschungsprogramm nach ausführlichen Konsultationen mit den verschiedenen Verteidigungsbehörden (nicht nur der militärischen Verteidigung), die die „Kunden" des Institutes sind, gebilligt wird. 4. Berichtigung durch Ersatz. Dies ist zugegebenermaßen ein äußerst schwieriges Problem. Offensichtlich ist es i n Schweden (auch) nicht gelöst, wie es, unter anderem i n einer Stellungnahme der (damaligen) Vorsitzenden der schwedischen parlamentarischen Rechnungsprüfer des nationalen Verwaltungssystems zu Tage t r i t t . Sie gab als ihre persönliche Überzeugung an, „daß die nationale Bürokratie sich i n einem erschreckenden Ausmaß ausdehnt. Ich glaube, ein Teil der Erklärung dieser Expansion ist, daß w i r der Auflösung von Beschäftigungszweigen, die sich selbst überlebt haben, nicht dieselbe Aufmerksamkeit schenken wie der Einführung und Errichtung neuer Zweige" 1 0 . 10
I n Tema (herausgegeben von Statskontoret), (1973: 1, 1. März), S. 30.
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Theoretisch könnte das „Zertrümmerungsprinzip", würde es konsequent angewandt, zu besseren Änderungen führen. I n der Praxis w i r ken der Einfluß der Tradition und einer gut organisierten Beamtenschaft m i t tiefempfundener institutioneller Loyalität als stark retardierende Elemente. I n dieser Hinsicht sollte der konservative Einfluß einer starken gewerkschaftlichen Organisation der Beamten ebenfalls nicht übersehen werden. 5. Koordination. Siehe oben, Kapitel über die Aufstellung des Schwedischen Haushaltsplans. 6. Das Fehlen systematischer Beurteilung von Ergebnissen. I m weiteren Sinne ist dies eine der zentralen Probleme der schwedischen Verwaltungsreform, zumindest seit den 40er Jahren. Es wurde i n der Entwicklung des nationalen Rechnungsprüfungswesens reflektiert, wie auch i n den Funktionen von Behörden, die spezifisch m i t Sicherung der Wirtschaftlichkeit i m Gebrauch von öffentlichen Geldern beschäftigt sind. Während der letzten dreißig Jahre hat das gesamte Rechnungsprüfungssystem eine Reihe von Reformen erfahren, die zu einer dramatischen Verlagerung des Gewichts von der Finanzprüfung nach Gesetzmäßigkeit zur Effizienzprüfung nach Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit geführt hat. Die rapide Entwicklung von verbesserten technischen Möglichkeiten für formale Kontrolle und schnelle Information hat i m ganzen einen konstanten Druck zu neuen Reformen ausgeübt, eher mit dem Ziel, Resultate einzuschätzen, als die Übereinstimmung mit formalen Regeln zu prüfen. Das Fehlen systematischer Leistungsmessung unter einem konventionellen System ist ein ständiger Ansatzpunkt zur K r i t i k . Traditionelle Konzepte haben ein niedrigeres Niveau an Absichten dieser A r t als moderne Haushaltskonzepte. I n der Tat kann die Leistungsmessung für den Modernisten ein weitaus ernsteres Dilemma darstellen als für den Traditionalisten. Die Fähigkeit, glaubhafte Messungen von Profitabilität und Effektivität durchzuführen, ist entscheidend für das gesamte moderne System. I n vielen Beziehungen bleibt das die blaue Blume des PPBS i n der öffentlichen Administration. Wenn die Funktionen des „Markts" keine Antworten bieten — w e i l es keinen Markt gibt — muß irgendein Ersatz gefunden werden. Einen solchen Ersatz mag man i n der Errichtung von „Leistungsstandards" finden. Solche Standards müssen notwendigerweise das Ergebnis willkürlicher oder politischer Entscheidung von höheren Organen des Systems sein.
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X . Schlußbemerkungen Modernismus bedeutet einen Versuch, Schwächen des konventionellen Systems, ob i n der öffentlichen Administration i m allgemeinen oder i m Haushalt oder anderen spezifischen Aspekten, zu überwinden. Ein essentieller Aspekt des modernen Verfahrens ist der Zwang zu langfristigem Denken und langfristigem Planen. Es wäre daher natürlich, die Frage zu stellen, welches die langfristigen Ergebnisse der von der neuen Schule empfohlenen Lösungen sein können. Die Schwächen des Programm-Haushalts sind i n den letzten Jahren beobachtet worden und haben zu Zweifeln an seiner Zukunft geführt. Diese Zweifel scheinen i m allgemeinen von der Unvereinbarkeit der Absichten der Reformer und den Möglichkeiten des Systems hervorgerufen zu sein. N u r wenn hier ein geeigneter Ausgleich gefunden wird, können sie vielleicht eine glücklichere Koexistenz führen. Eine Anzahl von Problemen sind m i t diesem Ungleichgewicht verbunden. Die wichtigste Frage kann das gesamte demokratische System betreffen. Denn nicht nur w i r d zu viel zur gleichen Zeit versucht, die angestrebten Ziele können auch widersprüchlicher Natur sein. Programm-Haushalten sollte den Behörden die Freiheit verschaffen, die Instrumente zur Durchführung von ihnen auferlegten Programmen oder angenommenen „vertraglichen Vereinbarungen" selbst zu wählen. Dies w i r d Schwierigkeiten an der Spitze ersparen und könnte A k t i v i tät und Zufriedenheit i n den unteren Bereichen fördern. Aber — Programm-Haushalten ist auch ein Instrument der Optimierung. Für das Entscheiden der Programme muß die Führungsspitze über vollständige Informationen verfügen, da die Durchführenden an den „Wurzeln" nicht i n der Lage sind, das gesamte Netz relevanter Interdependenzen zu überschauen. Dies w i r d den Arbeitsaufwand an der Spitze erhöhen, an den „Wurzeln" jedoch Passivität und Unzufriedenheit fördern. Programm-Haushalten könnte für den Betrieb eines demokratischen Systems, das auf echter breiter Teilnahme durch das Volk basiert, Schwierigkeiten aufwerfen. Es werden weniger Personen an entscheidenden Planungen und Fassen wichtiger Beschlüsse teilnehmen. Theorie, Praxis und Fachsprache werden immer komplizierter und für den „souveränen Laien" des demokratischen Systems immer weniger verständlich. Programm-Haushalten — i n seiner logischen Konsequenz durchgeführt — setzt starke Waffen i n den Händen der Administration voraus, die wahrscheinlich nicht m i t der traditionellen — oder konventionellen? — demokratischen Praxis vereinbar sind.
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Vielleicht ist der Modernismus das Produkt eines Denkens i n einem akademischen, bürokratischen und ideologischen Elfenbeinturm. Zu seinem logischen Schluß gezogen, kann er leicht den Konzepten demokratischen Zentralismus sehr nahekommen, m i t Zentralismus als dem Schlüsselkonzept und demokratisch als einer verkaufsfördernden Kosmethik. Konvergieren letzten Endes die beiden Weltsysteme?
Der Haushalt als Instrument der Koordination und Prioritätensetzung Länderbericht: Italien von Sabino Cassese I. Allgemeine Staatsbuchführung als Instrument administrativer Koordination Die gesamte Struktur der italienischen Administration erscheint heute als ein sehr zersplitterter Körper; nach der Meinung einiger ist sie sogar polyzentrisch, m i t einer Struktur wie verschiedene nebeneinander gestellte Verwaltungen. Diese Verwaltungen setzen sich aus denen zusammen, die w i r normalerweise Ministerien und Verwaltung von Behörden nennen. Darüber hinaus gibt es Strukturen privater Natur i m Dienste der öffentlichen Verwaltung: dies sind Strukturen, die dem Privatrecht unterstehen, deren Dienste aber der traditionellen öffentlichen Verwaltung zur Verfügung stehen. U m eine Administration dieser A r t gesetzlich zu regeln, ist es i n erster Linie notwendig, den exekutiven Charakter der Verwaltung selbst zu unterstreichen. I n dem Ausmaß, i n dem die Verwaltung eine exekutive ist, w i r d sie durch die Handlungen dessen, dessen Vorschriften sie durchführt, geregelt, das heißt, vom Gesetz. Diese Situation leitet sich von dem Legalitätsprinzip der Verwaltung ab: dem Vorrang des Gesetzes. I n zweiter Linie w i r d die Leitung der Verwaltung durchgeführt, indem sie organisch m i t Personal versorgt wird, das aus den Reihen des politischen Managements ausgewählt w i r d : das w i r d durch die Erschaffung der Doppelfunktion des Ministers erreicht, der sowohl ein Mitglied des Kabinetts, als auch Leiter der Verwaltung ist. Einerseits gehört er zu einem politischen Körper, andererseits ist er der leitende Beamte einer Verwaltung, ohne von ihr eingestellt worden zu sein. I m Laufe der Jahre hat sich die Situation so fortentwickelt, so daß keine dieser beiden Voraussetzungen zu dieser Frage weiter zutreffen. Die erste, nach der es das Gesetz ist, das das Funktionieren dieser Ver21 Speyer 57
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waltungsmaschinerie regelt und zusammenhält, t r i f f t nicht mehr zu, da das Parlament allmählich nur zu einem korrektiven Element der legislativen Tätigkeit geworden ist und nach und nach die Verwaltung zum hauptsächlichen Gesetzgeber i n unserem System geworden ist. I n der Tat besteht der Hauptteil der legislativen Tätigkeit i n Italien aus Gesetzen, die von der Regierung K r a f t ihrer Vollmachten erlassen werden, die i h r vom Parlament delegiert worden sind. Die Gesetze sowie die wichtigsten Reformen werden von der Verwaltung produziert. Dies ist nicht nur formal richtig, weil der Gebrauch delegierter Vollmachten häufig ist, sondern auch i n der Substanz, und zwar i n dem Ausmaß, i n dem gerade die Maßnahmen, die dem Parlament zur Kenntnis gebracht werden, faktisch Maßnahmen sind, die die Verwaltung vorbereitet hat und m i t denen sie weiterhin beschäftigt sein wird, weil sie für ihre Vorlage i m Parlament verantwortlich war. Es ist tatsächlich bekannt, daß die Administration i n einigen Fällen sogar schiedsrichtende Funktionen zwischen den politischen Kräften ausgeübt hat, und zwar i n dem Ausmaß, i n dem das Parlament selbst und seine Ausschüsse der Unterstützung und technischen Hilfe der Beamten der A d ministration bedürfen. Bis vor wenigen Jahren hatte die Regierung einige Schwierigkeiten, die Teilnahme von Beamten der Administration an parlamentarischen Ausschüssen zu ermöglichen; nach neueren Änderungen parlamentarischer Regeln ist dies nun möglich und der institutionalisierte Kontakt zwischen Angehörigen der Verwaltung mit dem Parlament ist häufig und normal. I n Wirklichkeit, obwohl die Verwaltung nicht berechtigt ist, die wichtigsten legislativen Funktionen auszuüben, tendiert sie dazu, ein gesetzgebender Körper zu werden, wenn auch auf dem Wege delegierter Vollmachten oder auf unzulässige und informelle Weise, indem sie dem Parlament als Unterstützung dient. I n zweiter Linie scheint ein weiterer Aspekt eine Krise durchzumachen; tatsächlich w i r d die Leitung der Verwaltung durch politisches Personal bei dem erweiterten Umfang der Verwaltung zu einem geringfügigen Moment. Dieser Umstand t r i f f t nur auf einen der vielen Zweige der italienischen Verwaltung zu: für die i n verschiedenen Ministerien gegliederte Administration. Es ist schon wahr, daß i n der letzteren die Anzahl der Personen, die zu ihrer politischen Führung berufen wurden, erhöht worden ist, und wo früher eine generelle Führung bestand, w u r den Ministerien gegründet (Staatsteilhaberschaft, Gesundheit, Tourismus, die faktisch interne Abteilungen verschiedener Ministerien, wie des Finanzministeriums, des Schatzamtes und des Innenministeriums, waren). Aber die öffentliche italienische Verwaltung besteht auch aus
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zahlreichen Körpern, wie zum Beispiel der Verwaltung von öffentlichen Körperschaften, die aus autonomen Ämtern bestehen. Die Leitung dieser hochkomplizierten Maschinerie ist zersplittert. Sie sind eigentlich zahlreiche, unabhängig voneinander operierende Verwaltungseinheiten. Statt des Vorrangs des Gesetzes und des politischen Bereichs, des für die Behörde verantwortlichen Ministers, wurde ein dritter Lenkmechanismus der Verwaltung geschaffen, bestehend aus der Führung der Administration m i t Hilfe öffentlicher Mittel, die der m i t der Verwaltung der öffentlichen Ausgaben betrauten Körperschaft eine enorme Führungsgewalt verleiht, der allgemeinen Rechnungsabteilung. Die Gesetzgebung zur Staatsbuchhaltung hatte drei fundamentale Phasen: die erste war die der Gesetzgebung vor der Einigung des Landes, als Italien aus Gründen i m Zusammenhang m i t dem System der Buchführung m i t dem Gesetz Cavours von 1852 regiert wurde. Diese erste Phase endet 1923, als eine neue Regelung m i t einem charakteristischen Kernstück i n K r a f t trat: die Eliminierung der organischen Verbindung zwischen den zentralen Rechnungsabteilungen und den entsprechenden Ministerien, und der Übertragung einer koordinierenden Funktion auf die Allgemeine Rechnungsabteilung, die i m Schatzamt eingerichtet wurde, m i t Berücksichtigung der verschiedenen zentralen Buchführungsabteilungen i n den einzelnen Ministerien. Die Auflösung der Verbindung, die jedes Ministerium an seine eigene zentrale, von i h m abhängige Rechnungsabteilung band und die Errichtung einer andersgearteten organischen Verbindung von der allgemeinen Rechnungsabteilung zu jeder zentralen Rechnungsabteilung und dann zu den dezentralisierten Rechnungsabteilungen stattdessen, bildet das Kernstück der Reform von 1923. Die dritte Phase endet 1939 m i t dem erfolglosen Versuch der Allgemeinen Rechnungsabteilung, einen weiteren Aktionsbereich zu erobern: die Kontrolle über nicht staatliche öffentliche Gelder, das heißt der Gelder der öffentlichen Körperschaften. Es scheint heute absurd, daß es keine einigende Einrichtung gab, die die Ausgaben öffentlicher Gelder m i t Hilfe der Verwaltung regelte. Eine Rechtfertigung dieser auf mehreren Zentren basierenden Struktur kann heute nur historisch i n einer Epoche gefunden werden, i n der die Verwaltung sich noch nicht zu dem Stadium von solch gigantischer Struktur wie sie sie heute besitzt, entwickelt hatte. Die Verwaltung war noch stark i n sich geschlossen, und war daher eine Verwaltung, die noch vom Gesetz oder Minister regiert werden konnte, der, als Repräsentant des politischen Bereichs i n der Verwaltung, i n gewissem Maße 21*
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die Brücke zwischen Parlament und Verwaltung bildete. Deshalb gaben die Maßnahmen den i m Gesetzestext enthaltenen Willen so wieder, wie der Minister selbst i h n interpretierte. Was später stattfindet, am Anfang des Jahrhunderts, ist das A n wachsen dieser Verwaltung, die Einrichtung öffentlicher Körperschaften und umgekehrt daher die Notwendigkeit, dieses Phänomen zu kontrollieren. Dieser Mechanismus wurde als eine Reaktion auf den administrativen Pluralismus der Jahre u m 1920 - 1923 m i t der Intention geschaffen, die Verwaltung zu lenken. Das Gesetz von 1923 ist die Reaktion auf das Anwachsen der Verwaltung i n der Periode, die den Namen der Ära Giolitti trägt; unter dem Einfluß eines erweiterten Wahlrechts w i r d das Parlament am Anfang dieses Jahrhunderts repräsentativer als zuvor. Die Zahl der aktiven Wähler wächst an, die Verwaltung tendiert zum Wachstum; es sind die Jahre der sogenannten Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Schaffung des Sozialversicherungssystems, der Institute für Interventionen auf dem Kreditsektor und der „Banca Nazionale del Lavore" (Nationale Arbeitsbank). A l l diese Institutionen verschafften der Verwaltung eine Macht, die sie vorher nicht hatte: neue Dienststellen, Körperschaften und Abteilungen werden i n der Administration geschaffen, die nach einer neuen, i n irgendeiner Weise durchzuführenden Koordination verlangen. Parallel zu dieser Evolution verliert das Innenministerium, das traditionell der Schlüsselfaktor der italienischen Verwaltung war, an Bedeutung, während es eine erhöhte Tätigkeit i n der Produktion sozialer Dienstleistungen, bei der Verstädterung auf lokaler Ebene bei der Eisenbahn und Interventionen betreffs des Kreditsektors gab: dies sind alles Eingriffe i n die Wirtschaft, die m i t dem Instrument der öffentlichen Ausgaben reguliert werden können; daher rührt die Ansammlung aller Kontrollvollmacht i n der A l l gemeinen Rechnungsabteilung. Zwischen 1923 und 1939 vollzieht sich eine weitere Veränderung i n der italienischen Verwaltung; während der 30er Jahre führt die große Krise zu einem Eingriff, der allerdings kein internes Wachstum der Administration m i t sich bringt; es werden mehrere öffentliche Körperschaften geschaffen, die so der Verwaltung und administrativer Kontrolle, insbesondere aber der Rechnungsprüfung entzogen werden. I m Jahre 1933 w i r d ein neues Gesetz herausgegeben, das die Rechnungsprüfung der Verwaltungstätigkeit betrifft, doch diese neuen Vollmachten erstrecken sich nicht auf die Ausgaben von öffentlichen Körperschaften. I n der Tat ist das Gesetz von 1939 wieder einmal auf die staatliche Verwaltung beschränkt und nicht dahingehend erweitert, daß es auch öffentliche Körperschaften m i t einschließt.
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Diese Phase endet sozusagen mit einem verlorenen Spiel für die A l l gemeine Rechnungsabteilung, denn das System der öffentlichen K ö r perschaften befindet sich außer der Kontrolle durch öffentliche Ausgaben, die zentral durch die Tätigkeit der Allgemeinen Rechnungsabteilung und der zentralen Rechnungsabteilungen der einzelnen Ministerien ausgeübt wird. So besteht ein zweifaches System, bei dem die Rechnungsführung durch einen einheitlichen Körper auf der zentralen Ebene ausgeführt wird, während es andere Ausgabenzentren m i t unabhängigen Rechnungsregelungen gibt. Die dritte Periode, die sich von 1939 bis heute erstreckt, w i r d von größtmöglicher Verwirrung charakterisiert, denn neben diesem Doppelsystem, einem Staatsrechnungsführungssystem und eines Systems, das die Bezeichnung „nachteilig" erwarb (in dem Sinne, daß es soviele Vorschriften zur Buchführung gibt, wie öffentliche Körperschaften i n unserem System), entstand ein weiterer Faktor der Komplikation und Konfusion, repräsentiert von nachteiligen Regeln, die ein Teil der Vorschriften für die Staatsrechnungsführung selbst wurden. W i r beziehen uns auf die Einführung von untergeordneten Vorschriften von atypischer Natur, die bestimmte Sektoren betreffen, welche als Varianten Bestandteile der ersten Gruppe von Regeln bezüglich der Staatsrechnungsführung sind. Demzufolge erscheint die Gesamtsituation der Staatsrechnungsführung heute als eine von der größten Verwirrung charakterisierte. Es existiert ein Ordnungsprinzip, das 1923 erreicht worden ist, indem die Allgemeine Staatsrechnungsabteilung i n eine privilegierte Position innerhalb der Administration gehoben wurde. Dies ist ein organisches Primat, was auch an der Arbeitsweise illustriert werden kann; das Primat w i r d auf zweierlei Weise realisiert: erst einmal ist die A l l gemeine Rechnungsabteilung, wie man heute gebräuchlich sagt, ein Ministerium i m Ministerium. Es ist hinreichend i n diesem Zusammenhang festzustellen, daß die Beamten und Angestellten der Allgemeinen Rechnungsabteilung einen einheitlichen Verwaltungskörper innerhalb des Schatzamtes bilden, und daß sogar ihre Laufbahnen eine Stufe höher stehen als die i n anderen Ministerien. I n zweiter Linie w i r d dieses Primat verfahrensrechtlich durch die zumindest dreimalige Teilnahme der Allgemeinen Rechnungsabteilung an dem Verfahren bezüglich der Staatsausgaben realisiert: einmal während der Vorbereitung des Haushaltsplans, welches die Hauptfunktion der Allgemeinen Rechnungsabteilung ist, ein zweites und drittes M a l i n dem Verfahren zur Bewilligung der Ausgaben. Die Möglichkeit der Reglementierung der Administration mit Hilfe der Kontrolle ihrer Ausgaben war von den italienischen Administra-
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toren schon erkannt worden: man kann das von der A r t ihrer Reaktion auf die Konsolidierung der Rechnungsabteilungen nach 1923 ableiten. Tatsächlich pflegten die Administratoren i n den Ministerien, die öffentliche Gelder ausgaben, m i t einer Körperschaft innerhalb des M i nisteriums zu ihrer Verfügung zu arbeiten, die von der zentralen Rechnungsabteilung repräsentiert wurde. Infolge der Konsolidierung der Rechnungsabteilungen, wurde ihnen das Instrument zu ihrer Verfügung entzogen einerseits und andererseits — noch schlimmer — waren sie der Kontrolle dieser selben Rechnungsabteilungen selbst unterworfen. A u f der einen Seite wurde eine Verbindung zwischen der Allgemeinen Rechnungsabteilung und den zentralen Rechnungsabteilungen geschaffen, auf der anderen Seite wurden die letzteren innerhalb eines jeden Ministeriums von ministerialen Organen zu Kontrollorganen der Allgemeinen Rechnungsabteilungen gemacht; dies drängte die italienischen Bürokraten, insbesondere die des Ministeriums für öffentliche Bauten, i n eine zweitrangige Rolle. Die neue Regelung hatte sie einer Macht beraubt, die sie bis dahin immer gehabt hatten, nämlich die der Verwaltung öffentlicher Gelder. Ein erstes Instrument für das Eingreifen der Allgemeinen Rechnungsabteilung ist das „Ansiedeln" der Ausgaben, das heißt, die Verteilung der Ausgaben bei der Aufstellung des Staatshaushalts. Das A n siedeln der Ausgaben bedeutet die Verteilung von M i t t e l n auf die verschiedenen administrativen Einheiten unter dem Gesichtspunkt, daß die Struktur unseres Haushalts, so wie er i n administrative Ausgabenblöcke unterteilt ist, eine grundsätzlich administrative ist; deshalb ist das „Ansiedeln" von Ausgaben lediglich die Zuteilung einer Quantität von Macht an die administrativen Organe, die diese M i t t e l verwalten müssen. Tatsächlich diskutiert die italienische Verwaltung m i t der Rechnungsabteilung alljährlich die Quantität der Ausgaben, die ein jedes Organ verwalten kann, und somit die Quantität der Macht eines jeden Organs. Die Rolle des Kontrollorgans ist fundamental: dieses Organ ist i n der Tat das einzige, das die Macht besitzt, zwei wesentliche Aspekte zu bestimmen: den Fluß der M i t t e l auf dem M a r k t oder zum laufenden Konto der Bank von Italien, u m zum Beispiel Ausgaben zu decken, und zweitens die Kontrolle des Quantums des Defizits i m Staatshaushalt. I n Anbetracht der rigiden Struktur des italienischen Staatshaushalts hat das Organ, das diese beiden Aspekte kontrolliert und über eine umfassende Kenntnis der gesamten den Finanzmechanismus betreffenden Situation verfügt, faktisch die Kontrolle über Entscheidungen über die Verteilung der Ausgaben. Dann gibt es da noch einen anderen Aspekt, der i n der Festlegung der Tätigkeiten der Verwaltung auf der Basis der Ausgaben, die diese
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Tätigkeiten implizieren, besteht. I n diesem Fall stellt das Gesetz nur einen begrenzten und knappen Bezugsrahmen; daher bleibt alles, was nicht vom Gesetz vorgeschrieben wird, ins freie Ermessen der Verwaltung gestellt. Diese Macht des Ermessensspielraums kann genutzt werden und groß sein oder eingeschränkt werden, und zwar i n dem Ausmaß, i n dem die Handlungsgrundsätze der Verwaltung durch die Ausgaben aufgrund dieser administrativen Tätigkeiten oder auf andere Weise bestimmt werden. Allerdings besteht die administrative Funktion von öffentlichen Organen heute zum größten Teil aus den Ausgaben öffentlicher Mittel, denn i n der modernen Gesellschaft verliert die Verwaltungstätigkeit durch Vorschriften und Kontrollen immer mehr an Wichtigkeit. Was zählt, sind die öffentlichen Ausgaben und das Organ, das sie verwaltet: das Schatzamt. Damit gewinnt die Haushaltsplanung zunehmende Bedeutung, denn es ist klar geworden, daß i n unserem System die Handlungen der Verwaltung immer mehr durch die Ausgaben reguliert werden und daher muß man sich — wenn man die Verwaltungstätigkeit kontrollieren und planen w i l l — i n das Verfahren einfügen, i n dem über die Ausgaben beschlossen wird.
II. Das Verfahren der Aufstellung des Haushaltsplanes und der Einflußnahme der Regionen Wenn der Haushaltsplan aufgestellt wird, kann die Staatsverwaltung darin nur Ausgaben aufnehmen, zu denen ein Gesetz sie ermächtigt: der A r t i k e l 81 der Verfassung regelt i n einem gewissen Maß das Verhältnis zwischen Gesetz und Haushalt automatisch. Darüber hinaus gibt es wiederholte oder laufende Ausgaben organisatorischer Natur (z. B. die Ausgaben für die Auszahlung der Gehälter für das Personal i m öffentlichen Dienst), welche i m Falle ihrer Unterlassung sogar eine ernste Vernachlässigung implizieren würde, die i n der Tat zu einer gerichtlichen Überprüfung der Tätigkeit des Ministers durch ein Verwaltungsgericht führen könnte, da i m Arbeitgeber — ArbeitnehmerVerhältnis die Arbeitnehmer zu Recht die Administration anklagen könnten, die diesem Verhältnis eigenen Verpflichtungen nicht eingehalten zu haben. Neben diesen beiden Arten von Gesetzen umfaßt der Haushaltsplan Posten, die bezüglich des „ob überhaupt" ins Ermessen gestellt sind und Posten, die i n Hinsicht auf das „Quantum" i n das Ermessen gestellt sind. Die Entscheidungen über diese beiden Punkte werden nach einem Verfahren, das durch Minder- bzw. Mehreinnahmen festgelegt wird, vorgenommen: das bedeutet, aufgrund von Erweiterung der M i t -
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tel. Das heißt, daß man die schon vorhergesehenen Ausgaben billigt und das „Extraquantum" an Ausgaben kennzeichnet; entsprechend bedeutet es, daß die von diesen Ausgaben implizierten Ziele als erreicht vorausgesetzt werden, und nur noch die höheren oder geringeren Beträge diskutiert werden. Dies ist der Schlüsselpunkt, auf dem die Voranschläge für die Haushaltsplanung basieren: denn unsere Wirtschaftsplanung, die immer noch Schwierigkeiten hat, sich als eine Realität zu behaupten, könnte Wirklichkeit werden, wenn die Diskussion über die Ansiedlung von Ausgaben anstatt am Zuwachs orientiert, die umfassende Berücksichtigung der Ziele i n Betracht zöge, und somit die der administrativen Tätigkeit, die die Ausgaben implizieren. Dies ist die Koordination zwischen Planung, Etat und der Anerkennung der Tatsache, daß heute die einzig mögliche A r t der Wirtschaftsplanung i n unserem System ist, die auf der Haushaltsplanung basiert. A l l dies beinhaltet eine Erklärung hinsichtlich der verschiedenen Rollen der beiden an der Formulierungsphase des Budgets beteiligten Hauptparteien: auf der einen Seite die Regierungsorgane für die Ausgaben öffentlicher M i t t e l und die administrativen Organe für diese Ausgaben auf der anderen Seite. I m Gegensatz zu anderen Systemen, i n denen das Parlament eine dominante Rolle spielt, existiert i n Italien ein extrem vereinfachter Ausgabenmechanismus, indem sich zwei gegensätzliche Interessen sich wirklich entgegenstehen: das Interesse des M i t t e l verbrauchenden Ministers, M i t t e l aufzuwenden, oder das Volumen ihrer Ausgaben zu steigern, und das der Allgemeinen Rechnungsabteilung, vom Gesetz gebunden, Ausgaben einzusparen, das heißt also, die öffentlichen Aufwendungen einzuschränken. I n anderen, vom italienischen System verschiedenen Systemen, umfaßt der Prozeß der Haushaltsplanung die Teilnahme einer Anzahl von administrativen und politischen Körperschaften über die beiden obengenannten hinaus und insbesondere besteht auch die Möglichkeit kollektiven Eingreifens. I n den USA zum Beispiel agieren die Kongressausschüsse als Korrektive bezüglich der M i t t e l aufwendenden Ministerien, entgegengesetzt jedoch, agiert das Haushaltsamt (Bureau of the Budget), das unserer Allgemeinen Rechnungsabteilung entspricht, nicht nur als restriktive Kapazität, sondern zuweilen auch i n Funktionen der Anregung und Rationalisierung von öffentlichen Ausgaben. I n England werden die Staatsausgaben von einer gänzlich von der italienischen unterschiedlichen Gesetzgebung geregelt, und zwar i n dem Sinne, daß alle Ausgaben jährlich überprüft werden und es daher keine Gesetze über die Staatsausgaben oder andere starren Elemente gibt, während die Rolle des Parlaments besonders i n der Kontrollphase
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der schon gemachten Ausgaben von besonderer Bedeutung wird, anstatt i n der Phase der Vorbereitung und Aufstellung des Etats. Diese Situation weist auf die beträchtliche Bedeutung der Beteiligung der Regionen an diesem Prozeß hin, obwohl es kein Gesetz gibt, das auf diese Möglichkeit hinweist. Eine Diskussion m i t den Institutionen der Regionen über die Aufstellung des Etats impliziert, daß die Regionen i n der Vorbereitungsphase des Haushalts vertreten sind, das heißt während der Phase, die von informellen Methoden bestimmt wird, ohne eine spezifische Verfahrensweise, und die sich zeitlich vom Januar bis zum J u l i erstreckt. Hat der Haushaltsplan die Billigung des Kabinetts, w i r d aus der Voraussage der Staatsausgaben eine Gesetzesvorlage, oder besser ein Anhang zu einer Gesetzesvorlage, die die eigentlichen Vorschriften enthalten, die die Vorhersage billigen. Eine Beteiligung der Regionen an dieser zweiten Phase hieße, sie an einem falschen Zeitpunkt hinzuzuziehen, vom juristischen Standpunkt, und zu einem nutzlosen Moment aus faktischer Sicht, denn die Absprachen zwischen den Verwaltungsorganen haben schon stattgefunden; stattdessen findet die Debatte und entsprechende Bewilligung durch die Legislative, so wie es die Verfassung vorsieht, i n dieser Phase statt. Die Regionen würden zu der Bereicherung einer geheimen Diskussion m i t öffentlichen Elementen beitragen; darüber hinaus sind sie Körperschaften, die eine ganz besondere Position innehaben, da sie frei von Rücksichten auf Ausgaben handeln können, insbesondere da es der Staat ist, der die eigentlichen Ausgaben hat, nicht die Regionen. Die Diskussion des Staatshaushalts ist eine Diskussion, die sich offensichtlich nicht auf den A n t e i l des Staatshaushaltes konzentriert, der auf die Regionen fällt; sie ist stattdessen eine Diskussion über die Posten des Etats, die Einfluß auf die Region haben können; demzufolge kann die Diskussion des Etats von den Regionen nur als eine Diskussion betrachtet werden u m die mögliche Verteilung des Teiles der Ausgaben, die für jeden Posten vor veranschlagt werden, auf jede Region, aber das als einen Teil der Ausgaben des Staates. Es ist daher ein Moment des Eingreifens, wenn eine öffentliche Ausgabe, die nichtsdestotrotz eine staatliche Ausgabe bleibt, regionalisiert wird. Man kann sagen, daß i n der Geschichte der Rechnungsvorschriften unseres Systems eine vierte Phase i m Begriff steht, ihren Lauf zu nehmen, i n der die Regionen ein Teil des Verfahrens bezüglich der Staatsausgaben m i t einer besonderen Rolle sind, nämlich als Repräsentanten eines institutionellen Interesses m i t dem Ziel a) der Expansion, der Entwicklung, eines größeren Anteils an den öffentlichen Ausgaben, und damit i m K o n f l i k t m i t dem institutionellen Interesse einzusparen, welches ein charakteristischer Zug der Allgemeinen Rechnungsabteilung ist; b) der Regionalisierung der staatlichen Ausgaben.
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I I I . Einschränkungen der Möglichkeit, den Haushaltsplan als ein Instrument der Koordination zu benutzen Was den Inhalt angeht, so bestehen die gesetzlichen Bestimmungen zum Staatshaushalt i n ihrem eigentlichen Sinne — somit den Teil bezüglich Erbguts und Verträge ausschließend — i n ihrer Essenz aus zwei wesentlichen Punkten. Der erste betrifft den Staatshaushalt, der zweite die Verfahrensweise. E i n weiteres wichtiges Kapitel, welches allerdings nicht gänzlich ein Bestandteil der allgemeinen Gesetze ist, ist das der Bedingungen finanzieller Intervention hinsichtlich lokaler Regierungen. Von diesen drei Themen ist das erste von der größten Bedeutung. Es kann von vier Gesichtspunkten aus untersucht werden: dem Inhalt, der Geltungsdauer des Etats, seiner Anwendung und seine wirtschaftlichen Auswirkungen. Jeder dieser Aspekte unterstreicht eine bestimmte Diskrepanz zwischen den Vorschriften und der tatsächlichen Lage. Der erste Aspekt ist der des Inhalts des Etats: was den Staatshaushalt angeht, so ist der Anteil, der wirkliche jährliche Entscheidungen ausmacht, geringer als 20 %>. I n anderen Worten, wenn der Haushalt jedes Jahr gebilligt wird, sind die Entscheidungen zu 8 0 % wiederholte, gerechtfertigt durch frühere Entscheidungen desselben Organs. Dieser Mechanismus wiederholter Tätigkeiten eines Organs, das allerdings i n vielen Bereichen beschäftigt ist, resultiert aus der Bestimmung aus A r t i k e l 81 der Verfassung, i n der das Anliegen der Mitglieder der konstituierenden Nationalversammlung, die Staatsausgaben zu decken, dazu führte, ein System zu definieren, das auf zwei wesentlichen Konzepten beruht: die Gesetze zu den Staatsausgaben, auch gemäß älterer Terminologie als „substantielle Gesetze" bekannt (leggi sostanziali) und dem formalen Gesetz oder dem Gesetz über die Bewilligung des Staatshaushalts; i n dieser Vorschrift der Verfassung w i r d darauf hingewiesen, daß es i n den „substantiellen Gesetzen" eine Basis für die Aufnahme bestimmter Posten i n das formale Gesetz oder Gesetz über die Bewilligung des Staatshaushalts geben muß. Dieser Mechanismus, der wie alle starren Mechanismen Auftrieb für Wege und M i t t e l verschafft, ihn zu umgehen, ist verschieden zu dem englischen, i n dem eine jährliche Überprüfung der Gesamtausgaben möglich ist, während i n Italien die notwendige Beziehung zwischen diesen beiden Gesetzen keine Überprüfung der Ausgaben ermöglicht, es sei denn m i t einem Aufwand, den kein Parlament leisten könnte: der Überprüfung der gesamten Gesetze über Staatsausgaben. Der A r t i k e l 81 der Verfassung könnte modifiziert werden; aber der letztere erfreut sich wiederum starker Unterstützung unter den Verfassungsrechtlern, obwohl später die Arbeiten der Ausschüsse — des Paratore Ausschus-
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ses und dann des Medici-Paratore Ausschusses — gezeigt haben, daß es „Abkürzungen" gibt, u m ihn zu umgehen. Stattdessen gibt es einen anderen Weg, dieses Problem zu lösen, welcher i n den Studien zur Wirtschaftsplanung i n Italien zu finden ist. Es t r i f f t tatsächlich zu, daß eine notwendige Beziehung zwischen den Staatsausgaben und dem Haushalt vorgesehen ist, aber nichts kann verhindern, daß die Gesetze zu den Staatsausgaben m i t anderen Worten formuliert werden. I n der Tat ist das Element, das die Haushaltsverwaltung so bindend macht, der Umstand, daß die Akkumulation der verschiedensten Gesetze zu Staatsausgaben i n einer gewissen Anzahl von Jahren die Regierung an die Aufnahme bestimmter Posten i n den Etat bindet, was notwendig ist, da die Gesetze natürlich beachtet werden müssen. Darüber hinaus könnten gerade diese Gesetze zu den Staatsausgaben die Regierung i n die Lage versetzen, sie zu mißachten. Dieser Konsensus über eine Modifikation braucht nicht einmal explizit zu sein, i n dem Sinne, daß ein Gesetz auch eine mehrjährige Verpflichtung zu Ausgaben bestimmen kann, ohne die jährlichen Positionen von Ausgaben anzugehen. Ein anderer Gesichtspunkt besagt stattdessen, daß die Gesetze ruhig die jährlichen Anteile festlegen können, aber den Haushalt explizit in die Lage versetzen, sie zu modifizieren. Somit ist es nicht notwendig, das System des Artikels 81 aufzugeben, sondern man muß die Bedingung seiner Anwendung kontrollieren, indem man sich einer anderen Formulierung der Gesetze zum Staatshaushalt bedient. Einige Beobachter allerdings, die keine Juristen, sondern Soziologen sind, behaupten, daß es nicht ein Mangel des A r t . 81 an sich ist, sondern der Fehler i n der A r t liegt, i n der der A r t . 81 i n unsere politischsoziale und institutionale Situation eingefügt wurde. Es gibt tatsächlich die Tendenz auf Seiten einer jeder sozialen Gruppe, einer jeder Kategorie, sich selbst eine gewisse Starrheit i n der Zuteilung von M i t t e l n i n Hinsicht auf andere Gruppen zu sichern. Diese Starrheit sollte jedoch nicht nur auf technische Gründe zurückgeführt werden, die i n Wirklichkeit selten so naheliegend sind, daß sie so auffällige Phänomene wie das der Starrheit des Etats herbeiführten. Dieser hohe Starrheitsfaktor rührt nicht von dem Umstand her, daß es da einen Mechanismus gibt, der technisch falsch ist, sondern von dem Umstand, daß dieser Mechanismus von den Kategorien oder Gruppen, die von den Ausgaben betroffen sind, benutzt wird, u m bestimmte Ausgaben von der öffentlichen Verwaltung zu erhalten, u m so den A n teil nationaler Mittel, die von Zeit zu Zeit auf gegebene Kategorien, Sektoren oder Gruppen verteilt werden, gesetzlich zu sanktionieren: somit liegt es genau diesem Umgang m i t dem institutionellen und po-
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litischen Mechanismus begründet, daß man nach den Gründen für diesen hohen Grad an Starrheit suchen sollte. Darüber hinaus überschneiden sich die Gesetze über Staatsausgaben i m Laufe der Zeit, da sie von mehrjähriger Dauer sind und Tätigkeiten akkumulativer Natur bewirken. Demzufolge ist die Haushaltsdebatte, die soviel Zeit des Parlaments i n Anspruch nimmt, ein überflüssiges Ritual, da das Parlament lediglich neue Tätigkieten, Verfahrensweisen und Ziele diskutiert, die stromaufwärts schon gesetzlich verankert wurden, nämlich i n den vom Parlament gebilligten Gesetzen über die Staatsausgaben. Der zweite Faktor, der die Organisation und Struktur des Budgets einschränkt, ist die Tatsache, daß es nur die Ausgaben i m Zusammenhang m i t den Ministerien und einigen autonomen Ämtern, so wie die wenigen Behörden und Körperschaften, für die der Staat verantwortlich ist, betrifft (die Körperschaften, die m i t Stiftungskapital arbeiten — wie IRI, ENI, EFIM, etc. — werden nur indirekt berücksichtigt). Selbstverständlich umfaßt der Haushaltsplan auch die Ausgaben der Büros, die nicht m i t Stiftungskapital arbeiten, sie werden unter dem Titel Büros m i t „derivierter Finanzierung" (enti a finanza derivata) geführt: zum Beispiel besteht der Etat der Büros für landwirtschaftliche Entwicklung aus so vielen Eingängen an Posten, wie es ähnliche Ausgabenposten i m Etat des kontrollierenden und kompetenten M i nisteriums gibt. Nun obwohl das staatliche Finanzwesen Elemente dieser A r t , sogar indirekt und i m Budget zusammengefaßt, einschließt, gibt es keinen Zweifel, daß die nicht-staatlichen öffentlichen Gelder heute ein so bedeutender Faktor geworden sind, daß man ernste Zweifel an der Bedeutung des Hauptdokuments des staatlichen Finanzwesens, also dem Etat, hegen kann: dies ist der Fall, w e i l die nicht-staatlichen öffentlichen Gelder die staatlichen öffentlichen Gelder an Umfang übertroffen haben. Nach einer kürzlich gemachten Erhebung gibt es 60 000 Behörden. Sicherlich, einige dieser Behörden sind untergeordnete, von geringer Bedeutung auf dem Gebiet der staatlichen Finanzen, aber es sollte erwähnt werden, daß es 10 - 20 000 Behörden von beträchtlicher Bedeutung für die Staatsfinanzen gibt. A l l dies ist nicht i m Etat niedergelegt; daher ist der Etat von diesem Standpunkt aus kein sehr nützliches Dokument, da es die Gesamtsituation der staatlichen Finanzen nicht umfassen kann. Ein dritter Grund für die begrenzte Bedeutung des Haushaltsplans besteht darin, daß das Ausmaß der Durchführung des Haushaltsplans als Ganzem begrenzt ist, und so i n dem begrenzten Ausmaß, i n dem ein zugeteilter Posten an Ausgaben i n dem betreffenden Haushaltsjahr
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des Etats auch i n diesem selben Jahr ausgegeben wird, und so Verbindlichkeiten übrigbleiben, die Jahr für Jahr anwachsen und die nach neuerlicher Schätzung eine Summe i n der Größenordnung von etwa der Hälfte der i m vorigen Budget vorgesehenen Ausgaben erreicht. I n diesem Zusammenhang ist es interessant, den Konflikt, der sich neuerdings zwischen den Ministerien und der Rechnungsabteilung entwickelt hat zu erwähnen. Die Position der letzteren war i n den letzten Jahren eine rationalere und war vollständiger erläutert worden: der Grund der Restverbindlichkeiten sollte sicher nicht dem betreffenden Haushaltsplan, sondern der administrativen Verfahrensweise als Ganzem angelastet werden, und zwar i n dem Sinne, daß das Schatzamt eine Serie von Analysen erstellt hat, aus denen sich ergab, daß die Faktoren, die den größten Einfluß auf die Verzögerungen, die bei der Realisierung der Ausgaben unvermeidbar sind, Faktoren waren, die von dem eigentlichen Verwaltungsprozeß herrühren: das heißt von dem administrativen Prozeß, der die Buchführung bezüglich der Ausgaben beinhaltet. Die Rechnungsabteilung stellte fest, daß die Verzögerung der Durchführung administrativer A k t e nicht durch Verfahren i m Zusammenhang m i t den Ausgaben verlängert wird, sondern durch den Parallelprozeß, i n anderen Worten dem Hauptverfahren, i m Vergleich zu dem die Verfahren zu den Ausgaben untergeordneter Natur sind. Es war tatsächlich nicht schwer zu demonstrieren, daß das Wohnungsbaugesetz zum Beispiel, oder die Bauvorschriften, zu sehr langen Verzögerungen führten, die daher rührten, daß die Kommunen nicht i n der Lage waren, grundlegende Pläne zu beschließen, und da das der Fall war, nicht i n der Lage waren, Gebiete für die Errichtung von billigen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Die M i t t e l aufwendenden Ministerien haben darauf geantwortet, indem sie darauf hinwiesen, daß es i n Wirklichkeit auch lange Zeitintervalle i n den für die Ausgabe verantwortlichen Organen gäbe, wie die Verzögerung durch Eingriffe der Allgemeinen Rechnungsabteilung und der zentralen Rechnungsabteilungen, was den Ausgabenprozeß i n gewisser Weise beträchtlich verlangsame. Welcher Rahmen resultiert nun aus diesen legislativen Mängeln? Eine nie veröffentlichte Studie der Allgemeinen Rechnungsabteilung m i t dem Titel „Der Eingriff des Staates i n die Wirtschaft", vor 10 Jahren geschrieben, als die Sorge u m den wirtschaftlichen Kreislauf noch nicht so krampfartig war w i e heute, entzielt eine Darstellung m i t quantitativen Daten zu Zeitfaktoren, daß alle Maßnahmen, sowohl sektoriale wie globale, i n Verbindung m i t dem wirtschaftlichen Kreislauf von 1948 bis vor etwa 6 - 7 Jahren, legislative Initiativen waren, die ergriffen wurden, als der Kreislauf, der diese Maßnahme notwendig
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machte, schon vollendet war, und sogar als der gegenläufige Kreislauf schon begonnen hatte. I n neueren Zeiten wurde auf eine weitere genauso gefährliche Eigenschaft hingewiesen, nämlich die folgende: ist ein Gesetz über Staatsausgaben gebilligt, das die Ausgaben über eine gewisse Anzahl von Jahren — sagen w i r fünf — und den Mechanismus zur Erhebung der finanziellen Mittel, die diese Ausgaben decken sollen regelt, t r i t t ein Kreislaufeffekt auf, der dem intendierten genau zuwiderläuft: ein Gesetz über Staatsausgaben, das m i t der Absicht des Ankurbeins der Wirtschaft gebilligt wird, erzielt den entgegengesetzten Zweck. Die Erhebung des Geldes auf dem Markt w i r d sofort durchgeführt, und oft nicht i n jährlichen Beiträgen, sondern insgesamt; das Resultat ist demzufolge der Entzug von Geldern aus der Wirtschaft, während die Ausgaben noch nicht ausgeführt werden: damit w i r d der dem gewünschten entgegengesetzte Zweck erreicht. Wenn man nun also all diese Elemente zusammenfügt — der starre Inhalt des Haushaltsplans, die Tatsache, daß er nicht-staatliche öffentliche Gelder nicht miteinschließt, die Tatsache, daß er nur zum Teil realisiert w i r d — kann man sich vorstellen, daß uns heute i n Italien ein leistungsfähiges Instrument für das Eingreifen i n die Wirtschaftspolit i k auf dem Gebiet der öffentlichen Ausgaben fehlt: das verhindert nicht, daß der Etat ein korrektives Instrument ist und individuelle Maßnahmen i m Rahmen der Ausgaben als korrektive Werkzeuge wirken können; aber es fehlt der Gesamtüberblick: es existiert keine Möglichkeit für die verschiedenen Ausgabeneinheiten, koordiniert zu handeln. Es gibt eine weitere Angelegenheit i m Rahmen der Buchführung, i n die die Allgemeine Rechnungsabteilung wenigstens zweimal institutionell eingreift: diese besteht aus einem Mechanismus, m i t dem die Kontrollorgane der öffentlichen Ausgaben sowohl i n der „ansteigenden" Phase, und — zuweilen m i t mehr Erfolg — i n der „absteigenden" Phase des Verfahrens operieren. I n dieser letzteren Phase können diese Organe dieselben Entscheidungen, zu deren Formulierung sie selbst beigetragen hatten, i n Frage stellen. Der zweite Aspekt ist folgender: aller Logik zuwider üben die wichtigsten Verwaltungen öffentlicher Gelder eine Planungstätigkeit aus, die der Festlegung der Ausgaben und ihrer „Ansiedlung" i m Etat folgt; logischerweise sollte es stattdessen umgekehrt sein und zwar i n dem Sinne, daß eine bestimmte Planungstätigkeit gegeben ist und man erst dann beschließen sollte, m i t welchen Instrumenten ihr Ziel erreicht werden kann. I n dem existierenden Verfahren ist derjenige, der das Kommando über die Planung hat, nicht der Minister, der die Arbeiten plant, son-
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dern derjenige, der den Umfang der Ausgaben bestimmt, das heißt also der Minister des Schatzamtes, denn die Priorität hat der zugeteilte Betrag, nicht das zu erreichende Ziel. Diese weiteren Faktoren des Durchführungsverfahrens der Ausgaben liefern sicher einen weiteren Grund zur Krise und steigern die Funktion der Koordination, w e i l sie den roten Faden rekonstruieren, der nur zu einem Ort führt, der Allgemeinen Rechnungsabteilung. I V . Probleme der Haushaltsreform Die Probleme, die sich auf verfassungsrechtlicher Ebene ergeben, sind von dreierlei A r t : Ausweitung des Staatshaushalts, Starrheit der Ausgaben, Starrheit i n der Lenkung des Staatshaushalts. Die begrenzte Ausdehnung des Staatshaushalts verhindert i n diesem Zusammenhang die Kontrolle aller öffentlichen Ausgaben. Die Starrheit der Ausgaben ermöglicht keine einheitliche Überprüfung aller schon gebilligten Staatsausgaben. Die starre Lenkung des Staatshaushalts bindet die Verwaltung auf detaillierte Weise an die gebilligten Posten (obwohl das nicht bedeutet, daß die bewilligten Beiträge auch von ihr ausgegeben werden). Bevor w i r uns einer analytischen Untersuchung der drei gerade genannten Probleme zuwenden, sollten w i r ihre politisch-organisatorischen Aspekte betrachten. Man n i m m t i n der Tat an, daß eine Modifikation des Verfahrens bezüglich des Staates einerseits, der Behörden andererseits, zum einen des Staatshaushalts, zum anderen der Gesetze zu den Staatsausgaben und der Planung, eine sorgfältige Berücksichtigung der Verleihung von relativer Bedeutung und Vollmachten an die wichtigsten betroffenen öffentlichen Körperschaften erfordert: Parlament, die einzelnen Parlamentarier, Regierung, Verwaltung, der Rechnungprüfungshof („Corte dei Conti") und die Behörden. Das erste Problem sollte i n Angriff genommen werden, u m den Einflußbereich des Staatshaushalts auch auf Behörden auszudehnen, die dem Staat verantwortlich sind. I n diesem Sinne ist dies eine neue Verantwortung für das Parlament, dessen Tätigkeitsbereich ausgeweitet wird, während einige Entscheidungsfreiheiten, die heute bei den Behörden und der Verwaltung liegen, eingeschränkt werden. Das zweite Problem sollte angegangen werden, um auf der Grundlage eines Jahres alle Staatsausgaben, die i m Haushalt enthalten sind, m i t Ausnahme der laufenden Ausgaben, die aus bindenden Verpflichtungen resultieren, zu überprüfen. I n diesem Sinne werden die V o l l -
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machten des Parlaments als Ganzem vergrößert, es w i r d aber eine Einschränkung der Eingriffsmöglichkeiten einzelner Mitglieder des Parlaments impliziert. Was die Haushaltsinitiative angeht, hat allerdings nur die Regierung die entsprechende Vollmacht (Artikel 81 der Verfassung, §i).
Man sollte beachten, daß für die Billigung der Ausgaben i n der Planungsphase eine ähnliche Regelung besteht: Regierungsinitiative (obwohl i n diesem Fall die Verfassung nicht spezifisch auf Einschränkung parlamentarischer Initiative hinweist), parlamentarische Untersuchung und Entscheidung. Das dritte Problem sollte i n A n g r i f f genommen werden, u m die Regierung m i t einem bestimmten Ausmaß an Flexibilität i n der Leitung des Staatshaushalts auszustatten. Die Tatsache, daß dem Parlament erhöhte Vollmachten über allgemeine Dokumente übertragen werden (nämlich den auf einige Behörden ausgedehnten Staatshaushalt und den Plan) impliziert dann, daß die Regierung eine gewisse Auswahlmöglichkeit zwischen den gebilligten Dokumenten (Haushalt und Plan) hat. Die Lösung des dritten Problems ist also eine Angelegenheit der Erweiterung des Arbeitsbereichs der Regierung. Das Geflecht der hier beschriebenen Erfordernisse und der Lösungen, auf die man den Blick richten kann, w i r d charakterisiert von dem verfassungsrechtlichen Zwang, den die Starrheit der i m A r t i k e l 81 der Verfassung vorgeschriebenen Maßnahmen repräsentieren. M. a. W., es w i r d angenommen, daß diese Vorschriften nicht modifiziert werden; wenn der Mechanismus, den sie implizieren, beibehalten wird, sollten einige Pläne, die ihre Verbesserung ermöglichen, angegeben werden. Dies erfordert eine „Gesamtstrategie", die auf verschiedenen Ebenen arbeitet — worauf w i r später hinweisen werden — die jedoch insgesamt geprüft werden soll, wenn man zu vermeiden wünscht, daß einige Organe m i t einem anderen Anteil an Macht betraut werden sollen, als es nun der F a l l ist. V. Die Ausweitung des Staatshaushalts W i e m a n sah, i s t d i e Ausweitung
des Staatshaushalts,
w i e sie j ä h r -
lich vom Parlament bewilligt wird, dadurch begrenzt, daß sie nur die staatliche Verwaltung umfaßt (und noch nicht einmal das vollständig, infolge der Ausnahme sogenannter „nicht-haushaltsgebundener Unternehmungen", deren ungefähre Zahl i n den Berichten des Rechnungsprüfungshofs zu den Staatskonten angegeben wird). I n der Tat stellt der A r t i k e l 2 des Gesetzes Nr. 62 vom 21. März 1964 Folgendes fest: „Den Kostenvoranschlägen eines jeden Ministeriums
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sollen die endgültigen Aufstellungen der Behörde beigefügt werden, für die Gesetze eine Vorlage vor dem Parlament vorschreiben." 1968 wurden die Ausgabenaufstellungen von 68 Behörden beigefügt, m i t Gesamtaufwendungen von etwa sechstausend Billionen Lire. Das Gesetz von 1964 und die i n i h m erwähnten Vorschriften betrachten die Haushalte von öffentlichen Körperschaften aber nur vom Gesichtspunkt einer nachträglichen Überprüfung: dies w i r d nicht nur von der Tatsache bestätigt, daß lediglich eine Ausgabenaufstellung erwähnt wird, sondern auch, daß diese Vorschrift i n der Regel auf die Kontrollvollmachten des Rechnungsprüfungshofes bezogen wird, wie sie i n A r t i k e l 100 der Verfassung und i n dem Gesetz von 1958 angegeben werden. Es sollte darüber hinaus i n Betracht gezogen werden, u m die Möglichkeit, den oben erwähnten A r t i k e l 2 i n diesem Zusammenhang anzuwenden, auszuschließen, daß für einige Körperschaften (deren Aufstellungen der Ausgaben dem Parlament auf den vorgeschriebenen Wegen vorgelegt werden) die beaufsichtigenden Ministerien auch Angaben zu Plänen und Schätzungen an das Parlament weiterleiten: es reicht aus, dabei an die leitende Verwaltung staatlicher Teilhaberschaft zu denken, die sich unter den erwähnten Behörden befindet. Wenn man die Möglichkeit ausschließt, das Gesetz von 1964 anzuwenden, muß man überlegen, wie es möglich ist, eine Verbindung zwischen dem Etat der wichtigsten Behörden und dem des Staates zu schaffen; eine Verbindung, die das Parlament bei der Bewilligung des Haushalts i n die Lage versetzt, sowohl über die Staatsausgaben i m engeren Sinne des Wortes als auch über die der öffentlichen Körperschaften, die den größten Teil der Aufwendungen von öffentlichen Mitteln i n den Händen haben, zu entscheiden. Z u diesem Zweck ist es notwendig, die öffentlichen Körperschaften nach der A r t der Regelung ihrer Buchführung und ihres Haushalts, der sie unterworfen sind, zu klassifizieren. I n erster Linie kann man Behörden danach unterscheiden, ob sie einen Haushalt haben, oder nicht. I n der Regel sind Behörden, die einen Etat besitzen, auch verpflichtet, eine Aufstellung ihrer Ausgaben zu entwerfen; dies ist jedoch ein Aspekt, der zur Zeit weniger wichtig ist. Die Körperschaften, die lediglich verpflichtet sind, eine Aufstellung ihrer Ausgaben zu führen, sind i n der Regel Behörden nach den Grundsätzen von Geschäftsunternehmen, für die, wie für eine Aktiengesellschaft, nur die Möglichkeit einer Bilanz am Ende eines Haushaltsjahres besteht. Die Gründe für diese Handhabung sind zahlreich, sie können jedoch zusammengefaßt werden, indem man sagt, daß der Umstand, auf dem freien M a r k t zu operieren für lange Zeit zu der Annahme führ22 Speyer 57
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te, daß es unmöglich sei, eine verbindliche Schätzung ihrer Einnahmen und Ausgaben anzustellen. Allerdings sind diese Schätzungen oft verbindlich, ihre Wertigkeit unterscheidet sich aber vom echten Etat, da sie keine Bewilligung für Ausgaben, sondern einen Plan darstellen. A u f der anderen Seite verfügen Geschäftsfirmen normalerweise über umfangreichere eigene M i t t e l als i m Vergleich dazu eine auszahlende Behörde, und sie haben diesen M i t t e l n entsprechende Ausgaben und Inkassovollmachten. Wie kann man parlamentarische Prüfung und Eingriffe i n diese firmaähnlichen Körperschaften ins Auge fassen? Sicherlich nicht i m Sinne einer Bewilligung eines Haushalts und Tätigkeitsplans von bindendem Charakter, denn das würde vielleicht die Unternehmerautonomie über die Maßen einschränken. Stattdessen könnte man ins Auge fassen, daß das Parlament bei der Prüfung des Staatshaushalts ein Schätzungsdokument für jedes öffentliche Unternehmen von beträchtlichem Interesse i n Betracht ziehen und einige allgemeine Richtlinien für seine Ausgaben festlegen könnte. Tatsächlich w i r d schon so verfahren, allerdings auf inkonsequente Weise und ohne juristische Konsequenzen zu schaffen. Bei den Untersuchungen zur Bewilligung von M i t t e l n für jedes Ministerium, das öffentliche Unternehmen kontrolliert, diskutiert das Parlament auch Leitlinien für die von i h m beaufsichtigten Unternehmungen. W i r wollen nun Körperschaften m i t einem Etat i m eigentlichen Sinne des Wortes betrachten. W i r haben schon gesehen, daß diese i m allgemeinen Behörden sind, die öffentliche Gelder ausgeben. Es kann hinzugefügt werden, daß gewöhnlich der Haushalt von der Aufsichtsbehörde genehmigt wird. Wie schon bekannt, ist dies eine Billigung i m eigentlichen Sinne des Wortes, die sich von der Billigung einer Ausgabenaufstellung unterscheidet, die lediglich die Kenntnisnahme vollendeter Tatsachen impliziert. Unter diesen verschiedenen, öffentliche M i t t e l ausgebenden K ö r perschaften kann man verschiedene Kategorien unterscheiden; deren wichtigste sind: Körperschaften m i t Kapital- oder Stiftungskapitalfonds, Körperschaften, die insgesamt m i t Krediten finanziert werden, vom Schatzamt unterstützt, und Körperschaften m i t vom Staat „derivierten" Finanzen („a finanza derivata"). Die Körperschaften des ersten Typs werden vom Staat m i t einem Fond finanziert, der ihnen als eine Pauschalsumme überlassen w i r d (welche aber auch erhöht werden kann); die Körperschaften des zweiten Typs haben keinen Fond, sondern nur ein Kreditinstrument bezüglich des Staats (der i n seinem Haushaltsplan einen diesbezüglichen Aus-
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gabenposten hat); die Dienststellen der dritten Kategorie werden m i t Ausgabenposten finanziert, die von Fall zu F a l l i m Staatshaushalt auf der Grundlage der Angaben „substantieller" Gesetze zu den Staatsausgaben eröffnet werden. Wie kann man i m Zusammenhang m i t den Etats von öffentliche Gelder ausgebenden Behörden ein parlamentarisches Eingreifen durchführen, das nicht bloß eine Untersuchimg darstellt? I n diesem Sinne würde es scheinen, daß Körperschaften m i t „derivierten" Finanzen deren Natur entsprechend i m Staatshaushalt schon eingeschlossen sind. Zu letzterem sind keine substantiellen Zusätze notwendig. Dieses Problem besteht jedoch für die anderen beiden Typen von Körperschaften: dem ersten, w e i l das angestrebte Ziel allein von der administrativen Einrichung kontrolliert wird, die den Etat bewilligt; dem zweiten, w e i l das Parlament lediglich einen Gesamtposten bewilligt, auf dessen Grundlage der Haushalt aufgestellt wird. Es ist daher notwendig, sich ein Instrument zu eigen zu machen, das Folgendes ermöglicht: a) eine Untersuchung der Schätzungsdokumente der Behörden, die wie Geschäftsfirmen arbeiten, und die Erstellung allgemeiner Richtlinien; b) die Untersuchung und Bewilligung der Etats von Behörden ohne derivierte Finanzen, i n der obengenannten A r t und Weise. Diesbezüglich existiert i n der italienischen Gesetzgebung ein Präzedenzfall. Der A r t i k e l 15 des Gesetzes Nr. 129 vom 19. Januar 1939 (über die Kammer der Fasci und Korporationen) ermöglicht die K a m mer, Finanzvorlagen zu bewilligen und „über die Haushalte zu entscheiden" von „Verwaltungskörpern jeder A r t " die von „nationaler Bedeutung" sind und die aus öffentlichen Geldern unterstützt werden. Der Rechnungsprüfungshof hatte u m eine gesetzliche Regelung dieser A r t schon i n seinem allgemeinen Bericht von 1923/24 gebeten. Durch königlichen Beschluß Nr. 720 vom 8. A p r i l 1939 wurde das Verfahren für die Vorlage von Etats i n der Kammer gebilligt. Diese Regelung scheint sehr bedeutend, w e i l sie die Vollmacht der Führung — die somit zur Bewilligung von Haushalten führte — der Verwaltungskörper nicht der Bürokratie, sondern dem Parlament übertrug. Es liegt nahe, daß Regelungen dieser A r t einerseits vom Ausmaß des Haushalts und seinem analytischen Charakter beeinflußt werden; andererseits von den dem Parlament übertragenen Vollmachten (kann es nur billigen, kann es nur den gesamten Etat oder teilweise billigen, können dem vorgelegten Etat auch Zusätze angefügt werden). I m Falle des Gesetzes von 1939 würde der Buchstabe der gesetzlichen Regelung w o h l zu der Annahme führen, daß die letztere Lösung zutrifft. Natürlich entsteht nun das logische Problem und das Zeitproblem, wie man die Bewilligung der Behördenetats zu dem Staatshaushalt i n 22*
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Beziehung setzt: nur so scheint es möglich zu sein, eine „Haushaltspolit i k " zu fördern. Andernfalls, auch für Behörden m i t einem Fond, wäre die Entscheidung, den Fond zu erhöhen oder zu vermindern, ausreichend. Doch dieses Eingreifen ist nicht an die jährliche Frist gebunden und ermöglicht es nicht, die Hauptfunktionen der M i t t e l der Behörde auf bindende Weise festzulegen, da man sich einen Fond, der nach Teilen entsprechend ihrer angestrebten Ziele strukturiert ist, nicht vorstellen kann. I n dieser Hinsicht wurde vorgeschlagen (Bonacina-Bericht über die Feststellungen des Rechnungsprüfungshofes zu den vom Staat unterstützten Behörden, Senat, Dokument 29-A, S. 12, 31. Okt. 1967), daß i n der „Einführungsnote" zum Haushalt eines jeden Ministeriums eine Angabe der Kostenvoranschläge bezüglich der Behörden erfolgen sollte. U m diese Angabe verbindlich zu machen, und somit effektiver — i n der Beschlußfassung des Parlaments — wurde angeregt, auch i n Italien ein Finanzgesetz des französischen Typs einzuführen, i n der Form eines „jährlichen Gesetzes zur dynamischen Koordination von öffentlichen Finanzen". Die Einführung eines solchen Gesetzes scheint nicht schwierig; sow o h l wenn man das Haushaltsrecht als separates Haushaltsgesetz i m eigentlichen Sinne des Wortes betrachtet, als auch wenn man die beiden Gesetze als ein Ganzes betrachtet (und so als ein einzelnes Gesetz mit typischem Inhalt und begrenzter Wirkung), scheint es unmöglich zu sein, den Eingriff des Parlaments bezüglich des Etats, oder besser, des Aktes der Bewilligung der Etats der Behörden, davon ausschließen zu können. Man sollte sich eher fragen, ob diese Untersuchung und die folgende Billigung nicht i n den Parlamentsvorschriften erwähnt werden sollte, u m sicherzustellen, daß dies regelmäßig jedes Jahr geschieht. Falsch erscheint jedoch der Umstand, daß dieses Problem und das der i n A r t i k e l 119 der Verfassung genannten Koordination gemeinsam berücksichtigt werden („die Regionen sollen finanzielle Autonomie genießen, gemäß den i n den Gesetzen der Republik errichteten Formen und Einschränkungen, die sie m i t dem Staatshaushalt, dem der Provinzen und Kommunen koordinieren"). Die Frage nach dem Zweck dieser Regelung i n der Verfassung ist angemessen. Nun, sie wurde aufgenommen, u m koordinierende und lenkende Eingriffe der Legislative m i t Bezug auf Behörden, die Autonomie i m Bereich der Ausgaben genießen, zu legitimieren. Vom Gesichtspunkt der politischen Autonomie regionaler Regierung, muß jede Einschränkung der i h r vorbehaltenen Kompetenzen (und die sicherlich die Vollmacht der Verteilung und Bewilligung der eigenen M i t t e l ein-
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schließt) verfassungsmäßig legitimiert sein. Wäre das nicht der Fall, könnten die Regionen die verfassungsmäßige Garantie der Autonomie dazu nutzen, Gesetze zur Koordination von Finanzen für ungültig zu erklären. Es ist daher verständlich, daß dieses Problem sich von dem der Erweiterung der Ausdehnung des Etats grundlegend unterscheidet; dies kann geschehen — und es ist i n der Tat wünschenswert, daß es w i r k lich geschieht — aber nur i m Rahmen der Körperschaften, die dem Staat verantwortlich sind — und, wie w i r gesehen haben — der abhängigen Behörden, deren jährliche finanzielle Tätigkeiten der Planung unterworfen sind. Eine Entscheidung des Parlaments zur Aufstellung von Richtlinien für die jährlichen Ausgaben kann auf der Grundlage der Vorschriften des A r t . 119 aber nicht vorgenommen werden, aus dem einfachen Grund, daß dies eine Angelegenheit bezüglich politisch-repräsentativer Körperschaften ist; für andere Behörden besteht gar kein Bedürfnis nach legitimierenden Verfassungsvorschriften, da sie dem Staat verantwortliche Einrichtungen sind, ohne politische A u tonomie und ohne eine wählende Körperschaft zu benötigen, die die Anwendung dieser Autonomie garantiert. Das zweite Problem ist das der Starrheit der Staatsausgaben. Dies ist die negative Auswirkung, die die obligatorische Angabe der jährlichen Ausgaben i n den sogenannten Gesetzen zu den Staatsausgaben auf die Haushaltspolitik hat, die auf der Grundlage eines Jahres gemacht werden muß. W i r werden gleich anschließend aufführen, welche Elemente für eine Lösung des Problems, wie die erwähnte, von Bedeutung zu sein scheinen. Zuerst einmal gibt es die Einführung des Plans i n unsere „substantiellen" Gesetze: es ist von geringer Bedeutung, ob dieser Plan i n einem Gesetz oder irgendeiner anderen gesetzlichen Vorschrift enthalten ist, da es ausreicht, wenn er ein wesentlicher Teil der Gesetzgebung ist, u m als M i t t e l zur Angabe des Gesamtflusses von Ausgaben zu dienen. Als zweites sollte festgehalten werden, daß es zwischen den Gesetzen zu den Staatsausgaben und dem Etat verschiedenartige Beziehungen geben kann, alle verfassungsmäßig legitim. I m Gegensatz zu dem, was i n den Auffassungen des Rechnungsprüfungshofs erklärt wird, ist es demnach möglich, verschiedene Hypothesen ins Auge zu fassen, unter der Voraussetzung, daß es wesentliche Vorschriften vor der Aufstellung des Staatshaushalts gibt, und diese Vorschriften den Staatshaushalt selbst ersetzen. M i t einem Blick auf die Feststellung, welche der verschiedenen H y pothesen, die die Verfassung zuläßt, auch den Erfordernissen einer
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Haushaltspolitik nachkommt (die nicht nur — wie heute — ein starres Element darstellt, das nur auf einem kleinen Bereich der Staatsausgaben arbeiten kann), wollen w i r damit beginnen, daß w i r die Betrachtung einiger Ausgaben, die keine Probleme bezüglich der Beziehungen zwischen Planung, den Gesetzen zu den Staatsausgaben und dem Staatshaushalt aufwerfen, anschließen. Dies sind die Ausgaben, die ihre Grundlage i n organisatorischen Gesetzen, i n Verfassungsvorschriften oder organisatorischen Vorschriften an Dienststellen haben (z. B. Ausgaben für den Betrieb von Organen m i t autonomer Buchführung, Vorschriften zum Personal und ständiger Mitarbeiterstab usw.) oder sonst zu Ausgaben, deren Grundlage i n privatrechtlichen Beziehungen enthalten ist (wie die regelmäßigen Ausgaben durch Gehaltszahlungen). Für diese Ausgaben kann man die Möglichkeit einer jährlichen Gesamtüberprüfung nicht einmal i n Betracht ziehen. Sie bilden ein starres, oder auf jeden Fall der jährlichen Prüfung — was den Gesamtbetrag angeht, nicht die Abweichungen — entzogenes Element: das steht i m K o n f l i k t m i t dem Prinzip der Kontinuität staatlicher Organisation, — nach dem Gehaltszahlungen für den öffentlichen Dienst und die Bereitstellung öffentlicher Funktionen nicht unterbrochen werden darf — oder m i t dem Prinzip der Berücksichtigung der Verpflichtungen, die die öffentlichen Gewalten i n Beziehungen zwischen Staat und Privatpersonen eingegangen sind. Die Koordination dieser Ausgaben macht es jedoch möglich, ein erstes interessantes Element i n Hinsicht auf die Vorschläge zur Anwendung von Verfassungsvorschriften zu beobachten: i n diesem Fall werden i m Großteil der genannten Beispiele Ausgaben i n den Haushalt aufgenommen, auf der Grundlage wesentlicher Vorschriften, die ein Gesetz zu den Staatsausgaben sein können, aber nicht sein müssen, oder die gar kein Gesetz sind, sondern lediglich ein nichtparlamentarischer Organisationsakt. Der wichtigste zu beachtende Punkt ist folgender: „Gesetze zu den Staatsausgaben" können es dem Haushaltsplan überlassen, die jährlichen Gesamtausgaben zu bestimmen, indem sie implizit oder explizit dem Haushaltsplan diese Angelegenheit übertragen. Oder sonst können diese Gesetze die Ausgaben nur für angegebene Zwecke festlegen, indem sie die Ausgaben nicht obligatorisch bestimmen. Tatsächlich besagt der A r t i k e l 81 der Verfassung lediglich, daß der Etat an die „Gesetze zu den Staatsausgaben" gebunden ist, gibt aber nicht an, daß diese Gesetze ein präzis und analytisch festgestelltes Objekt haben und daß es Vorschriften zu dem Gesamtbetrag der Ausga-
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ben und ihrer Verteilung auf die Jahre aufstellen muß. A r t i k e l 81 stellt auch nicht fest, daß die mögliche Angabe all dieser Elemente i n den Gesetzen zu den Staatsausgaben notwendigerweise obligatorisch ist. M i t anderen Worten, der A r t i k e l 81 befaßt sich spezifisch m i t dem Etat, nicht m i t den Gesetzen zu den Staatsausgaben: was die Ausgaben angeht, w i r d lediglich erwähnt, daß sie nicht i n den Haushaltsplan aufgenommen werden dürfen, wenn es dafür keine „substantielle" Vorschriften i n der vorher existierenden Gesetzgebung gibt (Art. 81, § 3). Tatsächlich haben w i r schon gesehen, daß es i n unseren Gesetzen „substantielle Gesetze" zu den Staatsausgaben gibt, die keine Angaben zu den wirklichen Ausgaben machen (z. B. organisatorische Vorschriften). Die analytische und obligatorische Formulierung dieser „Gesetze zu den Staatsausgaben" w i r d daher nicht von der Vorschrift abgeleitet, daß der Etat keine Ausgaben enthalten kann, auf die i n einem „substantiellen Gesetz" unsere Gesetzgebung nicht Bezug genommen wurde. Die Notwendigkeit einer analytischen Definition oder jedenfalls der Festlegung der Ausgaben (sowohl als auch die Tatsache, daß, nach Meinung einiger, die Festlegung allerdings obligatorischen Charakter trägt) w i r d gewöhnlich als vom Absatz 4 des A r t i k e l 81, der sich m i t der Deckung der Ausgaben befaßt, abgeleitet betrachtet. A u f diese Weise w i r d dieser Vorschrift jedoch eine Wertigkeit zugesprochen, die sie i n Wirklichkeit gar nicht hat. Aber diese Verpflichtung betrifft lediglich vorher als obligatorisch festgelegte Ausgaben i n dem „Gesetz zu den Staatsausgaben". Wenn die letzteren keine verbindlichen Vorschriften machen, besteht keine Notwendigkeit, eine Deckung der Ausgaben anzugeben. Ist das „Gesetz zu den Staatsausgaben" ein Blanko-Gesetz, bestimmt es den Umfang der M i t t e l i m Etat sicher nicht vorher. Diejenigen, die glauben, daß der Absatz 4 von A r t i k e l 81 die Notwendigkeit vorsieht, die Ausgaben i n den „Gesetzen zu den Staatsausgaben" (verbindlich) anzugeben, modifizieren die Bedeutung des A r t i kels, indem sie seinen Wortlaut verkehren: die Verfassung sieht die Angabe der Deckung von Ausgaben vor, wenn das Parlament es vorzieht, die Ausgaben (verbindlich) anzugeben; nach der Interpretation, die w i r kritisieren, erfordert die Angabe der Deckung von Ausgaben notwendigerweise die obligatorische Angabe der Ausgaben; die Interpretation fährt dann dort, daß diese Angabe dann eine Deckung haben sollte. I n erster Linie sollte festgehalten werden, daß dadurch, daß man die Vorschrift zur Deckung von Ausgaben von der notwendigen Angabe von Ausgaben ableitet, ein inhaltlicher Zwang auf Gesetzesinitiativen
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des Parlaments wie der Regierung, und auf das legislative Verfahren selbst ausgeübt w i r d : Gesetze, die diesen Angaben nicht nachkämen, müßten als illegetim betrachtet werden. I n zweiter Linie aber war gerade das Problem der Deckung schlecht formuliert. Es betrifft Vorschriften, die das Gleichgewicht eines jeden Etats näher bestimmen. Erwähnt das „Gesetz zu den Staatsausgaben" den Umfang der Ausgaben nicht, oder nur andeutungsweise, impliziert es demzufolge, daß der Etat diese Feststellung treffen sollte. Daher soll die Festlegung des Umfangs der Ausgaben und ihrer Deckung bei der Aufstellung des Haushalts vorgenommen werden. I n anderen Worten, das Problem war schlecht formuliert, da es der Etat selbst ist, der, i n dem er ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben darstellt, eine „Deckung" repräsentiert. Selbstverständlich w i r f t diese Frage ein weiteres Problem auf, das der Inflexibilität der Festlegung der Einnahmen und des Manövrierens der Beträge bei der Aufstellung des Etats. Dies ist jedoch ein generelles Problem und ist hier nicht von Interesse. Es reicht aus, festgestellt zu haben, daß diejenigen, die der Ansicht sind, daß die Notwendigkeit obligatorischer Angabe der Augaben sich von den „Gesetzen zu den Staatsausgaben" ableiten läßt, dies nicht konform m i t den Verfassungsvorschriften tun, sondern u m von einer bestimmten Ausgabenpolitik abzuschrecken, denn auf diese Weise impliziert man, daß diese Ausgaben die Angabe einer Deckung einschließen müsse. I n dritter Linie, wie auch von den letzten beiden Absätzen von A r t . 81 der Verfassung, w i r d die Notwendigkeit, die Ausgaben verbindlich festzulegen, als von einer „Pflicht zur Aufrichtigkeit" abgeleitet angesehen. Es gibt allerdings kein Prinzip, von dem diese Pflicht abgeleitet werden könnte, noch ist verständlich, wer davon einen Vorteil hätte. Die i m Etat aufgeführten Ausgaben können auch nicht als neue betrachtet werden (Art. 81 Abs. 3 besagt, daß m i t dem Gesetz der B i l l i gung des Haushalts keine neuen Einnahmen oder Ausgaben beschlossen werden können). Sie wären auch nicht neu, wenn sie i n den „Gesetzen zu den Staatsausgaben" unverbindlich angegeben wären. Sie wären aber nicht einmal neu, wenn sie überhaupt nicht genannt w ü r den (hinsichtlich ihrer Gesamthöhe und ihrer jährlichen Verteilung); es ist tatsächlich ausreichend für eine Ausgabe, eine „substantielle" Gesetzesvorschrift zu haben, selbst wenn der Umfang der letzteren nicht genannt w i r d : w i r haben die Existenz von Regelungen dieser A r t schon erwähnt. Es gäbe schließlich auch keine — wie es behauptet wurde — Verpflichtung, die Ausgaben i m Kapitalkonto zu nennen: die Verfassungs-
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Vorschriften — die die einzigen sind, die eine Verpflichtung dieser A r t auferlegen könnten — sehen keine Unterscheidung vor und fassen keine verschiedenen Verfahrensweisen ins Auge hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine Angelegenheit laufender Ausgaben oder Ausgaben i m Kapitalkonto handelt. Von all diesen Bemerkungen (die die Notwendigkeit, daß die Legislative verbindliche Angaben von Ausgaben macht ausschließen) her ist es möglich, die Leitlinien für eine Reform der Beziehungen zwischen Planung, Gesetzen zu den Staatsausgaben und Etat zu skizzieren. Allerdings wäre es notwendig, eine auf zahlreiche Präzedenzfälle gestützte Erfahrung zu generalisieren: die Umformung der sogenannten Gesetze zu den Staatsausgaben i n Bestimmungen, die sich hauptsächlich m i t der Planung und Organisation befassen. Sie würden somit auch geeignete gesetzliche Regelungen der Ausgaben darstellen, da sie „stromaufwärts" den Plan, Alternativen über den Zeitraum mehrerer Jahre hinsichtlich von Gesamtausgaben und Ausgabensektoren zu erstellen, ermöglichten und „stromabwärts" den Etat, u m Ausgaben auf Jahresebene festzulegen (sowohl i n bezug auf das „ob überhaupt" als auch die Quantität). W i r werden weiterhin einen Blick auf die Lösungen werfen, die von dieser Richtung der Reform inspiriert worden sind. Es sollte nun i n erster Linie spezifiziert werden, daß auf diese Weise das Ziel erreicht wird, die Phase der jährlichen Formulierung der Ausgaben m i t Hilfe des Fünfjahresplans zu unterstützen. Sollte man tatsächlich keine Lösung des angegebenen Typs annehmen, wäre der Plan i n unserem System ein weiterer Faktor der Inflexibilität i n der Wahl, die jährlich bei der Aufstellung des Haushalts getroffen wird. Es sollte hinzugefügt werden, daß diese Beziehung zwischen Plan und Haushalt auch m i t der Hypothese kompatibel ist, daß der Plan nicht von einem Gesetz des Parlaments gebilligt wird. Selbst ein untergeordneter normativer A k t würde eine gültige Regelung der Ausgaben bedeuten; dies um so mehr, wenn es ein organisatorisches Planungsgesetz gäbe, welches wiederum ausreichte, u m Grundlage von Haushaltsentscheidungen zu sein. I n zweiter Linie sollte spezifiziert werden, daß i m Einklang m i t dem angegebenen Trend, daß die Bestimmung der Ausgaben Jahr für Jahr i m Haushaltsplan enthalten sein sollten, nicht aber i m Gesetz zur B i l l i gung des Haushalts. I n anderen Worten, es ist nicht einzusehen, warum dies wiederholt werden sollte, wenn die Funktion des Haushaltsplans tatsächlich Jahr für Jahr die quantitative Bestimmung von Bewilligungen ist.
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Die A r t der vorgeschlagenen Lösung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Der erste besteht i n der Möglichkeit, die bestehende Gesetzgebung zu „aktivieren", so daß die erwähnte Festlegung von Bewilligungen i n den Gesetzen zu den Staatsausgaben nicht auch die Einschränkung der Effektivität der Gesetze impliziert. Heute werden i m Gegenteil m i t der neuen Bewilligung von Mitteln, die Verleihung von Vollmachten m i t der Intention, die Effektivität von schon gebilligten Bestimmungen wiederherzustellen, untersagt, wenn diese Vorschriften eine vorherbestimmte finanzielle Bestimmung hatten, die nicht mehr existiert. Den zweiten Vorteil bildet die Möglichkeit, das Problem der Deckung von Ausgaben zu vermeiden. W i r haben schon gesehen, daß das Problem der Deckung der Ausgaben unter den gebilligten Gesetzen sofort nach der Billigung der Haushalte angesiedelt ist. Andererseits stellt der Haushalt selbst die Gesamtdeckung für die anderen Ausgaben dar. Wie bekannt ist, ist laut Rechnungsprüfungshof das Problem der Deckung der Ausgaben heute schon umgangen worden: Kredit, allgemeine Fonds, „bloße Vorhersagen", selbst über mehrere Jahre, das sind die Wege, auf denen das Problem umgangen w i r d : „Das tendenzielle Umgehen der Vorschriften aus A r t . 81 Abs. 4 i n der Praxis w i r d mehr und mehr gefördert und zwar i n dem Sinne, daß sie für die meisten der neuen oder umfangreichsten, i n diesen letzten Jahren bewilligten Ausgaben außer K r a f t gesetzt werden." (Beschluß und Bericht des Rechnungsprüfungshofs zu der allgemeinen Erklärung des Staats zu dem Haushaltsjahr 1968, S. 39.) Aber — und das sollte klar sein — es ist nicht so sehr eine Angelegenheit des Umgehens der Verfassungsvorschriften, zumindestens i n den wenigsten Fällen, sondern vielmehr die eines anderen Phänomens: der sich entwickelnde Trend, die Einschränkung öffentlicher Ausgaben zu begünstigen, der die Frage der Deckung der Ausgaben unterstützt und einer besonderen Interpretation der Verfasungsvorschriften gegen die heute vorherrschende Tendenz der Regierung bezüglich der Ausgaben (vgl. dazu die Diskussion der Rolle des Rechnungsprüfungshofes als eine „Kontrollinstanz des Parlaments" i n den Arbeiten von G. Carbone und G. Caianiello, veröffentlicht i n „Studien zum X X . Jahrestag der Verfassung" und i n „ I I Mulino", 1970, Nr. 2). Einer anderen Richtung folgend kann man sagen, daß die vorgeschlagene Lösung es ermöglicht, die Fallen der restriktiven Tendenzen, die von der Interpretation der Verfassungsvorschriften angeregt werden, zu vermeiden, aber sie i n ihrer Essenz zu respektieren. I n diesem Sinne kann man sagen, daß dank der Beschaffenheit der hier vorgeschlagenen Lösungen dem A r t i k e l 81, Absatz 4 tatsächlich i n der ange-
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messensten Weise gefolgt würde. Für die Deckung der Ausgaben ist i n der Tat gesorgt, und zwar insofern, als wirklich ermöglicht wird, daß jede Entscheidung i n den Rahmen eines allgemeinen und koordinierten Überblicks über die Situation der Ausgaben eingeordnet w i r d : das w i r d auf mehr zufriedenstellende Weise erreicht durch die Quantifizierung der Ausgaben sowohl i m Plan als auch i m Etat, denn diese sind die institutionellen Sphären, i n denen ein Gleichgewicht erreicht werden sollte (wobei es von geringer Bedeutung ist, welcher A r t es ist), wenn man alle Einnahmen und Ausgaben i n Betracht zieht (während bei der Deckung i n Gesetzen zu den Staatsausgaben nur einge Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden). Ein dritter und letzter Vorteil dieses Systems von Lösungen ist die Vermeidung von Überschneidungen von Gesetzen zu Staatsausgaben und Planungsgesetzen, und die Verringerung der Anzahl der Parlamentsentscheidungen m i t gleichem Ziel (heute haben w i r den Plan, das Planungsgesetz, das Gesetz zu den Staatsausgaben, den Etat). Gleichzeitig ermöglicht es dem Plan und Etat, an Konkretheit und Bedeutung zu gewinnen. Die soweit gemachten Anmerkungen nannten die Existenz von de facto Präzedenzfällen von „Gesetzen zu Staatsausgaben", die Ausgaben festlegen, oder es nicht oder i n nicht verbindlicher Weise tun. Kann man jedoch vernünftigerweise sich die Generalisierung dieser Präzedenzfälle vorstellen, die als Folge der Praxis stattfinden könnte? Oder sollte man nicht lieber an die Einführung von Bestimmungen denken, die i m allgemeinen Gesetze zu Staatsausgaben von der A r t , die man vermeiden möchte, entweder verhindern oder den Anreiz dazu nehmen? Wie kann eine legitime Möglichkeit — so wie sie heute besteht — zur Pflicht oder allgemeines Verhalten werden, wenn sie von Regelungen ermöglicht wird, die entgegengesetzte Pflichten und Verhaltensweisen verhindern oder diese erschweren? Es ist deutlich, daß von der Hypothese ausgegangen wird, daß das System der vorgeschlagenen Lösungen i m ganzen verfassungsmäßig legitim ist und so keine Zusätze zur Verfassung erfordert: das könnte durch die den Verfassungsvorschriften untergeordnete Gesetze erreicht werden. Selbst wenn es Autoren gibt, die diesbezügliche Zweifel haben, können w i r C. Mortati's Meinung erwähnen (Institutionen des öffentlichen Rechts, Vol. 2, Padua 1969); er schlägt tatsächlich die extreme These vor, — indem er sie verfassungsmäßig macht —, nach der es auf der Grundlage der A r t i k e l 81 und 95 der Verfassung möglich sein könnte, die „Eliminierung oder Reduzierung der parlamentarischen Eingriffe i n Angelegenheiten der Staatsausgaben auf ein M i n i m u m " herbeizuführen.
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination
U m die angegebenen Ziele zu erreichen, kann man drei Lösungen ins Auge fassen. Die erste, etwas radikalere, sollte darin bestehen, Initiativen — sowohl des Parlaments als auch anderer — zur Bestimmung von Ausgaben i m Zusammenhang m i t dem „Gesetz zu Staatsausgaben" einzuschränken. Daß es bezüglich des Haushalts keine parlamentarische I n i tiative gibt — da sie von der Verfassung direkt ausgeschlossen ist — bleibt dem Parlament oft nur die Möglichkeit, den Etat zu ergänzen (neben der Möglichkeit der Vollmachten zu Initiative und Ergänzungen i m Zusammenhang m i t „substantiellen Gesetzen" und Planungsangelegenheiten, selbst wenn i n der Realität parlamentarische Initiative auf diesem Gebiet schwer zu erreichen wäre). Eine Einschränkung dieser A r t ist sicherlich schwerwiegend, und es ist fraglich, ob sie i n die Parlamentsbestimmungen aufgenommen werden kann. Hinsichtlich des letzteren gibt es Formen vorübergehender Undurchfühbarkeit von Verfahren (Artikel 55 der Geschäftsordnung des Senats; A r t i k e l 55 des zur Zeit i n der Untersuchung befindlichen Entwurfs einer neuen Geschäftsordnung; A r t i k e l 67 des Geschäftsordnungsentwurfs für die Deputiertenkammer: Gesetzesvorlagen desselben Inhalts wie schon zurückgewiesener Vorlagen können nicht vor A b lauf von sechs Monaten nach der Zurückweisung an die Ausschüsse verwiesen werden) wie auch Formen des Aufschubs oder vorrübergehender Aufhebung (Art. 33 des Geschäftsordnungsentwurfs für den Senat: wenn die Regierung die Absicht äußert, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, dessen Gegenstand Objekt einer parlamentarischen Initiative ist, w i r d die Debatte dieser Angelegenheit vertagt oder vorübergehend aufgehoben, bis der Gesetzentwurf der Regierung vorliegt, aber auf jeden Fall nicht länger als einen Monat). Tatsache ist, daß — abgesehen von der nur teilweisen homogenen Natur dieser drei Fälle — die Einschränkimg der Initiative während der Phase des Vorlegens des parlamentarischen Gesetzesentwurfs von einer zeitlichen Einschränkung zu einer absoluten Einschränkung führt, da es keinen anderen Moment gibt, i n dem diese Initiative ihren Ausdruck finden könnte, m i t der zweifelhaften Ausnahme einer Initiative i n Planungsangelegenheiten. Natürlich könnte man tatsächlich sagen, daß die Vollmachten der einzelnen Parlamentsmitglieder nicht als Ganzes begrenzt sind, und daß sie sogar anwachsen: dieser vermehrte Einfluß w i r d i n der Zeit der Ergänzungen der beiden Hauptdokumente, des Plans und des Etats wirksam. Eine andere, sicherlich akzeptable Lösung ist die Prüfung, welche flexiblen Charakter trägt.
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I n erster Linie sieht die Verfassung selbst vor (Art. 71 und 72), daß die Gesetzesinitiative notwendigerweise von einem parlamentarischen Ausschuß untersucht werden muß. I n zweiter Linie sieht schon heute der A r t . für die Deputiertenkammer (aber nicht die scheidung vor, bevor die Angelegenheit vom zogen w i r d (trotzdem hatte diese Regelung „Sperrfeuer"-Effekt, denn i n den ersten fünf die Untersuchung nur dreimal abgelehnt).
133 der Geschäftsordnung des Senats) eine VorentPlenum i n Erwägung genicht den beabsichtigten Legislaturperioden wurde
Drittens wurden bei mehreren Gelegenheiten Vorschläge gemacht, hinsichtlich der Regulierung von Initiativen m i t Hilfe von „Vorkommissionen", Untersuchungen und der Schaffung eines speziellen „Generalgeschäftsführers der Legislative". Viertens wurde für den Senat ins Auge gefaßt, daß Haushaltsvorlagen dem Finanz- und Schätzausschuß unterbreitet werden sollen. Sollte keine Deckung der Ausgaben vorhanden sein und der kompetente Ausschuß, der sich m i t der Angelegenheit befaßt, seine Zustimmung verweigern, w i r d der Vorschlag dem Plenum unterbreitet (Art. 31 der Geschäftsordnung i n K r a f t und die A r t . 27 und 28 des Geschäftsordnungsentwurfs: laut der letzteren w i r d der Ausschuß sich tatsächlich m i t dem Plan und dem Etat befassen). Für die Deputiertenkammer sieht der neue Geschäftsordnungsentwurf vor, daß Gesetzesvorlagen, die Ausgaben implizieren, auch an die Haushalts- und Planungskommission weitergeleitet werden, die dem Bericht für das Plenum beigefügte Stellungnahme zu den Konsequenzen finanzieller A r t und denen betreffs des nationalen Wirtschaftsplans formuliert. Während ihrer legislativen Untersuchung muß der Ausschuß bei seiner Billigung der Vorlage die zustimmende Stellungnahme der Haushalts« und Planungskommission berücksichtigen; wenn der für die Streitfrage kompetente Sachausschuß der Auffassung der Haushaltsund Planungskommission, selbst nach dem Versuch, eine Einigung zu erzielen, widerspricht, w i r d die Gesetzesvorlage dem Plenum unterbreitet (Art. 89 und 91). Es scheint nicht möglich, stattdessen die Entscheidungsbefugnis des Senatspräsidenten — Gesetzesvorlage, A r t . 9 — über die Akzeptabilität eines zur Prüfung vorgelegten Gesetzentwurfs zu befinden, i n Betracht zu ziehen. Offensichtlich ist dies eine Vollmacht, die sich lediglich auf die bewertende Entscheidung hinsichtlich der formalen Ordnung und Korrektheit der Vorschläge bezieht. Die bisher gemachten Angaben haben auf verschiedenen Ebenen angesiedelte Beispiele und Präzedenzfälle vorgestellt: Verfassungsvor-
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination
Schriften regeln lediglich das Verfahren, indem sie für die obligatorische Prüfung durch Ausschüsse sorgen. Die Tatsache, daß diese Prüfungen vorgenommen werden, soll — sofern das System funktioniert — bewirken, daß Untersuchungen, die ebenso Gegenstand einiger Vorschläge zur Kontrolle von Initiativen waren, überflüssig sind. Was Vorschläge zu neuen Hegelungen angeht, so beabsichtigen die nur, die Vorlage vor das Plenum zu erschweren, welches demnach zum Schiedsrichter zwischen Kommissionen, die keine Einigung erzielen konnten, berufen wird. Gibt es eine Einigung i m negativen Sinne — w i r d eine weitergehende Untersuchung unterbunden. Es ist sicher, daß eine dieser Formen benutzt werden könnte, um die zur Debatte stehenden Probleme — wenn auch nur teilweise — zu lösen: eine Kommission hätte die Möglichkeit abzulehnen, daß Vorschläge i n Erwägung gezogen werden, die i m Plan und Etat nicht vorgesehene Ausgaben beinhalten; ansonsten könnte sie Vorschläge dieser A r t an das Plenum zur Untersuchung weiterleiten. Es muß jedoch festgestellt werden, daß ein nicht-unterbindender Effekt — wie der zweite gerade genannte — den gewünschten Zweck nicht ganz erreichen würde. I n den beiden letzten Regelungen sollte eine dritte hinzugefügt werden, die nicht übersehen werden darf. Diese besteht i n der Begrenzung parlamentarischer Gesetzesinitiativen durch die obligatorische Festlegung der Ausgaben i n den Gesetzen zu Staatsausgaben. Die Spezifizierung des Ausmaßes, der zeitlichen Verteilung und die jährlichen Beträge der Ausgaben werden angegeben. Natürlich t r i f f t diese Begrenzung auch nur auf einen Teil zu, und zwar i n dem Sinne, daß nur die Ausgaben als verbindlich angegeben betrachtet werden, die zur Zeit der Beschäftigung m i t Plan und Haushalt schon bewilligte Beträge betreffen. Aber wie leicht einzusehen ist, sind dies nur Ausgaben m i t einem zeitlichen Bezugsraum von weniger als einem Jahr. Eine Regelung i n dem beschriebenen Sinne könnte, i n die parlamentarische Geschäftsordnung aufgenommen, als verfassungsgemäß betrachtet werden. Einerseits impliziert diese Regelung nicht eine Eliminierung parlamentarischer Initiativen zu Angelegenheiten von Ausgaben; andererseits ermöglicht es Überprüfungen i n Abständen von einem Jahr wie auch fünf Jahren, und, bei Ablauf dieser Fristen, soll das Parlament den Gesamtbetrag öffentlicher Ausgaben (mit den erwähnten Ausnahmen) erwägen und kann m i t einem Entschluß intervenieren, i n der Absicht, die Beträge für die verschiedenen Posten (innerhalb des Rahmens der „substantiellen" Gesetzgebung, die dies ermöglicht) zu modifizieren, erhöhen oder zu verringern.
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A l l e oder einige dieser Reformmodelle treffen auf Schwierigkeiten, die weit davon entfernt sind, unwesentlich zu sein. Eine anfängliche Schwierigkeit rührt von dem Umstand her, daß die Angabe von Ausgaben — eine obligatorische Angabe — oft eine A r t der gegenseitigen Garantie politischer Gruppen untereinander darstellt, und besonders eine von oppositionellen Gruppen verlangte Form u m die Regierungskräfte an eine bestimmte Politik zu binden. Nun, i n dieser Hinsicht kann festgestellt werden, daß die Garantie, die durch eine umfassende Diskussion bei der Debatte über den Plan und insbesondere den Etat erlangt werden kann, größer zu sein scheint, da sie es ermöglicht, die gesamte Politik, die aus den Ausgaben resultiert, i n Erwägung zu ziehen, anstatt lediglich die Festsetzung oder Bewilligung einzelner Teile von ihr zu ermöglichen. Für die Kräfte der Opposition bedeutet das ein erhöhtes Maß an Verhandlungsmacht bezüglich der Mehrheit, als es heute möglich ist. Eine andere Schwierigkeit stellt — wie schon zur Genüge diskutiert — die Einschränkung der Initiativen einzelner Parlamentarier oder von Gruppen von Parlamentariern dar. I n diesem Zusammenhang sollte natürlich erwähnt werden, daß i n anderen Ländern die Haushaltsinitiative ausschließlich i n den Händen der Regierung liegt: dies ist der F a l l i n Großbritannien. Darüber hinaus sollte gesagt werden, daß, wenn auch Einschränkungen und Zwänge auf den Initiativen lasten, die Vollmacht, Gesetzesänderungen zu beschließen, davon nichtsdestotrotz unberührt bleibt. Darüber hinaus ermöglicht die Berücksichtigung der Angaben von Ausgaben bei der Behandlung des Etats eine organischere Anwendung des Deckungsprinzips. Sicherlich ist dies unmöglich, wenn dieses Prinzip als eine Regel, die die Ausgewogenheit des Etats gewährleistet, angesehen wird, oder als ein Hindernis für die Gesetzgebung bezüglich von Ausgaben. W i r d jedoch das Deckungsprinzip auf seine Originalfunktion zurückbezogen, als eine einheitliche Berücksichtigung der finanziellen Situation, kann man sich die Erfüllung dieses Prinzips durch die Förderung der Regierungsinitiative und Stärkung von parlamentarischen Untersuchungen (zu Jahres- oder Fünfjahresplänen) m i t der entsprechenden Vollmacht, Gesetze zu ändern, vorstellen. Zuguterletzt kann erwähnt werden, daß es keine gesetzliche Begrenzung der Vollmachten zur Initiative bei der Beschäftigung m i t der Planung gibt: selbst wenn es schwierig ist, sich eine Initiative betreffs der gesamten Pläne vorzustellen, sollten parlamentarische Initiativen bezüglich einzelner Teilpläne nicht ausgeschlossen werden.
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Thema
: Haushalt u n d Koordination
Ein Problem der Durchführung bleibt noch zu nennen: die zur Einführung vorgeschlagenen Gesetzesänderungen beenden nicht die Effektivität der vorher bestehenden Gesetze zu Staatsausgaben. I n dieser Hinsicht kann nur hinzugefügt werden, daß es notwendig ist, auf eine mehr oder weniger lange Periode von transitorischer Gesetzgebung zu warten, i n der die existierenden Bestimmungen außer K r a f t gesetzt werden. Das dritte aufgeführte Problem ist das der Inflexibilität der Führung des Haushalts. Wenn es zutrifft, daß die Vollmachten des Parlaments zum Zeitpunkt der einheitlichen Untersuchung des Haushalts wiederhergestellt werden müssen, t r i f f t es ebenfalls zu, daß die Verwaltung an eine übermäßig analytische Struktur des Etats gebunden ist: unser Etat enthält ungefähr 3000 Posten i m Vergleich zu den 200 des englischen Etats. Selbstverständlich ist das Thema des Etat-Managements umfassender und schließt andere Probleme m i t ein, so wie eine buchführende Verwaltung, die Einführung von Haushaltsplanungssystemen (bezüglich deren Nutzen zur Zeit viele Zweifel aufkommen) der ratsamen Überordnung eines Etatsystems m i t lediglich inhaltlicher Bedeutung über ein Etatsystem mit formaler Wirkung usw. Hinsichtlich des Problems, das uns hier beschäftigt — das verfassungsrechtlich-parlamentarische der Aufstellung des Etats — kann festgehalten werden, daß eine Reduzierung der Anzahl von Haushaltsposten nützlich und erstrebenswert scheint. Es wurden sog. allgemeine Haushaltsposten eingeführt (Büroausgaben, spezielle und allgemeine Fonds, Reservefonds, Reservefonds für unvorhergesehene Ausgaben usw.). Darüber hinaus gibt es keine starren Zwänge hinsichtlich einer weiteren Modifikation der Etatstruktur i m angegebenen Sinne. Diesbezüglich hat der Rechnungsprüfungshof darauf hingeweisen, daß das Gesetz Nr. 62 von 1964 „lediglich eine neue Klassifikation ohne Aussage zum Inhalt feststelle. Als eine Konsequenz gibt es deshalb auf der einen Seite weitgefaßte Entscheidungsvollmachten der Regierung bezüglich der Durchführung der Reform und auf der anderen Seite die Möglichkeit progressiver Berichtungen i n bezug auf konkrete Erfordernisse". (Rechnungsprüfungshof, Bericht über die allgemeine Stellungnahme des Staats zum Haushaltsjahr 1965, S. 23.) Diese Feststellungen würden daher dazu führen, die Möglichkeit einer neuen Etatstruktur i n Betracht zu ziehen, die eingeführt werden müßte, ohne A r t i k e l 37 der Buchführungsvorschriften von 1923 (geändert durch A r t . 1 des Curti-Gesetzes) das die Aufteilung der Ausgaben
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i n Titel, Sektionen, Posten, Kategorien und Kapitel leistete, zu modifizieren. Andererseits sollte berücksichtigt werden, daß eine Verringerung von Haushaltsposten, u m der Verwaltung Manövriermöglichkeiten i n der Führung des Etats zu ermöglichen, nicht notwendigerweise i m p l i ziert, daß die Klassifikationen, die für Kenntnis und Überprüfungszwecke von Bedeutung erscheinen, aufgehoben werden. I n anderen Worten: die Verringerung sollte nur die Posten betreffen, die einen Zwang auf die Verwaltung ausüben, i n dem Sinne, daß die letztere sie nicht modifizieren kann. Den anderen Posten könnte man die Aufgabe der Information überlassen und möglicherweise auch eine lenkende Funktion (in dem Sinne, daß sie lediglich eine lenkende Funktion der des Parlaments bezüglich der Verwaltung ausüben, welche die letztere nicht zu beachten braucht, wenn das nötig ist). Natürlich sollte man auch i n diesem F a l l die Einschränkungen transitorischer Natur nicht unterschätzen, die von der Existenz von Gesetzen zu den Staatsausgaben herrühren und die auf den Etat Zwang ausüben: i n dem Sinne, daß die Bestimmung des Ziels, so wie sie vom Etat vorgenommen wird, m i t der Tendenz der Bestimmungen der „substantiellen" Vorschriften zu den Staatsausgaben übereinstimmen, sie so wiederspiegeln und i n gewissem Sinne von ihnen abhängig sein muß.
Der Haushalt als Instrument der Koordination und Prioritätensetzung Länderbericht: Irland von Tomas O'Cofaigh I. Einführung 1. Standardmerkmale eines konventionellen Budgetsystems
Bis vor kurzem hätte man sich noch fest überzeugt für ein konventionelles Budgetsystem einsetzen können i m Sinne von Beschlüssen für die Dauer eines Jahres, von statistischem Material und Dokumentation unterstützt, und das eine Zuteilung von nationalen Geldmitteln zur Deckung des Bedarfs zum Ziel hat, eines Bedarfs, der einer Modellvorlage entspricht, die von den Gesetzgebern annehmbar und für eine finanzielle und politische Kontrolle geeignet ist. U n d man wäre weiterhin sicher gegangen, hätte man dieses Verfahren so verstanden, daß es sich hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, m i t öffentlichen Ausgaben für Dienstleistungen und Projekte befaßt, deren Ursprung sich i n der grauen Vorzeit politischer Aktivitäten verliert, und m i t steuerlichen und finanziellen Maßnahmen zur Finanzierung dieser Ausgaben. Ein solches konventionelles Budgetsystem ist dadurch gekennzeichnet, daß es weitgehend auf ein Jahr ausgerichtet ist und sich darauf beschränkt, Ausgaben zu berücksichtigen, ohne dabei eine klare Vorstellung der zu erwartenden Ergebnisse zu haben. A u f parlamentarischer Ebene ist seine Ausarbeitung dadurch bedingt, daß es ein geeignetes Instrument für eine unkomplizierte Kontrolle bietet. Diese Beschreibung bezieht sich natürlich mehr auf das Budgetierungsverfahren als auf den Zweck eines Haushaltsplans, der sich selbstverständlich auf umfassendere Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Managements erstreckt. 2. Ist dieses Verfahren noch gültig?
a) Es ist nicht länger tragbar, das konventionelle Budgetsystem i n diesem Sinne zu begreifen. Ein weithin erkennbares Phänomen der letzten 15 bis 20 Jahre ist, daß das Budgetverfahren einer eingehenden Prüfung unterworfen wurde und noch ist, denn es entspricht immer 23»
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weniger der steten Zunahme und der Verflechtung öffentlicher Dienstleistungen auf das Verhalten und Wohlergehen des einzelnen. Als Ergebnis dieser Prüfung und der Diagnose der Gründe für solche Unzulänglichkeiten konnte man eine weit größere Offenheit gegenüber Neuerungen i m Budgetverfahren feststellen, eine Offenheit, die glücklicherweise zusammentraf m i t der über nationale Grenzen hinaus entstandenen Notwendigkeit für die Erstellung eines mehrjährigen, planungsorientierten und funktionellen Budgetsystems und auch dazu beitrug, Lösungen zu finden. b) Es ist notwendig, am Anfang diese Tatsache klarzulegen, denn sie führen zu der Feststellung, daß Budgetieren als Instrument zur Koordinierung und Festsetzung von Prioritäten am besten von dem doppelten Gesichtspunkt — des sogenannten konventionellen Budgetsystems und — der Auswirkung von heutigen budgetären Neuerungen auf diese A r t von Budgetsystem her behandelt werden sollte. Es muß vielleicht dazu bemerkt werden, daß hier von einem Budgetsystem der Zentralregierung gesprochen wird. Daraus folgt, daß für die erwähnte Festsetzung von Prioritäten und die hier erörterte Koordinierung der politischen Maßnahmen die Zentralregierung, die M i nister dieser Regierung und die von ihnen geleiteten Ministerien verantwortlich sind. 3. Ausgangspunkt
Man könnte argumentieren, daß Beschlüsse über Prioritäten auf politischer Ebene gefaßt werden oder werden sollten, und zwar auf der Grundlage der notwendigen vom Verwaltungsbeamten gelieferten Daten; sie sollten dann auf Verwaltungsebene koordiniert werden natürlich unter Berücksichtigung der sich wiederholenden Aktionen und Entwicklungsvorgänge, denn Prioritäten sind variabel und nicht konstant. Man könnte daher Koordinierung vorwiegend als Funktion des Verwaltungsbeamten und die Festsetzung von Prioritäten ausschließlich als Funktion der Verantwortlichen für politische Beschlußfassung — Minister, parlamentarische Geschäftsführer u. a. m. — betrachten. Das wäre jedoch eine zu grobe Vereinfachung. Es gibt eine graue Zone, i n der Koordinierung i n den Bereich der Prioritätsbeschlüsse übergreift oder jedenfalls nach Prioritätsbeschlüssen verlangt, und der Verwaltungsbeamte, der sich der Grenzen seiner Funktionen bewußt ist, w i r d wegen der Einwirkung der Prioritäten auf seine Arbeit politische A n weisungen erwarten. Kann nach dieser Verwahrung der echte Wunsch
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des Verwaltungsbeamten, politische Maßnahmen zu koordinieren, und des Politikers, Prioritäten zu beschließen, überhaupt erfüllt werden? Von diesem Problem geht der vorliegende Bericht aus. Genügt es zu sagen, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg? K a n n solch ein Wille v e r w i r k licht werden? Oder sind die Instrumente und Verfahren zur V e r w i r k lichung — insoweit sie alle i n den Bereich des „Budgetierens" gehören — unzulänglich und wenn ja, können die Mängel behoben werden?
I I . Das konventionelle Budgetsystem 1. Keine Probleme
Kann eine Koordinierung politischer Maßnahmen unabhängig von der Festsetzung von Prioritäten vorgenommen werden? Die Festsetzung von Prioritäten — oder die Notwendigkeit, sie festzusetzen — hat ihren Ursprung i n den durch Geldmittel und Zeit auferlegten Beschränkungen. Wenn Budgetmittel i n Form von Geld oder Arbeitskräften nicht ausreichen, u m den Erfordernissen sofort zu entsprechen, muß — i m engeren budgetären Sinne — ein Zeitplan aufgestellt werden, aus dem klar hervorgeht, wie die Bedürfnisse nach festgelegten Terminen erfüllt werden können. Die Knappheit der M i t t e l i m Verhältnis zu den ausgewiesenen und anerkannten Notwendigkeiten ist erst i n der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg wahrnehmbar und akut geworden. Zugegebenermaßen wurden w o h l schon immer gewisse geschickte Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, aber es scheint doch eine Zeit gegeben zu haben, i n der die soziale und wirtschaftliche Beteiligung der Regierung noch nicht, so wie heute, dieser komplexe und anspruchsvolle Vorgang war, die Schwierigkeiten also noch nicht vorherrschten. I n solch einer Situation konnte das Budgetieren noch i n Zusammenhang m i t der Koordinierung politischer Maßnahmen gebracht werden und nicht m i t der Festsetzung von Prioritäten. Die K o ordinierung politischer Maßnahmen konnte dann w o h l durch eine unbekümmerte Aufzählung des gesamten Bedarfs eines Ministeriums verwirklicht werden, der i m Budget zusammenfassend dargestellt war. Das Leben der Verwaltungsbeamten muß einfacher gewesen sein, und das Los der Verantwortlichen für politische Entscheidungen weniger gefahrvoll, als noch die dem Budget zugrunde liegende Philosophie einfach hieß: sei wachsam! I m Laufe der Jahre wurden neue Notwendigkeiten anerkannt, die diese Philosophie verdrängten: Bedarfs-Management und konjunkturelle Reaktionen, nationale Planung und Programmierung, die Bereitstellung von ausgedehnten sozialen Dienstleistungen, mehr öffentliche Investitionen i n nationale Industrien und Infrastrukturen und
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nationale Beteiligung an multi-nationalen Maßnahmen — wie zum Beispiel i m Rahmen der Europäischen Gemeinschaft. 2. Probleme
Das Budgetsystem als einfache Verwaltung und Kontrolle der öffentlichen Finanzen ist schon lange überholt und das, was einmal angemessen war, platzt seit einiger Zeit aus allen Nähten. Da so viele verschiedene Faktoren berücksichtigt, so viele Probleme gelöst und alle Beschlüsse, die sich daraus ergeben, i n das Budget hineingezwängt werden müssen, ist dieses ganze Verfahren so etwas wie eine Tretmühle geworden. Dabei ist bemerkenswert, daß der Budgetmachanismus — ganz allgemein gesprochen — sich doch als flexibel gegenüber konjunkturellen Bedürfnissen erwies. So kann — und w i r d auch — diese Flexibilität, insofern es sich u m steuerliche Veränderungen oder Verminderung bzw. Erhöhung öffentlicher Ausgaben handelt, ganz gut innerhalb des konventionellen Budgetsystems gewährleistet werden. Bei der ständigen Suche nach Verbesserungen darf man diese erprobte Fähigkeit des konventionellen Budgetsystems nicht vergessen. Aber gerade dieser Vorzug hat zu anderen Klagen Anlaß gegeben: besonders wurde das „Stop-Go"-Budgetieren, also das unvorhergesehene, kurzfristig beschlossene, scharf kritisiert, das entweder direkt Mängel i m System zugeschrieben oder dem durch dies Budgetsystem zumindest der Weg geebnet wird. „ E i n ewiges H i n und Her i n der Ausgabenpolitik der Regierung hemmt die Leistungsfähigkeit und W i r t schaftlichkeit der öffentlichen Dienste. Es schadet der Ausgaben- und Finanzpolitik auf allen Ebenen . . . Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt . . . , daß kurzfristige ,Sparkampagnen 4 und ,Stop- and Go'Methoden eine echte Kontrolle der öffentlichen Ausgaben beeinträchtigen." Das sind Worte aus dem Plowden-Bericht — auf den ich später zurückkommen werde — über „Kontrolle öffentlicher Ausgaben i n Großbritannien 1961"1. Eine Verminderung oder Erhöhung der Ausgaben sollte vernünftig begründet werden; sowohl politische als auch wirtschaftliche, aber allzu oft kurzfristige finanzielle Argumente setzen sich durch, wenn sie zu wirtschaftlichen Kriterien i m Widerspruch stehen. 3. Nationale Lösungsversuche
Eine Analyse der verschiedenen Auswirkungen, durch die ein schnelles, ungeplantes „Stop-Go"-Budgetieren eine vernünftige Vergabe von M i t t e l n und die Entwicklung von Prioritätsfestsetzung und Koordinie1
HMSO, 1961.
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rung politischer Maßnahmen beeinträchtigt, hat Änderungsvorschläge für das Budgetsystem zur Folge gehabt. Diese Vorschläge haben viel gemeinsam mit denjenigen, die sich aus der Analyse anderer Notwendigkeiten für das Budgetsystem von anderen Aspekten her gesehen ergeben haben. Betrachtet man diese nationalen Neuerungen als Resultat nationaler Diagnosen, so könnte man für Großbritannien von einer Verbesserung des „Stop-Go"-Systems sprechen, für Schweden von einer wirksameren, leistungsfähigeren Planung öffentlicher Ausgaben, für die Vereinigten Staaten von einer rationellleren und besser angepaßten Planung und Budgetierung, für Frankreich von einer Rationalisierung der budgetären Auswahlmöglichkeiten und für die Bundesrepublik Deutschland von einer mehrjährigen finanziellen Planung. 4. Vernunftswidrigkeiten
Es ist bitter festzustellen, daß, wenn klar definierte deutliche Prioritäten bei den Programmen für öffentliche Ausgaben fehlen, das Budgetierungsverfahren für die Anpassung von Dienstleistungen an die Geldmittel oder sogar für die durch konjunkturelle Notwendigkeiten diktierte Anpassung sehr häufig ganz irrationale und vollkommen unangebrachte Ausgabenkürzungen zur Folge hat. Diese spiegeln oft den Erfolg einer Methode der „höheren Gewalt" i n solchen Bereichen w i der, die aus politischen oder personallen Gründen dem nicht so leicht Widerstand leisten können. Diese „ad hoc "-Kürzungen sind geradezu eine Beleidigung für eine Prioritätsfestsetzung und sie sind kaum vereinbar m i t der Notwendigkeit für eine Koordinierung politischer Maßnahmen. Solche Umstände w i r k e n sich oft durch eine seltsame Aneinanderfügung von Prioritäten aus, wie z. B. die Einführung von Kostenbeiträgen für Rezepte bei bisher kostenlosen Gesundheitsdiensten und gleichzeitig eine Erhöhung der Ausgaben für Krankenhausbau. Durch solche Beispiele können i m Budget Anomalien hervorgehoben und die Notwendigkeit einer Koordinierung betont werden, aber die Beweggründe für die Festsetzung von Prioritäten waren noch nicht zwingend genug, und der Wille, Prioritäten zu setzen, ist entweder verworren oder unterliegt sich widersprechenden Zwängen. 5. Beschränkung der Geldmittel
Gewaltige Ausgabenkürzungen sind m i t der Unzulänglichkeit der Geldmittel, aber auch ebenso m i t den konjunkturellen Notwendigkeiten verbunden. Nichts kann mehr dazu anspornen, Prioritäten zu setzen, als die Erkenntnis, daß ein Staat nicht über seine M i t t e l leben kann. Diese Erkenntnis t r i t t eher wie ein Schock auf als wie eine langsam entstehende vernünftige Überzeugung, ein Schock, den erst die
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Regierung spürt und der sich dann wellenförmig ausbreitet, Institutionen, Interessengruppen und die allgemeine Bevölkerung erfaßt. Und dann muß man w o h l eben oft m i t einer Schockbehandlung kurieren. Das Budget ist der Brennpunkt, i n dem die Kosten für die Vielfalt der dringenden Erfordernisse der Regierung registriert werden, Erfordernisse, deren gemeinsamer Nenner sehr häufig i h r übergroßer Bedarf an Geld und Arbeitskräften ist. Diesen Erfordernissen — einzeln gesehen — ist nichts vorzuwerfen: bessere Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und Straßen, schnellere und umfassendere Slum-Sanierung, großzügigere soziale Dienstleistungen, technologische Entwicklung — aber alle zusammen sind kurzfristig untragbar. Hier gibt sich das schwerwiegende Dilemma der Prioritätsauswahl: die einzelnen öffentlichen Dienstleistungen sind an sich wünschenswert, jedoch können sie unmöglich bei den zur Verfügung stehenden M i t t e l n gleichzeitig m i t den gewünschten Summen bedacht werden. Es wäre vorteilhaft, kurzfristige Prioritäten einzuhalten, wenn sich dringende Kürzungen oder Erhöhungen i n den öffentlichen Ausgaben als notwendig erweisen. Jedoch sind das nicht die gleichen Prioritäten wie die langfristigen. 6. Die Wichtigkeit analytischer Untersuchungen
Versuche einer Prioritätsauswahl innerhalb einer festgesetzten Frist, die durch den jährlichen Zyklus bestimmt wird, ist sicherlich oft eine Angelegenheit unbewiesener Voraussetzungen — so wie z. B. daß kommunale Wohnungen billiger seien (oder auch teurer!) als private oder daß das kommunale Bauwesen komplizierter und kostspieliger sei als das durch Gewinn bestimmte des privaten Sektors. Unter dem Druck solcher Umstände gefaßte Prioritätsbeschlüsse haben manchmal die Verbreitung allzu einfacher Schlagwörter zur Folge, wie „Kostenlose Bildungsmöglichkeiten für jedermann", die, einmal i n Umlauf gebracht, später schwer zu beweisen und kaum, sollte es einmal notwendig werden, durch systematische Analysen auszurotten sind. Ein jährliches Budget eignet sich nicht für solche analytischen Verfahren, wenn nicht neben dem budgetären Zeitzyklus ganz eindeutig ein Zyklus oder ein Programm für analytische Studien vorgesehen ist und die Ergebnisse der Studien durch klare Anordnungen i n die vorbudgetären Beschlüsse aufgenommen werden 2 . Ohne diese Gewähr werden nicht getestete Werturteile überleben und sich in Prioritäten einschleichen. Ist z. B. ein allgemein kostenloses Hochschulsystem, angenommen die Geldmittel sind verhältnismäßig knapp, tatsächlich erfolgreicher als ein solches, das auf zinsfreien oder nur m i t niedrigen Zinsen belegten Dar2 „Das Entwicklungssystem für Verwaltung und Kontrolle Ausgaben" — (Sir Samuel Goldman K. C. B.) — HMSO, 1973.
öffentlicher
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lehen für Studenten fußt? Bedeuten kostenlose Bildungsmöglichkeiten auch wirklich eine vernünftige Verwendung der Mittel, wenn dadurch die Wohlhabenderen noch mehr Vorteile haben, diejenigen eben, die über günstigere Vorbedingungen verfügen und die Möglichkeiten besser ausnützen können als die anderen Studenten? Wenn solche Fragen noch gestellt werden können, dann herrschen Werturteile immer noch vor. Und hier möchte man ganz nebenbei bemerken, daß wohl allgemein der Wunsch besteht, den nicht so gut Situierten M i t t e l zu gewähren, ohne jedoch die Vorteile zu erwähnen, die dabei den wohlhabenderen Bevölkerungsgruppen zuteil werden, Vorteile, die vielleicht nicht akzeptiert worden wären, hätte man sie klar identifiziert. Wenn vielleicht auch dieser Punkt für das Hauptargument belanglos ist, so bekräftigt er doch die Notwendigkeit, Analysen zu erstellen und die Ergebnisse in das Budgetverfahren einzubeziehen. 7. Der Gehaltsposten — ein unwägbarer Faktor
Analysen nützen gar nichts, wenn nicht die richtige Information der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt übermittelt wird. Es kann eine ganz unkomplizierte Analyse sein. So ist z. B. ein bedeutender A n teil des nationalen Haushalts für Gehälter bestimmt, Gehälter für Beamte, Lehrer, Polizisten, Soldaten und andere. Die Festlegung, A u f teilung und Verwaltung dieses Hauptpostens des Budgets ist schon i n sich eine Priorität, aber wenn dieser Gehaltsposten nicht eindeutig den entsprechenden Dienstleistungen angepaßt und, wenn notwendig, diesen i m richtigen Verhältnis zugemessen w i r d — was i m konventionellen Budgetsystem nicht immer der Fall ist — dann entsteht eine Informationslücke, die für eine allgemeine Festsetzung von Prioritäten nachteilig ist: vergleichende Gesamtkosten der Dienstleistungen für die Bewertung des relativen Nutzens von Programmen stehen nicht zur Verfügung, und für die Budget-Beschlüsse i m Hinblick auf das Niveau der Dienstleistungen fehlen die entsprechenden Informationen über eine Zu- oder Abnahme der Kosten bei Veränderungen des Umfanges der Leistungen. So weisen z. B. nationale Programme stetig steigende Kosten für soziale Dienstleistungen auf, ohne jedoch unbedingt dabei auszusagen, ob auch der Umfang der Leistungen zunimmt. Tatsächlich steht eine Zunahme der Kosten nicht durchaus mit dem Umfang der geleisteten Dienste i n unmittelbarem Zusammenhang, denn ein Großteil der Ausgaben ist für Gehälter, für Lehrer und Angestellte der Gesundheitsbehörden bestimmt. Unklare Informationen beeinträchtigen die Bewertung von Prioritäten, und jeder Fortschritt i n dieser Richtung w i r d noch zusätzlich gehemmt, denn der Versuch, die Prioritäten i n diesen Bereichen zu ändern, stößt auf den Widerstand nicht nur der Verbraucher der Dienstleistungen, sondern auch ihrer Verteiler! Beide
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maßgeblichen Gruppen werden sich dem Argument widersetzen, daß es i m öffentlichen Interesse sei, den Kostenplan i n ihrem Bereich zu ändern, u m eine vernünftigere Zuteilung der Geldmittel zu erreichen. 8. Prioritäten und der einzelne Bürger
Eine Rationalisierung der Zuteilung von Geldmitteln oder der budgetären Auswahl hat den Beigeschmack einer entseelten Begriffsakrobatik und w i r d von dem Mann auf der Straße nicht bereitwillig anerkannt. Das gilt auch für Argumente über Zahlungsausgleiche. Man kann ihn leicher dazu überreden, Prioritäten hinzunehmen, die i h m unmittelbar wehtun, die eine — für ihn ungünstige — Haushaltsaktion rechtfertigen, wenn man i h m i n wesentlichen Begriffen klar macht, daß diese A k t i o n einen langfristigen Zweck erfüllt, aus dem er dann Nutzen ziehen kann. Man kann daher die anerkannte Notwendigkeit, klare Ziele für die öffentlichen kurz- und mittelfristigen Ausgaben zu setzen, von zwei Seiten her betrachten: (a) als Grundlage für eine vernünftige Zuteilung der M i t t e l vom unparteiischen Standpunkt des Verwalters aus gesehen und (b) vom politischen Standpunkt aus gesehen, u m dem einzelnen Bürger Prioritätsbegriffe schmackhafter zu machen. Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und verschiedenen Regierungsbereichen lassen sich eher ausgleichen — bestimmt prinzipiell, wenn nicht tatsächlich —, wenn die Ziele klar definiert und i n einem Gesamtrahmen und m i t einer gewissen Fernsicht dargestellt sind. (Der Wunsch nach einem Meinungsaustausch m i t dem einzelnen Bürger hat auch die Verteilung der „weißen" und „grünen" Informationsblätter angeregt, u m auf diesem Wege die öffentliche Meinung über budgetäre und steuerliche Maßnahmen und Prioritäten zu erfahren.) 9. Inter- und intra-ministerielle Prioritäten
Die Schwierigkeit, die aus sich widersprechenden Belangen entsteht und die Notwendigkeit erkennen läßt, die Ziele i n weiten sozialen und wirtschaftlichen Bereichen zu definieren, offenbart auch die Notwendigkeit einer Koordinierung und die Möglichkeit, diese i m Rahmen des Budgets zu verwirklichen. K l a r umrissene Ziele mögen schon für einzelne soziale und wirtschaftliche Abteilungen definiert worden sein, doch allzu selten wurden sie i n gemeinsame und umfassende politische Vorhaben übertragen. Leistungsfähigkeit erfordert als äußerstes M i n i m u m klar festgesetzte Prioritäten innerhalb einzelner Ministerien und zwischen einzelnen Ausgabenplanungen und die Möglichkeit, diese Prioritäten regelmäßig nachzuprüfen, so daß die verschiedenen Ministerien die eigenen Projekte, wenn notwendig, m i t denen der anderen
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Ministerien abmessen können und so die Garantie haben, daß die Prio* ritäten i n den verschiedenen Ministerien miteinander vereinbar sind. Die Aufstellung umfassender Ziele w i r d unbestreitbar dazu führen, daß sich die politischen Programme i n den verschiedenen verfassunggebenden Ministerien nach ergänzenden und einheitlichen Richtlinien entwickeln werden. Und aller Wahrscheinlichkeit nach w i r d es dann auch möglich sein, einen Zeitplan für einzelne Prioritäten auszuarbeiten, i n dessen Rahmen Geldmittel in wohlerwogener und positiver Form nach einem mittelfristigen Plan zugeteilt werden können. 10. Sektoren überbrückende Prioritäten
Mangels einer rationalen Definition werden Prioritäten für öffentliche Ausgaben, ob innerhalb eines Bereiches, wie in dem eben erwähnten Fall, oder zwischen verschiedenen Bereichen, z. B. Wohlfahrt kontra Wirtschaft, meist i n t u i t i v oder nach Werturteilen festgesetzt. Dies Verfahren mag zwar das beste für die pragmatischen und groben j ä h r l i chen Budgetüberprüfungen sein, verursacht jedoch Schwierigkeiten, wenn es an der Zeit ist, die i n diesem Zusammenhang gefaßten Beschlüsse m i t mittelfristigen Zielen, Programmen und Prioritäten zu vereinbaren. Und dabei taucht natürlich wieder die schon erwähnte Schwierigkeit auf, einen kurzfristigen Prioritätsbeschluß den Verbrauchern schmackhaft zu machen. Man braucht hier nicht ausführlich darauf einzugehen, daß die Rechtfertigung, die einer die Sektoren überbrückende Prioritätssetzung zugrunde liegt, mehr als nur eine Frage des „Schmackhaftmachens" ist. Soziale Investitionen i n Wohnungsbau, Erziehung und Krankenhäuser sind eine notwendige Vorbedingung für eine umfassende und ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung. Scharfsichtige Verbraucher erkennen immer klarer die enge Beziehung zwischen Entwicklungsausgaben, die weitgehend Investitionen betreffen, und sozialen Ausgaben, die eher Konsumcharakter tragen. Das Budget macht Vergleiche und das Erkennen der jeweiligen Bedeutung möglich, aber wenn die Informationen, die dem Verantwortlichen für die Beschlüsse zur Verfügung stehen, richtig genutzt werden sollen, dann w i r d ausreichend Zeit für eine intensive Beschäftigung mit der Frage und folgerichtige Aktionen dringend notwendig. 11. Bewertung der Leistungsfähigkeit
a) öffentliche Dienstleistungen oder Programme neigen dazu, i n sich zu erstarren, sobald sie einmal lanciert sind. Nirgends kann man das klarer erkennen als i m Budget. Soziale Programme stellen ganz besonders diese Unbeweglichkeit zur Schau. Sie überdauern manchmal ihren Nutzen und legen M i t t e l mit Beschlag, die besser für andere Program-
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination
me oder für Veränderungen von Programmen ausgegeben würden, um dem gleichen Bedarfsbereich zu dienen. Die Rangordnung der Prioritäten sollte für Änderungen offen sein, damit sie dem Bedarfswandel angepaßt werden kann. Einmal anerkannte Prioritäten und einmal begonnene Dienstleistungen müssen regelmäßig und sorgsam auf die Nützlichkeit der zur Deckung des Bedarfs dafür i m Budget vorgesehenen M i t t e l überprüft werden. Heute tendiert man dazu, die Nützlichkeit von Ausgaben i m Rahmen eines mehrjährigen Zyklus zu analysieren an Hand von für diese bestimmte Dienstleistung geeigneten Leistungsmaßstäben oder allgemeineren Indikatoren für die Auswirkung der Dienstleistung auf die Prioritätsfestsetzung. Das konventionelle Budgetsystem stützt sich immer häufiger auf eine mehrere Jahre umfassende Perspektive, aber nur selten fördert es eine Bewertung der Leistungsfähigkeit. I n den Ländern, die einen Unterschied zwischen Investitionsund Konsumbudget machen, ist es paradoxerweise leichter, Prioritäten zu definieren und eine Koordinierung zu erreichen, eben w e i l gerade das Budget i n diese zwei Sektoren aufgespalten ist. Die eindeutige Identifizierung dieser beiden Ausgabenbereiche kennzeichnet sehr oft ihre Komplementarität. b) Ausgaben oder Programme, die ihren Nutzen überdauert haben, werden recht malerisch als „Totholz" bezeichnet. Es wäre nützlich, immer wieder mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß, u m eine rationellere und wirksamere Ausgabenpolitik der Regierung i m Dienste der Gesellschaft zu erreichen, mehr und bessere Kosten-Nutzen-Analysen oder andere Methoden zur Ausgabenkontrolle angewandt werden müssen. Diese Analysen sollten nicht nur, weil üblich, der Bewertung neuer I n vestitionsprojekte dienen, sondern auch, m i t Hilfe der Kosten-NutzenMethode, der Überprüfung laufender öffentlicher Dienste. Das jährliche Budget scheint die „Totholz"-Ausgaben von allen grundsätzlichen Fragen nach Zweck, Kosten und Nützlichkeit auszuschließen. Ein „ N u l l " Budget könnte anregen, das Problem stückweise und allmählich anzugehen: angenommen, diese Dienstleistung bestünde gar nicht, welches wären dann die Mindestkosten oder die wirksamste Methode, u m eine gegebene Gesamtleistung zu erreichen? Mangels einer Grundlage für eine systematische Neubewertung ist die Anpassung von Prioritäten eher eine Frage, Programme dem Budget hinzuzufügen, als eine A n gelegenheit, Programme zu ersetzen. 12. Die Rolle der Analyse
Kosten-Nutzen-Analysen und anere Formen von Tiefenanalysen sind kein A l l h e i l m i t t e l für Prioritätsprobleme, indem sie die richtige A n t wort mit Hilfe von komplizierten Berechnungen erteilen, aber sie soll-
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ten die richtigen Fragen angeben, durch welche die objektiven oder subjektiven, die materiellen oder immateriellen Kriterien für nützlichere Erwägungen und Erörterungen herausgestellt werden können. Den Analysen wäre ein schlechter Dienst erwiesen, wolle man mehr von ihnen verlangen. Sie dienen i n der Hauptsache dazu, Quantitäten festzustellen, und ihr Wert hängt von ihrer richtigen Verwendung ab. Die Erfahrung lehrt, daß Ministerien und Verwaltungsbeamte dazu angetrieben werden müssen, solche Studien i n Gang zu setzen und sie für ihre Arbeit zu benutzen. Die für die verschiedenen Bereiche angewandten Methoden müssen überprüft, und eine zentrale Stelle für die gesammelten Kenntnisse muß geschaffen werden, von der aus dann schließlich Budgetentscheidungen herbeigeführt werden können. Diese Arbeiten sollten eines der Hauptanliegen der zentralen Haushaltsbehörde sein. Wenn es die Experten zu weit treiben und behaupten, daß sich durch Analysen Antworten auf alle Fragen finden lassen, dann könnten die Verantwortlichen für politische Entscheidungen derart reagieren, daß sie die Ergebnisse verschleiern und damit beweisen, daß sie frei seien, Entscheidungen auf der Grundlage von ad-hoc-Beschlüssen, Kuhhändeln oder Werturteilen zu fällen. Klare Prioritäten aufzustellen, mag intellektuell vollkommen vertretbar sein, aber es ist eine bittere Medizin, und sowohl die Verantwortlichen für politische Entscheidungen als auch die einzelnen Bürger finden Disziplin verständlicherweise nicht sehr attraktiv. Sie zögen es vor, alles auf einmal und sofort zu tun! I I I . Neuerungen und Möglichkeiten i m Budgetverfahren 1. Einige nationale Neuerungsversuche a) USA, Großbritannien,
Schweden
aa) Man braucht w o h l bei einem europäischen Treffen wie diesem hier nicht zu betonen, daß das PPB-System der Vereinigten Staaten nicht die einzige Anregung für die heutigen budgetären Neuerungen war — obwohl die Neuerer den Ideen dieser Methode, ihrer systematischen Argumentation, ihren Begriffen und einzelnen Elementen viel verdanken. Die Vorstellungen gingen z. B. i n Schweden und Großbritannien gleichzeitig oder vielleicht noch früher als die der Amerikaner i n diese Richtung. Viele werden die Auffassung teilen, daß die Ratschläge des Plowden-Ausschusses i n Großbritannien und die Empfehlungen i m Bericht von 1961 einen ebenso bedeutenden Anstoß zur Neuerung und Veränderung darstellen wie die Einführung des PPB-Systems i n die USA, die von Herrn McNamara und Präsident Johnson angeregt worden war. Der Ausschuß sagte: „ W i r sind zu der endgültigen Schlußfolgerung gekommen, daß Entscheidungen, bei denen es um
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erhebliche Ausgaben für die Zukunft geht, immer unter Berücksichtigung von Untersuchungen über öffentliche Ausgaben als Ganzes getroffen werden sollten und zwar für eine Periode von mehreren Jahren und unter Beachtung der zu erwartenden Mittel. Beschlüsse über öffentliche Ausgaben, sei es für Verteidigung oder Erziehung, für Uberseehilfe oder Landwirtschaft, für Renten oder für was auch immer, sollten nie gefaßt werden ohne Berücksichtigung (a) dessen, was das Land sich über eine längere Periode i m Hinblick auf die voraussichtlichen M i t t e l leisten kann, und (b) der relativan Wichtigkeit einer speziellen A r t von Ausgaben verglichen m i t einer anderen. Das scheint selbstverständlich zu sein, aber auf administrativer (und möglicherweise auch auf politischer) Ebene ist dies nicht so leicht durchzuführen." Der Ausschuß befürwortete eine Umformung des Postens „ ö f fentliche Ausgaben" i m Budgetsystem Großbritanniens (man könnte das jedoch auch auf die internationalen Ebene übertragen), die sich auf vier wesentliche Faktoren gründet: 1. Regelmäßige Untersuchungen über öffentliche Ausgaben als Ganzes für eine Vorausperiode von mehreren Jahren i m Hinblick auf die voraussichtlichen M i t t e l sollten durchgeführt und Beschlüsse über wesentliche zukünftige Ausgaben i m Lichte dieser Untersuchungen gefaßt werden. 2. Die gefaßten Beschlüsse über öffentliche Ausgaben sollten so beständig wie möglich sein, so daß sich i m gesamten öffentlichen Sektor langfristig eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entwickeln kann. 3. Die Techniken zur Bewertung und Handhabung der durch öffentliche Ausgaben entstehenden Probleme sollten verbessert und für die Behandlung dieser Probleme i m gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes sollten weitgehender quantitative Methoden angewandt werden. 4. Wenn Verwaltungsbeamte bei Angelegenheiten der öffentlichen Ausgaben kollektive Beschlüsse fassen und kollektive Verantwortung übernehmen müssen, sollten ihnen bessere Verfahren zur Verfügung stehen. bb) Der ausgezeichneten Darlegung i m Plowden-Bericht schlossen sich Entwicklungen i m britischen öffentlichen Finanzsektor an, die weithin bekannt sind und m i t Interesse verfolgt werden. Ein dortiger Beamter bemerkte einmal dazu, daß öffentliche politische Maßnahmen und Programme wie Kriegsschiffe seien: sie brauchen zehn Jahre für eine Kehrtwende. Als besondes positiver Faktor kann dem PlowdenBericht zugeschrieben werden, daß er bewirkt hat, öffentliche Programme auf vernünftige und wohlüberlegte Weise i n weniger als fünf
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Jahren zu einer Kehrtwende zu bringen — und auch i n einem kürzeren Zeitraum, wenn auch vielleicht einem unvernünftig kurzen! cc) Der britische Standort — Der Budgeterneuerung von Plowden liegen zwei, möglicherweise drei unterschiedliche Hauptmerkmale zugrunde, die nacheinander eingeführt wurden, nämlich das Überwachungssystem für öffentliche Ausgaben, das System der Programmanalyse und Überprüfung und, weniger eindeutig, mehrjährige BudgetProgramme oder -Pläne. Zum Überwachungssystem für öffentliche Ausgaben gehört die Vorlage konsolidierter Ausgaben der zentralen und lokalen Behörden für weitgefaßte funktionelle Programme über eine Periode von fünf Jahren; seit einigen Jahren läuft dieses System bereits und bietet einen Koordinierungsmechanismus für das Budget und eine vernünftige und systematische Grundlage für eine weitgefaßte Vergabe von M i t t e l n an den öffentlichen Sektor und für eine detaillierte Vergabe an einzelne Bereiche dieses Sektors. Weißbücher über die Untersuchungen werden jährlich veröffentlicht, u m dem Parlament und der Öffentlichkeit Gelegenheit zu geben, die Absichten der Regierung hinsichtlich der öffentlichen Ausgaben zu verstehen und sie zu erörtern. Mehrjährige Budget-Programme oder -Planungen wurden auch innerhalb einiger Ministerien entwickelt. Sie sollten eine A r t Ergänzung zur Untersuchung der öffentlichen Ausgaben sein, indem sie die Planungs- und Analyseverfahren innerhalb der Hauptprogramme, wie Verteidigung oder Erziehung, verbessern. 1971 wurde ein System der Programmanalyse und -Überprüfung eingeführt: Ministerien m i t hohen Ausgabeposten werden aufgefordert, systematische Analysen und Überprüfungen von ausgewählten Programmen durchzuführen unter besonderer Berücksichtigung der Ziele, der Alternativen und Leistungen. Dieses System w i r d als natürliche Erweiterung der Untersuchung von öffentlichen Ausgaben betrachtet und ist dazu bestimmt, Alternativen für haushaltspolitische Entscheidungen eingehender zu identifizieren und zu untersuchen, bevor endgültige Beschlüsse über Ausgabenplanungen gefaßt werden. b) Kanada,
Frankreich,
Irland,
Norwegen
u. a. m.
Die französische Rationalisierung des budgetären Auswahlsystems (RCB) und das Programm-Budgetieren i n Kanada, Irland, Norwegen und i n anderen Ländern sind durch die gleichen Entwicklungsmerkmale gekennzeichnet, jedoch werden sie eher als ein einheitliches und geschlossenes Paket betrachtet. Besonders i n Kanada werden Ausgaben-Voranschläge jährlich i n Form eines Programmes m i t Angabe der entsprechenden Ziele und einer umfassenden Kostenberechnung dem Parlament vorgelegt, und die Buchführungsverfahren sind wesentlich verbessert worden. I n Norwegen werden seit einigen Jahren mehr-
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jährige Ausgabenprogramme für die Planung und für parlamentarische Zwecke erstellt. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Internationale Arbeitsamt und die Organisation Amerikanischer Staaten waren ebenso aktiv wie die nationalen Behörden, um neue Systeme zu entwickeln. 2. Die Hauptmerkmale der Neuerungen
I m großen und ganzen haben die Neuerungen i n den modernen Budgetierungssystemen und für die Methoden zur Festsetzung von Prioritäten folgende Hauptmerkmale: — systematische Analyse der haushaltspolitischen Ziele — strukturelle oder funktionelle Darstellung der öffentlichen Dienstleistungen i n Form von mehrjährigen Programmen — Identifizierung der Leistungen und Indikatoren i n Verbindung m i t diesen Programmen und Leistungsmessung m i t Hilfe dieser Indikatoren — Tiefenanalysen der Programme und ausgewählte Projekte — Leistungsbewertung mit den Zielen
der Programmdurchführung
in
Verbindung
— Aufstellung von Kriterien für inter- und intra-ministerielle Prioritätsfestsetzung — Methoden der Berichterstattung punkte.
und
Verantwortlichkeitsschwer-
Viele Länder machen geltend, daß sie integrierte Planungs/Budgetierungssysteme entwickelt haben, deren Merkmal ist, alle oder fast alle der erwähnten Neuerungen anzuwenden. Dank der Bemühungen des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften i n Brüssel und der Zusammenarbeit m i t den Haushaltsbehörden der betreffenden Länder konnten viele Informationen über diese Systeme gesammelt werden. Unter der Schirmherrschaft dieses Instituts hat sich eine internationale Arbeitsgruppe gebildet, deren erstes Treffen i m vergangenen Jahr stattfand. Die Mitgliedschaft i n dieser Arbeitsgruppe ist auf Vertreter der Planungs- und Haushaltsbehörden von Zentralregierungen beschränkt. Die durch besondere Einladung bestimmten Vertreter beweisen durch ihre Teilnahme ipso facto, daß ihre Behörden sich aktiv m i t der Entwicklung von integrierten Planungs/Budgetierungssystemen befassen.
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3. Hilfen für Koordinierung und Festsetzung von Prioritäten
a) Die Frage wurde bereits anderweitig gestellt 3 , ob integrierte Planungs/Budgetierungssysteme aktiv und ausdrücklich — die Bestimmung langfristiger politischer Maßnahmen und die Vergabe und Verwendung von M i t t e l n fördern oder — die Aufstellung von Prioritätsrangordnungen und Koordinierungsprogrammen anregen oder — bei Entscheidungen i n einzelnen Bereichen politischer Hilfe leisten.
Aktionen
Man kann w o h l behaupten, daß, wenn ein Staat ein nationales Planungssystem besitzt oder ein solches anstrebt, die Eingliederung von Planung und Budgetieren ganz offensichtlich das Maß an Koordinierung erhöht. Diese Wechselbeziehung ist u m so intensiver — ganz einfach, w e i l sie ausdrücklich gefördert w i r d — wenn man von einem jährlichen Haushaltsplan auf einen mehrjährigen übergeht. Die Ausarbeitung von mehrjährigen Voranschlägen zeigt — deutlich oder versteckt — den Versuch, das Budget, meistens unter besonderer Berücksichtigung einer Übereinstimmung m i t den geplanten Mitteln, i n den Rahmen einer Planung einzuordnen. Paradoxerweise werden mehrjährige Budget-Voranschläge sogar noch notwendiger, wenn kein einfacher Wirtschaftsplan vorliegt. b) I n sozialistischen Planwirtschaften m i t ausführlichen Mehrjahres-Plänen und der Festlegung eines jährlichen Solls als Grundlage für die Vorbereitung der jährlichen Wirtschaftsentwicklungspläne bieten diese Mehrjahres-Pläne einen Rahmen für die Aufstellung des Staatshaushaltes und, da dieses Budget m i t dem nationalen Wirtschaftsplan Schritt halten soll, sind die zueinander i n Beziehung stehenden Indikatoren für Planung und Budget koordiniert, und das Budget ist den allgemeinen Zielen der nationalen Wirtschaftsplanung untergeordnet. I n folgedessen w i r d das Budgetieren Teil und auch Erweiterung der nationalen Wirtschaftsplanung. Beiläufig sei erwähnt, daß das RCB i n Frankreich, i m Gegensatz zu der landläufigen Annahme, nicht die Planung übernimmt, u m sie systematisch durchführen zu können, sondern eher — als Ergebnis der verlangten jährlichen Programmüberprüfung — eine bewegliche Planung anstrebt gegenüber der Starrheit und den normativen Erfordernissen des nationalen Plans. I n der Bundesrepublik Deutschland hat die mehrjährige Finanzplanung ihren Ursprung i n der Absicht, Planung unter anderem dadurch zu fördern, daß die Festsetzung von Prioritäten als notwendig betrachtet w i r d und Mög3 Bericht über „Neue integrierte Systeme für Planung und Budgetierung" — Internationales Institut für Verwaltungswissenschaften — 1971.
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lichkeiten geboten werden, wesentlich miteinander verbundene Projekte i n ihrem Planungsstadium genau aneinander anzupassen, und auch dadurch, Prioritäten gemäß einem Zeitplan und der Bedeutung der Projekte einzustufen und die Wirksamkeit der Finanzplanungen zu verbessern. 4. Zwiespalt zwischen Entscheidungen und Budget
Das Fehlen einer Voraussicht bei Entscheidungen und der Möglichkeit, diese methodisch i n den budgetären Prozeß aufzunehmen, führt zwangsläufig zu einem Zwiespalt zwischen den für diese beschlossene A k t i o n notwendigen und den i m Budget verfügbaren Mitteln. Dies ist nun nicht eine verblüffende und ausschließliche Entdeckung der integrierten Systeme, sondern es ist eine vor allem durch dieses System enthüllte Unzulänglichkeit, die m i t seiner Hilfe abgestellt werden soll. 5. Koordinierung von ministeriellen Funktionen
Die Funktionen zwischen den einzelnen Ministerien sind heute oft unsystematisch und manchmal sogar unlogisch verteilt; das ist gewöhnlich die Folge von Entscheidungen, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aufeinander abgestimmt wurden. Integrierte Systeme heben die organisatorischen Erfordernisse besonders hervor, denn die umfassende Vorlage des Budgets ist schon vom Programm her für eine Koordinierung förderlich, und die Null-Analysen von Zielen, Aktivitäten und Programmen ergeben oft, daß die Programme sich nicht m i t den Arbeitsbereichen der Ministerien decken sollten. Die Systeme erschließen daher die Möglichkeit zur Rationalisierung nicht nur der politischen Maßnahmen, sondern auch der Verteilung der Funktion innerhalb der verschiedenen Ministerien. Die Koordinierung der politischen Maßnahmen ist von dieser Verteilung abhängig. Es ist schwierig, auf das Schema für öffentliche Arbeiten, so wie sie sich aus der bestehenden Struktur ergeben, zu verzichten und nachzuweisen, daß dieses Schema die beste Grundlage für eine Beschlußfassung bietet, da heute die Übereinstimmung zwischen ministeriellem Bereich und Programmbereich i n Frage gestellt ist. Programmbereiche entsprechen gewöhnlich Funktionsbereichen, aber es gibt auch sicherlich Fälle von Überschneidungen. Je umfassender die Systeme werden, u m so mehr werden sie Veränderungen i n den Verantwortungsbereichen der Ministerien herbeiführen. Sie erzeugen möglicherweise inter- und intra-ministerielle Reibungen, aber gerade diese Konflikte könnten eine intensivere Verbreitung von Informationen und eine Rationalisierung bewirken. Ein ausdrückliches Ziel des auf mehrere Jahre ausgerichteten Finanzplanungssystems i n der Bundesrepublik Deutschland war, die Beziehung
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der Ministerien untereinander durch eine bessere Koordinierung von Vorbereitung und Durchführung politischer Maßnahmen der Regierung zu verändern. 6. Koordinierung politischer Maßnahmen
I m großen und ganzen setzt sich immer mehr die Meinung durch, daß die integrierten Systeme zu besserer Koordinierung, Formulierung und Ausführung politischer Maßnahmen führen. Bis zu einem gewissen Grad bringen somit die einzelnen Ministerien den anderen ein größeres Verständnis für deren Probleme entgegen und auch für die gewählten Methoden — Ziel, Zweck und Aufgabe —, u m diese Probleme zu lösen, aber das bedeutet noch lange nicht, daß der K o n f l i k t zwischen den Ministerien i n bezug auf Geldmittel beigelegt wäre. Immerhin besteht aber ein besseres Verständnis für die Gründe, warum die M i t t e l so und nicht anders vergeben wurden. 7. Die Auswirkungen des Management-Rechnungswesens
a) Die Möglichkeiten, die die integrierten Systeme für eine sinnvollere und rationellere Vorlage der öffentlichen Ausgaben bieten, geben aber auch zu erkennen, daß die Management-Buchführung durch Computer-Systeme erfaßt werden muß, u m eine bessere Kontrolle der Ausgaben und der Durchführung budgetärer Absichten zu gewährleisten. Eine solche Kontrolle öffentlicher Ausgaben macht sich durch größere Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit bezahlt. Außerdem könnte ein rechtzeitiges „feed-back", also eine Rückbeeinflussung von Informationen auf den Verlauf von Programmen, bei der Änderung der Rangordnung von Prioritäten eine wichtige Rolle spielen. So w i r d sicherlich ein solches Management-Buchführungssystem i m ministeriellen Bereich zur Koordinierung führen, und wenn ein solches umfassendes System für öffentliche Ausgaben erreicht werden könnte, würde der derart verbesserte Zufluß von Informationen eine inter-ministerielle Koordinierung fördern und Prioritätsbeschlüsse erleichtern. b) Daraus folgt, daß den Rechnungswesen-Methoden i n Zukunft wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden wird, da man bessere Ergebnisse von ihnen erwartet. Immer deutlicher w i r d erkannt, daß Daten aus der Buchführung für eine klarere Beschlußfassung sehr wichtig sein können. Eine der bedeutsamsten Auswirkungen, die das Programm-Budgetieren i n Schweden gehabt hat, waren die schnellen Fortschritte der Leistungs-Rechnungsprüfung. Es ist zu erwarten, daß sich i n den anderen Ländern allmählich eine ähnliche Entwicklung i n dem Maße anbahnt, i n dem die Fachkenntnisse und die Vertrautheit m i t diesen neuen Verfahren zunehmen. 24*
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Thema I I I : Haushalt u n d Koordination 8. Neuerungen und Analysen
Wollte man einen besonderen Faktor hervorheben, der die Entwicklung des budgetären Verfahrens und seine Wechselwirkung m i t Prioritätsbeschlüssen und Prioritätsfestsetzungen mehr als andere beeinflußt, müßte man die wachsende Bedeutung, die man der analytischen Methode beimißt, nennen. Tiefenanalysen haben ihren Ursprung nicht i n den neuen integrierten Systemen, aber sie haben der Entwicklung dieser Systeme mehr Sinn und Antrieb gegeben; das betrifft nicht nur Projekt- und Ausgaben-Analysen i m Sinne von Kosten-Nutzen und Kosten-Leistungsfähigkeits-Analysen, sondern auch die Gesamtvorlage und Einteilung der Budgetausgaben. 9. Der individuelle Faktor
Obwohl w i r von Systemen i m Rahmen von Budgetieren sprechen, dürfen w i r den individuellen oder personellen Faktor nicht vergessen. Die neuen Systeme haben durch das Gewicht, das sie auf Zweck und Wirkung von Ausgaben legen, dazu beigetragen, eine progressivere Auslegung der Funktionen des einzelnen Verwaltungsbeamten herbeizuführen. Anstatt starr an Formen und Verfahren der Ausgabenkontrolle festzuhalten, befassen sich die Verwaltungsbeamten damit, eine wirksamere Vergabe von Mitteln zu erreichen, was ihnen einen größeren Spielraum für Initiative und Engagement bietet. Man muß jedoch sehr darauf bedacht sein, daß sich die Beamten aller Verwaltungsebenen m i t den neuen Begriffen vertraut machen, denn persönliches Verhalten kann ein gutes Funktionieren der neuen Systeme weitgehend verhindern. Da Fachleute besonders auf den Gebieten der Analyse und des Rechnungswesens sehr rar sind, ist es unerläßlich, spezielle Ausbildungsprogramme für die Beamten zu entwickeln, die sich vornehmlich m i t der Einführung der neuen Systeme beschäftigen. Das enthebt aber die Regierung nicht der Notwendigkeit, Spezialisten von außen heranzuziehen. 10. Allgemeine Beurteilung neuer Systeme
a) Die nationalen Behörden sind sich darüber einig, daß die neuen Budgetierungs-Systeme einen bedeutsamen Beitrag zur Mikro-Beschlußfassung und Planung, zur Makro-Budgetplanung und zur nationalen Wirtschaftsplanung leisten können; wenngleich sie immer stärker die öffentlichen politischen Maßnahmen i n diesen und anderen Bereichen beeinflussen, so gibt es doch technische und subjektive Grenzen für die Verwendung dieser Systeme, wenn sie eine Rangordnung der Prioritäten angeben sollen. Eine solche Assage, so meint man, ist eher Angelegenheit politischer Entscheidungen, und der Zweck dieses Systems
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ist es, solche Entscheidungen durch bessere Informationen zu unterstützen. Die Verantwortlichen für Beschlußfassungen werden immer versuchen, so flexibel wie möglich zu bleiben, damit ihnen bis zum letzten Augenblick Entscheidungsmöglichkeiten offenstehen. Eine sachlich begründete Auswahl zwischen klaren Alternativen w i r d dem Verantwortlichen bei der Beschlußfassung einen stärkeren Zwang auferlegen als eine Auswahl i m Ungewissen oder eine unfertige Entscheidung. Der Nutzen, den Planung und Management aus integrierten Systemen ziehen können, ist abhängig davon, ob das Prinzip einer rationalen, sachlich begründeten Auswahl akzeptiert wird, und auch davon, ob man sich der Beschränkung unterwirft, die durch die VorausVergabe von M i t t e l n für gebilligte Programme auferlegt wird. Die Verantwortlichen für Beschlußfassungen auf allen Ebenen würden dann mehr analytische und Management-Informationen erhalten, und auch die Gesetzgeber sollten besser ausgerüstet sein, u m Fragen politischer Maßnahmen erörtern zu können. Der Beitrag der integrierten Systeme zur Koordinierung und Festsetzung von Prioritäten i m Rahmen des Budgets ist unmittelbar von der aktiven Unterstützung und dem Engagement der Gesetzgeber und anderer politischer Institutionen abhängig. b) Koordinierung bedeutet nicht notwendigerweise Zentralisierung von Kontrolle und Beschlußfassung, und die Meinungen gehen darüber auseinander, ob integrierte Systeme eine Zentralisierung fördern oder nicht. Man könnte möglicherweise sagen, daß sie innerhalb der M i n i sterien dezentralisieren, aber auf der Ebene der Zentralregierung zentralisieren. Letztlich w i r d w o h l eine geringere zentrale Kontrolle der Nebensächlichkeiten ausgeübt und sachlich begründete Beschlüsse über wichtige Fragen zentral getroffen werden. Die budgetären und anderen Informationen werden dazu verhelfen, die richtige Auswahl zu treffen, aber die tatsächliche Schwierigkeit bleibt bestehen, Probleme zu identifizieren und sie quantitativ einzuordnen, teils wegen des Mangels an sachdienlichen Daten, teils eben wegen der für Quantitätsbestimmungen bestehenden Grenzen. Quantitätsbestimmungen können dazu führen, daß die Bedeutung von Problemen, die nicht meßbar sind, unterschätzt wird, und demzufolge könnten sich die Schlußfolgerungen verzerren. c) Die Systeme haben bisher noch keine Aufstellung wesentlicher Kriterien für umfassende Vergleiche von Programmen quer durch die Ministerien herbeigeführt, aber sie haben die Notwendigkeit solcher Kriterien erkennen lassen. (Erst i m vergangenen Jahr hat die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung damit begonnen, solche Kriterien für eine umfassende oder interministerielle Programmbewertung und für Prioritätsvergleiche ausarbeiten zu las-
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sen.) Immer mehr w i r d die Notwendigkeit erkannt, soziale von w i r t schaftlichen Kriterien zu unterscheiden, die sozialen Indikatoren systematisch zu erforschen und aufzuzeichnen und sie bei Entscheidungen über politische Maßnahmen einzubeziehen. d) Ministerien der Zentralregierung, die integrierte Systeme für sich und nicht global entwickelt haben, können ihre Ansprüche auf Geldmittel viel überzeugender geltend machen als die anderen (durch Vorlage von Leistungsdaten und Nützlichkeitsindikatoren) und auch m i t stichhaltigeren Gründen als die Ministerien, deren Dienstleistungen sich nicht für eine quantitative Darstellung eignen. Das w i r d — berechtigterweise — nur ein vorübergehendes Phänomen sein. Dort, wo eine Entwicklung letzten Endes global, d. h. über ministerielle Grenzen hinweg, geplant ist, werden die Verantwortlichen für Beschlußfassungen schließlich i n der Lage sein, Prioritäten zu setzen, indem sie die Forderungen und M i t t e l aller Ministerien unter Berücksichtigung der zu erreichenden Ergebnisse als Grundlage nehmen können. 11. Schlußfolgerung
I n Abschnitt I. 3. wurden einige Fragen gestellt. Der Versuch, die Antworten i n einem Kapitel zusammenzufassen, birgt die Gefahr aller Zusammenfassungen: daß nicht alle wesentlichen Facetten aller Standpunkte wiedergegeben werden können. Doch, indem man dieses Risiko wagt, könnte man behaupten, daß Hindernisse und Schwierigkeiten bei der Koordinierung politischer Maßnahmen und der Festsetzung von Prioritäten innerhalb des konventionellen Budgetsystems dann entstehen, wenn es i n einen Jahreszyklus eingezwängt ist, wenn i h m die Möglichkeit fehlt, die Probleme einer Tiefenanalyse zu unterziehen, Resultate und Leistungsfähigkeit zu bewerten, und wenn es zu stark auf den „input", d. h. die Ausgaben konzentriert ist. Diese Behinderungen werden noch verschärft durch das Fehlen von Möglichkeiten, die Ausgaben eines Ministeriums umfassend, funktionell und, dort, wo es notwendig ist, die Grenzen einzelner Ministerien überschreitend vorzulegen, so daß die Verantwortlichen für politische Entscheidungen die Prioritäten von allen Seiten her betrachten können; und umgekehrt, sind diese Möglichkeiten gegeben, verringern sich die Behinderungen. Offensichtlich w i r d eine umfassende Vorlage u m so prompter funktionieren, je mehr sich die Einteilung der Posten m i t den bestehenden organisatorischen Bereichen und den traditionellen Ausgabenposten deckt. Z w a r sollte diese Übereinstimmung eher zufällig als absichtlich sein, aber bei der Vorlage muß als zwingendes K r i t e r i u m beachtet werden, daß es möglich ist, die auf das Planungs/Prioritätsmodell gegründeten Entscheidungen ohne weiteres und routinemäßig i n sinnvolle funk-
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tionelle Entscheidungen umzuwandeln. Die heutigen Neuerungen i m Budgetierungsverfahren werden i m großen und ganzen diese Behinderungen überwinden. Selbst dort, wo die konventionellen Unzulänglichkeiten beigelegt worden sind, w i r d das zur Verfügung gestellte System weitgehend von der Bereitschaft der Verwalter und Politiker abhängen, es zu benutzen; es mag w o h l gar nicht so einfach sein, eine solche Bereitschaft zu erwirken.
Diskussionsbeitrag von Carl Bohret Es soll hier versucht werden, aus politikwissenschaftlicher Sicht ein paar Erklärungen dafür zu finden, warum der Haushalt — insbesondere aber das Programmbudget — nicht ein besseres Instrument der Koordination und Prioritätensetzung geworden ist; Einigkeit dürfte darüber bestehen, daß das Budget hierzu ohnehin nur eines von mehreren Instrumtenten ist und ein spezielles dazu. Die Darstellung muß hier thesenartig verkürzt erfolgen und mag deshalb an einigen Stellen zu prononciert erscheinen. 1. Es ist nicht unwichtig, Koordination als ein überwiegend organisatorisches und Prioritätensetzung als ein materiales Prinzip analytisch auseinanderzuhalten. Koordination ist zielbezogene Abstimmung staatlicher Aktivitäten, und Prioritätensetzung heißt politisch zu vertretende Bevorzugung realisierbarer Programme. Daß Koordination und Prioritätenbestimmung nicht der einzige Zweck des Budgets, und Budgetierung nicht das ausschließliche Instrument zur Realisierung von Koordination und Prioritätensetzung i m Regierungsbereich ist, wurde mehrfach betont. Zumindest m i t dem traditionellen Haushalt sind aber beide Zwecke nur sehr begrenzt zu erreichen. Der traditionelle Haushalt kann deswegen kein Instrument der Koordinierung und Prioritätensetzung sein, w e i l er nur die M i t t e l für extern gewählte Ziele und die laufenden, kaum noch konfliktfähigen Ausgabenanforderungen bereitstellt. Dieser Haushalt ist der zahlenmäßige Ausdruck von ohne seine instrumentelle Hilfe gefällten Entscheidungen und der ohne seine „entscheidende M i t w i r k u n g " durchgeführten finanziellen Koordination. Daß der traditionelle Haushalt eine gewisse Rolle als makroökonomisches Steuerungsinstrument hat, spricht aber gegen eine instrumentelle Funktion als M i t t e l der Prioritätensetzung, das ja ein antizipatives und aktiv-planerisches Vorgehen erfordert. Insbesondere i n parlamentarischen Demokratien m i t vorrangig marktwirtschaftlicher Organisation ist Politik bislang i m Prinzip kurzfristig ausgerichtet. Dem entspricht wiederum das traditionelle Budget, auch i n seiner mehrjährigen Ausrichtung. Hieraus resultiert jene Liste von hier nicht zu wiederholenden Mängeln eines nicht-koordinierten Anpassungsverhaltens und kurzfristigen Krisenmanagements. Der
Diskussionsbeitrag:
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Haushalt kann aus diesen und spezifisch „bürokratischen" Gründen kein Instrument für die Prioritätensetzung sein; er kann als solcher nur inkrementale Politik repräsentieren und — instrumenten betrachtet — reproduzieren. 2. Das Programmbudget wäre eigentlich i n der Lage, einen erheblichen Beitrag zur Koordinierung und Prioritätensetzung zu leisten. Von der Anlage her ist es aufgaben- und kostenorientiert, über die Programmstrukturen auch eine interne und mittels organisatorischer Vereinbarungen auch eine ressortübergreifende Koordination herbeiführen, die auch eine A r t „Informationssystem" darstellt. Die i m Programmbudget angelegte Zielexplizierung und die i m Prinzip nachgeordnete Budgetierung vermögen die Prioritätensetzung zu stimulieren und zu erleichtern. I n der Tat haben Programmbudgets schon dazu beigetragen, veraltete und sich gegenseitig widersprechende Programme aufzufinden, abzusetzen und neue Prioritäten zu bestimmen. Dennoch scheint die bisherige Erfahrung zu zeigen, daß das Programmbudget i n seinen verschiedenen Formen nicht ausreicht, u m die Ansprüche hinsichtlich Koordination und Prioritätensetzung zu erfüllen. Weder das „PPBS" noch der schwedische Versuch noch andere vergleichbare Ansätze haben v o l l befriedigende Ergebnisse erbracht. 3. Für das — mindestens partielle — Scheitern gibt es m. E. drei eng miteinander verbundene Gründe. Sie sind i m Instrumentellen zu suchen, sie liegen i m Bereich der Implementation und Organisation und sie hängen m i t generellen Systembedingungen zusammen. Ich darf die Gründe kurz erörtern: 1. Grund: Das Programmbudget ist — auch i n den aufwendigeren Formen — instrumenten noch keineswegs befriedigend; vor allem w e i l es noch isoliert eingesetzt und nur mittelfristig angelegt ist. Weder w i r d die Trennung von kurzfristiger ökonomischer Steuerung und m i t telfristiger politischer Planung i n ausreichendem Maße überwunden, noch werden langfristige Aspekte genügend berücksichtigt. Das Programmbudget erforderte eigentlich die vor gängige Evaluierung potentieller Konsequenzen, insbesondere solcher, die bei langfristiger Betrachtung positiv oder negativ interdependent oder einseitig dependent werden. Das bedeutet, daß die fehlende langfristige Planung eine deutliche Restriktion auch für das mittelfristige Programmbudget darstellt. Soll also der Haushalt Instrument der Koordination und der Prioritätensetzung sein, dann muß er i n der Form von instrumenten verbesserten Programmbudgets Bestandteil eines integrierten — d.h. koordinierenden — Planungssystems i n allen drei Dimensionen (horizontal, vertikal, zeitlich) werden.
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Damit w i r d außerdem eine unmittelbare Koordinationsleistung erbracht, denn integrierte Planung ist zu einem erheblichen Teil auch Koordinierung oder besser: sie erfordert eine bestimmte — nämlich unbürokratische Abstimmung. Koordination ohne Programmplanung könnte pluralistische Politik nur nach dem inkrementalen Modell über kleine Schritte ohne Richtungsangabe zulassen. Aber Pluralismus i n der Anwendung verträgt (erfordert?) sogar mehr politische Planung, z.B. u m über bessere Ressourcennutzung mehr Ansprüche der von den Gruppen vertretenen Bevölkerung befriedigen zu können. Außerdem läßt sich nur m i t Hilfe von Programmbudgets, die an Langfristplanungen orientiert sind, neben die kurzfristigen Steuerungfsleistungen von Eventualbudgets so etwas wie ein übergreifender Strukturhaushalt (stetige, geplante Infrastrukturleistungen) als methodische und inhaltliche Weiterentwicklung mittelfristiger Finanzplanung einführen. Ein solcher Strukturhaushalt müßte die finanzielle Umsetzung von Prioriätsentscheidungen der Aufgabenplanung widerspiegeln und außerdem die von der kurzfristigen Politik nicht benötigten M i t t e l „gezielt" i n das Strukturbudget übertragen. Nachdem erhebliche Zweifel an der Effektivität isoliert-kurzfristiger Konjunkturstabilisierung bestehen, könnte ein solches Strukturbudget die Gleichmäßigkeit der allgemeinen und speziellen Struktur- und K o n j u n k t u r politik gewährleisten und so seinerseits wieder einen Beitrag zur kurzfristigen Stabilisierung leisten wie auch zu einem K e r n der Langfristplanung werden. Gerade m i t Hilfe des Strukturbudgets könnte auch das „öffentliche Entwicklungsinteresse" gegenüber dem „privaten Konservierungsinteresse" gestärkt und insgesamt die Effektuierung des Budgets vorangetrieben sowie eine zusätzliche Erweiterung des „Staatskorridors" ermöglicht werden. I n der Form des Programmbudgets w i r d der Haushalt so wieder zum Instrument einer Koordinierung auf höherer Stufe: kurzfristige Stabilisierung über „rückführbare" Eventualbudgets schaffen den für längerfristige Wachstumszwecke benötigten erhöhten politischen Konsens, mittel- und langfristige Strukturpolitik kann gezielt über spezifische und nicht der antizyklischen Maßnahmepolitik unterliegende Budgetteile geplant werden. Die Prioritätensetzung w i r d zu einem wichtigen Teil m i t Hilfe des Strukturbudgets durchgeführt. I n diesem Zusammenhang seien noch ein paar Anmerkungen zum „Ressourcenaspekt" gestattet. Der immer wieder erhobene V o r w u r f gegenüber einer zu geringen Berücksichtigung des Ressourcenaspekts — der Zweitrangigkeit der Finanzplanung also — läßt sich auf mehreren Argumentationsebenen relativieren; hier sei nur eine hervorgehoben: Vom aufgaben- oder
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Programm planenden Standpunkt aus kann dem Ressourcenproblem mittelfristig eine nachgeordnete Bedeutung beigemessen werden. Schlagwortartig ausgedrückt: Ressourcen limitieren zwar, aber sie entscheiden nicht. Insbesondere die Finanzmittel dürfen für sich allein weder eine Koordinationsregel noch ein prioritätensetzendes M i t t e l werden. Das bedeutet: Zuerst muß Klarheit über die öffentlichen Aufgaben und die davon ableitbaren Ziele (Prioritäten) bestehen, erst dann — aber dann auch realistischer — sollen Ressourcenerwägungen u. a. auch hinsichtlich der Folgekosten von Programmen angestellt werden. Denn eine zu frühe Koordinierung der Vorhaben auf der Basis von Plafonds schneidet die Entwicklung kreativer Programme ab. Frühkoordinierung der abgeleiteten Programme schafft dagegen „finanzielle Spielräume". Wenn klare Prioritäten (und Posterioritäten) gesetzt werden — und das ist um so nötiger je weniger M i t t e l zur Verfügung stehen — läßt sich der Ressourcenbedarf i n begrenztem Maße zeitlich erstrecken. Damit werden einige M i t t e l frei (einige Fünfjahresprogramme werden i n sieben Jahren abgewickelt). Außerdem w i r d die Entdeckung und Streichung überholter Programme gefördert (Aufgabenkritik) und so eine zusätzliche Rückgewinnung von Ressourcen erreicht. U n d schließlich: Wenn über aus Mängellagen gewonnene Ziele ein angemessener Konsens erreichbar ist, dann sind auch Ressourcenvereinbarungen möglich, d. h. es w i r d dann politisch einfacher, zweckbestimmte Steuererhöhungen für öffentliche Leistungen durchzusetzen. 2. Grund: Es ist offenkundig, daß die Einführung eines integrierten Planungssystems und die vorgeschlagene Differenzierung i n Eventualund Strukturbudgets wie die „Ressourcenvereinbarung" einen hohen Konsensbedarf herausfordern und Vorbedingungen erfüllt werden müssen, die nicht nur i m „Instrumentellen" liegen. Vielmehr handelt es sich hier zunächst u m die Lösung von Implementierungsproblemen, die ihrerseits nicht isoliert von der Konstruktion des politisch-administrativen Systems und dessen Verknüpfungen m i t Strukturbedingungen des sozioökonomischen Systems betrachtet werden sollten. Wie das italienische Beispiel erneut zu lehren scheint, ist selbst für die kurzfristige Steuerungsleistung ein noch geringerer Erfolg zu erwarten, wenn zu viele selbständige Haushalte vorhanden sind. Nicht selten ist das Ergebnis dann eine prozyklische Politik und — unter dem Aspekt der politischen Planung — eine mangelhafte Abstimmung bei hohen Reibungsverlusten. Die Koordinationsforderung steht hier allerdings oft i m Gegensatz zu verfassungspolitischen Prinzipien wie dem der vertikalen Gewaltenteilung, so z.B. beim deutschen Föderalismus.
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Gewiß, auch i m Budgetbereich braucht der „Zentralismus" nicht das beste Koordinationsprinzip darzustellen, doch wäre es nützlich, wenigstens eine grobe Abstimmung auf den verschiedenen Ebenen und u. a. damit eine einheitlichere K o n j u n k t u r - und Strukturpolitik zustande zu bringen. Zweifellos ließen sich politische Regelungen einbauen, die den nachgeordneten Ebenen Mitbestimmungs- und begrenzte Vetorechte zubilligen würden. Die Einführung eines neuen Instruments zur Koordination und zur Prioritätensetzung fordert jedenfalls innerhalb des politisch-administrativen Systems — z. T. unterstützt von gesellschaftlichen Interessen — interne Widerstände und Umformungen heraus, die seine mögliche Effektivität und die ursprünglich intendierte Wirkung beschneiden. Das Abbrechen oder die Selektion von Informationsflüssen und die institutionelle Versteifung bei Implementierungsprozessen ist schon mehrfach geschildert worden. Auch die Implementierung des Programmbudgets oder gar eines integrierten Planungssystems erfordert uno actu organisatorische Veränderungen; hierfür existieren Modelle und — wenn auch nur indirekt vergleichbare — Erfahrungen (vgl. u. a. das Berliner Planungssystem). 3. Grund: Die Implementierungsprobleme müssen aber auch unter ihrem „Systemzusammenhang" analysiert werden. Ein neues Instrument m i t einem gewissen Anspruch wie das Programmbudget — oder auch die mittelfristige Finanzplanung — w i r d j a nicht von ungefähr entwickelt und eingesetzt, sondern vor allem, w e i l m i t seiner Hilfe neue Ansprüche aus dem sozioökonomischen System erfüllt oder von dort aufkommende Schwierigkeiten reduziert werden sollen. Sobald das neue Instrument zu wirken scheint, hat seine Anwendung zunächst Ausstrahlungen auf das politische-administrative System selbst und produziert dort — unterstützt von gesellschaftlichen Interessen — interne Widerstände, Umformungen und Verkürzungen, die seine eigentlich mögliche Effektivität und die ursprünglich intendierte Ausgestaltung beschneiden. Negativ gesagt: der Umfang der Umgestaltung des Haushalts zu einem wirksameren Instrument der Koordinierung und Prioritätensetzung findet seine Limitation an dem „Grenzbedarf" der akuten Problemlösungskapazität: I n der BRD von 1967 ist zwar die mittelfristige Finanzplanung, nicht aber ein aufgabenplanendes Programmbudget und schon gar nicht ein integriertes Planungssystem einführbar, w e i l aktuell die m i t Globalsteuerung und mittelfristiger Finanzplanung geschaffene Problemlösungskapazität zur Krisenbewältigung gerade ausreicht und w e i l zur Implementierung gerade der benötigte Minimalkonsens zwischen den politisch relevanten Gruppen erreicht werden kann (scheinbare „Zeitrichtigkeit" der Politik). Positiv gewendet: Die Regierung müßte die Chance aufgreifen und das Instru-
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mentarium über das historisch akzeptierte M i n i m u m hinaus erweitern — unter Antizipation des zukünftig steigenden Problemlösungsbedarfs (wobei zusätzliche Instrumente noch zu schaffen oder adäquat einzusetzen wären). Der Konsensbedarf ist i n solcher Lage vermutlich etwas geringer; dennoch blieben dem Parlament alle Chancen zur inhaltlichen Kontrolle und der M i t w i r k u n g an der Prioritätensetzung. Falls die Regierung also unter Koordination nicht nur die Zusammenfassung der artikulierten Interessen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner versteht, sondern ein Element der Führung, das m i t Prioritätensetzung unmittelbar verknüpft ist, dann hat sie auch die Aufgabe, bessere Instrumente zu entwickeln und einzusetzen, die das politisch-administrative System insgesamt unabhängiger von partikularen Interessen machen (Erhöhung des Handlungsspielraums). 4. A u f solche Systemzusammenhänge sollte noch mehr Aufmerksamkeit gerichtet werden. Nils Andren wies auf die Gefahren hin, die möglicherweise für das demokratische System aus den Programmbudgets und übertragen auch aus der Langfristplanung folgen könnten: nämlich eine gewisse Zentralisierungstendenz, die u. a. den Partizipationsbemühungen auf den unteren Ebenen gegengerichtet wäre und letztlich nur „Kosmetik" übriglasse und so eine nur affirmative Funktion besitze. Einerseits sehe ich hier eher Vorteile: Das Programmbudget ist ein Führungsinstrument m i t Kontrollchancen der Geführten, denn es informiert den Bürger besser über die Vorhaben der Regierung als das das traditionelle Budget vermag. Deshalb kann auch die Diskussion über die großen Ziele der politischen Planung intensiviert werden und die Abwehr verkürzter Interessenansprüche gelingt besser; insbesondere dann, wenn die Einschätzung der potentiellen Konsequenzen der Programme einbezogen wird. Allerdings ist hierfür als Aufgabe für die Parteien eine „Re-Politisierung" der Staatsbürger vonnöten und eine weitere Reaktivierung des Parlaments, beides sehr erstrebenswerte Folgen. Andererseits möchte ich aber die Bedenken Andrens aufgreifen und sie sogar verstärken. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß das Programmbudget bisher deswegen nicht besser funktioniert, weil durch ein solches Instrument bestimmte politische und ökonomische Interessen tangiert werden, die eine umfassende Planung öffentlicher A u f gaben und eine langfristig ausgerichtete Koordination öffentlicher Interessen — vorsichtig ausgedrückt — weniger gern sehen als die gelegentliche hilfreiche Intervention des Staates m i t nur kurzfristig und allgemein greifenden wirtschaftspolitischen Mitteln. Dem Staat werden aus dem „Grenzbedarf der Problemlösungskapazität" eben nur die I n -
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strumente zugestanden, die ex post-Korrektur oder bestenfalls uno actu-Krisenbewältigung ermöglichen. Weil sich der Bereich der Produktion i m gegebenen sozioökonomischen System der staatlichen Intervention i n den meisten demokratischen Industrieländern fast ganz entzieht, kann i m Prinzip nicht einmal prophylaktisch eingegriffen werden und deshalb n i m m t i m Ergebnis die Menge und der Schwierigkeitsgrad der ex post von der Verwaltung zu bewältigenden Aufgaben zu, was zugleich eine „autonome Politik" mindestens erschwert. Und doch braucht hieraus noch nicht die Notwendigkeit wesentlich erweiterter Interventionsrechte des Staates gegenüber der Produktion — als der ersten Stufe einer ökonomischen Gesamtplanung — abgeleitet zu werden. Es wäre zuerst der Versuch zu wagen, mittels erweiterter Programmbudgets öffentliche Prioritäten zu setzen und abzustimmen, was indikative Wirkungen für die private Produktion haben könnte. Vor „imperativen" Eingriffen werden die meisten Politiker, aber auch die Verwaltung, zurückschrecken, w e i l das zugleich Verantwortungsübernahme gegenüber einem — wegen der struktuellen Bedingungen — nicht „lenkbaren" Bereich bedeutet. I m merhin ließe sich die Koordination erleichtern und ein erhöhter Beitrag zur progressiven Stabilisierung i m öffentlichen Interesse mittels der erwähnten Strukturbudgets leisten, ohne daß die Marktbeziehungen außer K r a f t gesetzt würden. 5. Deutliche Schwierigkeiten stammen also auch aus dem politischen Prozeß und dessen Vermaschung m i t den Strukturbedingungen des ökonomischen Systems. Isoliert instrumentelle Änderungen bewirken bestenfalls marginale Verbesserungen, weil sie an „systemische Grenzen" stoßen. Die i m marktwirtschaftlich organisierten ökonomischen System typische kurzfristige und primär reaktive Verhaltensweise hat i h r Pendant i m Entscheidungssystem der pluralistischen Demokratie, ohne daß dort systemlogisch vergleichbare Kriterien der Koordination und Prioritätensetzung (Rentabilität, Produktplanung etc.) vorhanden waren. Gerade w e i l sich die entwickelten Demokratien die von der „unreinen" Marktwirtschaft verursachten Pendelausschläge i m öffentlichen Interesse nicht mehr leisten können, ist eine Verstärkung der politischadministrativen Planung des Staates auch über den von den ökonomischen Interessen zugestandenen Spielraum hinaus erforderlich. Hierzu gibt es verschiedene Modelle, auf die hier nicht näher einzugehen ist. Das Prinzip ist klar und definiert den potentiellen Stellenwert auch des Programmbudgets wie des nicht „abzuschaffenden" traditionellen Haushalts i n einem umfassenderen Konzept politisch-administrativer Planung und Koordination wie folgt: a) Über die Wahlperioden hinausreichende langfristige „politische" Planung auf der Basis eines flexiblen Konsens der staatstragenden
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Parteien über erstrebenswerte gesellschaftliche Zielwerte als einer Form des Erkennens und Setzens übergeordneter Prioritäten, ohne daß dadurch eine totale und „ewige" Übereinstimmung, sondern eher interpretierbare Möglichkeiten erzielt werden sollen; b) Konfliktaustragung i m mittel- und kurzfristigen Bereich u m konkretisierte, m i t Hilfe des Programmbudgets priorisierte, koordinierte und i m Parlament verabschiedete Programme, die ihrerseits auch beendet werden können, wenn das einer neuen Regierung politisch richtig und durchsetzbar erscheint. Also: Primat der Politik, auch wenn das gelegentlich den sogenannten „Sachverstand" stört. Allerdings auch: Primat einer Politik, die konzeptionell und nicht nur inkremental ausgerichtet ist. I m Rahmen einer die Handlungsspielräume des politisch-administrativen Systems erweiternden Strategie der „Repolitisierung" der Polit i k i n der Form einer „Effektuierung der Parteien" ließe sich eine neue Koalition zwischen Staatsbürgern und politisch-administrativem System auch material realisieren und damit die politische und ökonomische Reform unterstützen. Ich weiß, daß viele Argumente i n gewisser Weise „idealistisch" k l i n gen. Aber ich meine, daß die Wissenschaft auch die Aufgabe hat, Ideen zu produzieren, die ein Neudurchdenken des machbar Erscheinenden anregen. Wenn etwas einmal ausgesprochen ist, hat es eine Chance, weitergedacht und schließlich auch erprobt zu werden. Denn das Mögliche ist eine Funktion des Machbaren und des Wünschenswerten. Den Mark T w a i n zugeschriebenen Satz: „Als w i r das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten w i r unsere Anstrengungen", möchte ich umformulieren: „Verdoppeln w i r unsere Anstrengungen, damit w i r nicht das Ziel aus den Augen verlieren!"
Diskussionsbeitrag von Adolf Theis I. Haushaltsaufstellungsprozeß Die tatsächliche Bedeutung des Haushaltsaufstellungsprozesses w i r d nur deutlich, wenn man sie i m Kontext der Auseinandersetzungen
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zwischen Regierungschef, Finanzminister und Ressortminister sieht. Hauptgeschädigter ist der Ressortminister, teilweise auch der Regierungschef, insgesamt aber das politische System.
I I . Rolle der Konjunkturpolitik Überall dort, wo die Konjunkturpolitik insbesondere die Jahresprojektionen, aber auch die Ziel- und Perspektivprojektionen bei den Wirtschaftsministerien ressortiert, ist der Haushalt als politisches Steuerungsinstrument zur Koordination und Prioritätensetzung nur m i t großen Einschränkungen geeignet. Die Einnahmenseite w i r d auf der Konjunkturpolitik, Kreditpolitik und Steuerschätzung begründet, deren wesentliche Parameter der normativen Konjunkturpolitik und »Schätzung unterliegen. Vor allem das Stabilitätsgesetz m i t der Betonung der Arbeitsplatzsicherung und der monetären Disziplin gibt den ökonomisien Parametern i m politischen Entscheidungsprozeß eine hohe Priorität. So w i r d i m Haushaltsaufstellungsprozeß weder über die Einnahmenseite noch über die politischen Ziele entschieden. Insbesondere die Kabinettsebene scheidet aus dem politischen Prozeß aus, w e i l sie i n der Regel lediglich Deckungslücken zu schließen sucht, ohne — schon vom Terminplan her gesehen — i n die politische Sachdiskussion einsteigen zu können. Bei dieser Beurteilung w i r d nicht übersehen, daß 1. der Finanzminister i n jedem Haushaltsaufstellungsprozeß versucht, insbesondere auf der Ebene seiner Referenten Sachpolitik der Ressorts zu betreiben. Das Haushaltsaufstellungsverfahren würde andernfalls zur totalen Frustration der Finanzbürokratie und der Finanzminister zum offenen Gespött werden, wenn er nicht auch die politischen Inhalte der veranschlagten M i t t e l mitbestimmen würde; 2. die verschiedenen Finanzministerien i n den einzelnen Ländern eine große Zahl von Strategien i n den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, u m auch die Einnahmenseite i n den Griff zu bekommen bzw. das Zahlenwerk einer Ausgabenbuchhaltung — Haushalt genannt — zum Regierungsprogramm i n Zahlen zu machen; 3. dadurch der K o n f l i k t — wie eh und je — m i t den Ressortministern, ebenso wie m i t dem Regierungschef unausweichlich ist und war. Dieser K o n f l i k t ist vor allem i n der Bundesrepublik die Geburtsstunde zweier erheblicher Veränderungen, nämlich 1. des Aufkommens der politischen Planung als Notwehrakt der Regierungschefs, teilweise auch der Fachressorts,
Diskussionsbeitrag: A. Theis
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2. der mittelfristigen Finanzplanung als dem Versuch der Perpetuierung der i m Haushaltsaufstellungsprozeß angenommenen politischen Potenz i n dem Mehrjahresturnus seitens der Finanzminister. Damit einher gehen 2 weitere Aktionen i n der politischen Landschaft der Bundesrepublik: a) der Versuch der Finanzressorts, die Geld- und Kreditpolitik selbst zu steuern, u m die wesentlichen Einnahmeparameter des Haushaltsplans beherrschen zu können, b) über den informativen Gesamthaushalt die Länder und Gemeinden i m Finanzplanungsrat an die Kandare nehmen zu können. Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß Bundes- und Landesfinanzminister i n freundschaftlicher Verbundenheit den Finanzplanungsrat aber auch als ein Instrument angesehen haben, wesentliche Parameter der Investitionspolitik der Fachressorts i n den Griff zu bekommen und sie damit politisch auch weiterhin zu entmachten. Der Haushalt, nicht mehr verstanden als kameralistisches Rechenwerk, sollte zum politischen Steuerungsinstrument werden. Die tatsächliche Diskussion wurde aber zur ökonomischen und finanzpolitischen Auseinandersetzung nicht nur i n Anbetracht des begrenzten Zeitbudgets i m Haushaltsaufstellungsprozeß, sondern auch unter Berücksichtigung der i n den Entscheidungsprozeß von den zuständigen Ressorts eingeschleusten Informationen, die i m wesentlichen Steuerschätzung, Konjunkturanalysen, Außenhandelsdaten, Investitionsdaten usw. waren. I I I . Vorschläge Soll der traditionelle Haushaltsaufstellungsprozeß zum politischen Instrument einer modernen Industrienation werden, ist nicht nur die oben dargestellte Auseinandersetzung zwischen den Trägern politischer Entscheidimg zu beenden, sondern der Haushalt i n seiner internen Struktur i n Frage zu stellen. Dabei ist zu beachten, daß weit über 80 %> der i m Aufstellungsprozeß getroffenen Entscheidungen i n der Gegenw a r t die Ebene der Referenten gar nicht überspringt und damit der nahezu uneingeschränkten Herrschaft der historisch gewachsenen Programme, seien es Leistungsgesetze, Subventionen, Pensionen usw. V o r schub leistet. Der Haushaltsaufstellungsprozeß muß als Ende eines der auf einer Programmstruktur aufgebauten differenzierten Zielsysteme gesehen werden, das er nur jährlich i n eine Geldwertrechnung umsetzt, u m vor der endgültigen Ausgabe für definierte überprüfte Ziele noch einmal eine differenzierte Ausgabenkontrolle als fiskalisches Steuerungs25 Speyer 57
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instrument einzubauen. Dem Haushaltsaufstellungsprozeß muß — das habe ich immer wieder betont — ein Programmbudget vorangestellt werden, i n dem die Ressourcenseite Querschnittsfunktionen hat. Ich glaube, die Überbewertung des Haushaltsaufstellungsprozesses und der Versuch, i m Rahmen des Haushalts politische Ziele und Prioritäten definieren zu wollen, hat die staatlichen Institutionen, ebenso wie ihre wissenschaftlichen Berater i n einem noch nicht absehbaren Ausmaß fehlgeleitet. I m Ergebnis war die Finanzplanung nichts anderes als das Erstellen einer disparaten Wunschliste und fast nie Ausdruck politischen Wollens. Die momentane Konjunkturbeurteilung und das Übergewicht der traditionellen Programme diktierten die Tagesentscheidung. I n der Programmaufstellung sind nicht nur das politische Ist und das gewünschte Soll, sondern auch die für das Aufstellungsjähr erforderlichen Ressourcen zu definieren und die mittel- und längerfristigen Perspektiven aufzuzeigen. Spätestens auf der Ebene des Ministers hat die politische Komponente i m Vordergrund zu stehen und i n einem besonderen Kabinettsausschuß der Kabinettsentscheidung voranzugehen. Dazu bedarf es der Verstärkimg des politischen Elements i n den Ressorts, vor allem der Beauftragung z. B. des politischen Staatssekretärs — oder welche Bezeichnung er i m einzelnen haben mag — m i t der Leitung der Querschnittsfunktionen und damit der Sorge für die Priorität des Politischen gegenüber dem vorwiegend Fachlichen der Referate und Abteilungen. Vor allem i n Bundesstaaten bedarf es bei dem heute schon angestrebten informativen Gesamthaushalt aller drei Ebenen, wie Bund, Länder und Gemeinden, nicht nur u m die Kreditseite aufeinander abzustimmen und rationale Grundlagen für die Auseinandersetzung über die Steueranteile zu gewinnen, sondern auch u m sicherzustellen, daß i m Rahmen eines informativen mehrjährigen Gesamthaushalts eine Prioritätenbestimmung innerhalb der bundesstaatlichen Struktur erfolgt und gleichzeitig auch Vorkehrung dafür getroffen wird, daß die aus Gründen der Jahressteuerung gekürzten oder aber gestrichenen Programme i n den mittelfristigen Turnus wieder eingeschleust werden. Auch aus diesem Grund muß der informative Gesamthaushalt vor allem i n der bundesstaatlichen Strukturphase verschoben gesehen werden zum Landeshaushalt und zur mittelfristigen Finanzplanung, u m auf diese Weise das Einschleusen zurückgestellter Programme i n den politischen Prozeß zu ermöglichen. Lassen Sie mich schließen m i t dem nochmaligen Hinweis, daß der Versuch, das Budget zum politischen Steuerimgsinstrument zu benutzen, ohne Programmplanung i m Haushaltsaufstellungsprozeß für alle Staaten gleichermaßen i n einer noch gar nicht absehbaren Weise Scha-
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den verursacht hat. Dies zu erkennen sollte eine der wesentlichen A u f gaben gerade dieser Tagung sein, w e i l sowohl die Koordination und Planung der Regierungspolitik, als auch die zum Teil verhängnisvolle Rolle der interministeriellen Ausschüsse i n erster Linie auch auf diesem Hintergrund gesehen werden sollte.
Diskussionsbeitrag von Albrecht Zunker I.
Fragt man, w o r i n die Mängel des konventionellen Haushalts als Instrument der Koordination u n d Prioritätensetzung begründet sind, dann liegt die A n t w o r t imbestreitbar i n der quantitativen und qualitativen Ausdehnung des Verantwortungsbereichs der Politik und den heute an den planenden Leistungsstaat gestellten Anforderungen. Dies festzustellen heißt nun aber auch, i m Rückblick zu erkennen, daß die instrumentelle Leistungsfähigkeit des konventionellen Budgets und des Budgetierungsprozesses an bestimmte Grenzen gebunden war: an enger begrenzte Funktionen des Staates, an Axiome der liberalorthodoxen Budgetideologie, insbesondere an den weitgehenden Verzicht auf den Einsatz der Haushalts- und Finanzpolitik zur wirtschaftspolitischen Steuerung usw. Die Probleme, die aus der Aufhebung dieser Grenzen resultieren, wurden nach dem 2. Weltkrieg i n der Bundesrepublik bis i n die M i t t e der 60er Jahre durch die starke Wirtschaftsexpansion überdeckt. Sie legitimierte scheinbar die Zurückweisung von Planungsüberlegungen, schien von der Notwendigkeit, das politischadministrative System auf die geänderte Problemlage einzustellen, zu befreien und ermöglichte i m Einklang damit durch volle Staatskassen das Weiterleben des konventionellen Budgetsystems m i t seiner überkommenen methodischen und organisatorisch-administrativen Instrumentierung. Dies erklärt zum größten Teil die Verspätung, m i t der i n Deutschland, i m Vergleich zu einigen der Länder, über die i n den Referaten berichtet wird, die neue Lage bewußt, Reformen diskutiert, schließlich erste Teilkonzeptionen durchgesetzt wurden. 5
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II. Die Ansätze zu Reform und Ausbau des traditionellen Budgetsystems gehen zurück auf die zweite Hälfte der 60er Jahre, wenn es auch davor schon eine Reihe von Anstößen und Überlegungen i n die dann eingeschlagene Richtung gegeben hat 1 . Das unmittelbare Ziel als Konsequenz der rezessiven Wirtschaftsentwicklung 1966/67 war es, i m Ausbau des konjunkturpolitischen Instrumentariums entsprechend dem Konzept staatlicher Globalsteuerung der Wirtschaft die Teilbereiche des Regierungshandelns i n einen ökonomisch-finanziellen Bezugsrahmen zu bringen und innerhalb dieses Rahmens zu führen und zu entwickeln. I n nerhalb kurzer Zeit wurden dazu Grundlagen und Instrumente entwickelt und durchgesetzt: als Planungsinstrumente ökonomische Zielprojektionen m i t kurz-, mittel- und langfristiger Zeitperspektive und die mittelfristige Finanzplanung; als verfassungsrechtliche Grundlage eine Teilreform der haushaltsrechtlichen und bundesstaatlichen F i nanzverfassungsbestimmungen; als rechtliche und budgetsystematischmethodische Grundlage der Planungsinstrumente und des Haushaltsbereichs eine Haushaltsrechtsreform. Daneben wurden Koordinationsgremien gebildet, zum einen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden der K o n j u n k t u r - und der Finanzplanungsrat, zum anderen zwischen dem Staat und den großen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, die sogen. „Konzertierte A k t i o n " . Ohne die anderen Maßnahmen — insbes. die Finanzverfassungsund Haushaltsrechtsreform — i n ihrer Bedeutung dadurch unterbewerten zu wollen, ist das Kernstück dieses Reformschubs i n bezug auf die regierungsweite Koordination und Prioritätensetzung über die finanziellen Ressourcen die mehrjährige Finanzplanung . III. I m Rahmen des angedeuteten Gesamtkonzepts sollte die mehrjährige Finanzplanung als planerische Komponente des Ausbaus des konventionellen Budgetsystems und als Orientierungsinstrument der Wirtschaftspolitik vor allem drei Funktionen erfüllen: a) eine „politische" Funktion: Programmierung und Darstellung der monetär erfaßbaren mittelfristigen Zielvorstellungen der Regie1 Hier ist vor aUem an die „Kommission für die Finanzreform" (TroegerKommission) zu erinnern, die 1964 eingesetzt wurde und 1965 ihren Bericht erstattete. Ein wichtiger Anstoß für die wissenschaftliche Diskussion war der Aufsatz von F. Morstein Marx, Regierungsprogramm und Haushaltsplanung in vergleichender Sicht, in: PVS, 6. Jg., 1965, S. 442 ff. Einen Überblick gibt H. Schatz, Auf der Suche nach neuen Problemlösungsstrategien: Die Entwicklung der politischen Planung auf Bundesebene, in: Planungsorganisation, Hrsg. R. Mayntz, F. Scharpf, München 1973, S. 9 ff.
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rung (häufig durch die früher für den Haushalt verwandte Kurzformel "Regierungsprogramm i n Zahlen" umschrieben); b) eine finanzwirtschaftliche Funktion: Ermittlung und vorausschauende Abstimmung der aus den angestrebten Zielen resultierenden Ausgabenschätzungen m i t den Finanzierungsmöglichkeiten i n jedem Planungsjahr; c) eine wirtschaftspolitische Funktion: Abstimmung der voraussichtlichen Ausgaben und ihrer Finanzierung i n Volumen und Struktur m i t den gesamtwirtschaftlichen Zielvorstellungen zur optimalen Entwicklung und Ausschöpfung des volkswirtschaftlichen Leistungspotentials über den Planungszeitraum. Dem Planungsinstrument Finanzplanung, das m i t diesen Aufgaben weit über die Intention einer bloßen Budgetvorausschau hinausgeht, w i r d also aus der Sicht des politischen Systems eine „Doppelfunktion" zugewiesen. Sie soll sowohl einer „verbesserten Innensteuerung" des Systems wie auch einer verbesserten „Außensteuerung der U m w e l t " 2 dienen. Zur Kennzeichnung der Finanzplanung i m Unterschied zum Haushalt genügt es hier zu sagen, daß sie den Zeitraum des laufenden und der vier folgenden Haushaltsjahre umfaßt; der über die traditionell einjährige Budgetperiode hinausreichende Planungszeitraum umfaßt also drei Jahre. Sie ist als gleitende, jedes Jahr u m ein weiteres Jahr fortzuführende Planung angelegt. Zwar ist die Bundesregierung (und — zunächst je für sich — jede der elf Länderregierungen) durch das „Stabilitätsgesetz" 3 zur Finanzplanung verpflichtet, aber dem Finanzplan selbst kommt keine rechtliche Verbindlichkeit zu; er wird, seinem formalen Charakter als Regierungserklärung entsprechend, dem Parlament nur zur Kenntnisnahme i m Zusammenhang m i t dem Haushalt vorgelegt. IV. Von ihren Grundlagen her ist die Finanzplanung als gesamtwirtschaftlich ausgerichtete finanzielle Ressourcenplanung zu charakterisieren. 2 F. Naschold, Probleme einer mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, in: Demokratisches System und politische Praxis der Bundesrepublik, Festschrift E. Th. Eschenburg, Hrsg. G. Lehmbruch, K. v. Beyme, I. Fetscher, München 1971, S. 165. 8 §§ 9 - 1 4 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I, S. 582) und §§ 50 - 52 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder — Haushaltsgrundsätzegesetz — vom 19. Aug. 1969 (BGBl. I, S. 1273) auf der Grundlage von Art. 109 Abs. 3 GG (n. F.).
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Der makroökonomische Orientierungs- und Entscheidungsrahmen der Finanzplanung w i r d durch eine mittelfristige gesamtwirtschaftliche Zielprojektion abgesteckt 4 , die die durch bestimmte wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen angestrebte Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens aufzeigt. Über sie w i r d i n einem Iterationsverfahren Volumen und Grobstruktur der Finanzplanung i n Einnahmen und Ausgaben abgesteckt, eine antizipatorische Abstimmung m i t der projizierten Wirtschaftsentwicklung und den ihr entsprechenden Zielen der Wirtschaftspolitik angestrebt. Die Ausfüllung dieses größenordnungsmäßig abgesteckten, vorstrukturierten Gerüsts w i r d von der Ausgabenseite her vorgenommen. Grundlage dazu sind vor allem die Vorausschätzungen des Finanzbedarfs, die von den einzelnen Ressorts auf der Basis des bestehenden Budgets, laufender Programme und der Fachplanungen vorgenommen werden und die i m Prinzip den Ressortvoranschlägen i m Haushaltsplanungsverfahren entsprechen, deren Leistungsfähigkeit zur Information über Aufgabenprogramme, zur Leistungs- und Managementkontrolle sehr begrenzt ist. Die Stadien des auf diesen Hauptentscheidungsprämissen aufbauenden Filterungsprozesses laufen, wenn auch i n sehr ungleichmäßiger Intensität, über das ganze Jahr und entsprechen i n ihrem „von unten nach oben" gerichteten Ablaufmuster und ihren Zuständigkeitsregelungen denen des Budgetprozesses. Hier wie dort also zunächst der Versuch, durch punktuelle bilaterale Verhandlungen bei schrittweiser Anhebung der hierarchischen Ebene zwischen Ressort und Finanzministerium eine Reduktion der das Ausgabevolumen regelmäßig übersteigenden Bedarfsanmeldungen zu erreichen und erst danach für offenbleibende Fragen und die regierungsweite Abstimmung interministerielle Gremien auf breiterer Basis i n die Verhandlungen einzubeziehen, insbesondere den Abteilungsleiterausschuß des „Finanzkabinett" genannten Kabinettsausschusses, das Finanzkabinett selbst und schließlich das Kabinett. V. Zwar haben sich bei weitem nicht alle Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Finanzplanung als Instrument der Planung, Koordinierung und Information und zur Qualitätssteigerung des Regierungsund Verwaltungshandelns erfüllt und — bedingt durch ihre Grundkonzeption — erfüllen können. Aber daß m i t diesem Instrument mehr als eine nur minimale Abweichung von der Mitte der 60er Jahre gegebenen Ausgangslage erreicht wurde, w i r d von niemandem ernstlich 4
Vgl. K . - H . Raabe, Projektionen der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (Methode und Verfahren), Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn 1969.
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bestritten. U m zu einem U r t e i l über die Leistungen zu kommen, genügt es allerdings nicht, nur die Maßstäbe an planvolle Politik, die den der Finanzplanung zugeschriebenen Funktionen zugrunde liegen, an die „Finanzplanungswirklichkeit" anzulegen, vielmehr muß auch die Ausgangslage i m Blick gehalten werden, der Ausbau des Instruments i n der Praxis und die Entwicklungen, die seine Anwendung auslöste, anregte oder unterstützte, einbezogen werden. Hier müssen drei Hinweise genügen: Als ein grober Indikator des Erreichten kann der Informationsgehalt der Finanzpläne gelten. Der Vergleich der ersten Finanzpläne m i t den heute erarbeiteten zeigt, daß der Informationsgehalt sehr erheblich gewachsen ist. Neben Angaben über die zugrunde liegende gesamtwirtschaftliche Zielprojektion und Texterläuterungen zu Schwerpunkten i m Einnahme- und Ausgabebereich, zu Prioritäten und geplanten Maßnahmen i n einzelnen Aufgabenbereichen w i r d das Zahlenmaterial i n relativ großer Breiten- und Tiefengliederung sowohl i n einer funktionalen Gliederung nach Aufgabeblöcken i m Vergleich zum Haushalt stärker programmatischer Ausrichtung, wie nach institutionellen Gliederungskriterien (Ministerialgliederung) und schließlich i n einer „ökonomischen" Gliederung nach Einnahme- und Ausgabearten gemäß der Systematik des Staatskontos i n der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufbereitet. (Abgesehen von einer stärkeren Aggregierung entspricht diese Verarbeitung des Zahlenmaterials i m wesentlichen der i m Haushaltsplan.) Es kann kein Zweifel daran sein, daß es die Einführung der Finanzplanung war, die i n den einzelnen Ressorts und regierungsweit die Einsicht i n die Notwendigkeit von Prioritätensetzung und vorausschauender Koordination förderte, i n vielen Ressorts erste Versuche zum Aufbau von Fachplanungen i n den ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichen erzwang, zu ersten Ansätzen politischer Planungsüberlegungen auf Regierungsebene führte und eine gewisse Abschwächimg des Ressortpartikularismus unterstützte. Die Finanzplanung, der m i t i h r verbundene Ausbau der Informationskapazitäten und der Regierungs- und Verwaltungsorganisation hat es ermöglicht, daß der Finanzminister und sein Ministerium i n stärkerem Maße als es vorher möglich war eine über die bloße fiskalische Haushaltssicherung hinausgehende Koordinierungsfunktion i m Regierungs- und Verwaltungsapparat übernehmen konnte. Allerdings bestehen i m Rahmen des erreichten Ausbaus, auf der Basis der heute gegebenen rechtlichen Kompetenzen und institutionellen Ressourcen durchaus noch nicht v o l l ausgeschöpfte Möglichkeiten für dieses Ressort als eines der Gegengewichte gegen zentrifugale Tendenzen i m Re-
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gierungsapparat zu fungieren und i n einer z.B. der englischen Treasury vergleichbaren Weise eine gewichtigere Rolle als Koordinator unter nicht n u r fiskalischen Aspekten zu übernehmen. Allerdings beginnt sich ein diesen Möglichkeiten entsprechendes neues Rollenverständnis des Finanzministers erst langsam zu entwickeln 5 . VI. Die Haushalts- und Finanzplanungsprozesse laufen nicht nur auf den gleichen institutionellen Wegen, sondern die Entscheidungsprozesse sind auch zeitlich synchronisiert. Der auf den zur Verfügung stehenden methodischen und informationellen Grundlagen erzielbare Koordinationsund Steuerungseffekt der Finanzplanung für das jeweils nächste Budget w i r d durch diese zeitliche Synchronisierung eingeschränkt. Die Vorschaltung einer Finanzplanungsrunde i m Kabinett vor der Aufstellung des jeweils nächsten Budgets wäre dem heute praktizierten Verfahren ohne Zweifel vorzuziehen. Auch i n diesem Punkt kann die britische Lösung durchaus Vorbild sein. I n dieser Feststellung ist bereits die Grundlinie der K r i t i k an der Finanzplanung angedeutet. Ich nenne nur einige ihrer weiteren Stichworte: Die Finanzplanung habe es kaum ermöglicht, die Fortschreibung einmal bewilligter Ausgaben zu verhindern, fördere ein Denken i n Quoten und Plafonds monetärer Größen, gebe dadurch einer Prioritätenbestimmung zu wenig Raum, der administrative Planungsprozeß absorbiere i n zu hohem Maße neue politische Impulse und Prioritätensetzungen, führe zu einer Dominanz finanz- und gesamtwirtschaftlicher Gesichtspunkte, kurzfristige Aspekte des Haushaltsausgleichs und aktuelle konjunkturelle Probleme schlügen zu stark auf die Planung — insbesondere die Ausgabenseite — durch und begrenzten ihre potentielle Normierungskraft für den jeweils nächsten Haushalt. Schließlich reiche der mittelfristige Planungszeitraum nicht aus, u m notwendig langfristig zu planenden Aufgabenbereichen (z.B. Verkehr, Bildung, Verteidigung) einen integrativ-programmatischen Bezugsrahmen zu geben, und der Beitrag, den sie — als Voraussetzung von Koordinierung und Prioritätenbestimmung — zur Information über Aufgabenprogramme, zur Kosteninformation, zur Leistungs- und Managementkontrolle leisten könne, sei zu gering. Die Ähnlichkeit dieser K r i t i k m i t der am konventionellen Budget ist deutlich, aber nicht zufällig. Denn hier wie dort — so w i r d mit Recht festgestellt — resultiert die begrenzte Leistungsfähigkeit aus der 6 Vgl. hierzu und zum Gesamtthema: A. Zunker, Finanzplanung und Bundeshaushalt. — Zur Koordinierung und Kontrolle durch den Bundesfinanzminister, Frankfurt a. M. 1972.
Diskussionsbeitrag:
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Grundkonzeption einer finanziellen Ressourcenplanung: E i n solches System kann weder alle Bereiche des Regierungs- und Verwaltungshandelns erfassen — sei es w e i l sie sich nicht oder nur i n geringfügigem Maße oder nur mittelbar i n Ausgabenpositionen niederschlagen — noch sind andere als finanzielle Ressourcen unmittelbar und hinreichend über sie steuerbar. Vor allem aber kommt eine finanzielle Ressourcenplanung ohne eine explizite, „output"-orientierte Ziel- und Programmformulierung aus, und sie ist i n ihrer spezifischen Ausrichtung als Informationssystem dafür ungeeignet. VII. Die Konsequenz aus den Erfahrungen der Praxis und diesen prinzipiellen Begrenzungen des Finanzplanungssystems war und ist die Forderimg, die Finanzplanung durch eine explizit an den programmatischen Zielen und den „Outputs" des staatlichen Handelns orientierte Ziel- und Programmplanung auszubauen bzw. zu ergänzen. Erste A n sätze zu einer regierungsweiten „Aufgabenplanung" sind i n den Jahren nach 1970 entwickelt worden: Frühkoordinierungssystem, Entwicklung eines Arbeitsprogramms (Instrumente: Gremium der Planungsbeauftragten, formalisiertes Datenblattverfahren) etc. sind hier die Stichworte, zu denen i m Zusammenhang anderer Themen bereits gesprochen wurde. Die formelle wie informelle Verknüpfung dieser Ansätze m i t der Finanzplanung aber blieb bisher gering. Die Frage, wie der als notwendig erkannte weitere Ausbau vorzunehmen ist, hat nur insoweit eine A n t w o r t gefunden, als eine relativ enge Verzahnung der Teilplanungssyseme Ziel- und Ressourcenplanung anzustreben ist. Der Vorschlag, den die Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform i n ihrem letzten Bericht vorgelegt hat, läuft auf die Entwicklung eines auf Programmbudgetierung ausgerichteten Planungssystems zu 6 . Aber das ist ein Ziel, das nicht i n allzu naher Zukunft erreichbar sein wird, wenn man die Voraussetzungen und Erfolgsbedingungen dieses Konzepts bedenkt. Sie i n schrittweisem Vorgehen und von vorhandenen Ansatzpunkten einer Ziel- und Programmorientierung her zu schaffen, ist die heute gestellte Aufgabe. Die i n den einzelnen Ressorts gegebene Ausgangslage ist sehr unterschiedlich: Erste Ansätze zu einer Fachplanung i n dem einen Ressort, ausgebaute Systeme i n anderen Ministerien (z. B. dem Verteidigungsministerium, dessen Planungssystem dem i n den Referaten dargestellten schwedischen und britischen recht ähnlich ist); die überkom6 Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, 3. Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Bonn November 1972, Teil I.
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Thema I I I : Haushalt und Koordination
mene Struktur der Ministerialorganisation neben einer zumindest i n Teilen stärker programmatisch ausgerichteten Struktur i m Nachbarministerium; versuchsweise Einführung des Arbeitens nach einer Ressortzielstruktur (im Bundeslandwirtschaftsministerium) ; Ausbildung von Funktionsbudgets (z.B. eines „Sozialbudgets" i m Bundesarbeitsministerium); daneben wiederum der Verzicht, die potentielle regierungsweite Koordinierungsfunktion anderer Querschnittsaufgaben neben dem Haushalt (besonders Personal, Organisation) zu nutzen — so ließe sich grob die gegenwärtige Lage auf der Ebene der Bundesministerien umreißen. VIII. Die bisher angeführten Gesichtspunkte bezogen sich fast ausschließlich auf die Ebene der Bundesregierung. Aber auch die knappste Situationsanalyse muß zumindest auf die Komplexität von Koordinierung und Prioritätensetzung i n einem dezentralisierten, föderal-strukturierten System hinweisen. Ohne auf die grundsätzlichen Fragen der Planung u n d Erledigung öffentlicher Aufgaben i m Bundesstaat i m Vergleich zum Einheitsstaat eingehen zu können, sei hier allein hervorgehoben, daß weniger als die Hälfte der öffentlichen Finanzen auf der Bundesebene verplant und verausgabt werden und daß die bundesstaatliche Aufgabenverteilung, die ohnehin Interdependenzen zerschneidet, i n der Bundesrepublik eher i n einer A r t „Aufgabenmischung" als i n Form einer strengen Aufgabentrennung vorgenommen ist. M i t einiger Leichtigkeit lassen sich aus dieser Problemlage stichhaltige Begründungen für die Notwendigkeit einer umfassenden Koordinierung und Prioritätensetzung über die staatlichen Ebenen hinweg und unter Einbeziehung der Kommunen ableiten. A l l e i n die makroökonomischen Zielsetzungen bei der Verwendung öffentlicher Ressourcen liefern i m gegebenen System der Finanzbeziehungen zwischen den staatlichen Ebenen eine zwingende Begründung. Neben einer partiellen Reform der die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern betreffenden Verfassungsbestimmungen, der Schaffung einiger technisch-methodischer Voraussetzungen zu einer bloß additio-koordinierten Finanzgesamtschau, einer auf wenige einzelne Aufgaben begrenzten isolierten Rahmenplanung, der Einrichtung von Koordinationsgremien m i t nur empfehlenden Kompetenzen i m Ressourcenbereich ist hier bisher nicht viel geschehen. U n d nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre läßt sich sagen, daß der B u n d zwar i n steigendem Maße eine aktive koordinierende Rolle zu übernehmen versuchte, daß aber die bisher durch freiwillige Kooperation erreichten Ergebnisse wenig mehr als eine vage Hoffnung für die Zukunft
Diskussionsbeitrag:
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begründen, auf diesem Wege weiterzukommen. Aber es geht i n diesem Bereich zwar auch u m Probleme politisch-administrativer Organisation und methodisch-technische Fragen der Gesamtkoordination und -prioritätenbestimmung, doch i n erster Linie u m gravierende verfassungspolitische Probleme des Bundesstaats und seiner Weiterentwicklung. IX. Der Haushalts- und Finanzplanungsprozeß bietet zweifellos A n knüpfungspunkte für eine Intensivierung seiner instrumentellen Leistungsfähigkeit zur Koordinierung und Prioritätensetzung. Aber die Durchsicht der K r i t i k an Konzeption und Praxis der Finanzplanung und der vielfältigen daraus entwickelten Ausbau- und Reformempfehlungen führt zu der Warnung, Vorschläge und Versuche zu verfolgen, die den Haushalt i n das starre Korsett eines hochkomplizierten Planungssystems pressen wollen, das den Bedingungen der Politik und des Regierens nicht entspricht. Und man sollte sich auch hüten, über die Forderung nach einem klaren Priotitätengerüst und umfassender Koordinierung der Illussion des „Großen Plans der Politik", des umfassenden politischen Gesamtkonzepts, wie es am Anfang der Planungsdikussion auftauchte, neues Leben einzuhauchen. Die Feststellung von Mängeln ist eine Frage des Maßstabs. Natürlich ist es nicht allzu schwer, z. B. von einem Entscheidungsmodell vollständiger Rationalität her, Mängel des Budgetprozesses zu konstatieren. Aber es darf nicht offenbleiben, ob und inwieweit die so gesetzten Maßstäbe dem Gegenstandsbereich entsprechen und i n praktikable, dem analysierten Bereich angemessene Kriterien und Folgerungen umzusetzen sind. Das sind Selbstverständlichkeiten — gewiß, aber gerade bei der Diskussion von Budgetkonzepten, einem Tummelfeld konstruktivistischer Irrtümer, mag es erlaubt sein, an sie zu erinnern.
Thema I V Die Rolle und Effektivität der interministeriellen Ausschüsse für Koordination und Regierungspolitik Einleitende Bemerkungen von Arne F. Leemans I. Typologie Der Begriff „interministerielle Ausschüsse für die Koordination der Politik" bezieht sich — international gesehen — auf eine Vielzahl von Ausschüssen auf der höchsten Ebene einer Zentralregierung. Die Merkmale dieser Ausschüsse sind je nach Land und sogar innerhalb eines Landes sehr unterschiedlich. Es ist daher zweckmäßig, sie auf der Grundlage bestimmter Kriterien zunächst einmal zu kategorisieren. 1. Ein erstes K r i t e r i u m ist die Unterscheidung zwischen Ausschüssen auf politischer Ebene und Ausschüssen auf Verwaltungsebene. Man kann m i t Lepper die Gültigkeit einer scharfen Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Ausschüssen bezweifeln. Beamte, insbesondere leitende Beamte, sind an der Vorbereitung der Politik i n bedeutendem Umfang beteiligt und nehmen sogar häufig an Gesprächen i n Ministerausschüssen teil. Sie sind also auch an einem politischen Prozeß aktiv beteiligt. Pusic bezeichnet daher die Koordination der Polit i k i m Regierungsbereich als einen politisch-technischen Prozeß. Die Unterscheidung zwischen Ausschüssen auf politischer Ebene und Ausschüssen auf Verwaltungsebene bezieht sich also i m wesentlichen auf einen formalen Aspekt, d. h. auf ihre Zusammensetzung. Ausschüsse auf politischer Ebene setzen sich aus politisch verantwortlichen Personen zusammen. I n dieser Kategorie gibt es mindestens drei verschiedene Arten von Ausschüssen: — Ständige Ausschüsse des Kabinetts („Kabinettsausschüsse", „Commissions délégués du Gouvernement", „Comités Interministériels"). I n diesen Ausschüssen sind Minister, oft Parlamentarische Sekretäre und manchmal leitende Beamte (die jedoch meist i n beratender
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
Funktion Mitglieder sind) vertreten. Die Holle dieser Ausschüsse besteht jedoch hauptsächlich darin, Diskussionen i m und Entscheidungen durch das gesamte Kabinett vorzubereiten und Angelegenheiten zu beraten, die für das gesamte Kabinett nicht von unmittelbarem Interesse sind. Der Vorsitzende der Sitzungen dieser Ausschüsse ist i n den meisten Fällen der Premierminister. Außerdem führt i n Frankreich der Präsident den Vorsitz i n den „conseils interministériels"; — Ministerielle Arbeitsgruppen (z. B. i n Spanien), die für die Ständigen Ausschüsse oder das gesamte Kabinett die Arbeit auf Fachgebieten erledigen; — Ausschüsse ständiger Sekretäre (wie die „Staatssekretäre" i n Deutschland sowie auch i n Spanien). Sie bereiten die Beratungen der Minister i m Kabinett oder den Ständigen Ausschüssen vor. Tatsächlich zeigt sich bei den zuletzt erwähnten Ausschüssen die Schwierigkeit einer Unterscheidung zwischen Ausschüssen auf politischer Ebene und Aussschüssen auf Verwaltungsebene. Grundsätzlich gehören die Staatssekretäre nicht zu dem politisch verantwortlichen Personal, und ihre Ausschüsse sollten daher nicht m i t Ausschüssen des politischen Personals gleichgesetzt werden. Ihre Rolle ist jedoch zunehmend politisch geworden. Außerdem sollte betont werden, daß die formale Zusammensetzung der Ausschüsse des politischen Personals die Praxis nicht korrekt widerspiegelt. Häufig treten leitende Beamte i n den Sitzungen an die Stelle der Minister. Ausschüsse auf Verwaltungsebene tenden Beamten zusammen.
setzen sich hauptsächlich aus lei-
— Interministerielle Ausschüsse m i t Vertretern der Regierungsressorts. Es sind Schlüsselgruppen von leitenden Beamten, die die A r beit i n Ausschüssen auf politischer Ebene, insbesondere i n Ständigen Ausschüssen, vorbereiten. Sie sind seit jeher der Beamtenunterbau. Dort, wo solche Ausschüsse als Unterbau der Ständigen Ausschüsse existieren, w i r d fast jeder Tagesordnungspunkt der Ständigen Ausschüsse zunächst i n diesen ressortübergreifenden Ausschüssen erörtert. Ihre Hauptaufgabe ist die Vorbereitung der politischen Ziele. (In einigen Ländern gibt es auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltungshierarchie eine Hierarchie innerhalb dieser Ausschüsse.) — Expertenausschüsse. Sie führen Untersuchungen i n den verschiedenen Fachbereichen der Ressortaufgaben durch und liefern Fachinformationen für Beratungen auf politischer Ebene.
Einleitende Bemerkungen: A. F. Leemans
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2. E i n zweites K r i t e r i u m ist der zeitlich begrenzte oder der unbegrenzte Einsatz von Ausschüssen. Diese Unterscheidung scheint für Ausschüsse auf Verwaltungsebene von besonderer Bedeutung zu sein, da es sich bei Ausschüssen auf politischer Ebene meistens u m Ausschüsse handelt, die zeitlich unbegrenzt eingesetzt werden. I n diesem Zusammenhang werde ich daher die Erörterung dieser Unterscheidung auf Ausschüsse der Verwaltungsebene beschränken. Ständige Ausschüsse werden für einen unbestimmten Zeitraum eingesetzt. Wie zuvor gesagt wurde, sind sie i n vielen Fällen der Unterbau des Kabinetts oder der Ständigen Ausschüsse der Verwaltungsebene. Außerdem sind sie ein Instrument für den permanenten Dialog über wichtige politische Fragen zwischen den Hessorts. Sie können also i n einem frühen Stadium Auseinandersetzungen verhindern oder zumindest bloßlegen. Zeitlich begrenzte oder ad hoc-Ausschüsse. Sie spielen eine zunehmend wichtige Rolle i m Zusammenhang m i t der ressortübergreifenden Koordination der Politik bei begrenzteren oder spezifischeren politischen Fragen. Obwohl sie aufgelöst werden sollen, wenn ihre Aufgabe erfüllt ist, ist dies manchmal nur schwer zu bewerkstelligen (wie der Fall Spanien zeigt). 3. Ein drittes K r i t e r i u m ist die Beschränkung auf eine Repräsentation ausschließlich durch die Ressorts oder eine Erweiterung der Repräsentation auf Stellen außerhalb der Ressorts. Die Ausschüsse setzen sich möglicherweise nur aus Personal (aus Politik oder Verwaltung) der Ministerien zusammen. Es ist auch möglich, daß Mitglieder aus anderen (insbesondere niedrigeren) Behörden und aus gesellschaftlichen Organisationen oder Gruppen vertreten sind. Obwohl es sich bei den zuletztgenannten Gruppen meistens u m Ausschüsse der Verwaltungsebene handelt, gibt es i n einigen Ländern auch Ausschüsse auf politischer Ebene m i t Mitgliedern, die nicht aus den Ministerien kommen. Es handelt sich dabei meistens u m beratende Organe des Kabinetts. 4. Ein viertes K r i t e r i u m basiert auf den Funktionen, die die Ausschüsse erfüllen. Dieses besondere K r i t e r i u m w i r d später noch ausführlich behandelt. Es gibt nicht nur eine Vielzahl von interministeriellen Ausschüssen, die Verallgemeinerungen erschweren. Die Diskussion über interministerielle Ausschüsse w i r d noch weiter kompliziert durch die Tatsache, daß es hinsichtlich der Definition des Begriffs Koordination selbst keine Übereinstimmung gibt. Die meisten Definitionen der Koordination der Politik haben eines gemeinsam: die Abstimmung der politischen Meinungen verschiedener Teile der Verwaltung oder der Mitglieder des politischen Organs.
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Kottman hat für unsere Zwecke eine brauchbare Definition gegeben: Koordination ist „ein Interaktionsprozeß zwischen denen, die ,Politik machen4, i m Hinblick auf ein politisches Ziel zum Zwecke einer gemeinsamen Anpassung der Politik einzelner Politiker". Einzelne Politiker können auch auf Einheiten des Regierungsapparates verweisen. I I . Ursachen für die Notwendigkeit der Koordination Jede Organisation w i r d geschaffen und aufrechterhalten, damit bestimmte Ziele erreicht werden. Es ist Aufgabe des Regierungsapparates, die Ziele zu verwirklichen, die von den zuständigen Organen des politischen Systems formuliert worden sind. Die Ziele einer modernen Regierung sind weitverzweigt und müssen i n abgeleiteten Zielen (oder Unterzielen) genauer umrissen werden. Die Struktur der Organisation baut sich so auf, daß Ziele i n bestimmten Bereichen erreicht werden können. Aus diesem Grunde werden Organisationseinheiten geschaffen: wie Pusic erklärt, gibt es eine Differenzierungsaufgabe, die aus Einrichtung von Regierungsressorts führt. Die Unterteilung des Regierungsapparates i n Ressorts ist jedoch nicht nur ein rationaler Prozeß, der auf einer Analyse der daraus resultierenden Ziele und Aufgaben basiert. A l l e Arten von Machtverflechtungen sowie andere Faktoren spielen bei der Festlegung der Unterteilung i n Ressorts eine wichtige Rolle. Außerdem werden die Änderungen der Struktur der Organisation, die durch Zielverschiebungen folgericht i g erforderlich wären, oft infolge der starren, komplizierten Organisation des Widerstandes gegen Änderungen u. ä. nicht durch Reorganisationen verwirklicht. Insbesondere die sogenannte „Aufgabenumw e l t " (eine Reihe von Außenstellen, m i t denen die Organisationseinheiten zusammenarbeiten müssen, w e i l sie für die Zielsetzung und die Zielumsetzung durch die Einheiten von Bedeutung sind) beeinflußt den Grad der Veränderlichkeit der verschiedenen Regierungsressorts. Weil die allgemeinen Regierungsziele sehr vage sind und eine MetaPolitik, durch die sie klar definiert werden, und allgemeine Durchführungsmöglichkeiten meistens fehlen oder nur geringfügig entwickelt werden, entwickeln die Hauptorganisationseinheiten, d.h. die Regierungsressorts ihre eigenen Ziele i n bezug auf ihre Aufgaben. Dies führt ganz klar zu Unterschieden bei und oft zu Gegensätzen zwischen Ressortzielen. Dies erfordert Bemühungen u m und Instrumente für gegenseitige Anpassung. Das Problem der Integration und Koordination (nach Pusic die Gegenpole der Differenzierung) w i r d durch eine Vielzahl von Regie-
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rungszielen und -aufgaben einerseits und die zum Erreichen der Ziele und zur Durchführung der Aufgaben erforderliche Interdependenz der politischen Ziele andererseits erschwert. Außerdem erfordern bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen eine schnelle Reaktion und legen der erwünschten Dauer des Entscheidungsprozesses zeitliche Beschränkungen auf. Kommunikationsprozesse horizontaler A r t wie die Koordination werden dann als naheliegendste Lösung angesehen, die zumindest als formale Lösung leicht zu realisieren scheint. Selbst wenn es klar ist, daß die Notwendigkeit einer Koordination das Ergebnis eines organisatorischen Mangels ist, w i r d sie als Lösung für gegenseitige Anpassung und Integration eingesetzt für den Fall, daß es für zu schwierig und zeitraubend oder vom Standpunkt bestimmter Personen oder Organisationseinheiten aus für unerwünscht gehalten wird, den organisatorischen Mangel selbst zu verbessern und somit die Schwierigkeiten von grundauf zu beheben. Dementsprechend werden Koordinationsausschüsse nur am Rande als M i t t e l zur Beseitigung organisatorischer Mängel eingesetzt (wie Meilan G i l und Langrod festgestellt haben). A u f diese Weise entsteht eine Vielzahl von Koordinationsorganen. Viele dieser Ausschüsse entsprechen jedoch grundsätzlich nicht den Grunderfordernissen der Integration und können daher als „facade-coordination" (Langrod) bezeichnet werden. Dementsprechend können sie kaum für eine unzureichende Koordination verantwortlich gemacht werden. Andererseits wäre es falsch, den Eindruck zu erwecken, daß eine A r t von idealer Aufgabenteilung innerhalb der Regierungsressorts Koordination überflüssig machen würde. Wie w i r festgestellt haben, sind Integration und Koordination die Gegenpole der Differenzierung. Pusic hat daher richtig bemerkt, daß Koordination i n bestimmtem Umfang und i n bestimmter A r t i n einer Organisation wie dem Regierungsapparat i m mer notwendig ist. Die interministeriellen Ausschüsse sind also eine Möglichkeit, den Erfordernissen gemeinsamer Anpassung und Integration zu entsprechen. Außerdem gibt es eine Vielzahl von formalen und informalen Strukturen, Prozessen und Verhältnissen, die diesem Zweck dienen. Es bestehen sehr große Unterschiede zwischen den formalen Strukturen und Prozessen der Koordination i n einem Land. Wahrscheinlich ist das politische System i n dem entsprechenden Land einer der bestimmenden Faktoren für die beherrschenden Koordinationsarten i n diesem Land. Insbesondere die Position, Rolle und Macht des Präsidenten oder Premierministers als zentralem Politiker ist von Bedeutung, wie i n einem vorhergehenden Kapitel festgestellt wurde. Außerdem ist die parteipolitische Situation ein wichtiger Faktor für A r t und Umfang 26 Speyer 57
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
der Koordinationsprobleme; i n einer Einparteienregierung ist das Problem zum Beispiel ganz anders gelagert als i n einer Koalitionsregierung. I m letzteren Fall muß die Frage gestellt werden, inwieweit ständige Ausschüsse die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung reflektieren, was durchaus beträchtliche Konsequenzen für die Koordination haben kann. Obwohl objektiv gesagt werden kann, daß Integration und Koordination notwendig sind, gibt es i n den Ressorts verschiedene Auffassungen über diese Notwendigkeit und auch verschiedene Haltungen i m Hinblick auf Koordination. Koordination heißt nämlich Einmischung i n den Prozeß der Erarbeitung von politischen Zielen einzelner Minister und Ressorts. Insbesondere die Fachressorts oder technischen Ressorts werden es ablehnen, daß andere Ressorts sich i n ihre Angelegenheiten einmischen. Dieser Widerstand hängt natürlich von dem Grad der Autonomie ab, die einige Ressorts traditionsgemäß i n dem betreffenden Land haben. I n dem Spannungsfeld der ressortübergreifenden Beziehungen neigt jedes Ressort dazu, die Vorteile dieser Beziehungen für sich selbst zu maximieren und ihre Kosten zu minimieren; Vorteile und Kosten beziehen sich auch auf Gewinne und Verluste i m Zusammenhang m i t der Autonomie und auf Macht oder verstärkte Kontrollmöglichkeiten über andere Ressorts infolge der Koordination. Der Ressortegoismus führt zu einem Wettbewerb u m Aufgaben und Kompetenzen und u m die Zuteilung von Mitteln 1 . Kastelein und Kottman stellen i n ihrem Diskussionsbeitrag die H y pothese auf, daß die Aufgabe eines Ressorts stark seine Haltung gegenüber der Koordination beeinflußt. Sie schlagen eine globale Unterscheidung der Ressorts nach vier verschiedenen A r t e n von Aufgaben vor: — Schlüsselressorts (z. B. Finanzen, Wirtschaftsfragen). Sie sind sofort verfügbar, wenn es gilt, den Spielraum zu bestimmen, der der Polit i k der Ressorts gegeben werden soll. Sie bestimmen die Koordination m i t den anderen Ressorts. — Bereichsressorts. Diesen Ressorts obliegt es, sachlich sehr ähnliche Arbeitsgebiete, z. B. Verkehr und Wasserwege, Landwirtschaft, kohärent zu behandeln, und man könnte sie „produktionsorientiert" nennen. Sie werden eher geneigt sein, die Koordination abzulehnen, 1 I n ihrem Diskussionsbeitrag vertrat Mrs. Siwek-Pouydesseau einen anderen Standpunkt zu dieser Frage. Sie erklärte, daß Interdependenz- und Wettbewerbsprobleme zwischen den Ressorts durch f ehlende Autonomie hervorgerufen würden. Was als „notwendige Koordination" empfohlen wird, ist ihrer Meinung nach in Wirklichkeit eine versteckte A r t der „Hyperzentralisierung" auf höchster Ebene des Regierungsapparates.
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da sie Einmischung i n politische Ziele bedeuten könnte, die sie relat i v autonom entwickelt haben. — Facettenressorts. Sie konzentrieren sich auf ein bestimmtes Grundelement der gesamten Regierungspolitik, das i n mehr als einem Bereich zu finden ist: Fürsorge, Gesundheit und materielle Sicherheit, gute internationale Beziehungen. Z u diesen Ressorts gehören: Gesundheitsplanung; Umweltfragen, K u l t u r und Erholung; und Auslandsfragen. Sie sind fast vollständig von der Koordination zwischen den Bereichen abhängig und üben dabei einen ausgleichenden Einfluß auf die mehr produktionsorientierten Bereiche aus. — Dienstleistungsressorts. Dabei handelt es sich u m Ressorts, deren Aufgabe es ist, die Organisation und das Funktionieren des Regierungsapparates zu gewährleisten (z. B. Innenministerium oder M i nisterium für allgemeine Angelegenheiten). Sie werden wahrscheinlich entweder die Koordination durch andere Ressorts fördern oder ihnen die Koordination aufzwingen. Johnson betont, daß auch Minister gegen unüberlegte bürokratische ressortübergreifende Koordination opponieren, da diese leicht zu bürokratischer Macht bei politischen Entscheidungsprozessen führen kann. Dabei können sie nur auf der Grundlage von Vorschlägen Entscheidungen treffen, die i n der bürokratischen Küche vorgekocht worden sind. Sie haben keinen Einblick i n ressortübergreifende Konflikte und alternative Lösungen. Oft w i r d gesagt, daß dieser bürokratische ressortübergreifende Prozeß die Erneuerung bei der Erarbeitung der Regierungspolitik behindert. Nicht das Wünschenswerte, sondern das Mögliche w i r d zum Maßstab für die Formulierung der Politik. Lepper hat eine andere Ansicht. Er meint, daß ein Minister i n Deutschland eine beherrschende Position bei der Festsetzung der politischen Ziele seines Ressorts innehabe. Eine frühe ressortübergreifende Koordination auf bürokratischer Ebene könne verhindern, daß eine komplexe politische Frage m i t verschiedenen politischen Faktoren durch einen Minister zu einem einseitigen politischen Vorschlag herabgemindert werde, so daß Gefahr bestehe, daß das Kabinett fast keine andere Wahl habe, als den gesamten Vorschlag zu akzeptieren oder abzulehnen. I I I . Der Zeitpunkt des Einsatzes der Koordination Die Phasen des Erarbeitungsprozesses von politischen Zielen, bei dem ressortübergreifende Koordination stattfindet, ist wegen seiner W i r kungen von Bedeutung. Der Einfluß interministerieller Ausschüsse bei der Koordination hängt unter anderem von den Prozeßphasen ab, für die sie eingesetzt werden. 26»
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Kottmann unterscheidet drei A r t e n der Koordination vom Standpunkt des Zeitpunktes des Einsatzes aus: 1. Vorkoordination: A u f höchster Ebene w i r d ein allgemeiner politischer Rahmen festgesetzt (das Kabinett). Dies ist ein Hauptzwang für die Entwicklung von politischen Zielen der Ressorts (vergleichen Sie dazu z. B. Meilan G i l zur spanischen Situation); 2. Laufende Koordination: Die gegenseitige Anpassung der politischen Ziele findet während des Prozesses der Erarbeitung von politischen Zielen statt. 3. Nachkoordination : Ressorts entwickeln ihre eigenen politischen Ziele und Pläne. Sie werden i n der letzten (oder einer späten) Phase des Prozesses der Erarbeitung von politischen Zielen miteinander verbunden. Lepper nennt dies „negative Koordination". Lepper erklärt, daß ressortübergreifende Politik u m so inflexibler ist und u m so weniger abgestimmt werden kann, je später die Koordination stattfindet. N u r ein langer und schwieriger Prozeß des Aushandelns kann dann noch eine Lösung bieten. Wenn der Erfolg ausbleibt, muß das Kabinett die endgültige Entscheidung treffen. Obwohl dies eine Menge Zeit und Energie i n Anspruch nimmt, hat es den Vorteil, daß das Kabinett noch verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung hat. Lepper bemerkt, daß i n Deutschland eine Verschiebung des Zeitpunktes des Einsatzes der Koordination zu verzeichnen ist. I n der Vergangenheit w a r die Nachkoordination vorherrschend. Heutzutage besteht die Tendenz, die politischen Prämissen der Ressorts miteinander i n Einklang zu bringen und daraufhin die politischen Ziele auszuarbeiten („Gemeinschaftsentscheidung"). I n Übereinstimmung m i t Lepper stellen Kottman und Kastelein die Hypothese auf, daß die Koordination wahrscheinlich u m so effektiver ist, je früher die Koordination beginnt. I V . Die interministeriellen Ausschüsse Neben den zuvor erwähnten Aspekten i m Zusammenhang m i t Umweltfragen und politischen Systemen sind drei Elemente für interministerielle Ausschüsse kennzeichnend: ihre Rolle, ihre Struktur und ihr interner Prozeß. I. Rollen
Interministerielle Ausschüsse können bei dem Prozeß der Politikerarbeitung drei charakteristische Rollen spielen: Kontrolle bei der Vorbereitung, während des Entscheidungsprozesses und i n der Krise.
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a) Die meisten interministeriellen Ausschüsse sind an der Vorbereitung beteiligt. Ihre Beteiligung reicht von Untersuchungen über bestimmte politische Fragen bis zur letzten Vorbereitungsphase i m A u f trag der nächsthöheren Ebene: der Ständigen Ausschüsse oder des K a binetts. I m letzteren F a l l liegt die Betonung auf Vorbereitungsgesprächen, die Ausarbeitung von Berichten oder Empfehlungen oder die Formulierung von Vorschlägen oder Entscheidungsentwürfen. Die formale Rolle der meisten interministeriellen Ausschüsse ist darauf beschränkt. Solche Empfehlungen oder Vorschläge werden jedoch öfter angenommen als zurückgewiesen, und zwar nur m i t geringfügigen Ä n derungen durch die nächsthöhere Ebene. Das bedeutet, daß der informelle Einfluß dieser Ausschüsse sehr groß sein kann. b) Entscheidungsfunktion. Ausschüsse haben eine formale Befugnis, zu entscheiden. Dies t r i f f t für die „Commissions delegres du Gouvernement" i n Spanien zu, aber als deutlichstes Beispiel dienen vielleicht die Ständigen Ausschüsse des Kabinetts i n Großbritannien. I n diesen Ausschüssen werden nicht nur Kompromisse zwischen Ministern erarbeitet, sondern auch politische Entscheidungen gefällt, und zwar zur Entlastung des gesamten Kabinetts. I n Großbritannien haben auch adhoc-Ausschüsse unter Umständen einige Entscheidungsbefugnisse, aber ihre Entscheidungen müssen durch Ständige Ausschüsse oder das K a binett ratifiziert werden. I n anderen Ländern (z. B. i n Westdeutschland und den Niederanden) haben interministerielle Ausschüsse von der A r t der Ständigen Ausschüsse jedoch keine Entscheidungsbefugnisse. Ihre formale Rolle beschränkt sich auf die Vorbereitung. c) Einige interministerielle Ausschüsse haben auch die Rolle eines Kontrollorgans i n Krisenzeiten (z.B. i n Westdeutschland und Großbritannien). Sie haben großen Einfluß und werden meistens vom Premierminister geleitet. Zusätzlich zu dieser Rollendifferenzierung analysieren Kastelein und Kottman die Aufgabe einer Koordinationseinheit nach zwei Bereichen: 1. kurzfristige und langfristige Koordination der Politik; 2. Koordination, die sich am Einblick und an der Entscheidung orientiert. Bei der Koordination, die sich am Einblick orientiert, ist das allgemeine politische Problem noch vage und erfordert weitere Einsicht sow o h l was das Problem betrifft als auch was die Folgen für verschiedene politische Bereiche i n verschiedenen Ressorts angeht. Das politische Problem ist oft sehr komplex. Meistens betrifft es komplizierte und unprogrammierte Bereiche der Regierungstätigkeit m i t geringer Sicherheit hinsichtlich der Mittel-Ziel-Beziehungen. Feststehende politische
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Alternativen stehen nicht zur Verfügung, der Prozeß hat den Charakter des Suchens und orientiert sich oft an der Erneuerung. Bei der mehr auf die Entscheidung gerichtete Koordination gibt es ein oder mehrere mehr oder weniger klar definierte Ziele. I n diesem F a l l zielt der Prozeß der Politikerarbeitung zumindest formal auf die Entwicklung alternativer Möglichkeiten infolge eines logischanalytischne Prozesses und auf eine Leistung ab, die sobald wie möglich erreicht werden soll. Sie betrifft Bereiche von Regierungstätigkeiten m i t einem höheren Grad von Programmierung und Sicherheit bezüglich der Mittel-Ziel-Beziehungen. Schwierige Aktionsbereiche technischer Natur (wie Weltraumprogramme) sowie administrativ-technische Koordination und Routine-Koordination von begrenzt-komplizierter A r t fallen unter diese Kategorie. Nach Kastelein und Kottman führen diese beiden Bereiche zu gegensätzlichen Aufgabenbereichen i n den Koordinationsausschüssen: — am Einblick orientierte/langfristige Aufgaben (s. auch Lepper) — an der Entscheidung orientierte/kurzfristige Aufgaben, was nach Johnson der allgemeine Aufgabenbereich der Ausschüsse i n der Regierungspraxis ist. 2. Struktur
Sie beinhaltet auch die formaleren Aspekte des Ausschusses: M i t gliedschaft, Aufgaben und Befugnisse, Betriebsverfahren (z.B. Möglichkeiten der Vorbereitung für und Organisation ihrer Sitzungen), externe Beziehungen (insbesondere m i t den Ministerien oder höheren Koordinationsausschüssen). I m Zusammenhang m i t a l l diesen Elementen gibt es unzählige und große Unterschiede bei den interministeriellen Ausschüssen. Ich beschränke mich auf die wichtigsten Aspekte. Zunächst ist die formale Hierarchie zwischen Ausschußmitgliedern augenscheinlich sehr wichtig. Bei den Ständigen Ausschüssen des Kabinetts sind die formalen Befugnisse und der unterschiedliche Einfluß des Premierministers, der Mitglieder des inneren Kabinetts und anderer Minister wichtige Faktoren für deren Einfluß i m Koordinationsprozeß i n den Ausschüssen (s. Delion und Lepper). Bei den m i t Beamten besetzten Ausschüssen ist der Rang der Mitglieder i m allgemeinen wicht i g für ihren Einfluß. Erfahrung scheint zu beweisen, daß der Koordinationsprozeß u m so glatter verläuft, desto homogener ein Ausschuß ist und desto höher der Rang seiner Mitglieder ist (s. Meilan-Gil). Außerdem beeinflußt der politische Raum, der den betreffenden Ressorts gewährt wird, die Koordination. Wenn einem Ausschuß — politisch gesehen — nur ungenügend Raum gelassen wird, so macht sich dies i m allgemeinen als ernstes Hindernis für eine gute Funktion des Ausschusses bemerkbar (s. unter anderem Meilan-Gil). Lepper beobach-
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tet, daß es bei Ausschüssen, die sich aus Beamten von höchstem Rang zusammensetzen, ungewöhnlich ist, daß die Mitglieder ein genau definiertes Mandat haben. Es gibt Ausnahmen, die folgende Gründe haben können: a) Das betreffende Ressort versucht, eine Einmischung der Koordinationseinheit i n seine Angelegenheiten zu verhindern; b) Der betreffende Minister hat feste Meinungen über die betreffende Angelegenheit; Außerdem hat sich erwiesen, daß eine vorhandene, relativ stark besetzte Beamteneinheit, die eng m i t dem Ausschuß verbunden ist, einen recht großen Einfluß auf die Effektivität von interministeriellen Ausschüssen hat. Sie kann unterstützend forschen und zu dem Prozeß der Erarbeitung von politischen Zielen einen beträchtlichen Beitrag leisten, und zwar durch die Vorbereitung von Arbeitsdokumenten oder sogar Vorschlagsentwürfen für die Ausschußsitzungen, möglicherweise nach Beratung m i t den verschiedenen zuständigen Ressorts (vgl. Johnson, der auf die Maklerrolle solcher Einheiten verweist). Bei Ständigen Ausschüssen des Kabinetts können die Existenz, die Aufgaben und Befugnisse eines Büros des Premierministers oder einer vergleichbaren Einheit für die Funktion des Ausschusses von Bedeutung sein. Dieses Büro kann technische Unterstützung leisten, kann seine Meinung zur „politischen" Qualität der Ressortvorschläge äußern und kann über den Zeitpunkt oder über den Ausschuß, i n dem ein Thema diskutiert wird, entscheiden (z. B. i n Kanada). 3. Der interne
Prozeß
Die internen Prozesse i n einem Koordinierungsausschuß sind ein bedeutender Faktor für die Qualität und Quantität seiner Leistung und die zur Erbringung dieser Leistung (Untersuchungen, Berichte, Vorschlagsentwürfe etc.) erforderliche Zeit. Die internen Prozesse werden augenscheinlich von den oben erwähnten strukturellen Merkmalen sowie von der Persönlichkeit der Ausschußmitglieder und den Gruppenbeziehungen innerhalb des Ausschusses beeinflußt. Kastelein und K o t t man unterscheiden drei verschiedene interne Prozesse, die m i t der Entscheidungsfindung i n Ausschüssen verbunden sind. a) Informationsaustausch: Zweck der Beratungen ist die Intensivierung der Kontakte zwischen den Mitgliedern über ein bestimmtes politisches Gebiet oder eine bestimmte politische Frage. Der Ausschuß erf ü l l t dann die Funktion eines Instruments des Informationsaustausches. Diese Information kann folgender A r t sein: — Information über die Tätigkeiten jedes Ressorts i m Hinblick auf das politische Gebiet oder die betreffende Frage. Dies mag Überschnei-
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
düngen, gegensätzliche Arbeit oder Lücken bei der Bearbeitung des Gebiets oder der Frage bloßlegen. — Fachinformation oder Information über eine besondere politische Perspektive, die von Vertretern eines Ressorts als Beitrag zu dem Prozeß der Vorbereitung der Politik i m Zusammenhang m i t einem weitgefaßten politischen Thema gegeben werden. Diese Informationen sind von großer Bedeutung insbesondere für die sich am Einblick orientierende Koordination (s. Lepper). b) Konsensschaffung: Dies umfaßt die Suche nach einem gemeinsamen Standpunkt oder einer gemeinsamen Politik. Häufig erfordert dies lange und schwierige Beratungen. Das ist weniger der Fall, wenn die politischen Prämissen der betreffenden Ressorts schon früh miteinander abgestimmt werden. Lepper beobachtet, daß eine Erklärung zu der erreichten Übereinstimmung zum Beispiel i n einem Ständigen Ausschuß von großem Nutzen sein kann, da sie einen wichtigen Einfluß auf die integrierten Maßnahmen der Ressorts haben kann und eine formelle Kabinettsentscheidung überflüssig machen kann. c) Prozeß des Aushandelns (einschließlich Lobby-Arbeit, Koalitonsbildung etc.) zwischen Ausschußmitgliedern bei möglicherweise ziemlich starren Standpunkten von Seiten der Ressorts insbesondere i n Ständigen Ausschüssen. Der Prozeß des Aushandelns kann sich auch auf politisch schwierige Probleme erstrecken; dies kommt insbesondere i n Koalitionskabinetten vor. Der Ständige Ausschuß w i r d dann zum „Schiedsrichter i n parteipolitischen Auseinandersetzungen" (Molitor), zum Forum für die Lösung von Konflikten, die nach der bürokratischen Koordination geblieben sind. Dabei ergibt sich das Risiko, daß insbesondere i n Koalitionskabinetten alle Minister geneigt sind, den Versuch zu unternehmen, i n allen wichtigen Ständigen Ausschüssen vertreten zu sein. d) Ein anderer Grundaspekt des internen Prozesses, der von den meisten Beitragenden zur Konferenz erwähnt wurde, ist das Netz des formlosen Informationsaustausches. Die Kontakte zwischen den Beteiligten spielen eine wichtige Rolle bei der Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der verschiedenen Ressorts. Je höher der Rang der Beamten i n den Ausschüssen ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie sich seit Jahren kennen und daß sich persönliche Beziehungen entwickelt haben. Dies erleichtert meist gemeinsame Gespräche und das Erreichen von Absprachen. Durch formlose Kontakte vor den Ausschußsitzungen sind die Mitglieder für gewöhnlich über den Standpunkt ihrer Kollegen gut informiert. Dadurch w i r d die Blockbildung und auch das „Zuspiel" zu anderen Ausschußmitgliedern erleichtert. Dies kann allerdings zusammen m i t den übervollen Terminkalendern von Ministern
Einleitende Bemerkungen: A. F. Leemans
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und leitenden Beamten zu einer oberflächlicheren Bearbeitung der Probleme i n den Ausschüssen führen, als dies erwünscht ist. Unter Zeitdruck kann der Ausschuß auch einen Konsens erreichen, der die wirklichen Standpunkte der verschiedenen Ressorts oder ihrer M i n i ster nicht wiedergibt. Dies kann zu rein formaler Koordination führen. Es ist jedoch möglich, daß die Ressorts m i t dem Koordinationsergebnis (Leistung) nicht einverstanden sind. Diese Diskrepanz kann sehr leicht zu Konflikten oder Frustration bei der weiteren Bearbeitung oder der Durchführung des Koordinationsergebnisses führen. Daher bedeutet formale Koordination nicht zwangsläufig auch wirkliche Koordination. Ein weiteres Risiko des internen Informationsaustausches ist eine mögliche Behinderung des Innovationsprozesses, da auf Innovation abzielende Meinungen durch Kompromisse abgeschwächt werden. e) Die Effektivität von Ausschüssen. Mehrere Beiträge zu den Diskussionen auf der Konferenz enthalten Vorschläge zur Verbesserung der Effektivität interministerieller Ausschüsse. Johnson stellt jedoch richtig fest, daß es kaum Kriterien zur objektiven Auswertung der Effektivität öffentlicher Verwaltungsstrukturen gibt. Die Effektivität bestimmter Strukturen i n einem politischen System w i r d weitgehend von den vorherrschenden normativen Erwartungen i m Hinblick auf das politische System selbst festgelegt. Urteile über die Effektivität sollten daher auf die Rollen bezogen sein, die interministerielle Ausschüsse i n dem betreffenden politischen System spielen sollen. Dabei kann es sein, daß die Koordination i n Wirklichkeit nur eine Rolle unter vielen spielt und dabei möglicherweise nicht immer die wichtigste Rolle.
Die Rolle und Effektivität der interministeriellen Ausschüsse für Koordination und Regierungspolitik Länderbericht: Frankreich von André G. Delion I . Einführung Die interministeriellen Ausschüsse stellen innerhalb der Regierung ein wesentliches Koordinierungsinstrument dar. Bevor w i r sie definieren und näher untersuchen, sind einige allgemeine Bemerkungen notwendig über: — den Begriff der Koordinierung und seine Entwicklung — die besondere Bedeutung der Koordinierung auf Regierungsebene 1. Der Begriff der Koordinierung 1
Koordinieren, abzuleiten von den lateinischen Wörtern „cum" als Pluralprefix und „ordinäre", d . h . i n Ordnung bringen, bedeutet etymologisch gesehen „verschiedene Wesen oder Gegenstände i n ihrem Verhältnis zueinander i n eine bestimmte Ordnung bringen". A u f Management-Ebene besteht das Koordinieren darin „die Kohärenz zwischen verschiedenen Entscheidungszentren herstellen", eine unerläßliche Vorbedingung zur Gewährleistung der Aktionseinheit innerhalb komplexer Organisationen. a) Koordinierung
und Hierarchie
I m weitesten Sinne betrachtet, umfaßt der Begriff der Koordinierung die hierarchische Gewalt mit, die bestrebt ist, die Aktionseinheit mehrerer untergeordneter Personen zu sichern. A u f der anderen Seite kann man feststellen, daß sich ein Koordinierungseffekt zwar auch ohne hierarchische Befehle erreichen läßt, der mögliche Rückgriff auf solche 1
Siehe dazu meinen allgemeinen Bericht beim X I V . Kongreß des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften — Dublin 1968 — S. 5 15 über die administrativen Koordinierungsprobleme.
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Befehle jedoch die einzige Garantie für die Wirksamkeit eines Koordinierungsverfahrens darstellt. Dennoch ist die Koordinierung ein Vorgang, der von der einfachen Weisungsbefugnis an verschiedene untergeordnete Personen zu unterscheiden ist. Sie setzt Annäherung, Konfrontation, Teilnahme, Übereinstimmung und oft sogar „die gemeinsam getroffene Entscheidung" und nicht die von oben auferlegte Entscheidung voraus. I n diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß jede hierarchische Ebene eine gewisse Autonomie besitzt und nicht nur das ausführende Organ der jeweils höheren Ebene ist: Somit können die Verantwortlichen auf einer bestimmten Ebene durchaus motiviert sein, ihre A k t i o n zu koordinieren, ohne durch einen Vorgesetzten dazu gezwungen zu werden. Darüber hinaus ist i n unserer Zeit der allgemeine Wunsch zu verstehen, angehört zu werden, m i t einem Wort „teilzunehmen" am Entscheidungsprozeß äußerst ausgeprägt. Die Ablösung der hierarchischen A k t i o n durch die Diskussion, die Konzentration und die Koordinierung ist heute nicht nur ein technisches Erfordernis für das Management komplexer Organisationen, sondern sie ist eine psychologische und soziologische Notwendigkeit
ge-
worden. Die gemeinsam getroffene Entscheidung ist nicht ein Befehl von außen, der mehr oder weniger gut ausgeführt wird, sondern ein Imparativ, den man sich selbst auferlegt und i n dessen Ausführimg man seinen persönlichen Willen miteinbringt. So w i r d der klassische Gedanke der Hierarchie i n Pyramidenform m i t dem modernen Gedanken eines Netzes von Beziehungen kombiniert, das selbst dann geschaffen und m i t Leben erfüllt werden muß, wenn die Hierarchie scheinbar ausreichen würde. b) Das Anwachsen
der
Koordinierungsbedürfnisse
Die Motive für das Anwachsen der Koordinierungsbedürfnisse Staat lassen sich i n vier Rubriken zusammenfassen.
im
Die technische Entwicklung: Probleme, die früher rein sektorieller Natur waren oder als hoch spezialisierte Fragen betrachtet wurden, sind aufgrund der technischen Entwicklung zu Problemen geworden, die eine große Zahl von Verwaltungen, eine große Anzahl von Fachgebieten betreffen, oder für die allgemeine Politik von Belang sind. Die Verteidigung z. B. war lange Zeit hindurch ein Problem der m i l i tärischen Organisation; heute beruht sie auf einer Mobilisierung sämtlicher wissenschaftlicher, industrieller, verkehrstechnischer usw. Mög-
Länderbericht Frankreich: A. G. Delion
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lichkeiten. Ebenso sind die Energiereserven nicht mehr nur ein Produktionsproblem, sondern ein Umweltproblem, ein Problem der D i plomatie usw. Die soziale Gerechtigkeit: Ungleichheiten werden von den Menschen nicht mehr als schicksalhaft und unausweichlich betrachtet; die erforderlichen Interventionen zugunsten einer größeren sozialen Gerechtigkeit jedoch implizieren eine Vielzahl von Maßnahmen: I n der Familienpolitik z. B. müssen Familienbeihilfen, Maßnahmen i m Wohnungsbau, Beschaffung von Kinderkrippen, Anpassungsmaßnahmen i m Bereich der Frauenarbeit usw. miteinander kombiniert werden. Das wirtschaftliche Bewußtsein: Da die Menschen die wirtschaftlichen Mechanismen inzwischen besser kennen, wollen sie darauf Einfluß nehmen und ihnen nicht mehr nur unterworfen sein. Aber jede Interventionstätigkeit auf diesem Gebiet ist wiederum globaler Natur: Die Planung ist ipso facto ein Prozeß, der sämtliche Aktivitäten umfaßt, sie ist fast die Koordinierung der Koordinierungen; konjunkturelle Aktionen berühren das Kreditwesen, die Haushaltsausgaben, den Außenhandel, die Steuern: Koordinierung ist hier u m so notwendiger, als eine Maßnahme durch eine andere zunichte gemacht werden oder statt des gewünschten den entgegengesetzten Effekt haben kann (Zinserhöhungen z. B. reduzieren den Rückgriff auf Kredite und damit eine weitere Aufblähung des Geldumlaufs, zieht jedoch gleichzeitig Kapital von außen an, erhöht also damit wiederum den Geldumlauf). Der Geist der Partizipation: W i r haben bereits i m Zusammenhang m i t den Beziehungen zwischen Koordinierimg und Hierarchie auf die Bedeutung deses soziopsychologischen Faktors hingewiesen, der sich von der Koordinierung das verspricht, was eine hierarchische Ordnung hätte aufbringen können. Es sei darauf hingewiesen, daß der gesteigerte Koordinierungsbedarf auf Verwaltungs- und Regierungsebene sich zum Teil aus einem gewissen Niedergang der juristischen Koordinierung ergibt, die i n den traditionellen Verwaltungen m i t klassischem Führungsstil durch die Gesetzestexte gewährleistet wurde. Eine groß angelegte Interventionstätigkeit kombiniert den Einsatz vielfältiger und elastischer Instrumente, u m ehrgeizigere wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen zu erreichen und bildet damit den Ausgangspunkt für eine Entwicklung, i n der die Gesetze immer allgemeiner werden: oft sehen sie eher Verfahren als Lösungen vor, oder sie weisen auf eine Lösungsmöglichkeit hin, welche auch Abweichungen zuläßt. Dasselbe gilt manchmal auch für Verordnungen.
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Die Ausbreitung neuer Techniken (Planung, Wirtschaftlichkeitsrechnungen, R O B - P P B S ) rationalisiert zwar den Koordinierungsprozeß, aber derartige Techniken rufen ihrerseits wieder einen neuen Bedarf an koordinierten Entscheidungen auf den Plan, was durch die große Anzahl von interministeriellen Ausschüssen bewiesen wird, die sich aus der Vorbereitung der Wirtschaftspläne ergeben. 2. Die besondere Bedeutung der Koordinierung auf Regierungsebene a) Koordinierung
und ministerielle
Verantwortung
Was für die Organisation von Unternehmen oder Verwaltungen zutrifft, gilt auf Regierungsebene erst recht. Denn jeder Minister ist nicht nur Chef einer Verwaltung, sondern auch ein Mensch, der durch die Bürger, die i h n gewählt haben, bestimmte politische Entscheidungen, bestimmte gedankliche Strömungen repräsentiert. Die Minister sind zwar dem Präsidenten der Republik und dem Premierminister untergeordnet, der sie ernennt, aber diese Unterordnung darf sich nur i n extremen Fällen äußern und muß einer konzertierten Koordinierung möglichst viel Spielraum lassen, da sich aus i h r die wirklich kollegialen Entscheidungen ergeben müssen. Anderenfalls würde sich auch die politische Solidarität auf Regierungsebene nicht lange aufrecht erhalten lassen. b) Regierungskoordinierung
und
Verwaltungskoordinierung
Die Koordinierung auf Regierungsebene ist m i t der administrativen Koordinierung eng verknüpft — eine unerläßliche Voraussetzung für ihre Vorbereitung und spätere Durchführung. Die Koordinierung innerhalb der Regierung erstreckt sich auf Probleme, die oft außerordentlich technisch sind, und dennoch können sich die hohen politischen Beamten nicht darauf beschränken, ihren jeweiligen Ministern Vorschläge zu unterbreiten; sie müssen miteinander i n Kontakt kommen, u m ihre Unterlagen zu diskutieren und abzustimmen, die möglichen Entscheidungen zu vereinfachen und die Punkte herauszuarbeiten, die dann Gegenstand der politischen Koordinierung werden sollen. Der Beitrag der hohen Beamten beschränkt sich i m übrigen nicht auf eine Stellungnahme oder einen isolierten Bericht. Sie äußert sich i n Form eines ständigen Dialogs m i t dem Ziel, jede Etappe des politischen Entscheidungsprozesses zu beleuchten, und darüber hinaus ist dieser Beitrag an eine fast ständige Präsens innerhalb der Regierungsorgane selbst gebunden.
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Diese Verbindung zwischen administrativer Koordinierung und Regierungskoordinierung ist i n Frankreich ganz besonders deutlich, w e i l dort die Verflechtung zwischen der politischen Gewalt und den höchsten Verwaltungsspitzen fast traditionellen Charakter hat, so daß Professor Rivero zu recht schreibt: „ I n Frankreich findet der Übergang von der Regierungsfunktion zur administrativen Funktion i n nahezu unmerklicher Form statt." Dieser Sachverhalt prägt sich noch mehr aus, wenn, wie es zur Zeit der F a l l ist, ein großer Teil der höchsten Funktionen i m Staate von hohen Beamten wahrgenommen werden, die sofort nach E i n t r i t t i n die politische Laufbahn von ihren Mitbürgern ein elektives Mandat gefordert und auch bekommen haben. Daraus ergibt sich, daß abzusehen von wenigen großen Entscheidungen, die allein bei den höchsten politischen Instanzen liegen, die hohen Beamten i n der Regel aufs engste an der Koordinierungstätigkeit i n nerhalb der Regierung beteiligt werden, und zwar vor allem dadurch, daß man ihnen die Vorbereitung dieser Koordinierung i m Laufe interministerieller Sitzungen anvertraut und sie auffordert, an den interministeriellen Ausschüssen selbst teilzunehmen. Es kommt auch vor, daß eine ganz bestimmte Verantwortung i m Bereich der Koordinierung an die Ebene der hohen Beamten zurückverwiesen wird, oder i m Gegenteil auf Ebene der interministeriellen Ausschüsse behandelt wird, je nach Situation. A u f jeden Fall ist die technische Qualität der Verwaltungsmechanismen zur Vorbereitung der Regierungskoordinierung eine unerläßliche Voraussetzung für die Wirksamkeit derselben. I I . Inventar und Terminologie 1. Terminologie
a) Der Ausdruck „Comité interministériel" (interministerieller Ausschuß) w i r d i n Frankreich allmählich zu einem ausgesprochenen Begriff des öffentlichen Rechts, ganz i m Gegensatz zum englischen Ausdruck „interdepartmental committee", der viel zu verschiedenartige politische und administrative Realitäten umfaßt, als daß man ihn zum theoretischen Begriff erheben könnte. Ein interministerieller Ausschuß ist eine Instanz, die einen Teil der Minister und Staatssekretäre umfaßt; er bereitet die Entscheidungen des Ministerrates zu einem bestimmten Problem vor, oder t r i f f t sogar selbst bestimmte Entscheidungen. Diese Ausschüsse können institutionellen und permanenten Charakter haben, oder auch von F a l l zu Fall auf Initiative des Premiermini-
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sters einberufen werden, wobei man sie i m letzten Fall als „comités restreints " (beschränkte Ausschüsse) bezeichnet, da das Wort Comité interministériel i n der administrativen Praxis ganz speziell die permanenten Ausschüsse meint. Obwohl diese interministeriellen Ausschüsse von der Verfassung nicht vorgesehen sind und hohe Beamte dort fast immer ihren Platz neben Ministern oder Staatssekretären haben, sind sie eine politische Instanz. M a n m u ß sie m i t d e n interministeriellen
Räten
oder den
beschränk-
ten Ministerratssitzungen vergleichen, wobei das Wort „Rat" anstelle des Wortes „Ausschuß" bedeutet, daß den Vorsitz der Präsident der Republik führt. Wenn Minister ohne förmliche Einberufung zusammentreten, was häufig vorkommt, dann w i r d dafür der Begriff „réunion de ministres " (Ministersitzung), oder auch „entretien de ministres" (Ministergespräch) gewählt, und es w i r d trotz des informellen Charakters ein bestimmtes Verfahren befolgt, damit eventuell getroffene Entscheidungen nicht ohne jede konkrete Spur bleiben. Festzuhalten ist also die weite Begriffsspanne dieser Bezeichnung, welche die interministeriellen Ausschüsse i m engsten Sinne des Wortes, die beschränkten Ausschüsse, die beschränkten Ministerratssitzungen und die Ministersitzungen umfaßt 2 . b) Die interministeriellen Ausschüsse i m weiteren Sinne unterscheiden sich von den rein administrativen Koordinierungsinstanzen, die nur Beamte zu ihren Mitgliedern zählen: die interministeriellen Kommissionen, wenn sie durch einen Gesetzes- oder Verordnungstext geschaffen wurden und ständigen Charakter haben, dann die interministeriellen Sitzungen, wenn sie nur durch einfache Einberufung zu einer ganz bestimmten Gelegenheit zusammentreten. Sie unterscheiden sich aus konsultativen Instanzen, die für die A b stimmung m i t kulturellen, sozialen und beruflichen A k t i v i t ä t e n gedacht sind und als „Conseils supérieurs ( < oder „Hauts Comités " bezeichnet werden, die aufgrund der Teilnahme von Ministern oder Vertretern mehrerer Ministerien auch interministeriellen Charakter annehmen können und von denen einige eine Koordinierungsrolle spielen. Als Beispiele lassen sich hier der Conseil supérieur de Taviation civile 2 Der Vollständigkeit halber seien noch die sogenannten Schlichtungssitzungen für Haushaltsfragen genannt (réunions dites d'arbitrages budgétaires), in denen der Premierminister, der Wirtschafts- und Finanzminister sowie jeder Minister vertreten ist, dessen Haushalts vorläge nicht zustande gekommen ist.
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(Oberster Rat für zivile Luftfahrt), Le Haut Comité de la population (Hoher Ausschuß für Bevölkerungsfragen), usw. nennen. Außerdem gibt es „Conseils supérieurs" (Oberste Räte) innerhalb der Verwaltung, die interministerieller (Conseil supérieur de la fonction publique = Oberster Rat für den öffentlichen Dienst) oder ministerieller A r t (Conseil supérieur de l'Education nationale = Oberster Rat für das Erziehungswesen, Conseil supérieur de la magistrature = Oberster Rat der Justiz). Diese Instanzen beteiligen die Beamten an den sie betreffenden Entscheidungen und haben manchmal neben ihrer konsultativen Rolle auch eine Disziplinaraufgabe wahrzunehmen. 2. Die ständigen interministeriellen Ausschüsse
I m Augenblick gibt es 16 interministerielle Ausschüsse i m engeren Sinne, d.h. solche, die durch einen Gesetzes- oder Verordnungstext geschaffen wurden und die permanenten Charakter haben 3 . Sie werden nachstehend m i t dem Zeitpunkt ihrer Konstituierung und gegebenenfalls Reform aufgeführt, aber w i r müssen schon jetzt darauf hinweisen, daß nur fünf von ihnen i m Laufe der letzten Jahre relativ regelmäßig zusammengetreten sind, während die übrigen oft n u r ein theoretisches Dasein führen (siehe nachstehend Tätigkeit und Periodizität, Sektion 3). — Interministerieller Wirtschaftsausschuß (Comité économique interministériel) (Verordnung vom 23. November 1944) — I. A. für Fragen wirtschaftlicher Zusammenarbeit i n Europa (C. I. pour les questions de coopération économique européenne) (Erlasse vom 25. J u n i 1948 und vom 3. A p r i l 1958) — I. A. für den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsplan (C. I. du plan de développement économique et social) (Erlaß vom 19. M a i 1953) — I. A . für wissenschaftliche Forschung (C. I. de la recherche scientifique) (Erlasse vom 28. November 1958 und vom 5. August 1970) — Rat und I. A. für Verteidigung (Conseil et C. I. de défense) (Verordnung vom 7. Januar 1959) — I. A . für Tourismus (C. I. du Tourisme) (Erlaß vom 19. Juni 1959) 8
Unter Ausschluß der früher geschaffenen Ausschüsse, die jedoch während der 5. Republik nicht zusammengetreten sind, d.h. also seit 1958 nicht mehr. 27 Speyer 57
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— I. A. für Raumordnung und regionale A k t i o n (C. I. pour l'aménagement du territoire et l'action régionale) (Erlaß vom 19. November 1960), der den I. A. für die Region Paris umfaßt, der durch Erlaß vom 2. Februar 1960 geschaffen wurde. — I. A. für ausländische Investitionen (C. I. pour les investissements étrangers) (Erlaß vom 4. M a i 1966) — I. A. für berufliche Bildung und sozialen Aufstieg (C. I. de la formation professionnelle et la promotion sociale) (Gesetz vom 3. Dezember 1966) — I. A. für Industriepolitik (C. I. de la politique industrielle) (Erlaß vom 12. M a i 1970) — I. A. für den Arbeitsmarkt (C. I. de remploi) (Erlaß vom 2. Februar 1971) — I. A. für Naturschutz und Umwelt (C. I. pour la protection de la nature et l'environnement) (Erlaß vom 2. Februar 1971) — I. A . für den Reitsport (C. I. pour l'équitation) (Erlaß vom 11. August 1971) — I. A . für den L u f t r a u m (C. I. de l'espace aérien) (Erlaß vom 17. Dezember 1971) — I. A. für Straßensicherheit (C. I. de la sécurité routière) (Erlaß vom 15. J u l i 1972) — I. A. für frankophone Angelegenheiten (C. I. pour les affaires francophones) (Erlaß vom 17. M a i 1974) Z u zwei ganz bestimmten Perioden wurden mehrere derartige Ausschüsse geschaffen: Z u Beginn der V. Republik (1958 -1960) und zu Beginn der Präsidentschaft von Monsieur Pompidou (Regierung ChabanDelmas) i n den Jahren 1970 und 1971. 3. Die beschränkten Ausschüsse
Die beschränkten, nicht ständigen Ausschüsse werden nach Bedarf einberufen, und zwar wesentlich häufiger als die interministeriellen Ausschüsse i m engeren Sinn; sie haben außerordentlich vielseitige Themen zu behandeln, die eng m i t den Umständen verknüpft sind und
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die Frequenz ihrer Sitzungen ergab sich i n erster Linie aus der Persönlichkeit des Premierministers (siehe dazu nachstehend „Kompetenzen und Befugnisse" und „ A k t i v i t ä t und Periodizität", Sektionen 2 und 3). 4. Bedingungen bei der Konstituierung der Ausschüsse
a) Die ständigen interministeriellen Ausschüsse werden i m allgemein e n durch Dekret
geschaffen.
Sicherlich ist es vorgekommen, daß sie durch Texte m i t gesetzesähnlichem Charakter gebildet wurden, und zwar aufgrund der Wichtigkeit, die ihnen die Regierung einräumt. Andererseits ist das interministerielle Komitee für Investitionen von Ausländern durch Erlaß geschaffen worden; doch muß es eher m i t einer Verwaltungskommission verglichen werden, w e i l die Minister i n dieser Kommission sich vertreten lassen können und sich i n der Tat durch hohe Beamte vertreten lassen. Unter der Geltung der Verfassung von 1958 ist für die Schaffimg eines interministerellen Komitees i m Prinzip eine Entscheidung m i t Erlaßcharakter, da es sich u m eine Initiative handelt, die nicht ausdrücklich dem Gesetzgeber vorbehalten ist, weshalb auf den Bereich abzustellen ist, i n dem diese Kommission tätig w i r d (z.B. der Verteidigungsrat). I m übrigen handelt es sich dabei u m einen Organisationsmodus der Regierungsarbeit über den die Exekutive zu befinden hat, was sie i m übrigen auch ohne juristischen Text t u n kann. Es sei noch darauf hingewiesen, daß noch nie ein Text zur Schaffung eines interministeriellen Ausschusses einen früheren Text aufgehoben hat, m i t Ausnahme der wenigen Fälle, wo es u m die Übertragung der Kompetenzen eines Ausschusses an einen anderen ging (interministerieller Ausschuß für die Pariser Region, der i m interministeriellen Ausschuß für Raumordnung aufgegangen ist). b) Die beschränkten Ausschüsse werden einfach vom Premierminister einberufen, die beschränkten Ministerratssitzungen vom Präsidenten der Republik. I I I . Zielsetzungen, Sachgebiete und Befugnisse 1. Zielsetzungen
Die Hauptzielsetzungen der interministeriellen Ausschüsse sind folgende: — Unterstützung der administrativen Koordinierung oder deren häufige und elastisch gehandhabte Bestätigung, wenn es u m die not27•
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wendige Koordination verschiedener M i t t e l geht (wissenschaftliche Forschung z. B.), wenn die Gefahr eines Konfliktes oder der Unvereinbarkeit von Entscheidungen auftaucht (z.B. bei der Dezentralisierung von Tätigkeiten i m Bereich der Raumordnung), oder schließlich i m Falle von Verzögerungen oder Widerständen die meisten der Ausschüsse spielen eine anspornende Rolle schon allein aufgrund des Termins, der m i t ihrer Sitzung verbunden ist). — Durchbrechen administrativer Schranken (berufliche Bildung z.B.), vor allem wenn letztere keiner logischen Notwendigkeit entsprechen. — Ersatzlösungen für das Fehlen oder den Mangel an obrigkeitlichen Strukturen (spezielle Probleme der Region von Paris). — Vorbringen eines neuen Anliegens, das mehreren Verwaltungen gemeinsam ist (Umwelt und Naturschutz, einheitliche Position der französischen Verhandlungspartner bei der EWG ...). — Lenkung und Kontrolle der Verfahren der Planifikation — Vorbereitung der Strukturreformen — Wahrung des Geheimnisses (Verteidigung) oder schnelles Handeln (internationale Verhandlungen, Maßnahmen i m konjunkturellen Bereich ...). Es wurde manchmal geltend gemacht, daß Zusammenfassungen verschiedener Ministerien die Anzahl der interministeriellen Ausschüsse herabsetzen könnte, w e i l man davon ausgeht, daß schon ein einzelner Minister die Koordinierung innerhalb der zusammengefaßten Ressorts gewährleisten könnte und daß es dann auch eine geringere Anzahl von Gesprächspartnern innerhalb der Regierung gäbe. Trotz dieser Argumentation scheint der Bedarf an Koordinierung und die Anzahl der Ausschüsse nicht w i r k l i c h zurückgegangen zu sein, als „große Ministerien" geschaffen wurden, wie z.B. zwischen 1972 und 1974 das Ministerium für Tourismus, selbst wenn eine solche Zusammenfassung bestimmte konzertierte Maßnahmen erleichtert hat. Die Erklärung liegt darin, daß die Hauptprobleme sich nicht zwischen Verwaltungen stellen, die sich aufgrund ihrer Aufgaben ohnehin nahestehen und ipso facto „zusammenfaßbar" sind, sondern zwischen ganz verschieden gearteten Verwaltungen, die gemeinsam an einer Zielsetzung der Regierung arbeiten. Es ist z. B. nicht möglich, i n der Zusammenfassimg von Ressorts Auswege aus der Komplexität der erforderlichen Aktionen zu finden, die z. B. i n den Bereichen der Forschung, der Raumordnung oder der Umwelt einzuleiten sind: I n diesen Fällen muß auf einen kollegialen Lösungsmodus zurückgegriffen werden. I m übrigen sind die politischen Strukturen der Regierung i m Zusammenhang m i t der zeitlichen Entwicklung außerordentlich wandel-
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bar, und eine gewisse Tendenz, einen Mann oder eine Frau für oder jene Idee verantwortlich zu machen (z. B. die Situation der Frau, die soziale A k t i o n . . . ) oder auch für einen konjunkturell besonders wichtigen Sektor der Verwaltung (z. B. die Universitäten) läßt natürlich die ministeriellen Funktionen immer zahlreicher werden; die Existenz von 7 „autonomen Staatssekretären" neben 15 Ministern und 14 gewöhnlichen Staatssekretären i n der augenblicklichen Regierung verdeutlicht diese Entwicklung, erhöht jedoch das Bedürfnis nach interministerieller Koordination. 2. Sachgebiete bzw. Bereiche
Die 277 Ausschüsse, die vom 1. Januar 1971 bis zum 31. J u n i 1974 zusammengetreten sind, lasssen sich nach großen Bereichen aufschlüsseln: — Industriepolitik, inclusive des Energie- und Transportsektors — Internationale Verhandlungen (vor allem mit der E W G und den frankophonen Ländern) — Soziale Aktion (Gesundheit, soziale Sicherheit) — Plan (Wirtschaftsplan) — Raumordnung — Beschäftigungslage und Berufsausbildung — Verwaltungsreformen — Landwirtschaft (ohne die Vorbereitungen der internationalen Verhandlungen auf diesem Gebiet) — Erziehungswesen und Kultur — Wohnungswesen und Städtebau — Vorbereitung der Jahresbudgets — Umwelt — Wissenschaftliche Forschung — Verschiedenes (vor allem überseeische Gebiete und Départements 8, Handel und Handwerk 8, öffentlicher Dienst 6)
44 40 23 23 18 16 15 13 12 12 11 10 7 33
Es gibt kein administratives oder politisches Thema, das nicht Gegenstand eines interministeriellen Ausschusses sein könnte, und die Vielfalt der behandelten Themen ist nahezu unbegrenzt; Reform des K ü n digungsrechtes, Festsetzung des interprofessionellen Mindestlohnes, Geburtenkontrolle, Finanzierungsreform bei den Sozialversicherungen, Reitsport, Straßensicherheit, Einwanderung, Probleme der Schaffung eines Industrie-Pool, Unterrichtsreform, Landwirtschaftsmärkte usw. Man kann sagen, daß allen wesentlichen Reformen die Schaffung eines oder mehrerer Ausschüsse vorangegangen ist: So gab es 4 Ausschüsse bei der Vorbereitung der Texte über die Gewinnbeteiligung und die Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft i n den Jahren 1972 und 1973. Das gleiche gilt für die meisten großen politischen Entscheidungen: So wurden 1970 eine ganze Reihe von Ausschußsitzungen zu Proble-
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men der Industriepolitik abgehalten, und der Wirtschaftsplan, der Haushalt, die landwirtschaftlichen Probleme i m Zusammenhang m i t dem gemeinsamen M a r k t sind ebenfalls regelmäßig Gegenstand von Ausschußsitzungen; bei der Aufstellung des Jahreshaushalts ist es inzwischen zu einer Tradition geworden, daß die vom Premierminister durchgeführten Arbitragen zu Beginn und zum Abschluß der Arbeiten von je einem Ausschuß mitbearbeitet werden. Alles i n allem läßt sich sagen, daß nur i n Ausnahmefällen ein wesentliches Problem i m Ministerrat behandelt wird, ohne vorher von einem oder mehreren interministeriellen Ausschüssen behandelt worden zu sein. So stellen sich diese Ausschüsse fast als normale Regierungsinstanzen dar, selbst wenn der Ministerrat allein das Recht hat, auf kollegialer Basis Gesetzesentwürfe und sogenannte Erlasse „ i m Ministerrat (En Conseil des ministres)" zu billigen, und selbst wenn die großen Entscheidungen meistens erst nach Abschluß dieser Ratssitzungen veröffentlicht werden, da allein letztere für die Regierung i n ihrer Gesamtheit solidarisch verbindlich sind. Es muß hinzugefügt werden, daß seit der V. Republik alle Räte m i t Beteiligung sämtlicher Minister unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik arbeiten, da die „Conseil de cabinet (Kabinettsräte)" nicht mehr bestehen, i n denen früher der Premierminister den Vorsitz führte: Die Regierungsinstanzen unter Vorsitz des Premierministers sind also heute die interministeriellen Ausschüsse. 3. Befugnisse
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es unwesentlich, hinsichtlich der Befugnisse die ständigen interministeriellen Ausschüsse von den nicht ständigen zu unterscheiden. Die einzigen Grenzen dieser Befugnisse sind i n beiden Fällen einmal die politische Grenze der Regierungssolidarität (ein Teil der Minister kann nicht die gesamte Regierung i n wesentlichen Fragen engagieren), zum anderen die juristische Grenze, die i m Ministerrat bestimmte Entscheidungen vorbehält, wie z.B. die Billigung eines Gesetzesentwurfes, bestimmte Erlasse, oder auch die Ernennung bestimmter hoher Beamter. I n allen anderen Fällen können die interministeriellen Ausschüsse echte Entscheidungen treffen: z. B. gibt die Verordnung über den interministeriellen Ausschuß für die Fragen wirtschaftlicher Zusammenarbeit i n Europa diesem Ausschuß den Auftrag, die erforderlichen Weisungen für die gemeinschaftlichen Verhandlungen auszuarbeiten, und das Gesetz über den interministeriellen Ausschuß für berufliche B i l dung und sozialen Aufstieg überträgt diesem Organ die Richtlinien der Politik auf diesem Gebiet.
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Diejenigen Koordinierungsbefugnisse, die ausdrücklich i n den Texten zur Schaffung mehrerer interministerieller Ausschüsse erwähnt werden („Koordinierung der von verschiedenen Verwaltungen unternommenen Aktionen" auf dem Gebiet der Industriepolitik — Verordnung vom 12. M a i 1970 —, des Arbeitsmarktes — Verordnung vom 2. Februar 1971 —, des Naturschutzes und der Umwelt — Erlaß vom 2. Februar 1971) implizieren die Möglichkeit, bestimmte Befugnisse oder M i t t e l zu verändern, ohne daß die Angelegenheit unbedingt vor den Ministerrat müßte (einfache Anordnungen, Veränderungen von Haushaltsvoranschlägen usw.). Der Premierminister kann selbst ohne Text eine Beratung eines i n terministeriellen Ausschusses i m engeren Sinn oder eines beschränkten Ausschusses durch einen Beschluß bestätigen, an den die Minister gebunden sind, z. B. für die Vorbereitung eines Textes. Dennoch besteht der Auftrag der interministeriellen Ausschüsse meistens darin, „Maßnahmen vorzuschlagen" oder die Zuwendung von M i t teln (und zwar an den Ministerrat) oder auch „Regierungsentscheidungen vorzubereiten". So hat der interministerielle Ausschuß für wissenschaftliche und technische Forschung z.B. den Auftrag, „Maßnahmen vorzuschlagen, welche die Forschung weiterentwickeln", und der Ausschuß für Raumordnung hat die Aufgabe, „auf diesem Gebiet die Regierungsentscheidungen vorzubereiten". Diese Vorbereitung bezieht Entwürfe für die Verteilung von Geldmitteln aus bestimmten Fonds ein (Interventionsfond für die Raumordnung — Interventions- und Aktionsfond für Natur und Umwelt). Wenn ein Ausschuß auf diese Weise die Entscheidungen des Ministerrates vorbereitet, nehmen seine Beratungen i m allgemeinen nachstehend zitierte Form an (in dem genannten Beispiel geht es u m die B i l l i gung eines Gesamtbebauungsplanes für eine bestimmte Pariser Zone). „Der interministerielle Ausschuß hat den Bericht der zentralen Gruppe für Stadplanung zur Kenntnis genommen und empfiehlt dem M i n i sterrat die Bestätigung der Richtlinien und nachstehenden Weisung, die an den Präfekten der Region und an die Zentralverwaltungen des Staates gerichtet sind." Der Ministerrat beschränkt sich darauf, die entsprechende Zustimmung zu erteilen. I m übrigen werden „Mitteilungen" der Minister an die interministeriellen Ausschüsse weitergegeben: Oft haben sie keinen anderen Zweck als eine Entwicklung zu bestätigen und zu verfolgen, aber sie finden ihren konkreten Ausdruck meistens i n Erwägungen, welche die Verpflichtung zur Vorbereitung konkreter Durchführungsmaßnahmen i m pliziert.
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
I V . Tätigkeit und Periodizität 1. Die Frequenz der Ausschußsitzungen: Einfluß der Menschen und der Umstände
a) Vom 1. Januar 1971 bis 31. J u l i 1974 gab es 277 interministerielle Ausschüsse, d . h . mehr als 6 derartige Sitzungen pro Monat 4 . Das ist eine außerordentlich hohe Sitzungsfrequenz. Fügt man dem noch die Ministerratssitzungen hinzu, die einmal wöchentlich stattfinden, also mehr als 4 mal monatlich, dann w i r d daraus ersichtlich, daß die M i n i ster i n ihrer Gesamtheit oder teilweise durchschnittlich etwa 11 mal monatlich zusammentreten, d. h. fast an jedem zweiten Werktag . . . Der gewählte Zeitraum ist interessent wegen einer ganz bestimmten Aufeinanderfolge verschiedener Ereignisse und Ministerien: Der sich daraus ergebende Durchschnitt ist für die Regierungspraxis über einen langen Zeitraum hinweg repräsentativ. Außerdem ermöglicht es dieser Zeitraum, den Einfluß der genannten Umstände und mehr noch die Persönlichkeit des Staatschefs und des Premierministers zu beurteilen. I m Laufe des Jahres 1971, wo Monsieur Chaban-Delmas Premierminister war, gab es 119 Ausschüsse. 1973, wo Monsieur Messmer Premierminister war, gab es nur 58, also fast genau die Hälfte. Für 1972, als Monsieur Messmer auf Monsieur Chaban-Delmas folgte, ist die Zahl von mittlerer Größe. Die Zahl der fünf ersten Monate des Jahres 1974 ist deshalb nicht sehr stark, w e i l i n dieser Zeit der Präsident Pompidou verstarb und dies die Periode der Präsidentschaftswahlen i m A p r i l und M a i war. Die Zahl hat jedoch wieder stark zugenommen m i t dem Augenblick der Präsidentschaftsübernahme durch Präsident Giscard d'Estaing und die Stellung von Monsieur Chirac an der Spitze der Regierung. Diese letzte Zahl ist wichtig und veranlaßt zu der Annahme, daß die Sitzungsfrequenz der Ausschüsse wiederum auf ein hohes N i veau klettern könnte. Die Zahl von 1971 wurde i m übrigen bereits überschritten (132 Ausschüsse m i t der Regierung Chaban-Delmas i m Jahre 1970, was ein ausgesprochener Rekord ist) oder fast erreicht (118 Ausschüsse m i t der Regierung Debre i m Jahre 1961), wobei der Jahresdurchschnitt über einen längeren Zeitraum zwischen 70 und 80, was durchschnittlich seit dreieinhalb Jahren der Fall ist. b) Politische Umstände oder Tendenzen beeinflussen die Beweggründe für Ausschußsitzungen i n starkem Maße: Die Tagesordnungen dieser Sitzungen spiegeln weitgehend die Hauptsorgen der Regierung wieder. 4
Ohne die Sitzungen für Haushaltsarbitragen mitzuzählen, von denen es auch 24 bis 25 pro Jahr gibt, und zwar um die Jahresmitte.
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So hat der Wirtschaftsplan zur Schaffung von 21 Ausschüssen (oder beschränkten Räten) Anlaß gegeben, und zwar i m Jahre 1971 i m Zusammenhang m i t seiner Vorbereitung, jedoch zu keinem einzigen Ausschuß i m Jahre 1972, zu lediglich zwei Ausschüssen i m Jahre 1973, und wiederum zu keinem Ausschuß i m Jahre 1974. Die Industriepolitik (Industrie, Energie, Transporte) hat zur Sitzung von 18 Ausschüssen i m Jahre 1971 geführt (15 °/o der Gesamtzahl), 12 Sitzungen 1972 (17 %) eine Zahl, die 1973 auf 5 gefallen ist (8 %>) und innerhalb von 7 Monaten des Jahres 1974 wieder auf 9 angestiegen ist. 1971 läßt sich der Wunsch nach bestimmten Umstellungen sowie das Bestreben erkennen, neue Technologien zu entwickeln, während i n jüngster Zeit die Versorgung m i t Rohstoffen und m i t Energie an erster Stelle stand. Die Sozialpolitik (Beschäftigungslage, Gesundheit, Sozialsicherheit usw.) führt zur Schaffung von 14 Ausschüssen i m Jahre 1971 (11 °/o der Gesamtzahl), zu 10 Ausschüssen i m Jahre 1973, was i m Verhältnis zur Anzahl der Ausschüsse i n diesem Jahr viel ist (17 °/o ihrer Gesamtzahl), führt aber insgesamt während dieses Zeitraums zu zahlreicheren Ausschußsitzungen als i n der Vergangenheit (9 Sitzungen i m Jahre 1972 — 6 Sitzungen i n 7 Monaten i m Jahre 1974). Die Verwaltungsreformen gehen stoßweise vonstatten und sind von Perioden m i t einer besonderen Dichte von vorbereitenden Ausschußsitzungen begleitet (7 Sitzungen i m Jahre 1971, ebenfalls 7 i m Jahre 1973, aber nur 1 i m Jahr 1972 und keine einzige bis Mai 1974). I m Gegensatz dazu ist die Anzahl der Ausschüsse, die sich m i t Gebieten befassen wie: K u l t u r und Muße, Umwelt, Raumordnung, Landwirtschaft, wissenschaftliche Forschung, Vorbereitung der Jahresbudgets — von einem Jahr zum anderen relativ stabil. 2. Beschränkte Tätigkeit bei den meisten ständigen Ausschüssen
a) Wenn auch die Anzahl der interministeriellen Ausschüsse hoch ist und sogar eindrucksvoll, dann ist die Anzahl der Sitzungen der ständigen Ausschüsse (interministerielle Ausschüsse i m engeren Sinne) äußerst gering: etwa 10 pro Jahr. Zunächst läßt sich feststellen, daß von 16 dieser Ausschüsse nur 5 regelmäßig zusammentreffen (wissenschaftliche Forschung, Verteidigung, Raumordnung, Berufsausbildung, Naturschutz): Die Ausschüsse für wissenschaftliche Forschung und Naturschutz treten zweimal jährlich zusammen, der Ausschuß für Raumordnung drei- oder viermal jährlich. Letzterer ist wegen seiner regelmäßigen Funktionsweise das Musterbeispiel für interministerielle Ausschüsse.
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Doch selbst für diese Ausschüsse (und erst recht für die anderen) waren die i n den Texten vorgesehenen Vorschriften betreffend die Periodizität und die Verpflichtung für die Ausschüsse, i m allgemeinen m i n destens zweimal jährlich zusammenzutreffen, niemals w i r k l i c h zwingend. b) Die anderen Ausschüsse treten nur zu außergewöhnlichen Gelegenheiten zusammen oder überhaupt nicht mehr. So werden z. B. die Probleme des Tourismus i m allgemeinen von einem interministeriellen Raumordnungsausschuß gehandelt, und der eigentliche Ausschuß für Tourismus w i r d nicht mehr einberufen. Der interministerielle wirtschaftliche Ausschuß, der während der I V . Republik eine wesentliche Rolle spielte und damals wöchentlich zusammentrat, hat zwar eine kurze Wiederbelebung erfahren (1966, als M. Debre Wirtschafts- und Finanzminister war), ist jedoch dann i n Vergessenheit geraten, während die beschränkten ad hoc Ausschüsse für Industriepolitik, Energie- und Preisfragen immer zahlreicher werden Es muß noch hinzugefügt werden, daß die Schaffung bestimmter Ausschüsse sich aus besonderen Umständen ergibt und dementsprechend bald an Interesse verliert, wenn der Gegenstand zu unbedeutend ist oder sich auf andere Weise regeln läßt, entweder auf administrativer Ebene oder durch die Kontrolle des Premierminsters, was unter Umständen das Schicksal der 4 kürzlich geschaffenen Ausschüsse sein dürfte. I m Zusammenhang m i t den Ausschüssen außerhalb der 5 zu Beginn dieses Kapitels genannten, läßt sich ein sonderbares Phänomen beobachten: Wenn sie nicht i n ihrer ursprünglichen Eigenschaft zusammentreffen, dann beruft der Premierminister dennoch Ausschüsse ein, die denselben Gegenstand behandeln, jedoch ohne sich auf ein Gründungstext des betreffednen ständigen Ausschusses zu beziehen und ohne sich an die Liste der Minister zu halten, die aufgrund der Verordnung Mitglieder wären (er beruft mehr oder weniger Minister ein, davon abgesehen, daß die Liste der Ministerien ohnehin von einer Regierung zur anderen wechselt) und ohne unbedingt die besonderen Verfahren zu verfolgen, die von den Verordnungstexten vorgesehen wurden. So sind z. B. die zahlreichen Ausschüsse, die sich m i t den Problemen des Wirtschaftsplans oder der Verhandlungen der EWG befassen, juristisch gesehen nicht identisch m i t dem Planausschuß oder m i t dem Ausschuß für Fragen wirtschaftlicher Zusammenarbeit i n Europa. Diese Feststellungen zeigen eindeutig, daß die Ausschüsse eine Form der Regierungsarbeit darstellen, also eine politische Institution, die
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keinem grundsätzlichen juristischen Formalismus unterworfen ist und auch nicht unterworfen sein darf. Diese Ausschüsse führen ein Eigenleben i m Zusammenhang m i t den auftretenden Bedürfnissen und m i t den Menschen, von denen sie gehandhabt werden; sie passen sich keineswegs immer starren oder auch nur vorhersehbaren Formen an. Das wiederum heißt jedoch nicht, daß ihre Funktionsweise, unabhängig von ihrem Gegenstand und ihrer äußeren Form, nicht doch bestimmte feste Regeln zu beachten hätte (Tagesordnung, Sekretariat, Verzeichnis der getroffenen Entscheidungen usw.). Das heißt auch nicht, daß bestimmte Ausschüsse nicht eine Institutionalisierung wert wären, die Ausdruck eines Bedarfs an Koordination sein kann, oder auch einen Ansporn darstellt und der Arbeit der Exekutive auf einem bestimmten Gebiet einen vertrauten und bequemen Rahmen für die tägliche Arbeit bietet: Der Fall des interministeriellen Ausschusses für Raumordnung hat i n dieser Hinsicht Modellcharakter.
V. Zusammensetzung und Funktionsweise 1. Vorsitz
I n jedem Fall ist der Premierminister Präsident der ständigen interministeriellen Ausschüsse. Oft w i r d nicht einmal eine Vertretung oder die Delegation bestimmter Befugnisse vorgesehen. I m Falle des interministeriellen Ausschusses für Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit i n Europa führt „bei Abwesenheit des Premierminsters" der Finanzminister den Vorsitz, und i m Ausschuß für Tourismus führt „ i m Falle der Verhinderung" des Premierministers der Minister für Tourismus den Vorsitz. I n einigen anderen Fällen, wo die Vertretung nicht einmal automatisch ist, ist die Übertragung von Befugnissen an den Minister für industrielle und wissenschaftliche Entwicklung vorgesehen (Ausschuß für wissenschaftliche und technische Forschung und Ausschuß für Indsutriepolitik), ebenso an den Minister für Arbeit und Beschäftigungslage (Ausschuß für Beschäftigungslage). M i t Ausnahme von höchst seltenen Delegationsfällen führt der Premierminister auch i n den beschränkten Ausschüssen den Vorsitz. Dieser fast systematisch gehandhabte Vorsitz entspricht einmal dem Gedanken der vorrangigen Rolle des Premierministers gegenüber den Ministern, zum anderen der i h m übertragenen Koordinationsaufgabe, die er auf seine Leitungsbefugnis stützen kann, die er aufgrund A r t i k e l
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21 der Verfassung innehat: Der Premierminister leitet die Tätigkeit der Regierung. Dieser grundsätzliche Vorsitz des Premierminsters zeigt auch, bis zu welchem Grad die Koordinationsaufgaben der Ausschüsse m i t der Koordinationsrolle des Premierministers verbunden sind, und zwar i n so starkem Maße, daß sie manchmal als eines der von i h m verwendeten Instrumente erscheinen. I m übrigen w i r d oft von einer Schiedsrichterrolle
des Premierministers
im
interministeriellen
Aus-
schuß gesprochen. Was die am meisten vereinfachte Form des interministeriellen Ausschusses betrifft, den w i r i n der „Ministersitzung" finden, so übernimmt hier oft der Premierminister die Aufgabe, den teilnehmenden Ministern die Schlußfolgerungen der Arbeit schriftlich mitzuteilen. I m äußersten F a l l kann ein Ausschuß durch eine Reihe von Kontakten oder durch Korrespondenz ersetzt werden, nach deren A b schluß der Premierminister entscheidet, oder auch wieder der Präsident der Republik: Die Haushaltsarbitragen des Premierministers entsprechen genau dieser Argumentation, obwohl sie i m allgemeinen auf halbem Wege zwischen einem interministeriellen Ausschuß für die Ausarbeitung eines Rahmenkonzeptes und einem interministeriellen Ausschuß liegen, der die Haushaltsvorlage ausarbeitet, die dann dem Ministerrat vorgelegt wird. 2. Zusammensetzung
a) Die interministeriellen Ausschüsse bestehen aus einer von Fall zu F a l l sehr unterschiedlichen Anzahl von Ministern, die aber oft sehr hoch sein kann. Als Beispiele wollen w i r anführen, daß 9 Minister oder Staatssekretäre Mitglieder der Ausschüsse für Raumordnung, respektive Arbeitsmarkt sind, 12 sind Mitglieder i n Ausschüssen für wissenschaftliche Forschung, Industriepolitik, Straßensicherheit, 14 i m Ausschuß für U m welt. I n verschiedenen ständigen Ausschüssen gibt es eine Bestimmung, die außerdem noch die Einberufung anderer Minister zuläßt: I m Ausschuß für Raumordnung „werden die anderen Minister aufgefordert, i m interministeriellen Ausschuß wegen der Angelegenheiten teilzunehmen, die i n ihren Zuständigkeitsbereich fallen". Die Ausschüsse, die m i t den Haushalts- oder Planarbitragen zutun haben, sind fast als Conseils de cabinet i m Sinne der V. Republik zu bezeichnen (Zusammenkunft aller Mitglieder der Regierung unter Vorsitz des Premierministers). b) Das andere Charakteristikum i n der Zusammensetzung der interministeriellen Ausschüsse i m weiteren Sinn liegt darin, daß sie fast immer hohe Beamte umfassen, und zwar noch neben dem Generalsekretär der Regierung oder seinem Vertreter, oder auch neben dem
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Generalsekretär der présidence de la République (beschränkte Räte), die das Sekretariat übernehmen. Diese Präsens hoher Beamter w i r d i m allgemeinen zugelassen, ohne daß sie von den entsprechenden Texten ausdrücklich vorgesehen sind, und zwar zur Unterstützung ihrer Ressortminister 5 . U m jedoch allzu zahlreiche Sitzungen zu vermeiden, die dem Verfahren und dem vertraulichen Charakter abträglich wären, hat der Premierminister den Ministern auferlegt, sich höchstens von einem Experten aus ihrem Ressort begleiten zu lassen. I n einigen Fällen schließlich sind hohe Beamte von vornherein v o l l berechtigte Mitglieder: Der Generalkommissar für den Wirtschaftsplan i m Ausschuß für Raumordnung (und der Präfekt der Regierung Paris, wenn Fragen i m Zusammenhang m i t dieser Region diskutiert werden), der Kommissar für den Plan, der bevollmächtigte Beauftragte für Raumordnung und der Generalsekretär des Ausschusses für den Arbeitsmarkt. Dieser Kategorie sind noch diejenigen hohen Beamten hinzuzufügen, die m i t der Vorbereitung der Ausschußberatungen betraut sind, ihre Durchführung zu überwachen haben und schon deshalb daran teilnehmen müssen: Der bevollmächtigte Beauftragte für Raumordnung, der Beauftragte für den Luftraum, der Beauftragte für wissenschaftliche und technische Forschung, der Generalsekretär des interministeriellen Ausschusses für berufliche Bildung und für die entsprechenden Ausschüse z. B. Hinzuzufügen wäre noch, daß i n einigen Ausschüssen auch Persönlichkeiten von außen teilnehmen können, die namentlich genannt werden können (die 12 Mitglieder des beratenden Ausschusses für wissenschaftliche Forschung i m entsprechenden interministeriellen Ausschuß), oder auch nicht: „Jede qualifizierte Person" kann auf diese Weise i n den Ausschuß für Tourismus berufen werden. 3. Vorbereitung, Sekretariat und Durchführung der Beschlüsse
Man kann davon ausgehen, daß die Wirksamkeit der interministeriellen Ausschüsse von ihrer Organisation abhängt: — Technische Vorbereitung, d. h. Ausarbeitung der Berichte, M i t t e i lungen oder Entwürfe für Beschlußlisten sowie die Aufstellung der Tagesordnung; — Administrative Vorbereitung und Sekretariat für die Durchführung der Debatten; * Ausnahmsweise auch zur Vertretung für einen abwesenden Minister, der durch den Direktor oder ein Mitglied seines cabinetministeriel.
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— Aufstellung der Listen m i t den gefaßten Beschlüssen; — Überwachung der Durchführungsarbeiten nach den Beschlüssen. Die technische Vorbereitung umfaßt i m allgemeinen „interministerielle Sitzungen" der hohen Beamten, die aus den Direktionen (Abteilungen) oder aus den Kabinetten der verschiedenen betroffenen M i n i sterien kommen. Für die meisten Ausschüsse übernimmt das Generalsekretariat der Regierung (Secrétariat général du Gouvernement) sämtliche Organisationsaufgaben und verfügt zu diesem Zweck unter der Leitung des Secrétaire général du Gouvernement (Generalsekretär der Regierung, entspricht i m deutschen etwa: Kanzleramtminister) über Sonderbeauftragte, von denen zwei m i t ihren Mitarbeitern den wirtschaftlichen Sektor (Finanzen, Wirtschaftspolitik, Raumordnungsplan, Industrie, Energie, Landwirtschaft, Verkehr . . . ) und zum anderen den sozialen und kulturellen Bereich genauestens verfolgen (Erziehungswesen, K u l tur, Umwelt, soziale Sicherheit, öffentliche Gesundheit, Arbeitsmarkt ...). I m Falle der beschränkten Räte übernimmt das Generalsekretariat der Présidence de la République die Organisation, aber i n Verbindung m i t dem Generalsekretär der Regierung. Das Generalsekretariat und seine Beauftragten haben eine u m so entscheidendere Rolle, als die Informationen, die sie den Ausschüssen bringen, oder die sie von ihnen beziehen m i t denjenigen kombiniert werden, die sie von anderer Seite erhalten: Teilnahme an interministeriellen Sitzungen, Vorbereitung der Gesetzes- und Verordnungstexte, inclusive der Rolle des Commissaire du Gouvernment i m Staatsrat oder i m Parlament. I n all diesen Fällen geht es darum, das Gedächtnis des Staates zu organisieren. Die Organisationsaufgaben können i n Ausnahmefällen ganz und gar an besondere Organe übertragen werden, und zwar an folgende für die entsprechenden Ausschüsse: — an die Delegation für wissenschaftliche und technische Forschung, — an das Generalsekretariat des interministeriellen Ausschusses für berufliche Bildung und sozialen Aufstieg, — an das Generalsekretariat für Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit i n Europa. Aber i n diesen Fällen ist das Generalsekretariat der Regierung an der Vorbereitung beteiligt und bei den Ausschußsitzungen anwesend. Außerdem kommt es vor, daß das Sekretariat i m engen Sinne des Wortes dem Generalsekretariat der Regierung übertragen w i r d und die anderen Aufgaben an spezialisierte Organe weitergegeben werden, die
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m i t der „Vorbereitung der Beratungen" der Ausschüsse betraut sind, „ m i t der Beobachtung ihres Verlaufs" oder „ m i t der Gewährleistung ihrer Durchführung". So werden z. B. die letztgenannten Aufgaben dem bevollmächtigten Beauftragten für Raumordnung, dem Kommissar für Tourismus, dem Minister für Umweltfragen, den Beauftragten für den Luftraum und die Straßensicherheit für die entsprechenden Ausschüsse übertragen, aber immer i n engster Verbindung m i t dem Generalsekretariat der Regierung. Bei diesen Organisationsfragen handelt es sich nicht u m juristischen Formalismus, sondern u m einen besonders streng ausgeprägten adminsitrativen Formalismus, der einfach unerläßlich ist. V I . Konklusion Die interministeriellen Ausschüsse stehen i n engster Verbindung m i t allen anderen Instrumenten der Regierungs- und Verwaltungskoordination, als da wären: die persönliche Rolle von Staatschef und Premierminister, die Aufgabe der Dienststellen des Premierministers, verschiedene Delegationen und Generalsekretariat der Regierimg (das die juristische Koordination gewährleistet), dann die Gutachten des Staatsrates, das Verfahren bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans, das Haushaltsverfahren, die Rolle der Kontrollorgane . . . Die Koordinierung wird nicht durch eines oder mehrere dieser Organe gewährleistet, sondern durch ein ganzes Netz von Funktionsträgern, in dem alle staatlichen Organisationsformen vertreten sind.
I n der Praxis findet dieses Netz Ursprung und Ziel i n den interministeriellen Ausschüssen. Diese allerdings beziehen ihre Wirksamkeit ebensosehr aus den Kompetenzen und der Persönlichkeit von Staatsund Regierungschef wie aus der Qualität der staatlichen Organisationsform i m allgemeinen, aus dem Verantwortungsbewußtsein der Politiker und aus der Zuverlässigkeit der tragenden Kräfte i m öffentlichen Dienst.
Die Rolle und Effektivität der interministeriellen Ausschüsse für Koordination und Regierungspolitik Länderbericht: Bundesrepublik Deutschland von Manfred Lepper* I.
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland sieht eine Entscheidungsstruktur vor, die von einem Dreieck geprägt wird, dessen Pole — die Richtlinienkompetenz und die auf die Bildung der Regierung bezogene Organisationsgewalt des Bundeskanzlers — die politische Gesamtentscheidungskompetenz des Bundeskabinetts — die E n t s c h e i d u n g s k o m p e t e n z des einzelnen
Bundesministers
f ü r sei-
nen Geschäftsbereich sind. Formale Entscheidungen können also nach der Verfassung nur von den drei genannten Entscheidungsträgern getroffen werden. Der Verfassunggeber hat sich bei dieser Grundentscheidung offensichtlich ausschließlich von der aus der konstitutionellen Monarchie traditionell belasteten Problemstellung leiten lassen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Regierungschef, Gesamtkabinett und des politisch eigenverantwortlichen Ressortministers herzustellen. Die ebenso wichtigen Probleme, die uns die Entscheidungstheorie offengelegt hat, wurden (noch) nicht gesehen. So konnte es nicht ausbleiben, daß bei einer kritischen Analyse der politisch relevanten Entscheidungsprozesse Mängel sichtbar und auch als solche empfunden wurden. Diese Mängel finden ihren greifbaren Ausdruck i n der Überlastung der Entscheidungsinstanz Bundeskabinett. Die Ursachen dafür sind ungeregelte Grauzonen i m Entscheidungssystem, i n dem dem Bundeskabinett notgedrungen die K o m petenz-Kompetenz zufällt. Das gilt insbesondere für Querschnittsauf* Ministerialrat im Bundesministerium des Innern und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf das Regierungssystem des Bundes und nicht auf das der deutschen Länder, in denen die Verhältnisse ähnlich, aber nicht so ausgeprägt sind. 28 Speyer 57
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gaben, auch wenn ihnen nicht die Qualität des Politischen beizumessen ist. So muß z. B. das Kabinett, da das System keinen anderen Entscheidungsträger vorsieht, eine so bedeutende „Anordnung beschließen", daß alle dem Bund gehörenden Gegenstände mit einem besonderen Zeichen zu versehen sind oder wie der Ablauf i n einer Schreibkanzlei zu organisieren ist. Die Möglichkeit der Entscheidung i m schriftlichen Umlaufverfahren ändert nichts am System und ist auch fast bedeutungslos für die Frage der Kapazitätsauslastung. Andererseits verhindert der Ressortpartikularismus, daß unpolitische Querschnittsaufgaben aus der Kompetenz des Kabinetts herausgenommen und einem Ressortminister übertragen werden. Eine andere Mängelursache beruht auf der Tatsache, daß Verfassung und Geschäftsordnungen von der irrigen Annahme ausgehen, daß die i n der Natur der Sache liegenden schädlichen Folgen der unbestritten notwendigen Arbeitsteilung i m Regierungsapparat dadurch zu beseitigen seien, daß man eine Generalklausel für interministerielle Abstimmungen schafft und die zentrale Entscheidungskompetenz des Bundeskabinetts vorsieht. Diese unzureichende Weichenstellung i m System hat dazu geführt, daß — der Ressortminister bei der Politikbestimmung für ein Politikfeld de facto die dominierende Rolle spielt — die interministerielle Koordination zu spät einsetzt — dadurch die Komplexität zu früh reduziert wird, w e i l die entscheidende Politikbestimmung vorher erfolgt — das Bundeskabinett einerseits kapazitätsmäßig überlastet andererseits entcheidend geschwächt wird, w e i l wegen der frühzeitigen Reduzierung der Komplexität und der politischen Vorwegentscheidung des Ressortministers nur noch formale Entscheidungen zu treffen sind. Die Problemsituation ist auch nicht dadurch einfacher, daß i n der Bundesrepublik Deutschland eine Unterscheidung zwischen interministerieller Koordination auf politischer und administrativer Ebene nicht gemacht werden kann. Die Gründe dafür sind vielfältig, funktional und historisch bedingt, allerdings i m Gegensatz zu einigen anderen Staaten. Die Versuche i n vielen Bereichen des staatlichen Lebens, das Politische vom Administrativen analytisch zu scheiden, sind bisher gescheitert. Man sollte sie auch nicht intensivieren, solange man nicht der Meinung ist, daß sich eine Unterscheidung entscheidungsrelevanter Kriterien für das Organisationsgefüge ergibt. Aus diesem Grunde werde ich auch die einzelnen vorhandenen Ausschußformen nach ranghierarchischen K r i terien gliedern.
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IL I n der Regierungspraxis der Bundesrepublik Deutschland ist sehr bald erkannt worden, daß i n den von m i r bezeichneten Grauzonen zwischen den drei Entscheidungspolen zusätzliche Informations- und K o ordinierungswege geschaffen werden mußten und zwar als Dauereinrichtung; denn die nach der Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehenen ad hoc-Abstimmungsverfahren hatten das Auftreten von Mängeln nicht verhindern können. So haben w i r heute ein buntes B i l d von interministeriellen Ausschüssen, manchmal auch Arbeitskreis, A r beitsgruppe, Kommission usw. genannt. Ihre Zahl schwankt zwar ständig, aber sie hat i n der Regel i n den letzten Jahren bei 180 gelegen. Da einheitliche Errichtungskriterien fehlen, ist es natürlich bei der Vielzahl der Ausschüsse schwierig, generelle Aussagen über ihr Erscheinungsbild zu machen. 1. Das gilt insbesondere für ihre Funktion. Wenn man sich nicht etwa damit begnügen w i l l , diese Funktion m i t dem relativ farblosen Begriff der Koordination zu bezeichnen, sondern die verschiedene Funktionselemente zu klassifizieren, werden sich bei den Ausschüssen unterschiedliche Zielfunktionskategorien oder Zielreihenfolgen feststellen lassen. Als Funktionselemente finden w i r — — — — —
Konfliktlösung Informations- und Erfahrungsaustausch Abstimmung künftigen Handelns Erarbeitung gemeinsamer Vorschläge oder Strategien Krisenmanagement. Es fehlt i n der Regel das Funktionselement Entscheidung. 2. Es gibt interministerielle Ausschüsse auf der Hierarchieebene der
— Referenten — Abteilungsleiter — Staatssekretäre und auf der Schwelle vom administrativen zum politischen Bereich — der Minister (die sog. Kabinettausschüsse). Die Kabinettausschüsse (z. Z. 12) werden unmittelbar nach Bildung der Bundesregierung gebildet. Ihre Zahl und Zusammensetzung ändert sich während einer Legislaturperiode nur geringfügig. Zeitpunkt und Anlaß der Errichtung der übrigen Ausschüsse, die überwiegend durch Kabinettbeschluß gebildet worden sind, ist unterschiedlich. 2K*
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So ist z. B. der Ausschuß für Organisationsfragen, dem die Organisationsreferenten und Bürodirektoren aller Ressorts angehören, i n der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehen. Andere Ausschüsse, wie z. B. der Kreis der Planungsbeauftragten der Ressorts oder der EDV-Koordinierungsausschuß, sind bei der grundsätzlichen Festlegung neuer Verfahren entstanden. Andere Ausschüsse wiederum verdanken ihre Existenz einer bestimmten politischen Situation, zu deren Bewältigung Maßnahmen vorgesehen werden, für deren Vorbereitung oder Koordinierung der Ausschuß dienen soll (z. B. „Arbeitsgruppe EWG-Beitritt Großbritannien"). Eine andere A r t von Ausschüssen ist zwar auf Dauer und ohne konkreten Anlaß gebildet, t r i t t aber erst bei Vorliegen besonderer Ereignisse i n A k t i o n (z. B. die Katastrophenschutz- und Krisenstäbe, der Ausschuß zur Vorbereitung und Durchführung von Staatsbegräbnissen). Es läßt sich kaum ein Politikbereich denken, für den es nicht einen oder mehrere interministerielle Ausschüsse gibt. A m Rande sei angemerkt, daß die funktionale Unterscheidung zwischen einem interministeriellen Ausschuß und einer Ressortbesprechung unscharf ist, zumal häufig personelle Identität gegeben ist. Zur Zeit bestehen folgende Kabinettausschüsse — — — — — — — — —
Bundessicherheitsrat Kabinettausschuß für Europapolitik Kabinettausschuß für innerdeutsche Beziehungen Kabinettausschuß für mittelfristige Finanzplanung Kabinettausschuß für Wirtschaft Kabinettausschuß für Agrar- und Ernährungspolitik Kabinettausschuß für Soziales und Gesundheit Kabinettausschuß für Vermögensbildung Kabinettsausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie — Kabinettausschuß für Umweltfragen — Kabinettausschuß für Raumordnung und Städtebau — Kabinettsausschuß für die Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung. Als allgemeine Erfahrungsregel läßt sich feststellen, daß interministerielle Ausschüsse i n den Bereichen am häufigsten auftreten, bei denen — Querschnittsaufgaben (z. B. Planung, Organisation) — komplexe Augaben (z. B. Entwicklungshilfe) — unscharfe Ressortgrenzen
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— unterschiedliche Interessenstandpunkte — koalitionspolitische Gleichgewichtserwägungen auftreten. 3. Die Struktur der Ausschüsse ist nur bei den Kabinettausschüssen formalisiert. Für sie gelten folgende allgemeine Regelungen: 1. Vorsitzender der Kabinettausschüsse ist der Bundeskanzler, Stellvertretender Vorsitzender ist der Stellvertreter des Bundeskanzlers. Bei Abwesenheit des Bundeskanzlers und seines Stellvertreters führt der für den Aufgabenbereich des Ausschusses federführende oder hauptbeteiligte Bundesminister den Vorsitz (Beauftragter Vorsitzender). 2. Die Geschäfte der Kabinettsausschüsse werden vom Bundeskanzleramt geführt. 3. Die Tagesordnungen sowie Zeit und Ort der Sitzungen der Kabinettausschüsse werden vom Bundeskanzler nach vorheriger Abstimmung m i t dem Beauftragten Vorsitzenden festgesetzt. Bei Verhinderung des Bundeskanzlers stimmt sich der Chef des Bundeskanzleramtes m i t dem Stellvertreter des Bundeskanzlers und m i t dem Beauftragten Vorsitzenden ab und übernimmt danach für den Bundeskanzler die Einladung. 4. Ständige Mitarbeiter eines Kabinettausschusses sind nur die Bundesminister, deren Geschäftsbereich regelmäßig und nicht nur unwesentlich betroffen ist. Andere Bundesminister werden von Fall zu F a l l zu den Sitzungen der Kabinettausschüsse zugeladen, wenn Gegenstände erörtert werden, die ihren Geschäftsbereich betreffen. Jeder Bundesminister hat das Recht, an den Sitzungen der Kabinettausschüsse — m i t Ausnahme des Bundessicherheitsrates — persönlich teilzunehmen. 5. A n den Sitzungen der Kabinettausschüsse nehmen die ständigen Mitglieder sowie die hinzugezogenen Bundesminister, i m Verhinderungsfall die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatssekretäre teil. Eine Strukturschwäche der Kabinettausschüsse zeigt sich darin, daß die Stellvertretung sehr großzügig zugelassen worden ist. So bleibt es nicht aus, daß i n der Regel i n den Sitzungen der Kabinettausschüsse bis auf den Vorsitzenden nur oder zumindest überwiegend Beamte (bis hinunter zu Referenten) anwesend waren. Aus dieser Tatsache kann auch auf die Funktion und die Wirkungsebene geschlossen werden. Sie zeigt, daß die Kabinettausschüsse trotz ihrer formalen Zusammensetzung mehr dem administrativen Bereich und nicht so sehr dem aus-
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schließlich politisch geprägten Bereich zuzurechnen sind. Der politische Bereich ist stärker von nichtformalisierten Gesprächskreisen des Bundeskanzlers und der Bundesminister bestimmt. I n diese Kategorie gehören auch die regelmäßigen Kontakt- und Abstimmungsgespräche zwischen der Bundesregierung und den Führungen der Koalitionsfraktionen i m Deutschen Bundestag. Zur Zeit werden Überlegungen angestellt, die Kabinettausschüsse aufzuwerten und die Stellvertretung sowie die Sitzungsteilnahme von Begleitern der Ausschußmitglieder einzuschränken. Welche Auswirkung diese Maßnahme auf den Stellenwert der Kabinettausschüsse haben wird, bleibt abzuwarten. Bei den übrigen interministeriellen Ausschüssen ist der Formalisierungsgrad gering. I n den Errichtungsbeschlüssen werden das federführende Hessort sowie die beteiligten Ressorts genannt. Den Ressorts bleibt dann die Personalisierung vorbehalten. Sie ist i n der Regel funktional bestimmt, d. h. der i m Ressort Zuständige ist Mitglied i m Ausschuß. Wechselt er seinen Arbeitsplatz, scheidet er ohne formale Abberufimg aus dem Ausschuß aus und sein Nachfolger t r i t t an seine Stelle. M i t dem Begriff der Federführung ist der Vorsitz und die Geschäftsführung verbunden. Rangunterschiede werden i n den Ausschüssen nicht gemacht. Handelt es sich z. B. u m einen Abteilungsleiterausschuß, so gilt ein anwesender Referent, der sein Ressort vertritt, als Abteilungsleiter und das Rerssort ist damit durch seine Erklärungen bis zur Abteilungsleiterebene festgelegt, es sei denn, es w i r d ausdrücklich ein Vorbehalt erklärt. Problematisch ist, ob interministerielle Projektgruppen* i m Sinne der hier vorgegebenen Thematik an dieser Stelle auch i n die Überlegungen einbezogen werden müssen. Der Unterschied zu den bisher beschriebenen Ausschüssen besteht darin, daß i n der Projektgruppe Lösungsvorschläge oder Konzeptionen ohne Arbeitsteilung i n einem Arbeitsvorgang erarbeitet werden, während i n den übrigen Ausschüssen nur Teilvorgänge eines Planungs- und Entscheidungsprozesses ablaufen wie z. B. — die Zielformulierung für arbeitsteilig vorzunehmende Arbeitsvorgänge — die Entgegennahme von Zwischenberichten — die Korrektur oder Billigung von Arbeitsvorgängen, die arbeitsteil i g i n einem oder mehreren Ressorts entstanden sind. * Unter Projektgruppen werden besonders organisierte Arbeitsgruppen verstanden, die eine zeitlich und sachlich begrenzte Aufgabe (Projekt) kooperativ zu lösen haben.
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Es ließe sich die These vertreten, daß die Funktion interministerieller Projektgruppen nicht Koordinierung ist, sondern Koordination weitgehend überflüssig macht. Interministerielle Projektgruppen können daher bei der Lösung zwischenministerieller Probleme hilfreich sein. Da die für sie geltenden Rahmenbedingungen sich von denen der anderen Ausschüsse wesentlich unterscheiden, werden sie i n den folgenden Ausführungen als „aliud" behandelt, zumal zu berücksichtigen ist, daß sie wegen ihrer Ausnahmestellung i m Organisationsgefüge nur i n besonderen Fällen Verwendung finden. 4. Eine besondere Vorrangstellung eines Ressorts findet ihren Ausdruck i n der Bestimmung der Federführung. Damit ist, wie bereits erwähnt, der Vorsitz und die Geschäftsführung verbunden. Bei Kabinettausschüssen ist es die Funktion als „Beauftragter Vorsitzender", die i n der Regel m i t dem Vorsitz sowie m i t der fachlichen (im Gegensatz zur geschäftsordnungsmäßigen) Vorbereitung verbunden ist. Der Grund, ein bestimmtes Ressort als federführend zu bestimmen, liegt darin, daß es nach der Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung für den Aufgabenbereich des Ausschusses allein oder überwiegend zuständig ist. 5. Bei der Vielzahl der vorhandenen Ausschüsse ist es schwierig, generell die bestimmende Funktion anzugeben, zumal die Ausgangslage i n jedem Fall anders ist, besonders, was die Beziehungen und Gewichte der Ressorts untereinander angeht. Bei aller Ungewißheit über die Möglichkeit zuverlässiger Aussagen kann jedoch die These gewagt werden, daß eine „Entwicklung" festzustellen ist. A m Anfang haben sicherlich — ausgehend von der Notwendigkeit der Entlastung des Kabinetts von kleinlichen Streitigkeiten — die Fälle der „Negativ-Koordination" i m Vordergrund gestanden, also die Fälle, die durch tatsächliche, vermutete oder provozierte Kompetenzüberschneidungen streitig geworden waren. Hinzu kam i n anderen Fällen das Motiv des Erfahrungsaustausches, z.B. beim Ausschuß für Organisationsfragen, beim Arbeitskreis der Büchereileiter. Beide Falltypen haben folgende Grundelemente gemeinsam — die Ausschüsse hatten keine fachlichen, sondern nur den funktionalen Auftrag der Koordination oder des Erfahrungsaustausches — die Ausschußmitglieder fühlten sich ausschließlich als Ressortvertreter und handeln insofern aus einer „gefestigten Verteidigungsposition". I n jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen, daß das Problembewußtsein, i n einer Verstrickung von Komplexität zu leben, gestiegen ist und damit auch die Einsicht zugenommen hat, i m Vertreter des anderen
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Ressorts den Partner und nicht den „Angreifer", den „Störer" zu sehen. Es sind Fälle bekannt, i n denen durch die Arbeit i n interministeriellen Auschüssen eine politisch integrierte Rahmenstruktur für einzelne Politikfelder entstanden ist. Das gilt insbesondere für die Fälle, i n denen die Vorbereitungsarbeiten nicht arbeitsteilig erfolgten, sondern das Innovationsmoment i n den Ausschuß getragen worden ist. Dort, wo die Ausschüsse Aufträge erhielten, selbst Vorschläge und Konzeptionen zu entwickeln und nicht Vorgefertigtes zu kritisieren, zu glätten oder anzupassen, wurde der Umschlag von der Negativ-Koordination besonders augenfällig. I n diesem Zusammenhang sind insbesondere die interministeriellen Projektgruppen zu nennen, die durch die kooperative A r beitsweise gleichzeitig eine andere Einstellung erzeugen. A m Rande sei angemerkt, daß die Beispiele aus diesem Problembereich wieder einmal bestätigen, wie die formale Organisationsstruktur Einflußfaktor für die materielle Politikgestaltung ist. Bei der Beurteilung des funktionalen Verständnisses der interministeriellen Koordination ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den rein administrativen Ausschüssen und den Kabinettausschüssen. W i r treffen hier auf die gleichen Bewußtseins- und Entscheidungsstrukturen. Abweichungen i n Richtung auf die ausgeprägte Entwicklung von politischen Zielvorstellungen für die Ministerialarbeit werden i n den nicht-formalisierten ad-hoc Arbeitsgremien sichtbar, die aus Regierungsvertretern und Vertretern der Koalitionsfraktionen zusammengesetzt sind. Ihre Bedeutung darf nicht unterschätzt werden. 6. Die interministeriellen Ausschüsse setzen sich i n der Regel aus weisungsunterworfenen Vertretern der Ressorts zusammen. Das gilt auch für die Kabinettausschüsse, soweit nicht der Minister persönlich an den Sitzungen teilnimmt. Ausnahmen bilden lediglich die interministeriellen Projektgruppen, wenn für ihre Mitglieder ausdrücklich, wie schon mehrfach geschehen, die Weisungsunterworfenheit gegenüber ihren Herkunftsdienstellen ausdrücklich ausgeschlossen ist. Wie bereits i m vorhergehenden Abschnitt gezeigt wurde, kann die A r t der Regelung der Weisungsunterworfenheit Einflußgröße für den Ablauf des Willensbildungsprozesses sein. Man darf sich die Praxis allerdings nicht so vorstellen, als dienten die Sitzungen nur dazu, vorgefertigte Weisungen auszutauschen. Es w i r d eine Ausnahme sein, daß die Ressortvertreter m i t ausdrücklichen Weisungen i n den Sitzungen erscheinen. I n der Rgel sind es die zuständigen Fachreferenten und Abteilungsleiter, die ihr Ressort i n den Ausschüssen vertreten. Sie haben ohnehin für ihre Aktivitäten einen Handlungsspielraum, von dem sie auch i n den Ausschüssen Gebrauch machen
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können. Vorherige Weisungen werden i n Ausnahmefällen bei Vorgesetzten eingeholt, wenn — es sich u m hochpolitische Angelegenheiten handelt — der Vorgesetzte vorher bereits m i t der Angelegenheit befaßt war — der Sitzimgsvertreter eine besondere extreme Haltung einnehmen oder andere Ressorts „hart" angreifen w i l l . I m übrigen hängt es sehr von der Persönlichkeitsstruktur des einzelnen Ausschußmitglieds ab, wie er m i t dem Problem der Weisungsunterworfenheit fertig wird. Beim Typ des „Selbstbewußten" w i r d ein außenstehender Beobachter kaum wahrnehmen, ob eine Weisung oder eine persönliche Auffassung vorgetragen wird. Der „ängstliche" Typ dagegen erschwert den Konsensbildungsprozeß durch häufige Wiederholungen der Formulierungen wie: „Vorbehaltlich der abschließenden Äußerung meines Hauses . . . " , „das ist meine rein persönliche Auffassung", „ich bitte ausdrücklich darum, zu Protokoll zu nehmen, daß . . . " . Ähnlich liegen die Probleme bei der Umsetzung von Ausschußberatungen i n die Praxis der einzelnen Ministerien. Das Ausschußmitglied m i t ausgeprägtem Persönlichkeitsbild w i r d sich i n seinem Ressort m i t dem Ausschußergebnis identifizieren und seine Transformation zielbewußt, unter Ausschöpfung aller taktischen Hilfsmittel anstreben. Das „schwache" Ausschußmitglied w i r d zwar einen langen Vermerk fertigen, i m übrigen aber den Dingen ihren Lauf lassen und möglichen auftretenden Schwierigkeiten keinen Widerstand entgegensetzen. Gegenüber dem Ausschuß kann er sich immer damit entschuldigen, daß „die Oberen eben anderer Meinung" gewesen seien. Die Frage, inwieweit Ausschußmitglieder wegen ihrer Haltung i n Ausschüssen von Vorgesetzten zur Verantwortung gezogen worden sind und evtl. Rügen erhalten haben, läßt sich ohne eine empirische Untersuchung nicht beantworten. M i r sind derartige Fälle nicht bekannt geworden. Auch der umgekehrte Fall kann eintreten, daß ein Ausschußmitglied von der Mehrheit des Ausschusses beleidigt oder angegriffen wird. Der Schutz seines Ressorts ist i h m sicher. Ausnahmen sind i n den Fällen denkbar, i n denen ein beamtetes Ausschußmitglied aus taktischen Erwägungen eine extreme Position einnehmen muß, u m seinem Minister i n eine günstige Ausgangsposition für einen tragbaren Kompromiß zu bringen. So sehr das Ausschußmitglied nach außen als desavouiert gelten muß, w i r d sein Prestige i m Innenverhältnis dadurch nicht leiden. Die formalen Beziehungen zwischen den nach der vorgegebenen Definition als Ausschuß auf der poltischen Ebene angesehenen Kabi-
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nettausschüssen und den administrativen Koordinationsausschüssen sind unterschiedlich. Es gibt i n der Bunderepublik Deutschland eine Reihe von Kabinettausschüssen, die einen Unterbau haben; d.h. jede Vorlage, die i m Kabinettausschuß behandelt werden soll, muß erst einen spiegelbildlich gebildeten Abteilungsleiterausschuß passieren. Aber auch wenn eine solche formale Beziehung nicht bestünde, würden die Kabinettausschußmitglieder die gleichen Entscheidungsunterlagen, wenn auch nicht i n gefilterter Form, i n den Händen haben; denn dieselben Beamten, die i n einem Unterausschuß zusammengesessen hätten, sind auch für die Vorbereitung der Vorlagen zuständig. Ich möchte vermeiden, spekulative Thesen aufzustellen. Deshalb w i l l ich auch nicht die Hypothese i n den Raum stellen, daß die Abweichung von den von Beamten erstellten Vorlagen u m so größer ist, je stärker politisch ein Gremium besetzt ist. Die so beliebte Gegensätzlichkeit zwischen der reinen Sachlichkeit und des Politischen ist für viele Traum und Trauma zugleich, für die Ministerialpraxis der Bundesrepublik Deutschland ist sie aber nicht i n scharfen Konturen sichtbar. Es verdiente i n einer empirischen Untersuchung festgehalten zu werden, — wie häufig das Bundeskabinett von Vorlagen abweicht und aus welchen Gründen — ob und welchen Einfluß der zuständige Minister auf den Inhalt der Kabinettvorlage genommen hat — ob ein überzeugungsmäßiger Konsens zwischen dem Minister und seinen Beamten über den Inhalt der Kabinettvorlage bestanden hat. Die A n t w o r t auf diese Fragestellungen könnte für die hier zu behandelnde Problematik von Interesse sein. 7. Bei der Zeichnung der inneren Struktur der interministeriellen Ausschüsse werden Unterschiede zwischen den Projektgruppen und den sonstigen Ausschüssen sichtbar. Das hat seinen Grund i n erster Linie darin, daß die Projektgruppenmitglieder i n der Regel hauptamtlich tätig sind, während die Mitgliedschaft i n einem sonstigen Ausschuß eine Nebenfunktion darstellt, die von den Anforderungen des Hauptamtes überlagert wird. Daraus ergeben sich unterschiedliche Einstellungen, Arbeitsweisen und Rollenwerte. Es ist unstreitig, daß die Mitglieder eines Ausschusses nach einer gewissen Zeit zu einer sozialen Gruppe zusammenwachsen, die hauptamtlich Tätigen natürlich schneller und intensiver als die anderen. Dieses Phänomen bringt — gruppendynamisch gesehen — Vor- und Nachteile, wobei ich, der ich selbst Vorsitzender eines zahlenmäßig sehr großen und häufig tagenden Ausschusses bin, die Vorteile stärker posi-
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t i v bewerte. Der besondere Heiz liegt vor allem darin, daß sich über die Ressortgrenzen hinweg ein besonderer, u m nicht zu sagen, exklusiver Informationsweg entwickelt, der häufig benutzt w i r d und der auch vertrauliche Informationen trägt. Als kleines äußeres Zeichen der A k tualität dieses Informationsweges kann gelten, daß z. B. für den von m i r betreuten Ausschuß ein gemeinsames besonderes Telephonverzeichnis existiert. Die intensiven interpersonellen Beziehungen w i r k e n posit i v auf die sachliche Arbeit — man arbeitet weniger m i t „verdeckten" Karten — die Schrift- und Diskussionsform ist sachlich bis freundlich — „Überraschungsangriffe" sind seltener als sonst — offizielle „aggressive" Ressortnoten werden vorher telephonisch unter Ausdruck des Bedauerns angekündigt — bei unterschiedlichen Standpunkten werden Kompromißmöglichkeiten und Rückzugslinien informell signalisiert. Dieses Gruppenbewußtsein w i r d besonders deutlich, wenn man als Außenstehender i n eine solche Runde hineinkommt und Mühe hat, m i t ihren Spielregeln vertraut zu werden. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, daß sich neben dem Subsystem Ressort (der Beamte spricht selbst i n offiziellen Schreiben von „seinem" Haus) ein politikfeidbezogenes Subsystem m i t dem entsprechenden Gruppenbewußtsein bildet. Dieses umfaßt allerdings nicht nur den Bereich der Bundesministerien, sondern glegentlich auch den nachgeordneten Bereich und vor allem den Länderbereich; denn durch die föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland wickeln sich die Bund-Länder-Beziehungen i n einer Vielzahl von Ausschüssen ab. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, daß sich alle leitenden bzw. bestimmenden Beamten eines Politikfeldes (z. B. Krankenhausförderung, Zivilschutz, Elektronische Datenverarbeitung) i n Deutschland kennen und daß zwischen ihnen besonders geartete Beziehungen bestehen. Bei der Beurteilung des Entscheidungsprozesses ist zu beachten, daß sie von Ausnahmen abgesehen, kein abschließendes Entscheidungsrecht sie von Ausnahmen abgesehen kein abschließendes Entscheidungsrecht recht, abschließende Entscheidungen bilden auch da Ausnahmen (z.B. bei Festlegung von Verhandlungsrichtlinien für die EWG). Deshalb bestehen die Arbeitsergebnisse der Ausschüsse aus — Empfehlungen, Richtungsweisungen, die von dem federführenden Ressort i n Beschlußvorlagen transformiert werden — der Beratung von Beschlußvorlagen — der Vereinbarung gleichen Handelns. Von dieser Form w i r d immer dann Gebrauch gemacht, wenn eine Kabinettentscheidung nicht
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für notwendig gehalten wird, aber trotzdem ein gleichgerichtetes Handeln i n allen Ressorts zweckmäßig erscheint. Der wöchentlich tagende Gesprächskreis der beamteten Staatssekretäre sowie der Ausschuß für Organisationsfragen bedienen sich dieses Instruments am häufigsten. Der Entscheidungsprozeß i n interministeriellen Ausschüssen unterscheidet sich kaum von anderen. Tagesordnung und Sitzungstermin werden vom Vorsitzenden bzw. dem geschäftsführenden Ressort festgelegt. Die Wünsche anderer Ausschußmitglieder werden berücksichtigt. Die Vorbereitung der Sitzung durch Vorlagen ist die Regel. Vorgespräche und der Versuch zur Bildung von Fraktionen werden bei besonders wichtigen und streitigen Fragen gemacht. Die Sitzungen dauern i n der Regel drei bis vier Stunden. Die Ausschußmitglieder kommen selten allein, sie werden häufig von einem oder mehreren Mitarbeitern begleitet, besonders dann, wenn es u m die Klärung von Detailfragen geht. Selbst i n Kabinettausschüssen ist die Begleitung üblich und hat ein Ausmaß angenommen, das zu Reformüberlegungen Anlaß gegeben hat. Abgestimmt w i r d allerdings nur nach Ressorts. Die Beratungen gestalten sich besonders schwierig, wenn Ausschußmitglieder Weisungen ohne Spielraum haben. Die Diskussion w i r d i n einem solchen Fall bis zu einem Mehrheitsergebnis zu Ende geführt, wobei die Vorbehalte zu Protokoll gegeben und die Vertreter der M i n derheit gebeten werden, innerhalb einer Erklärungsfrist die endgültige Auffassung des Ressorts zu erklären. Häufig gelingt es dann dem Ausschußmitglied, sein Ressort von der Mehrheitsentscheidung des Ausschusses zu überzeugen, so daß kein Veto erklärt wird. Die Einstimmigkeit ist kein grundsätzliches Strukturprinzip, sie w i r d jedoch stets angestrebt. I n einigen Fällen ist sie jedoch erforderlich. So z. B. wenn eine Vereinbarung über gleiches Handeln und Verhalten i n den Ressorts getroffen werden soll. Sie kann nur Verbindlichkeit erlangen, wenn die Entscheidung einstimmig erfolgt ist oder wenn die überstimmten Ressorts erklären, eine Mehrheitsentscheidung anzuerkennen. Einstimmigkeit ist auch für die endgültige Fassung einer Kabinettsvorlage notwendig. Die Geschäftsordnung schreibt nämlich vor, daß eine Vorlage i m Kabinett erst behandelt wird, wenn sie m i t allen Ressorts abgestimmt wird. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten: a) Der Vorschlag des federführenden Ressorts findet z. B. i n einem Referentenausschuß keine Mehrheit. Dann kann das Ressort entwe-
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der seinen Plan fallen lassen oder der E n t w u r f w i r d dem nächsthöheren Gremium, z. B. einem Abteilungsleiterausschuß, vorgelegt. b) Der Vorschlag des federführenden Ressorts findet bei zahlreichen Gegenstimmen eine Mehrheit. I n diesem Fall w i r d wie zu a) verfahren. c) Der Vorschlag des federführenden Ressorts findet bei nur wenigen Gegenstimmen eine große Mehrheit. I n diesem Fall w i r d i n der Regel bilateral weiterverhandelt. Das Abstimmungsverfahren muß bis zur Chefebene durchgeführt werden. Ist dann immer noch keine Angleichung der Standpunkte erfolgt, erfolgt ein entsprechender Hinweis i n der endgültigen Kabinettvorlage. Ein besonderes Problem entsteht, wenn sich der interministerielle Ausschuß auf einen bestimmten Inhalt des Entwurfs geeinigt hat und der zuständige Ressortminister eine andere Auffassung vertritt. A n diesem Beispiel w i r d deutlich, daß die Koordination durch interministerielle Ausschüsse nicht originär systemimmanent ist; denn i m K o n f l i k t fall setzt sich zunächst das Ressortprinzip durch, d. h. die Beamten des betreffenden Minister müssen — so unangenehm das für sie sein mag — noch einmal das Koordinationsverfahren, eröffnen. Selbst das umgekehrte Verfahren — zunächst die interne Zustimmung einholen und dann m i t dem interministeriellen Abstimmungsverfahren beginnen — ist nicht immer zweckmäßig, w e i l die „Ressortmeinung" dann festliegt, kein Verhandlungsspielraum vorhanden ist und damit zwangsläufig eine häufige Befassung der Ressortleitung m i t der Sache notwendig wird. Diese Schwierigkeiten weisen auf ein anderes Problem h i n — nämlich den Zeit- und Phasenfaktor. Wann soll eine Sache „den schützenden Hafen" des zuständigen Ressorts verlassen? Es läßt sich nicht bestreiten, daß i n einem System, dessen Struktur vom Ressortprinzip geprägt ist, i n dem Profilierungen der politischen Leitung und der Beamten i m und durch das Ressort erfolgen, die Koordinierungsverfahren i n einem relativ späten Zeitpunkt einsetzen, meistens dann, wenn ein Konzept, eine Entscheidungsvorlage bereits fertig ist und der Spielraum für das Abstimmungsverfahren nur noch i n der totalen Bejahung oder Ablehnung sowie für stilistische Korrekturen besteht. Die gelegentlichen Hinweise der zuständige Ressortvertreter und Verfasser der Vorlage, es sei sehr eilig, w e i l der Minister die Angelegenheit so rasch wie möglich ins Kabinett bringen wolle, fördert nicht die Tendenz, das Koordinierungsverfahren ernst zu nehmen.
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Grundsätzlich ist ein interministerielles Koordinierungsverfahren i n folgenden Phasen des Planungs- und Entscheidungsprozesses denkbar — i n der Zielfindungsphase — i n der Programmplanungsphase — i n der Definitions- und Planungsphase — i n der Vor-Entscheidungsphase. Hierbei handelt es sich natürlich nur um Möglichkeiten. Die Entscheidung, wann bei bestimmten Entscheidungstypen m i t der Koordinierung begonnen werden soll, kann nicht seperat erfolgen, sondern muß sich aus der Organisation des Planungs- und Entscheidungsprozesses ergeben. III. Aussagen über die Effektivität interministerieller Ausschüsse müssen sich i n der breiten Spannweite von Lob und Tadel, von Hoffnung und Resignation bewegen. Ausgangspunkt jeder kritischen Betrachtungsweise, jeder Effektivitätsbewertung ist die Erkenntis, daß der Koordinierung der Regierungspolitik bei der zunehmenden Komplexität aller Lebensvorgänge eine unbestrittene Zwangsläufigkeit ist. Interministerielle Ausschüsse sind ein M i t t e l dazu. Aber die Institution der interministeriellen Ausschüsse ist nicht systemfrei. Daher muß einschränkend formuliert werden: „Interministerielle Ausschüsse sind eines von mehreren Mitteln." Sie sind i n ihrer Rolle und i n ihrem Wirkungskreis echte Variable i m System. I h r Stellenwert ist abhängig von — der Aufgabenstruktur und dem Grad ihrer Komplexität — der Zahl der Ressorts und ihrem Zuschnitt — der Entscheidungsstruktur der Regierung und der Bedeutung des Ressortprinzips — der Organisation des Planungs- und Haushaltsaufstellungsverfahrens — dem Vorhandensein von nichtpersonalen Instrumenten und Informationssystemen. Es würde den Umfang des Beitrags sprengen, wenn ich Stelle den Ansatz weiterverfolgte, so sehr es mich reizt. Aber Bewertung der Effektivität kann nur erfolgen, wenn m i t Systemanalyse jedes Systemelement daraufhin untersucht seine spezifische Funktionsweise und wie seine Tragfähigkeit
an dieser eine echte Hilfe der wird, wo i n seinem
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Funktionsrahmen ist. Korrelationsrechnungen können dann zeigen, wie die Interdependenzen sind und wo verfassungsrechtliche und politische Konstanten liegen. Dieser Systemansatz ist auch für die systemgerechte Einordnung und Bewertung der interministeriellen Ausschüsse i m Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland notwendig. W i r müssen weg von dem Zufälligen, von dem Nachjagen nach organisatorischen Modeerscheinungen. So wie es die „Stabs"- und die „Team"-Euphorie gab, verbreitete sich plötzlich der „Ausschuß-Boom"; jedes auftretende Organisationsproblem wurde allzu rasch m i t der Einrichtung von Ausschüssen gelöst, ohne nach den Funktionsmöglichkeiten zu fragen. Solange die Systemtheorie keine Einrichtungskriterien liefert, ist jede Frage nach der Effektivität problematisch. Hinzu kommt das Kostenmoment. Da Regierung und Verwaltung nach der Bundeshaushaltsordnung zum wirtschaftlichen Handeln verpflichtet sind, kann ich diesen Gesichtspunkt trotz der wissenschaftlichen und poltischen Erhöhung des Themas nicht verschweigen. Nach dem augenblicklichen Gehaltsniveau kostet eine Abteilungsleiterbesprechung an unmittelbaren Personalkosten etwa 4000,— DM. Diesem Betrag sind 15 Teilnehmer, 2 Begleiter, 3 Stunden Sitzungsdauer und eine unproblematische Vorbereitung zugrunde gelegt. Da i n der Regel die Zahl der Sitzungsteilnehmer größer ist und die Vorbereitung als schwierig zu gelten hat, erhöht sich dieser Betrag wesentlich. Gehen w i r davon aus, daß jeder Ausschuß als M i t t e l viermal i m Jahr tagt und daß es 180 Ausschüsse gibt, so ist das ein jährlicher Mindestbetrag von rund 2,9 M i l l . DM. Berücksichtigt man dann weiter, daß etwa die gleiche Anzahl Ausschüsse für das Bund-Länder-Verhältnis bestehen (zwar m i t weniger Bundesbediensteten als Sitzungsteilnehmer, dafür aber durch Reisekosten höhere Ausgaben), daß die EWG-Koordinierung Kapazitäten verlangt, so ergeben sich nicht unbeträchtliche Kosten. Daß die Kosten für hauptamtlich tätige Projektgruppen wesentlich höher, nicht selten unter 1 M i l l . D M jährlich, liegen, braucht nicht besonders betont zu werden. Auch aus diesem Grunde ist es notwendig, eine günstige Zweck-Mittel-Relation herzustellen. Neben der Aufgabe, interministerielle Ausschüsse optimal i n das Regierungssystem zu integrieren, besteht die Notwendigkeit, die Probleme der inneren Struktur zu lösen. Nach einer Untersuchung der Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern aus dem Jahre 1972 existieren auch i n diesem Teilbereich eine Reihe von Mängel wie z. B. — die Vielzahl der interministeriellen Ausschüsse belastet die betroffenen Referate über Gebühr
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— die Aufgabengebiete der Ausschüsse sind nicht deutlich von einander abgegrenzt — die Zahl der Ausschußmitglieder ist zu groß — die Ausschußmitglieder sind selten zu abschließenden Erklärungen ermächtigt. Hinzu kommt das ernstzunehmende Bedenken, daß, u m das Ziel der Entlastung des Bundeskabinetts zu erreichen, eine zu starke Siebung und Glättung unterschiedlicher Standpunkte, Interessen und A l ternativen vorgenommen wird. Die Gefahr, die insoweit i n dem Ausschußsystem liegt, ist nicht von der Hand zu weisen, obwohl es nicht zwangsläufig ist, daß m i t der Erarbeitung von Entscheidungsmaterial notwendigerweise der Untergang jeder Alternativposition verbunden ist. Wenn man i n den interministeriellen Ausschüssen ein notwendiges, unverzichtbares M i t t e l der Koordinierung der Regierungspolitik sieht sowie ihre Zahl und ihre Wirkungsmöglichkeit das Gelegentliche übersteigt, müssen verfahrensmäßige Grundregeln m i t folgendem Mindestinhalten entwickelt werden — Festlegung der Systembedingungen, die als Errichtungskriterien dienen — Einsetzung aller interministerieller Ausschüsse (und nicht nur der Kabinettausschüsse) zu Beginn der Legislaturperiode bzw. bei der Rahmenplanung des Regierungsprogramms — Einsetzung aller interministerieller Ausschüsse nur von einer zentralen Institution (z. B. Kabinett oder ständiger Staatssekretärsausschuß) — genaue Definition des Auftrags und der Befugnisse — Herstellung einer funktionalen Gewichtung der einzelnen Ausschußtypen bereits m i t dem Errichtungserlaß, d. h. Kabinett- und Staatssekretärausschüsse nur für die Beratung wichtiger politischer Fragen oder i n der Endphase bedeutender Entscheidungsprozesse — Festlegung von hierarchischen Beziehungen zwischen den einzelnen Ausschußtypen, d. h. Klärung der Frage, ob i m Ausschußwesen eine hierarchische Rangfolge m i t Weisungsrechten und Berichtspflichten eingeführt werden soll — wann, für welche Zwecke und unter wessen Steuerung interministerielle Projektgruppen eingerichtet werden können — die Rechte und Pflichten der Ausschußmitglieder, insbesondere die Festlegung eines Mindestmaßes an Vollmacht — die Zahl der Ausschußmitglieder
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— Grundregeln für das interne Verfahren — Aufnahme von Verhaltensausbildung i n das Programm der Fortbildungseinrichtungen. Lassen Sie mich m i t einer hoffnungsvollen Aussage schließen: Die Mängel mögen noch so zahlreich, die Lücken i m System noch so groß sein, das Beispiel der Koordination durch interministerielle Ausschüsse hat gezeigt, daß dem Organisator immer „etwas" einfällt, daß die dringensten Probleme i n der Praxis gelöst werden können. Arbeitstagungen wie der heutigen kommt die Aufgabe zu, Systeme zu entwickeln, das „Ungehobelte" der Praxis systemgerecht zu machen und Verfeinerungen anzubieten. Wenn Praxis und Wissenschaft ohne einen Anflug von Überheblichkeit sich i m gegenseitigen Rollenverständnis den Problemen so wie i n diesen Tagen gemeinsam stellen und zu zukunftstragenden Aussagen durchringen, können w i r uns alle voller Vorfreude auf die Suche nach einem neuen Problemfeld für die nächste Tagung machen. Dank dem Veranstalter!
Die Rolle und Effektivität der interministeriellen Ausschüsse für Koordination und Regierungspolitik Länderbericht: Spanien von José Luis Meilan G i l I . Vorbemerkungen
1. Der Gegenstand dieses Berichtes führt zum gleichzeitigen Gebrauch zweier Begriffe — Koordinierung und Interministerialausschüsse —, die i n der administrativen Praxis ebenso gebräuchlich wie schwierig zu definieren sind. Die tägliche Lektüre des „ B u l l e t i n Officiel de l'Etat" zeigt, daß das Wort „Koordinierung" oder einer seiner Ableitungen bzw. Komposita dort fast mehrmals täglich Verwendung findet. Diese Praxis ergibt sich aus dem konkreten Anliegen der führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Bereiches, die A k t i o n der Verwaltung rational und harmonisch zu gestalten und dafür zu sorgen, daß die gesteckten Ziele erreicht werden. Es kann jedoch auch die Erkenntnis dahinterstehen, daß die bestehende organische Struktur, die Verteilung von Funktionen und Kompetenzen zwischen verschiedenen Einheiten sowie das bei der Entscheidungsfindung verwendete System nicht geeignet sind, die Zwecke und Zielsetzungen der öffentlichen Verwaltung durchzuführen. Es scheint einfacher zu sein, öffentliche Erklärungen i n Form von L i p penbekenntnissen abzugeben zugunsten der Koordinierung, als tatsächlich die dafür erforderlichen Organe bereitzustellen und ihnen solche Kompetenzen zu geben, daß sie ihre Aufgabe logisch und spontan erfüllen können. Der letztgenannte Gedanke bleibt zunächst weiterhin eine Utopie, denn die organische administrative Einteilung w i r d niemals ein Produkt sein, das Spezialisten i m Labor fabrizieren, sondern das Ergebnis eines langen historischen Entwicklungsprozesses, bei dem neben den idealen Schemata der Organisationsexperten eine ganze Reihe von Faktoren, angefangen bei der Verteilung der administrativen Gewalt 2
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zwischen den verschiedenen politischen Kräften bis zum Druck der I n teressengruppen, bestehend aus Beamten oder anderen Kunden bzw. Verbraucherkreisen politischen Charakters, sozialer oder wirtschaftlicher Natur eine Rolle spielen, die jedes rationale Projekt weitgehend beeinflussen. 2. Diese Gedankengänge führen uns zum Begriff der Koordinierung. W i r würden den Rahmen dieses Berichtes sprengen, wenn w i r uns bei doktrinären Betrachtungen über das aufhalten würden, was unter K o ordinierung zu verstehen ist. U m jedoch das Thema etwas näher zu umreißen, wäre es sicher interessant, folgendes festzuhalten: a) Es gibt eine Vielzahl von Lehrmeinungen zu diesem Begriff. I n einer kürzlich erschienenen Arbeit von Professor Blanco de Telia werden etwa 12 verschiedene Versionen dessen zusammengefaßt, was Koordinierimg ist und w o r i n sie besteht. b) Die Konzeptionen von Fayol und Gulick, für die Koordinierung eine von vielen Funktionen ist, welche die Aufgabe der Verwaltung oder der Führung ausmachen, scheinen nunmehr überholt zu sein. Die These jedoch, daß die Koordinierung i m Grunde die Essenz jeder Führungs- oder Verwaltungstätigkeit ausmacht und nicht nur ein leicht einzugrenzender Teil dieser Tätigkeit sei, scheint sich nunmehr aufzudrängen. 3. Ich halte es für interessant, diese Erläuterungen anzuführen, dam i t Rolle und Wirksamkeit der Interministerialausschüsse als Koordinierungsinstrumente der spanischen Verwaltung besser verstanden werden. Die i m Zusammenhang m i t der Koordinierung bestehende Begriffsverwirrung führt manchmal zur Verwendung ungeeigneter Instrumente zu ihrer Durchführung. Ein ausgezeichneter Beweis für diese Tatsache ist die Vielzahl der bestehenden Koordinierungsinstrumente, sowie die Verschiedenartigkeit der Konzeptionen, denen sie entsprechen. Der Präsident der Regierung (entspricht etwa dem Premierminister) übernimmt aufgrund unserer gesetzlichen Regelung über den j u ristischen Status der staatlichen Zivilverwaltung von 1957 Koordinierungsfunktionen. Ferner w i r d bestimmten Organen auf Führungsebene i m Rahmen ihres eigenen Amtes eine Koordinierungsfunktion zugewiesen, wie es z. B. für das Untersekretariat oder für das technische Generalsekretariat der Fall ist. Außerdem gibt es eine neue Tendenz, die Koordinierung zu definieren, zumindest auf ministerieller Ebene, und zwar i n Form einer Tä-
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tigkeit, die i m wesentlichen m i t der Führung eines Ministeriums zu identifizieren ist. So wurden z. B. bei allen Neuorganisationen seit 1971 i n verschiedenen Ministerien, wie z. B. i m Ministerium für Erziehung und Wissenschaft, i m Landwirtschafts-, i m Industrie-, i m Wohnungsund Arbeitsministerium Führungsräte geschaffen, die unter Vorsitz des Ministers arbeiten und die Inhaber der politischen Ämter des Hauses zu ihren Mitgliedern zählen — Untersekretär und Genraidirektoren —, die zusammen m i t dem Minister an der Politik des Ministeriums arbeiten, sowie an der Vorbereitung der Pläne und Aktionsprogramme. II. Die Interministerialausschüsse, ein Instrument der Koordinierung in der spanischen Verwaltung 1. Ihre Existenzberechtigung
Die öffentliche Verwaltung ist sozusagen das Königreich der Ausschüsse. Diese Tatsache ist der notwendige Ausgangspunkt für unsere Überlegungen. Die Geschichte der spanischen Verwaltung — und wahrscheinlich auch anderer Verwaltungen auf dem europäischen Kontinent — bildet Beispiele einer Spannung zwischen dem monokratischen Prinzip einerseits und dem kollegialen Prinzip andererseits, die sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar macht. Es handelt sich hierbei nicht — das ist w o h l selbstverständlich — um die eindeutige historische Veränderung, die m i t dem Übergang von der Verwaltung, welche sich auf die großen feierlichen Räte stützte, zur modernen Verwaltung, die i n Ministerien gegliedert ist, von statten ging. Diese neue Organisation, die unweigerlich eine gewisse Starrheit i n der Arbeitsteilung m i t sich brachte, ist ein erster Grund für die Vielzahl der heutigen Ausschüsse. I m spanischen Fall w i r d diese Tendenz noch verstärkt dadurch, daß das Gesetz die Schaffung neuer Ministerien oder die mehr oder weniger starke Veränderung bestehender Ministerien vorsieht. Und der Widerstand, den die Mauern der Verwaltung jeder Veränderung entgegensetzen, führt unvermeidlich zu einer Vermehrung der Interministerialausschüsse, die versuchen, die Nachteile einer unserer veränderlichen Realität oft schlecht angepaßten Aufteilung der Kompotenzen auszugleichen, indem sie die Harmonie von Aktionen zu gewährleisten versuchen, die ursprünglich voneinander unabhängig waren. Vielleicht ist das sprechendste Beispiel für diese mangelnde Übereinstimmung zwischen der sich aus der Ministerialstruktur ergebenden Aufteilung der Kompetenzen einerseits und der Ziele der Verwaltung andererseits i n den Erfahrungen zu suchen, die w i r m i t der Entwicklungsplanung machen. Eine Überprüfung der Ausschüsse, die zur Ausarbeitung der Entwicklungspläne geschaffen wurden, zeigt eine gewisse
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Liberalisierung der Bedingungen, die sich aus der Verteilung der Kompetenzen auf Ministerialebene ergeben. Das Kriterium, das häufig zur Schaffung von Ausschüssen und zur Abgrenzung ihres Tätigkeitsbereiches führt, ist ein Sektor, der i n seiner Gesamtheit betrachtet werden muß: z.B. der Fall des Energiewesens oder auch der Transportsektor. Natürlich gibt es neben strukturellen Erwägungen auch konjunkturelle oder ein zufällige Anlässe für die Schaffung derartiger Ausschüsse, und selbst die persönlichen Preferenzen der für den jeweiligen Bereich und damit für das jeweilige Koordinierungsverfahren zuständigen Persönlichkeiten sind nicht ohne Bedeutung. A u f jeden Fall können w i r die Interministerialausschüsse i m Prinzip als einen Ausweg aus einer Situation betrachten, welche m i t u m so verkehrteren M i t t e l n angegangen wird, je größer die Zahl der i n einem bestimmten Bereich zuständigen Organe ist. Die Vorliebe für diese Lösungsmöglichkeit verdient keineswegs immer eine günstige Beurteilung, denn oft handelt es sich dabei nur u m ein Symptom für den mangelnden Willen, die eigentlichen Gründe für eine derartige Situation zu bekämpfen. Die Ausschüsse sind, wie w i r bereits gesagt haben, ausgesprochene administrative Mythen geworden, sie stellen das Heilkraut für die Lösung administrativer Probleme dar, das jedoch nur an den Symptomen herumkuriert, ohne die Ursachen der Probleme anzugehen, sofern diese Ausschüsse nicht sogar ein reines Verzögerungsmanöver darstellen, u m die Lösung eines Problems hinauszuschieben, das sich als besonders schwierig erweist. 2. Realität und positive Gesetzgebung A n den Beginn der nun folgenden Betrachtungen müssen w i r ein negatives U r t e i l stellen: den absoluten Mangel an Präzision und Prägnanz i m Gebrauch der verschiedenen Bezeichnungen. Letztere sind zahlreich und verschiedenartig: „Kommission", „ K o mitee", „Rat", „Junta", wenn w i r uns nur an die Substantive halten. Was die Adjektive betrifft, ist die Vielfalt genauso ausgeprägt: „ i n terministerial", „zentral", „national", „gemischt", „spanisch", „permanent", „koordinerend", „oberste" . . . Keiner dieser Ausdrücke hat i n der Verwaltungstheorie oder Praxis eine klare Bedeutung. Undifferenziert werden sie für Organe verwendet, denen man auf den verschiedensten Ebenen die verschiedensten Funktionen zuweist. W i r können also davon ausgehen, daß ihre Verwendung von der jeweiligen Phantasie desjenigen abhängt, der eine Norm abfaßt, für die sie bestimmt sind.
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Die Begriffsverwirrung i m Bereich der Koordinierung und die terminologische Vielfalt machen eine ernsthafte und präzise Aufzählung der einschlägigen Ausschüsse äußerst schwierig. Wie aus neuesten Veröffentlichungen hervorgeht, wurden zwischen 1968 und 1970 408 Ausschüsse geschaffen. Ebenso symptomatisch ist die Vielfalt der für diesen Zweck herangezogenen juristischen Formen; die gesamte Normenhierarchie muß für die Schaffung dieser Ausschüsse herhalten: Gesetze, Regierungsverordnungen, Erlasse, Ministerialanordnungen (im Bulletin officiel de l'Etat veröffentlicht oder m i t geteilt) oder einfache Beschlüsse des Ministerrates. Diese juristische Vielfalt ist an sich logisch, wenn man die sehr unterschiedliche Natur dieser Ausschüsse und den Charakter der i h r jeweils übertragenen präzisen Funktionen berücksichtigt. Der Vorstand eines autonomen Organs interministeriellen Zuschnitts muß formaljuristisch durch ein Gesetz geschaffen werden, aufgrund der für autonome Staatsorgane geltenden Bestimmungen. Hingegen kann ein Ausschuß für die Untersuchung eines verschiedene Ministerien betreffenden Problems durch einfachen Beschluß des Ministerrates geschaffen werden. I m positiven spanischen Recht gibt es eine ausdrückliche Regelung für die Interministerialausschüsse, und zwar i n Form des Erlasses vom 7. J u l i 1965 und der Anweisung der Présidence du Gouvernement vom 24. M a i 1969. Nicht ohne Verblüffung stellen w i r fest, daß der Ausdruck „Koordinierung" i n keiner der genannten Bestimmungen verwendet wird. Man könnte fast behaupten, daß die Verwendung dieses Begriffs geflissentlich vermieden wurde, selbst i n den Fällen, wo die Präambel des betreffenden Erlasses ganz eindeutig auf i h n abzielt, indem die gesetzliche Regelung der Interministerialausschüsse einfach durch die ganz besondere Bedeutung gerechtfertigt wird, die sie „infolge der wachsenden Komplexität und Interdependenz der administrativen A r beitsvorgänge" erlangt haben. Der Erlaß vom 7. J u l i 1965 enthält eine legale Difinition der Interministerialausschüsse, die allerdings auf die Auswirkungen dieser Bestimmung beschränkt bleibt, d. h. auf die für ihre Errichtung, ihre Zusammensetzung, ihr Funktionieren und ihre Auflösung geltenden Bestimmungen. I n Abs. 1 von A r t . 1 heißt es wörtlich: „Unter interministeriellen Ausschüssen versteht man kollegiale A r beitsorgane, die auf Beschluß des Ministerrates oder der direkt der Regierung unterstellten Kommissionen geschaffen werden und die aus
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Vertretern zweier oder mehrerer Ministerien bestehen und deren Ziel die Untersuchung inklusive geeigneter Dokumentationsbeschaffung und gegebenenfalls der Vorschlag von Lösungen für bestimmte Fragen ist, die verschiedene Ministerien betreffen." Die i n Abs. 2 desselben Artikels enthaltene Erklärung ist ebenso wichtig wie diese Definition, wenn sie aus dem Anwendungsbereich des Erlasses folgende Elemente herausnimmt: „die Kollegialorgane, die aufgrund ihres permanenten Charakters Bestandteil der organischen Struktur der Verwaltung sind, sowie die Arbeitsgruppen und die kollegialen Verwaltungsorgane." Der legale Rahmen ist also relativ beschränkt, w e i l er nur die Fälle derjenigen interministeriellen Ausschüsse ins Auge faßt, die auf i r gendeine Weise die außerordentliche Vielfalt von Organen dieser A r t erfassen, die i n unserer Verwaltung bestehen. Die für diese Ausschüsse vorgesehene gesetzliche Regelung ist also relativ beschränkt, nicht nur aufgrund des Inhalts der Normen, welche der Erlaß festlegt und die sich ausschließlich auf die erforderlichen Präzisionen darüber erstrecken, welche Person den Vorsitz zu übernehmen hat, welches die Aufgabe der Kommission sein w i r d und evtl. innerhalb welcher Frist sie diese Aufgabe zu erfüllen hat, neben der Schaffung einer Aufstellung über der bei der Présidence du Gouvernement bestehenden Auschüsse, welche das Funktionieren derselben kontrollieren sollen. I m Zusammenhang m i t dem Erlaß von 1965 muß unterstrichen werden, daß die Interministerialausschüsse i n den Rahmen der kollegialen Organisation der spanischen Verwaltung gehören, der eine lange historische Tradition hat. Das setzt voraus, daß ihre allgemeinen Organisations» und Funktionsregeln sich dem anpassen müssen, was für die Organe dieser Kategorie i m Gesetz über das Verwaltungsverfahren festgelegt ist (Einberufungssystem, erforderliche Stimmenzahl für die Beschlußfähigkeit, Verabschiedung von Beschlüssen usw.). I n der spanischen Gesetzgebung werden also alle ausschüsse formal gesehen als Kollegialorgane der trachtet, aber nicht alle Kollegialorgane haben den ministerieller Ausschüsse, selbst dann nicht, wenn sie Weise koordinierende Funktionen ausüben können.
InterministerialVerwaltung beCharakter interauf verschiedene
Es steht außer Zweifel, daß die Kollegialorgane m i t Entscheidungsbefugnis oder rein konsultativer Natur, sobald sie interministeriell zusammengesetzt sind, auf dem Gebiet der Koordinierung auch positive Arbeit leisten können.
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Das ist z. B. auch die Rolle des Ministerrates selbst, dem das Gesetz über den juristischen Status der Staatsverwaltung die Aufgabe überträgt „den allgemeinen Aktionsplan der Regierung zu verabschieden, sowie die großen Leitlinien, die für die den verschiedenen Ministerien übertragenen Aufgaben maßgeblich zu sein haben". I I I . Klassifizierung Diese mangelnde Einheitlichkeit i n der Behandlung der interministeriellen Ausschüsse und der kollegialen Koordinierungsorgane als eine unvermeidliche Folge der Vielfalt der Auffassungen über ihre Qualifizierung und die geeigneten M i t t e l zu deren Durchsetzung macht die Aufstellung gültiger Kriterien für ihre Klassifizierung m i t einem Mindestmaß an wissenschaftlicher Garantie äußerst schwierig. Unter Berücksichtigung der weitgehend konventionellen Gesichtspunkte, welche bei der Auswahl der für die Klassifizierung dieser Ausschüsse angewandten Kriterien eine Rolle spielen, werden i m nachfolgenden Text Faktoren wie die Zusammensetzung, die Dauer und die Funktionen i n Betracht gezogen, die zum Verständnis der spanischen Situation beitragen können. 1. Durch ihre Zusammensetzung
Es gibt drei klar voneinander zu unterscheidende Fälle: a) die Mitglieder der Kommissionen gehören ausschließlich der staatlichen Verwaltung an; b) die Kommissionen umfassen auch Mitglieder anderer öffentlicher Verwaltungen (z. B. der Lokalverwaltung i m Falle der letzten gesetzlichen Regelung für den Interministerialausschuß der Provinzialpläne auf zentraler Ebene oder des Provinzialausschusses für die technischen Dienststellen auf regionaler Ebene, die unter dem Vorsitz des Zivilgouverneurs arbeitet und zu der die Provinzialdelegierten der verschiedenen Ministerien gehören, sowie auch der Präsident der ProvinzialVersammlung); c) die Ausschüsse, die ebenfalls Vertreter öffentlicher Organe umfassen, zu denen man auch die Gewerkschaftsorgane und die verantwortlichen Stellen des movimiento rechnen kann oder der öffentlichen Unternehmen und sogar Experten und Vertreter des Privatsektors (als Beispiel möge der Nationale Ausschuß für Verbrechensbekämpfung und der Interministerielle Ausschuß für Tourismus, sowie das zentrale Komitee für Werbung, die interministeriellen Ausschüsse für bestimmte Probleme m i t ausgeprägtem sozialen Charakter, das Wohlergehen der Kinder, der geistig Behinderten gelten).
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Die letztgenannten Fälle sind charakteristisch für einen Koordinierungsbegriff, der sich als Schlichtungsvorgang verstanden wissen w i l l oder schiedsrichterliche Funktionen zwischen verschiedenen Interessen wahrnehmen w i l l , die sich dann i n bestimmten gemeinsamen Zielen wieder treffen. I m ersten Falle (wo die Mitglieder ausschließlich der staatlichen Verwaltung angehören), müssen i n Übereinstimmung m i t der streng politischen Ebene neue Untergruppen eingeführt werden, oder unter Berücksichtigung der hohen Beamten, die den Ausschuß b i l den. Was die Kommissionen auf politischer Ebene anbetrifft, so muß unterschieden werden, ob sie auf homogene Weise von Persönlichkeiten gleicher Ebene gebildet werden — Minister, Staatsuntersekretäre oder Generaldirektoren —, oder ob sie sich aus verschiedenen Ebenen der politischen Hierarchie rekrutieren m i t den Schwierigkeiten, die sich i n diesem Falle für i h r Funktionieren ergeben können, und zwar aufgrund der i n diesem Falle bestehenden Rangungleichheit und damit auch der Ungleichheit i n der Entscheidungsbefugnis und Einflußnahme sowie i n der mangelnden Kongruenz der Aktionsbereiche. Eben das spielt sich i m obersten Personalausschuß ab, der unter dem Vorsitz des ministro de la presidencia del gobiarno alle Untersekretäre der zivilen Ministerien als oberste Personalchefs auf Ministerialebene enthält, neben dem technischen Generalsekretär der presidencia del gobiarno, des Generaldirektors für Tresor und Budget i m Finanzministerium, des Direktors der staatlichen Hochschule für öffentliche Verwaltung und drei ständiger Mitglieder, von denen w i r später noch sprechen werden. Die ausschließlich aus Ministern bestehenden Ausschüsse wurden als sog. delegierte Regierungskommissionen geschaffen (d. h. Ausschüsse, welche direkt der Regierung unterstellt sind), und zwar aufgrund des Gesetzes über den juristischen Status der staatlichen Verwaltung, m i t der ausdrücklichen Aufgabe „die A k t i o n der betroffenen Ministerien zu koordinieren i m Hinblick auf gemeinsame Ziele und gemeinsame A k tionsprogramme zu revidieren". Neben dem Ausschuß für nationale Verteidigung gibt es i m Augenblick noch sechs weitere, die schon durch ihre Bezeichnung der Haupttätigkeitsbereiche anzeigen, wo man eine Verstärkung der Koordinierungsinstrumente für angebracht hält. Es handelt sich u m wirtschaftliche Angelegenheiten, Transport und Verkehr, kulturelle Angelegenheiten, öffentliche Gesundheit und Soziales, Wissenschafts- und Umweltpolitik, wobei der letzte Ausschuß erst kürzlich geschaffen wurde und fast alle Mitglieder der Regierung enthält.
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Dieses System der sog. delegierten Regierungsausschüsse hat 1967 begonnen und i n der Praxis eine sehr ungleiche Anwendung gefunden. I n diesem Zusammenhang muß man z. B. feststellen, daß die delegierte Kommission für wirtschaftliche Angelegenheiten alle 14 Tage zusammengetreten ist, wobei ihre Sitzungen m i t den ordentlichen Sitzungen des Ministerrates abwechselten, und zwar bis zur Bildung der Regierung vom J u l i 1973. Die anderen Kommissionen sind äußerst selten zusammengetreten. Der Ausschuß für Wissenschaftspolitik ist noch am häufigsten zusammengetreten, aber immer i n unregelmäßigen A b ständen. Die Lücke des Regierungsausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten, die praktisch zu einer zusätzlichen Sitzung des Ministerrates geworden war, sowohl i m Hinblick auf die Zahl ihrer Mitglieder als auch i m Hinblick auf den Inhalt ihrer Tagesordnung, wurde kürzlich durch die Vollversammlung der Minister gefüllt, die zur Vorbereitung derjenigen Sitzungen bestimmt sind, wo die Regierung ihre Entscheidungen trifft. Die delegierten Regierungsausschüsse, die logischerweise aus M i n i stern bestehen, führen häufig auf den nachgeordneten Ebenen zur B i l dung anderer interministerieller Ausschüsse permanenten Charakters, die als Arbeitsorgane bezeichnet werden und deren Hauptaufgabe i n der Vorbereitung von Entscheidungen besteht, und zwar i n Form der Vorlage von Vorschlägen, welche zu besagten Entscheidungen führen. Das gilt für den obersten Preisausschuß oder für den Einkommensund Preisausschuß, sowie auch für den interministeriellen Ausschuß der Pronvinzialpläne und zwar lange Jahre hindurch gegenüber der delegierten Regierungskommission für wirtschaftliche Angelegenheiten, oder für den Konsultationsausschuß für wissenschaftliche und technische Forschung gegenüber der delegierten Regierungskommission für Wissenschaftspolitik, oder auch für den interministeriellen Umweltausschuß gegenüber der delegierten Regierungskommission gleichen Namens. Es kommt häufig vor, daß diese Ausschüsse der zweitpolitischen Ebene ihrerseits Ausschüsse auf rein technischer Ebene bilden, die wiederum aus Beamten der verschiedenen Ministerien bestehen, wo dann die Probleme technisch untersucht werden, Informationen eingeholt oder A k t e n vervollständigt werden, die dann dem Ausschuß der politischen Ebene zugeleitet werden, welcher die Entscheidungsvorschläge zu unterbreiten hat. Das gilt z.B. für den oben besprochenen Fall der Provinzialpläne für öffentliche Arbeiten und Dienstleistungen lokalen Charakters, über welche die technische und finanzielle Hilfe
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des Staates an die lokalen Organe geleitet werden, wenn es um bestimmte öffentliche Arbeiten und Dienstleistungen geht. Die Ausschüsse von Untersekretären, die ebenfalls i m Gesetz über den juristischen Status der staatlichen Verwaltung vorgesehen sind, sind dazu bestimmt „gemeinsam Arbeiten durchzuführen, welche die Beratungen der Minister vorbereiten und Personalfragen oder andere Fragen administrativen Charakters lösen sollen, welche mehrere M i n i sterien interessieren". Das typischste und fast einzige Beispiel dieser letzten A r t ist der Ausschuß für die Koordinierung des Transportwesens, der aus den Untersekretären des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, der Luftfahrt und der Handelsflotte besteht und unter dem Vorsitz des Ministers für öffentliche Arbeiten funktioniert, der verantwortlich ist für den Landtransport. Der Rückgriff auf diese Ausschüsse w a r trotz ihrer juristisch anerkannten Position praktisch gleich null. Mehr noch, i m Falle des obenerwähnten obersten Personalausschusses war es meistens so, daß nicht die hauptamtlichen Mitglieder zu den Sitzungen erschienen, d. h. die Untersekretäre, sondern deren Vertreter — die technischen Generalsekretäre der Zivilministerien, die auf der unmittelbar nachgeordneten Ebene stehen. Was die Ausschüsse von Generaldirektoren betrifft, so haben sie i m Gegensatz zu den aus Ministern und Untersekretären bestehenden Ausschüssen keinen allgemeinen offiziellen Charakter i n der juristischen Organisation Spaniens, sondern i n der Praxis konstituieren sich auf dieser Ebene meistens die interministeriellen Ausschüsse. Das gemeinsame Merkmal aller dieser Ausschüsse besteht darin, daß sie Ausdruck eines vorherbestehenden Koordinierungsgedankens sind, also Leitlinien, Pläne oder allgemeine Bestimmungen ausarbeiten sollen, während diese ursrüngliche Konzeption i n der folgenden Phase der Ausführung und der Anwendung i n gefährlicher Weise verwässert wird. Es gibt interministerielle Ausschüsse, bei denen einige Mitglieder dem politischen Bereich angehören und die anderen hohe Beamte sind, die gerade wegen ihrer technischen Kompetenz i n diese Ausschüsse berufen wurden. A u f jeden Fall ist es i m letzten Falle nicht immer einfach, eine klare Trennungslinie zwischen der politischen und der technischen Ebene zu ziehen, denn bei verschiedenen Gelegenheiten (z.B. i m Fall des Ausschusses, der den nationalen Plan für die Provinzstraßen oder den nationalen Plan für die Elektrifizierung der ländlichen Gebiete ausarbeitet) entsprechen diese Ebenen jeweils den Tätigkeitsbereichen der Generaldirektoren und der stellvertretenden Generaldirektoren. Die erstgenannten werden durch Erlaß des Ministerrates
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und die letztgenannten durch eine Anordnung des zuständigen Ressortministers ernannt, aber i n beiden Fällen erfolgt die Ernennung völlig frei. Für die Ernennung des stellvertretenden Generaldirektors gibt es keinerlei theoretische Bindung, obwohl i n der Praxis diese Ernennung einem Beamten gelten muß. A u f der anderen Seite ist es üblich, obwohl diese Einschränkung bei der Ernennung eines Generaldirektors keine Rolle spielt, daß für bestimmte Posten Personen gewählt werden, die ganz bestimmten Beamtengruppen angehören, die eine ganz bestimmte technische Qualifikation aufweisen, unabhängig davon, ob diese Funktion noch ausgeübt w i r d oder nicht (das gilt für die obengenannten Fälle der Generaldirektoren für Straßenbau und Energiewesen). Was nun den mehr oder weniger starren Charakter der Kommissionen i n ihrer Zusammensetzung betrifft, so läßt sich hier kein allgemeiner Grundsatz aufstellen, sondern lediglich eine Tendenz feststellen zu einer festen Mitgliederzahl, ihre Ausweitung jedoch, sei es nun durch normative Vorausschau oder einfach auf Beschluß des Ausschusses selbst, ist keineswegs selten. Ebenso läßt sich keine allgemeingültige Aussage über die innere Struktur der Kommission machen. Logischerweise fehlen der Präsident und der Sekretär, die vom Ministerium selbst abhängig sind, niemals, aber die Errichtung eines starren Exekutivkomitees innerhalb der Kommission ist relativ häufig. 2. Durch ihre Dauer
Der Text des Erlasses vom 7. J u l i 1965 ermöglicht die Schaffung permanenter Kollegialorgane (für welche, wie bereits erwähnt, die Regeln des Erlasses nicht gelten) neben anderen m i t vorübergehendem Charakter. Die Entscheidungs- und Konsultationsfunktionen obliegen den permanenten Organen, während die letztgenannten für eine spezifische Aufgabe oder eine konkrete Arbeit von begrenzter Dauer zusammentreten. Was i n diesem Erlaß und i n der nachfolgenden sie ergänzenden A n ordnung von 1969 der Presidencia del Gobiarno noch unterstrichen werden sollte, ist die deutliche Absicht, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, u m das Verschwinden des zeitweiligen Ausschusses zu garantieren („eine Bestimmung festsetzen, die diesem Ausschuß formal ein Ende setzt", „ i m Register die Auflösung der Kommission vorsehen"), sobald die betreffende Aufgabe erfüllt ist oder die Frist für die Erfüllung der Aufgabe verstrichen ist.
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Derartige Vorsichtsmaßnahmen sollen vermeiden, daß wegen der traditionellerweise i n der Verwaltung bestehenden Schwierigkeiten, wenn es darum geht Organe wieder abzuschaffen, der gesamte Apparat der Kollegialorganisation zu sehr anschwillt, und zwar dank der Erhaltung der interministeriellen Ausschüsse, deren Hauptaufgabe oft lediglich darin besteht, ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. I n diesem Zusammenhang beweist die Erfahrung, daß die interministeriellen Ausschüsse der eigenen Auflösung einen äußerst starken Widerstand entgegensetzen. Und viele von ihnen, die offiziell noch nicht „gestorben" sind, befinden sich i n äußerst lethargischem Zustand. U m das verworrene Panorama dieser Ausschüsse etwas zu erhellen, hat die Presidencia del Gobiarno die Gewohnheit angenommen, periodisch Hinweise auf die Situation zu geben, jedoch nur mit teilweisem Erfolg. Obwohl sich rein theoretisch gesehen ein Unterschied machen läßt zwischen den Kollegialorganen und den interministeriellen Ausschüssen, hat diese Unterscheidung nicht viel Sinn, wenn sie nicht nuanciert wird. Man sollte also eher sagen, daß die interministeriellen Ausschüsse Kollegialorgane sind, die manchmal permanenten Charakter und i n anderen Fällen zeitweiligen Charakter haben. A u f jeden Fall jedoch haben die interministeriellen Ausschüsse als solche eine eindeutig koordinierende Aufgabe. Es geht nicht nur darum, i n ihrer Zusammensetzung aus Gründen der Repräsentation verschiedener Ministerien ein gewisses Gleichgewicht zu wahren, sondern auch darum, eine zusammenhängende Tätigkeit zu erreichen oder zu sichern, welche die Integration der Standpunkte verschiedener Ministerien zu repräsentieren i n der Lage ist, d. h. also eine echte Koordinierungsfunktion zu garantieren. Selbstverständlich ist die Unterscheidung zwischen diesen nicht als interministerielle Ausschüsse gekennzeichneten Kollegialorganen und letzteren natürlich schwieriger, wenn sie permanenten Charakter haben. Man kann w o h l davon ausgehen, daß die typischen interministeriellen Ausschüsse — i n Anbetracht der juristischen Organisation i n Spanien und der administrativen Praxis — diejenigen sind, die zeitweiligen Charakter haben. Dennoch läßt sich allgemein die Behauptung aufstellen, daß die permanenten Ausschüsse das größte Gewicht i n der öffentlichen spanischen Verwaltung haben und am wirksamsten funktionieren. Die oben angedeutete Perspektive, aufgrund deren ein Organ interministerieller Zusammensetzung als Kollegialorgan betrachtet werden kann, das i n die normale Struktur der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist, oder als ein Ausschuß m i t Koordinierungsfunktionen, eröffnet neue Perspektiven administrativer Realität. Oft ergibt sich eine
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Entwicklung der bestehenden Organe, die zunächst für eine konjunkturbedingte Aufgabe geschaffen werden und sich später als permanente Strukturen konsolidieren: das gilt z.B. für den interministeriellen Umweltausschuß, der i m wesentlichen für die Koordinierung der Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung auf diesem Gebiet geschaffen wurde und schließlich zur Schaffung einer neuen interministeriellen Kommission und zu einer delegierten Regierungskommission geführt hat. Es wäre keineswegs überraschend, wenn dieses Thema (der U m weltschutz) i n Zukunft zu einer ganz normalen Ministerialstruktur führen würde. Etwas ähnliches hat sich m i t dem Büro für wirtschaftliche Koordinierung und Programmierung (OCYPE) ereignet. Es wurde 1957 geschaffen und stellte sozusagen den K e i m des Plankommissariats für Entwicklung dar (des heutigen Planimgsministeriums). Nach der Schaffung des Plankommissariats jedoch hat der Vorstand des OCYPE weiterhin eine wesentliche Rolle auf dem Gebiet ausländischer Kapitalinvestitionen gespielt. Aufgrund seines interministeriellen Charakters konnte es verschiedene Aufgaben gleichzeitig erfüllen (Schutz der Industrie, Devisenpolitik, Sozialpolitik usw.) und die Entscheidungen vorbereiten, welche die delegierte Regierungskommission für w i r t schaftliche Angelegenheiten treffen mußte. 3. Durdi ihre Funktionen Jeder Klassifizierungsversuch der interministeriellen Ausschüsse entsprechend dem Charakter ihrer Funktionen erweist sich wegen der ausgeprägten Heterogenität, die man ihnen normalerweise zuschreibt, als äußerst schwierig, vor allem wenn sie permanenten Charakters sind. I n diesen Fällen kumulieren sie sozusagen Funktionen verschiedensten Charakters, wie z. B. Studien, Berichte, Vorschläge, die Zustimmung zu Plänen und sogar die direkte Verwaltung von Dienststellen, a l l das unter dem Zeichen der Koordinierung. Als Beispiel für einen derart heterogenen Aufgabenbereich wäre der zentrale Ausschuß für K r a n kenhauskoordinierung zu nennen, oder auch die Koordinierungsjunta für Verwaltungsgebäude. Die Situation der öffentlichen spanischen Verwaltung veranlaßt uns zu der Feststellung, daß z. Z. folgende interministerielle Koordinierungsorgane bestehen: — Organe rein konsultativen Charakters (die konsultative Junta für den Abschluß von VerwaltungsVerträgen), — Organe für die Formulierung von Empfehlungen und Vorschlägen (der Nationale Ausschuß für die Verhütung von Verbrechen),
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— Organe, die an der Leitung großer autonomer Organe teilnehmen (z. B. an den Vorständen des Instituts für Landwirtschaftsreform und Entwicklung, des Instituts für die Erhaltung der Natur oder des Institutes für die Reform der kommerziellen Strukturen), — Organe für die Verwaltung bestimmter Programme (Airbus, Interministerieller Ausschuß für das Wohlergehen der Kinder und die soziale Wohlfahrt), — Organe für die Zusammenarbeit m i t internationalen Organen (Staatlicher Ausschuß für Geologie oder für die Zusammenarbeit m i t der UNESCO), — für die Verwaltung ganz bestimmter Dienststellen (Ausschuß für Planung und Koordinierung des Stadtgebietes u m Madrid), — Organe für die Koordinierung verschiedener ministerieller Dienststellen (Interministerieller Ausschuß für Datenverarbeitung und administrative Informationen), — für die Formulierung der konkreten Vorschläge über Problembereiche, die von der K o n j u n k t u r abhängig oder nicht (Oberste Junta für Preise und Oberster Personalausschuß und, i n geringerem Maße, die Zentrale Junta für Lohnfragen), — Organe für die Verteilung von Haushaltsmitteln (Interministerieller Ausschuß für Provinzialpläne, Beratender Ausschuß für wissenschaftliche und technische Forschung). I V . Kommentare zum tatsächlichen Funktionieren der interministeriellen Ausschüsse U m das Funktionieren der interministeriellen Ausschüsse zu beurteilen, muß man ihren zeitweiligen oder permanenten Charakter ins Auge fassen und sich fragen, ob sie eine periodische A k t i o n erforderlich machen und ob diese A k t i o n sich darin äußert, daß der betreffende Ausschuß konsultiert wird, oder daß er Vorschläge unterbreitet. Wenn w i r m i t den Ausschüssen auf höchster politischer Ebene beginnen, nämlich m i t den sog. delegierten Regierungsausschüssen (Commissions déléguées du Gouvernement) und dabei auch den Nationalen Verteidigungsausschuß m i t eindeutigen Koordinierungsfunktionen für die drei Waffengattungen einbeziehen, dann müssen w i r feststellen, daß die eindeutige Konsolidierung eines dieser Ausschüsse über viele Jahre hinweg — und zwar des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten — sich aus allgemein politischen Erwägungen ergeben hat, nämlich aus dem Anliegen, die verschiedenen Auswirkungen einer i n die Politik der Entwicklungspläne eingebetteten Volkswirtschaft aus der Nähe zu beobachten, daneben aber auch aus persönlichen Fakto-
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ren: der Schlüsselposition des Plankommissars für Entwicklung beim Ministro de la Presidencia del Gobiarno. Der periodische Charakter dieser Sitzungen, die 14-tägig stattfanden, hat ebenfalls dazu beigetragen. Der Ausschuß für nationale Verteidigung hat sich ebenfalls konsolidiert, aus ganz eindeutigen Gründen, obwohl seine Sitzungen keine sehr regelmäßige Periodizität aufweisen. Die anderen delegierten Ausschüsse haben kaum funktioniert. Deshalb bleibt ihre koordinierende Wirkung auch infrage gestellt. Der Ministerrat selbst übernimmt die eigentlichen Koordinierungsfunktionen und legt die jeweilige Politik fest. A u f dem Gebiet der Zivilverwaltung gibt es i m wesentlichen zwei Ministerien, die eine wesentlichere koordinierende Rolle spielen, entweder auf direktem Wege oder aufgrund ihrer Vorherrschaft i n den entsprechenden interministeriellen Ausschüssen. Und zwar geht es hier um die Presidencia del Gobiarno und u m das Finanzministerium. Die moralische Autorität der Presidencia del Gobiarno w i r d u m so leichter akzeptiert, je schwächer die strukturelle Beschaffenheit und die Investitionskapazität der i m Ausschuß vertretenen Ministerien sind. Ministerien wie das Finanzministerium, das Ministerium für öffentliche Arbeiten oder das Arbeitsministerium setzen dieser ausgeprägten Koordinierungsfunktion der Presidencia mehr Widerstand entgegen. I n der Praxis ist es nicht selten, daß man sich bemüht, die Presidencia del Gobiarno als „einen Allierten gegen das Finanzminister i u m " zu bekommen (das gilt für die Ausschüsse, welche die Umstrukturierung eines Ministeriums vorschlagen, die oft haushaltspolitische Auswirkungen hat, d. h. zu einer Erhöhung der öffentlichen Ausgaben führt). Häufig n i m m t die Presidencia auch als Schiedsrichter an interministeriellen Ausschüssen t e i l für den Fall von Spannungen, die zwischen verschiedenen Organen institutionellen oder einfach professionellen Charakters auftreten können (das Ingenieurkorps zum Beispiel, welches von verschiedenen Ministerien abhängt). I n deratigen Zusammenhängen w i r d auf die entscheidende Rolle der Presidencia del Gobiarno oft als auf eine Lösungsmöglichkeit i n neutralem Sinne zurückgegriffen. So konnte z. B. der erste interministerielle Umweltausschuß, der ursprünglich auf Initiative des Wohnungsbauministeriums ins Leben gerufen worden war, erst Erfolg haben, als die Presidencia eine Schiedsrichterrolle übernahm und gleichzeitig die Posten des Präsidenten und des Sekretärs. Aus ähnlichen Gründen w i r d es auch schwierig sein, die Koordinierungs- und Schiedsrichterfunktionen, sowie die Aufgabe des Interso Speyer 57
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essenausgleichs, die sich alle unweigerlich aus der Ausarbeitung eines Entwicklungsplanes ergeben, durch den Minister für Entwicklungsplanung ausführen zu lassen, der das Planungskommissariat ersetzt hat, das seit seiner Schaffung an die Presidencia del Gobiarno gebunden war und jahrelang von einem Minister ohne Geschäftsbereich geleitet wurde. Die Wirksamkeit der Koordinierungsfunktion der Presidencia del Gobiarno hängt davon ab, inwieweit ihre moralische Autorität akzeptiert wird. Es leuchtet ein, daß der Grad der Wirksamkeit sehr verschieden sein kann und vom jeweiligen Ziel des Ausschusses abhängt. I m allgemeinen haben die Ausschüsse, deren Ziel i n der Ausarbeitung einer juristischen Bestimmung besteht — eines Gesetzesentwurfs oder einer Verordnungsvorlage —, oder auch i n der Vorlage von Empfehlungen, gute Resultate gezeitigt. Relativ häufig beschränkt sich die Rolle der Presidencia del Gobiarno darauf, das Register der Ausschüsse zu kontrollieren, ihre Tätigkeit zu überwachen, an die für die Durchführung ihrer Aufgaben festgesetzten Fristen zu erinnern — die i m allgemeinen überschritten werden —, wobei Vorsitz und Sekretariat i n den Händen des M i n i steriums liegen, das an der betreffenden Sache am direktesten interessiert ist. U m die Wirksamkeit der interministeriellen Ausschüsse zu stärken, sollte die Presidencia del Gobiarno ausreichende bürokratische Elemente festsetzen, u m i h r Funktionieren zu sichern und u m auf jeden Fall den Präsidenten ernennen und die für das Sekretariat erforderlichen Personalkräfte stellen zu können. Obwohl all dies selbstverständlich erscheint, ist es dennoch so, daß der Effektivitätsgrad i n der koordinierenden Tätigkeit der unter der Presidencia del Gobiarno stehenden interministeriellen Ausschüsse steigt, wenn ihre moralische Autorität durch die finanzielle Autorität unterstützt wird, welche sich aus der Verwaltung eigener Haushaltsmittel ergeben. Das eindeutigste Beispiel dafür ist der interministerielle Ausschuß der Provinzialpläne, der bis vor wenigen Monaten von der Presidencia del Gobiarno abhing und jetzt zum Innenministerium gehört. Das System der Pronvinzialpläne bringt es m i t sich, daß die Zentralverwaltung bestimmte Arbeiten und Dienstleistungen m i t überwiegend lokalem Charakter teilweise finanziert. Die Kommission verwendet i m wesentlichen zwei Koordinierungsinstrumente: einmal den Plan und zum anderen die Subvention. Zur Erstellung des Plans werden Leitlinien ausgearbeitet, die eingehalten werden müssen — je nach Fall i n mehr oder weniger detaillierter Form —, u m das betreffende Vorhaben i n das System einzugliedern. Die staatliche Verwaltung gibt
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eine Teilsubvention, die durch lokale Zuschüsse ergänzt wird, die ihrerseits direkt aus den normalen Finanzierungsquellen der Gebietskörperschaften kommen können, oder auch von öffentlichen Kreditinstituten (lokale Kreditbank). Die Verwendung der staatlichen Subvention hat es ermöglicht, einen wesentlichen multiplikatorischen Effekt zu erzielen und war außerdem, i m Rahmen unseres Themas, ein wesentliches Instrument für die Konzentration der verschiedenen Investitionsmittel von Ministerien und örtlichen Behörden, entsprechend den sektoriellen und geographischen Prioritäten. A u f diese Weise und dank dem Zusammenwirken der moralischen Autorität, der sich aus dem Plan ergebenden technischen Kompetenz und des finanziellen Drucks war es möglich, m i t der erforderlichen Elastizität eine rationale Politik beim Bau von Krankenhäusern, Sportzentren, Schlachthöfen, Märkten usw. zu verfolgen, denn die Bauplätze für alle diese Anlagen wurden vorher ausgewählt und haben dann von gezielt eingesetzten Investitionen profitiert, so daß sie auch die erforderliche städtebauliche I n frastruktur und eine wesentliche Verbesserung ihrer Zufahrtswege erlangen konnten. Es handelt sich hier u m eine Raumordnungspolitik, die gestaffelte Aktionen i n den Bevölkerungszentren der traditionellen ländlichen Welt erforderlich macht, wo man Dienststellen und I n frastrukturen errichten w i l l , diejenigen der städtischen Wohngebiete entsprechen. Aus vorstehenden Überlegungen geht die wirkungsvolle Koordinierungstätigkeit des Finanzministeriums deutlich hervor. Es handelt sich hier u m eine i n gewisser Weise schöpferische Koordinierung, der nur der Ministerrat auf höchster Ebene widersprechen kann. Als Beispiel für die obengenannten Spannungen ließe sich vielleicht der oberste Personalausschuß nennen. Als Bestandteil der Presidencia del Gobiarno hat er konsultative Funktionen und auch ein Vorschlagsrecht mit allgemeiner Kompetenz. Das Finanzministerium dagegen hat auf dem Gebiet der Lohnpolitik eine spezifische Kompetenz und ist außerdem allgemein zuständig für das wirtschaftliche System des öffentlichen Dienstes. U n d auf letztgenanntem Gebiet ergeben sich die stärksten Spannungen, denn es ist einleuchtend, daß die Meinung der Mehrheit der Mitglieder des obersten Personalausschusses durch den Minderheitsstandpunkt des Vertreters vom Finanzministerium gebremst w i r d : er ist es ja, der den Vorschlag an den Ministerrat weiterleitet, und die Stellungnahme des Ausschusses hat lediglich informativen Wert, oder stellt den Standpunkt einer Interessengruppe dar. E i n anderes Hindernis für die Wirksamkeit der Ausschüsse ist das unzureichende Mandat der Vertreter, die i h n bilden. Die Mehrheitsbeschlüsse müssen bei bestimmten Gelegenheiten die Zustimmung oder 30*
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das Veto — u m realistisch zu sein — des Finanzministeriums einholen oder, i n anderen Fällen, des geldgebenden Ministeriums, entweder dann, wenn der Beschluß haushaltspolitische Folgen haben kann — selbst wenn es sich nur u m einen Vorschlag handelt —, oder, wenn die Meinung des durch den Vorschlag tangierten Ministeriums, desjenigen nämlich, das nachgeben muß, i m Ausschuß i n der Minderheit ist. A u f diese Weise w i r d zwar formal gesehen der Beschluß des übergeordneten politischen Organs respektiert, nämlich des Ministerrates, dessen Initiative ja zur Schaffung des Ausschusses geführt hat, aber i n der Praxis w i r d die Entscheidung aufgeschoben, es w i r d Zeit gewonnen und die privilegierte Position beibehalten, die infolge der Arbeitsergebnisse des Ausschusses an sich verändert werden könnte. Trotz dieser Schwierigkeiten bringen diese Ausschüsse oft die A n knüpfung von Beziehungen zwischen den Beamten der verschiedenen Ministerien m i t sich. A u f diese Weise ergibt sich eine gewisse praktische Spezialisierung bei den an den interministeriellen Ausschüssen teilnehmenden Beamten. Diese persönlichen Beziehungen, die auf struktureller Ebene schwer erfaßbar sind, spielen eine wesentliche Rolle bei der Lösung von Problemen, welche das Funktionieren des Verwaltunesapparates blockieren. Wahrscheinlich äußert sich i n den Ausschüssen, die den Entwicklungsplan vorbereiten dieser Teamgeist am deutlichsten. Man kann davon ausgehen, daß die hohen Beamten, die Spezialisten und ihre Kollegen aus dem privaten Bereich die eigentlichen Pioniere des Plans sind, der dann ohne Schwierigkeiten als der große Rahmen für wesentliche Entscheidungen inklusive der gesamten dazugehörigen Literat u r akzeptiert wird. Aber dieses ganze Thema der Koordinationskraft des Planes, wie auch derjenigen des Budgets gehen über den Rahmen dieses Berichtes hinaus. Insgesamt betrachtet sind die interministeriellen Ausschüsse trotz gelegentlichen Mißbrauchs und trotz der Heterogenität ihrer Zusammensetzung und ihrer Ziele sehr oft ein ständig verfügbares Instrument des Dialogs, oder auch ein M i t t e l zur Vorbereitung von Entscheidungen, die auf höherer Ebene getroffen werden müssen. U m die Wirksamkeit der Ausschüsse zu sichern, ist es unerläßlich, ihnen die angemessene finanzielle Unterstützung zuzusagen, neben der bürokratischen Unterstützung und der moralischen Autorität von Seiten des Organs, das die Verantwortung für die Koordinierung übernimmt. Häufig jedoch sind die Koordinierungsausschüsse auch ein Vorwand, die zu einer Neuverteilung der Kompetenzen führen könnte. Man könnte auf zahlreiche interministerielle Ausschüsse verzichten, was
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wiederum Spannungen vermeiden helfen würde, und rationalere Verteilung der Zuständigkeiten, die den führten und den zu erwartenden Veränderungen i n besser Rechnung tragen würden, i n der die öffentliche und der sie i n letzter Konsequenz dienen sollte.
zwar durch eine bereits durchgeder Gesellschaft Verwaltung lebt
Diskussionsbeitrag von Nevil Johnson Koordination ist ein schwer greifbares Thema: das Konzept selbst entzieht sich der präzisen Definition, während die Instrumente der Koordination selten scharfe Konturen aufweisen. Diese Schwierigkeit ist jedoch leicht verständlich, denn Koordination auf der Ebene der Regierungspolitik bedeutet ein langwieriger Prozeß des Zusammenschiebens und -bindens von meist sich sträubenden Kräften, die sowohl wegen Unterschieden i n den gegebenen Zielsetzungen wie unter dem Einfluß konkurrierender Organisationsinteressen ständig auseinanderzugehen drohen. Von einer Analyse des Begriffes „Koordination" w i r d aber i n diesem kurzen Diskussionsbeitrag abgesehen; ich möchte nur unterstreichen, daß w i r es m i t einer A k t i v i t ä t zu t u n haben, die ihrer Natur nach weder von der Organisationstheorie noch auf der Organisationskartei festgenagelt werden kann. Ferner ist es zu betonen, Koordinationsinstrumente stehen häufig sozusagen auf einer Grenze zwischen Ohnmacht und Selbständigkeit als neue Entscheidungsinstanzen. Sind sie auf reine Koordination, auf das Warten auf einen Kompromiß unter streitenden Interessen beschränkt, so sind sie kaum mehr als eine täuschende Geste der Kooperationsbereitschaft unter den Beteiligten; haben sie jedoch die Möglichkeit, gemeinsame Zielsetzungen unverzüglich herbeizuführen, so verwandeln sie sich leicht i n neue Einheiten des administrativen Körpers, die die Zuständigkeiten der Koordinierten auszuhöhlen und allmählich ihre eigenen Selbstzwecke bilden zu drohen. Die Problematik der Koordination werde ich aber nicht weiter verfolgen. I n den wenigen Minuten, die m i r zur Verfügung stehen, möchte ich einige konkrete Aspekte der Anwendung von Koordinationsausschüssen auf der Ebene der Regierungspolitik i n Großbritannien behandeln. I n erster Linie sind drei Punkte von erheblicher Bedeutung. Erstens, die Konzentration der ministeriellen Koordinationsausschüsse i m Rahmen der Kabinettsorganisation; zweitens, das Fehlen einer durchgehenden formellen Struktur von Koordinationsgremien auf der Ebene der führenden Beamten; und drittens, der Versuch, den Koordinationsbedarf selbst zu reduzieren, indem ministerielle Zuständigkeiten zusammengebündelt werden, i n der Hoffnung, mehr Probleme als
Diskussionsbeitrag:
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zuvor innerhalb der größeren Ressorts lösen zu können. I n anderen Worten, das Koordinationsproblem w i r d gewissermaßen i n die Ressorts verlagert. Die Koordination der Regierungspolitik durch das Heranziehen von Ministern zu Kabinettausschüssen ist schon i m Laufe des Zweiten Weltkrieges fest etabliert worden. Auch früher gab es solche Ausschüsse, obwohl man damals von keinem System der Kabinettsausschüssen reden konnte. I n den vergangenen dreißig Jahren sind jedoch Kabinettsausschüsse zu den wichtigsten Instrumenten der Koordination auf der politischen Ebene geworden. Eine detaillierte Beschreibung der Ausschußstruktur i m Rahmen des Kabinetts ist leider unmöglich: sie w i r d als interne Angelegenheit des Kabinetts betrachtet und darüber w i r d zum größten Teil geschwiegen. Nichtsdestoweniger sind die Grundzüge des Systems klar. Man kann zwischen ständigen, funktionellen Ausschüssen und vorübergehenden ad hoc Gremien unterscheiden. Heutzutage rechnet man damit, daß jeder Premierminister Kabinettsausschüsse für Verteidigung, Wirtschaftsfragen, Inneres und Sozialpolitik und das Gesetzgebungsprogramm der Regierung errichtet. Möglicherweise beanspruchen andere Gebiete Ministerausschüsse, die für die Amtszeit einer Regierung tätig sind und auf diese Weise einen quasipermanenten Status erwerben. Den mehr oder weniger ständigen Ausschüssen gehören selbstverständlich die betreffenden Ressortminister, außerdem der Finanzminister sowie einige der üblichen Sonderminister ohne Ressort an. I n einigen Fällen führt der Premierminister den Vorsitz (zum Beispiel i m Verteidigungsausschuß), i n anderen aber ein anderer führender Minister. Diese Hauptausschüsse sind als Instrumente der Koordination von politischen Entscheidungen für die Kabinettsmitglieder zu betrachten: hier werden nicht nur Kompromisse zwischen den Ressortchefs geschlossen, sondern das Kabinett selbst w i r d entlastet, indem solche Ausschüsse soweit wie möglich Entscheidungsinstanzen sind. Neben den ständigen Ausschüssen des Kabinetts gibt es eine stattliche Reihe von ministeriellen Ausschüssen, die i m allgemeinen für bestimmte Probleme bzw. Gebiete der Regierungstätigkeit eingesetzt werden. Man kann m i t mindestens vierzig solcher Gremien rechnen, die Zahl kann auch viel höher sein. Diese ad hoc Ausschüsse sind sehr verschiedenartig: viele sind i m Grunde Fachgremien, durch die Minister außerhalb des Kabinetts an die Koordination herangezogen werden, einige sind als M i t t e l des Krisenmanagements zu betrachten und haben deswegen große politische Bedeutung. I m letzteren Falle ist es durchaus üblich, daß der Premierminister eine führende Rolle spielt; er kann auch völlig informelle Ministergruppen bilden, die sich der festen Organisation des Kabinetts fast entziehen. Wie die Hauptausschüsse sind
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
die ad hoc Gremien auch Entscheidungsinstanzen, obwohl sie verständlicherweise oft ihre Entschlüsse von einem ständigen Ausschuß oder vom Kabinett selbst bestätigen lassen müssen. Soweit die Struktur i n groben Umrissen. Die folgenden Aspekte sind zu betonen. Der Ermessensspielraum des Premierministers i n bezug auf die Zusammenstellung von Kabinettsausschüssen ist groß: der Eine neigt zu einer festen Ausschußstruktur und möchte soweit wie möglich die Koordination der Regierungsvorhaben unter der Ebene des Kabinetts erledigt sehen; der Andere fühlt sich durch eine stramme Organisation isoliert und sieht i n einer labilen Struktur eher politische Vorteile. Aus diesen Gründen ergeben sich Stilunterschiede, die die Beurteilung der Beziehungen zwischen dem Premierminister und seinen Kollegen sowie die Effektivität des Systems erheblich erschweren. Zweitens, sämtliche Kabinttsausschüsse werden von dem Sekretariat des Kabinettsamtes bedient. Diese Organisation hat sich ständig vergrößert und zählt heute über fünfzig Beamte des höheren Dienstes, deren Hauptaufgabe i n der Vorbereitung der Ausschußsitzungen und i n der Verfolgung ihrer Entscheidungen besteht. Hier ist eigentlich der Motor der Koordination auf der Ebene der Kabinetts und seiner Ausschüsse. Der Tradition nach enthielt sich das Kabinettsamt von einer aktiven Rolle bei der Vorbereitung von Ausschußentscheidungen: es betrachtete sich mehr als der Makler, der die nötigen Denkschriften von den Ressorts versorgte, damit die Minister dann gut ausgerüstet ihre Entscheidungen treffen konnten. Diese Rolle dauert an, aber zugleich hat sie sich i n den letzten Jahren erheblich erweitert, indem die Durchführung von mehreren Vorhaben besonderen Kabinettsausschüssen anvertraut wurde, so zum Beispiel die EWG-Verhandlungen 1961 - 63 und wiederu m 1967 - 72. Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß das Kabinettsamt eine viel aktivere Rolle bei der Unterstützung der Kabinettsausschüsse spielen muß, was auch sein Gewicht den Ressorts gegenüber verstärkt. Noch dazu kommt die Tatsache, daß das Statistische A m t i n der Kabinettsorganisation eingegliedert ist ebenso wie das 1970 errichtete Central Policy Review Staff. Demzufolge darf man das Kabinettsamt nicht mehr als lediglich ein Sekretariat betrachten: allmählich gewinnt es die Züge einer „Cabinet and Prime Minister's Staff Organisation". Drittens, i n der Kabinettsorganisation erscheint eine klare Trennung zwischen Politikern und Beamten, die das englische Regierungssystem schlechthin kennzeichnet. I n der Regel nahmen nur M i n i ster an Kabinetts- oder Kabinettsausschußsitzungen teil: i n Ausnahmefällen w i r d ein hoher Beamter herangezogen, aber vorläufig ändern solche Fälle nichts an der traditionellen Trennung zwischen den politischen und administrativen Stufen des Regierungssystems. Die Tatsache,
Diskussionsbeitrag:
.
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daß es auch Kabinettsausschüsse gibt, die allein von Beamten der beteiligten Ressorts besetzt sind, unterstreicht diese Trennung: solche Ausschüsse sind vorbereitende Instrumente zur Unterstützung von M i n i stergruppen. Die Entwicklung des Kabinetts als Schlüsselpunkt der interministeriellen Koordination hängt m i t der Entpolitisierung des Beamtentums zusammen. Die einzigen Minister i n ihren Ressorts sind eingermaßen isoliert: politische Unterstützung können sie nur von ihren Amtskollegen erhoffen. Daher die Neigung zur kollektiven Entscheidungen i n ministeriellen Gruppen auf der Ebene des Kabinetts. Dazu kommt die Aufblähung der staatlichen Aufgaben, die zwangsweise die Interdependenz unter den Politikern gefördert, und zugleich die Bedeutung einer engeren Mitarbeit i n Kabinettsgremien als Kontrollmöglichkeit einer mächtigen, politisch neutralen Bürokratie gegenüber herausgehoben hat. Über die Effektivität dieses Systems werde ich nur eine Bemerkung machen. Ohne Zweifel führt es eine enge, obwohl nicht immer friedliche, Kooperation unter Ministern herbei. Die Stärke des Systems liegt i n der schlichtenden Koordination, der Ausräumung von festen Positionen, und i n der Erledigung der laufenden Geschäfte einer Regierung. Die Schwäche liegt darin, daß auf dieser Ebene die Formulierung der Politik und ihre kritische Überprüfung meistens zu kurz kommt, zum Teil wegen der einfachen Tatsache, daß die M i t t e l dafür überwiegend i n den Ressorts zu finden sind. Man kann jedoch bezweifeln, daß dieses Problem je zu überwinden ist: wenn Ministergremien tagen, wollen sie selten diskutieren, sich informieren und reflektieren. I h r Sinn liegt eben i n ihrer Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese öfters keine Guten sind. Zunächst einige Bemerkungen zu dem zweiten Punkt, die Koordinatonsmittel auf der Ebene der höchsten Beamten. I m Grunde kann man nicht von einer formellen Struktur sprechen. Selbstverständlich bestehen viele Koordinationsgremien interministerieller A r t . Dabei handelt es sich aber i n der Regel u m Arbeitsgruppen weit unter den Ressortspitzen, die für die Durchführung der täglichen Verwaltungsgeschäfte notwendig sind. Die Verwaltungsspitze i n den Ressorts sieht sich aber i n einer vertikalen Beziehung zu den Ressortsministern, die horizontale Beziehungen m i t den Spitzen anderer Ressorts keineswegs ausschließt, läßt sie aber nur i m geringen Maße als zweckmäßig erscheinen. Denn letzten Endes weiß die Verwaltungsspitze, daß die bedeutendsten Dinge, vorausgesetzt, daß sie die Interessen anderer Ressorts berühren, eben durch die Mühle des Kabinettssystems gedreht werden müssen. Eine zu enge koordinierende Zusammenarbeit unter den führenden Beamten der Ressorts könnte leicht dazu führen, daß ihre Minister sich als überrollt oder sogar als überflüssig empfinden
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
würden. Es ist auch zu bemerken, daß das Fehlen von „cabinets" französischer A r t dazu beiträgt, daß die Koordinierungsaufgaben auf die Ebene des Kabinetts verlagert werden. Nichtsdestoweniger darf man nicht übersehen, daß wichtige Koordinierungsinstrumente auf der höchsten Stufe der Verwaltung vorhanden sind. Die permanenten Staatssekretäre kommen regelmäßig zusammen, wobei freilich eher personelle und organisatorische Fragen behandelt werden als Probleme der Regierungspolitik; i m Bereich der Verteidigung und der Außenpolitik spielen Beamtenausschüsse eine wichtige Rolle bei der Formulierung der politischen Richtlinien; und vor allem muß man das Public Expenditure Survey Committee und das Programme Analysis Review Committee (beide unter dem Vorsitz eines Beamten aus dem Finanzministerium) erwähnen. Diese zwei Gremien heben die Stärke des Treasury als Koordinierungsinstrument hervor, denn beide sind i m Grunde Schlüsselelemente i n dem System der Finanzplanung und der Ausgabenkontrolle, wodurch das Finanzministerium die Ressortvorhaben zusammenbringt, u m die Basis für ministerielle Entscheidungen i m Kabinettsrahmen zustandezubringen. Ich wende mich zuletzt an den dritten Punkt, nämlich die Folgen der neuerlichen Zusammenfügung von bisher getrennten Regierungsaufgaben i n sehr großen Ressorts, eine Tendenz, die übrigens schon i m bescheidenem Maße rückgängig gemacht worden ist. Nichtsdestoweniger bleibt die Zahl der Ressorts niedriger als früher, der Umfang von mehreren viel breiter, und sämtliche Ressortchefs gehören dem Kabinett an. Noch dazu kommt die Entstehung einer Schicht von Ministern, die i n größerer Unabhängigkeit bestimmte Teile der großen Ressorts verwalten und eben dadurch i n der Lage sind, eine bedeutende Rolle i n den Kabinettsausschüssen zu spielen. Diese Verschiebungen i n der A u f teilung der ministeriellen Befugnisse und der Ressortsaufgaben, die innerhalb der vergangenen zehn Jahre zustande gekommen sind, sollten nach den Meinungen ihrer Urheber unter anderem die Last der Koordination verringern. Wenn die Zahl der Ressortsgrenzen reduziert werden könnte, so sollte man auch die Zahl der ressortsüberschreitenden Koordinationsinstrumente herabsetzen können. Es wurde außerdem behauptet, daß eine funktionsgerechte Verteilung der Ressortaufgaben nach großen zusammenhängenden Gebieten eine verbesserte Ausarbeitung der Politik, bzw. des „policy-making" ermöglichen würde. Ob diese Vorteile erzielt worden sind, läßt sich mangels empirischer Daten nicht feststellen. Die Vermutung liegt nahe, daß die sehr großen Ressorts auch erhebliche interne Koordinierungskosten m i t sich bringen, vor allem wegen des sehr komplexen und schwerfälligen Verwaltungsaufbaues, den sie offensichtlich benötigen. Man kann m i t gewisser Vor-
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
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sieht zwei Schlüsse aus dieser Erfahrung ziehen. Soweit es die Koordinierung auf Beamtenebene und über Ressortsgrenzen betrifft, hat sicher eine Verlagerung zugunsten von ressortsinternen Ausschüssen, A r beitsgruppen policy teams usw. stattgefunden, zum Beispiel i m Falle des Department of the Environment, dessen Aufgabengebiete Raumordnung, Wohnungsbau, Verkehrswesen, Wasserversorgung, Umweltschutz und die Beaufsichtigung des Kommunalwesens einschließen. Ob jedoch die Ergebnisse erheblich besser sind als früher, läßt sich nicht feststellen: welche Maßstäbe würden eine solche Beurteilung von dem Erfolg — oder Mißerfolg — dieser Strukturänderung erlauben? Zweitens, gibt es kein Anzeichen dafür, daß die Errichtung von wenigen großen Ressorts die Koordinierungsaufgaben auf der politischen Ebene des Kabinetts und seiner Ausschüsse wesentlich zurückgeschnitten hat. Die Gründe dafür sind vielerlei. Auch die Vorhaben von großen Ressorts berühren die Interessen von anderen Ministern; die finanziellen Folgen bedürfen nicht nur der Zusammenarbeit m i t dem Finanzministerium, sondern die Zustimmung anderer Ressorts, die u m ihre eigenen Ansprüche bangen; vor allem darf man nicht vergessen, daß das Interesse der Politiker nicht so sehr auf „policy-formulation" und „policyco-ordination" gerichtet ist, sondern sich eben auf Abstimmungen i n den Fragen der politischen Zweckmäßigkeit konzentriert, die bei fast jeder vorgeschlagenen Maßnahme auftauchen. Die Beurteilung solcher Fragen ist immer die Hauptaufgabe der Kabinettsausschüsse gewesen, sowie des Kabinetts selbst. Hier holt sich der eine Minister die Unterstützung eines anderen, deckt sich den Rücken und kämpft nötigenfalls u m ein für i h n und sein Ressort politisch bedeutendes Vorhaben. Nichts deutet darauf hin, daß die Rolle der Kabinettssysteme gerade i n bezug auf diese politische Koordination innerhalb einer vielgefächerten Regierungsmannschaft durch die organisatorischen Experimente der letzten Jahre hinsichtlich der Verteilung der Funktionen erheblich verändert worden ist.
Diskussionsbeitrag von P. W. Kottman I. Einführung I n diesem Beitrag werden w i r eine Untersuchung der interministeriellen Koordination der Politik i n den Niederlanden kurz umreißen.
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
Diese Untersuchung w i r d zur Zeit vom Institut für öffentliche Verwaltung der Universität Amsterdam durchgeführt 1 . Der Verfasser hofft, daß der Austausch von Forschungsentwürfen, Erfahrungen und Resulaten auf internationaler Ebene das Entstehen fruchtbarer Kooperation auf dem Gebiet der Koordination der Politik, auf dem bisher nur wenig Forschungen durchgeführt wurden, fördern wird. I I . Das Forschungsziel Das Forschungsvorhaben beabsichtigt, einen Beitrag zur Theoriebildung über die Koordination von Politik auf der höchsten Ebene einer zentralen Regierung zu leisten. Koordination kann als „ein Interaktionsprozeß zwischen führenden Politikern i m Hinblick auf ein politisches Ziel m i t der Absicht, gegenseitige Anpassung an die Politik einzelner Politiker zu erzielen", verstanden werden. Der Ausgangspunkt dieses Forschungsprojektes i n den Niederlanden ist das „Kommittee für interministerielle Koordination der Politik auf höchster Ebene" (KIK) 2 , das unter den folgenden Bedingungen operiert: I n den Niederlanden hat das zentrale Regierungssystem eine Strukt u r streng voneinander getrennter, vertikaler Organisationen: die M i nisterien. Die Ministerien genießen hinsichtlich ihrer Politik ein großes Ausmaß an Autonomie. Eine Koordination der Politik unter den M i n i sterien w i r d von dieser Autonomie und der traditionellen Regel, daß ein Minister sich nie i n die Politik seiner Kollegen einmischt, stark behindert. A u f höchster politischer Ebene ist das Kabinett das einigende Element. I n gegenseitiger Konsultation fällt das Kabinett formal die Entscheidungen, die insgesamt die Politik der Regierung bilden. 1971 legte ein Regierungsausschuß einen Bericht über die Koordination unter den Ministerien vor, seine wichtigsten Empfehlungen waren die folgenden: 1. die Anzahl der ständigen Kabinettsausschüsse zu erhöhen. Aufgabe dieser Ausschüsse ist es, i n kleinen Arbeitsgruppen aus verschiedenen Ministern die politischen Angelegenheiten zu diskutieren, die nicht direkt der Aufmerksamkeit des gesamten Kabinetts bedür1 Die Untersuchung wird vom Verfasser dieses Papiers unter der Leitung von Prof. A. F. Leemans und Dr. J. Kastelein durchgeführt. Die Untersuchung wird durch eine Subvention von ZWO, der holländischen Organisation für Förderung reiner Forschung, finanziert. 2 Das Kommittee für Interministerielle Aufgabenverteilung und Koordination (Kommittee Van Veen): Bestuurorganisatie bij de Kabinetsformatie (Verwaltungsorganisation zur Zeit der Kabinettsbildung, 1971).
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
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fen. Der Premierminister ist der Vorsitzende aller ständigen Ausschüsse, deren Beschlüsse formal vom ganzen Kabinett ratifiziert werden; 2. die Einrichtung von Kommittees für interministerielle Koordination der Politik auf höchster Ebene (KIKs), die Schlüsselgruppen von Ministerialbeamten für die Arbeit i n den ständigen Ausschüssen. I n den K I K s finden Vorbesprechungen auf interministerieller Ebene statt; sie legen den ständigen Ausschüssen Empfehlungen zu allen Maßnahmen und Plänen der Regierung vor, die für die Koordination von Regierungspolitik i n einem bestimmten Bereich von Bedeutung sein können. K I K s werden darüber hinaus folgendermaßen charakterisiert: 1. formal sind sie von permanentem Charakter; 2. sie sind kein Teil einer ministeriellen Hierarchie, sondern formen ein Untersystem der zentralen Regierungsorganisation auf höchster Ebene; 3. sie haben keine internen hierarchischen Elemente; 4. ihre Mitglieder sind alle oder fast alle Beamte, die als Vertreter ihrer Ministerien fungieren. Zur Zeit arbeiten K I K s i n folgenden politischen Bereichen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Europäische Integration und Einigung Zivilverteidigung Militärische Verteidigung Raumplanung Umweltschutz Wissenschaft Wirtschaft Sozialwesen öffentlicher Dienst
Die K I K s sind unser Forschungsgegenstand i n der Anfangsphase. I n dieser Anfangsphase möchten w i r wieder Verständnis der Natur und Bedeutung jener Faktoren erlangen, die die Koordinationsaufgabe der K I K s beeinflussen. Zu diesem Zweck wurde ein Forschungsmodell für die Beziehungen zwischen diesen Faktoren und der A r t und Weise aufgestellt, i n der sie die Koordination durch die Kommittees beeinflussen. I I I . Der Koordinationsmechanismus 1. I n Diskussionen darüber, wie auf der Ebene der zentralen Regierung Politik gemacht wird, ist ein K r i t e r i u m einer „guten Regierung",
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Thema I V : nterministerielle Ausschüsse
daß die Politik i n Hinblick auf die wichtigsten politischen Ziele koordiniert und abgestimmt werden muß. Eine Leugnung der Notwendigkeit dieser Koordination hieße administrativ-kulturelle Konventionen zu verletzen. Koordination ist eine Forderung des politischen Systems der Regierungsorganisation. Die Hauptfrage ist dabei, „ w a r u m ist Koordination notwendig?" Unserer Meinung nach muß diese Frage von der Stellung ausgehend, die eine Zentralregierung bei der Politikbestimmung einnimmt, beantwortet werden. 2. Die Bestimmung der Politik . Dies ist ein Prozeß aus vergleichsweise komplexen Entscheidungen, von denen alle auf das Erreichen bestimmter Ziele h i n orientiert sind. I n der Literatur werden oft Zweifel daran gehegt, ob Organisationen als solche ihre eigenen Ziele haben können. Organisationen haben ein Interaktionsverhältnis m i t ihrer Umgebung. Die Organisation ist ein offenes System. Ziele von Ministerien sind ganz besonders eng an Wertvorstellungen, Normen, Ideen und Interessen i n ihrer Umgebung geknüpft. Es ist daher angemessener von den Zielen derer, die m i t der Bestimmung der Politik i n einem besonderen Abschnitt beschäftigt sind, zu sprechen, die Umwelt, die Beamten und die Minister beeinflussen sich alle gegenseitig. Es ist daher klar, daß das Aufstellen der Politik ein kontinuierlicher Prozeß ohne Ende ist; die Ziele sind sehr flexibel. Dessen ungeachtet sollte die zentrale Regierungsorganisation versuchen, „gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse" zu erreichen, die die Grundlage des Politikbestimmungsprozesses der kollektiven zentralen Regierung bilden wird. Entscheidungsprozesse entstehen i n der Interaktion zwischen Menschen und Einheiten der Gesamtheit des Volkes m i t Bezug auf ihre gesteckten Ziele, die für die verschiedenen Sektoren der Regierungsorganisation nicht immer dieselben sind. Nur wenig Problematik liegt i n der Erstellung einer „Metapolitik", i n der die Grundlagen, Richtung und Substanz der Hauptziele allgemeiner Regierungspolitik i n ihrer Totalität festgelegt werden. Die verschiedenen Regierungssektoren entwickeln ihre Politik i n relativer Unabhängigkeit voneinander. Das kann bewußt oder unbewußt geschehen und braucht nicht explizit zu sein. Wenn die politischen Ziele der verschiedenen Sektoren und Leitlinien, denen jeder Sektor Folge leistet oder Folge zu leisten beabsichtigt, sehr wahrscheinlich dauernde Diskrepanzen hervorbringen, so w i r d irgendeine A r t von Koordinationsorganisation notwendig, u m eine gegenseitige Anpassung untereinander zu erreichen.
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
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3. Organisationsstruktur. Ungeachtet der beachtlichen Literatur zu organisationalen Zielen w i r d nur selten die Verbindung zwischen der A r t der Ziele und der Organisationsstruktur hergestellt. Wie w i r gesehen haben, sind die Ziele der Ministerien einer zentralen Regierung sehr flexibel. Die politischen Machthaber an der Spitze der zentralen Regierung und ihrer Ministerien verhandeln unablässig mit ihrer Umgebung i m Hinblick auf ihre Ziele („Verhandlungsposition"). A u f der Grundlage dieser Ziele w i r d die Aufgabe für einen jeden Sektor zugeteilt: die Verteilung der Aufgaben findet auf der höchsten Ebene der zentralen Regierung statt (ministerielle Zuteilung). Man muß sich dabei natürlich vor Augen halten, daß dieser Prozeß in einem Zustand existierender Aufgliederung i n Ministerien stattfindet. Der Widerstand gegenüber Veränderung, die Starrheit der bestehenden Organisation ist i n diesem Falle ein wichtiger Faktor. Insgesamt sehen sich alle dem Problem gegenüber, alle Aufgaben der Regierung so effektiv wie möglich zu erfüllen. Die politische Aufgabe einer zentralen Regierung w i r d von Folgendem charakterisiert: — zunehmende Größe — zunehmende Diversifikation politischer Probleme — zunehmende Interdependenz politischer Bereiche — zunehmende Spezialisierung Fachwissens
aufgrund
des notwendig
größeren
— eine noch dringlichere Notwendigkeit, schneller Politik zu machen, von rapider Veränderung bewirkt. Die der zentralen Regierung eigenen Probleme der Kontrolle und Verwaltung rühren zum großen Teil von dem Umstand her, daß sie sich unfähig erwies, dieses Problem allein i n der stark zergliederten Struktur zu lösen. Horizontale Kommunikationsprozesse wie z. B. die Koordination werden mehr und mehr als des Problemes Lösung angesehen. I n der Untersuchung w i r d angenommen, daß jede Form der Verteilung von Aufgaben spezifische Anforderungen an die Koordination mit sich bringt. Die A r t der Koordination muß diesen Anforderungen entsprechen. Aus diesem Grunde halten w i r die Zergliederung i n Ministerien für einen recht bedeutenden Faktor für das Bedürfnis nach und die A r t der Koordination. I V . Die Aufgabenteilung Wie w i r vorher gesehen haben, ändert sich die Aufgabenteilung unaufhörlich entsprechend umfangreichen subjektiven Einflusses.
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Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
Ein einzelnes K r i t e r i u m für die optimale Aufteilung i n Ministerien gibt es nicht; m i t anderen Worten, es ist unmöglich, eine permanente und optimale Koordinationsstruktur zu konstruieren. Daher muß diese Struktur regelmäßig auf ihre Anwendbarkeit auf die jeweilige A u f gabenverteilung überprüft werden. Es ist recht wahrscheinlich, daß unter bestimmten Bedingungen und bei einer bestimmten Aufgabenverteilung eine A r t der Koordination bessere Erfolgschancen haben w i r d als andere. Der Aufbau des allgemeinen Rahmens unseres Forschungsvorhabens sollte daher i n erster Linie an der Aufgabenverteilung orientiert sein. Die Ministerien können grob i n folgende Gruppen kategorisiert werden: 1. Schlüsselministerien (Finanzen, Wirtschaft und Soziales). Dieses traditionelle „Dreieck" kontrolliert die Wirtschafts-, Lohn- und Preispolitik sowie die wirtschaftliche Entwicklung. Die Arbeit dieser M i n i sterien i m Hinblick auf die Produktion und Zuteilung des Staatseinkommens bedeutet, daß sie „an der Quelle" sitzen, wenn es u m die Bestimmung des Spielraums geht, den man der Politik anderer Sektoren einräumt. Dadurch haben sie eine koordinierende Aufgabe bezüglich der Politik anderer Minister (die Rolle des Finanzministers bei der Festlegung des Budgets ist von besonderer Bedeutung). 2. Ministerien für abgrenzbare Bereiche. Diese Ministerien sind mit der Durchführung einer Kombination von i m wesentlichen ähnlichen Tätigkeiten, z. B. Verkehr und Wasserwege, Landwirtschaft, Verteidigung und Erziehung betraut und könnten „produktorientiert" genannt werden. Diese werden eher dazu neigen, sich der Koordination zu entziehen, da sie ihnen als ein Zeichen der Einmischung i n ihre Politik scheinen könnte, die sie i n relativer Autonomie entwickelt haben. 3. Ministerien für spezielle Probleme. Diese orientieren sich an einem speziellen Element der gesamten Regierungspolitik, das i n mehr als einem Ressort gefunden werden kann. Daraus werden die grundlegenden politischen Ziele der Regierung bestehen: öffentliche Wohlfahrt, Gesundheit, gute internationale Beziehungen. Diese Ministerien umfassen die Raumplanung, Umweltschutz, K u l t u r und Erholung und Außenpolitik. Sie sind fast vollständig von der Koordination zwischen den Ressorts abhängig und üben damit einen korrektiven Einfluß gegenüber den mehr produktionsorientierten Ressorts aus. 4. Der Rest. Z u diesen gehören jene Ministerien, die insbesondere m i t der Organisation, dem Funktionieren und der Erhaltung des Sozialsystems i m allgemeinen und der Regierungsangelegenheiten i m beson-
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
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deren befaßt sind: das Jusitzministerium, Innenministerium und M i nisterium für allgemeine Angelegenheiten. Selbstverständlich können die Ministerien oder Abteilungen auch nach anderen Kriterien klassifiziert werden, wie z. B.: a) ausgebende und nicht ausgebende Ministerien b) Abteilungen m i t interner oder externer Klientele und Abteilungen ohne Klientele c) Abteilungen m i t einem „alten" oder „neuen" politischen Aufgabenbereich. Diese Elemente sind für die Interpretation des Verhaltens der Abteilungen innerhalb des Koordinationsprozesses von Bedeutung. H i n sichtlich der Aufgabenverteilung können sie jedoch unbeachtet bleiben. V. Typen der Koordination 1. Unser spezielles Interesse gilt der „Zielkoordination", m i t anderen Worten, die Abstimmung der Ziele aufeinander und die Wege, auf denen man das erreichen kann. Es ist i m Unterschied zur „Verfahrenskoordination", i n der materielle Tätigkeiten koordiniert werden, „Output-orientiert". 2. Die wichtigste Unterscheidung i m Zusammenhang m i t der Koordinationsstruktur ist die zwischen „hierarchischer" und „kollegialer". a) Hierarchische Struktur. Diese ist das Pyramidenmodell das für das traditionelle Bürokratiemodell so charakteristisch ist. I m Falle widersprüchlicher Ziele können wesentliche Entscheidungen an Knotenpunkten der Hierarchie gefällt werden. Man könnte dies „Koordination durch Macht" nennen. Dieses Modell hat ernste Nachteile: lange Kommunikationswege, zu späte Anpassung i m Aufstellungsprozeß der Politik, Sonderbelastungen für Schlüsselpersonen auf höchster Ebene (insbesondere die Minister). b) Kollegiale Struktur. Dies ist das horizontale Modell, i n dem die Politik m i t Hilfe von Querverbindungen abgestimmt wird. Nachteile: Spannungen zwischen horizontalen und vertikalen Organisationseinheiten, jede m i t ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich. 3. Abhängig von der Phase des Prozesses, i n dem die Politik gemacht wird, können folgende Arten der Koordination unterschieden werden: a) Vorkoordination: auf höchster Ebene w i r d ein allgemeiner politischer Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen jede Abteilung ihre Pol i t i k entwickeln muß (siehe 3 b); 31 Speyer 57
482
Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
b) Synchrone Koordination: gegenseitige Anpassung mung während die Politik gemacht wird.
und
Abstim-
c) Nachkoordination: das Verschmelzen der autonom entwickelten politischen Konzepte der Ministerien i n einen einheitlichen Plan. 4. Abhängig vom Charakter der Koordination können folgende Arten der Koordination unterschieden werden: a) entscheidungsorientiert: m i t dem Ziel als Ausgangspunkt werden Methoden gewählt, m i t denen ein greifbarer Output so effektiv wie möglich erreicht werden kann. Dies setzt eine feste Überzeugung über Ursache-Effekt Beziehungen bezüglich des zu befolgenden Weges voraus. Die Aufgaben werden häufiger programmiert (vergleichbar m i t den „ N A S A " Raumfahrtprogrammen); b) erkenntnisorientiert: von der Definition des Problems ausgehend, muß Verständnis erreicht und Schlußfolgerungen gezogen werden. Dies hat viel mehr m i t nicht programmierten Aufgaben zu tun; es hat eher Untersuchungscharakter und zielt auf anpassungsfähige und innovative Politik. VI. Der Forschungsaufbau 1. Die Untersuchung basiert auf der folgenden Reihe von Problemen: a) Wie sieht die Verteilung der Aufgaben unter den Abteilungen aus? b) Welche Koordinationserfordernisse bringt das m i t sich? c) Welche Koordinationsarten sind am besten geeignet? d) Inwiefern ist das m i t der bestehenden Situation vereinbar (Ständige Ausschüsse und KIKs)? e) Wie können mögliche Abweichungen erklärt werden? f) Was können w i r hinsichtlich neuer Bereiche der Politik voraussehen, i n denen Koordinationsprozesse stattfinden werden? 2. A u f der derzeitigen Aufgliederung i n Abteilungen fußend, werden w i r spezifische Koordinationserfordernisse unternehmen. Analog zu der Verteilung der Aufgaben sind folgende Koordinationsfelder möglich: a) Themenkoordination: Sozialpolitik, Umweltschutz, Raumplanung, wissenschaftliche Entwicklung. Das größte Gewicht liegt auf dem Schutz und der Steigerung der Lebensqualität; b) Ressortkoordination Integration;
: Verteidigung, Zivilverteidigung,
europäische
c) Schlüsselkoordination: Tätigkeiten des Finanzministers Aufstellung des Staatshaushalts; soziale Wirtschaftspolitik;
bei
der
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
d) Interne Koordination: Personalpolitik.
auf den Regierungsapparat
483
zielend, z. B.
3. Es ist leicht möglich, daß ein jedes dieser Gebiete eine unterschiedliche A r t der Koordination benötigt. Für die Untersuchung könnten die verschiedenen Koordinationscharakteristika zu „Idealtypen" kombiniert werden. A u f der Grundlage dieser Idealtypen können Hypothesen zu den Unterschieden zwischen Koordinations-Organisationsstrukturen wie den K I K s entwickelt werden. 4. Gegenwärtig sind die Hauptmethoden der Koordination die Ständigen Ausschüsse und K I K s , von denen die letzteren den Hauptgegenstand unserer Untersuchung bilden. Die K I K s werden auf der Grundlage von drei Gruppen von Variablen analysiert werden, die unserer Meinung nach ihre Funktionsfähigkeit bestimmen: die Struktur der KIKs, interne und externe Verfahren der K I K s und die A r t und Weise, auf die sie Politik machen 3 . a) Die Struktur des KIKs: die eher permanenten Aspekte der Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen: Organisationstypus, institutionalisierte Verhaltensweisen, Verfahrensweisen. Diese enthalten die folgenden Elemente: (a) die Zuteilung von Vollmachten und Verantwortlichkeiten, Mandat
das
(b) A r t der Mitglieder und des Präsidenten; Beamtenrang der M i t glieder (c)
Subkommittees
(d) Offizielle Unterstützung leistende Dienste (e) Arbeitsmethoden: A r t e n der Sitzungen, Herkunft der Papiere zu den Sitzungen, Vorbereitungen zur Konsultation, Erfolgskontrolle (f)
Beziehungen zu anderen: persönliche Kontakte, die Anzahl der betreffenden Personen, externe Beziehungen m i t Ministern, Kabinett und ständigen Ausschüssen, Abteilungen und anderen KIKs. b) Verfahrensweise.
Dies umfaßt:
(a) Wer ersucht das K I K u m Rat? (b) Wer nimmt an internen Beschlußfassungen teil und i n welchem Umfang; Rollenkonflikte; 8 Diese Faktoren wurden auch von Professor J. Kooiman in seiner Untersuchung der Beschlußfassung in den Ministerien der Niederlande (Bestuurswetenschappen, 3 [1973], p. 125) verwandt.
31*
Thema I V : Interministerielle Ausschüsse
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(c) Die A r t der Beschlußfassung: Konsultation, Information, nungsaustausch, Verhandlungen;
Mei-
(d) informelle Vorkonsultationen (e) Koalitionsbildung, gegensätzliche Interessen und Kompetenzstreitigkeiten (f)
die Sphäre, i n der die Konsultationen stattfinden
(g)
Konfliktlösung
(h) Zeitfaktor c) Der Charakter
der politischen
Substanz . D e r C h a r a k t e r d e r p o l i t i -
schen Substanz ist eine Variable, die den Entstehungsprozeß der Polit i k und demzufolge die Koordination beeinflussen kann. Dies kann von dem, was oben hinsichtlich der Ziele und Aufgaben der Politik gesagt wurde, gefolgert werden. Zur Substanz gehören: (a) die Bedeutung der Politik i n Form ihrer verschiedenen Konsequenzen (b) der Charakter der Entscheidimg: Routine, Anpassung oder neue Politik (c) das Wesen des Gegenstandes: politisch, oder auf ein einzelnes Problem beschränkt
administrativ-technisch,
(d) das Ausmaß des Gegenstandes: wieviele Abteilungen betroffen sind, Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad. Die obengenannten Elemente werden i m Forschungsbereich untersucht werden. Interne Beziehungen zwischen den drei Faktorengruppen werden m i t Hilfe von Querverweisen festgestellt werden. (e) Die Effektivität der K I K s ist ein besonderes Problem und es gilt kein einzelnes Zielkriterium, m i t dem sie gemessen werden kann. Die Effektivität w i r d i n erster Linie von den normativen Erwartungen der Umgebung bezüglich des K I K s bestimmt. Es ist lediglich möglich aufzuzeigen, daß unter bestimmten Bedingungen, einige Koordinationsmaßnahmen den von einer besonderen Aufgabenverteilung diktierten Erfordernisse m i t größerer Wahrscheinlichkeit entsprechen werden, als andere. Die Auswirkungen der K I K s auf die ministerielle Politik werden zu untersuchen sein: — die formale Anwendung von ministerieller Politik durch die Sanktionierung einer KIK-Empfehlung durch das Kabinett oder durch die Anwendung einer Empfehlung durch das M i n i sterium selbst; — die wesentliche Änderung von ministerieller Politik durch die Sanktionierung einer KIK-Empfehlung durch das Kabinett oder
Diskussionsbeitrag: P. W. K o t t m a n
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durch die Anwendung einer Empfehlung durch das Ministerium selbst; — die wesentliche Änderung i n der Politik eines Ministeriums während und aufgrund des Koordinationsprozesses eines K I K s . Solche Auswirkungen werden m i t den unter 6 (d) genannten Faktoren i n Verbindung gebracht werden müssen. (f)
A u f der Grundlage der Ergebnisse von 6 (c), (d) und (e), werden Hypothesen zu einer begrenzten Anzahl politischer Sachgebiete entwickelt, von denen erwartet werden kann, daß sie neue und unabhängige Koordinationssphären werden (z.B. Entwicklungshilfe) und zu politischen Bereichen, die vor ziemlich kurzer Zeit zum Gegenstand von Koordination gemacht worden sind (z. B. Wohlfahrt, Umweltverhältnisse etc.). v n . Schluß
Die Untersuchungsdaten werden i n erster Linie durch persönlichen Kontakt zu den betroffenen Beamten und m i t Hilfe von Dokumentationsanalyse zusammengetragen werden. Obwohl die Vertraulichkeit der Daten ein behinderndes Element darstellen werden, hoffen w i r auf diese Weise ausreichende Erkenntnisse über die Faktoren, die den interministeriellen Koordinationsprozeß i n den Niederlanden beeinflussen, zu erhalten.
Schlußwort Die Internationalen Herbsttagungen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer können inzwischen auf eine längere Tradition zurücksehen. Sie wurden von dem jeweiligen Inhaber des Lehrstuhls für vergleichende Verwaltungswissenschaft und öffentliches Recht an der Hochschule organisiert und geleitet. Die erste Tagung dieser A r t unter der Leitung unseres unvergessenen Kollegen Fritz Morstein-Marx galt der Bestandsaufnahme zum Stand der Verwaltungswissenschaft i n den europäischen Ländern. Aktuelle Probleme der M i nisterialorganisation waren der Gegenstand der Internationalen A r beitstagung i m Jahre 1971, die von meinem Lehrer Roman Schnur geleitet wurde. Vielleicht hat er und haben Sie alle während der Internationalen Herbsttagung 1974 den Eindruck gewinnen können, daß auch der jetzige Inhaber des Lehrstuhles sich bemüht, diese verpflichtende Tradition fortzusetzen. Wenn diese internationale Herbsttagung zur Zufriedenheit ihrer Teilnehmer stattgefunden haben sollte, so ist dies vor allem den Referenten, Diskussionsleitern und Teilnehmern an der Diskussion zu danken. Ohne ihre intensive Mitarbeit, ohne i h r Bemühne, ihre Referate uns allen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, hätte diese Tagung nicht durchgeführt werden können. Unser besonderer Dank muß den Referenten gelten, die als ausgewiesene Experten ihres Gebietes i n der Wissenschaft und i n der Praxis bereits ohne diese Tagung außerordentlich i n Anspruch genommen sind. Die intensive und konzentrierte Diskussion zu jedem Unterthema, die nur aufgrund der vorherigen Versendung der Referate möglich war, ist zugleich unser Dank an die Referenten gewesen. Den Diskussionsleitern gebührt unsere besondere Anerkennung, w e i l es ihnen gelungen ist, die Diskussion zu organisieren und damit zu einem wirklichen Vergleich und Erfahrungsaustausch zu gelangen. Die Internationale Herbsttagung 1974 konnte nur durchgeführt werden, w e i l die Hochschule von verschiedenen Seiten großzügige materielle Unterstützung erhalten hat. Dafür sollten w i r unseren aufrichtigen Dank sagen, insbesondere: 1. dem Lande Rheinland-Pfalz, vor allem dem Herrn Ministerpräsidenten, Dr. Helmut Kohl, 2. dem Bundesministerium des Innern, insbesondere dem Leiter der Projektgruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform, Herrn M i nisterialdirektor Alfred Faude,
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3. der Stiftung Volkswagenwerk i n Hannover, die diese Tagung innerhalb ihres Programms zur Förderung von wissenschaftlichen Symposien ganz wesentlich gefördert hat. Eine Internationale Tagung dieser A r t und dieses Umfanges läßt sich i n der Hochschule schließlich nur dann realisieren, wenn der Tagungsleiter die unermüdliche und aufopferungsvolle Unterstützung seiner persönlichen Mitarbeiter und darüber hinaus aller Personen dieser Hochschule erhalten hat. Sie alle haben diese Tagung zu ihrer eigenen Tagung gemacht und sich m i t großen Einsatz bemüht, unseren Gästen einen möglichst angenehmen und erfolgreichen Aufenthalt zu sichern. Sie haben über die normale Diensterfüllung hinaus ein Beispiel praktischer und effizienter Koordination gezeigt, das w i r eigentlich als eine case study zu den Papieren dieser Konferenz nehmen könnten. Wenn ich aus dem Kreise dieser Mitarbeiter nur zwei Personen namentlich erwähne, so g i l t mein Dank doch i n gleicher Weise für die übrigen. Ich möchte aber besonders hervorheben, daß mein Mitarbeiter und Assistent an meinem Lehrstuhl, Herr Hainer Koch, und die Sekretärin meines Lehrstuhls, Frl. Vögeli, seit mehreren Monaten i n besonders hervorragender Weise einen unermüdlichen Einsatz gezeigt haben und sich große Verdienste u m die Realisierung dieser Tagung erworben haben. Sie haben m i t ihrer zuverlässigen Arbeit die eigentliche Grundlage für diese Konferenz gelegt. Darf ich schließlich auch unseren besonderen Dank an die Dolmetscher sagen, die uns die wissenschaftliche Auseinandersetzung m i t Kommunikation durch ihre vorzügliche Übersetzung überhaupt erst ermöglicht haben. Ich denke, daß unsere Gespräche und Diskussionen i n den letzten Tagen doch eine A n t w o r t auf das von Herrn Kollegen Pusic i n seinem Einleitungsreferat vorgetragene Zitat von Goethe erbracht haben: Koordination zur Durchführung von Regierungspolitik ist von uns sicherlich überwiegend nicht als Zweck oder Selbstzweck betrachtet worden, sondern als M i t t e l zur Realisierung der Ziele, die sich die Regierung i n der Wahrnehmung ihres Auftrages gesetzt hat. Neben der administrativen Dimension ist auch die politische Dimension des Begriffes Koordination berücksichtigt worden. W i r werden auch feststellen können, daß der Begriff der Koordination den nahezu tödlichen Angriff von Herrn Kollegen Timsit überlebt hat und uns auch noch i n Zukunft beschäftigen wird. Der Verlauf der Diskussion hat uns gezeigt, daß w i r kein bloß konventionelles Thema ausgewählt haben, sondern angesichts einer gewissen Ernüchterung gegenüber den Möglichkeiten integrierter Pia-
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nungssysteme und politischer Programme eine Bestandsaufnahme und eine Erfahrungsbewertung vorgenommen haben. Die Erfahrung der letzten Jahre haben doch die Hoffnungen i n die Koordinationswirkungen solcher Planungen und Programme erheblich eingegrenzt. Die Verwaltung w i r d auch weiterhin m i t Methoden der Abstimmung von Handlungsteilen befaßt sein, die „Kunst der Koordination" w i r d wieder durch bisher bekannte Planungssysteme, noch durch bloße Strukturveränderungen oder Änderungen i m Ablauf des Entscheidungsverfahrens aufgehoben werden. Ziel unserer Auseinandersetzungen und Diskussionen, i n denen sich wissenschaftliche Theorie- und Modellbildungen m i t der Erfahrungsbewertung aus der Verwaltungspraxis trafen, kann es deshalb nur sein, Koordinationsmechanismen zu vereinfachen und wirkungsvoller zu gestalten, ohne dabei die politische und die humane Dimension dieser Mechanismen außer Acht zu lassen. Ich denke, daß die Hochschule Speyer eine Plattform für die Konfrontation wissenschaftlicher Bemühungen und praktischer Erfahrungen sein kann und zur Kommunikation zwischen diesen beiden Bereichen beitragen kann. Deshalb war es für mich eine besonders erfreuliche Erfahrung dieser Tagung, daß sie eine Begegnung so hervorragender Wissenschaftler und Praktiker ermöglichen konnte, eine Begegnung, die sicherlich zum gegenseitigen Verständnis beigetragen hat. Eine solche Tagung kann nicht zu abschließenden Ergebnissen gelangen, insbesondere deshalb nicht, w e i l jedes Unterthema unserer Tagung eine selbständige, längere Bearbeitung verdient hätte. Es sollte jedoch das Ergebnis dieser Tagung sein, daß die Türen zu weiteren Fragestellungen, Forschungen und Beschäftigungen m i t dem Thema aufgestoßen worden sind. Diesem Ziel dient es auch, wenn die Hochschule schon sehr bald die Heferate und Ergebnisse der Diskussionen zu unserem Thema i n ihrer Schriftenreihe veröffentlichen w i r d und Gespräche während der Tagung stattgefunden haben, u m eine Publikation auch i n englischer und französischer Sprache zu ermöglichen. W i r wollen auch weiterhin dieses Thema i n einer internationalen Zusammenarbeit vertiefen. Die Hochschule hat i n ihrem Forschungsinstitut einen Schwerpunkt geschaffen, der sich i n den nächsten Jahren m i t den Problemen der Regierungsorganisation und Planung unter verschiedenen Aspekten befassen wird. A n Sie alle richtet die Hochschule die Bitte und das A n gebot der Zusammenarbeit auch i n der Zukunft. Ein ganz wesentlicher Zweck einer solchen Tagung ist schließlich der persönliche Kontakt unter den Teilnehmern. W i r haben uns bemüht, Zeit und Gelegenheit für eine solche Kontaktaufnahme und Begegnung anzubieten. Ich glaube, daß diese Gelegenheiten der persönlichen Be-
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gegnung genutzt worden sind. Ihnen allen darf ich zugleich i m Namen des Rektors der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer sagen, daß Ihnen die Tür der Hochschule für eine Zusammenarbeit und einen Gedankenaustausch jederzeit offen steht. M i t diesem Ausblick i n die Zukunft darf ich Ihnen ein A u f Wiedersehen i n Speyer zurufen und eine gute Rückkehr i n Ihre Heimat wünschen.