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German Pages 272 Year 1988
Bundesländer und Europäische Gemeinschaft
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 103
Bundesländer und Europäische Gemeinschaft Vorträge und Diskussionsbeiträge der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1987 des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule fdr Verwaltungswissenschaften Speyer
herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Bundesländer und Europäische Gemeinschaft: Vorträge u. Diskussionsbeitr. d. Verwaltungswiss. Arbeitstagung 1987 d. Forschungsinst. für öffentl. Verwaltung bei d. Hochsch. für Verwaltungswiss., Speyer I hrsg. von Siegfried Magiera u. Detlef Merten.- Berlin : Duncker u. Humblot, 1988 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer; Bd. 103) ISBN 3-428-06475-5 NE: Magiera, Siegfried [Hrsg.]; Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung ; Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung ; Hochschule für Verwaltungswissenschaften : Schriftenreihe der Hochschule ...
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, fl.ir sämtliche Beiträge vorbehalten. © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz : Werksatz Marschall. Berlin 45; Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06475-5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Von Sieglried Magiera und Detlel Merten, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Als Bundesstaat in der Europäischen Gemeinschaft Tagungsthema
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Einführung in das
Von Sieglried Magiera, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bundesstaats- und Integrationsprinzip in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes Von Christian Tomuschat, Universität Bonn
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Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung von EG-Aufgaben ·Erfahrungen und Reformbestrebungen a) Von Rudoll Morawitz, Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn . . . . .
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b) Von Gerhard Memminger, Staatskanzlei München . • • • . . . . . . • . . .
61
Diskussion. Leitung: Detlel Merlen, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Bericht von Allons Schnabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Die Beteiligung des Bundesrates an der Europäischen Integration Von Günter Jaspert, Bundesrat, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aufgaben und Tätigkeit des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften Von Fritz Stöger, Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften, Bonnißrüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diskussion. Leitung: Walter Rudolf, Universität Mainz. Bericht von Bernard Schumann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bundesländer und Regionalismus in der EG Von Rudolf Hrbek, Universität Tübingen
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Die Beziehungen zwischen Regionen und Europäischer Gemeinschaft in Italien Von Fausto Pocar, Universität Mailand
151
Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften Spaniens an den Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaften Von Maria Jeslls Montoro Chiner, Universität Barcelona
Diskussion. Leitung: Heimich Siedentopf, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Bericht von Christoph Hauschild • . . . • . . . . . • • . . •
165
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Inhaltsverzeichnis
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Aufgabenverflechtung zwischen Europäischer Gemeinschaft, Bund und Länder, dargestellt am Beispiel des Umweltschutzes a) Von Ludwig Krämer, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Von Frank Hennecke, Ministerium für Umwelt und Gesundheit, Mainz
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Einwirkungen der EG-Kommission auf die Zuständigkeiten der Länder Von Michael Schneider, Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diskussion. Leitung: Dieter Scheuing, Universität Würzburg, und Sieg/ried Magiera, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Bericht von Stefan Schmidt-Meinecke . • . • . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . • . . . .
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Schlußwort Von Detlef Merten, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ver7.eichnis der Tagungsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . .
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Vorwort
Die Revision der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch die Anfang 1986 unterzeichnete Einheitliche Europäische Akte (EEA) ist von den deutschen Ländern zum Anlaß genommen worden, ihre rechtliche und politische Stellung in bezug auf die Europäische Gemeinschaft grundlegend zu überdenken. Während des Ratifizierungsverfahrens zur EEA haben die Länder ihre Sorge über eine zunehmende Aushöhlung ihrer Kompetenzen durch den fortschreitenden lntegrationsprozeß teilweise mit unerwarteter Heftigkeit zum Ausdruck gebracht. Da sie nicht unmittelbar am Integrationsprozeß beteiligt sind, richteten sich ihre Bestrebungen auf eine verstärkte mittelbare Einflußnahme über die Organe des Bundes sowie über eine eigene Präsenz durch sog. Informationsbüros bei den Organen der Europäischen Gemeinschaft. Im Zustimmungsgesetz zur EEA vom 19. Dezember 1986 konnten zwar die Grundlinien der Ländermitwirkung an den Gemeinschaftsangelegenheiten festgelegt werden; zu der vorgesehenen näheren Ausgestaltung durch eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist es erst am 17. Dezember 1987 gekommen. Still geworden ist es hingegen um die ursprünglich von einigen Ländern angestrebte Änderung des Grundgesetzes, die ihnen ein stärkeres Mitbestimmungsrecht bei weiteren Komoetenzübertragungen auf die Europäische Gemeinschaft geben soll. Angesichts dieser gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft das Verhältnis zwischen Ländern, Bund und Europäischer Gemeinschaft bewegenden Grund- und Detailproblemen hat das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule Speyer seine wissenschaftliche Arbeitstagung im Herbst 1987 unter das Thema .Bundesländer und Europäische Gemeinschaft" gestellt. Referate und Diskussionen dieser Zusammenkunft von Fachvertretern aus Wissenschaft und Praxis werden hiermit einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Für das Gelingen der Tagung sind die Herausgeber zu vielfältigem Dank verpflichtet. Er gilt den Referenten, Diskussionsleitern und allen Teilnehmern der Tagung, ferner den Kollegen und Mitarbeitern, die an der Vorbereitung und Durchführung der Tagung mitgewirkt haben, insbesondere dem Direktor des Forschungsinstituts, Herrn Universitätsprofessor Dr. Böhret,
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Vorwort
dem Institutsreferenten, Herrn Universitätsprofessor Dr. Grupp, sowie Herrn Assessor Schmidt-Meinecke, der auch die redaktionelle Bearbeitung dieses Tagungsbandes besorgt hat, und nicht zuletzt der Stiftung Volkswagenwerk, die die Tagung durch einen großzügigen finanziellen Zuschuß gefördert hat.
Siegfried Magiera
Detlef Merten
Als Bundesstaat in der Europäischen Gemeinschaft Einführung in das Tagungsthema Von Siegfried Magiera
I. Zur Bedeutung des Tagungsthemas
Als ich in unserem Forschungsinstitut vor gut zwei Jahren das Projekt .Stellung und Aufgaben der Bundesländer in der Europäischen Gemeinschaft" zur Bearbeitung anregte, 1 hatte ich zwar mit einer zunehmenden Praxisrelevanz des Themas in absehbarer Zukunft gerechnet, nicht jedoch mit einer so tiefgreifenden und teilweise heftigen Auseinandersetzung, wie sie kurze Zeit darauf anläßlich der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) zwischen Bundesrat und Bundesregierung, aber auch in der weiteren Öffentlichkeit zu beobachten war. 2 Vertreter der Länder äußerten im Bundesrat die Befürchtung, daß es durch die EEA .auf vielen Gebieten zu äußerst unerfreulichen Entwicklungen kommen könnte" 3, weil die Organe der EG schon bisher .nicht gerade zurückhaltend bei der Inanspruchnahme bestehender oder behaupteter 1 Vgl. dazu den Forschungsbericht von St. Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft (Speyerer Forschungsberichte No. 59), 1987 (2. erw. Aufl. 1988). 2 Vgl. dazu aus dem Schrifttum: M. BoTchmann, Der Vertragsentwurf zur Gründung der Europ. Union und die deutschen Bundesländer, VwRdsch. 1986, 254-258; de1s., Auswärtige Aktivitäten der Bundesländer, VwRdsch. 1987, 1-5; E. Gmbitz, Die Rechtsetzungsbefugnisse von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 1986, 1-33; R. Hellwig, Die Rolle der Bundesländer in der EuropaPolitik, EA 1987, 297-302; R. H1bek, Die deutschen Länder in der EG-Politik, Außenpolitik 1987, 120-132; deTs.IU. Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die EG, 1986; G. MeieT, Die Beteiligung der Bundesländer an der Gesetzgebung der EG, ZRP 1987, 228-230; G. Ress, Die EG und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, 549-558; de1s., Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte- Ein Schritt zur .Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, 361-367; M. SchTödeT, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der europ. Integration, JöR 1986, 83-102; A. Webe1, Die Bundesländer und die Reform der Gemeinschaftsverträge, DVBI. 1986, 800-806. 3 BRat-Sitzung v. 31.1.86, Prot. S. 31 (Minister SchmidhubeT, Bayern).
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Siegtried Magiera
Kompetenzen" gewesen seien. 4 • Vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis der Kompetenzübertragungen und 'Kompetenzanmaßungen' der EG" müsse verhindert werden, .daß die weitere europäische Integration zu einer Existenzfrage für die deutschen Länder" werde. 5 Umgekehrt fühlten sich die Länder einem .Sturm der Entrüstung" ausgesetzt, wobei die Rede gewesen sei .,von Nebenaußenpolitik, '("On europafeindlich, von Kleinstaaterei, von Kirchturmspolitik, von Obstruktion (und) von ersehnter Sperrfunktion des Bundesrates in EG-Angelegenheiten."6 Den Kritikern wurde daraufhin entgegengehalten, daß .in der Öffentlichkeit ... zahlreiche falsche Vermutungen" geäußert worden seien und daß .selbst Autoren mit bekannten Namen ... sich teilweise recht oberflächliche oder sogar polemische Äußerungen (erlaubt hätten), die gedruckt in Bibliotheken und wissenschaftlichen Darstellungen Eingang (gefunden hätten) oder noch finden (würden)." 7 Zur Entkräftigung der gegen sie erhobenen Vorwürfe verwiesen die Länder auf ihr wiederholtes Bekenntnis zur europäischen Einigung.8 Bei näherer Durchsicht der Bundesratsverhandlungen erscheinen die Bekenntnisse zur EEA jedoch recht allgemein gehalten und von zahlreichen Bedenken begleitet;9 konkretere Aussagen, wie diejenige des Landes Rheinland-Pfalz, welches .,die ausgehandelten Reformvorschläge zur Änderung der Römischen Verträge" ausdrücklich begrüßte, 10 sind demgegenüber seltener zu finden. Im Laufe der Ratifizierungsverhandlungen gelang es jedoch, wie es der Vertreter des Bundeskanzlers in der Bundesratssitzung vom 7.11.1986 formulierte, .die polemische Distanz zwischen Bundesrat und Bundesregierung abzubauen und die sachnotwendig bestehenden Meinungsunterschiede auf die Ebene einersachbezogenen Auseinandersetzung zu verlagern" 11 • Nachdem das Zustimmungsgesetz zur EEA Ende 1986 von Bundestag und Bundesrat einvernehmlich verabschiedet worden war 12 und sich Bund und Länder in Art. 2 des Gesetzes im Grundsatz auf die künftige Zusammenarbeit in EG-Angelegenheiten geeinigt hatten, schien die Gelegenheit günstig, im BRat-Sitzung v. 21.2.86, Prot. S. 107 (Minister Schmidhuber, Bayern). BRat-Sitzung v. 16.5.86, Prot. S. 306 (Minister Schmidhuber, Bayern). 6 BRat-Sitzung v. 16.5.86, Prot. S. 303 (Minister Einert, NRW), S. 307 (Minister Hahn, Saarland). 7 BRat-Sitzung v. 19.12.86, Prot. (Anlage) S. 755 (Minister Schmidhuber, Bayern). 8 BRat-Sitzung v. 31.1.86, Prot. S. 31 (Minister Schmidhuber, Bayern); v. 21.2.86, Prot. S. 108 (Minister Einert, NRW), S. 109 (Senator Kahrs, Bremen), S. 113 (Minister Hahn, Saarland). 9 Das gilt auch für die Bundesrats-Beschlüsse v. 21.2., 16.5. und 19.12.86, BRatDrucks. 50/86 (Beschluß), 150/86 (Beschluß) und 600/86 (Beschluß). 10 BRat-Sitzung v. 21.2.86, Prot. S. 111 (Minister Geil), v. 16.5.86, Prot. S. 302 (Ministerpräsident Vogel). 11 Prot. S. 575 (Staatsminister Vogel). 12 Text in BGBI. 1986 II S. 1102 v. 24.12.86. 4
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Als Bundesstaat in der Europäischen Gemeinschaft
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Rahmen der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung des Speyerer Forschungsinstituts eine vertiefte Diskussion zwischen Wissenschaft und Praxis über Bilanz und Perspektiven des Themas .Bundesländer und Europäische Gemeinschaft" anzustreben. Vor einem so sachverständigen Teilnehmerkreis und auch aus Zeitgründen kann und möchte ich meine einleitenden Bemerkungen zu dem Arbeitsprogramm der Tagung auf einige Stichworte beschränken, die sich in vier Punkten zusammenfassen lassen. II. Föderalismus und Zentralismus im europäischen EinigungsprozeH In der EEA haben sich die Mitgliedstaaten erstmals rechtlich eindeutig auf das Ziel verpflichtet, die Gesamtheit ihrer Beziehungen .in eine Europäische Union umzuwandeln" (Präambel). Zu konkreten Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union sollen die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Politische Zusammenarbeit, die in der EEA in eigenartiger Weise getrennt und zugleich verbunden erscheinen, gemeinsam beitragen (Art. 1 EEA). Die genauere Struktur der zukünftigen Europäischen Union bleibt allerdings auch in der EEA weiterhin offen.13 Soll die Union sich jedoch überhaupt herausbilden, so bedarf sie zusätzlicher Kompetenzen, die ihr wiederum nur auf Kosten der Mitgliedstaaten zuwachsen können. Da sich die Entwicklung einer Gemeinschaft von zwölf Mitgliedstaaten nicht an der Kompetenzordnung eines einzelnen Mitgliedstaates ausrichten kann, muß davon ausgegangen werden, daß in der Bundesrepublik Deutschland neben Bundes- auch Länderkompetenzen weiterhin von einer Abwanderung auf die Gemeinschaftsebene betroffen sind. Auf Länderseite ist deshalb vor einem .vom Zentralismus infizierte(n) Denken" 14 und davor gewarnt worden, .die Lösung von essentiellen Fragen nur noch anonymen bürokratischen Machtapparaten (zu) überlassen ... (statt) möglichst viel orts- und bürgernah ,vor Ort'" zu entscheiden. 15 Der Bundesrat faßte seine Bedenken im Beschluß vom 31.1.1986 in der Forderung zusammen, daß die Europäische Union .eine föderative Struktur" erhalten müsse. 16 13
Zu den unterschiedlichen Vorstellungen einer .Europ. Union" vgl. etwa R.
Hrbek, Die . Europ. Union• als unerfüllbare integrationspolitische Daueraufgabe?, FS H. v. d. Groeben, 1987, 167-200; H. P. Jpsen, Europäische Verfassung- Nationale Verfassung, EuR 1987, 195-213; Th.Jansen, Europa: Von der Gerneinshaft zur Union, 1986; J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 1984; W. Weidenfeld/W. Wessels (Hrsg.), Wege zur Europ. Union, 1986. 14 BRat-Sitzung v. 21.2.86, Prot. S. 108 (Minister Schmidhuber, Bayern). 15 BRat-Sitzung v. 16.5.86, Prot. S. 306 (Minister Schmidhuber, Bayern). 16
BRat-Drucks. 31/86 (Beschluß), Ziff. I 4.
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Siegtried Magiera
Die Dichotomie zwischen einer zentralistisch und einer föderalistisch organisierten Europäischen Union besitzt in ihrer Allgemeinheit jedoch nur geringe Aussagekraft und bedarf noch erheblicher Konkretisierungsbemühungen. Eine zentralistische Gemeinschaft wird, soweit ersichtlich, von niemandem ernsthaft angestrebt; die Forderung nach einer föderalistischen Gemeinschaft löst hingegen nicht automatisch das Problem, ob die Gemeinschaft über zwei oder drei Entscheidungsebenen verfügen soll und ob im Falle von nur zwei Entscheidungsebenen die mitgliedstaatliche oder die unterstaatliche erhalten bleiben soll. 17
111. Bundesstaats- und Integrationsprinzip im europäischen Einigungsprozeß Die Bewahrung der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat im europäischen Einigungsprozeß ist deshalb zunächst ein deutsches Problem, und zwar verfassungsrechtlich wegen der Bundesstaatsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG wie auch politisch aufgrund der insoweit wohl einhelligen Meinung in der Bundesrepublik. Nachdem schon erhebliche Kompetenzen auch aus dem Bereich der Länder auf die Gemeinschaft übergegangen sind, stellt sich mit jeder weiteren Kompetenzverlagerung die immer dringlichere Frage, wann der unantastbare Kernbereich der Länderkompetenzen berührt ist. 18 Diese Frage, die auch im Verhältnis der Länder zum Bund von Bedeutung ist, 19 läßt sich im Verhältnis zur Gemeinschaft um so schwerer beantworten, weil die Gemeinschaft auf ständige Fortentwicklung und zunehmende Integration angelegt ist. Es erscheint deshalb verständlich, wenn die Länder die Reform der Gemeinschaftsverträge genutzt haben, um die Bundesstaatsproblematik in aller Deutlichkeit zur Diskussion zu stellen, auch wenn die EEA selbst kaum nennenswerte Kompetenzverschiebungen mit sich gebracht hat. 20 Dabei sind die Länder zutreffend zu dem Schluß gekommen, daß die 17 Vgl. dazu auch Ress (Anm. 2), 549, unter Hinweis auf H. Kelsen, Die staatsrechtliche Durchführung des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich, ZöR 1927, 329-352 (331 : .Ein Bundesstaat im Bundesstaat bedeutet organisationstechnisch eine heillose Komplikation"). 18 Vgl. dazu auch E. Grabitz, Die deutschen Länder in der EG-Politik: verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Hrbek/Thaysen (Anm. 2), 169-180 (171 f.); 0. Rojahn, in: J. v. Münch (Hrsg.), GG-Komm., Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 24 Rdnr. 39; Sehröder (Anm. 2), 91; C. Tomuschat, in: Bonner Komm., Art. 24 Rdnr. 50 ff. (Stand: 1981); Weber (Anm. 2), 802. 19 Stichworte sind die .Unitarisierung des Bundesstaates" und der .kooperative Föderalismus"; vgl. dazu etwa K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, 747 ff. m. w. N. 20 Dazu etwa H.-J. Glaesner, Die EEA- Versuch einer Wertung, in: J. Schwarze (Hrsg.), Der Gemeinsame Markt, 1987, 9-35 (16 ff.).
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Gefahr bei dem schon erreichten Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts immer weniger von einer Änderung des Primärrechts durch die Mitgliedstaaten ausgeht, als vielmehr von einer Verdichtung des Sekundärrechts durch die Gemeinschaftsorgane. 21 Folgerichtig haben sie ihre Forderungen nach einer Änderung des Art. 24 Abs. 1 GG im Laufe des Ratifizierungsverfahrens zur EEA zurückgestellt und ihre Anstrengungen auf eine verbesserte Beteiligung am Entscheidungsprozeß der Gemeinschaft konzentriert, 22 der zwar im Außenverhältnis zur EG nur dem Bund offensteht, im Innenverhältnis der deutschen Staatsorganisation aber von den Ländern intensiver mitbestimmt werden könnte. 23 Fraglich bleibt, ob durch eine derartige Kompensation 24 dem Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes genügt ist, ob den Ländern insbesondere, wie es der Bundesrats-Beschluß vom 31.1.1986 fordert, 25 ein ausreichender .Kernbereich eigener staatlicher Hoheitsmacht" verbleibt. Fraglich ist aber auch, ob dabei das Integrationsprinzip des Grundgesetzes 26 gewahrt bleibt. Die Regelung in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur EEA über das Rundesratsverfahren versucht hier einen Kompromiß zwischen dem Extrem einer alleinigen Integrationsbestimmung durch den Bund und einer möglichen Vetoposition einzelner Bundesländer. Inwieweit der Kompromiß tragfähig ist und sich das Bundesstaats- und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes in der Praxis miteinander vereinbaren lassen, dazu wird Herr Kollege Tomuschat in seinem einleitenden Grundsatzreferat zu Beginn dieser Tagung sprechen. Wie so häufig scheint aber auch hier der Teufel im Detail zu stecken. Denn die Einzelheiten des Bundesratsverfahrens sind nach Art. 2 Abs. 6 des Zustimmungsgesetzes zur EEA einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten worden, die bisher noch nicht zustande gekommen ist. 26• 21 Vgl. z. B. BRat-Sitzung v. 31.1.86, Prot. S. 31 (Minister Sehmidhuber, Bayern); v. 21.2.86, Prot. S. 110 (Senator Kahrs, Bremen); v. 16.5.86, Prot. S. 302 (Ministerpräsident Vogel, Rheinland-Pfalz). 22 Zu diesen Forderungen vgl. die BRat-Beschlüsse v. 31.1.86, Ziff. I 5 (BRat-Drucks. 31/86), v. 21.2.86, Ziff. 12 f. (BRat-Drucks. 50/86), v. 16.5.86, Ziff. 3 (BRat-Drucks. 150/86), v. 19.12.86, Ziff. B 1 (BRat-Drucks. 600/86) und die dazugehörigen BRat-Sitzungen, Prot. S. 31 ff., 107 ff., 301 ff., 693 ff. 23 Zu den damit verbundenen Verfassungsproblemen vgl. etwa Grabilz (Anm. 18), 172 ff.; Ress (Anm. 2), 551 ff.; Sehröder (Anm. 2), 92 ff. 24 Dazu insbesondere Ress (Anm. 2), 555 ff.; Sehröder (Anm. 2), 97 ff. 25 Ziff. I 5 (BRat-Drucks. 31186). 26 Dazu näher H. P. Ipsen, EG-Recht, 1972, 52 f.; Rojahn (Anm. 18), Art. 24 Rdnr. 1 ff.; Tomuschat (Anm. 18), Art. 24 Rdnr. 3 ff.; M. Zuleeg, in: (Altemativ-)Komm. zum GG, Bd. 1, 1984, S. 178 f. 26" Nach Ende der Tagung haben der Bund und die Länder am 17.12.1987 eine •Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über
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Siegfried Magiera
Über den Verlauf und den Stand der Verhandlungen werden Herr Dr. Morawitz aus der Sicht des Bundes und Herr Dr. Memminger aus der Sicht der Länder berichten. Nachdem sich die Länder während der Verhandlungen über die Ratifizierung der EEA zur Aufgabe des erst 1979 mit dem Bund vereinbarten, in der Folgezeit aber offenbar wenig wirksamen sogenannten Länderbeteiligungsverfahrens durchgerungen haben, 27 kommt nunmehr dem seit langem im Bundesrat praktizierten Verfahren 28 wiederum erhöhte Bedeutung zu. Damit stellt sich auch die Frage nach einer möglichen Neuorientierung der Stellung und Aufgaben des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften. 29 Hierüber werden Herr Jaspert und Herr Dr. Stöger aufgrundihrer langjährigen Erfahrungen im Bundesrat bzw. als Beobachter der Länder referieren. Ich hoffe, daß wir in der daran anschließenden Diskussion auch auf die Einrichtung der Länderbüros in BrüsseP0 eingehen können, zumal sich dazu besonders fachkundige Teilnehmer unter uns befinden. IV. Bundesländer und Regionen in der Europäischen Gemeinschaft Es fragt sich, ob eine lediglich mittelbare Beteiligung der Länder an EG-Angelegenheiten über den Bund das Bundesstaatsprinzip gegenüber dem Integrationsprinzip auf Dauer bewahren kann. Je mehr Aufgaben und Kompetenzen auf die EG-Ebene abwandern, je mehr dort zum Mehrheitsprinzip übergegangen wird, um so dringlicher wird das Bedürfnis nach unmittelbaren Kontakten zwischen den Ländern und den EG-Organen. Sollen solche Kontakte nicht lediglich im unverbindlichen, sozusagen privaten Bereich verbleiben, sondern wirksamere Formen annehmen, so müssen sie rechtlich abgesichert werden. die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates und der Länder bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften in Ausführung von Art. 2 des. Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBI li, S. 1102 f.)" geschlossen, die im Anhang dieses Bandes abgedruckt ist. 27 Zum Länderbeteiligungsverfahren vgl./. Hannaleck/W. Schumann, Die Beteiligung der Länder an der EG-Politik des Bundes, ZParl. 1983, 362-371; R.Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der EG, 1981,57 ff.- Zur Kritik und Aufgabe des Verfahrens vgl. ferner BRat-Sitzung v. 16.5.86, Prot. S, 303 (Ministerpräsident Vogel. Rheinland-Pfalz), S. 307 (Minister Hahn, Saarland); v. 7.11.86, Prot. S. 571 (Ministerpräsident Börner, Hessen), S. 583 (Minister Schwarz, Schleswig-Holstein). 28 Zum bisherigen Bundesratsverfahren vgl. näher G. Jaspert, Der Bundesrat und die europ. Integration, Aus Politik und Zeitgeschichte (Beil. zu Das Parlament), 12/1982, 12-32; Morawitz (Anm. 27), 27 ff. 29 Dazu näher Morawitz (Anm. 27), 31 ff. 30 Dazu etwa Borchmann, VwRdsch 1987 (Anm. 2), 1 f.
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Dies kann aber nur im Rahmen der EG-Rechtsordnung geschehen, nicht hingegen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsordnung eines Mitgliedstaates. Deshalb empfiehlt es sich für die deutschen Länder, weniger die Einmaligkeit ihrer Staatsqualität im Vergleich zu den Untergliederungen der anderen Mitgliedstaaten hervorzuheben als die Gemeinsamkeiten derartiger Entscheidungsebenen in allen Mitgliedstaaten. Ansätze für eine verstärkte Rolle der Länder und Regionen auf EG-Ebene ließen sich schon im Rahmen des gegenwärtigen Gemeinschaftsrechts, vor allem in den Bestimmungen über die regionale Entwicklung31 finden und mit vereinten Kräften weiter ausbauen. Diesen Weg strebt offenbar auch der Bundesrat an, wenn er in seinem Beschluß vom 31.1.1986 fordert, daß die Europäische Union neben der verfassungsrechtlichen Stellung der Länder auch .die Rechte der Regionen als gesicherten Bestandteil einer europäischen Staatsordnung" wahren müsse. 32 Inwieweit sich damit die in der Bundesratssitzung vom 16.5.1986 geäußerte Ansicht eines Bundeslandes vereinbaren läßt, wonach die übrigen Mitgliedstaaten und die EG-Kommission, die von zentralistischen Traditionen geprägt und in unitarischem Denken verhaftet seien, kein Verständnis für die besonderen staatsrechtlichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland hätten und deshalb den qualitativen Unterschied zwischen den deutschen Ländern und den Untergliederungen der anderen Mitgliedstaaten verwischten, 33 soll hier nur als Frage aufgeworfen werden. Zu den damit verbundenen Problemen werden Herr Kollege Hrbek in seinem Grundsatzreferat zum Thema .Bundesländer und Regionalismus in der Europäischen Gemeinschaft" sowie Herr Kollege Pocar und Frau Kollegin Montoro aus der Sicht der Mitgliedstaaten Italien und Spanien näher Stellung nehmen. V. Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitglledstaaten Bei Vorhandensein mehrerer Entscheidungsebenen, wie zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, gehört eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen zu den wesentlichen Verfassungserfordernissen. 31 Zur EG-Regionalpolitik vgl. B. Beutler, in: B. Beutler/R. Bieber/J. Pipkorn/J. Streil, Die EG - Rechtsordnung und Politik, 3. Aufl. 1987, 489 ff.; G. Püllner/W. Spannowsky, Das Verhältnis europ. Regionalpolitik zur deutschen Regionalpolitik, 1986. 32 Ziff. I 4 {BRat-Drucks. 31/86). 33 BRat-Sitzung v. 16.5.86, Prot. S. 305 {Minister Schmidhuber, Bayern). 2 Speyer 103
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Siegfried Magiera
In der Praxis läßt sich die Abgrenzung jedoch nicht immer mit der notwendigen Eindeutigkeit vorausbestimmen. Dies gilt schon für die als dauerhaft konzipierten Verhältnisse im Bundesstaat, mehr aber noch für die auf Entwicklung angelegten Verhältnisse in der Gemeinschaft. In Verbindung mit ihren weitgefaßten Zielen und Aufgaben verfügt die Gemeinschaft in der Auffangbestimmung des Art. 235 EWG-Vertrag über eine Kompetenzreserve, die ihr - zumindest potentiell - ein sachlich nur schwer eingrenzbares Aufgabenfeld eröffnet. 34 Mit fortschreitender Integration wächst darüber hinaus der Bedarf an zusätzlichen Verfahrensbefugnissen der Gemeinschaft, vor allem um die notwendige Gleichheit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Obwohl die Erweiterung der Durchführungsbefugnisse der EG-Kommission durch die EEA (Art. 10) auf Kosten des Rates und nicht unmittelbar der Mitgliedstaaten erfolgt ist, wurden dagegen von Länderseite Bedenken erhoben, weil damit "nicht nur eine weitere Möglichkeit für Eingriffe in den in erster Linie den Ländern zustehenden Vollzug von Gesetzen eröffnet, sondern zugleich der Ansatz für die Entwicklung einer weiteren praxisfernen, die Landes- und Bundesbehörden überlagernden EG-Bürokratie geschaffen" würde. 35 Den Ländern ist, wie etwa der Bundesrats-Beschluß vom 31.1.1986 zeigt, vor allem daran gelegen, daß ihnen .ihr Kernbereich eigener staatlicher Hoheitsmacht mit klar abgegrenzten eigenen Zuständigkeiten verbleiben muß. "36 Dabei ist jedoch fraglich, ob das vorwiegend auf Bewahrung ausgerichtete Bestreben, .daß Länderkompetenzen allenfalls unter der Voraussetzung verlagert werden, daß dies zur Förderung der Integration unabweisbar notwendig ist," 37 auf Dauer erfolgreich sein kann. Weitere Kompetenzverlagerungen von der Länder- auf die Gemeinschaftsebene könnte die Bundesrepublik allenfalls bei Entscheidungen verhindern, die Einstimmigkeit zwischen den Mitgliedstaaten erfordern, aber auch dann nur, wenn sie nicht zum Nachgeben im Rahmen der üblichen •Paketlösungen" gezwungen ist. Erfolgversprechender dürfte demgegenüber auf längere Sicht die Entwicklung überzeugener Sachkriterien im Hinblick auf eine materielle Anreicherung des Subsidaritätsprinzips sein, wie es allgemein vom Europäischen Parlament in dem Vertragsentwurf zur Gründung einer Europäischen Union vorgesehen wurde. 38 Danach sollen den 34 Vgl. dazu etwa U. Everling, Gestaltungsbedarf des Europäischen Rechts, EuR 1987, 214-235. 35 BRat-Sitzung v. 21.2.86, Prot. S. 108 (Minister Schmidhuber, Bayern). 36 Ziff. I 5 (BRat-Drucks. 31/86). 37 BRat-Sitzung v. 31.1.86, Prot. S. 32 (Minister Schmidhuber, Bayern); vgl. auch BRat-Beschluß v. 31.1.86, Ziff. I 4 (BRat-Drucks. 31/86). 38 ABI. EG C 77/1984, S. 33.
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gemeinsamen Institutionen nur diejenigen Zuständigkeiten übertragen werden, .die sie benötigen, um die Aufgaben zu bewältigen, die sie wirkungsvoller wahrnehmen können als jeder einzelne Mitgliedstaat für sich" (Präambel). Inwieweit dies bisher gelungen und in Zukunft erreichbar ist, soll im Rahmen unserer Tagung anhand zweier Themenbereiche, nämlich der .Aufgabenverflechtung zwischen EG, Bund und Ländern, dargestellt am Beispiel des Umweltschutzes" in den Referaten von Herrn Dr. Krämer und Herrn Dr. Hennecke sowie der .Einwirkungen der EG-Kommission auf die Zuständigkeiten der Länder" in dem Referat von Herrn Schneider aus der Sicht der Gemeinschaft und derjenigen der Länder näher beleuchtet werden. Damit bin ich amEndemeines Überblicks über die Auswahl an Problemen im Verhältnis zwischen Bundesländern und Europäischer Gemeinschaft angelangt, denen wir uns in den kommenden Tagen eingehender widmen wollen. Ich wünsche uns allen einen guten Verlauf der Tagung, bei der Arbeit im Plenum wie bei den Gesprächen am Rande, die natürlich auch das Ziel haben, zum besseren Verständnis zwischen den Vertretern der Praxis und der Wissenschaft beizutragen. Ich darf nunmehr Herrn Kollegen Merten bitten, die Verhandlungsleitung für den heutigen Nachmittag zu übernehmen.
Bundesstaats- und Integrationsprinzip in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes Von Christian Tomuschat I.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat. So bestimmt es Art. 20 Abs. 1 GG. Da im Zuge der europäischen Integration niemals auch nur im entferntesten daran gedacht worden ist, an dieser Bestimmung zu rütteln, scheint nach wie vor die Welt völlig in Ordnung zu sein. Was auch immer in der Europäischen Gemeinschaft geschehen mag - die Bundesrepublik, von Verfassungs wegen als Bundesstaat konstituiert, wird im Rechtssinne stets ein Bundesstaat bleiben. Und doch begreift selbst der juristische Laie nach auch nur flüchtiger Überlegung sogleich, um was es in der Sache geht. Staaten sind nicht als bloße Papierkonstruktionen denkbar. Selbst die verfassunggebende Gewalt stößt hier auf gewisse Grenzen ihrer Macht. Gebilde, denen kein substantielles Eigengewicht zukommt und die sich in der politischen Praxis mit einer Rolle als bloße Befehlsempfänger begnügen müßten, wären kaum in der Lage, ihren Staatlichkeilsanspruch auf Dauer aufrechtzuerhalten, sondern würden nach den berühmten Worten des früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold unvermeidlich auf eine niedrigere Stufe der "reinen Verwaltungseinheiten" 1 abrutschen. Eine solche Entwicklung könnte insbesondere durch massive Kompetenzverluste eintreten, wie sie in der jüngsten Vergangenheit etwa als Folge der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) befürchtet worden sind. Es liegt nicht nur im Interesse der Länder, sondern ist auch aus Gründen des gesamtstaatlichen Wohls geboten, einer solchen Auszehrung des Bundesstaatsprinzips entgegenzutreten. Denn das Bekenntnis zum Bundesstaat gehört zu den Kernentscheidungen unserer Verfassung, die durch die .Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 Abs. 3 GG abgesichert sind und daher besonderer Rücksicht und Pflege bedürfen. 1 Deutscher Bundesrat, 61. Sitzung vom 27.6.1951, Sitzungsberichte S. 445 (B). Vgl. auch die Äußerung des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei, E. Stoiber, der die Gefahr einer Entwicklung der Länder .zu farblosen Oberprovinzen ohne jegliches Eigenleben" heraufbeschwört, wiedergegeben bei R. Hrbek/U. Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1986, S. 262, 264.
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Im einzelnen läßt sich nicht leicht bestimmen, wo föderale Grenzlinien verlaufen, die nicht überschritten werden sollten - verfassungspolitisch gesehen - oder dürfen - rechtlich betrachtet. Eine völlig überzeugende Theorie des Bundesstaates hat die Staatsrechtswissenschaft der Gegenwart nicht hervorgebracht. Freilich sieht sie sich hier einer schwierigen Aufgabe gegenüber, die sich nur unter Heranziehung normativer wie faktischer Kriterien bewältigen läßt. Bei der Schaffung zuerst des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches in den Jahren 1867 und 1871 war an der Staatsqualität der damaligen Einzelstaaten nicht zu zweifeln. Als Monarchien, die sie in ihrer weit überwiegenden Mehrheit darstellten und die im Zeitpunkt des Eintritts in den neuen Zusammenschluß bis hin zu einem eigenen Heer alle äußeren Verkörperungen umfassender Hoheitsgewalt aufwiesen, wurde ihnen von einem Teil der Staatsrechtslehre sogar weiterhin die Souveränität zugesprochen. Der Satz, .daß der König alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt", so schrieb Max von Seydel, sei .durch den Eintritt Bayerns in das Reich nicht im Mindesten verändert worden" 2. Die Länder der Bundesrepublik Deutschland können sich mit Ausnahme von Bayern, Bremen und Hamburg, in gewissem Sinne auch Baden-Württemberg, nicht auf eine solche Tradition der ungebrochenen historischen Kontinuität berufen. Gerade deshalb darf und muß die Frage gestellt werden, was eigentlich ihre Staatlichkeit ausmacht, da sich nur dann auch die Frage beantworten läßt, wodurch eigentlich diese Staatlichkeit bedroht sein kann. Vor nunmehr einem Vierteljahrhundert hatte Konrad Hesse in seiner Schrift zum unitarischen Bundesstaat3 versucht, eine neue Legitimation des föderalen Prinzips unter den Bedingungen der Gegenwart zu entwerfen. Die Antwort glaubte er in den förderlichen Auswirkungen der Bundesstaatlichkeit für das Staatsganze finden zu können. Vor allem durch eine horizontale Gewaltenteilung und durch vielfältige Funktionsdifferenzierungen werde eine Einbindung und Ausrichtung aller Kräfte auf die Bundespolitik erreicht, die weit bedeutsamer sei als der traditionelle Sinn des föderalistischen Gedankens, Eigenständigkeit und Vielfältigkeit zu sichern. Zu befriedigen vermochte diese neue Sichtweise nicht. Denn die Option des Verfassunggebers erscheint bei Hesse mehr wie ein dezisionistischer Kunstgriff, ersonnen vorwiegend zur Stärkung gesamtstaatlicher Belange. Die Länder werden funktionalisiert, ihre Identität tritt gar nicht recht in das Blickfeld, denn die 2 Bayerisches Staatsrecht, Bd. 1, 1887, S. 510. Die herrschende Meinung teilte diese Auffassung allerdings nicht, vgl. P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., Bd. 1, 1911, S. 55 ff., 88 f. ZuderKontroversevgl. jetztauchO.Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, 1987, S. 1113, 1120 ff. 3 Der unitarische Bundesstaat, 1962. Beibehalten ist die ursprüngliche Konzeption in ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 15. Auf!. 1985, s. 85-90.
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Betrachtung beschränkt sich fast ausschließlich auf die Sekundärwirkungen des föderalen Aufbaus, während die primären Bedingungen für die Existenz eines bundesstaatlich strukturierten Systems gar nicht untersucht werden. Zu Recht hat daher seinerzeit namentlich Ulrich Scheuner4 die Thesen von Hesse kritisiert und ihnen entgegengehalten, die Teile müßten so viel Selbständigkeit besitzen, daß sie .als Sitz umfassender Gestaltungsmöglichkeit erscheinen"; dazu bedürfe es .des Momentes regionaler oder gruppenmäßiger Individualität", da sonst Spannungen des föderativen Gefüges nicht erhalten bleiben könnten, sondern sich im Fiktiven verlieren müßten5. Von einem Bundesstaat lasse sich nur sprechen, wenn die Glieder .in sich selbst eine historisch-politische Legitimation" und auch .die rechtliche Legitimation eigener demokratischer Konstitutionen" besäßen6 • In der Tat würde es Staaten ohne ein real faßbares Substrat auch hinsichtlich ihrer Verantwortung und ihres politischen Profils an der Statur fehlen, die sie legitimieren könnte, über den Bundesrat jene weitreichenden Zuständigkeiten auszuüben, über die hier nicht zu berichten isC. Umgekehrt heißt dies, daß jede Beschneidung oder Verkürzung vor allem deswegen die bange Frage nach dem realen Gehalt der Staatlichkeit aufwirft, weil die Länder bis vor etwa zehn Jahren Opfer eines schleichenden Erosionsprozesses waren, dessen Bedrohlichkeit sie allerdings selbst erst nach geraumer Zeit bemerkt hatten. Es ist daher nicht nur legitim, sondern sogar notwendig, auch den möglichen Auswirkungen der europäischen Integration auf den Bestand der föderalen Aktiva nachzugehen.
II.
Bei allen Überlegungen über das Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip muß man feststellen, daß der Verfassunggeber sich seinerzeit im Jahre 1949 keine näheren Gedanken über die Konsequenzen einer Politik gemacht hat, die getreu der Präambel die politische Einigung Europas anstrebt. 4 Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641, zitiert nach dem Abdruck in: U. Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht. Gesammelte Schriften, 1978, S. 415 ff. 5 Ebd., S. 418 bzw. 427. 6 Ebd., S. 433. 7 Auch die politische Praxis hat ein sicheres Gespür für die Existenzbedingungen der Länderstaatlichkeil entwickelt, vgl. etwa die Entschließung der Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 14.1.1983, abgedruckt in: Die deutschen Länder .. . (Fn. 1), S. 242: .Die(se) verfassungsrechtliche Ordnung beruht entscheidend auf der Eigenstaatlichkeil der Länder und deren Fähigkeit zu eigenverantwortlichen politischen Entscheidungen von substantiellem Gewicht".
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1. Der verfassungsrechtliche Befund. a) Im Grundgesetz stehen das Bekenntnis zu Europa und die Festschreibung des Bundesstaatsprinzips unverbunden nebeneinander. Schon in der Präambel erscheint einerseits ein vereintes Europa als Verfassungsziel, während andererseits die im Jahre 1949 bestehenden Gliedstaaten sämtlich aufgeführt werden, damit auf diese Weise die föderalen Fundamente des Staatswesens sichtbar werden. Ausdrücklich von Europa ist noch in Art. 24 Abs. 2 GG die Rede, wo dem Bund die Ermächtigung erteilt wird, sich einem System kollektiver Sicherheit anzuschließen, welches ,.eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt" gewährleistet. Das Bundesstaatsprinzip hat, wie bereits hervorgehoben, seine Verankerung in Art. 20 Abs. 1 GG und wird überdies durch Art. 79 Abs. 3 GG vor jeglichen Änderungsbestrebungen geschützt.
Für die Bestimmung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Integrations- und Bundesstaatsprinzip scheint auf den ersten Blick die besondere Absicherung des letzteren auf Grund von Art. 79 Abs. 3 GG eine ausschlaggebende Bedeutung zu besitzen. In der Tat gehört das Bundesstaatsprinzip systematisch betrachtet zu jenem engen Kern von Vorschriften, denen man das Attribut des höherrangigen Verfassungsrechts anheften darf, da sie selbst im Wege der verfassungsändernden Gesetzgebung nicht beseitigt werden können. Dies könnte die Folgerung nahelegen, daß sämtliche Konflikte zugunsten des demnach höherwertigen föderalen Prinzips aufzulösen seien. Man wird gleichwohl bezweifeln müssen, ob eine solche pauschale Abwägungsrichtlinie den Kern der Sache treffen würde. Schon im Jahre 1949 hatte man in der Tat erkannt, daßtrotzder durch den NS-Staat hervorgebrachtenAversionengegen den zentralistischen Staat unitarische Tendenzen angesichtsmoderner Sachzwänge wieder überhandnehmen könnten. Angesichts dieser Gefahren lag es nahe, die Länder, die als politisch-historische Realität existierten, dem besonderen Schutz zu unterstellen, welchen Art. 79 Abs. 3 GG vermittelt. Ein vereintes Europa hingegen hatte im Jahre 1949 noch den Charakter der utopischen Wunschvorstellung. Der Europarat war weniger als drei Wochen vor der Verkündung des Grundgesetzes als klassische internationale Organisation entstanden. 8 Es gab auch im übrigen keinerlei Bestand, den man als Schützenswertes Rechtsgut hätte anerkennen können, so daß dem Verfassunggeber keinerlei konkrete Entscheidung abverlangt wurde. Unter diesen Umständen erschiene es verfehlt, eventuelle Konflikte mit Hilfe einer generalisierenden Vorrangregellösen zu wollen. Auch hier bietet es sich also an, den Weg des schonendsten Ausgleichs zu gehen, wie dies Rechtsprechung9 und Lehre 10 auch sonst versuchen. 8 Die Satzung des Europarats datiert vom 5.5.1949. Sie ist am 3.8.1949 in Kraft getreten. Die Bundesrepublik wurde am 13.7.1950 assoziiertes Mitglied, seit dem 2.5.1951 ist sie Vollmitglied.
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b) Als das Hauptinstrument für die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft hat sich Art. 24 Abs. 1 GG erwiesen, den Hans-Peter lpsen mit einer geglückten Formulierung als .Integrationshebel" bezeichnet hat11 . Es kann heute als eine gesicherte Erkenntnis gelten, daß diese Vorschrift auch die Übertragung von Hoheitsrechten der Länder zuläßt12 . Denn es war die Absicht des Verfassunggebers, die Bundesrepublik uneingeschränkt integrationsfähig zu machen. Würde jeweils die legislative oder administrative Bundeszuständigkeit eine unübersteigbare Schranke bilden, über die hinaus die Kompetenzen einer .,zwischenstaatlichen Einrichtung", wie das Grundgesetz sie nennt, in keinem Falle reichen dürften, so wäre die Bundesrepublik im Ergebnis gehindert, sich irgendeinem Zusammenschluß mit umfassenderer integrativer Zielsetzung beizugesellen. Wie namentlich das Beispiel der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gezeigt hat, kann es selbst bei einem Vorhaben, das seinem Schwergewicht nach eindeutig im Bereich der Bundeskompetenz liegt, erforderlich sein, partiell auch weiter in Bereiche hinein auszugreifen, die an sich den Ländern zugewiesen sind. Es wäre geradezu widersinnig, wollte man annehmen, die Bundesrepublik müsse jeweils bei entsprechenden Vertragsverhandlungen oder später bei der Setzung von Sekundärrecht darauf hinwirken, daß alle ihre Partner vornehmlich die in den Art. 70 ff. GG gezogene Grenzlinie mit ihrem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts präzisierten Verlauf ohne jede Abweichung hinnehmen, weil jenseits dieser Linie eine für alle Beteiligten sakrosankte Tabuzone beginne. Die Bestimmungen des Grundgesetzes über die auswärtige Gewalt dürfen niemals mit einer Starrheit gedeutet werden, die der Natur des zu gestaltenden Mediums nicht entspricht. Daß man ein gewisses Maß an Flexibilität braucht, wenn man sich mit anderen Nationen um eine gemeinsame Politik bemüht, ist eine Binsenweisheit, die keiner Begründung bedarf. Keine Regierung kann bei solcher 9 Das BVerfG greift durchweg auf dentoposder .Einheit der Verfassung" zurück, vgl. BVerfGE 39, 334, 368; 55, 274, 300. 10 Hesse, Grundzüge ... (Fn. 3), S. 27 Rdziff. 72; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Auf!. 1984, § 41118, S. 131-133. 11 Das Verhältnis des Rechts der Europäischen Gemeinschaften zum nationalen Recht, in: Aktuelle Fragen des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1965, S. 1, 26; Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 58. 12 Diese Auffassung liegt insbesondere der in Art. 2 Abs. 3 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG), vom 19.12.1986, BGBI. 1986 II, S. 1102, getroffenen Regelung zugrunde. Aus dem neueren Schrifttum vgl. etwa R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 1985, S. 164; E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1, 22; G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, S. 549, 554; W. Rudolf, Mitwirkung der Landtage bei völkerrechtlichen Verträgen und bei der EG-Rechtsetzung, in: Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Kar! Carstens, Bd. 2, 1984, S. 757, 768; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Erläuterungen zu Art. 24, Rdziff. 25.
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Zusammenarbeit mit angeblich unverzichtbaren essentials aufwarten, deren Plausibilität sich nicht dartun läßt. Die föderale Gliederung der Bundesrepublik gehört gewiß zu den unverrückbaren Kernelementen deutscher Politik - der Verlauf der Kompetenzgrenze zwischen Bund und Ländern im Detail gehört ebenso eindeutig nicht dazu. Daß der Gebrauch des Integrationshebels weitreichende innerstaatliche Rückwirkungen vor allem durch das Abwandern von Gesetzgebungszuständigkeiten haben könnte, hat der Verfassunggeber ganz offensichtlich nicht bedacht. Nichts ist in Art. 24 GG gesagt über eventuelle "Kompensationen" 13 zugunsten der benachteiligten Verfassungsorgane des Bundes oder der Länder. Bekanntlich hat man dennoch versucht, auf unterverfassungsrechtlicher Ebene gewisse Abhilfen zu schaffen. Durch Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen 14 ist eine Verpflichtung der Bundesregierung festgelegt worden, Bundestag und Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der Europäischen Gemeinschaft zu unterrichten 15. Im Jahre 1979 hat man ferner eine spezielle Regelung für Vorhaben getroffen, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen 16. Das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG) hat diese Regelung mit leichten Veränderungen gesetzesförmlich festgeschrieben. Obwohl man sich also auf einer pragmatischen Ebene durchaus zu behelfen gewußt hat, 13 Generell zu dieser Rechtsfigur vgl. E. Klein, Die Kompetenz- und Rechtskompensation, DVBI. 1981, S. 661 ff. Vgl. im übrigen unten den Text zu Fn. 44-46. 14 Vom 27.7.1957, BGBI. 195711, S. 753. 15 Zu diesem Verfahren vgl. aus neuererZeitetwa G. Jaspert, Der Bundesrat und die europäische Integration, Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/1982, S. 17, 20 f.; P. Malanczuk, European Affairs and the .Länder" (States) of the Federal Republic of Germany, Common Market Law Review 22 (1985), S. 237, 243-248; R. Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft, 1981, S. 27-31; St. Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 1987, S. 11-19; H. H. Schwan, Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, 1982, S. 108-112; G. Ziller, Die EG-politische Mitwirkung des Bundesrates, in: Die Deutschen Länder ... (Fn. 1), S. 89, 92-94. 16 Abdruck des Schreibens des Bundeskanzlers vom 19.9.1979 sowie der Antwort des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rau als Vorsitzendem der Ministerpräsidentenkonferenzbei Morawitz (Fn. 15), S. 102 bzw. 105, und in: Die Deutschen Länder ... (Fn. 1), S. 237 bzw. 238. Zu dem Verfahren vgl. etwa aus dem jüngeren Schrifttum D. Blumenwitz, Europäische Gemeinschaft und Rechte der Länder, in: Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Bd, I, 1981, S. 215, 223-227; Jaspert (Fn. 15), S. 27; Malanczuk (Fn. 15), S. 248-254; Morawitz (Fn. 15), S. 57-77; K.O. Nass, Staaten oder Regionen?Die Bundesländer in der Europäischen Gemeinschaft, in: Eine Ordnungspolitik für Europa. Festschrift für Hans von der Groeben, 1987, S. 285, 289 f.; W. Rudolf, Bundesländer und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Staatsrecht - Völkerrecht - Europarecht Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, 1981, S. 117, 131-134; ders., aaO (Fn. 12), S. 769 f.; SchmidtMeinecke (Fn. 15), S. 20-28; Schwan (Fn. 15), S. 112-123.
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bleibt doch zu konstatieren, daß das Schweigen des Verfassungstextes selbst nach wie vor einen erheblichen Unsicherheitsfaktor darstellt. c) Vor kurzem hat Eberhard Grabitz 17 die These zur Debatte gestellt, die durch den Mangel an Vorstellungskraft seitens des Verfassunggebers verursachten Lücken ließen sich unter Rückgriff auf Art. 50 GG ausfüllen, demzufolge die Länder bei der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mitwirken. Ursprünglich sei man von der Annahme ausgegangen, daß der Bundesrat bei sämtlichen für die Bundesrepublik wirksam werdenden Gesetzgebungsakten eine gestaltende Funktion werde ausüben können. Da sich nun aber ein nicht nur quantitativ erheblicher Teil der Gesetzgebung auf die europäische Ebene verlagert habe, müsse dem Bundesrat ein Mitspracherecht in anderer Form zukommen. Aus Art. 50 GG ergebe sich also ein Mitwirkungsrecht der Länder bei der Wahrnehmung der EG-Mitgliedschaft durch den Bund. Man wird Grabitz darin zustimmen können, daß Art. 50 GG Anhaltspunkte für die Leitbilder zu liefern vermag, welche die Konzeption des Verfassunggebers bestimmt haben. Mehr aber läßt sich kaum aus diesem beschreibenden Motto ableiten, welches dem Abschnitt über den Bundesrat vorangestellt worden ist. Niemals haben Lehre und Rechtsprechung die Bestimmung des Art. 50 GG als eine Generalklausel aufgefaßt, welche den Bundesrat zur Teilnahme an jeglichem politischen Entscheidungsvorgang innerhalb des Bundes ermächtigen würde 18 . Wo überhaupt und in welchem Umfang der Bundesrat Handlungsbefugnisse besitzt, die über eine allgemeine politische Artikulationsfunktion hinausreichen, ist jeweils im Grundgesetz höchst genau festgelegt und abgegrenzt. Grabitz' These müßte, konsequent fortgedacht, im übrigen bedeuten, daß der Bundesrat sich in die gesamte Pflege der auswärtigen Beziehungen des Art. 32 Abs. 1 GG einschalten dürfte. Eine solche Folgerung steht auch in diametralem Gegensatz zu den Feststellungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem sog. "Raketen-Urteil" vom 18.12.1984 19 in bezugauf den Bundestag getroffen hat. Wie es in dem Urteil heißt, liegt die Führung der Geschäfte des auswärtigen Verkehrs grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Bundesregierung, während dem Bundes17 Die deutschen Länder in der EG-Politik: verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Die Deutschen Länder . .. (Fn. 1), S. 169, 174 ff. 18 Vgl. etwaS. Hendrichs, Rdziff. 11 zu Art. 50, in: I. v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 1983; J. Jekewitz, Rdziff. 1 zu Art. 50, in: Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1984; Th. Maunz, in: Maunz!Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Rdziff. 12 zu Art. 50; K.-H. Seifert, Rdziff. 1 zu Art. 50, in: Seifert/Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1985; zweifelnd nur F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auf!., Bd. II, 1964, Er!. II 4 zu Art. 50, S. 1012 f. 19 BVerfGE 68, 1; dazu D. Rauschning, Organstreit zur Nachrüstung - BVerfGE 68, 1, JuS 1985, S. 863 ff.
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tagnur partielle Mitwirkungsrechte zustehen, die in Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sowie den übrigen Verfassungsbestimmungen über die parlamentarische Kontrolle jeweils in spezifizierter Form aufgeführt sind20• Zwar steht dem Bundestag keine so umfassende Kompetenzklausel zur Seite, wie sie in Art. SO GG niedergelegt ist. Auch im Verhältnis zum Bundesrat gilt aber der Kernsatz aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichts, daß nach der vom Grundgesetz statuierten gewaltenteilenden Ordnung .staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden (sollen), die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen" 21 • Für die auswärtigen Beziehungen insgesamt ist dieses Organ offensichtlich die Bundesregierung. Damit soll nun nicht ohne weiteres gesagt sein, daß im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft keinerlei Besonderheiten gelten könnten. Die These aber, Art. SO GG bilde für den Bundesrat ein Füllhorn von im einzelnen unbenannten Mitwirkungsrechten, die es nur zu entdecken und auszuschöpfen gelte, ist in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar22• 2. Die Kompetenzverluste der Länder. Welche Kompetenzeinbußen die Länder bisher infolge der europäischen Integrationsbewegung erlitten haben, läßt sich leichter prinzipiell als dem tatsächlichen Ausmaß nach umreißen. Es ist allgemein bekannt, daß sich diese Verluste im wesentlichen in zwei Gruppen aufgliedern. a) Selbstverständlich beraubt jede Art von Gemeinschaftsgesetzgebung den Bundesrat der Möglichkeit, sei es im Wege des Einspruchs oder der Zustimmung (bzw. der Verweigerung einer Zustimmung), an einer entsprechenden Bundesgesetzgebung über die jeweils in Rede stehende Sachmaterie mitzuwirken. Insofern befindet sich der Bundesrat in keiner anderen Lage als der Bundestag. Mit dieser Feststellung ist die bislang spürbarste Schwäche des europäischen Einigungswerkes berührt. Sowohl das föderale als auch das demokratisch-parlamentarische Element werden geschwächt, weil die Rechtsetzung im Rat den vereinigten europäischen Exekutiven anvertraut ist. Insgesamt bilden diese Einbußen an Organkompetenz die Folge des primären Verlustes an Verbandskompetenz. Auf den in die Gemeinschaftszuständigkeit überführten Gebieten hat die Bundesrepublik ein souveränes Selbstentscheidungsrecht gegen bloße legislative Partizipationsrechte eingetauscht, deren geographische und personelle Tragweite sich freilich weit über die Bundesrepublik hinaus erstreckt. Ebd., S. 83-86. Ebd., S. 86. 22 Kritisch auch der Diskussionsbeitrag von U. Everling, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 1), S. 201 f. Nach Jasperl (Fn. 15), S. 18, ist .Artikel 50 des Grundgesetzes ... für den Bereich der Gemeinschaftsgesetzgebung ersatzlos entfallen"; ebenso U. Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 170. 20 21
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b) Weniger einfach läßt sich für den nicht der Ministerialbürokratie angehörenden Außenseiter beurteilen, in welchem Ausmaß die Gemeinschaft in Bereichen der ursprünglichen Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesländer tätig geworden ist23• Bereits in der Verordnung Nr. 1612/6824 war vor fast zwanzig Jahren zutage getreten, daß die Freizügigkeit Ausstrahlungswirkungen in den Bildungsbereich hinein hat (Art. 12). Durch das Gravier-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13.2.198525 haben diese zunächst eher marginal erscheinenden Einbrüche an Gewicht und Bedeutung gewonnen26. In der Medienpolitik hat sich seit einer Reihe von Jahren ganz offen der Grundsatzkonflikt zugespitzt, ob Rundfunk und Fernsehen eher als Erscheinungen der Kultur oder solche des Wirtschaftslebens aufzufassen sind27• Neuerdings werden überdies die Weichen auch ganz unvermittelt in Richtung Kulturgemeinschaft gestellt28, ohne daß freilich schon viel an handfesten Ergebnissen vorzuweisen wäre. Ein zweites Einfallstor für Gemeinschaftsaktivitäten läßt sich mit dem Stichwort .Umweltschutz" umreißen. Seit den siebziger Jahre ist die Gemeinschaft, gestützt auf die Art. 100 und 235 EWGV, vor allem durch den Erlaß von wasserrechtlichen Regelungen tätig geworden. Die Einheitliche Europäische Akte hat nun endlich dem Umweltschutz eine eigene, allerdings entgegen den Festlegungen in den Gesetzgebungskatalogen des Grundgesetzes generalklauselartig gefaßte Ermächtigungsgrundlage gegeben (Art. 130 r), so daß künftig mit verstärkten 23 Hinweise auf die Verlustposten in der Stellungnahme des Bundesrates vom 16.5.1986, BR-Drs. 150/86; eine Übersicht über die Auswirkungen der Einheitlichen Europäischen Akte gibt M. Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der europäischen Integration, JöR N. F. 35 (1986), S. 83, 87 f. Erstmals findet sich eine solche Liste bei K. Oberthür, Die Bundesländer im Entscheidungssystem der EG, Integration 2/78, S. 58 f. 24 Vom 15.12.1968, ABlEG 1968, Nr. L 257/2 (mit späteren Änderungen). 25 EuGH, Slg. 1985, S. 606. 26 Dazu jüngst Th. Oppermann, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung, 1987; K. Sieveking, Europäisierung der Bildungspolitik?, ZAR 1987, s. 99 ff. 27 Vgl. einerseits das Grünbuch der Kommission unter dem Titel.Fernsehen ohne Grenzen·, KOM (84) 300 endg. sowie ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit, vom 30.4.1986, KOM (86) 146 (endg.), ABlEG Nr. C 179/4, andererseits den Beschluß des Bundesrates vom 20.2.1987, BR-Drs. 259/86, Ziff. 1: .nicht hinnehmbare(r) Eingriff in den Kernbereich ihrer Rundfunkhoheit". Aus dem Schrifttum vgl. etwa H. D. Jarass, EG-Recht und nationales Rundfunkrecht Zugleich ein Beitrag zur Reichweite der Dienstleistungsfreiheit, EuR 1986, S. 75 ff.; J. Schwarze (Hrsg.), Fernsehen ohne Grenzen, 1985; 1. E. Schwartz und A. Scharf, Fernsehen ohne Grenzen -Die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, in: S.Magiera (Hrsg.), Entwicklungsperspektiven der Europäischen Gemeinschaft, 1985, S. 121 ff. 28 Vgl. C. Ripa di Meana, Aktionen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich, EG-Magazin, Sept. 1987, S. 16 f.
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Gemeinschaftsaktionen gerechnet werden kann29• Ganz auf die Zukunft hin orientiert ist die sog.•Technologiegemeinschaft", welche die Einheitliche Europäische Akte als Unterbau eines vollendeten Binnenmarktes anvisiert (Art. 130 f ff.): es läßt sich nicht ausschließen, daß die Verwirklichung dieser speziellen Ausprägung der Gemeinschaft zu Eingriffen in den Hochschulbereich führt, obwohl hier wohl eher an die Errichtung eines sektoralen Finanzausgleichssystems gedacht worden ist. Was den Bereich der Verwaltungszuständigkeiten angeht, so können schließlich die Subventionsverbote der Art. 4 Abs. c EGKSV, 92 ff. EWGV den Bundesländern ein bedeutsames Instrument der Regionalpolitik aus der Hand schlagen, und die Konsolidierung des Regionalfonds durch den neuen Art. 130 c EWGV hat den Verdacht aufkeimen lassen, daß künftig die Regionalpolitik generell als eine ausschließliche Gemeinschaftsangelegenheit betrachtet werden soll. Es sind wohl vor allem die Einwirkungen auf diese zu den Säulen der Länderstaatlichkeit rechnenden Sachgebiete, welche Ängste genährt haben, die Länder könnten nun auch noch innerhalb ihrer letzten Verteidigungsbastionen depossediert werden. Denn ihrem tatsächlichen Gewicht nach lassen sich die bisher von Brüssel ausgegangenen Normierungen kaum als dramatisch bezeichnen. 3. Analyse der Kompetenzverluste. a) Versucht man, den Gründen für die auch zu Lasten der Länder eingetretenen Kompetenzverluste nachzuspüren, so trifft man zunächst auf die raison d'etre der Gemeinschaft überhaupt, die darin besteht, daß bestimmte Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg nicht mehr im engen nationalstaatliehen Rahmen bewältigt werden können. Man sollte aber gerade in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß die Gemeinschaft beileibe nicht die einzige Internationale Organisation ist, über die Sachzwänge der grenzüberschreitenden Agenden auf die Bundesrepublik einwirken. Selbst die in der Bundesrepublik gegenwärtig so unbeliebten Vereinten Nationen sind zum Ausgangspunkt und Antriebsmotor für vielfältige Rechtsvereinheitlichungsbestrebungen geworden. Ein Gleiches gilt für einige der VN-Sonderorganisationen, für die OECD oder etwa den Europarat Zwar steht keiner dieser Organisationen eine Befugnis zur Rechtsetzung mit unmittelbarer Durchgriffswirkung auf den Bürger zu. Gleichwohl läßt sich nicht verkennen, daß häufig die Debatte abgeschlossen ist, wenn im internationalen Raum eine Einigung erzielt worden ist. Es bleibt dann auf der nationalen Ebene zwar noch die Umsetzung in Rechtsakte der staatlichen Rechtsordnung zu leisten, doch lassen sich dabei keine wesentlichen eigenen Entscheidungen mehr treffen. Im übrigen ist augenfällig, daß gerade auf dem Gebiet des Umweltschutzes zuvor schon eine Kompetenzverlagerung von den Ländern hin zum Bund stattgefunden hatte. Wenn sich ein ähnlicher Vorgang jetzt im Verhältnis der Länder zur Gemeinschaft wiederholt, so 29 Dazu M. Zuleeg, Vorbehaltene Kompetenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiete des Umweltschutzes, NVwZ 1987, S. 280 ff.
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zeigt dies, daß eben gravierende Umweltgefahren sich wirksam nur in einem weiteren Rahmen bekämpfen lassen. b) Eigentlich an die erste Stelle würde wohl die Existenz des Gemeinsamen Marktes als Grunddatum gehören. Bejaht man im Prinzip, daß im gesamten Gebiet der zwölf Mitgliedstaaten Güter, Menschen und Kapital frei sollen zirkulieren können, so ergibt sich aus diesem Axiom eine ganze Fülle von notwendigen Konsequenzen. Denn der Gemeinsame Markt ist keine Selbstverständlichkeit. Er muß gesichert und gewährleistet werden und verlangt in diesem Sinne nach vielfältigen regelnden Eingriffen. c) Unauflösbar mit der Existenz des Gemeinsamen Marktes ist auch das Prinzip der Gleichbehandlung aller EG-Staatsangehörigen verbunden, wie es in Art. 7 EWGV seinen generellen Niederschlag gefunden hat. Die Freizügigkeit, im weitesten Sinne verstanden, muß Rückwirkungen im gesamten Bereich des Bildungswesens äußern. Es liegt etwa auf der Hand, daß EG-Ausländern, die sich in der Bundesrepublik niedergelassen haben, die gleichen Bildungs- und Ausbildungschancen geboten werden müssen wie den Deutschen, da sie sonst nur einen wenig attraktiven minderen Status genießen würden. Zieht man zusätzlich in Betracht, daß Gleichheit keine formale Position nur ist, sondern in einem materiellen Sinne verstanden werden muß, so wird deutlich, daß das Gemeinschaftsrecht erhebliche Anforderungen an die Gesetzgebung der Bundesländer stellen kann. Andererseits sollte man aber auch diese Einbrüche der Gemeinschaftsgewalt in die Kulturhoheit der Länder nicht überdramatisieren. Von einer echten Vergemeinschaftung der Schul- und Hochschulpolitik kann nicht die Rede sein, da sich eben der Zugriff der Gemeinschaft auf die enge Perspektive der Herstellung von Gleichheit beschränkt30• Auch hier wieder wird die Erinnerung an einen ähnlichen Vorgang im Verhältnis zwischen Bund und Ländern wach. Die Dominanz der Grundrechte des Grundgesetzes ist derart überwältigend, daß von ihnen nicht nur die Landesgrundrechte weitgehend aus dem Felde geschlagen worden sind, sondern auch die Landesgesetzgebung in eine unitarische Richtung gewiesen worden ist. Der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz kann wegen seiner Beschränktheit nicht die gleiche Breitenund Tiefenwirkung äußern wie der Grundrechtsteil des Grundgesetzes. In gewisser Weise bestätigt aber auch er die These, daß Gleichheitspostulat und Sozialstaatsgebot die wichtigsten Antriebskräfte sind, die auf eine Einebnung regionaler Differenzierungen hindrängen 31 • 30 So etwa jüngst der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, vom 13.5.1986, ABlEG Nr. C 143/7, und dazu R. Wägenbaur, Neue Wege zur Anerkennung der Hochschuldiplome - Die Verwirklichung der Freizügigkeit in der Gemeinschaft-, EuR 1987, S. 113 ff. 31 Im deutschen Staatsrecht ist dies eine seit langem feststehende Erkenntnis, vgl. etwa P. Badura, Staatsrecht, 1986, Nr. D 67, S. 222; M. Bothe, Rdziff. 28 zu Art. 20 Abs.
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Soweit die Herrschaftsansprüche der Gemeinschaft sich auf die vorstehend skizzierten Grundgedanken zurückführen lassen, wird man sie kaum als illegitim zurückweisen können. Die Länder müssen sich der Erkenntnis fügen, daß durch den Eintritt der Bundesrepublik in die Gemeinschaft ein Prozeß ausgelöst worden ist, der in seiner Ausrichtung auf einen einheitlichen Wirtschaftsraum gewisse dynamische Züge aufweist. Eine Zentralisierung allerdings, die jedes Augenmaß für sachliche Notwendigkeiten verlieren würde, könnte kaum gutgeheißen werden. Je nach dem Standpunkt des Betrachters bestehen hier Grenzzonen, über deren rechtliche Zuordnung sich mit guten Gründen streiten läßt. 4. Folgerungen. Es gilt nun, aus dem aufgezeigten Befund konkrete Folgerungen für die institutionelle und materiell-rechtliche Verbindung zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip zu ziehen. a) Das in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen vorgesehene Unterrichtungsverfahren, dessen Nutznießer Bundestag und Bundesrat sind, ist erst jüngst wieder durch das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte (Art. 2 Abs. 1) bekräftigt worden. Seine verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit steht außer Frage, zumal die Bundesregierung nach Art. 53 Satz 3 GG ohnehin gehalten ist, den Bundesrat jederzeit über die Führung ihrer Geschäfte auf dem laufenden zu halten. Aber die Unzufriedenheit mit dieser Art der Beteiligung an Gemeinschaftsangelegenheiten ist wohl allgemein32 • Nicht nur leidet der Bundesrat an seiner ingesamt schwachen institutionellen Stellung. Schwierigkeiten bereitet in aller Regel auch die zeitliche Koordinierung. Stellungnahmen des Ländergremiums lassen sich häufig nicht mehr in den Entscheidungsprozeß einbringen. Überdies reicht die Masse des eingehenden Materials in so gewaltige Dimensionen hinein, daß zunächst einmal Auswahl und Gewichtung not tun. Diesem Unbehagen Ausdruck verleihend, hat jetzt das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte der Bundesregierung zur Auflage gemacht, den Bundesrat .umfassend" über alle jene Vorhaben zu unterrichten, .die für die Länder von Interesse sein könnten". Damit liegt jetzt wohl die Last einer sinnvollen Akzentsetzung bei der Bundesregierung, die sich nicht mehr damit begnügen kann, dem Bundesrat die anfallenden Unterlagen tels quels zu übersenden, sondern diese unter Erläuterung in ihrem politischen Kontext vorzustellen hat. Es bleibt freilich, daß die bloße Information für ein Gremium, das ohne die Existenz der Gemeinschaft 1-3, in: Alternativ-Kommentar, Bd. 1, 1984, S. 1256;Hesse, Grundzüge ... (Fn. 3), S. 86 Rdziff. 220; Kimminich (Fn. 2), S. 1147 f.; Scheuner (Fn. 4), S. 425; ders., Kooperation und Konflikt. Das Verhältnis von Bund und Ländern im Wandel, DÖV 1972, S. 585 ff., hier zitiert nach dem Abdruck in: U. Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht. Gesammelte Schriften, 1978, S. 399, 411. 32 Vgl. das oben in Fn. 15 aufgeführte Schrifttum.
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durchweg mitentscheiden würde, nur einen matten Abglanz früherer Herrlichkeit bietet, selbst wenn die erlangten Kenntnisse erforderlichenfalls zu einer Stellungnahme an die Adresse der Bundesregierung genutzt werden können. b) Die Neuregelung, die durch den Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz vom September 1979 getroffen worden war33, ist durch das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte im wesentlichen überholt und soll daher hier nicht gesondert gewürdigt werden. Freilich ist der Briefwechsel in den meisten Punkten sehr viel ausführlicher gehalten als die neue gesetzliche Vorschrift, so daß er als Konkretisierung der nunmehr maßgebenden Regelung weiterhin eine nicht unerhebliche Bedeutung behalten wird. c) aa) Den Hintergrund des in Art. 2 Abs. 2 EEAG vorgesehenen Konsultationsverfahrens bildet das Prinzip der Bundestreue34• Wenn von der Wahrnehmung der Befugnisse der auswärtigen Gewalt gravierende Rückwirkungen auf Länderkompetenzen ausgehen, so muß in der Tat der Bund Rücksicht auf die beeinträchtigten Länderbelange nehmen. Das geschieht am besten in der Weise, daß den Betroffenen selbst das Wort gegeben wird. Im Einklang mit dem Briefwechsel von 1979 nennt Art. 2 Abs. 2 EEAG zwei Fallkonstellationen, bei deren Vorliegen der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten soll. Es handelt sich um Gemeinschaftsvorhaben, die entweder ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder die deren wesentliche Interessen berühren. Diese Doppelformel erscheint zweckmäßig und sachgerecht, da ja die Länder nicht nur Einbußen an Legislativhoheit zu befürchten haben, sondern auch in anderer Weise in Mitleidenschaft gezogen sein können. Insbesondere können für sie die Vollziehungsmodalitäten gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte von Bedeutung sein. Weil die Grundregel des Art. 83 GG auch insoweit Anwendung findet, wird grundsätzlich das Gemeinschaftsrecht, soweit seine Durchführung nicht ausnahmsweise in die Hände der Kommission oder von Bundesbehörden gelegt ist, von den Ländern vollzogen. Unnötige Verfahrenskomplikationen etwa sind geeignet, finanzielle Belastungen zu verursachen, die sich möglicherweise noch während des Rechtsetzungsprozesses durch den Hinweis auf ausgewogenere Regelungen abwenden lassen. Im übrigen läßt sich Vgl. oben Fn. 16. So zu Recht Ress (Fn. 12), S. 556; H. Risse, Deutsche Kleinstaaterei oder europäische Integration?, 1987 (bisherunveröff.), S. 13; differenzierend Grabitz (Fn. 17), S 175. Früher schon in ähnlichem Sinne A. Bleckmann, Mitwirkung der Länder der Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, RIW 1978, S. 144, 147; Fastemath (Fn. 22), S. 168 f.; Grabitz (Fn. 15), S. 24; Tomuschat (Fn. 12), Rdziff. 106 (m.w.N.); H.-J. Vogel, Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Benda I Maihafer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 809, 852. 33
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auch generell feststellen, daß wesentliche Interessen vor allem durch finanzwirksame Bestimmungen beeinträchtigt werden können35. bb) Nicht so einfach in das Gebäude der verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien läßt sich die Bestimmung des Art. 2 Abs. 3 Satz 2 EEAG einfügen, wonach die Bundesregierung von einer Stellungnahme des Bundesrates zu einem ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffenden Gemeinschaftsvorhaben nur abweichen .darf", wenn dies aus .unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen" gerechtfertigt ist. Dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift nach ist hier eine Bindung der Entscheidungsfreiheit der Bundesregierung intendiert. Zwar mag es zutreffen, daß der Tatbestand der relevanten Gründe der Bundesregierung einen weiten Spielraum der politischen Einschätzung eröffnet, so daß sich kaum von einem justitiablen Rechtsbegriff sprechen läßt36 - der auch schon deswegen als Norm der einfachgesetzlichen Rangstufe der Justitiabilität entbehren muß, weil der Antragsteller im Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht nur geltend machen kann, daß er in seinen "ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten" beeinträchtigt sei (§ 64 Abs. 1 BVerfGG). Aber es bleibt doch die Tatsache bestehen, daß hier der Versuch gemacht worden ist, durch einfaches Gesetz ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Verfassungsorganen näher auszugestalten und zu Lasten der Bundesregierung ein Element der checks and balances einzuführen, von dem jedenfalls ausdrücklich an keiner Stelle des Grundgesetzes die Rede ist. Der politische Hintergrund für das Zustandekommen der Regelung ist bekannt. Es ging im Dezember 1986 darum, durch die Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes innerhalb der Bundesrepublik die Voraussetzungen für das zum 1. Januar 1987 vorgesehene Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte zu schaffen. Diesen Termindruck konnte die Länderkammer um so geschickter ausnutzen, als nach wohl zutreffender Auffassung das Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG auch im Sinne des Gegensatzes zum bloßen Einspruchsgesetz ein Zustimmungsgesetz war37 • Vgl. Morawitz (Fn. 15), S. 64. So Grabitz (Fn. 17), S. 178; ähnlich der Hinweis von Sehröder (Fn. 23), S. 96, auf die .Einschätzungsprärogative" der Bundesregierung; dagegen W. Neumeyer, Diskussionsbeitrag, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 1), S. 198. 37 So Grabitz (Fn. 17), S. 172, unter Hinweis auf die Neufassung des Art. 99 EWGV durch Art. 17 EEA; unzutreffende Erwägungen stellt dazu an A. Weber, Die Bundesländer und die Reform der Gemeinschaftsverträge, DVBl. 1986, S. 800, 804. Nach einer Äußerung von Staatsminister Stovenhagen in der 564. Sitzung des Bundesrates am 16.5.1986, Sitzungsberichte S. 301 (A), abgedruckt auch in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 1), S. 265, hat die Bundesregierung die Zustimmungsbedürftigkeit .aus Achtung vor dem gesamtpolitischen Gewicht des Verfassungsorgans Bundesrat bejaht"(?). Zweifel werden auch angedeutet von R. Hellwig, Die Rolle der Bundesländer in der Europa-Politik, EA 1987, S. 297. 35 36
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Trotz der deutlich geäußerten Vorbehalte zu dem Bundesratsvorschlag38 ließ sich die Bundesregierung daher letzten Endes, wenn auch widerstrebend, darauf ein, die föderale Fessel ihrer außenpolitischen Handlungsfreiheit zu akzeptieren 39. Allerdings wurden einige der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen Formulierungen abgemildert. Es klingt wie eine triviale Selbstverständlichkeit, wenn man feststellt, daß das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat durch die Verfassung, d. h. das Grundgesetz, festgelegt wird. Anders als in einer Reihe von Vorschriften, wo dem Gesetzgeber ausdrücklich die nähere Regelung eines im Verfassungstext nur in seinen Grundzügen definierten Rechtsinstituts aufgetragen wird (vgl. etwa Art. 21 Abs. 2, 38 Abs. 3, 94 Abs. 2 GG), sieht das Grundgesetz in seinen Abschnitten über die Verfassungsorgane des Bundes an keiner Stelle vor, daß dem Gesetz eine mit konstitutiver Wirkung konkretisierende oder komplettierende Rolle im Hinblick auf die Interorganbeziehungen zufallen könnte. Soweit ersichtlich, sind solche Gesetze außer in dem hier zur Debatte stehenden Zusammenhang auch bisher niemals ergangen40 • Das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte stellt insofern mit seinem auf die Bundesregierung abzielenden Bindungsanspruch ein Novum dar, das gerade wegen seiner Singularität höchst sorgsamer Betrachtung bedarf. Gesteht der Verfassunggeber dem einfachen Gesetz eine Komplementärfunktion nicht zu, so ist es einem solchen Gesetz, das nicht den Anforderungen des Art. 79 GG genügt, prinzipiell verwehrt, das gegenseitige Verhältnis zwischen den Verfassungsorganen durch Zusätze zu modifizieren. Die Regelung des heiklen Gleichgewichts zwischen den obersten Bundesorganen stellt im materiellen Sinne ein genuin verfassungsrechtliches Sachgebiet dar. Der Verfassunggeber hat speziell für diese Interorganbeziehungen eine abschließende Normierung getroffen, die wegen des Vorrangs der Verfassung dem einfachen Gesetz unzugänglich bleibt. Der Ausschließlichkeitsanspruch der Bestimmungen des Grundgesetzes läßt sich auch aus der Erwägung erklären, daß jedenfalls der einfache Gesetzgeber bei dem Erlaß von Vorschriften über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Verfassungsorganen in gewisser Weise Partei ist. Institutionell gesehen müßte er stets der Versuchung unterliegen, seinen Aktionskreis zu erweitern, wenn 38 Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 16.5.1986, vom 12.11.1986, BT-Drs. 10/6418, S. 2, zu Abs. 3, auch abgedruckt in: Die Deutschen Länder ... (Fn. 1), S. 290, 293. 39 Zu der .Erpressungssituation" mit unüberbietbarer Deutlichkeit G. Einert, Diskussionsbeitrag, in: Die Deutschen Länder . .. (Fn. 1), S. 84, 85. 40 Auch der von Schmidhuber, Bundestag, 10. WP, 246. Sitzung vom 13.11.1986, S. 18981 (C) gegebene Hinweis auf§ 64 Abs. 2 BHO ändert an diesem Befund nichts, da in Art. 109 Abs. 3 GG von vornherein dem Gesetz eine ergänzende Rolle zugewiesen
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es ihm gestattet wäre, sein übliches Handlungsinstrument, das Gesetz, auch hier einzusetzen. Grundsätzlich muß man also feststellen, daß nur auf dem Wege über Art. 79 GG neue Rechte und Pflichten der Verfassungsorgane in ihrem gegenseitigen Verhältnis begründet werden können. Freilich darf man bei diesem Ergebnis nicht stehenbleiben. Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind holzschnittartig allgemein gehalten, und die Rechtsanwendung verlangt durchweg nach einem viel höheren Grade an Präzision, als sie der Verfassungstext selbst zu bieten vermag. Im Verhältnis zwischen den Verfassungsorganen bilden sich daher vielfach gewisse Bräuche und Praktiken heraus, ohne deren Leitbilder es im Rechtsalltag immer wieder zu Auseinandersetzungen kommen müßte. Eindeutig ist allerdings, daß solche Verhaltensmuster stets auf der faktischen Ebene bleiben und nicht die Kraft des Rechtssatzes erlangen 41 . Ähnliches gilt ferner für kompromißhafte Absprachen wie insbesondere das Lindauer Abkommen42 , die nicht in der Lage sind, die durch das Grundgesetz selbst gezogenen Kompetenzgrenzen zu verwischen oder zu verschieben, selbst wenn man annehmen muß, daß bei einem Streitfall heute das Bundesverfassungsgericht die langjährige Praxis in seine Überlegungen einzubeziehen hätte. Zu kurz greifen schließlich auch die zahlreichen Regelungen in den Geschäftsordnungen der Bundesorgane, die jeweils nur für den eigenen Innenraum gelten, ohne in der Lage zu sein, Dritten bindende Verpflichtungen aufzuerlegen43• Nur durch Gesetz lassen sich Wirkungen erzeugen, die einerseits unbezweifelbarer normativer Natur sind und andererseits den Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit erheben können. Da einerseits ein objektiv feststellbares Bedürfnis nach Rechtsklarheit und -sicherheit besteht und andererseits das Gesetz das einzige Handlungsinstrument bildet, welches dieses Bedürfnis zu befriedigen vermag, wird man letzten Endes keine durchschlagenden Bedenken dagegen erheben können, daß der einfache Gesetzgeber sich zu den gegenseitigen Beziehungen zwischen den Verfassungsorganen vorwagt und dort jedenfalls rein deklaratorisch Rechtsaussagen formuliert, die sich bei genauer Analyse bereits aus dem Grundgesetz selbst ergeben. In diesem Sinne kommen als Rechtfertigung für Art. 2 Abs. 3 Satz 2 EEAG sowohl der Gedanke der Kompensation wie auch das Prinzip der Bundestreue in Betracht. Fast nirgendwo taucht heute bei verfassungsrechtlichen Erörterungen das Stichwort .Kompensation" so häufig auf wie gerade im Zusammenhang mit 41 Die Staatspraxis stellt allerdings ein gewichtiges Auslegungselement dar, vgl. BVerfGE 33, 125, 153; 42, 20, 29; 61, 149, 175 ff.; 64, 72, 80; 68,319, 329; zum ganzen auch Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972, S. 133 ff. 42 Abgedruckt bei: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 32 Rdziff. 45, sowie bei Fastenrath (Fn. 22), S. 277. 43 BVerfGE 1, 144, 148.
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den Substitutionsbefugnissen, die dem Bundesrat durch die geschilderten Rechtsakte zuerkannt worden sind44 • Dabei ist schon zweifelhaft, ob mit Kompensation ein Argument de lege lata oder lediglich eine rechtspolitische Wünschbarkeil bezeichnet wird. Ohne sich auf Anhaltspunkte im Text des Grundgesetzes stützen zu können, stellen die Befürworter dieses Gedankens durchweg die These auf, daß der vom Bundesrat erlittene Substanzverlust in irgendeiner zweckmäßigen Weise wettgemacht werden müsse 45• Entgegenhalten läßt sich dieser Erwägung zunächst, daß dem Grundgesetz als starrer Verfassung der automatische Umschlag irgendwelcher tatsächlicher Entwicklungen in verfassungsrechtliche Konsequenzen durchaus fremd ist, soweit sich nicht solche Bewegungen im üblichen Interpretationsrahmen auffangen und so in die Praxis einbringen lassen46• Eine Kompensation gewähren heißt ja nichts anderes, als vom gegebenen Regelzustand abzuweichen und das ineffektiv gewordene Instrumentarium durch ein besseres zu ersetzen, das den neuen Realitäten angepaßt ist. Dem in Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG verlautbarten Willen des Grundgesetzes entspricht es eher, solche normativen Reaktionen nur als Verfassungstextänderungen, das heißt im Wege der verfassungsändernden Gesetzgebung, zuzulassen47 • Für ein förmliches Verfahren sprechen auch im konkreten Problemzusammenhang eine Reihe gewichtiger Gründe. Wie nämlich eine Kompensation zugunsten der Länder beschaffen sein sollte und ob sie überhaupt in Betracht kommt, läßt sich durchaus unterschiedlich beantworten. Zunächst 44 Erörtert wird das Kompensationsmodell aber für alle Fälle, wo ein Hoheitsträger der unteren Ebene durch Mitwirkungsrechte auf einer höheren Ebene entschädigt werden soll; dies gilt für die Gemeinden - dazu etwa W. Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 171, 245 ff.; R. Grawert, ibid., S. 277, 291 f.; H. Faber, Rdziff. 20 zu Art. 28 Abs. 111/Abs. 2, in: Alternativ-Kommentar, Bd. 2, 1984; Klein (Fn. 13), S. 664 f.- oder die Bundesländer in ihrem Verhältnis zum Bund, vgl. etwa Bothe, Rdziff. 35 zu Art. 20 Abs. 1-31, in: Alternativ-Kommentar, Bd. 1, 1984; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 1, 20 ff.; Klein (Fn. 13), S. 663 f. 45 So besonders eingehend Schwan (Fn. 15), S. 106 f., und Rudolf (Fn. 16), S. 128 f. Vgl. im übrigen J. H. Kaiser, Anhörung in der Sitzung des Ständigen Beirats des Bundesrates vom 6.11.1985, Sten. Protokoll, S. 10; G.-B. Oschatz/H. Risse, Europäische Integration und deutscher Föderalismus, EA 1988, S. 9, 14; R. Scholz, Einheit in der Vielfalt. Aktuelle Strukturfragen im deutschen Föderalismus, Die politische Meinung 32 (1987), Heft 232, S. 11, 15; Ziller (Fn. 15), S. 101 f. 46 In diesem beschränkten Sinne wird der Kompensationsgedanke bejaht von Ress (Fn. 12), S. 555 f., und Tomuschat, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), S. 7, 37 f., und aaO (Fn. 12), Rdziff. 106 (Grundlage für Information und Konsultation). 47 Diesen Weg befürwortet auch Sehröder (Fn. 23), S. 101. Eine Verfassungsänderung halten im übrigen für notwendig Kaiser (Fn. 45), S. 69, und Ress, Das Deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte- Ein Schritt zur .Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, S. 361, 367.
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greift jede Kompetenzverschiebung, die in Anknüpfung an die Übertragung von Hoheitsrechten die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung modifizieren würde, in erprobte Entscheidungsmechanismen ein. Ob nicht durch eine Bindung der Bundesregierung an Beschlüsse des Bundesrates die Integrationsfähigkeit der Bundesrepublik so nachhaltig gestört werden könnte, daß damit nicht nur Gemeinschaftsrecht verletzt würde (Art. 5 EWGV), sondern gleichzeitig auch das in Art. 24 GG verkörperte Prinzip der Offenheit der Staatsverfassung, bedarf gründlicher, auch empirischer Überprüfung und läßt sich keineswegs im Handumdrehen beantworten. Eine nachhaltige Hemmung oder gar Blockierung der Entscheidungsverfahren kann weder die Gemeinschaftsrechtsordnung akzeptieren, noch läßt sie sich mit dem Bekenntnis des Grundgesetzes zu Europa vereinbaren48• Weiter stellt sich gerade im Hinblick auf die ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder sehr eindringlich die Frage, wem eigentlich von Rechts wegen eine Kompensation gewährt werden sollte, ob den Ländern als den .Integrationsopfern" selbst oder dem Bundesrat als einer Art von Treuhänder der Länderbefugnisse. Der Systematik des Grundgesetzes entspricht es eigentlich wenig, dem Bundesrat hier eine Sachwalterrolle zuzusprechen, denn er stellt ein Bundesorgan dar und stützt sein Handeln demgemäß durchweg auf Bundeskompetenzen. Dennoch ist leicht zu verstehen, weshalb das Verfahren aus dem Jahre 1979, das eine Unterrichtung der Länder vorsah und deren Standpunkt für maßgeblich erklärte, speziell in diesem Punkt revidiert worden ist. Denn die Länder, soweit sie nicht der Bundesgewalt unterliegen, stehen untereinander in keinem politischen Verbundverhältnis, welches Mehrheitsentscheidungen zulassen würde49• Mit anderen Worten, eine in die Waagschale zu werfende Länderposition vermag sich unter diesen Umständen nur dann herauszubilden, wenn sämtliche Regierungen einer Meinung sind50. Nach der Lösung, wie sie in Art. 2 Abs. 3 EEAG ihren Niederschlag gefunden hat, kann andererseits im Grenzfall das Votum der Länderkammer sogar von einer Minderheit der Länder bestimmt werden 51 . Trotzdem läßt sich die gefundene Lösung deshalb rechtfertigen, weil bei einem Handeln der Gemeinschaft in ursprünglichen Kompetenzbereichen der Länder diese sämtlich in gleicher Weise betroffen sind. Es geht daher 48 So zu Recht die Äußerungen der Bundesregierung vom 12.11.1986 (Fn. 38), II., Anfang. Ein bedrohliches Panorama zeichnet insoweit Hellwig (Fn. 37), S. 300 f. 49 BVerfGE 1, 299, 315; Stern (Fn. 10), S. 758. 50 Allen Berichten zufolge hat sich das Verfahren von 1979 gerade wegen der hierdurch bedingten Schwerfälligkeit nicht bewährt; vgl. H. Börner, Antrittsrede vor dem Bundesrat vom 7.11.1986, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1986, S. 1154, 1156; Hrbek, Die deutschen Länder in der EG-Politik, Außenpolitik 1987, S. 120, 127; Nass (Fn. 16), S. 290; Schmidt-Meinecke (Fn. 15), S. 24-28; vgl. auch Blumenwitz (Fn. 16), S. 227. 51 Zu dieser Diskrepanz auch BVerfGE 72, 330, 396.
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durchweg um eine generelle Abwägung zwischen Gemeinschafts- und Länderbelangen und nicht um die Berücksichtigung spezifischer Besonderheiten einzelner Bundesländer52 . Alle diese Ungereimtheiten zeigen aber, daß der Kompensationsgedanke zwar eine Leitlinie für eine künftige Verfassungsreform abgibt, aber doch für sich allein nicht ausreichend tragfähig ist, um die Bundesregierung zu Zugeständnissen hinsichtlich der ihr nach Art. 32 Abs. 1 GG zustehenden außenpolitischen Prärogative zu zwingen. Anders steht es mit dem Gedanken der Bundestreue, mit dessen Hilfe sich sehr viel flexiblere Lösungen erarbeiten lassen. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die Bundestreue als ein moderierendes Moment anerkannt, das im Bund-Länder-Verhältnis jeden der Beteiligten bei der Ausübung seiner Kompetenzen zwingt, auf die Belange der anderen Beteiligten Rücksicht zu nehmen 53• Von dieser Prämisse aus erscheint es nur folgerichtig, wenn der Bund den ihm zugewachsenen Integrationsgewinn nicht selbstherrlich wahrnimmt, sondern sich um eine Verständigung mit den Ländern bemüht, denen nach der innerstaatlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes die in Frage stehenden Hoheitsrechte ursprünglich zukommen sollten. Information und Konsultation auf den sowohl in dem Briefwechsel von 1979 wie auch dem Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte umrissenen Sachgebieten genießen also, wie bereits hervorgehoben, die volle Rückendeckung der Bundestreue. ·Eine andere Beurteilung verdient hingegen auch in diesem Lichte die in Art. 2 Abs. 3 EEAG postulierte Bindung an eine vom Bundesrat definierte Position. Die Erfordernisse der Bundestreue hat jedes Staatsorgan bei seinem Handeln selbst einzuschätzen. In keinem Falle zwingt die Bundestreue dazu, sich den Auffassungen eines potentiell betroffenen anderen Beteiligten zu unterwerfen54. Nur wenn man einschränkend davon ausgeht, daß lediglich eine Aufforderung an die Adresse der Bundesregierung ausgesprochen worden sei, doch wenn irgend möglich im Einklang mit den Wünschen des Bundesrates zu handeln, läßt sich daher Art. 2 Abs. 3 EEAG rechtfertigen 55• Die Vorschrift erscheint in diesem Lichte als eine Vorstufe zu Art. 2 Abs. 4 Zweifelnd insoweit Ress (Fn. 12), S. 557 f.; SehrödeT (Fn. 23), S. 95, 98 f. BVerfGE 43,291, 348; 61, 149, 205; vgl. ausdem Schrifttumetwaßadum (Fn. 31), Nr. D 81, S. 232; Stem (Fn. 10), S. 699 f.; Vogel (Fn. 34), S. 824 ff. 54 Zu Recht wird deswegen die Verfassungsmäßigkeit der mandatorischen Aussage des Art. 2Abs. 3 Satz 2 EEAG bezweifelt vonRess (Fn. 12), S. 556; de1s., aaO (Fn. 47), S. 364; kritisch auchHellwig (Fn. 37), S. 300, undMagiem, Diskussionsbeitrag, in: Die Deutschen Länder ... (Fn. 1), S. 134. 55 So die Interpretation der Bundesregierung in ihrer Äußerung vom 12.11.1986 (Fn. 38), die ganz offensichtlich mit dem Wortlaut der EEAG nicht im Einklang steht; unklar Schmidhubei (Fn. 40), S. 18981 (B). 52 53
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EEAG, demzufolge die Bundesregierung im Falle der Abweichung eine Begründung zu geben hat. d) Schon bisher wurde unterstellt, daß auch für die Wahrnehmung der Mitwirkungsbefugnisse im Rat Art. 32 Abs. 1 GG mit seiner Zuordnung der auswärtigen Gewalt zum Bund die maßgebende Bestimmung geblieben sei. Diese Aussage gilt es einerseits zu bekräftigen, andererseits aber auch zu differenzieren 56• aa) Die Regel, daß die Pflege der Beziehungen zu anderen Völkerrechtssubjekten Sache des Bundes ist, erwächst der Notwendigkeit, daß die Bundesrepublik nach außen hin mit einer Stimme spricht. Auch die Gemeinschaft entzieht sich dieser sachstrukturellen Vorgegebenheit des auswärtigen Verkehrs nicht, soweit es um die Entscheidungstindung im Rat geht. Denn in der Zentralinstanz der Gemeinschaft hat nach dem Fusionsvertrag von 1965 jeder Mitgliedstaat eine Stimme, die er durch ein Mitglied seiner Regierung abgeben lassen muß. Für Pluralität und Offenheit ist also an dieser Stelle kein Raum. Es trifft sicher zu, daß EG-Politik in weitem Umfang den Charakter von Innenpolitik angenommen hat, was wegen seiner Evidenz keines Beweises bedarf. Trotzdem hat sich die Gemeinschaft jedenfalls im Rat - anders als vornehmlich im Europäischen Parlament - die Struktur der Internationalen Organisation bewahrt. Der Staat Bundesrepublik muß seine Kräfte bündeln und kann nur ein einheitliches Votum abgeben. Föderale Vielfalt findet daher im Rat keinen geeigneten Nährboden57• bb) Im Hinblick auf den allgemeinen zwischenstaatlichen Verkehr wird Art. 32 Abs. 1 GG aber überwiegend in einem viel weitergehenden Sinne auch dahin verstanden, daß den Ländern - außer mit Ermächtigung des Bundes oder im Rahmen des Art. 32 Abs. 3 GG bei Vertragsverhandlungen - die Kontaktaufnahme mit fremden Staaten untersagt sei58. Was immer man von dieser strikten Deutung halten mag, sie kann in dieser Rigorosität jedenfalls nicht für die Beziehungen zur Gemeinschaft gelten, soweit ein Bundesland vor allem der Kommission gegenüber als von einer Maßnahme 56 Der Mangel vieler Aussagen besteht in der undifferenzierten Ablehnung des Art. 32 Abs. 1 GG; in diesem Sinne Einert (Fn. 39), S. 85; Kaiser (Fn. 45), S. 12 f., 44 f., und dazu Leitsätze vom 28.10.1985, Anlage 2 zur Anhörung vom 6.11.1985, S. 7; Ziller (Fn. 15), S. 100; vorsichtiger schreibt Scholz (Fn. 45), S. 17, die innerstaatliche Kompetenzabgrenzung passe auf das Verhältnis zur EG .nicht mehr vollständig". 51 So auch Fastenrath (Fn. 22}, S. 170; Nass (Fn. 16), S. 293; Ress (Fn. 12), S. 555; Sehröder (Fn. 23), S. 13; Tomuschat (Fn. 12), Rdziff. 100 m.w.N. 58 Dazu etwa 0. Rojahn, Rdziff. 22, 23 zu Art. 32, in: I. v. Münch, GrundgesetzKommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 1983; für eine sehr viel eingeschränktere Deutung, die insbesondere den Art. 32 Abs. 1 GG nicht auf Besuchsreisen erstreckt, haben sich jüngst Fastenrath (Fn. 22), S. 88 f., und Geiger (Fn. 12), S. 146, eingesetzt; so auch Borchmann, Auswärtige Aktivitäten der Bundesländer- Recht und Realität, Verwaltungsrundschau 1978, S. 1 ff.
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der Gemeinschaftsgewalt unmittelbar oder mittelbar Betroffener eigene Interessen geltend macht. Hier muß sich im übrigen auswirken, daß die Gemeinschaft ja der Bundesrepublik gegenüber kein fremdes Wesen darstellt. Wenn man ihren Hoheitsakten auf der einen Seite den staatlichen Innenraum geöffnet hat, so kann es auf der Gegenseite kein skandalon sein, daß die Länder den zuständigen Gemeinschaftsinstanzen gegenüber ihre speziellen Belange verfechten. Befürchtungen, daß sie mit Hilfe solcher Außenkontakte eine sonderbündische Politik betreiben und die staatliche Einheit in Gefahr bringen könnten, ist bei einem Gebilde wie der Gemeinschaft von vornherein der Boden entzogen. Die Gemeinschaft ist kein fremder Souverän, der wesensgemäß im Verdacht steht, partikularistische Bestrebungen in der Bundesrepublik für eigensüchtige Zwecke auszunutzen. Freilich: konterkarieren dürfen die Länder die Bundespolitik in keinem Falle. Innerhalb der angegebenen Grenzen dürfte aber die Errichtung von Länderbüros in Brüssel durchaus mit Art. 32 Abs. 1 GG vereinbar sein59. 5. Subsidiarität. Alles Nachdenken über Kompensationen für eingetretene Verluste sollte nicht den Blick dafür verstellen, daß die Substitution von Entscheidungsbefugnissen durch bloße Partizipationsrechte allemal ein schmerzlicher Vorgang ist. Viel besser würden die Länder fahren, wenn man auch in der politischen Praxis alltäglich das Subsidiaritätsprinzip beherzigte und die Gemeinschaft in jedem Einzelfall nur solche Aufgaben übernähme, die nach der Logik des Gemeinsamen Marktes zwangsläufig der übergeordneten Gemeinschaftsebene zuzuschlagen sind60. Ausdrücklich findet sich nach dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte das Subsidiaritätsprinzip jetzt in Art. 130 r Abs. 4 EWGV (vgl. auch Art. 130 g EWGV) im Zusammenhang mit der Umweltpolitik Es auch anderswo konsequent durchzusetzen, muß ein besonderes Anliegen der Länder sein. Man sollte es der Gemeinschaft nicht nachsehen, daß sie bei Fehlschlägen auf ihren Haupttätigkeitsfeldern in Seitenwege ausbricht, bei denen nicht nur die Anhindung an die Gemeinschaftskompetenz höchst fragwürdig ist, sondern 59 ZutreffendE. Schneider, Europäische Einigung -Erwartungen der Landesparlamente, Beitrag der Länder, in: Die Deutschen Länder .. . (Fn. 1), S. 57, 66-68; ablehnend Hellwig (Fn. 37), S. 302. Zurückhaltend hatten sich ursprünglich Stimmen aus Rheinland-Pfalz geäußert: Rudolf, Die Europäische Stiftung und die deutschen Bundesländer, in: Völkerrecht als Rechtsordnung. Internationale Gerichtsbarkeit. Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, 1983, S. 785, 807: .Ständige(n) Vertretungen der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften, die .. . de lege lata nicht zulässig wären"; B. Vogel, Gibt es eine Außenpolitik der Länder?, vervielfältigtes Manuskript eines Vortrages vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vom 19.2.1987, S. 13 ff. 60 Nachdrücklich betont in der Stellungnahme des Bundesrates vom 16.5.1986 (Fn. 23), vor allem in Ziff. 13. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Äußerung vom 12.11.1986 (Fn. 38) sogleich in der Eingangserwägung bereit erklärt, dieser Forderung nachzukommen.
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die auch kaum einen faßbaren Nutzen erhoffen lassen61 . Freilich läßt sich durchaus verstehen, daß die Länder in das Subsidiaritätsprinzip nur mäßige Hoffnungen setzen. Auch in der Bundesrepublik ist von Anbeginn an über Subsidiarität gesprochen worden - praktiziert hat man sie selten, fast nie.
111. Die europäische Integration ist zum Testfall für die Kraft des Bundesstaatsprinzips in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Gewiß sind die Länder durch die Gemeinschaft sehr viel weniger in Mitleidenschaft gezogen worden als durch den Expansionsdrang des Bundes in der Frühzeit der Verfassungsordnung des Grundgesetzes. Aber die von der Gemeinschaft erhobenen Ansprüche auf einzelne Splitter der Hoheitsgewalt der Länder treffen heute auf eine Front, die sich entschlossen zur Abwehr formiert hat. Prinzipiell kann man diese Skepsis nur gutheißen. Denn jedes auch noch so bemühte Kompensationsverfahren macht Einbußen an autonomer Bestimmungsgewalt nur unzulänglich wett. Information und Konsultation als Hauptformen der Mitbeteiligung an auf die Gemeinschaft bezogenen Willensbildungsprozessen gehören überdies einer Sphäre des Beamtenrechts an, der nichts mehr von jener Ursprünglichkeit der Entscheidung anhaftet, welche die Kernsubstanz der Staatlichkeil ausmacht. An dieser Mißlichkeil würde sich auch kaum etwas ändern, wenn im Einklang mit den Empfehlungen der Enquete-Kommission Verfassungsreform Forderungen verwirklicht würden, künftig die Übertragung von Hoheitsrechten der Länder von der Zustimmung des Bundesrates abhängig zu machen62 oder im Rahmen der Gemeinschaft eine Länder- bzw. Regionenkammer einzurichten5 3. Denn der Hauptaderlaß hat bereits stattgefunden. Auf absehbare Zeit hinaus wird die Gemeinschaft die einzige zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG von einigem Gewicht bleiben. Ähnliche oder gar weitergehende Zusammenschlüsse zeichnen sich in der politischen Landschaft m. E. trotz der Chimäre von der Politischen Union noch nicht einmal als konkrete Zukunftsvisionen ab64 • Die verstärkte Einbindung des Bundesrates in den 61 Hinweise auf Fehlentwicklungen gibt Kaiser, Grenzen der EG-Zuständigkeit, EuR 1980, S. 97 ff. Zu undifferenziert die Kritik von Schmidhuber, 564. Sitzung des Bundesrats vom 16.5.1986, Sitzungsberichte S. 306 (B, C) ; ders., Bundestag, 10. WP, 246. Sitzung vom 13.11.1986, S. 18980 (A). 62 Schlußbericht, Zur Sache 2/77, S. 232. 63 Dazu Kaiser (Fn. 45), S. 11, und Leitsätze vom 28.10.1985 (Fn. 56), Nr. 14-16. 64 Zu bedenken ist im übrigen, daß die sachliche Reichweite des Art. 24 Abs. 1 GG begrenzt ist, vgl. Tomuschat (Fn. 12), Rdziff. 46-48. Die Schaffung einer echten Politischen Union bedarf eines Akts des verfassungsändernden Gesetzgebers; a.A. Schwarze, Mitgliedschaft in einer zukünftigen politischen Union, DVBI. 1985, S. 309, 316.
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Gründungsvorgang würde im Grunde auch keines der aktuellen Probleme lösen, dieja durchweg erst bei der Setzung von Sekundärrecht auftreten. Eine Länderkammer schließlich würde in der Gemeinschaft, die mit dem Europäischen Parlament sowie dem Wirtschafts- und Sozialrat schon überreich an Konsultativgremien ausgestattet ist, kaum mehr als die Rolle eines fünften Rades am Wagen übernehmen können. So läuft die Analyse letzten Endes doch auch bei Berücksichtigung struktureller Reformen sowohl auf Verfassungs- wie auf Gemeinschaftsebene auf die Schlußfolgerung hinaus, daß primär darauf Bedacht genommen werden sollte, eine substantielle Eigenständigkeit der Länder zu erhalten. Gerade im Zeichen der sich verschärfenden Finanzkrise wird man für diesen Standpunkt auch verstärkt mit Verständnis aus Brüsseler Sicht rechnen können. Europäisierung und Vergemeinschaltung darf nicht blindlings mit monopolisierendem Zentralismus gleichgesetzt werden. Die Demokratie hat ihre Wurzeln an der Basis- in der Bundesrepublik wie in den anderen Ländern der Gemeinschaft. 65
65 Nach der Drucklegung dieses Beitrags erschienen noch folgende weitere Stellungnahmen zu dem Thema: M. Borchmann, Bundesstaat und europäische Integration, AöR 112 (1987), S. 586 ff.; E. Grabitz, Die deutschen Länder in der Gemeinschaft - Das Ratifizierungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte aus der Sicht des Grundgesetzes, EuR 1987, S. 310 ff.; G.-E. zur Hausen, Die deutschen Länder als Souffleure auf der Brüsseler Bühne? - Das Ratifizierungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte aus Brüsseler Sicht, EuR 1987, S. 322 ff.
Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung von EG-Auigaben Erfahrungen und Reformbestrebungen Von Rudolf Morawitz
I. Bundesratspräsident Holger Börner hat in seiner Antrittsrede am 17. Oktober 1986 (Bulletin Nr. 138, S. 1154 ff.) einige Fragen aufgeworfen, die das Verhältnis des Bundes zu den Ländern belasten. Er nannte beispielhaft die Umweltpolitik, den Tierschutz, die Abfallbeseitigung, die Familienpolitik insbesondere im Zusammenhang mit der Neufassung des§ 218 StGB. Allgemein unterstrich er die Sorge der Länder, daß der Ausbau unseres staatlichen Gemeinwesens mit unverkennbaren zentralistischen Tendenzen einhergehe, und zwar namentlich mit einer Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen auf die zentralstaatliche Ebene und mit zunehmender Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern. Im letzten Zusammenhang erwähnte er die problematische Mischfinanzierung und die Weiterführung der Steuerreform. Als zentrales Problem des künftigen Bund-Länder-Verhältnisses wertete er aber die Politikverflechtung in der fortschreitenden europäischen Integration. Die Existenz der Gemeinschaften beeinträchtigt das Gewicht der Länder erheblich, und die aufgrund der innenpolitischen Entwicklung und knapper werdenden Mehrheiten im Bundestag und in den Länderparlamenten wieder schärfer umrissene Autonomie der Länder könnte diesmal von seiten der EG verwischt werden. Die Länder nahmen daher das Ratifizierungsgesetz zur EEA zum Anlaß, eine neue Grundlage für die Bund/Länder-Zusammenarbeit in europäischen Angelegenheiten zu suchen.
II.
Ihnen allen sind die bisherigen Grundlagen der Zusammenarbeit bekannt. Darüber wird im einzelnen im Verlauf dieser Tagung noch gesprochen wer-
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den. Es handelt sich einmal um das Zuleitungsverfahren nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen, es handelt sich daneben um die Einschaltung des Länderbeobachters in die tagtägliche Arbeit der Bundesressorts zur Vorbereitung der deutschen Position in den Gemeinschaftsgremien, und es handelt sich schließlich um das Beteiligungsverfahren der Länder nach der EG-Erklärung des Bundeskanzlers vom t 9. September 1979. Das zuletzt genannte Beteiligungsverfahren ist in der Öffentlichkeit nicht hinreichend bekannt. Deshalb lassen Sie mich ein paar Worte dazu sagen. Im Rahmen dieses Beteiligungsverfahrens unterrichtet die Bundesregierung die Länder über den Länderbeobachter nach§ 85 a GGO über EG-Varhaben, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen oder deren wesentliche Interessen berühren. In § 85 a GGO sind ausdrücklich genannt die Dokumente des Rates sowie die" Vorentwürfe und Dokumente der Dienststellen der Kommission". Mit Schreiben vom 29. November 1984 hat der Bund den Ländern darüber hinaus zusätzliche Informationen zugesagt, nämlich über Initiativen der Bundesregierung, vertrauliche Dokumente des Rates, verfügbare Berichte oder Mitteilungen über informelle Ratstagungen, Sprechzettel für den Europäischen Rat. Verantwortlich für die Informationen sind innerhalb der Bundesregierung der BMWi bezüglich der Ratsdokumente und das jeweils federführende Ressort für die in seinen Bereich fallenden Vorentwürfe und Dokumente der Kommission. Der Länderbeobachter erhielt in der Vergangenheit jährlich rd. 200-250 Dokumente übersandt. Bei Einführung dieses Verfahrens bestand zwischen Bund und Ländern Einvernehmen, daß die bewährten traditionellen Informationskanäle unberührt bleiben sollten. Derartige Informationskanäle gibt es seit Jahrzehnten im Agrarbereich, im Baurecht und beim Niederlassungsrecht bzw. Dienstleistungsverkehr insbesondere der freien Berufe. Die Bundesregierung eröffnet den Ländern im Rahmen dieses Beteiligungsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme. Im Falle von ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder hat sie zugesagt, vom Standpunkt der Länder nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abzuweichen. Sie erwartet dabei, daß sich die Länder schnell äußern und sich um einen einheitlichen Standpunkt bemühen. Bei Vorhaben, die wesentliche Interessen der Länder berühren, wollte die Bundesregierung Stellungnahmen der Länder nach Maßgabe der sich aus dem föderativen Aufbau ergebenden Verpflichtungen beachten, insbesondere wenn finanzielle Interessen der Länder berührt werden. Das BMWi und die jeweils federführenden Ressorts haben seit t 980 dem Länderbeobachter zahlreiche EG-Vorhaben übermittelt. Die Meinungsbil-
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dungüber diese Vorhaben erfolgte nach einem von den Ländern vereinbarten Schema im Zuständigkeitsbereich der jeweils federführenden Fachministerkonferenz unter besonderer Verantwortung ,.einer Gemeinsamen Stelle". Diese wurde bei einem bestimmten Länderfachressort angesiedelt. Die Abstimmung zwischen den Ländern sollte schriftlich oder in ad hoc anberaumten Sitzungen erfolgen. Nach Meinung des Bundes hätte sich aufgrund der von mir dargestellten Verfahren eine sehr enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern ergeben können. Der Bund jedenfalls hatte das Seine getan. Er kann eher umgekehrt darüber klagen, daß seine Konsultationen mit den Ländern häufig sehr zeitraubend waren und die Aktionsmöglichkeiten des Bundes in Brüssel eher eingeengt haben. Die Zuständigkeiten in den Ländern für Fragen der Europäischen Gemeinschaft sind außergewöhnlich zersplittert. So wechseln die Zuständigkeiten etwa für das Niederlassungsrecht der Freiberuflichen von Land zu Land. Für die Architekten z. B. sind in dem einen Land Wirtschaftsressorts, in dem anderen die Bauressorts zuständig. Zum Teil konzentrieren einige Länder die Zuständigkeiten für EG-Angelegenheiten in den Staatskanzleien. Als Ergebnis führten die Koordinierungsschwierigkeiten zwischen den Ländern dazu, daß insbesondere im Beteiligungsverfahren nach der EG-Erklärung des Bundeskanzlers die Länder sich kaum zu EG-Vorhaben geäußert haben. Der Länderbeobachter hat zwar fleißig die jeweils zuständige .Gemeinsame Stelle" informiert, die ,.Gemeinsame Stelle" hat aber in der Vergangenheit nur in etwa rd. 40 Fällen eine Stellungnahme der Länder erarbeitet. Sie hat aber in keinem einzigen Fall von sich aus die Stellungnahme der Bundesregierung übermittelt und einen gemeinsamen Meinungsbildungsprozeß eingeleitet. Ein gemeinsamer Meinungsbildungsprozeß hat lediglich auf Veranlassung des Bundes in einem einzigen Fall stattgefunden, und zwar bei den Niederlassungsrichtlinien ,.Architekten". In diesem Bereich haben die Länder eine gemeinsame Position erarbeitet und dem Bund .grünes Licht" für die Verabschiedung der Architektenrichtlinien im Jahre 1985 gegeben. Nach meinen Erfahrungen kommt ein gemeinsamer Meinungsbildungsprozeß nur dort zustande, wo die Länder seit Beginn des Integrationsprozesses eine gemeinsame Verwaltungsinfrastruktur aufgebaut haben. Dies gilt für den Ausbildungsbereich und Kultusbereich in Form der Kultusministerkonferenz (KMK) und für das Baurecht. Die KMK hat eine verwaltungsmäßige Infrastruktur mit einem Generalsekretär an der Spitze, der zügig Entscheidungen herbeiführen kann. Diese Funktion nimmt im Baubereich das Institut für Bautechnik in Berlin wahr. Allerdings hat es im Niederlassungsrecht in jüngster Zeit auch Schwierigkeiten gegeben. So haben die Länder im Zusammenhang mit dem Richtlinienentwurf .Allgemeine Anerkennung von
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Diplomen" trotz wiederholter Aufforderungen nur sehr zögernd die Liste von Ausbildungsabschlüssen übersandt, die unter die Richtlinien fallen würden. Auch in jüngster Zeit sind erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten in der Frage, welche Fachhochschulen eigentlich unter die Architektenrichtlinie fallen. Hier wurden zum Leidwesen des Bundes in Brüssel offen die Meinungsverschiedenheiten der Länder über die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit einer drei- bzw. vierjährigen Ausbildung für Architekten ausgetragen. Es kam hinzu, daß der Länderbeobachter zur Zeit nicht hinreichend ausgestattet ist, um die ihm gestellten Aufgaben optimal erfüllen zu können. Erschwerend für die Meinungsbildung der Länder hat sich zusätzlich das Erfordernis der Einstimmigkeit erwiesen. Die Länder betrachteten es als zwingend, daß sie nur eine einheitliche Stellungnahme abgeben in den Fällen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Sie fordern aber auch in der Regel Einstimmigkeit, wenn wesentliche Interessen der Länder berührt sind. In diesen Fällen wurde aber erwogen, mehrheitlich zu entscheiden, wenn dem im Einzelfall ein Land nicht ausdrücklich widerspricht. Nach der EG-Erklärung des Bundeskanzlers hat sich die Bundesregierung auch bereit erklärt, bei ausschließlichen Länderkompetenzen zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates auf Verlangen der Länder bis höchstens zwei Vertreter der Länder hinzuzuziehen, soweit ihr dies möglich ist. Im oben erwähnten Schreiben vom November 1984 ist den Ländern zugesagt worden, daß der Bund dabei großzügig verfahren werde. Der Bund wäre auch schlecht beraten, etwa in den Beratungsgremien des Rates keinen Vertreter der KMK zuzuziehen, wenn Niederlassungsfragen für Freie Berufe im Rat verhandelt werden. Bei diesen Beratungen ist stets ein Ländervertreter dabei. Dasselbe gilt für das Baurecht und den gesamten Kultusbei:eich. Im Kultusrat vom Dezember 1985 war ein Vertreter der Länder als Mitglied der deutschen Delegation vertreten. Der Bundeskanzler hat zusätzlich am 19. Mai 1983 in einer Konferenz mit den Ministerpräsidenten zugesagt, dem Präsidenten der KMK die Leitung der deutschen Delegation bei dem Ministertreffen der für die kulturelle Zusammenarbeit zuständigen Minister zu übertragen, sofern nicht zwingende außen- und integrationspolitische Gründe eine andere Lösung erfordern. Selbstverständlich ist ein Ländervertreter auch in den zuständigen Ausschüssen, die im Rahmen der europäischen Regionalpolitik gebildet wurden, vertreten. Die Länder haben die ihnen vom Bund eingeräumten Möglichkeiten, in der Verhandlungsphase in Brüssel die Meinungsbildung des Bundes zu beeinflussen, sehr wenig genutzt. Sie sind jedenfalls außer in den von mir
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genannten Fällen nicht mit zusätzlichen Forderungen, in Beratungsgremien der Kommission oder des Rates vertreten zu sein, an den Bund herangetreten. Die Länder haben erst im vergangeneo Jahr konkrete zusätzliche Forderungen auf Vertretung in EG-Gremien gestellt. Sie haben in der Sitzung des Arbeitskreises der EG-Referenten der Länderwirtschaftsministerien am 22. Januar 1986 eine Liste von Gremien bei Kommission und Rat vorgelegt, in denen eine Vertretung der Länder von Interesse wäre. Die Liste enthielt zunächst ca. 80 Ausschüsse und Gruppen. Nach längerer Diskussion mit dem Bund ist der Arbeitskreis übereingekommen, diese ursprüngliche Forderung nicht aufrechtzuerhalten und verkürzte die Liste auf etwa 20 Ausschüsse bzw. Gruppen. Der Bund konnte auf diese Forderung aber bislang auch nicht eingehen, da es sich dabei lediglich um eine Auflistung der Gremien handelt, die für die Länderwirtschaftsminister von Interesse sind. Der Bund fordert eine konsolidierte Liste der Länderwünsche, die alle Bereiche umfassen, und zwar insbesondere auch den Bereich der Landwirtschaft. Die Forderung der Länder, in der Verhandlungsphase in Brüssel vertreten zu sein, ist nunmehr einbezogen in die Verhandlungen über die Gesamtproblematik einer verstärkten Beteiligung der Länder in EG-Angelegenheiten.
111. Sie werden Verständnis dafür haben, daßangesichtsder vielfältigen Möglichkeiten der Länder, ihren Einfluß in Brüssel geltend zu machen, die Bundesregierung überrascht war über die im Zuge der Ratifikationsgesetzgebung zur EEA geforderte gesetzliche Regelung der Länderbeteiligung in EG-Angelegenheiten. Gerade die EEA zum Anlaß zu nehmen, eine verstärkte Länderbeteiligung zu fordern, klingt nicht überzeugend. Die EEA bringt keine Übertragung substantieller neuer Sachkompetenzen auf die EG, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fallen oder ihre wesentlichen Interessen berühren. Durch die neuen institutionellen Bestimmungen der EEA sind die Länder nur insoweit betroffen, als der Einfluß des Bundes in der EG geringer wird. Die Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments (EP), insbesondere in Art. 149 neu, Art. 237 und Art. 238 neu EWGV, hat aber nur begrenzten Umfang. Bei dem neuen Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Rat und EP behält der Rat das letzte Wort. Im Grunde genommen geht es nur um das EG-inteme Verhältnis von Rat und EP. Das demokratische Defizit wird verringert. Eher könnten die Länder schon durch die Neuregelung betroffen sein, in Zukunft die EG-Kommission verstärkt mit Durchführungsbefugnissen zu betrauen: Art. 145 neu EWGV. Aber die EEA begründet 4 Speyer 103
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keine neuen Kommissionskompetenzen, da schon bisher eine Delegationsmöglichkeit nach Art. 155 EWGV besteht. In Zukunft soll von dieser Möglichkeit stärker Gebrauch gemacht werden. Die neue Vorschrift betrifft lediglich das Verhältnis Rat/Kommission und verlagert nicht etwa Durchführungsbefugnisse im Verhältnis Mitgliedstaat/EG. Innerstaatlich bleibt die Verwaltungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern. Art. 83 ff. GG wird. durch die EEA überhaupt nicht berührt. Auf diese Weise könnten auch die Neuregelungen der EEA in den einzelnen Politikbereichen darauf abgeklopft werden, ob Länderkompetenzen bzw. -interessen berührt werden. Es geht dabei um die beschleunigte Herstellung des Binnenmarktes, die Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Währungspolitik (Art. 102 a neu), die Sozialpolitik (Art. 118 a neu), den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt (Art. 130 a ff. neu), die Forschungspolitik (Art. 130 f. neu), die Umweltpolitik (Art. 130 r ff. neu) und die Zusammenarbeit in der Außenpolitik (Art. 30 EEA). Im Grunde genommen werden durch diese Neuregelungen keine zusätzlichen Kompetenzen der Gemeinschaft begründet. Der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen im Rat bedeutet natürlich im Zuge der stärkeren Integration und verbesserten Handlungsfähigkeit der EG einen verminderten Einfluß der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Neuregelung und ihre Auswirkungen bedeuten aber keine so grundlegende Änderung gegenüber den bisherigen Kompetenzen, daß sie eine Rechtfertigung für eine Änderung der Länderbeteiligung hätten bilden können. Dazu bestünde sicherlich Anlaß, wenn in Brüssel in Zukunft etwa der sog. Spinelli-Entwurf für eine Verfassung der Europäischen Union vom 14. Februar 1984 wieder auf die Tagesordnung gesetzt würde (vgl. Vertrag zur Gründung der Europäischen Union, Sonderdruck aus dem Bulletin der EG 2-1984). Dieser Entwurf enthält eine Vielzahl von neuen Unions-Zuständigkeiten auf den Gebieten Binnenmarkt und Freizügigkeit, Wettbewerb, Konjunkturpolitik, Geld- und Kreditpolitik, Währungsunion, Verkehrswesen, Forschung und Entwicklung, Gesellschaftspolitik einschließlich der Sozial-, Gesundheits-, Verbraucher-, Regional-, Umwelt-, Bildungs-, Kultur- und Informationspolitik. Er greift damit in einem nicht unerheblichen Ausmaß in das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes ein, auch wenn den Mitgliedstaaten andere Kompetenzen, insbesondere auf den Gebieten der inneren und äußeren Sicherheit verbleiben. Die Länder würden durch diesen Verfassungsentwurf, insbesondere durch die Finanzregelungen, ganz erheblich betroffen. Nach dem Entwurf kann die Union nach Art. 71 durch Gesetz die Art oder die Bemessungsgrundlage der bestehenden Einnahmen ändern oder neue Einnahmen schaffen. Damit wird der Union ein eigenes Steuerfindungsrecht eingeräumt und in die Finanzhoheit von Bund und Ländern eingegriffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die in Art.
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104 a und 108 GG enthaltenen finanzverfassungsrechtlichen Normen einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatliehen Ordnung. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können (BVerfGE 55,274, 300). Während das Steuerfindungsrecht nach dem Spinelli-Entwurf weder fest umschrieben, noch durch ein gleichgeartetes Verbot beschränkt ist, regelt das Grundgesetz in den genannten Artikeln als einen Kernbereich der bundesstaatliehen Struktur präzise die Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen in bezug auf Steuern im Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Die Wiederaufnahme der Diskussion über diesen sehr weitgehenden Unions-Entwurf würde in der Tat die Frage aufwerfen, ob Art. 24 GG für eine solche weitgehende Übertragung von Befugnissen ausreicht. Die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen, in diesem Falle alle Länder zu Mitgliedern der Gemeinschaften zu machen, erscheinen mir allerdings abwegig.
IV. Das vom Bundesrat hergestellte Junktim zwischen Ratifizierung der EEA und Verbesserung der Länderbeteiligung ist nur politisch zu erklären. Der Bundesrat benutzte die EEA als Druckmittel gegen die Bundesregierung aus gewissen Irritationen, die bestimmte Entwicklungen in Brüssel, aber auch in Bonn verursacht hatten. In Bonn war es vielleicht ein Versäumnis, die Länder nicht hinreichend und rechtzeitig informiert zu haben bei Ausarbeitung der .Feierlichen Erklärung von Stuttgart" (vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 65, S. 601 ff. vom 21. Juni 1983). In dieser Feierlichen Erklärung werden in Ziff. 3.3 auch Fördermaßnahmen für den Kultusbereich entwickelt. In Brüssel war aber wohl insbesondere die Entwicklung in der europäischen Regionalpolitik irritierend für die Länder. Unbestritten hat die Kommission Kompetenzen auf diesem Gebiet. Diese ergeben sich schon aus der Beihilfenkontrolle gemäß Art. 92, 93 EWGV. Die gegenwärtige Praxis der Kommission bei der Genehmigung von Regionalbeihilfen, insbesondere in der Bundesrepublik und in einer Reihe von Bundesländern, hat zu Recht bei den Ländern Kritik herausgefordert. Die Kommission stützt sich auf Ausgangshypothesen, die aus globalen Vergleichen des Umfangs der Regionalförderung der Mitgliedstaaten abgeleitet werden. Hierbei legt sie insbesondere die Annahme zugrunde, daß Erfordernis und Berechtigung nationaler regionalpolitischer Ausgleichsmaßnahmen wesentlich von dem Entwicklungsstand der nationalen Gesamtwirtschaft 4"
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insgesamt im Verhältnis zu denjenigen anderer Volkswirtschaften in der Gemeinschaft abhängt. Sie berücksichtigt weniger das Ausmaß der regionalwirtschaftlichen Ungleichgewichte im nationalen Rahmen. Nach Ansicht der deutschen Länder wird eine solche Betrachtungsweise den Zielen und Funktionen der Regionalförderung nicht gerecht. Sie widerspricht auch ausdrücklich dem durch das Grundgesetz gegebenen Verfassungsauftrag. Auch in der Bundesrepublik zwingen erhebliche regionale Ungleichgewichte zu Fördermaßnahmen, um die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen aller Bürger sowie eine harmonische Wirtschaftsentwicklung und gleichmäßige Beschäftigung zu garantieren. Die Kontrolle durch die Kommission sollte sich daher auf die Vorgabe eines angemessenen globalen Rahmens beschränken und die Eigenständigkeit der nationalen Regionalpolitik nicht beeinträchtigen. Im Dialog mit der EG-Kommission versuchen wir Lösungen zu finden, die einerseits die verfassungsrechtlich verankerten unerläßlichen regionalpolitischen Handlungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene sichern, andererseits einen Rahmen zur Erhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt setzen. Die Diskussion mit der Kommission ist leider noch nicht abgeschlossen und selbstverständlich beunruhigt dies die deutschen Länder sehr stark.
V. Die Forderungen der Länder ergeben sich aus dem Bundesratsbeschluß vom 16. Mai 1986 (Bundesratsdrucksache 150/86). Auf die Einzelheiten will ich nur insoweit eingehen, als sie über die bisherige Regelung hinausgehen. Nach den Vorstellungen des Bundesrates sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, vor ihrer Zustimmung zu Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaft die Stellungnahme des Bundesrates einzuholen, und zwar in Fällen ausschließlicher Zuständigkeit oder wesentlicher Interessen der Länder. Nach der Formulierung hätte die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates abwarten müssen. Dies bedeutet eine wesentliche Abweichung vom bisherigen Verfahren, in dem der Bundesrat bzw. die Länder aufgrund der Zuleitung Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Die Endfassung von Art. 2 des EEAG trägt diesem Anliegen Rechnung. Die Bundesregierung sollte nach den Forderungen des Bundesrates von Stellungnahmen nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen dürfen. Dies bedeutet keine substantielle Abweichung vom bisherigen Länder-Beteiligungsverfahren. Allerdings hatten die Länder nach der EG-Erklärung des Bundeskanzlers die Pflicht, ihre Stellungnahme in die Außen- und Integrationspolitik der Bundesregierung einzuordnen, und im Bundesratsverfahren besteht keine fixierte Bindungswirkung.
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Das EEAG übernahm die Forderung des Bundesrates. Bezüglich der Hinzuziehung von Ländervertretern forderte der Bundesrat in Abweichung von der EG-Erklärung des Bundeskanzlers eine Vertretung auch in Fällen wesentlichen Interesses. Die EG-Erklärung des Bundeskanzlers beschränkte die Beteiligung der Länder auf die Fälle ausschließlicher Zuständigkeit. Auch in diesem Bereich trug das EEAG dem Verlangen der Länder Rechnung und ging über die EG-Erklärung des Bundeskanzlers hinaus. Die eigentlich entscheidende Änderung gegenüber dem bisherigen Verfahren besteht in der gesetzlichen Regelung der Länderbeteiligung. In den Verhandlungen in den Jahren 1978 und 1979 hatte der Bund es peinliehst vermieden, eine Vereinbarung mit den Ländern zu schließen, und schon gar nicht hatte er eine gesetzliche Regelung ins Auge gefaßt. Die EG-Erklärung des Bundeskanzlers ist eine einseitige Erklärung für den Bund. Die Einverständniserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. September 1979 für die Länder stellt keine Vereinbarung dar. Die EG-Erklärung des Bundeskanzlers stellt eine Selbstbindung des Bundes dar. Für die Konstruktion einer Vereinbarung fehlte damit eine Voraussetzung, nämlich die auf den Abschluß eines Vertrages zielende Willenserklärung des Bundes. Der Bund sträubte sich auch bei Yerabschiedung des EEAG gegen eine gesetzliche Regelung, weil er dies für rechtlich zweifelhaft erachtete. Auszugehen ist von Art. 32 Abs. 1 GG, wonach die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes ist. Diese Vorschrift erkennt dem Bund eine umfassende, lediglich von einigen hier nicht einschlägigen punktuellen Ausnahmen durchbrochene Außenkompetenz zu. Die Außenkompetenz umfaßt auch die Mitwirkung in zwischenstaatlichen Einrichtungen. Zu ihrer Wahrnehmung ist allein die Bundesregierung berufen, soweit nicht das Grundgesetz dem Bundespräsidenten (Art. 59 Abs. 1) oder den gesetzgebenden Körperschaften (Art. 59 Abs. 2) bestimmte Befugnisse oder Mitwirkungsrechte einräumt. Die deutsche Mitwirkung in den Gremien der Europäischen Gemeinschaften fällt in die dem Bund vorbehaltene Außenkompetenz. Sie stellt sich aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts als Verwaltung auswärtiger Angelegenheiten und damit als exekutivische Tätigkeit dar, die allein der Bundesregierung obliegt. Der Umstand, daß die Organe der europäischen Gemeinschaften unter deutscher Mitwirkung Rechtsnormen setzen, die auch im Inland Wirkungen entfalten, ändert daran nichts. Grundsätzlich ist zwar anzuerkennen, daß der Kompetenzbereich der Bundesländer durch europäische Vorhaben berührt werden kann. Das folgt aus der Weite der Kompetenzen, die den Europäischen Gemeinschaften
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durch die Gründungsverträge eingeräumt wurden. Diese Kompetenzübertragungen, soweit sie Hoheitsrechte der Länder betreffen, enthalten allerdings zunächst nur die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Eigenbereichs der Länder, weil insoweit eine Art konkurrierende Zuständigkeit besteht und die Länder die übertragenen Befugnisse weiterhin ausüben können, solange die Europäischen Gemeinschaften von ihnen nicht Gebrauch machen. Das tatsächliche Ausmaß der Beeinträchtigung des Eigenbereichs der Länder ergibt sich daher erst aus den konkreten Einzelentscheidungen, die in Brüssel getroffen werden. Angesichts dieser Sachlage legt der ungeschriebene Verfassungsgrundsatz des bundes- bzw.länderfreundlichen Verhaltens es nahe, daß der Bund bei seiner Mitwirkung in Brüssel auf die Länder Rücksicht nimmt, sie informiert und anhört. Dieser ungeschriebene Verfassungsgrundsatz vermag jedoch nur die Art und Weise der Kompetenzausübung zu beeinflussen, nicht dagegen eine vom Grundgesetz ausdrücklich vorgenommene Kompetenzverteilung umzustoßen. Der Bundesregierung muß daher hinsichtlich ihrer Mitwirkung bei europäischen Vorhaben ungeachtet aller gebotenen Konsultation der Länder zur Wahrung ihrer Außenkompetenz das Letztentscheidungsrecht erhalten bleiben. Zur Konkretisierung der dargelegten Konsequenzen aus dem Verfassungsgrundsatz des länderfreundlichen Verhaltens hätte besser eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern in Betracht gezogen werden sollen, in der beide Seiten sich ohne Rechtsverzicht auf ein bestimmtes Procedere hätten einigen können. Der eingeschlageneWeg einer gesetzlichen Festlegung erscheint dagegen verfassungsrechtlich zumindest zweifelhaft. Hier stellt sich insbesondere die Frage nach einer Kompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers zum Erlaß einer solchen Regelung. Die Art. 73 und 74 GG geben für eine Regelung der Länderbeteiligung keine Bundeskompetenz her. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten nach Art. 73 Nr. 1 GG ist wohl nicht einschlägig, da es bei der Länderbeteiligung um eine interne Abstimmung geht. Art. 24 Abs. 1 GG scheint mir ebenfalls nicht anwendbar, da die Länderbeteiligung im Zusammenhang mit der Hoheitsrechtsübertragung kein minus, sondern ein aliud darstellt. Man kann daraus, daß der Bund nach Art. 24 Abs. 1 berechtigt ist, durch einfaches Bundesgesetz Hoheitsrechte auch der Länder auf die Europäischen Gemeinschaften zu übertragen, nicht folgern, er müsse dann auch berechtigt sein, eine solche Hoheitsrechtsübertragung durch ein gesetzlich geregeltes Länderbeteiligungsverfahren abzumildern.
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Auch aus dem Gesichtspunkt der Annex-Kompetenz oder aus dem Gesichtspunkt der .Natur der Sache" .kann dem einfachen Bundesgesetzgeber keine Kompetenz zur Regelung der vorliegenden Fragen verfassungsrechtlicher Natur zwischen Bund und Ländern zugesprochen werden. Eine solche Kompetenz kommt da in Betracht, wo ein Gegenstand sinnvollerweise nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden kann. Sie ist, soweit das Grundgesetz ausfüllungsbedürftige Lücken läßt, auch im Bereich der Staatsorganisation nicht von vornherein ausgeschlossen. Der einfache Bundesgesetzgeber kann dabei aber immer nur Regelungen treffen, die den Innenbereich des Bundes, d. h. die nähere Ausgestaltung der Rechte und Pflichten von Bundesorganen, berühren. Für Regelungen des verfassungsrechtlichen Verhältnisses zwischen Bund und Ländern steht dem einfachen Bundesgesetzgeber auch aus der Natur der Sache keine Kompetenz zu. Für das EEAG gilt dies ungeachtet der Tatsache, daß hier eine Mitwirkung nicht der einzelnen Länder, sondern des Bundesrates vorgesehen ist. Die Funktion des Bundesrates soll nämlich in diesem Zusammenhang nicht die eines Bundesorgans, sondern einer Interessenvertretung der Länder sein (Organleihe). Anders verhält es sich bei einer Vereinbarung. Diese kann sich im Rahmen der Konkretisierung der verfassungsrechtlichen gegenseitigen Treuepflicht halten. Ihr stehen deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich bei der getroffenen Regelung auch, ob der Bundesrat im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit an die Stelle der einzelnen Länder treten kann. Die Länder haben dies zwar schließlich bejaht; im Rechtsausschuß des Bundesrates votierte aber eine Mehrheit der Länder gegen die schließlich gesetzlich verankerte Einschaltung des Bundesrates. Dieses Problem ist natürlich weniger gravierend bei einer Vereinbarung, da diese keinen rechtlich verbindlichen Verzicht auf Kompetenzen einzelner Länder darstellt und als Abstimmungsverfahren zwischen den Ländern interpretiert werden kann. Wie kontrovers die Position der Länder selbst in dieser Frage ist, beweisen die langwierigen Verhandlungen und die ausführlichen juristischen Diskussionen im Bundesrat über die Form der Einschaltung des Bundesrates. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob etwa dem EG-Ausschuß des Bundesrates die Kompetenz nach Art. 2 des EEAG übertragen werden kann oder soll. Aber auch europapolitische Kriterien sprechen an sich gegen eine gesetzliche Fixierung der Länderbeteiligung. Die Länderbeteiligung muß unter europapolitischen Gesichtspunkten flexibel sein und darf die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik in der EG nicht beeinträchtigen. Eine Vereinbarung ist zweifellos flexibler als ein Gesetz, da sie leichter geändert werden kann.
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Als Abstimmungsinstanz hat der Bund natürlich eine Präferenz für den Bundesrat, der mit Mehrheit entscheiden kann und dessen Ausschüsse permanent zur Verfügung stehen. Eine Koordinierung mit dem Bundesrat ist effektiver als die direkte Koordinierung mit den Ländern, die die Zustimmung aller voraussetzt und über verschiedene in unterschiedlichen Abständen tagende Gremien erfolgt. Eine Effektuierung der Beteiligung der Länderseite außerhalb des Bundesrates bezweifle ich sehr. Zweifelhaft ist auch, ob das EEAG zustimmungsbedürftig war. Nach Art. 24 Abs. 1 GG kann der Bund durch einfaches, nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, also materiell eine Verfassungsänderung vornehmen, ohne an die Erfordernisse des Art. 79 Abs. 1 und 2 GG gebunden zu sein. Dabei können unter Beachtung der äußersten Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG (Staatenqualität der Bundesländer und wesentliche Elemente ihrer Staatlichkeit) auch Kompetenzen der Länder übertragen werden. Man macht es sich zu einfach, allein aus der Tatsache, daß die Römischen Verträge mit Zustimmung der Länder ratifiziert wurden, die Ratifikationsbedürftigkeit des EEAG zu folgern. Art. 24 GG spricht dagegen. Die Bundesregierung hat die Zustimmungsbedürftigkeit aus anderen Zusammenhängen angenommen. Sie argumentierte, daß der Rat einstimmig Bestimmungen über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über Umsatzsteuern und Verbrauchsabgaben sowie sonstige indirekte Steuern erlassen kann. Nach Art. 105 Abs. 3 GG bedürfen Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder Gemeinden ganz oder zum Teil zufließen, der Zustimmung des Bundesrates. Bei der Mehrwertsteuer ist dies nach Art. 106 Abs. 3 GG unstreitig der Fall. Daraus die Zustimmungsbedürftigkeit des EEAG zu schlußfolgern, war aber wegen Art. 24 GG rechtlich kaum haltbar. Diese Entscheidung ist allein politisch zu erklären. Aus politischen Gründen war die Zustimmung des Bundesrates zum EEAG unverzichtbar, weil man das Anliegen der Länder respektieren wollte, die innerstaatliche Willensbildung bei fortschreitender Integration neu zu ordnen. Die Bundesregierung erkannte damit an, daß die europäische Politik sich immer weiter von der klassischen Außenpolitik entfernt und zur europäischen Innenpolitik wird. Sie betrifft damit unmittelbar die Hoheitsrechte der Länder. Die Integrationspolitik kann nur im Konsens mit den Ländern vorangetrieben werden. Freilich, bei der Neuregelung der innerstaatlichen Willensbildung muß der grundgesetzliche Rahmen strikt beachtet werden. Die außen- und europapolitische Prärogative des Bundes und die uneingeschränkte Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung im Rat müssen erhalten bleiben. Von diesen Prämissen ist der Bund bei Aufnahme der Verhandlungen mit den Ländern über eine Vereinbarung ausgegangen.
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VI. Die Bundesressorts verhandelten unter Leitung des BMWi seit Mai 1987 mit den Ländern über eine Vereinbarung gemäß Art. 2 EEAG. In den langwierigen Verhandlungen- mehrfach im Plenum, und mehrfach in einer Redaktionsgruppe- konnten nicht alle Vorbehalte ausgeräumt werden. Die Verhandlungen konnten erst am 17. Dezember 1987 auf politischer Ebene abgeschlossen werden. Ich möchte nur ein paar wesentliche Punkte hervorheben, die politisch kontrovers waren. In der Informationsphase hatten die Länder ganz offensichtlich Schwierigkeiten, bei der Fülle von EG-Vorhaben mit dem Mechanismus der Unterrichtung und Beteiligung fertig zu werden. Sie versuchten, die gesamte Verantwortung für das Funktionieren der Vereinbarung auf die Bundesregierung abzuwälzen und entgegen demWortlautdes Gesetzes eine Darlegungs- und Nachweispflicht der Bundesregierung zu verankern (Mitteilung aller Vorhaben, die nicht offensichtlich ohne Interesse für die Länder sind; allgemeiner Begründungszwang bei Abweichung der EG-Beschlüsse von Stellungnahmen des Bundesrates u.a.). Ferner wollten sie vor allem ihre Beteiligungsrechte sehr detailliert regeln und Bindungswirkungen zu Lasten der Bundesregierung festschreiben. Der relativ kurze Entwurf des Bundes hat sich daher im Ergebnis zu einer etwas komplizierten Filigranarbeit entwickelt, letztlich jedoch ohne die Verpflichtungen und Bindungen, die die Länder erreichen wollten. Im einzelnen: Für die Unterrichtung des Bundesrates ist ein relativ langer Katalog von EG-Dokumenten, die dem Bundesrat übersandt werden sollen, vorgesehen. Rechtzeitige Stellungnahmen des Bundesrates sollen erleichtert werden durch einen transparenten Verfahrensablauf für die einzelnen EG-Vorhaben. Der Bundesrat kann sich hierauf zeitlich einstellen, ohne daß die Bundesregierung in ihrer Handlungsfreiheit zu sehr behindert wird. Die Hinzuziehung von Ländervertretern zu EG-Verhandlungen war der schwierigste Komplex, da die Länder Rechte auf Präsenz, Einfluß und Bindungen der Bundesregierung an die Voten der Länder vor Ort verlangten. Geblieben ist davon die Hinzuziehung zu Verhandlungen, die z. T. schon in der EG-Erklärung des Bundeskanzlers von 1979 enthalten ist; nicht akzeptiert wurde die Forderung der Länder, bei ausschließlichen Gesetzgebungsmaterien das Votum abgeben zu können. Die Aufnahme von Länderbediensteten in die Ständige Vertretung war bis zum Schluß offen. Wir verlangten die klassische Regelung der Abordnung mit entsprechendenWeisungsrechten des Leiters der Ständigen Vertretung, die Länder eine bloße Bürogemeinschaft Eine Regelung ist schließlich aufgegeben worden.
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Die Büros der Länder in Brüssel sollten auch aufgenommen werden, um ihre inoffizielle Funktion zu verankern, ohne die Büros formell zu sanktionieren. Denn die Pflege der auswärtigen Beziehungen ist nach Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes. Zahlreiche Bundesländer haben dennoch Repräsentanzen (über 30) im Ausland eröffnet. Die Organisationsform ist privatrechtlich, teils mit mittelbarer staatlicher Trägerschaft, teils mit Trägerschaft öffentlicher Einrichtungen. Solange deutlich ist, daß es sich bei Ländervertretungen in Brüssel nicht um hoheitliche .,Ländervertretungen" handelt, die Tätigkeit der Büros sich auf Informationsbeschaffung, Wirtschaftsförderung, Betreuung von EG-Projekten in den Ländern und Besucherbetreuung beschränkt und die Wahrnehmung der einheitlichen Außenvertretung des Bundes durch die Ständige Vertretung {unsere .,EG-Botschaft") nicht beeinträchtigt wird, gibt es hier keine grundsätzlichen Probleme. Kontakte der Bundesländer zu den EG-Behörden bestehen schon seit langem. Wenn die Länderbüros solche Kontakte auf informellem Wege weiter pflegen und ausbauen, ist dagegen nichts einzuwenden. Formale Beziehungen können sie allerdings nicht unterhalten. Dazu ist unsere Ständige Vertretung da. Die EG-Behörden ihrerseits wissen, daß sie sich an die Bundesregierung zu wenden haben, wenn sie unsere Stellungnahme benötigen. In der Schlußphase der Verhandlungen ist diese Frage schließlich ausgeklammert worden. ·Die Schlußbestimmungen regeln in Ziff. V. noch folgende bislang ungeregelte Probleme: In Anknüpfung an das Gesetz soll die Vereinbarung die Beteiligung der Länder an EG-Vorhaben über den Bundesrat kanalisieren, ohne die vielfältigen Fachstränge zwischen Bund und Ländern im Vorfeld der Bundesratsbefassung zu kappen. Den Ländern gelingt es aber bisher nicht, die Eigenständigkeil gewisser Fachstränge zu bändigen. Daraus ergab sich ihre Forderung, bestimmte Verfahren neben der Bundesratsprozedur weiter gelten zu lassen. Das ist eine Öffnungsklausel, die die gesamte Vereinbarung unterlaufen könnte; der Bund ließ die Vereinbarung daran nicht scheitern. Völlig offen erscheint mir daneben noch die Frage zu sein, wie die Länder den Länderbeobachter in das neue Beteiligungsverfahren einbinden wollen. Aber dazu wird sicherlich Herr Stöger morgen einige Gedanken entwickeln. Nach der Vereinbarung bleibt die Funktion des Länderbeobachters unberührt.
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VII.• Als Fazit der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern bleibt festzuhalten, daß die Vereinbarung gemäß Art. 2 Abs. 6 EEAG die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern strikt nach den im Gesetz vorgegebenen Anforderungen regelt. Im Teil I wird im wesentlichen der Umfang der dem Bundesrat zur Verfügung zu stellenden EG-Berichte bzw. EG-Dokumente festgelegt sowie das Übermittlungsverfahren geregelt. Die Unterrichtung erfolgt schriftlich und bezieht sich auf die EG-Vorhaben, die für die Länder von Interesse sein könnten. In Teil II wird umschrieben, wie dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Vereinbarung regelt die Einzelheiten des Verfahrens, u.a. die Unterrichtung durch die Bundesregierung über wesentliche Änderungen bei den EG-Vorhaben sowie den zeitlichen Rahmen für die jeweiligen Verhandlungen. Weicht die Bundesregierung von Stellungnahmen des Bundesrates in den Verhandlungen in Brüssel ab, so unterscheidet die Vereinbarung verfahrensmäßig, wenn ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder in Frage stehen und die übrigen .Fälle". In dem einen Fall teilt die Bundesregierung von sich aus die Gründe mit, die für ein Abweichen von der Stellungnahme des Bundesrates ausschlaggebend waren. In den ,.übrigen Fällen" unterrichtet die Bundesregierung nur, wenn dies vom Bundestat ausdrücklich verlangt wird. Teil III regelt die Hinzuziehung von Ländervertretern zu Verhandlungen in Beratungsgremien der EG. Die Teilnahme an Ratstagungen wird den Ländern nur zugestanden, soweit ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betroffen sind. Die Möglichkeit der Länder, im Rat selbst Erklärungen abgeben zu können, bleibt auf die bisherige Praxis in den Kultur- und Bildungsministerräten beschränkt. Insgesamt können Ländervertreter nur hinzugezogen werden, soweit es dem Bund möglich ist. Die Vereinbarung wird bislang noch nicht umfassend praktiziert. Zunächst müssen noch die Detailfragen des technischen Verfahrensablaufs zwischen den Bundesressorts geklärt werden, so z. B. die Zuständigkeit der einzelnen Ressorts zur Durchführung der jeweiligen Bestimmungen der Vereinbarung. Offen ist auch noch die gesamte verfahrensmäßige Abwicklung im Bundesrat. Hier geht es insbesondere um das in Ziffer 11.3. der Vereinbarung genannte besondere ,.Beschlußgremium des Bundesrates". Um dieses Gremium einsetzen zu können, bedarf es einer Änderung der • Anm. d. Red.: Den folgenden Abschnitt hat der Verfasser nach Abschluß der Bund-Länder-Vereinbarung vom I 7.12.1987 zur Ergänzung eingefügt.
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Geschäftsordnung des Bundesrates. Der Bundesrat denkt hier an eine .Kammer für Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Kammer)". Wegen der Teilnahme der Ländervertreter an Arbeitsausschüssen und -gruppen müssen die Länder sich intern noch auf eine mit allen Länderressorts abgestimmte Liste ihrer Beteiligungswünsche verständigen. Erst wenn diese Liste vorliegt, können hierüber die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern beginnen. Nach der Vereinbarung legen Bund und Länder einvernehmlich diese Liste fest. In der Praxis wird aus diesen Gründen zunächst noch weitgehend nach dem bisherigen Verfahren der Bund-Länder-Beteiligung vorgegangen. Erfahrungen über die neue Vereinbarung konnten daher bislang noch nicht gesammelt werden.
Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung von EG-Auigaben Erfahrungen und Reformbestrebungen Von Gerhard Memminger I. Meine Aufgabe ist es, Sie über den aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern über den Abschluß einer Vereinbarung nach Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Einheitlichen Europäi.sehen Akte (EEAG) und dabei insbesondere über die Position der Länder zu unterrichten. Bevor ich mich diesen aktuellen Fragen zuwende, halte ich es für zweckmäßig, aus Ländersicht kurz darauf einzugehen, wie es überhaupt zu dieser Mitwirkung des Bundesrates in Art. 2 EEAG kam. Manche der Länderpositionen bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung werden nämlich erst deutlich, wenn man die Vorgeschichte dieser Mitwirkungsregelung und ihre verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einordnung aus der Sicht der Länder kennt. 1. Mit ihrer Gründung sind den Europäischen Gemeinschaften in weitem Umfang nationale Gesetzgebungskompetenzen übertragen worden. Die Organe der EG haben von diesen Kompetenzen nicht nur regen Gebrauch gemacht, sondern sie haben sie nach unserer Auffassung in vielen Fällen überschritten, worauf der Bundesrat häufig hingewiesen hat. Doch das wäre ein eigenes Thema, das heute nicht zur Diskussion steht. Die Einheitliche Europäische Akte brachte eine weitere, erhebliche Kompetenzausweitung der Europäischen Gemeinschaften, auch zu Lasten der Länder.
Mit diesen Übertragungen sind naturgemäß Kompetenzverluste der Mitgliedstaaten verbunden. Davon sind zunächst die Gesetzgebungskompetenzen sowohl des Bundes als auch der Länder betroffen. Da die europäische Gesetzgebung im wesentlichen vom Rat ausgeübt wird, der sich ausschließlich aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, hat jede Übertragung von Kompetenzen auf die EG zunächst auf Bundesebene eine Machtverschiebung von der Legislative zur Exekutive zur Folge. Darüber hinaus aber, und hier wird es für die Länder interessant, vollzieht sich
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damit auch eine Machtverschiebung innerhalb der föderativen Staatsstruktur von den Ländern auf den Bund. Denn dort, wo bisher die Länder zuständig waren, besitzt nun allein der Bund aufgrund seiner Vertretung in den EG-Organen eine Mitentscheidungsbefugnis. Es liegt auf der Hand, daß solche Kompetenzverlagerungen von den Ländern auf Bund und EG das föderative Gefüge der Bundesrepublik Deutschland in Gefahr bringen können. Eigenstaatlichkeil und eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse der Länder werden um so mehr ausgehöhlt, je umfassender die EG von ihren tatsächlichen oder angeblichen Kompetenzen Gebrauch macht. Gerade die Tendenz zu Kompetenzüberschreitungen bereitet den Ländern größte Sorge. Es wird kaum jemanden verwundern, daß bei den Ländern die Alarmglocken schrillen, wenn dann z. B. auch noch ein deutscher Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) voller Überzeugung feststellt, die Vertragsermächtigungen seien so weit auslegbar, daß sich daraus mehr ergebe als ein aus Einzelkompetenzen zusammengesetzter Flickenteppich. Der Regelungsbedarf der Gemeinschaft erstrecke sich quer über alle Sektoren und kenne im Grunde keine Ausnahme. Der EuGH verstehe sich als Integrationsorgan der EG und lege dementsprechend deren Kompetenzen weit aus. Und diesangesichtsder Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung der Frage, ob eine EG-Kompetenz vorliegt oder nicht, allein dem EuGH überlassen hat. Es wäre wert, über all diese Probleme einmal eingehend zu diskutieren, auch wenn das heute nicht das Thema ist. So stellt sich meines Erachtens z. B. die Frage, ob es unser Grundgesetz überhaupt erlaubt, unscharf abgegrenzte Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen. Gerade die Bestandsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG läßt z. B. Zweifel aufkommen, ob die Öffnung des Art. 24 Abs. 1 GG so weit gehen kann, daß der zwischenstaatlichen Ebene Kompetenz-Kompetenzen übertragen werden - ich erinnere an die Auffassung der EG-Organe von der Bedeutung des Art. 235 EWGV. Wo ist hier die Grenze, wer soll eine u. U. erst bei der Handhabung auf EG-Ebene auftretende Grenzüberschreitung vor welchem Gericht rügen können? Der EuGH wird wohl kaum Art. 79 Abs. 3 GG als Prüfungsmaßstab heranziehen! 2. Vor diesem Hintergrund hatten die Länder bei den Beratungen der Einheitlichen Europäischen Akte und des entsprechenden Zustimmungsgesetzes allen Anlaß, ihre Position und die ihnen eingeräumten Mitwirkungsrechte zu überdenken. Eine Bestandsaufnahme erbrachte dabei nicht viel: a) Nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen vom 27.7.1957 ist die Bundesregierung zur laufenden Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat über die Entwicklungen im Rat verpflichtet. Der Bundesrat kann Stellungnahmen beschließen, die aber für die Bundesregie-
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rung keinerlei Bindungswirkung haben. Auf spezielle Länderbelange ist das Verfahren nicht abgestellt. b) Auch das 1979 durch Brief des Bundeskanzlers vereinbarte Länderbeteiligungsverfahren hat nicht den gehofften Erfolg gebracht. Die praktische Erfahrung hat gezeigt, daß es für die Länder äußerst schwierig war, innerhalb dieses lockeren Informationsverfahrens, das auf keine eingespielte Organisationsstruktur zurückgreifen konnte, rechtzeitig zu einstimmigen Ländermeinungen zu kommen. Auch hier fehlte im übrigen die Verbindlichkeit der Länderauffassungen für den Bund. c) Neben diesen beiden Verfahren versuchen die Länder natürlich, auf allen Ebenen mit den Organen der Gemeinschaft, über die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und durch die Mitwirkung in einigen EG-Gremien ihre Interessen zur Geltung zu bringen. So haben es im Bildungsbereich die Länder 1983 immerhin zustande gebracht, daß bei Treffen der für die kulturelle Zusammenarbeit zuständigen Minister der EG-Mitgliedstaaten dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK) die Leitung der deutschen Delegation übertragen werden kann, soweit Themen überwiegend in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallen. Hier handelt es sich allerdings um einen Bereich, bei dem sich die Frage stellt, inwieweit überhaupt EG-Fragen behandelt werden. Darauf wird später noch einzugehen sein. d) Weniger ein Instrument der Einflußnahme als der Information über das Geschehen in der Gemeinschaft ist der seit 1956 tätige Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften. Er beobachtet die Entwicklung wichtiger und aus Ländersicht bedeutsamer aktueller Vorhaben der Gemeinschaft und unterrichtet hierüber die Länder möglichst schnell und zielgerichtet Als von der Bundesregierung anerkanntes Mitglied der deutschen Ratsdelegation kann er an Ratstagungen, internen Vorbereitungssitzungen und Besprechungen teilnehmen. 3. Alle diese Bemühungen sind Ansätze für eine bessere Einbindung der Länder in EG-Angelegenheiten. Trotzdem reichen sie aber aus Ländersicht bei weitem nicht aus. Ihr Hauptmanko ist, daß sie sich entweder auf bloße Informationen beschränken oder aber etwaigen Stellungnahmen der Länder bzw. des Bundesrates jegliche Verbindlichkeit für die Bundesregierung fehlt. Man denke nur an alldie vielen Fälle, in denen der Bundesrat Stellungnahmen abgegeben hat, denen die Bundesregierung dann aber nicht gefolgt ist. Die Länder haben daher bei den Beratungen des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte die Ihnen bekannten Mitwirkungsrechte nach Art. 2 dieses Gesetzes erkämpft. Es ist kein Geheimnis, daß die Länder dabei untereinander zwar im Ziel einig, bei Einzelfragen aber durchaus zunächst unterschiedlicher Auffassung waren. Letztlich haben sie sich dann aber doch
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auf die Lösung geeinigt, die mit einigen kleineren Änderungen auch Gesetz wurde. Daß bei den Beratungen zu diesem Gesetz auch die Länder erst eine einheitliche Linie finden mußten, ist weiter nicht verwunderlich. Handelt es sich hier doch auch verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch um Neuland. Unser Grundgesetz ist ja bekanntlich nicht besonders ausschweifend, soweit es sich um die Beziehungen der Bundesrepublik zu auswärtigen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen handelt. Eine der Hauptfragen war, ob dem Bundesrat überhaupt eine Einflußmöglichkeit auf die Entscheidungen der Bundesregierung in den EG-Organen zugebilligt werden kann. Meines Erachtens bestehen hier keine Bedenken. Lassen Sie mich dazu einige Grundpositionen darstellen: a) Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß Kompetenzen, die vertraglich den Europäischen Gemeinschaften zugestanden worden sind und von denen diese dann auch konkret Gebrauch machen, aus dem Kompetenzbereich der früheren Inhaber, sei es der Bund oder seien es die Länder, entschwunden sind. Diese Kompetenzen wurden auf eine neue Ebene übertragen und können daher nicht auch noch in irgendeiner Weise auf der bisherigen Ebene verblieben sein. b) Zum anderen geht das Grundgesetz wohl davon aus - ohne dies allerdings ausdrücklich zu regeln-, daß die Mitwirkung in zwischenstaatlichen Einrichtungen eine Angelegenheit des Bundes ist. Denn zur Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten, die nach Art. 32 Abs. 1 GG dem Bund zusteht, gehören auch die Kontakte zu den zwischenstaatlichen Einrichtungen im Sinne von Art. 24 GG. Dies dürfte zumindest die Vorstellung der Väter des Grundgesetzes gewesen sein. Eine andere Frage ist allerdings, ob man sich damals eine so weitgehende Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen überhaupt vorgestellt hat, wie das heute mit steigender Tendenz in der EG der Fall ist. Je mehr eine zwischenstaatliche Einrichtung in eine eigene staatliche Ebene hineinwächst, desto berechtigter sind die Zweifel daran, ob die Aussage des Grundgesetzes in Art. 32 Abs. 1 auf diese Lage noch zutrifft. Mit anderen Worten, es sind verfassungspolitisch sicherlich Zweifel erlaubt, ob es bei einer sich zum Staat entwickelnden zwischenstaatlichen Einrichtung dann tatsächlich noch um .Ausland" im Sinne dieser Bestimmung handelt. Gegenwärtig jedoch wird die Kompetenz des Bundes zur Mitwirkung in zwischenstaatlichen Einrichtungen wohl nirgends ernsthaft bezweifelt. c) Im Grundgesetz ist weiter nicht ausdrücklich geregelt, wer für den Bund die Mitwirkung in den zwischenstaatlichen Einrichtungen wahrnimmt. Es wird die Auffassung vertreten, es handle sich dabei um die •Verwaltung"
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auswärtiger Angelegenheiten und damit eine Tätigkeit der Exekutive, sprich Bundesregierung. Auch wenn man diese Auffassung zugrundelegt, so handelt es sich dabei allerdings nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit der Bundesregierung. Die Pflege der Beziehungen zu den auswärtigen Staaten ist nicht allein Sache der Bundesregierung, wie z. B. ein Blick auf Art. 32 Abs. 3 GG beweist. Auch Art. 32 Abs. 1 normiert keine Zuständigkeit der .Bundesregierung", sondern des .Bundes". Es gibt im Grundgesetz keine Bestimmung, wonach allein die Bundesregierung für die Pflege der auswärtigen Beziehungen, geschweige denn für die innerstaatliche Willensbildung in EG-Angelegenheiten zuständig wäre. d) Angesichts dieser Ausgangslage konnte auch der Bundesrat gemäß Art. 2 EEAG an dieser Aufgabe beteiligt werden. Art. 50 GG besagt ausdrücklich, daß die Länder durch den Bundesrat u. a. bei der Verwaltung des Bundes mitwirken. Wenn es sich bei der Mitwirkung in EG-Organen um eine solche Exekutivfunktion handelt, dann muß dem Bundesrat auch die Mitwirkung an dieser •Verwaltung" möglich sein. Daran ändert auch nichts, daß sich diese Funktion ihrerseits inhaltlich als Mitwirkung zu rechtsetzenden Akten darstellt. Der Begriff •Verwaltung" in Art. 50 GG kann nur im formellen Sinn verstanden werden, wie die Gegenübersetzung zum Begriff .Gesetzgebung" in der gleichen Bestimmung zeigt. Die begrenzte Bindung der Bundesregierung an die Mitwirkung des Bundesrates bedarf auch keiner über Art. 50 GG hinausgehenden spezifischen Grundlage im Grundgesetz selbst. Dies unterscheidet diese Mitwirkung von jener bei der formellen Gesetzgebung. Auch in anderen Fällen werden im übrigen dem Bundesrat durch einfaches Gesetz Mitwirkungsrechte übertragen (vgl. Aufstellung bei Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 149). e) Daß es sich bei den auswärtigen Angelegenheiten auch nicht um einen Kernbereich der Exekutivtätigkeit der Bundesregierung handelt, der dieser ausschließlich zugeordnet wäre und an dem der Bundesrat nicht beteiligt werden könnte, beweist ein Blick auf den bereits erwähnten Art. 32 Abs. 3, wonach sich auch die Länder in bestimmten Fällen mit auswärtigen Angelegenheiten befassen können. Außerdem würde Art. 2 EEAG den .Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" nicht antasten, da die Bundesregierung aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen kann. 4. All diese Gesichtspunkte können hier nicht näher vertieft werden, sie waren aber mit ausschlaggebend dafür, daß die Länder in der nun Gesetz gewordenen .Bundesratslösung" das geeignete und rechtlich zulässige Instrument sehen, auf EG-Angelegenheiten wenigstens mittelbar Einfluß zu nehmen.
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Unter den Ländern war natürlich auch eine andere Lösung im Gespräch, nämlich die Etablierung eines sog. Länderbeteiligungsverfahrens, d. h. die Mitsprache der Länder als solcher (nicht über den Bundesrat) bei EG-Angelegenheiten. Es entspricht zwar der föderalen Struktur der Bundesrepublik, wenn bei bestimmten Verwaltungsmaßnahmen den Ländern als solchen oder Landesorganen ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Eine solche Regelung kann sich aber immer nur auf das jeweils betroffene Land beziehen. Verfassungsrechtlich bedenklich wäre dagegen, wollte der Bund mit einem Bundesgesetz eine Institution begründen, die die gesamten Länder umfaßt. Eine solche zusätzliche Ebene der .Ländergesamtheit" kennt das Grundgesetz nicht, sie wäre ohne Verfassungsänderung nicht möglich. Dahingestellt sei, ob ein Länderbeteiligungsverfahren durch Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Ländern hätte vorgesehen werden können. Abgesehen davon, daß das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung durchaus als zweifelhaft angesehen werden muß- jedenfalls wenn sie inhaltlich ähnlich starke Mitwirkungsrechte vorgesehen hätte wie nun der Art. 2 EEAG -,so wäre ein solches Verfahren, wie die Vergangenheit lehrt, zu kompliziert gewesen und hätte auch nicht Mehrheitsentscheidungen zugelassen, so wie sie nun im Bundesratsverfahren möglich sind. II.
Ich habe alle diese Punkte vorweg angesprochen, um die grundlegenden Positionen der Länder zu Art. 2 EEAG deutlich zu machen. Dies erschien mir notwendig, da im folgenden, wenn ich auf Einzelheiten der Ländervereinbarung eingehe, diese Grundpositionen durchaus von Bedeutung sind. Es wäre nun nicht sinnvoll, Sie anband des gegenwärtig vorliegenden Vereinbarungsentwurfes über alle Einzelheiten des Länderbeteiligungsverfahrens zu informieren. Ich möchte mich darauf beschränken, Ihnen die wesentlichen, nach gegenwärtigem Verhandlungsstand noch bestehenden Dissenspunkte zu schildern und die Länderhaltung dazu zu erläutern. Vorweg einige allgemeine Hinweise zu diesen Verhandlungen: Bei Verhandlungsbeginn standen sich die Meinungen von Bund und Ländern doch sehr kontrovers gegenüber. Die Länder hatten den Eindruck, daß der Bund verschiedentlich selbst von den Positionen wieder herunter wollte, die er in früheren Absprachen bereits eingeräumt hatte. Es bedurfte harter Verhandlungen, bis es zum gegenwärtig aktuellen Vereinbarungsentwurf kam, der viele Bereiche übereinstimmend regelt, allerdings noch wichtige Dissenspunkte übrig läßt. Die Länder sind allerdings der Auffassung, daß das Bundesratsverfahren nach Art. 2 EEAG notfalls auch ohne Vereinbarung praktizierbar wäre, so hilfreich konkrete Absprachen sicherlich auch wären.
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Es liegt auf der Hand, daß 11 Länder nicht in jedem Einzelpunkt einer Meinung sind. Wenn ich im folgenden die Länderposition darstelle, so handelt es sich -vorbehaltlich besonderer Hinweise - jedenfalls aber um die Ansicht der Ländermehrheit Zu den einzelnen Dissenspunkten: 1. Erstreckung der gesamten Vereinbarung auf uneigentliche Ratsbeschlüsse (Ziff. I. 1 e) i. V. m. Ziff. VI. 2 Der Bund möchte die Vereinbarung auch auf Beschlüsse der .im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" anwenden. Das würde bedeuten, daß die Vereinbarung nicht nur für EG-Angelegenheiten gilt, sondern auch für Angelegenheiten außerhalb der EG-Zuständigkeit, die lediglich personenidentisch von den Vertretern der Mitgliedstaaten behandelt werden, die ansonsten als EG-Organ .Rat" auftreten. Dagegen bestehen jedenfalls seitens Bayerns erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Dazu zunächst eine kurze Erläuterung: Vor allem im Bildungs- und Kulturbereich tagen auf EG-Ebene nicht nur das EG-Organ .Rat", sondern - da die EG hier selbst kaum Zuständigkeiten besitzt - personenidentisch .die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen" als unmittelbare Repräsentanten der Mitgliedstaaten ohne rechtlichen Bezug zur EG. Es gibt darüber hinaus aber auch noch Beschlüsse nach der sog.• gemischten Formel", bei denen bewußt nicht zwischen EG-Organ und Vertretern der Mitgliedstaaten unterschieden wird. Es handelt sich hier um eine Hilfskonstruktion, um eine genaue Abgrenzung der EG-Kompetenzen von den den Mitgliedstaaten verbleibenden Kompetenzen zu vermeiden. Die Formel wird vor allem im Kulturbereich häufig verwendet. Diese Entwicklung ist aus Ländersicht zu bedauern, weil damit die Länderkompetenzen immer weniger von den EGKompetenzen getrennt werden. Letztlich erscheint im Laufe der Zeit unter fleißiger Mitwirkung der Mitgliedstaaten alles als Materie der EG. Wenn die .im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen" als solche tätig werden, handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der EG. Dann gilt für diese Maßnahmen aber auch nicht das Bundesratsverfahren nach Art. 2 EEAG mit den dort möglichen Mehrheitsentscheidungen. Gerade im Bildungs- und Kulturbereich handelt es sich nach wie vor um reine Länderangelegenheiten mit allen rechtlichen Folgen. Es wäre unschädlich, wenn - wie im bisherigen Entwurf - lediglich vorgesehen würde, daß und wie die Länder von solchen Beschlüssen von der Bundesregierung unterrichtet werden. Wenn sich nun aber die gesamte Vereinbarung auch auf diese Beschlüsse beziehen soll, also z. B. die Stellungnahme des Bundesrates gegenüber der Bundesregierung angesprochen wird, so wird eine Länderangelegenheit dem Bundesratsverfahren unterworfen und damit als Bundesangelegenheit behandelt. 5"
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In der Praxis müßte daher m. E. wie folgt verfahren werden: Wenn die EG-Kommission solche Vorlagen weiterhin als EG-Angelegenheiten behandelt, muß der Bundesrat (bzw. vorher schon die entsprechende Fachministerkonferenz, vor allem die KMK) die Bundesregierung darauf hinweisen, daß es sich materiell nicht um eine EG-Angelegenheit handelt. Für eine Meinungsbildung ist inhaltlich der Bundesrat nicht zuständig. Die Bundesregierung hat klarzustellen, daß es sich um eine Angelegenheit außerhalb der EG-Zuständigkeit handelt. Die Meinungsbildung auf Länderseite ist in einem rechtlich gesonderten Verfahren (wohl Lindauer Vereinbarung) herbeizuführen. Mehrheitsentscheidungen wie im Bundesrat kann es nicht geben. Möglicherweise wird dieser Auffassung entgegengehalten, das Verfahren sei zu kompliziert und die Behandlung im Bundesrat einfacher. Wenn wir aber diese Trennung zwischen EG-Angelegenheiten und anderen Angelegenheiten nicht mit allem Nachdruck durchsetzen, werden die Länder faktisch weitere Zuständigkeiten verlieren, die gar nicht durch EG-Vertrag übertragen worden sind. Die vom Bund angedeutete Möglichkeit, lediglich für die KMK eine Sonderlösung zu suchen, reicht angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit nicht.
2. Hinzuziehung von Ländervertretern (Ziff. III. 3 Abs. 2) Art. 2 Abs. 5 EEAG regelt absichtlich keine Einzelheiten der Entsendung von Ländervertretern, sondern überläßt dies nach Abs. 6 der Vereinbarung. Die Frage, in welchen Fällen wieviele Ländervertreter einen Anspruch auf Teilnahme haben, ist einer der wesentlichen regelungsbedürftigen Punkte. Der Bund wollte ursprünglich gar keine Aussage machen, die Länder forderten grundsätzlich zwei Ländervertreter, jedoch zumindest einen, wenn der Bundesregierung die Entsendung von mehr als einem Vertreter in ein Beratungsgremium möglich ist. Zunächst eine Richtigstellung zu den Ausführungen von Herrn Dr. Morawitz: Es ist keineswegs so, daß jedes interessierte Land an den Bund mit der Forderung herantreten könnte, in der deutschen Delegation vertreten zu sein. Vielmehr sollen die Ländervertreter vom Bundesrat benannt werden. Nach dem gegenwärtigen Verhandlungsstand soll einvernehmlich eine Liste von den EG-Gremien erstellt werden, in denen die Länder generell vertreten sein möchten. Die Länder benennen dann der Bundesregierung über den Bundesrat die Länder oder die Vertreter, die in einem bestimmten Gremium tätig sein sollen. Dem Bundesrat bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, im Einzelfall bestimmte Vertreter zu bestellen.
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Über die Zahl der Ländervertreter ist noch keine Einigung erzielt. Bei allem Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung möglichst nicht binden will, erscheint eine Regelung auf der Basis des Ländervorschlags zweckmäßig und für die Bundesregierung auch zumutbar.
3. Delegationsleitung und Abgabe des Votums für die Bundesrepublik (Ziff. III. 5) Es ist zweckmäßig, daß bei Angelegenheiten ausschließlicher Länderzuständigkeit ein Ländervertreter das Votum für die Bundesrepublik Deutschland abgibt, da er in aller Regel über die größere Fachkenntnis verfügt. Bei dieser vom Bund abgelehnten Forderung handelt es sich lediglich um die Fortentwicklung einer Protokollerklärung des Bundeskanzlers vom 19. Mai 1983, in der bei ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz sogar die Leitung der Delegation der Bundesrepublik Deutschland übertragen wird, sofern nicht zwingende außen- und integrationspolitische Gründe eine andere Lösung erfordern. Es sollte eine Lösung gesucht werden, die sich an diese Protokollerklärung anlehnt. Die von Baden-Württemberg angedeutete Sonderregelung für die KMK wäre zwar besser als gar nichts, doch spricht alles dafür, sie auf alle Bereiche einer ausschließlichen Länderkompetenz auszudehnen.
4. Aufnahme von Länderbeamten in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel (Ziff. IV.) Der Vorschlag des Bundes, Länderbeamte in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Europäischen Gemeinschaften nur aufzunehmen, wenn sie dorthin abgeordnet werden und der Weisung des Leiters der Ständigen Vertretung unterliegen, war von den Ministerpräsidenten bereits bei früheren Verhandlungen abgelehnt worden. Der Vorschlag ist um so unverständlicher, als Staatsminister Stavenhagen bei den Beratungen zur Einheitlichen Europäischen Akte hier ein Entgegenkommen des Bundes signalisiert hatte. Problematisch erscheint weniger die formale Frage der Abordnung als vielmehr die damit verbundene Beschränkung der Länderbeamten. Sie dürfen keineswegs in ihrer Aufgabe, Informationen zu sammeln und Stellungnahmen und Berichte abzugeben, gehindert werden, weder durch Weisungen des Leiters der Ständigen Vertretung noch durch Beschränkung der technischen Hilfsmittel. Sie dürfen lediglich hinsichtlich des allgemeinen
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Dienstbetriebs und der Einheitlichkeit des Auftretens der Ständigen Vertretung nach außen deren Leiter unterstehen. Es liegt auf der Hand, daß ein Länderbeamter seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden kann, wenn er erst den Leiter der Ständigen Vertretung fragen muß, ob er einen Bericht an seinen Auftraggeber absenden darf oder nicht. Wenn ich hier von der Aufnahme von Länderbeamten in die Ständige Vertretung gesprochen habe, so soll es sich nach Auffassung der Länder bei diesem Länderbeamten um den sog.•Beobachter der Länder" handeln, den ich in anderem Zusammenhang bereits erwähnt habe. Zumindest ist dies die ganz überwiegende Auffassung der Länder, wobei allerdings nicht verschwiegen werden darf, daß es auch Stimmen gibt, die die Institution des Länderbeobachters in seiner derzeitigen Ausgestaltung in Frage stellen. Die länderinterne Diskussion ist hier noch nicht abgeschlossen. Bisher geht die ganz überwiegende Zahl der Länder davon aus, daß der Länderbeobachter als eigenständige Ländereinrichtung erhalten, in seiner Aufgabenbeschreibung aber an die durch Art. 2 EEAG geänderten Rahmenbedingungen angepaßt werden muß. 5. Büros der Länder in Brüssel (Ziff. V.) Die Länder sind der Auffassung, daß die Frage der Länderbüros in keinem Zusammenhang mit Art. 2 EEAG steht und daher in den Vereinbarungen nicht geregelt werden sollte. Demgegenüber möchte der Bund die Länderbüros mit Hilfe der Vereinbarung auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld festschreiben. Aus Ländersicht wäre eine Regelung nur akzeptabel, wenn die Tätigkeit der Länderbüros mit einer Vereinbarung nicht beschränkt wird. Der Bund stellt sich z. B. vor, daß die Tätigkeit der Länder nur inoffizieller Natur sein dürfe. Das wirft natürlich sofort die Frage auf, was darunter zu verstehen ist. Wäre es z. B. eine offizielle Tätigkeit, wenn ein Länderbüro im Auftrag seiner Regierung wegen einer Regionalbeihilfe an die EG-Kommission herantritt? Ein Teil der Länder lehnt es daher ab, sich auf inoffizielle Tätigkeit festschreiben zu lassen. 6. Beibehaltung bisheriger Verfahren und Fachkontakte (Ziff. VI. 3) In Art. 2 Abs. 5 EEAG ist vorgesehen, daß Vertreter der Länder .unbeschadet der bereits bestehenden Regelungen" hinzuzuziehen sind. In Ziff. VI. 3 wird versucht, diese Bestimmung zu konkretisieren. Der Bund ist der Auffassung, daß diese Fachkontakte nun durch die Regelung in Art. 2 EEAG überholt seien. Künftig solle alles über den Bundesrat laufen.
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Bestehende Kontakte und Informationsverfahren (vor allem der KMK und des Länderbeobachters) sollten erhalten bleiben. Sie stehen einer Stellungnahme über den Bundesrat nicht entgegen, sondern bereiten vielmehr diese vor. Falls sich keine zufriedenstellende Lösung abzeichnet, sollte die Ziffer völlig gestrichen werden. Dann verbleibt es eben bei dem Gesetzeswortlaut 7. Weiterleitung von Anträgen an Organe und Institutionen der EG über die Bundesregierung (Ziff. VI. 4) Der Bund möchte offenbar versuchen, über die Vereinbarung einen Einfluß auf die Anträge zu bekommen, die aus den Ländern an die Organe und Institutionen der EG gehen. Diese Forderung des Bundes findet in Art. 2 EEAG keine Grundlage. Die Länder sollten es ablehnen, mit der EG nur über die Bundesregierung verkehren zu dürfen. Dies widerspräche unserer Auffassung, daß die EG mehr als "Ausland", eine eigenständige Ebene ist. Selbst mit dem Ausland brauchen die Länder nicht über die Bundesregierung zu verkehren. Soweit die wichtigsten, nach derzeitigem Verhandlungsstand bestehenden Dissenspunkte. Für das weitere Verfahren ist vorgesehen, daß nun die Europastaatssekretäre und die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder versuchen sollen, die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, um möglichst bis zum Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im Dezember 1987 zu einem Abschluß zu kommen. Gestatten Sie mir zum Schluß eine persönliche Meinungsäußerung: Ich bin davon überzeugt, daß es seitens der Bundesrepublik weitere Fortschritte hin zu einem vereinten Europa, zu einer Europäischen Union nur geben wird, wenn die Länder jedenfalls innerstaatlich in die Entscheidungstindung zu europäischen Problemen ausreichend eingebunden werden.
Diskussion zu den Referaten von Christian Tomuschat, Rudoli Morawitz und Gerhard Memminger Leitung: Detlef Merten
Bericht von Alfons Schnabel Einleitung
Wegen des Zusammenhangs der drei Referate werden die sich jeweils anschließenden Diskussionen in einem Bericht zusammengelaßt Dabei werden die Diskussionsbeiträge nicht chronologisch wiedergegeben, sondern den jeweils angesprochenen Problemen zugeordnet, die sich wie folgt thematisieren lassen: 1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlaß des Art. 2 Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG), 2. Verfassungsrechtliche Ansätze für eine Mitwirkung des Bundesrates, 3. Praxis und Auslegung des Art. 2 EEAG und dessen Auswirkungen auf die alten Verfahren, insbesondere das Länderbeteiligungsverfahren, 4. Art. 24 I GG und dessen Verhältnis zu Art. 79 GG, 5. Weitere Einzelprobleme. 1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlaß des Art. 2 EEAG
Art. 2 EEAG regelt die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates bei EG-Entscheidungen, die für die deutschen Bundesländer von Interesse sind (Art. 2 I EEAG), die deren ausschließliche Gesetzgebungskompetenz betreffen oder deren wesentlichen Interessen berühren (Art. 2 II- V EEAG). Tomuschat habe, wie der Diskussionsleiter einleitend bemerkte, zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Art. 2 EEAG bezweifelt und sogar dessen Verfassungswidrigkeit - .eine ungewöhnlich geschickte Spannungshaltung"- erwogen, dann jedoch die Verfassungsmäßigkeit mit dem Gedanken der Kompensation, dem Grundsatz der Bundestreue und einem .harmonischen Versuch" verfassungskonformer Auslegung im Ergebnis bejaht.
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Morawitz äußerte demgegenüber Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Zur Begründung verwies er auf den Gegenstand, der hier einer gesetzlichen Regelung zugeführt werde. Hierbei gehe es um die Regelung des Verhältnisses von Bundesregierung zu Bundesrat und zu den Ländern. Tomuschat habe die Kompetenz des Bundes für diesen Bereich .sehr merkwürdig" begründet, eine Kompetenznorm aber nicht genannt. Bezüglich der Gesetzgebungskompetenz, insoweit war sich das Auditorium mit Tomuschat einig, müßten die einzelnen Elemente des EEAG gesondert betrachtet werden. Art. 24 GG gebe die Kompetenz, dem Inhalt der EEA zuzustimmen. Im übrigen verwies Tomuschat auf die von ihm selbst in seinem Referat geäußerten Zweifel an der Zuständigkeit des einfachen Gesetzgebers zur Regelung des •Verständigungs- und Konsultationsverfahrens" zwischen Bundesregierung und Bundesrat. Im Ergebnis sei er aber der Meinung, wenn auch "mit gewissen Bedenken", daß es dem einfachen Gesetzgeber jedenfalls nicht verwehrt sein könne, rein deklaratorisch etwas festzustellen, was sich bereits unmittelbar aus verfassungsrechtlichen Prinzipien ergebe. Das nunmehr gesetzlich verankerte Verfahren sei als Ausfluß geltenden Verfassungsrechts anzusehen, womit eine ungeschriebene Bundeszuständigkeit in Betracht komme. Es sei kaum vorstellbar, daß das Rechtsverhältnis zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat von elf Landesgesetzgebern- eventuell noch in unterschiedlicher Weise- ausgestaltet werden könne. Die ungeschriebene Bundeszuständigkeit sei daher eine Zuständigkeit kraft Natur der Sache. Abschließend bemerkte Tomuschat, daß, wenn man überhaupt ein solches Gesetz für verfassungsmäßig halte, nur der Bundesgesetzgeber zuständig sein könne.
Rack wies darauf hin, daß sich in Österreich die Frage nach der Integrationsgewalt und von Kompensationsmöglichkeiten für daraus resultierende Verluste der Länder in anderem Zusammenhang bereits mehrmals gestellt habe. Österreich habe immer den Weg des Verfassungsgesetzes und der formellen Verfassungsänderung gehen müssen. Aus dogmatischen Gründen, die auch Tomuschat für die Bundesrepublik angesprochen habe, sollten Kompensationen für verlorene Zuständigkeiten nur im Wege der Verfassungsänderung möglich sein. Aus juristischer und theoretischer Sicht hielt auch Schreckenberget eine Verfassungsänderung für die bessere Lösung. Trotzdem warnte er vor verfassungsrechtlicher Verfestigung mitten in einem Entscheidungsprozeß. Er erinnerte zudem an die Schwierigkeiten einer Verfassungsänderung und hielt die Kompetenzbegründung Tomuschats durchaus für tragbar, da den Ländern bzw. dem Bundesrat keine Verhandlungskompetenz eingeräumt werde. Klein bezeichnete die von Tomuschat bejahte Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zum Erlaß des Art. 2 EEAG als .Verdeutlichungskompetenz".
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Er stellte seine Zweife! an einer. Verdeutlichungskompetenz" des Bundes an einem Beispielsfall im Zusammenhang mit den Städtepartnerschaften dar. In den Partnerschaftsurkunden stünde zum Teil manches, was dort nicht enthalten sein sollte. Käme der Bund nunmehr auf den Gedanken, ein Gesetz zur Verdeutlichung der Gemeindekompetenzen zu erlassen, in das etwa das aufgenommen werde, was das Bundesverfassungsgericht zur Auslegung des .örtlichen Wirkungskreises" in Art. 28 II GG gesagt habe, so fehle dem Bund hierzu wegen der Rechtsfolgen die Zuständigkeit. Es sei ein Unterschied - auch das Bundesverfassungsgericht habe das schon einmal betont -, ob man das Grundgesetz beachten, oder ob man Gesetze ausführen müsse. Käme dem Bund aber eine Verdeutlichungskompetenz zu, würde dieser Unterschied verwischt werden. Wegen der vielfach geäußerten Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes hielt es Schmidt-Meinecke für wünschenswert, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Lösungsversuch wagt. Er erinnerte daran, daß man auch in der Bundesrepublik "auf dem Pfad der Tugend" (einer Verfassungsänderung) gewesen sei. Der Bundesratsbeschluß vom 16.5.1986 fordere neben einer Änderung des Art. 24 I GG hinsichtlich eines Zustimmungserfordernisses des Bundesrates für die Übertragung von Hoheitsrechten auch eine Regelung der Länderbeteiligung in der Verfassung. Nachdem das EEAG erlassen sei, sei dieses Thema wohl erledigt, worauf auch die Warnung Schreckenhergers vor verfassungsrechtlicher Verfestigung hindeute. •Die schlimmsten und schwierigsten Fragen" Kleins aufgreifend, hielt Tomuschat das Problem der Verdeutlichungskompetenz des Bundes nach deutschem Verfassungsrecht für ungelöst. Rechtsvergleichend könne an den amerikanischen war-powers-act gedacht werden, mit dem der amerikanische Kongreß das Rechtsverhältnis zwischen sich und dem Präsidenten bei der Militärhoheit mit bisher ungewissem Erfolg zu regeln versucht habe. Der Akt sei Streitobjekt geblieben; die Praxis gehe aber von seiner Beachtlichkeit aus, wobei die Verwaltung im allgemeinen die Anwendungsvoraussetzungen in Abrede stelle. Ob die Verfassungswidrigkeit des Aktes in der amerikanischen Debatte behauptet werde, sei ihm im einzelnen nicht bekannt. Obwohl er selbst von einem "unsicheren Boden" sprach und das von Klein angesprochene Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts mit der Unterscheidung zwischen Ausführung von Bundesgesetzen und der Beachtung von Verfassungsrecht kenne, erschien es Tomuschat zweifelhaft, eine Verdeutlichungskompetenz des Bundes .allein aus diesem rechtskonstruktiven Grund grundsätzlich zu verneinen". In Übereinstimmung mit Rack und Schmidt-Meinecke und in gewissem Gegensatz zu Schreckenherger betonte Tomuschat, daß die Beteiligung des Bundesrates auf viel verläßlicherem Boden stehen würde, wenn man den
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Weg der Verfassungsänderung eingeschlagen hätte bzw. einschlagen würde. Er schloß mit der Bemerkung, daß man sich in der Tat vielleicht doch zu einer Verfassungsänderung entschließen und nicht immer den pragmatischen Weg des Arrangements mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten dieser Änderung wählen solle. Keine Zweifel an der Zulässigkeit des Art. 2 EEAG hatte Memminger, der das Gesetz über Art. 50 GG für zulässig hielt, wonach die Länder durch den Bundesrat auch bei der Verwaltung des Bundes mitwirken. Frau Montaro Chiner hielt die unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 2 EEAG für gefährlich. Da ihr die Einzelheiten der Kompetenzverteilung und -probleme im Grundgesetz nicht näher bekannt seien, wolle sie sich nicht zu diesem Problemkreis äußern. Ihr stelle sich aber doch die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, auf eine gesetzliche Regelung zu verzichten und es bei einer Vereinbarung wie 1979 zu belassen. Diesen Aspekt hatte auch schon Morawitz angedeutet, indem er darauf aufmerksam gemacht hatte, daß es die Bundesregierung lieber gesehen hätte, wenn es bei dem Verfahren von 1979 aufgrunddes Briefwechsels geblieben wäre.
Tomuschat wies auf den vom Bundesrat auf die Bundesregierung ausgeübten Druck hin; der Bundesrat habe bekanntlich erklärt, die Zustimmung zur EEA nur zu geben, wenn das Beteiligungsverfahren in das EEAG aufgenommen werde. Diesem Druck habe die Bundesregierung nachgegeben, wenn auch nur, wie Morawitz bemerkte, aus politischen Gründen.
2. Verfassungsrechtliche Ansätze für eine Mitwirkung des Bundesrates Obwohl erhebliche Zweifel an der Kompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers zum Erlaß des Art. 2 EEAG geäußert wurden, stellte doch niemand die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung des Bundesrates oder der Länder in Abrede. Man suchte und diskutierte deshalb Ansätze in der Verfassung zur Begründung einer solchen Beteiligung. In Übereinstimmung mit Tomuschat hielt Klein die Überlegung von Grabitz, vorgetragen auf der Tagung .Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften" in Stuttgart am 20./21.6.1986 (vgl. hierzu den gleichnamigen Band, herausgegeben von R. Hrbek I U. Thaysen, Baden-Baden 1986), zu Art. 50 GG für eine Überinterpretation dieser Verfassungsbestimmung. Trotzdem frage er sich, ob die auch von Tomuschat angesprochene und ganz herrschende These, wonach der Bundesrat nur dort mitwirken könne, wo dies ausdrücklich im Grundgesetz geregelt ist, richtig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe im Zusammenhang mit Art. 80 II GG in einer allerdings konkreten Situation eine Zustimmungsbefugnis des Bundesrates angenommen. Vor Jahren habe er aufgrund dieser Entscheidung darauf
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hingewiesen, daß damit die allgemeine Lehre ins Rutschen gekommen sei, dies sei allerdings nicht eingetreten. Trotzdem meinte Klein, wenn nun zwar Art. 50 GG nicht .das Füllhorn" sei, das lediglich in concreto vom Bundesrat realisiert werden müsse, ergäben sich vielleicht doch aus dem föderalistischen Prinzip- unter Hinweis auf Art. 50 GG könne das eventuell mitbelegt werden - gewisse Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung, auch Zustimmungserfordernisse, des Bundesrates, wenn es wirklich an die Substanz der Länderkompetenzen gehe. Klein machte schließlich darauf aufmerksam, daß das .Unbehagen des Austrocknens von Länderzuständigkeiten in einem wachsenden Integrationsprozeß" möglicherweise mit dem oft beklagten, bisher aber nicht behobenen Demokratiedefizit auf Gemeinschaftsebene verbunden sein könnte. Die Ausschaltung der Länder bedinge auch eine Ausschaltung der Landtage, wie die Übertragung von Hoheitsrechten ja auch zu einer Entmachtung des Bundestages führe. In dieser Konstellation ergebe sich ein Gefühl, das vielleicht demokratietheoretisch .gespeist" sei, sich aber .auf dem föderalistischen Gleis" auswirke. Ein gewisses Unbehagen konstatierte auch Tomuschat. Man suche daher nach Kompensationsmöglichkeiten für den Bundesrat und stelle sich -jedenfalls bei starken Zuständigkeitsverlusten- die Frage nach Abhilfemöglichkeiten, die durch eine Verfassungsinterpretation eventuell doch sichtbar gemacht werden könnten. Streinz griff auf die Bemerkung von Morawitz zurück, wonach der Bund durch Art. 2 EEAG Zuständigkeiten an den Bundesrat abgegeben habe, die ihm nach Art. 32 GG zustünden. Diese Kompetenzaufgabe im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesrat werfe ein verfassungsrechtliches Problem auf, da der Bundesrat ein Bundesorgan sei, Länderinteressen aber die Interessen der einzelnen Länder seien und die Länder in ihren Kompetenzbereichen unterschiedliche Politiken verfolgen könnten. Streinz fragte nach dem Ansatzpunkt der Einschaltung des Bundesrates in diesem Bereich. In der Tat übernehme der Bundesrat durch Art. 2 EEAG Funktionen der Länder und Länderkompetenzen, führte Morawitz aus. Nicht von ungefähr habe sich deshalb der Rechtsausschuß des Bundesrates gegen die Gesetz gewordene Regelung der Einschaltung des Bundesrates ausgesprochen. Die verfassungsrechtlichen Fragen und Probleme seien z. T. völlig außerhalb der Diskussion geblieben. Hier seien unter Umständen noch Verfassungsstreitigkeiten zu erwarten. So sei völlig offen, ob ein Bundesland trotz des Art. 2 EEAG aus der Bundesratsmeinung ausscheren könne, z. B. wenn die EG eine Richtlinie plane, in der für Gastarbeiter Unterricht im Griechischen in den Grundschulen vorgeschrieben sei. Im übrigen hielt Morawitz die Regelungen des Art. 2 EEAG für ein sehr weitgehendes Entgegenkommen des Bundes, der sich immerhin darauf eingelassen habe, von einem
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Standpunkt der Länder bzw. des Bundesrates nur aus zwingenden oder unabweisbaren integrationspolitischen Gründen abzuweichen. Jaspert machte darauf aufmerksam, daß die angesprochenen Länderkompetenzen auf die EG übertragen seien. Diese Tatsache dürfe bei der Diskussion um die Einschaltung des Bundesrates nicht übersehen werden. Im Außenverhältnis sei die Bundesregierung über diese Kompetenzen •verfügungsberechtigt". Nach Meinung Jasperts ist es aber verfassungsrechtlich völlig ausgeschlossen, daß elf Landtage die Bundesregierung kontrollieren, selbst wenn den Ländern im Innenverhältnis noch Einflußmöglichkeiten zustünden. Hier setze auch Grabitz mit seinen Überlegungen zu Art. 50 GG an. Da die Bundesregierung auch bezüglich der übertragenen Länderkompetenzen verfügungsberechtigt sei, seien die Bundesorgane Bundesrat und Bundestag im Rahmen der bestehenden Informations- und Kontrollrechte zur Mitwirkung aufgerufen.
Mehr zum Standpunkt von Morawitz und Streinz tendierte Stöger. Er sprach von einer den Ländern trotz der Übertragung ihrer Zuständigkeiten auf die EG zustehenden und verbleibenden Restkompetenz, mit der allein die inhaltliche Mitwirkung des Bundesrates und die inhaltliche Bindung der Bundesregierung an den Länderstandpunkt im Bundesratsverfahren begründet werden könne. Dagegen war Memminger der Auffassung, daß keine Restkompetenz bei den Ländern verbleibe. Ein Hoheitsrecht, das auf die EG übertragen sei und von dem die EG Gebrauch mache, sei für den früheren Inhaber nicht mehr vorhanden. Die Mitwirkung von.Organen der Mitgliedstaaten bei der Ausübung und Durchführung des auf die EG übertragenen Hoheitsrechts sei in der Institution selbst begründet. Deshalb sei die Mitwirkung der Bundesregierung im Rat der EG seiner Meinung nach keine .leere Hülse», in die die Ländermeinung nur eingebracht werden müsse und könne, sie sei vielmehr zunächst Ausübung exekutiver auswärtiger Gewalt. Die Einschaltung des Bundesrates hielt Memminger durch den auf Art. 50 GG beruhenden Art. 2 EEAG für möglich, weil die auswärtige Kompetenz der Bundesregierung nicht ausschließlich sei und nicht zu deren Kernbereich gehöre. Der Ansicht von Morawitz vom weiten Entgegenkommen des Bundes widersprach Risse. Erst die Praxis werde erweisen, ob tatsächlich ein weites Entgegenkommen vorliege. Die Formulierungen des Art. 2 EEAG seien sehr dehnbar, so daß die Bundesregierung durchaus Handlungsspielraum habe. Morawitz wies darauf hin, daß die Bundesregierung nun nicht mehr finanzielle oder ausländerpolitische Erwägungen anführen könne, so daß durchaus ein weites Entgegenkommenm vorliege.
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3. Praxis und Auslegung des Art. 2 EEAG und dessen Auswirkungen auf die alten Verfahren, insbesondere das Länderbeteiligungsverfahren
Kleinere Auffassungsunterschiede ergaben sich bei der Frage des Verhältnisses von neuem Bundesratsverfahren und altem Länderbeteiligungsverfahren. Während Morawitz und Stöger die Meinung vertraten, das alte Verfahren sei mit Inkrafttreten der EEA hinfällig geworden- Stöger sprach von einem Zwischenstadium, da die neuen Verfahren noch nicht ausgehandelt seien -, ging Plöger von der derzeitigen Weitergeltung des Länderbeteiligungsverfahrens bis zum Abschluß der neuen Bund-Länder-Vereinbarung aufgrund des Art. 2 VI EEAG aus. Morawitz machte auf die in den laufenden Verhandlungen noch gegensätzlichen Positionen des Bundes und der Länder aufmerksam und stellte den Standpunkt der Bundesregierung dar. Die Bundesregierung gehe davon aus, daß sowohl das Länderbeteiligungsverfahren als auch die besonderen .alten Stränge", beispielsweise der Kultusministerkonferenz, durch das neue Bundesratsverfahren hinfällig geworden seien. Im Gegensatz dazu forderten die Länder aber, wohl im Bewußtsein, diese besonderen Verbindungen, insbesondere der Kultusministerkonferenz, nicht bremsen zu können, daß gewisse Informations- und Beteiligungsstränge in die Vereinbarung aufgenommen und neben dem neuen Verfahren erhalten bleiben sollten, an sich ein Unterlaufen einer neuen Vereinbarung. Morawitz persönlich plädierte jedoch für die Beibehaltung der alten Stränge, die er sehr schätze; auf der Länderseite müsse nur eine .kongruente Entscheidung" sichergestellt sein. Bauer widersprach der Ansicht Memmingers zu den Koordinierungsabsprachen der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen. Diese sollten nach Ansicht Memmingers nicht in die neue Bund-Länder-Vereinbarung aufgenommen werden. Bauer gab zu bedenken, daß dann für wichtige Teile der EG-Aktivitäten überhaupt keine Regelung einer Beteiligung vorhanden sei, da der derzeitige Vereinbarungsentwurf das Verfahren von 1979 aufgrunddes Briefwechsels zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz für nicht mehr anwendbar erkläre, womit eine Lücke entstehe. Bruha unterstützte die Argumentation Memmingers. Der Gesetzgeber habe in Art. 2 EEAG für die .uneigentlichen Ratsbeschlüsse" eine Lücke geschaffen. Im Gegensatz zum Bundesratsentwurf werde in Art. 2 EEAG unterschieden zwischen "Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft" (Art. 2 I EEAG), wozu die kulturelle Zusammenarbeit, die EPZ und ähnliches gehöre, und dem .eigentlichen supranationalen Bereich in Art. 2 II EEAG", wo es heiße: .Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung bei Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften ... dem Bundesrat Gelegenheit zur
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Stellungnahme ... ", wozu dann in der Tat die Rechtshandlungen (Verordnungen, Richtlinien usw.) der drei Gemeinschaften gehörten. Insgesamt stütze daher derWortlautdes Art. 2 EEAG, insbesondere dessen sprachliche Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gemeinschaften, die Ansicht Memmingers. Fastenrath vertrat wie Bruha und Memminger die Auffassung, daß die uneigentlichen Ratsbeschlüsse nicht von Art. 2 EEAG erfaßt seien. Er habe allerdings keine Zweifel, daß der Bund und die Länder diese trotzdem in ihre Vereinbarung mitaufnehmen könnten. Dies sei zudem die einzige Möglichkeit, den Bundesrat insoweit einzuschalten. Trotz des Einwandes von Bauer hielt Memminger an seiner Ansicht fest. Die uneigentlichen Ratsbeschlüsse seien, wie Bruha ausgeführt habe, nur von Art. 2 I EEAG, der Unterrichtungspflicht, erfaßt, wogegen auch nichts einzuwenden sei. Im übrigen seien diese Beschlüsse nicht EG-Angelegenheiten und darum eben in Art. 2 II EEAG nicht geregelt. Gegenüber einer Aufnahme dieser Beschlüsse in die neue Bund-Länder-Vereinbarung habe jedenfalls Bayern verfassungsrechtliche Bedenken. Soweit die uneigentlichen Ratsbeschlüsse Länderinteressen und -kompetenzen berührten, komme als Beteiligungsverfahren nur das Lindauer Abkommen in Betracht, nicht aber ~die Bündelung der Ländermeinungen im Bundesrat" mit der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen. Mit den Anforderungen an die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat befaßte sich Leonardy. Wie selbstverständlich sei Tomuschat von der Pflicht der Bundesregierung ausgegangen, dem Bundesrat die EG-Vorlagen mit Erläuterungen zuzuleiten. Seines Erachtens erstrecke sich die Pflicht des Bundes darauf, die Länder auf die nach Ansicht der Bundesregierung berührten Länderkompetenzen und -interessen sowie auf den Verhandlungsstand in Brüssel und die zeitlichen und sachlichen Zwänge aufmerksam zu machen. Leonardy leitete diese Pflichten der Bundesregierung aus dem Prinzip der Bundestreue ab und bezeichnete die sich daraus und aus Art. 2 EEAG ergebenden Pflichten als .Bringschuld". Die Verpflichtung der Bundesregierung entbinde den Bundesrat und die Länder aber nicht von einer eigenen Prüfung und Beurteilung und von eigenen organisatorischen Vorkehrungen. In diesem Zusammenhang sprach Leonardy von Defiziten auf der Länderseite hinsichtlich des Problembewußtseins und der Verarbeitungskapazität, die abgebaut werden müßten. Morawitz erläuterte die Vorstellungen des Bundes und dessen organisatorische Vorkehrungen. Der Bund beabsichtige, mit dem Bundesrat in einen politischen Dialog einzutreten. Daher werde Staatsminister Stovenhagen dem Plenum und den Ausschüssen des Bundesrates als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und wohl für den Abbau der in der Vergangenheit entstandenen Irrationen sorgen. Morawitz hegte allerdings Zweifel daran,
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daß die nun in .Filigranarbeit" ausgearbeiteten bzw. auszuarbeitenden verwaltungsmäßigen Verfahren auch Irritationen abbauen würden. Vor allzu großen Erwartungen bezüglich der neuen Verfahren warnte auch Streinz. Er sah das Problem darin, daß die Länder die Kompetenzabgabe an die EG als solche nicht verhindem könnten. Von daher sah Streinz die Gefahr, daß .das Ganze zu einer Enttäuschung für die Länder" führen könnte, da alle Verfahren kein Ersatz für die verlorenen Kompetenzen sein könnten. Zu erreichen sei vielleicht und das sei vielleicht auch bezweckt gewesen, daß der Bund in seinem Abstimmungsverhalten bei den die Länder berührenden Interessen sensibler werde und im Zweifel - in Verfolgung des Subsidiaritätsprinzips - gegen eine Vergemeinschaftung stimme. Aus anderen Gründen bekundete Jaspert Zweifel an der Wirksamkeit und Effizienz der neuen Verfahren. Er verwies auf den 1981 zwischen dem Bundesrat und der Bundesregierung ausgehandelten Kompromiß hinsichtlich der Verbesserung des Verfahrens nach Art. 2 des Gesetzes zu den Verträgen zur Gründung der EWG und der EAG von 1957. Dort sind nach Ansicht Jasperts. wunderschöne Dinge" ausgehandelt worden, die aber alle in der Praxis .nicht gelaufen" seien, obwohl der Kompromiß durch einen Brief des damaligen Bundesministers Lahnstein allen Ressorts bekannt gemacht worden sei. Jaspert war der Meinung, daß nicht nur die Länder- wie immer von Bundesseite hervorgehoben und gefordert werde -, sondern auch der Bund selbst organisatorische Änderungen vornehmen müsse. Er machte darauf aufmerksam, daß Staatsminister Stovenhagen sich im Bundesrat ähnlich geäußert und eine ganz neue Organisation bei der Regierung für erforderlich gehalten habe. Damals sei beabsichtigt gewesen, Stovenhagen zum Koordinator zu machen. Der derzeitige Stand der Überlegungen hinsichtlich der Organisationsfragen auf Regierungsseite sei ihm nicht bekannt, nach seinem Eindruck werde der Staatsminister keine echten Kompetenzen erhalten. Morawitz griff auf seine Ausführungen zu den organisatorischen Vorkehrungen auf Seiten der Bundesregierung zurück und gab hierzu nähere Erläuterungen. Alle Ressorts hätten bestimmte Umorganisationen und Vorkehrungen getroffen, .um den neuen Verfahren begegnen zu können •. Er machte darauf aufmerksam, daß diese Vorkehrungen nicht nur wegen des neuen Verfahrens mit dem Bundesrat, sondern auch wegen der erweiterten Kompetenzen des Europäischen Parlaments für notwendig gehalten worden seien. Das Bundeswirtschaftsministerium habe beispielsweise zwei neue Referate zur Betreuung des Bundesrates und des Europäischen Parlaments geschaffen, die bereits heute, obwohl eine Vereinbarung mit dem Bundesrat noch nicht existiere, im Vorgriff funktionierten. Mit den organisatorischen Vorkehrungen auf Seiten des Bundesrates beschäftigte sich Risse in einer Bemerkung zu den Ausführungen von Morawitz. 6 Speyer 103
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Risse berichtete, daß auch im Bundesrat bereits einiges geklärt sei. Ein noch offenes Problem betreffe die Einsetzung eines neben dem Bundesratsplenum bestehenden und eventuell erforderlichen Beschlußgremiums. In diesem Zusammenhang sei noch zu klären, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Kompetenzen ein solches Gremium eingesetzt werden könne. Mit der Einsetzung eines Beschlußgremiums beabsichtige der Bundesrat sicherzustellen, daß auch außerhalb der normalen Sitzungen des Bundesrates Stellungnahmen zu EG-Vorlagen abgegeben werden könnten, obwohl schon der normale dreiwöchige Sitzungsrhythmus des Bundesratsplenums die Möglichkeit eröffne, relativ zügig zu Entscheidungen zu kommen, wenn die Vorlagen in den Ausschüssen vorberaten seien. Mit seiner zweiten Bemerkung knüpfte Risse an die Ausführungen von Leonardy und Tomuschat zur Unterrichtungspflicht der Bundesregierung an. Beide hatten von einer Verpflichtung der Bundesregierung zu einer qualifizierten Unterrichtung des Bundesrates gesprochen, die auch von Risse bejaht wurde, der hierzu Morawitz nach seiner Ansicht fragte. Morawitz betonte, der Bund stehe zu der angesprochenen qualifizierten Unterrichtungspflicht Der Bund sei auch dafür, daß das neue Beteiligungsverfahren über den Bundesrat laufe. Zudem sei dem Bund der schnellere Sitzungsrhythmus des Bundesrates bekannt. Trotzdem hielt Morawitz es für notwendig, daß im Bundesrat neue zusätzliche Lösungen gefunden werden müßten, um zu noch schnelleren Entscheidungen und Stellungnahmen zu finden. Der Bundesrat müsse sich notfalls auch für die Errichtung eines Sondergremiums entscheiden. Zu denken sei etwa auch an ein Umlaufverfahren, das auch im Bundeskabinett bei eilbedürftigen Entscheidungen praktiziert werde. Gründe, daß ein solches Verfahren im Bundesrat nicht funktionieren sollte, sah Morawitz nicht. Mit dem Problem der Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates beschäftigte sich Fastenrath. Tomuschat habe in seinem Referat .eine weiche Lösung" vorgeschlagen, die in die Richtung des alten Länderbeteiligungsverfahrens nach dem Schriftwechsel von 1979 gehe. Fastenrath hielt diese Interpretation des Art. 2 III EEAG für zweifelhaft, weil dieser doch wesentlich schärfer formuliert sei als die entsprechende Passage im angesprochenen Schriftwechsel. An Memminger gewandt, stellte er die Frage, ob dieser der Ansicht Tomuschats zustimme oder ob er der Meinung sei, die neue Regelung gehe über eine .Bemühensverpflichtung" hinaus und beinhalte einen Zwang für die Bundesregierung, sich an die Stellungnahme des Bundesrates zu halten. Memminger bezog sich auf den Wortlaut des Art. 2 III EEAG, wo es heißt: .Die Bundesregierung berücksichtigt .. ." und •... , darf die Bundesregierung hiervon nur ... abweichen". Diese Bestimmung sei so auszulegen, wie es dort stehe, d. h .• die Bundesregierung hat die Stellungnahmen zu berücksichtigen, sie kann hiervon nur aus den angegebenen Gründen abweichen".
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4. Art. 24 I GG und dessen Verhältnis zu Art. 79 GG Im Zusammenhang mit der von Rack angesprochenen Integrationskompetenz stellte Plöger die Frage, ob der Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union des Europäischen Parlaments noch mit Art. 24 I GG realisiert werden könne oder ob hier der unantastbare Bereich des Art. 79 III GG berührt werde. Tomuschat unterschied bei der rechtlichen Betrachtung zwei Ansatzpunkte. Zunächst sei die Frage zu beantworten, was mit Art. 24 I GG realisiert werden könne bzw. wo die sachlichen Grenzen dieses GG-Artikels seien. Nach der im Jahrbuch des öffentlichen Rechts dokumentierten Entstehungsgeschichte des Art. 24 GG sei festzustellen, daß die Vorstellungen der Verfassungsväter nicht sehr weit reichten; so sei etwa von einer europäischen Stahlbehörde und einem gemeinsamen Energieunternehmen gesprochen worden. Den Verfassungsvätern sei aber nicht bewußt gewesen, daß .das Ganze nun relativ hart an die Grenze der Staatlichkeit getrieben werden könnte". Tomuschat äußerte erhebliche Zweifel an der Realisierungsmöglichkeit der Vorstellungen des Europäischen Parlaments im Rahmen des geltenden Art. 24 I GG. Er tendierte dahin, eine Verfassungsänderung für notwendig zu halten, um diese Vorstellungen zu verwirklichen. Memminger griff eine Äußerung Tomuschats auf, der in seinem Referat eine Verfassungsänderung hinsichtlich eines Zustimmungsvorbehalts des Bundesrates in Art. 24 I GG für nicht vordringlich gehalten hatte, weil die Einbrüche in die Länderkompetenzen kaum mehr durch das Primär-, sondern im wesentlichen durch das Sekundärrecht erfolgten. Memminger verteidigte die Forderung des Bundesrates zur Änderung des Art. 24 I GG. Er warangesichtsdes Vertragsentwurfs des Europäischen Parlaments, der eine sehr weitreichende Übertragung von Hoheitsrechten auch der Länder vorsehe, der Auffassung, es müsse - diesmal rechtzeitig - überlegt werden, wie Art. 24 I GG zu einem auch den Ländern gerecht werdenden Instrument umgebaut werden könne. Morawitz vertrat die Auffassung, der Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments könne nicht mit Art. 24 I GG realisiert werden, möglicherweise stoße dieser sogar an die Grenzen des Art. 79 III GG oder gehe darüber hinaus. Zur Begründung seiner Auffassung führte Morawitz das in Art. 71 des Vertragsentwurfs vorgesehene Steuerfindungsrecht der angestrebten Union an, das an die Substanz der Finanzhoheit von Bund und Ländern gehe, die nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht durch Bundesgesetz und demnach auch nicht durch ein Gesetz nach Art. 24 I GG tangiert werden dürfe. Im Zusammenhang mit der Forderung des Bundesrates nach Änderung des Art. 24 I GG hinsichtlich eines Zustimmungsvorbehalts vertrat Morawitz die Auffassung, daß de lege lata das EEAG nicht zustimmungsbedürftig gewesen sei; Art. 24 I GG räume allein dem Bundes-
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gesetzgeberdie Integrationsgewalt ein. Die einzige Limitierung des Bundesgesetzgebers im Rahmen des Art. 24 I sei Art. 79 III GG.
Tomuschat räumte in Erwiderung auf die Äußerungen von Memminger und Morawitz ein, daß er seine Meinung nach einem Bedürfnis zur Änderung des Art. 24 I GG hinsichtlich eines Zustimmungsvorbehalts des Bundesrates vielleicht modifizieren, jedenfalls nochmals überdenken müsse. Er widersprach aber der Ansicht von Morawitz, wonach der EP-Entwurf über die Grenze des Art. 79 III GG hinausgehe. Diese Ansicht sei zu weitgehend und habe zur Konsequenz, daß nicht einmal der verfassungsändernde Gesetzgeber etwas ausrichten könne. Richtig sei demgegenüber wohl, daß zur Verwirklichung des EP-Vertragsentwurfs Art. 24 I GG nicht ausreiche. Diese Bestimmung lasse sich aber, ohne daß man an die Grenzen des Art. 79 III GG stoße, der selbstverständlich nicht überschritten werden dürfe, durch eine Verfassungsänderung noch ausweiten. Das Ganze sei zwar ein .heikler Abwägungsprozeß", trotzdem gebe es aber zwischen der derzeitigen Regelung des Art. 24 I GG und den Grenzen des Art. 79 III GG noch eine Zwischenebene, über deren nähere Ausgestaltung man sich noch genauere Gedanken machen müsse, mit der aber wohl auch solche Vorstellungen, wie vom EP in seinem Vertragsentwurf entwickelt, zu realisieren seien. Schreckenherger warnte auch in diesem Zusammenhang vor verfassungsrechtlicher Verfestigung, da schwer abzuschätzen sei, mit welcher Geschwindigkeit sich die EG auf eine Europäische Union zubewege. Mit den Anforderungen an ein Übertragungsgesetz nach Art. 24 I GG und der Kompetenz der Bundesregierung für die auswärtige Gewalt beschäftigte sich auch Fastenrath. Er bezog sich dabei auf ÄußerungenMemmingers, der die Frage nach der Bestimmtheit des Übertragungsgesetzes und nach der Kompetenz der Bundesregierung in auswärtigen Angelegenheiten in seinem Referat aufgeworfen hatte. Fastenrath war der Meinung, daß sich das Bundesverfassungsgericht in der Pershing II-Entscheidung zu beiden Problemen recht eindeutig geäußert habe. Das Bundesverfassungsgericht habe die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Übertragungsgesetzes nach Art. 24 I GG in dieser Entscheidung doch sehr gelockert und zudem die Kompetenz für die auswärtige Gewalt sehr stark .bei der Bundesregierung festgenagelt".
Memminger räumte der Bundesregierung in auswärtigen Angelegenheiten weite Befugnisse ein. Trotzdem stelle sich die Frage nach einer Konkretisierung eines Übertragungsaktes, der nicht Ausübung auswärtiger Gewalt sei. Insoweit könne der Bundesregierung keinesfalls dieser weite Ermessensbereich zustehen, da der Übertragungsakt ja vom Gesetzgeber vorgenommen werde.
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5. Weitere Einzelprobleme
a) Morawitz und Tomuschat sahen übereinstimmend die eigentliche Neuerung des neuen Verfahrens in dessen gesetzlicher Verankerung. Beide traten der von Blumenwitz und dem Freistaat Bayern vertretenen Auffassung, die Schreckenherger mit einem Hinweis auf das Lindauer Abkommen erklärte, entgegen, wonach der Briefwechsel von 1979 zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz eine Vereinbarung sei. Die EG-Erklärung des Bundeskanzlers von 1979 sei eine einseitige Erklärung des Bundes gewesen, da der Bund nicht den Willen zum Abschluß eines Vertrages gehabt habe. Insoweit, meinte Tomuschat, sei auch der Wortlaut eindeutig, da im Gegensatz zum Lindauer Abkommen bei dem Briefwechsel nicht von einem "Abkommen" die Rede sei. Auf einen Einwand von Risse, der ihm eine unterschiedliche Terminologie im Referat und in der Diskussion im Zusammenhang mit dem Briefwechel von 1979 vorhielt, ließ Morawitz die Rechtsnatur - Vereinbarung oder einseitige Erklärung - offen. b) Gerstenlauer zeigte sich verwundert über eine Äußerung von Morawitz, wonach nicht nur die EEA, sondern auch die Wettbewerbs- und Regionalpolitik der EG-Kommission zu Irritationen bei den Ländern geführt habe. Die Beihilfekompetenz der EG-Kommission stehe bereits in den Ursprungsverträgen und sei .nicht über Nacht auf die Länder hereingebrochen". Von daher seien ihm die von Morawitz in diesem Zusammenhang angesprochenen Irritationen der Länder unverständlich. Morawitz hielt an seiner Meinung fest. Die Beihilfekontrolle der EGKommission habe zu Irritationen bei den Ländern geführt, weil die Kommission diese in den letzten Jahren effektiver durchgeführt habe. Die Kommission habe gefordert, daß die gesamte .Beihilfenkulisse" in der Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt werden müsse. Einmal bestehe die Forderung der Kommission darin, den Prozentsatz der Bevölkerung, die durch die deutsche Regionalpolitik betreut werde, von 44 auf 38 Prozent zu senken, zum anderen fordere die Kommission aber auch eine Reduzierung der Beihilfeneffizienz. Mittlerweile sei ein Kompromiß mit der Kommission gefunden und ausgehandelt worden, dem sich aber Bayern und Baden-Württemberg noch widersetzten. c) Dessloch beschäftigte sich mit den Ursachen des Scheiteros des alten Länderbeteiligungsverfahrens. Ein Beamter gebe zwar nicht gerne seine Unkenntnis zu, diese Unkenntnis sei aber eine der wesentlichen Ursachen für das festgestellte Scheitern. Dessloch war der Meinung, daß die Unkenntnis im wesentlichen auf der .extremen Intransparenz des sekundären Gemeinschaftsrechts" beruhe, die auch als Damoklesschwert über dem neuen Bundesratsverfahren hänge. An Morawitz gewandt, fragte Dessloch, wie sich
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der Bund, das Bundeswirtschaftsministerium, einen Überblick über das Gemeinschaftsrecht verschaffe. Morawitz stimmte Dessloch bei dessen Feststellung einer mangelnden Transparenz der EG-Rechtsetzung zu, das sei zu bedauern. Die EG-Rechtsetzung sei nun einmal Beamtenrechtsetzung, an der auch die Beamten des Bundesrates beteiligt seien. Transparenz sei nur zu schaffen, wenn in der Gemeinschaft eine politische Instanz geschaffen werde. Transparenz in der Gesetzgebung bei uns schaffe doch der Bundestag, also eine parlamentarische Institution; eine solche gelte es auch in der EG zu schaffen, um Transparenz zu erreichen.
Die Beteiligung des Bundesrates an der europäischen Integration Von Günter Jaspert Die Frage der Beteiligung des Bundesrates bei der innerstaatlichen Meinungsbildung in europäischen Angelegenheiten ist im Zusammenhang mit den Beratungen des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG) mehr als je zuvor in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt worden. Zeitungsüberschriften wie .Degenerierter Föderalismus" 1, .Noch mehr Köche" 2 , •Wieder Kleinstaaterei" 3 zeigen in ihrer negativen Akzentuierung, die zum Teil auch eine Europafeindlichkeit unterstellte, daß das Anliegen des Bundesrates vielfach nicht verstanden worden ist. Das trifft aber nicht nur für die Berichterstattung in den Medien zu, sondern auch für die politische Erörterung. Dem in der Europa-Kommission des Bundestages am 20. Juni 1986 vorgelegten Antrag, wonach für den Bundestag die gleiche Rechtsstellung angestrebt wurde wie für den Bundesrat im Gesetzentwurf vorgesehen, lag ebenfalls ein Mißverständnis zugrunde. Sicherlich, Bundestag und Bundesrat haben durch das Inkrafttreten der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften -wie die Gesetzgebungsorgane der übrigen Mitgliedstaaten - Gesetzgebungskompetenzen in größerem Umfang an den Rat der Europäischen Gemeinschaften abgegeben. Und es ist auch richtig, daß die Übertragung von der nationalen auf die europäische Ebene durch das Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte jedenfalls formell ausgeweitet worden ist. Insofern hätte auch für den Bundestag ein Anlaß bestanden, bei der Ratifizierung der Akte eine Verbesserung des Informationsverfahrens oder die Einführung eines Mitwirkungsverfahrens anzustreben. Wenn aber - wie geschehen - damit eine Parallelität zum Anliegen des Bundesrates hergestellt wurde, so ist der für den Bundesrat entscheidende Aspekt übersehen worden. Es ging und geht den Ländern um die Aufrechterhaltung der wesentlichen Grundlagen des föderativen Systems und das im Zusammenhang mit der Übertragung von Kompetenzen auf die Europäischen Gemeinschaften nicht erst seit der 1 2
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Die Welt, 10.05.1986. Kölner Stadt-Anzeiger, 23.04.1986. Handelsblatt, 20.05.1986.
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Beratung über die Einheitliche Europäische Akte, sondern seit der Ratifizierung des EGKS-Vertrages im Jahre 1951, also seit 36 Jahren. Während des Symposiums .,Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften" vom 20./21. Juni 1986 in Stuttgart ist die Frage erörtert worden, ob und inwieweit der Inhalt der Akte für den Bundesrat überhaupt ein Anlaß gewesen sei, die gesetzliche Regelung von stärkeren Informationsund Mitwirkungsrechten zu fordern. Günther Einert 4 , Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nord-
rhein-Westfalen, führte aus, das vieldiskutierte Junktim zwischen der Zustimmung des Bundesrates und der Erweiterung dieser Rechte beruhe nicht auf Bedenken gegen materielle Regelungen der Akte. Davon etwas abweichend wurde darauf hingewiesen, daß Edmund Stoiber, Staatsminister und Leiter der Staatskanzlei in Bayern, die Meinung vertreten habe, daß der Vorgang .das Faß (lediglich) zum Überlaufen" gebracht habe\ woraufhin Hans-Joachim Glaesner6 einwandte, dann müsse das Faß schon sehr voll gewesen sein, denn was die Einheitliche Europäische Akte hinsichtlich neuer Kompetenzen für die Gemeinschaft hinzugefügt habe, sei beinahe null. Die Frage, ob und wenn ja aus welchem Grund denn das Faß so voll war, bringt mich zurück zu den Anfängen, zu der inzwischen viel zitierten Äußerung von Ministerpräsident Arnold (Nordrhein-Westfalen) im Gesetzgebungsverfahren zur Ratifizierung des EGKS-Vertrages in der 61 . Sitzung des Bundesrates vom 27. Juli 195F, es bestehe die Gefahr, daß die Länder von der Mitwirkung ausgeschlossen und zu reinen Verwaltungseinheiten herabgedrückt würden. Für diese Befürchtung, die sich ja nicht in einem Stück bewahrheiten könnte, weil dem die Bestandsgarantie des föderativen Systems aus Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz entgegenstünde, wohl aber langfristig in kleinen Schritten, die für sich allein und auch in zunächst geringer Summierung diese Garantie noch nicht verletzen, gibt es zwei Gründe, die aus heutiger Sicht viel deutlicher sind als sie es damals waren. Zum einen wird in unserem föderativen Staat durch die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen auf die Gemeinschaften nicht nur die sogenannte horizontale Gewaltenteilung zwischen der legislativen und der exekutiven Gewalt beeinträchtigt, was sich daraus ergibt, daß die legislative 4 EG-Entwicklung unter Ländervorbehalt, in: Hrbek/Thaysen (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1986, S. 48. 5 Hrbek, Doppelte Politikverflechtung: Deutscher Föderalismus und Europäische Integration. Die deutschen Länder im EG-Entscheidungsprozeß, in: Hrbek/Thaysen (Anm. 4), S. 23. 6 Hrbek/Thaysen (Anm. 4), S. 37. 7 Sitzungsbericht, S. 445 (C).
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Gewalt in der Gemeinschaft im wesentlichen nicht vom Europäischen Parlament, sondern von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat ausgeübt wird. Eingeschränkt wird gleichzeitig die sogenannte vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern. Art. 50 des Grundgesetzes, wonach die Länder bei der Gesetzgebung des Bundes über den Bundesrat mitwirken, ist damit für den Bereich der Gemeinschaftsgesetzgebung ersatzlos entfallen. Das hat im Bereich der übertragenen Bundesgesetzgebung zu einer Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund geführt, durch die die in unserem Verfassungssystem vorgesehene Balance zwischen Bund und Ländern zugunsten des Bundes beeinträchtigt worden ist. 8 Der zweite Grund besteht darin, daß auf die Gemeinschaft auch Rechtsetzungsbefugnisse übergegangen bzw. über Art. 235 EWGV von ihr in Anspruch genommen worden sind, für die nach innerstaatlicher Kompetenzverteilung ganz oder zum Teil die Länder zuständig sind. Die Bereiche sind mit Beispielen in der Literatur aufgeführt worden. 9 Dazu wird sicherlich auch im weiteren Verlauf dieser Arbeitstagung noch ausführlich berichtet werden. Ich brauche daher in diesem Rahmen nicht auf die Einzelheiten einzugehen. Im Laufe der Gemeinschaftsentwicklung hat sich mit zunehmender Tendenz gezeigt, daß Gemeinschaftsregelungen in legislative und vor allem neuerdings auch in exekutive Länderkompetenzen eingreifen und damit für die Eigenstaatlichkeil der Länder vitale Belange betreffen. Was sich in dieser Weise in der Praxis gezeigt hat, war bei den Beratungen des Bundesrates über die Ratifizierung der Gemeinschaftsverträge zunächst nur zum Teil erkennbar. Die Forderungen auf Information und Mitwirkung und der politische Wille, diese Forderungen auch durchzusetzen, waren daher zunächst eher mäßig. Im ersten Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens zur Ratifizierung des EGKS-Vertrages beschloß der Bundesrat in seiner 61. Sitzung vom 27. Juli 1951 eine Stellungnahme, in der es zu dieser Frage hieß: "Außerdem wird verlangt, daß bei der Willensbildung der deutschen Stellen im Rahmen des Schuman-Plans die Mitwirkung des Bundesrates vor der Ratifizierung im Gesetz sichergestellt wird." 10
Vor der Beratung im zweiten Durchgang gab es in der 66. Sitzung des Bundesrates einen Gesetzesantrag Nordrhein-Westfalens zur Ergänzung des Ratifikationsgesetzes 11 , der die Mitwirkung der Länder vor derErteilungvon 8 Hrbek, Die deutschen Länder in der EG-Politik, in: Außenpolitik, 1987, S. 122; Ziller, Die EG-politische Mitwirkung des Bundesrates, in: Hrbek/Thaysen (Anm. 4), s. 96. 9 Hrbek (Anm. 8), S. 122 f. mit weiteren Hinweisen. 10 BR-Drucks. 470/51 (Beschluß), Ziff. 5. 11 66. Sitzung des Bundesrates vom6. September 1951, Sitzungsbericht, S. 608 (A), BR-Drucks. 631/51.
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Weisungen an den Vertreter der Bundesregierung im Rat über einen besonderen, vom Bundesrat zu bestellenden Länderausschuß vorsah, einen inhaltlich entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung12 mit dem Zusatz "von Eilfällen abgesehen" und eine mit dem Regierungsentwurf übereinstimmende Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. 13 Der Initiativantrag Nordrhein-Westfalens wurde vom Bundesrat an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten überwiesen, jedoch dort nach Eingang des Regierungsentwurfs nicht weiter behandelt. Der Regierungsentwurf hingegen wurde im Hinblick auf den Entwurf der CDU/CSU-Fraktion von der Bundesregierung zurückgezogen. Die CDU/CSU-Initiative fand im Bundestag schließlich mit 184 gegen 188 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Mehrheit. 14 Im zweiten Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens faßte der Bundesrat in seiner 77. Sitzung vom 1. Februar 1952 eine Entschließung, in der es heißt, daß er von einer Erklärung des Bundeskanzlers Kenntnis nehme, wonach die Bundesregierung sich bereit erklärt habe, einen Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses laufend über Vorgänge in der weiteren Entwicklung und Durchführung des Vertragswerks zu unterrichten sowie zu Fragen, bei denen einzelne Länder besonders beteiligt seien, diese Länder zu hören. 15 Bei der Ratifizierung des Gesetzes zur Gründung der EWG und der EAG, für dessen Zustandekommen die Zustimmung des Bundesrates erforderlich war, forderte der Bundesrat fünf Jahre später im ersten Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens die Einführung eines Art. 2 b in das Gesetz mit folgendem Wortlaut ..In Ausführung des Artikels 32 Absatz 2 und des Artikels 53 des Grundgesetzes werden Weisungen an den nach Artikel146 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie den nach Artikel 116 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft zu entsendenden Vertreter der Bundesrepublik durch die Bundesregierung nach Beratung mit dem Bundesrat erteilt". 16
Die Bundesregierung lehnte diese Forderung in ihrer Gegenäußerung mit folgender Begründung ab: "Artikel 53 verpflichtet die Bundesregierung, den Bundesrat über die Führung der Geschäfte auf dem laufenden zu halten, nicht jedoch, die von ihr zu treffenden einzelnen Entscheidungen vorher mit dem Bundesrat zu beraten. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß sie bereit ist, im Rahmen ihrer Informationspflicht 12
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BR-Drucks. 775/51. BT-Drucks. I/2951. Sten. Ber. BT 1952, S. 33 (A). Sitzungsbericht, S. 33, Ziff. VI. BR-Drucks. 146/ 57 (Beschluß).
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gemäß Artikel 53 des Grundgesetzes den Bundesrat insbesondere über die Arbeiten der Europäischen Gemeinschaften im weitesten Umfang zu unterrichten." 17
Nach ausführlichen Erörterungen im Bundestag wurde am 5. Juli 1957 18 schließlich die jetzige Fassung des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes angenommen, wonach die Bundesregierung den Bundestag und den Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der Europäischen Gemeinschaften laufend zu unterrichten hat und, soweit durch den Beschluß des Rates innerdeutsche Gesetze erforderlich werden oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wird, die Unterrichtung vor der Beschlußfassung des Rates erfolgen soll. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nach den Beratungen im 2. Durchgang des Gesetzgebungsverfahrens in seiner 181. Sitzung vom 19. Juli 1957 einstimmig zu, nachdem ein Antrag Nordrhein-Westfalens auf Anrufung des Vermittlungsausschusses u.a. mit dem Ziel, Art. 2 des Zustimmungsgesetzes in der Weise zu ändern, daß die vorgesehene Unterrichtung nicht nur vor Beschlußfassung im Rat, sondern bereits vor derErteilungvon Weisungen an das deutsche Ratsmitglied erfolgen müsse, keine Mehrheit gefunden hatte. 19 Mit diesem Art. 2 des Ratifikationsgesetzes aus dem Jahr 1957 hat der Bundesrat somit seine weitergehenden Vorstellungen nicht durchgesetzt. Er hat eigentlich in konkretisierter Form nur erhalten, was ihm gemäß Art. 53 Satz 3 des Grundgesetzes ohnehin zusteht. Der Wortlaut des Gesetzes ist allerdings von Anfang an extensiv ausgelegt worden. Die Bundesregierung hat schon im Rahmen der Ratifikationsberatungen im Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten erklärt, sie fasse die Unterrichtung nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes dahin auf, daß mit ihr auch ein sachlicher Meinungsaustausch verbunden sein solle.20 Der Bundesrat hat sich von Anfang an sehr eingehend mit Fragen der europäischen Integration befaßt und sich darum bemüht, die Regelung des Art. 2 Zustimmungsgesetz nicht nur voll zu nutzen, sondern darüber hinaus den angebotenen Meinungsaustausch zu einer echten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei den Vorbereitungen der Beratungen des EGRates auszuweiten. In seiner 186. Sitzung vom 20. Dezember 195721 beschloß er die Einsetzung des .Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone", der in 17
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BT-Drucks. 11/3440, S. V. Sten. Ber. II, S. 13314 (C) ff. Sitzungsbericht, S. 745 (A) ff. 181. Sitzung des Bundesrates vom 19. Juli 1957, Sitzungsbericht, S. 745 (C). Sitzungsbericht, S. 745 (A) f.
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der 289. Sitzung vom 26. November 1965 in .Ausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaften" (EG-Ausschuß) umbenannt wurdeY Der EG-Ausschuß, der für die Beratung aller EG-Vorlagen federführend ist, sieht es als seine Aufgabe an, EG-Vorlagen auch unter integrationspolitischen Gesichtspunkten zu beraten. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß neben den deutschen Belangen auch die Möglichkeiten eines Kompromisses bei den Verhandlungen in Brüssel und somit das politische Ziel der europäischen Integration gesehen werden. die Koordinierung aller Ausschußempfehlungen für das Plenum vorzubereiten, um die Beratungen und Abstimmungen in den Kabinetten der Länder sowie im Plenum des Bundesrates zu erleichtern. Der ersten Aufgabe kommt der Ausschuß nach, indem er sich mit den Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse unter dem genannten Gesichtspunkt befaßt, sie ganz oder zum Teil übernimmt, sie ergänzt bzw. ihnen nicht beitritt oder widerspricht. Als Beispiel sei auf Empfehlungen des Rechtsausschusses verwiesen, der Ende der 60er Jahreaufgrund einer nach Auffassung des EG-Ausschusses zu restriktiven Auslegung des EWGV zu Ergebnissen kam, die dem Bundesrat den Vorwurf der Gemeinschaftsferne eintrugen. Der EG-Ausschuß hat in seiner 59. Sitzung vom 30. März 1967 vorgeschlagen, eine Gemeinsame Kommission aus je vier Mitgliedern des EG-Ausschusses und des Rechtsausschusses zu bilden, die sich darum bemühen sollte, die bei der Auslegung des EWGV aufgetretenen widersprüchlichen Auffassungen auszuräull).en. Der Rechtsausschuß hat diesem Vorschlag in seiner 316. Sitzung vom 19. April 1967 zugestimmt. Die Gemeinsame Kommission ist unter Beteiligung der Bundesregierung mehrfach zusammengetreten. Die Beratungen über eine Reihe von rechtlichen Fragen haben zu Empfehlungen geführt, die jeweils von beiden Ausschüssen angenommen werden konnten. Zum Teil hat der Rechtsausschuß auf seine Einwendungen verzichtet, zum Teil konnte durch zusammenfassende Grundsatzbeschlüsse die ständige Wiederholung bekannter Rechtsauffassungen beendet werden. 23 Die Verwirklichung der zweiten Aufgabe des Ausschusses- die Koordinierung der Ausschußempfehlungen für das Plenum - hat sich in der Praxis zuweilen als schwierig erwiesen, weil die beteiligten Ausschüsse ihre Empfehlungen von der Konzeption und der Formulierung her sehr unterschiedlich anlegen, so daß selbst dann, wenn keine sachlichen Widersprüche Sitzungsbericht, S. 855 (B). z. B. SR-Drucks. 458/68 (Beschluß) (Erwiderung der Bundesregierung: SRDrucks. 572/69), SR-Drucks. 408/76 (Beschluß). 22 23
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vorliegen, ein Aneinanderreihen zu einer systematisch und stilistisch in sich geschlossenen Gesamtkonzeption ohne Änderungen kaum möglich ist. Der Präsident des Bundesrates hat dem EG-Ausschuß daher im Jahre 1975 nach Anhörung der übrigen Ausschüsse die Ermächtigung erteilt, den Wortlaut der Empfehlungen redaktionell an die von ihm zu erarbeitende Gesamtkonzeption anzupassen. Davon abgesehen nimmt der Ausschuß Informationen der Bundesregierung über die aktuelle Entwicklung der Integration entgegen und ist Forum für einen sich anschließenden politischen Meinungsaustausch. So haben z. B. in diesem Jahr zwei Sitzungen mit Berichten von Staatsminister Dr. Stovenhagen stattgefunden. 24 Ergänzt werden diese politischen Informationen, worauf noch zurückzukommen sein wird, durch gemeinsame Beratungen mit Mitgliedern der EG-Kommission 25 und Mitgliedern des Europäischen Parlaments26, die in regelmäßigen Zeitabständen stattfinden. Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Ausschusses steht jedoch die Beratung von EG-Vorlagen, d. h. einmal von Vorschlägen der Kommission für Verordnungen und Richtlinien, zum anderen aber auch mit weiteren Vorlagen der Kommission an den Rat, wie Memoranden, Mitteilungen, Programmen und Empfehlungen, die die Bundesregierung in extensiver Auslegung des Art. 2 des Ratifikationsgesetzes aus dem Jahre 1957 dem Bundesrat zugeleitet hat. Die Zahl der auf diese Weise zugestellten Vorlagen hat sich seit den Anfangsjahren ständig vergrößert. Während im Jahre 1960 nur insgesamt 5 Vorlagen beim Bundesrat eingingen, waren es 1970: 171 und 1985: 364 Vorlagen. Ich spreche jetzt nur von dem alten Verfahren. Seit Inkrafttreten des EEAG ist eine wahre Papierflut über den Bundesrat hereingebrochen, auf die ich noch in späterem Zusammenhang zurückkommen werde. Als Folge dieses erheblichen Anstiegs der Zustellungen sind auf Vorschläge des EG-Ausschusses aus den Jahren 1968 und 1976 nicht mehr alle EG-Vorlagen umgedruckt worden. Soweit deren Verabschiedung durch den Rat bereits erfolgt war oder nach den jeweils von dem Sekretär des Ausschusses zu treffenden Feststellungen so unmittelbar bevorstand, daß eine rechtzeitige Beratung in den Ausschüssen und im Plenum des Bundesrates nicht mehr erfolgen konnte, sowie bei den sehr zahlreichen Vorlagen aus dem Zollbereich nach Entscheidung durch das berichterstattende Land 266. Sitzung vom 07.05.1987 und 270. Sitzung vom 08.07.1987. Jaspert, Der Bundesrat und die europäische Integration, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/82, S. 29; danach: 254. Sitzung vom 05.06.1986: Bericht von Kommissionsmitglied Clinton Davis über die europäische Umweltpolitik. 26 200. Sitzung vom 05.02.1982 in Bonn, 210. Sitzung vom 27.01.1983 in Berlin, 223. Sitzung vom 02.03.1984 in Straßburg, 234. Sitzung vom 24./25.01.1985 in Berlin. 24
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Harnburg und aus dem Fischereibereich durch Bremen unterblieben die Umdrucke und damit auch die Beratungen über die Vorlagen zunächst vorläufig. Das Ausschußbüro teilte den Ländern über die Mitglieder des EG-Ausschusses mit, welche Vorlagen dieser Art eingegangen waren. Soweit in einer jeweils festgesetzten Frist kein besonderer Antrag einging, galt dieses als Bestätigung der Vorentscheidung. Die für den Umdruck bestimmten Vorlagen weist der Präsident des Bundesrates den von der Sache im Einzelfall betroffenen Ausschüssen zu. Seit dem Berichtszeitraum Oktober 1973 bis März 1974 werden dem Bundesrat auch die halbjährlichen Integrationsberichte der Bundesregierung zugeleitet, die vor dieser Zeit nur der Bundestag erhielt, und die ausschließlich dem EG-Ausschuß zugewiesen werden. Der Ausschuß hat sich von Anfang an sehr eingehend mit diesen Berichten befaßt. Dabei hat sich die Möglichkeit ergeben, bei den Beratungen mit den Vertretern der Bundesregierung- auch unabhängig von Zusammenhängen mit konkreten Einzelvorlagen-die Vorstellungen der Länder zu den Entwicklungen in den verschiedenen Teilbereichen der Gemeinschaftspolitik zum Ausdruck zu bringen. Nach Abschluß der Beratungen des EG-Ausschusses werden die koordinierten Ausschußempfehlungen dem Plenum zur Entscheidung vorgelegt, wo es im allgemeinen lediglich zur Abstimmung über deren einzelne Teile kommt. In bedeutenderen Fällen werden sie jedoch auch im einzelnen debattiert oder bilden den Anlaß zu einer grundsätzlichen Aussprache zu Gemeinschaftsthemen. 27 Die Behandlung von EG-Vorlagen im Bundesrat ist im Schrifttum übereinstimmend positiv beurteilt worden. 28 Dieser Bewertung entspricht es auch, daß sich der Deutsche Bundestag in zahlreichen Fällen den Stellungnahmen des Bundesrates angeschlossen hat. 29 Trotzdem zeigte sich im Laufe der Entwicklung bei den Ländern Unzufriedenheit mit dem Verfahren, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen: Erstens fehlte es an hinreichender Information über den Verhandlungsstand in Brüssel. Es kam immer wieder vor, daß der Bundesrat mit seinen Stellungnahmen zu spät kam. Die Bundesregierung unterrichtete ihn zwar bei der Übersendung der Vorlagen in allgemeinen Formulierungen über den voraussichtlichen Zeitrahmen, auf diese Information, die auf den zeitlichen Vorstellungen der Kommission beruhte, war aber häufig wenig Verlaß. Außerdem wurde sehr bald deutlich, daß es auf die endgültige Beschlußfassung im Rat oft gar nicht ankommt, weil die entscheidenden Festlegungen in 27
Jasperl (Anm. 25), S. 24, Ziller (Anm. 8), S. 94, jeweils mit Beispielen.
28
Jasperl (Anm. 25), S. 24 f.
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Jasperl (Anm. 25), S. 26 (Fußnote 3).
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vielen Fällen schon in einem früheren Beratungsstadium erfolgen. Des öfteren äußerte der Bundesrat sich auch zu Vorlagen, die in der seinen Beratungen zugrunde liegenden Fassung ganz oder zum Teil gar nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen waren. Die Vertreter der Bundesregierung haben zwar in den Ausschüssen über den Stand der Verhandlungen berichtet. Zu diesem Zeitpunkt war es aber oft zu spät, weil die Meinungsbildung in den Landesressorts bereits vorher erfolgt war und eine Vertagung aus zeitlichen Gründen nicht mehr in Betracht kommen konnte. Daraus entwickelte sich der dringende Wunsch nach umfassenden und möglichst frühzeitigen Informationen, beginnend schon über die vorbereitende Phase der Kommissionsberatungen. Der zweite Grund für die wachsende Unzufriedenheit lag darin, daß die Bundesregierung sich vielfach über die Vorstellungen des Bundesrates hinwegsetzte und- wie sich aus den Berichten des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften ergab -diese in den Verhandlungen nicht zur Geltung brachte. Das traf die Länder besonders in den Fällen, in denen die zu regelnde Materie ganz oder teilweise innerstaatlich in ihre ausschließliche Gesetzgebung fiel oder ihre wesentlichen Interessen berührte. Aus dieser Unzufriedenheit und unter Hinweis auf den Verfassungsgrundsatz des bundestreuen Verhaltens, der ja nicht nur den Ländern gegenüber dem Bund, sondern auch dem Bund gegenüber den Ländern Verpflichtungen auferlegt, begannen im November 1977 die Verhandlungen über das Länderbeteiligungsverfahren, die ca. 2 1/2 Jahre angedauert haben. Die sich damit abzeichnende Zweigleisigkeit des Verfahrens, des Bundesratsverfahrens und des Länderbeteiligungsverfahrens, hat beim Bundesrat zu dem Versuch geführt, durch eine Verbesserung seines Verfahrens eine davon getrennte Länderbeteiligung zu vermeiden. Auf eine Initiative des Vorsitzenden des EG-Ausschusses im Bundesrat vom 17. Februar 197930 hat der Präsident des Bundesrates alle Ausschüsse aufgefordert, Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Auf der Grundlage dieser Vorschläge ist parallel zu den Verhandlungen zum Länderbeteiligungsverfahren mit der Bundesregierung verhandelt worden. Es konnten dabei zwar nicht alle Vorstellungen verwirklicht, jedoch - wie ich glaube - mit verbesserten Informationen über den zeitlichen Ablauf der Beratungen, einer laufenden UPterrichtung über den Verhandlungsstand und in bestimmten Fällen auch einer Unterrichtung durch die Bundesregierung darüber, ob und inwieweit die Stellungnahmen des Bundesrates berücksichtigt werden konnten, ein gutes Ergebnis erreicht werden.31 469. Sitzung, Sitzungsbericht, S. 39 (A), 50 (D). Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft, Bonn 1981, S. 36 f.; Hrbek/Thaysen (Anm. 4), Dok. 3, S. 224 ff. ?o 31
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Es war aber bei Abschluß der Verhandlungen schon zu spät, um die Zweigleisigkeil der Verfahren noch abwenden zu können. Außerdem vertraten die Länder damals den Standpunkt, daß eine Mitwirkung in Bereichen, die ihre ausschließliche Gesetzgebung beträfen, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht über den Bundesrat erfolgen könne. Ende 1979 wurde als Ergebnis der Bund/Länder-Verhandlungen in einem Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz das Länderbeteiligungsverfahren eingeführt. 32 Es entsprach weder im Inhalt noch in der Form den ursprünglichen Erwartungen der Länder. Außerdem war das vorgesehene Verfahren in den Ländern nicht geeignet, eine schnelle Meinungsbildung herbeizuführen. Ich brauche im Rahmen meines Themas darauf nicht im einzelnen einzugehen. Die Länder haben dann im Jahre 1986 die Ratifizierung der EEA zum Anlaß genommen, für eine umfassende Information durch die Bundesregierung und für eine Mitwirkung in europäischen Angelegenheiten eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Art. 2 des EEAG kann ich sicherlich hier als bekannt voraussetzen. Gegenwärtig laufen in einer, wie ich glaube, abschließenden Phase die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern für ein Abkommen über die Einzelheiten des Verfahrens nach Art. 2 Abs. 6 EEAG. Außerdem sind Überlegungen im Gange, die Geschäftsordnung des Bundesrates den Anforderungen dieses Verfahrens anzupassen, vor allem - auf einen Hinweis der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates im ersten Durchgang des Ratifikationsverfahrens -für besonders eilige Fälle und für die abschließende Beratung vertraulicher Dokumente ein besonderes Beschlußgremium zu schaffen, das in diesen Ausnahmefällen an die Stelle des Bundesratsplenums treten soll. Während des Symposiums der Vereinigung für Parlamentsfragen in Stuttgart hat Minister Einert (Nordrhein-Westfalen) darauf hingewiesen, daß Bundesrat und Länder mit dem neuen Modell eine schwere Bürde übernehmen und aus den Erfahrungen der Mitbeteiligungsverfahren von 1957 und 1979 auch innerhalb der Landesregierungen Konsequenzen gezogen werden müssen. 33 Das Sekretariat des Bundesrates hat damit begonnen, Voraussetzungen zu schaffen, die den Ländern die Arbeit erleichtern sollen. Die beim Bundesrat nach Art. 2 Abs. 1 EEAG eingehenden Dokumente, man kann schon jetzt von einer großen Papierflut sprechen, die sich nach Abschluß des Abkommens sicherlich noch vergrößern wird, werden mit Hilfe eines neuen Datenverarbeitungssystems in eine Eingangsliste aufgenommen. Es wird dabei angegeben, ob nach der Beurteilung des Büros des EG-Ausschusses, das sich 32 Briefwechsel, abgedruckt bei Morawitz (Anm. 31 ), S. 102 ff. und Hrbek/Thaysen (Anm. 4), S. 237 f. 33 Hrbek/Thaysen (Anm. 4), S. 47 f.
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in Zweifelsfällen mit den jeweils federführenden Ländern und den Büros der Fachausschüsse abstimmt, ein Umdruck als SR-Drucksache vorgesehen ist, eine Verteilung allgemein zur Kenntnisnahme oder lediglich auf eine gezielte Anforderung durch die Länder erfolgt. Gleichzeitig wird eine Zuordnung zu bereits verteilten Drucksachen oder zur Kenntnis übersandter Papiere vorgenommen. Auf den zur Kenntnis übersandten Dokumenten werden die betroffenen Sachgebiete angegeben und, soweit schon eine SR-Drucksache vorliegt, die beteiligten Ausschüsse. Für jede Drucksache aus dem EG-Bereich erstellt das Büro des Ausschusses ferner einen Konkordanzbogen mit einer Zusammenfassung der verfügbaren Daten zu der Vorlage. Er enthält die BT-Drucksache, die Drucksachen des Europäischen Parlaments und die dort beteiligten Ausschüsse, Folgedokumente des Rates, die Berichte des Beobachters der Länder, Veröffentlichungen und bei Richtlinien die Umsetzungsfristen. Die Bogen werden ständig ergänzt und danach neu verteilt. Im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 werden bei Vorlagen, die die ausschließliche Gesetzgebung der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, die Mitteilungen der Bundesregierung über den zeitlichen Rahmen der Behandlung in den Ratsgremien an die Länder weitergeleitet, und es wird im Sekretariat des Bundesrates darauf zu achten sein, daß die Beratungsverfahren in den Ausschüssen und im Bundesrat oder in dem besonderen Beschlußgremium dann auch rechtzeitig erfolgen. Die Regelungen des Art. 2 Absätze 3 und 4 über die Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesrates erfordern eine ständige Verfolgung des Beratungsstandes und eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, damit deren Berichtspflichten bei Abweichungen von Stellungnahmen des Bundesrates in den Verhandlungen in jedem Fall und möglichst zeitnah erfolgen. Es bleibt Art. 2 Abs. 5 betreffend die Beteiligung von Vertretern der Länder in Beratungsgremien der Gemeinschaft, die vom Bundesrat benannt werden sollen. Hier wird es die Aufgabe des Sekretariats des Bundesrates sein, das Benennungsverfahren einzuleiten, Arbeitsgruppen- und Ausschußlisten zu führen, die Länder durch Weiterleitung der Informationen der Bundesregierung über Ort, Zeitpunkt und Beratungsgegenstände der Gremien zu unterrichten und schließlich die von den Ländervertretern zu erstellenden Berichte in die oben erwähnte Konkordanzliste aufzunehmen und an die Länder weiterzuleiten. Das alles wäre sicherlich ohne Schwierigkeiten zu erledigen, wenn sich die Quantität in Grenzen hielte. Das ist aber, wie ich schon sagte, nicht der Fall. Wir rechnen entsprechend den schon jetzt vorliegenden Erfahrungen nach Abschluß des Bund/Länder-Abkommens mit der Zuleitung von durch7 Speyer 103
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schnittlieh 70 bis 80 Dokumenten täglich, die nach dem erwähnten Verfahren zugeordnet, vervielfältigt, weitergeleitet und auch für die Beratung im Bundesrat ausgewertet werden müssen. Damit wird ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erforderlich. Alle Beteiligten sind sich jedoch darüber einig, daß das neue Verfahren zur Beteiligung der Länder in europäischen Angelegenheiten die lange Entwicklung, die ich Ihnen aufgezeigt habe, zu einem Abschluß bringen muß. Das wird nur gelingen können, wenn die Erwartungen der Länder in die neue gesetzliche Regelung erfüllt werden. Dazu sind große Anstrengungen und organisatorische Vorkehrungen erforderlich bei der Bundesregierung, bei den Ländern, beim Länderbeobachter in der stärkeren Zuordnung seiner Arbeit zum Bundesratsverfahren und im Sekretariat des Bundesrates. Zu meinem Thema .Die Beteiligung des Bundesrates an der europäischen Integration" gehört schließlich noch ein Hinweis auf die direkten Kontakte des Bundesrates zu den Organen der Europäischen Gemeinschaften. In der ersten Sitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone vom 23. Januar 195834 hat der zu dieser Zeit bereits zum Präsidenten der Kommission ernannte Staatssekretär Prof. Dr. Hallstein kurz vor seinem Amtsantritt in Brüssel die Mitglieder des Ausschusses ermuntert, zur Erfüllung der Anliegen der Länder, soweit es an der Kommission liege, möglichst unmittelbar Kontakt nach Brüssel zu suchen. In der 5. Sitzung des Ausschuses vom 5. Februar 196935 wird jedoch vom Länderbeobachter berichtet, der Bundeswirtschaftsminister habe sich bei der Besprechung dieser Frage während der Wirtschaftsministerkonferenz in Berlin dazu sehr reserviert verhalten. Reserviert ist, ich glaube damit sicherlich nicht zu übertreiben, die Haltung der Bundesregierung insoweit auch in der Folgezeit geblieben. Dennoch hat eine Reihe von unmittelbaren Kontakten zwischen dem Bundesrat und der EG-Kornmission unter Beteiligung von Vertretern der Bundesregierung stattgefunden. Am 18. und 19. Mai 1967 hat die bereits erwähnte Gemeinsame Kommission von EG-Ausschuß und Rechtsausschuß in Brüssel eine Reihe von streitigen Rechtsfragen mit Vertretern des Juristischen Dienstes der Kommission erörtert. Am 31. Januar 1969 berichtete der Vizepräsident und für Landwirtschaft zuständige Kommissar Mansholt dem Agrarausschuß und dem EG-Ausschuß über den umstrittenen .MansholtPlan" zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und in der Zeit vom 5. bis 7. Mai 1976 und vom 21. bis 23. November 1979 war der EG-Ausschuß zu Sitzungen in Brüssel, um mit den deutschen Kommissionsmitgliedern sowie Abteilungsleitern und Generaldirektoren der Kommission aktuelle Fragen 34
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Niederschrift, S. 3. Niederschrift, S. 7.
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aus den die Länder interessierenden Bereichen der Gemeinschaftspolitik zu erörtern. Am 23. April1985 tagte ein Unterausschuß des EG-Ausschusses in Brüssel. Er erörterte mit Vertretern der Kommission den Entwurf des Europäischen Parlaments zur Errichtung einer Europäischen Union. Schließlich hat Kommissar Clinton Davis am 5. Juni 1986 den EG-Ausschuß und den Innenausschuß des Bundesrates in einer gemeinsamen Sitzung über die europäische Umweltpolitik unterrichtet und sich anschließend mit den Vorstellungen der Länder hierzu auseinandergesetzt Es hat sich bei all diesen direkten Kontakten gezeigt, daß durch einen fachlichen Meinungsaustausch zu einer Reihe konkreter Fragen und Anliegen das gegenseitige Verständnis gefördert, Anregungen gegeben und persönliche Kontakte geschaffen werden konnten, die für die weitere Arbeit der in den Ländern mit EG-Fragen befaßten Mitglieder des Bundesrates, Abteilungsleiter und Referenten von Nutzen sind. Die erste Initiative des Bundesrates zur Zusammenarbeit mit, oder besser im Europäischen Parlament war das Bemühen, eigene Mitglieder dorthin zu entsenden. Gesetzentwürfe der Bundesregierung aus dem Jahre 195736 und des Bundesrates aus dem Jahre 196537 mit dem Ziel, daß von den 36 deutschen Mitgliedern der Bundestag 30 und der Bundesrat 6 entsenden sollten, wurden im Bundestag nicht beraten und mit Ablauf der Legislaturperioden entsprechend dem Grundsatz der Diskontinuität hinfällig. Die Bemühungen um eine direkte Präsenz im Europäischen Parlament wurden danach nicht fortgesetzt, wohl in dem Bewußtsein, daß die zu dieser Zeit schon diskutierte Direktwahl der Mitglieder das Problem in absehbarer Zeit lösen werde. Nach der Direktwahl stattete die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Sirnone Veil, der Bundesrepublik Deutschland im März 1980 einen offiziellen Besuch ab. In einer Rede vor dem Bundesrat hat sie sich bei dieser Gelegenheit für eine offene und aktive Zusammenarbeit beider Häuser ausgesprochen. 38 Dieses Angebot ist vom Bundesrat bereitwillig aufgegriffen worden. In der Folgezeit haben mehrere gemeinsame Sitzungen des EG-Ausschusses mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments in Bonn, Straßburg und- gemeinsam mit dem Agrarausschuß aus Anlaß der Internationalen Grünen Woche- in Berlin stattgefunden.39 Die nächste Zusammenkunft ist noch in diesem Monat, für den 28./29. Oktober, geplant, und zwar mit einer gemeinsamen Sitzung des EG-Ausschusses mit dem Ausschuß für Umweltschutz des Europäischen Parlaments und am zweiten Tag mit einer Erörterung über die Realisierung der EEA. 36 37 38 39
BR-Drucks. 467/57. BR-Drucks. 453/65. 484. Sitzung des Bundesrates, Sitzungsbericht, S. 87 (A), 118 (A). V gl. Anm. 26.
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Um die für die gegenseitigen Kontakte und für den Austausch von Informationen erforderlichen Aufgaben erfüllen zu können, ist dem Sekretariat des Bundesrates beim Büro des EG-Ausschusses eine Verbindungsstelle zum Europäischen Parlament eingerichtet worden. Diese Verbindungsstelle ist Ansprechpartner für alle den Bundesrat betreffenden Fragen und steht sowohl den einzelnen Europa-Abgeordneten als auch dem Generalsekretariat des Europäischen Parlaments zur Verfügung. Aufgabe dieser Stelle ist es, anhand der vom Europäischen Parlament übermittelten Dokumente, Bulletins und Sitzungsprotokolle die gemeinsamen Beratungspunkte beider Häuser und die beteiligten Ausschüsse festzustellen und den deutschen Abgeordneten in den betreffenden Ausschüssen die vom Bundesrat beschlossenen Stellungnahmen dazu zuzuleiten. Bei Vorlagen, deren Beratungen sich im Bundesrat länger hinziehen, werden im Sinne einer möglichst frühzeitigen Information vorab die Empfehlungen der Fachausschüsse übermittelt. Auf der anderen Seite informiert die Verbindungsstelle die Mitglieder des Bundesrates über die Beschlüsse des Europäischen Parlaments und die Berichte und Entschließungsempfehlungen der Ausschüsse. Der Ausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaften wird von der Verbindungsstelle im übrigen in seinen Sitzungen regelmäßig über die vorhergehende Sitzungswoche des Parlaments unterrichtet. Die enge Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament soll der gegenseitigen Information und dem Meinungsaustausch und damit auch dem gemeinsamen Ziel, der europäischen Integration, dienen. Der Bundesrat hat sich wiederholt zu diesem Ziel bekannt. 40 Gerade auch im Hinblick auf seine Rechte aus dem Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte werden solche Kontakte für ihn auch in Zukunft von Bedeutung sein.
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Zuletzt BR-Drucks. 600/86 (Beschluß), Entschließung zum EEAG.
Aufgaben und Tätigkeit des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften Von Fritz Stöger .,Bund", .Länder", .,Europäische Gemeinschaften", .Bundesrat"- daneben zahlreiche Bund/Länder-Koordinierungsgrernien -, das sind faßbare Einheiten im bundesrepublikanischen Bewußtsein, neuerdings auch schon .,Länderbüros in Brüssel", aber: . .. .,Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften"? Welch exotisches Gewächs auf der ohnehin schon bunten Wiese des Föderalismus? Sollte es nicht schleunigst der Verwaltungsvereinfachung - zeitgemäßer ausgedrückt: der .,Deregulierung" anheimfallen, wo doch a) b) c)
zumindest seit der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) der Bundesrat umfassend der Ort der Beteiligung der Länder in EG-Angelegenheiten geworden ist, in bestimmten Fällen demnächst vom Bundesrat benannte Vertreter der Länder an den Beratungsgremien der Kommission und des Rates teilnehmen werden und die Verbindungsbüros der Länder in Brüssel alles übrige .im Griff" haben?
Diese Fragen werden mir nicht selten gestellt, und das keineswegs außerhalb der Landesverwaltungen! Ich bin Ihnen, sehr geehrte Herren Prof. Magiera und Prof. Merlen, deshalb sehr dankbar für die Gelegenheit, im Rahmen dieser Tagung bei der renommierten Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer - sagen wir es ruhig: .pro domo" - sprechen zu dürfen. Zugegeben: Der .,Länderbeobachter" ist eine nicht-offizielle Institution oder, wie Christoph Sasse 1 es ausgedrückt hat, .eine pragmatische Kooperationsform in einer unbefriedigend geregelten Überschneidungszone des bundesstaatliehen Gefüges". Das hat zur Folge, daß dieses .Gewächs" im Verborgenen blüht, was aber nicht mit .Grauzone", Illegalität oder Illegitimität verwechselt werden darf. Von der Aufgabenstellung her ist .Geräusch1 Bundesrat und Europäische Gemeinschaft, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, Bad Honnef/Darmstadt 1974, S. 342.
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losigkeit", das Fehlen von "public relations", ein Kennzeichen dieser rein internen Dienstleistungseinrichtung, aus meiner - unbescheidenen Sicht sollte dies jedoch nicht mit Ineffizienz gleichgestellt werden. In dieses Bild paßt es denn auch durchaus, daß der Länderbeobachter erst erstaunlich spät in offiziellen Texten auftaucht, zum ersten Mal in dem (langwierige Bund/Länder-Verhandlungen abschließenden) Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Schmidt und Ministerpräsident Rau 2 von 1979, mit dem das vielgescholtene und schließlich mit der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte wieder Erster Klasse begrabene .Länderbeteiligungsverfahren" aus der Taufe gehoben wurde. Lassen Sie mich zum besseren Verständnis des gestellten Themas kurz auf die Geschichte der Institution des Länderbeobachters eingehen: Im März dieses Jahres wurde des dreißigsten Jahrestages der Unterzeichnung der .Römischen Verträge" 3 gedacht. Das auf ebenso viele Jahre sich stützende .Geschäftsjubiläum" des Länderbeobachters blieb .natürlich", d. h. aufgrund der vorbezeichneten nichtoffiziellen Natur dieser Institution, unbeachtet. An dieser Stelle sei es aber erlaubt, auf die wichtigsten "Jahresringe" des schon aus der .Gründerzeit" stammenden Länderbeobachters aufmerksam zu machen 4 : Am 25. März 1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Aber schon ab Juni 1956 hatten aufgrundeiner Vereinbarung der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern (es gab damals offenbar schon die ,.Südschiene"!) mit Bundesaußenminister von Brentano zwei Vertreter der Länder der deutschen Regierungsdelegation für die Aushandlung der Römischen Verträge angehört (Sie sehen, hier schon taucht die magische Zahl ,.zwei" auf!). Aufgabe dieser Ländervertreter war es, die Länder zwecks Vorbereitung der Ratifizierung fortlaufend zu unterrichten. Nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge wurde sodann zwischen den sechs EG-Gründerstaaten und den nicht zu den Gemeinschaften gehörenden restlichen Mitgliedstaaten der .Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit" (OEEC) über eine gemeinsame Freihandelszone beraten. In diesem Zusammenhang wurde am 3. Juli 1958 zwischen Bevollmächtigten der Länder und des Bundes vereinbart, daß ein Beobachter Als Vorsitzendem der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäische Atomgemeinschaft (EAG). 4 Vgl. im einzelnen hierzu Ulf Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1973, S. 96 ff.; Eberhard Birke, Die deutschen Bundesländer in den Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1973, S. 53 ff.; Kar/ Oberthür, Die Bundesländer im Entscheidungssystem der EG, Integration 2/1978 (Beilage Europäische Zeitung), S. 62. 2
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der Länder (ein Beamter) an diesen Verhandlungen teilnehmen könne. Bekanntlich scheiterte dieses Projekt später. Am 1. Januar 1958 waren die Römischen Verträge in Kraft getreten, damit auch Art. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes, wonach die Bundesregierung den Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der EWG und im Rat der EAG laufend zu unterrichten hat. Angesichts der .späten Unterrichtung" durch die Bundesregierung wollten die Länder die bisher praktizierte .direkte Verbindung zu den Geschehnissen nicht mehr abreißen lassen" und forderten eine .unmittelbare Verbindungsstelle zu den Gemeinschaftsorganen". Die Konferenz der Wirtschaftsminister und -senatoren der Länder verhandelte hierüber am 8. Januar 1959 mit Bundeswirtschaftsminister Erhard, und Erhard gestattete - nach Konsultationen im Bundeskabinett .die Funktion eines Beobachters auch für die EWG". Daraufhin übertrug die Konferenz der Ministerpräsidenten dem bisherigen Beobachter bei den Freihandelszone-Verhandlungen diese Aufgabe auch für den Bereich der EWG. Aufgrund des Fusionsvertrages von 1965 (er begründete den gemeinsamen Rat und die gemeinsame Kommission für alle Gemeinschaften) erweiterte sich das Beobachtungsfeld des Länderbeobachters auf die Europäische Atomgemeinschaft und die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auf dem Pariser Vertrag von 1951 basierend). Der Länderbeobachter paßte seine Amtsbezeichnung später entsprechend an, d. h. seit 1968 führt er die Bezeichnung .Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften". W eieher Art ist derzeit die Konstruktion dieser so pragmatisch entstandenen Dienststelle? Alles beruht immer noch auf .gentlemen's agreements". Demnächst sollen eine- auch den Länderbeobachter betreffende- Bund/Länder-Vereinbarung zur Ausfüllung von Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG) sowie ein Länderabkommen über den Länderbeobachter abgeschlossen werden. 4• Der erste Länderbeobachter war von der Ministerpräsidentenkonferenz bestellt worden, die Nachfolger und deren Stellvertreter wurden von der Wirtschaftsministerkonferenz benannt und von der Ministerpräsidentenkonferenz stillschweigend bestätigt. 5 Der derzeitige Dienststellenleiter kommt aus Nordrhein-Westfalen. Er hat einen hauptamtlichen Stellvertreter (z. Zt. aus Bayern) und einen nebenamt4• Zur am 17.12.1987 unterzeichneten Bund/Länder-Vereinbarung vgl. Anm. 25a, zum Länderabkommen betr. den Länderbeobachter Anm. 25b. 5 Die bisherigen Länderbeobachter kamen alle aus den Wirtschaftsressorts, wobei die ersten beiden aus Baden-Württemberg, die anderen beiden aus Nordrhein-Westfalen stammten: Ministerialdirigent May (1958-1968), Ministerialdirigent Grunert (1968-1972), Ministerialrat Dr. Oberthür (1972-1974), der Verfasser seit April1975.
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liehen Stellvertreter (z. Zt. aus Niedersachsen, mit Hauptamt in Hannover). Außerdem gehören zur Dienststelle noch fünf Verwaltungskräfte (drei Ganztags- und zwei Halbtagskräfte, alle aus Nordrhein-Westfalen). Es besteht ein Hauptbüro (mit angemessener Vervielfältigungskapazität) in Bonn (kraft Tradition in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg untergebracht) und ein kleines Außenbüro in Brüssel (das ausschließlich mit dem hauptamtlichen Stellvertreter besetzt ist). Über die beim Länderbeobachter entstehenden Kosten/Ausgaben existiert ein eigener Haushaltsplan, der dem Haushaltsplan des Wirtschaftsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen angehängt ist. Über diesen Haushaltsplan befindet die Wirtschaftsministerkonferenz. Die Kosten werden von Nordrhein-Westfalen vorgelegt und Nordrhein-Westfalen von den übrigen Ländern anteilig nach dem Schlüssel des ,.Königsteiner Abkommens" erstattet. Der Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz führt die Fachaufsicht, die Dienstaufsicht obliegt den Heimatbehörden (bezüglich der nachgeordneten Kräfte im Benehmen mit dem Dienststellenleiter). Welche Aufgaben hatte bzw. hat nun der Länderbeobachter? Im Kern war es zunächst die Aufgabe, die Länder im Hinblick auf das (alte) Bundesratsverfahren (das Zuleitungsverfahren gern. Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen) mit zusätzlichen, ergänzenden Informationen über das Geschehen in Brüssel zu versorgen, da sich die Unterrichtung seitens der Bundesregierung - wie bereits gesagt - für die Belange und Verfahren der Länder, insbesondere für rechtzeitige Stellungnahmen im Bundesrat, vielfach als nicht ausreichend, d. h. nicht vollständig bzw. früh genug erwiesen hatte. Dabei hat der Länderbeobachter natürlich sein besonderes Augenmerk auf diejenigen Bereiche zu richten, die die innerstaatlichen Kompetenzen oder aber sonstige spezifische Interessen der Länder betreffen bzw. berühren. Schon aus arbeitsökonomischen Gründen ist er - abgesehen von einer allgemeinen Hintergrundberichterstattung gezwungen, seine Tätigkeit unter diesen Gesichtspunkten zu gewichten. Der Länderbeobachter war also als Kompensation für eine gewisse Unzulänglichkeit des Zuleitungsverfahrens gedacht, er sollte als Iändereigene Informationsquelle dazu beitragen, die durch Art. 24 GG geschaffene .offene Flanke" der Länder6 für diese überschaubarer zu machen. Angesichts der ,.Länderblindheit" (Hans Peter Ipsen) der EG-Verträge- die Mitgliedstaaten werden ausschließlich durch die Zentralregierungen vertreten- vollzieht sich die Tätigkeit des Länderbeobachters in Brüssel im Rahmen der deutschen Delegation. Nach außen tritt der Länderbeobachter als deutsches Delegationsmitglied, d. h. mit globaler Billigung durch die Bundesregierung auf.
6 Vgl. hierzu Gebhard Ziller, Die EG-politische Mitwirkung des Bundesrates, in: Hrbek/Thaysen (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften (Stuttgarter Symposium), Baden-Baden 1986, S. 99 ff.
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Im einzelnen war es ursprünglich i. w. folgender Aufgabenkatalog: a)
Teilnahme an den Sitzungen des Ministerrates und sehr detaillierte, im Hinblick auf die Länderbelange gewichtete Berichterstattung für die Fachressorts der Länder (jährlich ca. 70 bis 80 Berichte). Als Mitglied der deutschen Delegation hat der Länderbeobachter Zugang zu den vorbereitenden Besprechungen bzw. Papieren der Delegation, also auch zur Lagebeurteilung und Verhandlungstaktik der Bundesregierung, sowie zu den Berichten der Ständigen Vertretung. Es ist selbstverständlich, daß der Länderbeobachter bei seiner Berichterstattung dem jeweiligen Vertraulichkeitsbedürfnis, z. B. hinsichtlich der Verhandlungstaktik der Bundesregierung, in der jeweils geeigneten Form Rechnung tragen muß.
b)
Darüber hinaus punktuell, d. h. je nach .Ländersensibilität" der behandelten Themen, Beobachtung der (bzw. Teilnahme an den) den Verhandlungen im Rat vorgeordneten Beratungen im Ausschuß der Ständigen Vertreter bzw. in den von diesem eingesetzten Ausschüssen und Gruppen sowie gegebenenfalls Berichterstattung an die Ressorts der Länder.
c)
Sichtung und - soweit sie für die Länder prima vista oder aufgrund weiterer Prüfung durch ein .federführendes" Land bedeutsam sind Übermittlung der zahlenmäßig sehr umfangreichen Dokumente des Rates 7 an die zuständigen Ressorts der Länder. Hauptgruppen dieser Dokumente sind die seitens der Kommissionaufgrund ihres Initiativrechts dem Rat übermittelten Vorschläge, die in den Sitzungen des Rates oder seiner Untergruppierungen vorgelegten bzw. erarbeiteten Texte, die Protokolle des Ratssekretariats über die jeweiligen Beratungen, die aus den Beratungen hervorgegangenen Rechtsetzungstexte.
d)
Laufender Kontakt zu den Organen der Gemeinschaften, insbesondere zur Kommission und zum Ratssekretariat, sowie zur deutschen Ständigen Vertretung, um durch zusätzliche, möglichst früh für die Länder akquirierte Informationen (z. B. Vorüberlegungen, Entwürfe der Kommission) zu einer möglichst effizienten Mitwirkung der Länder in EGAngelegenheiten beizutragen.
e)
Ständiger Kontakt zu den Bundesressorts in Bonn, insbesondere zu denjenigen, die in stärkerem Maße mit EG-Angelegenheiten befaßt sind (Teilnahme an den einschlägigen Koordinierungsbesprechungen der Ressorts, Zugang zum einschlägigen Telexverkehr zwischen der Ständigen Vertretung und den Ressorts, Akquisition von Dokumenten).
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Jährlich gehen über 10.000 Dokumente ein.
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f)
Ständiger Kontakt zum Bundesrat: die Ausschüsse des Bundesrates erhalten fortlaufend die einschlägigen Berichte des Länderbeobachters; dieser nimmt regelmäßig an den Sitzungen des EG-Ausschusses teil und steht dort für Berichte bzw. Informationen zur Verfügung.
g)
Teilnahme an bzw. Kontakt zu den Arbeitskreisen der EG-Referenten derjenigen Fachressorts der Länder, die in stärkerem Maße mit EG-Fragen befaßt sind (Arbeitskreise der EG-Referenten der Wirtschafts-, der Landwirtschafts- und der Verkehrsressorts der Länder; der Länderbeobachter ist stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises der EGReferenten der Wirtschaftsressorts).
h)
Zentrale Registratur der beim Länderbeobachter eingegangenen bzw. von ihm akquirierten Dokumente im Hinblick auf Anfragen aus den Ländern.
i)
Im Einzelfall Besorgung von EG-Angelegenheiten bzw. -Anfragen einzelner Länder (jährlich inzwischen ca. 50 bis 100; diese Zahl wird aufgrund der Einrichtung von Länderbüros wohl wieder zurückgehen).
Dieser ursprüngliche Aufgabenkatalog des Länderbeobachters wurde dann erweitert und teilweise verändert durch das bereits zitierte ,Länderbeteiligungsverfahren·, das 1979 aufgrund des Briefwechsels zwischen Bundeskanzler Schmidt und Ministerpräsident Rau zur Verbesserung der Mitwirkung der Länder am Entscheidungsprozeß in Brüssel eingerichtet wurde. Erster Auslöser für den (viel späteren) Briefwechsel war schon 1974 ein Richtlinienvorschlag der Kommission betreffend die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, der u. a. Festlegungen enthielt, wie das Rohwasser aufzubereiten sei, und bezüglich dessen die Länder sowohl eine Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft als auch ein sachliches Regelungsbedürfnis verneinten.8 Auf Anregung Bayerns nahmen die Länder dies damals zum Anlaß, erneut den Versuch zu starten, .einen Fuß in die (Brüsseler) Türe" zu bekommen.9 Die Länder setzten 1975 eine Arbeitsgruppe der Staatskanzleien unter dem Vorsitz des bayerischen Ministerialdirigenten Dr. Maußer ein, an der auch der Länderbeobachter teilnahm. Diese Arbeitsgruppe entwickelte ein Konzept und verhandelte von 1977 bis 1979 mit der Bundesregierung. Die Länder waren der Auffassung, daß durch Übertragung von Zuständigkeiten Vgl. SR-Drucksache 119/74. Die Geschichte der Beteiligung der Länder am Integrationsprozeß ist aus der Sicht der Länder eine längere, bereits mit der Ratifizierung des Pariser Vertrages von 1951 (Montanunion) einsetzende .Leidensgeschichte", deren letzte markante, die Länder enttäuschende Zäsur Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen gewesen war, vgl. hierzu zuletzt Rudolf H1bek, Doppelte PolitiJ...verflechtung: Deutscher Föderalismus und europäische Integration. Die deutschen Länder im EG-Entscheidungsprozeß, in: H1bek/Thaysen (Anm. 6), S. 17 f. 8 9
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des Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland auf die Gemeinschaften gern. Art. 24 Abs. 1 GG durch einfaches Bundesgesetz im Falle der Übertragung von Zuständigkeiten der Länder die verbleibende *Restkompetenz*, das von der Bundesregierung im EG-Ministerrat zu vertretende Votum der Bundesrepublik Deutschland inhaltlich zu bestimmen, nicht automatisch dem Bund .zugewachsen", sondern bei den Ländern verblieben sei und die Länder deshalb so früh wie möglich angemessen zu beteiligen seien. Die Bundesregierung berief sich demgegenüber auf die außenpolitische Kompetenz (Art. 32 GG) und- "aus der Natur der Sache"- auf eine .. Integrationskompetenz" des Bundes (Art. 24 Abs. 1 GG). Wenn Juristen ein Problem nicht gemeinsam lösen können, wenn sie am Ende ihres ,.Lateins" sind, dann ,.klammern sie aus", d. h. versuchen eine pragmatische Lösung. Und so geschah es denn auch. Es kam zu dem Briefwechsel von 1979 "unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Standpunkte": Die Bundesregierung verpflichtete sich, die Länder rechtzeitig und umfassend über die Vorhaben der Europäischen Gemeinschaften zu unterrichten, d. h. u. a. alle ihr zugegangeneo Vorentwürfe und Dokumente der Kommission (also Informationen aus der .Komissionsphase") dem Länderbeobachter zu übermitteln, .es sei denn, daß sie offensichtlich nicht Gegenstände betreffen, die ganz oder teilweise in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fallen oder deren wesentliche, insbesondere finanzielle Interessen berühren". Soweit EG-Vorhaben ganz oder in einzelnen Bestimmungen innerstaatlich unter die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fielen, sollten die Länder die Möglichkeit erhalten, ihren Standpunkt darzustellen. Der Bund erklärte, von diesem Standpunkt der Länder nur aus zwingenden außen- oder integrationspolitischen Gründen abzuweichen und im Falle des Abweichens die maßgeblichen Gründe den Ländern mitzuteilen. Bei wesentlichen Interessen der Länder wollte der Bund die Länder jedenfalls .anhören".10 Die Länder vereinbarten untereinander ein diese neue Situation ausfüllendes länderinternes Verfahren, wonach der Länderbeobachter die vom Bund übermittelten Informationen aus der .Kommissionsphase" sogenannten .. Anlaufstellen" in den Ländern (überwiegend waren das die Landesvertretungen in Bonn) zuleiten sollte und jeweils (vom Länderbeobachter vorbezeichnete) federführende .Gemeinsame Stellen" der Länder (die bei den jeweiligen Fachministerkonferenzen einzurichten waren) den gemeinsamen 10 Vgl. Schreiben des Bundeskanzlers vom 19. September 1979, abgedruckt als Anhang V bei Rudolf Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Gemeinschaften, Bonn 1981, sowie§ 85 a der Gemeinsamen Geschäftsordnung II der Bundesregierung, abgedruckt ebendort als Anhang VII.
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Standpunkt der Länder koordinieren und dem für die Verhandlungen in Brüssel jeweils federführenden Bundesressort übermitteln sollten. Damit war das zunächst sogenannte .,Maußer-Verfahren" geboren, das dann später in .,{Neues) Länderbeteiligungsverfahren" umgetauft wurde. Die Bundesregierung hatte dem Umfang nach dem Länderbeobachter .,Lastwagen" an Papier angedroht, was dazu führte, daß der Länderbeobachter - außer dem bisherigen nebenamtlichen Stellvertreter - einen hauptamtlichen Stellvertreter bekam (den er angesichtsdes ohnehin sehr weiten Arbeitsfeldes auch ohne das neue Verfahren schon gut hätte einsetzen können!) und auch die Anlaufstellen zusätzliche Personalstellen anvisierten. Aber die Wirklichkeit war denn doch anders: Der angekündigte Informationsstrom entpuppte sich als ein dünnes Rinnsal, die praktische Umsetzung des § 85 a der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung, d. h. die Verpflichtung aller Referate der Bundesressorts, den Länderbeobachter mit Informationen aus der .Kommissionsphase" zu bedienen, erwies sich als nicht durchführbar. Zum Teil verwies die Bundesregierung auch auf Abschottungstendenzen bei der Kommission, von denen sie selbst betroffen sei. Der Länderbeobachter mußte daraus die Konsequenz ziehen, selbst noch stärker als bisher in Brüssel und Bonn aktiv zu .akquirieren". Aber auch auf Seiten der Länder ergab sich eine äußerst magere Bilanz: Das Verfahren zur Artikulierung eines gemeinsamen Standpunkts der Länder war einfach zu kompliziert geraten. Zunächst mußte in jedem Land vom jeweils federführenden Ressort unter den zu beteiligenden Ressorts - bei Meinungsverschiedenheiten unter Umständen erst nach einer Entscheidung des Kabinetts! - ein Standpunkt des betreffenden Landes herbeigeführt werden, sodann mußte die jeweils federführende .Gemeinsame Stelle" die elf Länderstandpunkte zu einem .gemeinsamen Standpunkt" der Länder koordinieren, ohne daß diesen Gemeinsamen Stellen ein organisatorischer Unterbau ähnlich dem des Bundesrates bzw. die Abstimmungsregeln des Bundesratsverfahrens (Mehrheitsprinzip, unterschiedliches Stimmgewicht der Länder, vgl. Art. 51 Abs. 2 GG) zu Gebote standen. Denn die Länder waren dezidiert der Auffassung, .die Willensbildung zu EG-Maßnahmen auf Gebieten der Länderkompetenzen (sei) außerhalb des Bundesratsverfahrens verfassungsrechtlich geboten" 11 {denn der Bundesrat sei gern. Art. 50 GG Bundesorgan zur Mitwirkung lediglich an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes!). Außerdem sei diese Willensbildung auf Gebieten der Länderkompetenzen einer Mehrheitsregel {und Stimmgewichtung) nicht unterworfen, da .jedes einzelne Land ein originäres Mitwirkungsrecht" habe und .als solches einzeln aufgerufen" sei, .,dieses Mitwirkungsrecht zu wahren". 12 Für Beschluß der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder vom 5. Juli 1979. Schreiben des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei vom 12. Juni 1979 zur Begründung des Vorschlags, der dem Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5. Juli 11
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den Fall, daß EG-Maßnahmen .wesentliche Interessen" der Länder berührten, hatten die Ministerpräsidenten geäußert, hier sei .,eine frühzeitige Stellungnahme der Länder selbst . . . neben dem Verfahren im Bundesrat .. . zumindest verfassungspolitisch wünschenswert" .13 Diese Vorgaben führten dazu, daß das Länderbeteiligungsverfahren praktisch nicht genutzt wurde; d. h. wegen der Kompliziertheit des Koordinierungsweges und der hemmenden Wirkung des Einstimmigkeitsprinzips, aber auch wegen der Gefahren der Doppelgleisigkeit wurde in den meisten Fällen die Abstimmung im eingefahrenen Bundesratsverfahren abgewartet. 1980 bis 1986 erhielt der Länderoeobachter im Länderbeteiligungsverfahren ca. 1000 Informationen. Ca. 300 davon leitete er aufgrund ihrer .Länderrelevanz" an die ,.Gemeinsamen Stellen" weiter. Zwar versuchten die Länder in 37 Fällen, eine gemeinsame Position zu erarbeiten und wurde in mehreren Fällen dem Bund die Meinungslage bei den Ländern mitgeteilt, aber nur in einem einzigen Fall, bei der Richtlinie über das Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr für Architekten, kam es zu einem förmlichen Abstimmungsprozeß im Sinne des Länderbeteiligungsverfahrens, und dies erst auf Veranlassung des Bundes. Auch 1984/85 zwischen den Ländern und dem Bund geführte Verhandlungen zwecks Vitalisierung des Länderbeteiligungsverfahrens und - in diesem Zusammenhang- zur räumlichen Integration des Brüsseler Außenbüros des Länderbeobachters in die Ständige Vertretung (im Sinne einer Bürogemeinschaft) führten zu keinem besseren Ergebnis bzw. wurden bezüglich der räumlichen Einbeziehung des Außenbüros des Länderbeobachters von den Ländern wegen für sie unannehmbarer Bedingungen des Bundes (Unterbringung ,.eines Länderbeamten" dergestalt, daß er zum Auswärtigen Amt abgeordnet wird und dem Weisungsrecht des Leiters der Ständigen Vertretung unterliegt) abgebrochen. 14 Eine neue Chance bot sich den Ländern dann bekanntlich bei der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte: Unter Anführerschaft wiederum Bayerns vollzog sich hier bei der überwiegenden Mehrheit der Länder eine verblüffende .Wende", d. h. radikale Abkehr vom bisher dezidiert vertretenen verfassungsrechtlichen Ansatz, das Bundesratsverfahren stehe bei der Willensbildung zu EG-Maßnahmen auf Gebieten der Länderkompetenzen nicht zur Verfügung. 1979 zugrunde lag. Georg Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte - Ein Schritt zur .Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, S. 362, spricht insoweit von .gebündelter Interessenartikulation gegenüber der Bundesregierung". 13 Vgl. Anmerkung 11. 14 Beschluß der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder im schriftlichen Verfahrenaufgrund Vorschlags der Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 3./4. Oktober 1985.
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Günter Jaspert 15 hatte bereits 1982 die Meinung geäußert, daß auch dann, wenn Länderkompetenzen von Gemeinschaftsmaßnahmen betroffen seien, die .. Rechte der Länder" .,über" den Bundesrat- wenn auch notwendigerweise im Wege der Einstimmigkeit - geltend gemacht werden könnten (Beschluß .der Bundesländer im Bundesrat" 16). Noch im seihen Jahr vertrat dann Hartmut Heimich Schwan 17 - wesentlich weitergehend - die Auffassung, die innerstaatliche Willensbildung liege auch in diesen Fällen nicht bei den Ländern, sondern sei Kompetenz des Bundes. Da aber in Art. 50 GG bestimmt sei, daß die Länder auf die .,Staatstätigkeit" des Bundes über den Bundesrat Einfluß nehmen, d. h. an der innerstaatlichen Willensbildung mitwirken könnten, sei die Einschaltung des Bundesrates (mit dem dort geübten Verfahren) legitim und geboten (Beschluß .des Bundesrates" 18). Erst jüngst wurde die Auffassung der Länder im Ergebnis sekundiert von Eberhard Grabitz 19, der zu der- etwas überraschenden - These kommt, was der Bund in den auf die Gemeinschaften übertragenen Bereichen ausübe, sei Ausübung der auswärtigen Gewalt, damit aber .Verwaltung" im Sinne von Art. 50 GG, die Mitwirkung der Länder erfolge demgemäß zu Recht mittelbar über den Bundesrat. Eine unter der überwiegenden Mehrheit der Länder im einzelnen festgelegte materielle verfassungsrechtliche Begründung für ihren neuen Standpunkt ließ sich nicht ermitteln. Abgesehen vom Argument der besseren Praktikabilität des Bundesratsverfahrens wurde nur angeführt, das Grundgesetz stehe einer .Bundesratslösung" nicht entgegen, da der Funktionsbereich des Bundesrates im Grundgesetz nicht abschließend geregelt sei, der einfache Gesetzgeber habe hier Spielraum. 20 Man sieht: Auch hier hat sich der Satz von der normativen Kraft des Faktischen bestätigt, der bisherige verfassungsrechtliche Ansatz wurde aufgegeben, weil er in die Sackgasse, d. h. zu unpraktikablen Ergebnissen führte. Das Ergebnis dieser .positiven Frontbegradigung" war in Gestalt von Art. 2 15 Der Bundesrat und die europäische Integration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage 12/82 zur Wochenzeitung Das Parlament vom 12. März 1982, S. 28. 16 Vgl. Ress (Anm. 12). 17 Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 122. 18 Vgl. Ress (Anm. 12). 19 Die deutschen Länder in der EG-Politik: Verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Hrbek/Thaysen (Anm. 6), S. 174. 20 565. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates vom 30. April 1986; a. A. Ress (Anm. 12), S. 367: Der Gesetzgeber sei nicht frei, die Mitwirkung des Bundesrates in bestimmten Angelegenheiten vorzusehen, in denen an sich eine derartige Mitwirkung von Verfassungs wegen nicht vorgesehen sei. Die grundsätzlichen Bedenken gegen die dem Bundesrat eingeräumte Stellung ließen sich nur z. T. durch eine binnen-föderalistische Interpretation des Art. 32 I GG beheben.
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des (am 1. Januar 1987 in Kraft getretenen) Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte eine Renaissance des Bundesratsverfahrens. Das Länderbeteiligungsverfahren wurde beendet und stattdessen das Bundesratsverfahren, also die umfassende Information des Bundesrates durch die Bundesregierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt sowie das dort waltende Mehrheitsprinzip einschließlich Stimmgewichtung bei der Abstimmung zum maßgeblichen Verfahren für die Beteiligung der Länder erklärt. 21 Damit hat sich auch die Aufgabenstellung des Länderbeobachters verschoben: Aufgabe des Länderbeobachters ist nun nicht mehr die routinemäßige Übermittlung der Vorentwürfe und Dokumente aus der "Kommissionsphase" (im Rahmen des Länderbeteiligungsverfahrens) und auch nicht mehr die Übermittlung der Ratsdokumente. Diese Funktionen sind mit lokrafttreten von Art. 2 EEAG auf den Bundesrat übergegangen, der nunmehr hinsichtlich der für das Neue Bundesratsverfahren bedeutsamen Dokumente und Informationen eine umfassende .Bündelungsfunktion" wahrnimmt. Die Bundesregierung leitet die Papiere nunmehr unmittelbar dem Bundesrat zu. Der Bundesrat übermittelt sie den Ländern über die Landesvertretungen in Bonn, die ihrerseits als zentrale Anlauf- und Verteilungsstellen fungieren. Der Länderbeobachter wird im Hinblick auf diese .Bündelungsfunktion• des Bundesrates in Zukunft auch seinerseits alle für das Neue Bundesratsverfahren relevanten Informationen den Länderressorts nicht mehr direkt, sondern über den Bundesrat zuleiten. Desgleichen ist für die Dienststelle des Länderbeobachters die Aufgabe einer zentralen Registratur (der beim Länderbeobachter eingegangenen bzw. von ihm akquirierten Dokumente im Hinblick auf Anfragen aus den Ländern) entfallen. Auch diese Aufgabe nimmt nunmehr umfassend der 21 Ob diese Renaissance des Bundesratsvedahrens auch bezüglich der Beschlüsse .des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" (im Hinblick auf nicht ausreichende Kompetenzen der EG sog. .gemischte Beschlüsse" = .teilweise uneigentliche Ratsbeschlüsse") bzw. der Beschlüsse .der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" (im Hinblick auf fehlende Kompetenzen der EG sog.• reine uneigentliche Beschlüsse") gilt bzw. nicht gilt, war zunächst umstritten. Vgl. dazu Ingo Hochbaum, Politik und Kompetenzen der Europäischen Gemeinscharten im Bildungswesen, Bayerische Verwaltungsblätter 1987, S. 481 U. Die Konferenz der Amtschefs der Kultusministerien der Länder lehnte eine Erstreckung des Bundesratsvedahrens auf Materien, die auf Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten (= .reine uneigentliche Beschlüsse") gerichtet sind, als vedassungswidrig ab. Die Bund/Länder-Vereinbarungvom 17.12.1987 (vgl. hierzu Anm. 25a) bestimmt nunmehr, daß die .Unterrichtung" des Bundesrates (gern. der Vereinbarung) sich sowohl auf die .teilweise uneigentlichen" als auch auf die .reinen uneigentlichen" Ratsbeschlüsse erstreckt, die über die Unterrichtung hinausgehende .Beteiligung" des Bundesrates (gern. Art. 2 und 5 EEAG) dagegen nur auf die .teilweise uneigentlichen". Auf die .reinen uneigentlichen" Ratsbeschlüsse düdte ggfs. das .Lindauer Abkommen" (abgedruckt als Anhang I bei Rudolf Morawitz, vgl. Anm. 10) anwendbar sein.
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Bundesrat wahr. Das Bundesratssekretariat hat gemeinsam mit der Verwaltung des Bundestages das den Länderressorts zugängliche interne Informationssystem KEP (=Konkordanz EG-Vorlagen/Parlamentspapiere) eingerichtet, das die Entwicklung der EG-Vorhaben vom vorbereitenden Kommissionspapier über den Kommissionsvorschlag, die Ratsdokumente und die Bundesrats- und Bundestagsdrucksachen bis zur Verkündung in den Amtsblättern durch Angabe der Fundstellen dokumentiert. In dieses System werden auch die Fundstellen der Informationen des Länderbeobachters eingegeben. Die übrigen Aufgaben des Länderbeobachters dagegen bleiben bestehen und sollen noch ausgebaut bzw. neu akzentuiert werden: Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Länderbeobachters wird sich noch mehr nach Brüssel verlagern, d. h. der Länderbeobachter wird seine Präsenz in Brüssel verstärken, um dort die aktive Beschaffung von Informationen weiter auszubauen. Der Länderbeobachter wird den Ländern die Befassung mit den vom Bundesrat routinemäßig zugeleiteten Dokumenten nach Möglichkeit und Erforderlichkeil dadurch erleichtern, daß er sie aufbereitet, kommentiert und in den Gesamtzusammenhang einordnet. Er wird seine Teilnahme und Berichterstattung nach Möglichkeit über den EG-Ministerrat hinaus auch auf die anderen Gremien erstrecken, soweit daran nicht Ländervertreter nach Art. 2 Abs, 5 EEAG teilnehmen. Wie schon an den Sitzungen des EG-Ausschusses des Bundesrates wird der Länderbeobachter auch an den Sitzungen des aufgrund von Art. 2 EEAG neu einzusetzenden Beschlußgremiums des Bundesrates teilnehmen und dort gegebenenfalls Bericht erstatten. Für den Länderbeobachter neu hinzugekommen sind zwei Aufgaben: die Tätigkeit der Vertreter der Länder in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates gern. Art. 2 Abs. 5 EEAG zu unterstützen (soweit dies nicht bereits durch das Sekretariat des Bundesrates geschieht) sowie subsidiär, d. h. wenn kein benannter Ländervertreter an den Beratungen teilnimmt, selbst als Länder.vertreter" zur Verfügung zu stehen. 21 • Die Ländervertreter nach Art. 2 Abs. 5 EEAG werden vom Bundesrat der Bundesregierung für einen konkreten Fall, für bestimmte Sachgebiete oder für bestimmte Gremien benannt und 'b.erichten dem Bundesrat jeweils unmittelbar im Anschluß an die Sitzungen. Insoweit wird der Länderbeobach21• So jetzt ausdrücklich Ziff. 111. 3. der am 17.12.1987 unterzeichneten Bund/Länder-Vereinbarung gern. Art. 2 Abs. 6 EEAG (vgl. den Text im AnhangS. 266).
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ter in Zukunft entlastet, d. h. ist er nur subsidiär gefordert, in den übrigen Fällen bleibt es bei seiner Tätigkeit, denn sicher ist es weder möglich noch sinnvoll, für alle Bereiche Vertreter gern. Art. 2 Abs. 5 EEAG zu bestellen. Letzteres gilt vor allem auch für den Ausschuß der Ständigen Vertreter, da die Bundesregierung erklärt hat, dieses Gremium sei kein Beratungsgremium im Sinne von Art. 2 Abs. 5 EEAG. Der damit vorgegebene neue Aufgabenkatalog des Länderbeobachters ist in der Anlage I zusammengestellt. Dieser graphischen Darstellung ist zu entnehmen, daß die überwiegende Berichtstätigkeit des Länderbeobachters in Zukunft gegenüber dem Bundesrat erfolgt; d. h. der Länderbeobachter hat i. w. den Bundesrat bei der Wahrnehmung seiner Rechte zu unterstützen. Daneben wird es aber auch noch einen direkten Informationsstrang in die Länderressorts für Informationen außerhalb des .Neuen Bundesratsverfahrens" geben. Darauf haben zuletzt die Wirtschaftsminister und -senatoren der Länder in einem Beschluß vom 19./20. März 1987 hingewiesen (Anlage
Il).
Wie aber stellt sich nun die Institution des Länderbeobachters im Verhältnis zu den Brüsseler Verbindungsbüros der einzelnen Bundesländer dar?
Gibt es insoweit noch ein .Deregulierungsdefizit" bezüglich des Länderbeobachters?
Beide Einrichtungen sollen dazu beitragen, die .Europafähigkeit" (Wolfgang Wessels) der Länder zu steigern, ihre .offene (europäische) Flanke" 22 kontrollierbarer zu machen, aber beider Tätigkeitsfelder decken sich nicht, sondern ergänzen sich:
Dem Länderbeobachter obliegt die kontinuierliche, breit angelegte und fach-, aber nicht länderspezifische Information. Er hat mittels seiner Stellung als Mitglied der deutschen Delegation und aufgrund seines speziellen Zugangs zu den Bundesressorts und deren einschlägigen Koordinierungsbesprechungen sowie zur Ständigen Vertretung in Brüssel einen privilegierten und schnellen (z. T. exklusiven) Zugang zu wichtigen internen Informationsquellen. Dieser privilegierte Zugang resultiert daher, daß es verwaltungsökonomischer ist, wenn Informationen, die für viele Bundesländer von Interesse sind, zentral von einer Stelle übermittelt werden. In den meisten Fällen wäre auch schon rein technisch ein Zugang von mehreren oder gar elf Länderstellen nicht möglich. Die Verbindungsbüros der Länder haben dagegen länderspezifische Informations-, .Lobby"- und .Public-relations" -Funktionen, d. h. sie sind informationsbeschaffend, Kontakte vermittelnd, .einflußnehmend" und .darstellend" nur speziell für ihr jeweiliges Bundesland tätig. Zum Teil geschieht dies in Konkurrenz zu gleichgelagerten Interessen anderer Bundesländer 22
Vgl. Anmerkung 6.
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(z. B. bei der Partizipation an den Strukturfonds, bei der Betreuung/Förderung spezifischer Wirtschaftsbereiche bzw. Forschungseinrichtungen vor allem im Rahmen von Ausschreibungen und Projektbearbeitungen, bei der Bewerbung um den Sitz von EG-Institutionen usw.). Eine Information der übrigen Länder ist damit nicht gewährleistet. Sind Informationen für alle Länder oder auch nur für die Mehrzahl der Länder von Bedeutung, dann würde eine stete parallele Beanspruchung der Informationsquellen diese unverhältnismäßig belasten, deren Bereitschaft untergraben und damit letztlich zu einer Einschränkung der Information führen. Der Länderbeobachter mit seinem halboffiziellen privilegierten Zugang ist insoweit weiterhin notwendige Informationsvermittlungsstelle für alle Länder. Lassen Sie mich zum Schluß ein Resümee, d. h. ein paar Thesen bzw, Ausblicke wagen: 1. Für EG-Informationen im Zusammenhang mit dem Neuen Bundesratsverfahren gern. Art. 2 EEAG ist nunmehr der Bundesrat (ich meine dies jetzt nicht despektierlich!) der "Zentralbriefkasten" der Bundesregierung. Daneben aber bedarf es weiter- u. a. hat dies die Erfahrung mit dem Länderbeteiligungsverfahren gezeigt! -des Länderbeobachters als subsidiärer Informationsquelle, als "Akquisiteurs" zusätzlicher, ergänzender Informationen. In diesem Sinne hat sich zuletzt am 19./20. März 1987 die Konferenz der Wirtschaftsminister und -senatoren der Länder ausgesprochen (Anlage I/). Gäbe es den Länderbeobachter nicht, müßte der Bundesrat ihn für sich erfinden. Daß der Länderbeobachter als vom Bundesorgan .Bundesrat" getrennte Institution der Länder weitergeführt wird, hängt u. a. damit zusammen, daß er als Dienststelle eines Bundesorgans keinen eigenen Anspruch auf Mitgliedschaft in der deutschen Ratsdelegation oder räumliche Integration in der Ständigen Vertretung (ohne Aufgabe der Selbständigkeit) erheben könnte. Die Eröffnung eines solchen Zugangs für den Bundesrat würde zudem Konsequenzen zugunsten des Bundestages aufwerfen und vermutlich auch deshalb nicht zu realisieren sein. Die Verbindungsbüros der Länder haben andere, mit den Aufgaben des Länderbeobachters in einem gegenseitigen Ergänzungsverhältnis stehende Aufgaben. 2. Der Länderbeobachter ist .Akquisiteur" von Informationen, grundsätzlich aber nicht .Akteur" im Sinne einer Einflußnahme; eine Ausnahme kann lediglich in seiner subsidiären Funktion als Vertreter der Länder gern. Art. 2 Abs. 5 EEAG gesehen werden. 3. Der Länderbeobachter ist eine Institution subsidiärer Informationsvermittlung, der unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und aufgrund der Subsidiarität ein hohes Maß an Schnelligkeit, Flexibilität und länderspezifischer Gewichtung abverlangt wird. Dies setzt voraus, daß der Länderbeobachter sowohl sein Beobachtungsfeld breit anlegen als auch den offiziellen Informationsstrom zwischen Bundesregierung und Bundesrat gern. Art. 2 EEAG bzw.
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den generellen Informationsaustausch im Rahmen bestehender Fachkontakte zwischen Bundes- und Länderressorts im Auge behalten muß, da er nur dann gezielt und schnell ergänzend tätig werden kann. Angesichts dieser Aufgabenfülle beim Länderbeobachter und der damit korrespondierenden spezifischen .. Informationsappetenz" auf Seiten der Länderverwaltungen und insbesondere auch im Hinblick auf die gewünschte Verstärkung der Präsenz des Länderbeobachters in Brüssel und die für eine möglichst sachgerechte und effiziente Aufgabenerledigung innerhalb der Dienststelle dringend erforderliche fachliche Spezialisierung sollte der von der Konferenz der Ministerpräsidenten bereits 1984 gefaßte Grundsatzbeschluß, demzufolge der Länderbeobachter zwei hauptamtliche Stellvertreter haben sollte (Anlage III), nunmehr möglichst bald umgesetzt werden. Dies hat auch die Konferenz der Wirtschaftsminister und -Senatoren der Länder in ihrem Beschluß vom 19./20. März 1987 zum Ausdruck gebracht (Anlage 11). 4. Der eindeutige Schwerpunkt der Tätigkeit des Länderbeobachters liegt zwar in Brüssel. Eine vollständige Verlagerung der Dienststelle nach Brüssel ist jedoch nicht möglich bzw. sinnvoll, d. h. der Länderbeobachter wird auch weiterhin in Bonn präsent sein müssen: a) Die Aufgabe, den Bundesrat bei derWahrnehmungseiner Rechte gern. Art. 2 EEAG zu unterstützen, setzt auch eine ständige und möglichst umfassende Beobachtung des Aktionsfeldes in Bonn - bei der Bundesregierung und beim Bundesrat - voraus: Der Länderbeobachter nimmt an zahlreichen einschlägigen Vor- bzw. Koordinierungsbesprechungen der Ressorts des Bundes teil und berichtet darüber (soweit dies nicht durch Ländervertreter nach Art. 2 Abs. 5 EEAG geschieht). Gerade im Hinblick auf die durch die Einheitliche Europäische Akte ermöglichten Mehrheitsentscheidungen im Rat werden die Zahl und die Bedeutung dieser vorbereitenden Ressortabstimmungen zunehmen. Sodann ist eine .ergänzende" Informationsbeschaffung für den Bundesrat nur dann möglich, wenn der jeweils aktuelle, durch die Bundesregierung vermittelte Informationsstand genau bekannt ist. Insoweit bedarf es einer ständigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Sekretariat des Bundesrates sowie dem Vorsitz des EG-Ausschusses bzw. des neu einzusetzenden Beschlußgremiums des Bundesrates. b) Außerdem wäre die Verlagerung aller Funktionen der bürotechnischen Abwicklung (umfangreiche Schreibarbeiten, Vervielfältigung und Postversand) nach Brüssel mit zuviel Zeit- und Reibungsverlusten verbunden. So, wie der Bundesregierung in Brüssel die Ständige Vertretung zur Verfügung steht, bedarf umgekehrt der Länderbeobachter eines .Standbeines" in Bonn.
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5. Für die Einbeziehung des Länderbeobachters in die Ständige Vertretung hat die Bundesregierung zur Bedingung gemacht, daß die in Brüssel tätigen "Landesbediensteten" zum Auswärtigen Amt "abgeordnet" werden. Damit wäre die Institution des Länderbeobachters nicht mehr existent bzw. es verbliebe in Bonn eventuell noch ein "Torso", der mit einem .Länderservice" des Auswärtigen Amtes zusammenarbeiten bzw. sich arrangieren müßte. Die von der Bundesregierung für den Fall der von den Ländern gewünschten "Bürogemeinschaft" befürchteten Gefahren der Konterkarierung der Außenvertretung durch den Bund dürften m. E. theoretisch sein. Meine nunmehr fast 13jährige sehr positive praktische Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit der Ständigen Vertretung spricht dagegen. Auch im Falle einer Bürogemeinschaft wäre m. E. die Fortsetzung des hier herrschenden "kooperativen Föderalismus" gewährleistet. So, wie es in den Ausschüssen des Bundesrates zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder eine "Ressortkameraderie" (im positiven Sinne!) gibt23, gibt es in Brüssel auch eine "Delegationskameraderie", ohne daß .abgeordnet" werden muß! 23• 6. Nicht zuletzt im Interesse einer möglichst raschen, rationellen und umfassenden Information der Länder über EG-Vorhaben sollten in Zukunft alle technischen Möglichkeiten einer verbesserten Informationsvermittlung genutzt werden. Insbesondere sollte sobald wie möglich als umfassendes technisches Informationsinstrument ein Bund und Länder übergreifendes elektronisches Daten-Verbundsystem geschaffen werden, an das alle mit EG-Fragen befaßten staatlichen Stellen (also Bundesressorts, Bundesrat, Bundestag, Länderressorts, Länderbeobachter, Verbindungsbüros der Länder) angeschlossen werden und innerhalb dessen die für diese Stellen bedeutsamen EG-Informationen abgerufen werden könnten. Dieses Verbundsystem könnte möglicherweise auf dem vom Bundesrat und Bundestag eingerichteten KEP-System 24 aufgebaut werden. Daneben sollte sobald wie möglich ein entsprechendes (d. h. alle genannten Stellen sowie die Institutionen der EG verbindendes) Verbundsystem der elektronischen Post in Angriff genommen werden. Ich weiß, das sind die Sphärenklänge einer Zukunftsmusik. Aberangesichts der vielen auf dem Weg dahin noch zu überwindenden Schwierigkeiten und der dadurch bedingten langen Vorlauffristen ist es m. E. an der Zeit, die ersten Schritte aus dem hier vielerorts (auch beim Länderbeobachter!) noch obwaltenden "Dampfradio" -Zeitalter zu tun. Das Land Baden-Württemberg arbeitet schon seit einiger Zeit an seinem "Landessystemkonzept" zur elektronischen Vernetzung der Landesverwaltung! Müßten nicht bald entsprechende Bund/Länder-Beratungen 23 Vgl. Walter Rudolf, Bundesländer und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Festschrift für Schlochauer, 1981, S. 125. 23• Vgl. hierzu jetzt Anm. 25a. 24 Vgl. oben S. 112.
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anlaufen? Der Länderbeobachter hat den Länderwirtschaftsressorts einen Bericht25 sowie nachfolgend einen Beschlußvorschlag für die Konferenz der Wirtschaftsminister der Länder vorgelegt, der diesbezüglich Anregungen beinhaltet. Die noch offenen Punkte der Bund/Länder-Vereinbarung nach Art. 2 Abs. 6 EEAG - darunter die Frage der räumlichen Integration des Brüsseler Büros des Länderbeobachters in die Ständige Vertretung - sollen noch im Oktober dieses Jahres von den Chefs der Staats- und Senatskanzleien mit den Europa-Staatssekretären der Bundesregierung beraten werden. 25• Über ein Abkommen der Länder betreffend den Beobachter der Länder, d. h. über die zukünftige Konstruktion dieser Dienststelle soll erst nach Zustandekommen der Vereinbarung nach Art. 2 Abs. 6 EEAG entschieden werden. 25b Videant consules ... !
25 "Bericht betreffend Zugang der Länder zu den Datenbanken der Europäischen Institutionen und der Bundesregierung und Möglichkeiten des Einsatzes der modernen Informationstechniken vom 21. November 1985. 25• Inzwischen (am 17.12.1987) ist eine Bund/Länder-Vereinbarung gern. Art. 2 Abs. 6 EEAG unterzeichnet worden (vgl. den Text im AnhangS. 263 ff.). Bezüglich des Länderbeobachters ist in dieser Vereinbarung keine Regelung hinsichtlich der räumlichen Integration seines Brüsseler Büros in die Ständige Vertretung getroffen worden, da die Länder die vom Bund hierfür gesetzten Bedingungen (keine Bürogemeinschaft, sondern Abordnung der Länderbediensteten zum Auswärtigen Amt, teilweise Einsichtnahme bzw. Weisungsrecht des Leiters der Ständigen Vertretung) nicht akzeptierten. Voraussichtlich wird nun das bisherige Brüsseler Außenbüro des Länderbeobachters ausgebaut werden. Die Vereinbarung bestimmt im übrigen bezüglich des Länderbeobachters, daß er als subsidiärer Vertreter nach Art. 2 Abs. 5 EEAG fungiert und daß durch die detaillierte Regelung der Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Länderbeobachters gegenüber der Bundesregierung und den Gremien der Europäischen Gemeinschaften unberührt bleiben. 25 b Die Staats- und Senatskanzleien der Länder haben sich inzwischen - vorbehaltlich noch ausstehender Voten betroffener Fachministerkonferenzen- auf den Entwurf eines Abkommens über den Länderbeobachter geeinigt. Danach soll die Dienststelle des Länderbeobachters hinsichtlich der Fachaufsicht künftig nicht mehr dem Vorsitzenden der Wirtschaftsministerkonferenz, sondern dem Vorsitzenden (Minister) des Bundesratsausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Ausschuß) zugeordnet werden. Die hauptamtlichen Dienstkräfte sollen für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Dienststelle in den Dienst des Landes, das den Vorsitzenden des EG-Ausschusses stellt, überführt werden und damit auch der Dienstaufssieht des Vorsitzenden unterstehen. Der Länderbeobachter und seine Stellvertreter sollen unter dem Vorsitz des Vorsitzenden des EG-Ausschusses von den Landesministern, die die einzelnen Länder in diesem Ausschuß vertreten, benannt werden.
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Anlage I Aufgaben des Länderbeobachters Grundlage: Art. 2 EEAG, Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur EWG und EAG, Bund/Länder-Vereinbarung gem~Art. 2 Abs. 6 EEAG vom 17.12.1987. möglichst frühzeitige Akquisitio n von zusätzlichan/ergänzenden lnformat ionen
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Anlage II Beschluß der Konferenz der Wirtschaftsminister und -senatoren der Länder vom 19./20. März 1987 betreffend Folgerungen aus der verbesserten Beteiligung der Länder in EG-Angelegenheiten gern. Art. 2 EEAG (Rechtsgrundlage und künftige Arbeitsweise des Länderbeoachters)
Die Wirtschaftsminister und -Senatoren der Länder sehen in dem von der Wirtschaftsministerkonferenz im Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz bestellten Länderbeobachter auch künftig eine unverzichtbare Einrichtung für den Informationsbedarf ihrer Ressorts in EG-Angelegenheiten. Sie begrüßen mit dem neuen Unterrichtungsverfahren durch den Bundesrat die Entlastung des Länderbeobachters von Routinearbeiten; seine Tätigkeit kann sich danach künftig stärker auf die Wahrnehmung von gemeinsamen Länderinteressen konzentrieren. Dies gilt insbesondere für die Beschaffung und Bereitstellung länderspezifischer Informationen in Brüssel und Bonn, die er aufgrundseines privilegierten Zugangs zu den Institutionen und Gremien der EG, aber auch aus der Teilnahme an allen Sitzungen des EG-Ministerrats erhält. Unverzichtbar sind die Hinweise des Länderbeobachters, die auf informellem Wege gewonnen werden und wesentlich zur Verdeutlichung der sachlichen Zusammenhänge von EG-Vorlagen beitragen. Seine Tätigkeit wird sich zunehmend an den Sitz der Organe der EG verlagern und eine fachliche Spezialisierung erforderlich machen, die im Ergebnis eine personelle Verstärkung der Dienststelle zumindest in dem von der Ministerpräsidentenkonferenz bereits 1984 beschlossenen Rahmen notwendig macht. Sie gehen davon aus, daß der Länderbeobachter in die Räume der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wird. Soweit Ländervertreter oder deren Stellvertreter, die zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien nach Art. 2 Abs. 5 EEAG hinzuzuziehen sind, nicht benannt worden sind oder im Einzelfall nicht tätig werden, erwarten die Wirtschaftsminister und-senatorender Länder, daß diese Aufgaben der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften wahrnimmt. Darüber hinaus wird vom Länderbeobachter eine enge Kooperation mit dem Bundesrat erwartet; er bleibt jedoch eine vom Bundesrat unabhängige Einrichtung der Länder. Die Wirtschaftsminister und -senatoren der Länder weisen darauf hin, daß die Büros einzelner Länder in Brüssel weder dazu bestimmt noch in der Lage sind, die Funktionen des Länderbeobachters zu übernehmen. Die Wirtschaftsminister und -Senatoren der Länder sind bereit, weiterhin die Aufgaben wahrzunehmen, die sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Länderbeobachters und der Organisation seiner Dienststelle ergeben.
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Anlage 111 Beschluß der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder vom 6. Juni 1984 betreffend Verbesserung der Information und Beteiligung der Länder in HG-Angelegenheiten
1. Die Regierungschefs der Länder halten im Hinblick auf die zunehmenden Auswirkungen von EG-Vorhaben auf die fachliche und politische Arbeit der Länder eine an den Länderinteressen ausgerichtete engere Verbindung zu den Organen der Gemeinschaft in Brüssel für erforderlich. Eine möglichst schnelle, umfassende und gezielte Information über anstehende EG-Vorhaben ist die entscheidende Voraussetzung für eine rechtzeitige und angemessene Einflußnahme der Länder auf die Gemeinschaftspolitik. 2. Der Einrichtung des gemeinsamen Länderbeobachters kommt für die Länder neben der Unterrichtung durch die Bundesregierung wesentliche Bedeutung zu. Seine Tätigkeit sollte deshalb - unter Aufrechterhaltung der bestehenden Dienststelle in Bonn- stärker in Brüssel verankert werden, um die Verbindung der Länder zur EG-Kommission und zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel auszubauen und dadurch die Aktualität der Informationen zu erhöhen. 3. Dazu ist es erforderlich, daß der Länderbeobachter ein einsatzfähiges Büro als Außenstelle in Brüssel unterhält. In Betracht kommt entweder eine räumliche Anhindung an die Ständige Vertretung mit der Möglichkeit einer Mitbenutzung der dort vorhandenen technischen Einrichtungen gegen Kostenerstattung oder der Ausbau eines eigenen Büros mit der notwendigen technischen Ausstattung für eine beschleunigte Berichterstattung in eiligen Fällen unmittelbar aus Brüssel. Aus sachlichen Gründen ist der räumlichen Anhindung an die Ständige Vertretung der Vorzug zu geben. Die Regierungschefs der Länder bitten die Bundesregierung, diesem Anliegen der Länder zu entsprechen. 4. Um eine ausreichende Präsenz des Länderbeobachters in Brüssel zu gewährleisten, sollte die personeHe Kapazität der DienststeHe des Länderbeobachters durch die Entsendung eines weiteren hauptamtlichen Stellvertreters verstärkt werden. Bei der personellen Besetzung so11ten regionale Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden. 5. Die zuständigen Fachministerkonferenzen, insbesondere die Konferenzen der Wirtschaftsminister und der Finanzminister, werden gebeten, bis zum September 1984 Entscheidungsvorschläge zu den personeBen und finanziellen Konsequenzen einer Verstärkung der Tätigkeit des Länderbeobachters in Brüssel vorzulegen.
Diskussion zu den Referaten von Günter J aspert und Fritz Stöger Leitung: W alter Rudolf Bericht von Bernard Schumann I. Der Diskussionsleiter wies einleitend auf die mit dem herkömmlichen innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Instrumentarium z. T. nur sehr schwer lösbaren Probleme hin, die sich aus dem Verhältnis zwischen Bundesländern und Europäischer Gemeinschaft ergeben. Zum einen gehe es um die Mitwirkung des Bundesrates an Vorhaben der EG, die, innerstaatlicher Kompetenzordnung gemäß, in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fielen. Diese Vorhaben seien mit dem nationalen deutschen Verfassungsrecht sicher zu bewältigen. Der Bundesrat sei als Mitwirkungsorgan der Länder an der Bundesgesetzgebung beteiligt. Daneben aber könnten durch Vorhaben der EG auch Gegenstände der Landesgesetzgebung betroffen sein. Nach nationalem Verfassungsrecht sei in diesem Falle der Bundesrat als Bundesorgan grundsätzlich nicht kompetent, an Entscheidungen mitzuwirken. Durch Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte seien inzwischen allerdings die Befugnisse des Bundesrates erheblich verstärkt worden. Bisher sei eine Beteiligung des Länderorgans lediglich insoweit erforderlich gewesen, als auch nach deutschem Verfassungsrecht eine Mitwirkungsbefugnis bestanden hätte (Art. 76, 84 ff. GG). Es sei, wie Rudolf ausführte, zu erwägen, ob das in Art. 2 vorgesehene Verfahren nicht als völlig systemwidrig angesehen werden müsse und ob der in dem Briefwechsel zwischen dem Präsidenten der Ministerpräsidentenkonferenz und dem Bundeskanzler aus den Jahren 1979 und 1980 vorgesehene Modus nicht vielleicht doch die bessere Alternative sei. So habe noch Mitte des vorigen Jahrzehnts die Enquete-Kommission •Verfassungsreform", auch unter dem Eindruck der Auffassung der Landesrepräsentanten, im Gegensatz zur Enquete-Kommission .Auswärtige Kulturpolitik", eine stärkere Beteiligung des Bundesrates abgelehnt.
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Diskussion
Im Zusammenhang mit Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte stelle sich schließlich die Frage, ob die in dieser Norm vorgesehenen Befugnisse des Bundesrates nicht eine Verfassungsänderung erforderlich machten. Da der Bund ohnehin die Integrationskompetenz besitze und dem Länderorgan eine zusätzliche Kompetenz zugewiesen worden sei, habe man die Notwendigkeit einer Änderung des Grundgesetzes schließlich verneint. Nun bereite die Bewältigung der zwischenzeitlich geltendes Recht gewordenen Beteiligung des Bundesrates dem Länderorgan erhebliche praktische Schwierigkeiten. Der regelmäßig nur etwa einmal monatlich zusammentretende Bundesrat sei kaum in der Lage, die mit der zusätzlich geschaffenen Kompetenz verbundene Belastung zu bewältigen. Deshalb habe man die Bildung eines besonderen Beschlußgremiums zur Diskussion gestellt. Bei der Schaffung eines solchen Ausschusses müsse über die verfassungsrechtliche Frage nachgedacht werden, ob nur Mitglieder des Bundesrates oder auch Beamte entsandt werden könnten. Es sei zweifelhaft, ob ein mit Beamten besetzter Ausschuß als Bundesrat im Sinne des Grundgesetzes bezeichnet werden könne. Die im Anschluß an die Ausführungen Rudolfs geführte Diskussion beschäftigte sich zunächst mit der Praktikabilität der in Art. 2 des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte geregelten Beteiligung des Bundesrates. Dessloch führte aus, es seien ausschließlich Gründe der Praktikabilität gewesen, die das Land Bayern bewogen hätten, die Kompetenzübertragung an den Bundesrat zu unterstützen. Zur dringend notwendigen Beschleunigung des Informationsflusses zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung, dem Bundesrat und der Bundesregierung sowie der Bundesregierung und der EG komme es jetzt auf den Einsatz moderner elektronischer Informationssysteme an.
Die Konkordanzlisten, deren Bedeutung für die Praxis sehr hoch einzuschätzen sei, ermöglichten eine präzise Information über Vorlagen der Kommission. Die sehr umfangreichen Ausdrucke müßten aber durch neue Techniken ersetzt werden. Wenn es möglich wäre, allen mit EG-Recht befaßten Beamten den Zugang zu Vorlagen der Kommission über Bildschirmtext zu ermöglichen, wäre die Transparenz wesentlich verbessert. Für den internen Bereich habe der Bundesrat - so Jasperl - mit dem Aufbau eines Datenverarbeitungssystems begonnen. Um den Anschluß der Länder zu ermöglichen, plane der Bundesrat die Ausweitung dieser internen Einrichtung. Die Bundesregierung werde dem Bundesrat Zugang zu evtl. später zu errichtenden Informationssystemen verschaffen. Die Entwicklung führe zweifellos zu den von Dessloch angesprochenen modernen Techniken.
Diskussion
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Stöger wies zu diesem Problemkreis darauf hin, daß es bisher lediglich in Baden-Württemberg ein Konzept zur elektronischen Vernetzung der Landesverwaltungen gebe. Gespräche zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel der Einführung kompatibler moderner Telekommunikationssysteme seien dringend erforderlich. Magiera befürchtete, der Wissenschaft könne der Zugang zu Quellen erschwert werden, wenn ein geschlossener Kommunikationskreis zwischen den Behörden geschaffen wiirde.
Der zur Diskussion gestellten These, das Recht der EG sei zu umfangreich und unübersichtlich, widersprach Lenz. Die Gesetzessammlung Sartorius II beinhalte einen erheblichen Teil des in der Praxis besonders häufig relevanten Europarechts. In vielen Bereichen, wie z. B. dem Sozialrecht oder dem W ettbewerb~recht, komme man mit zwei bis drei Verordnungen aus. Der Vorwurf der Unübersichtlichkeit sei lediglich im Hinblick auf das Agrarrecht gerechtfertigt. Aber auch die mit diesem Rechtsgebiet befaßten Behörden seien durchaus ohne größere Schwierigkeiten in der Lage, die Materie zu bewältigen. Der Einsatz von Computern zur Informationsbeschaffung sei nur sinnvoll, wenn präzise Fragen gestellt wiirden. Magiera betonte zusätzlich die bessere Zugänglichkeil auch des geplanten EG-Rechtes im Vergleich zum nationalen Recht. Positiv bewertete er die Ausführlichkeit der Vorlagen der Kommission. Sie seien gerade wegen ihres Umfanges gut lesbar und auch für Laien leicht verständlich. Die EG bemühe sich um Transparenz und Präsentation des von ihr gesetzten Rechtes. So seien Bestrebungen im Gange, ein Gesetzbuch für die durch die Freizügigkeit innerhalb der EG begünstigten Arbeitnehmer herauszugeben. Schäfer sprach ein sich aus der Weisungsgebundenheit der Landesvertreter bei der EG ergebendes Problem an. Im Laufe einer Beratung müsse mit der Änderung des Beratungsgegenstandes gerechnet werden. Für die Landesvertreter bestünde dann die Schwierigkeit, auf schnellem Wege neue Weisungen zu erhalten.
Hierzu bemerkte Jaspert, daß die Geschäftsordnung des Bundesrates dem neuen Verfahren der Länderbeteiligung angepaßt werde. Bisher sei eine Zuweisung des Präsidenten erforderlich gewesen, um einem Ausschuß die Beschäftigung mit einer Vorlage zu ermöglichen. Dem Ausschuß habe nach Abgabe einer Empfehlung an das Plenum keine Möglichkeit mehr zur Verfügung gestanden, die Sache ohne erneute Zuweisung wieder aufzugreifen, wenn sich Veränderungen ergeben hätten. Nach der vorgesehenen Änderung der Geschäftsordnung solle der Ausschuß die Befugnis erhalten, selbst die Anregung zur erneuten Beschäftigung mit einer Vorlage zu geben. Das schließe selbstverständlich die Gefahr nicht aus, daß es nicht immer möglich
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Diskussion
sein werde, rechtzeitig eine Stellungnahme des Bundesrates herbeizuführen. In vielen Fällen werde man sich damit abfinden müssen, daß die Vertreter der Länder nur noch die Funktion von Beobachtern ausüben könnten. Im folgenden verlagerte sich die Diskussion auf die politischen Schwierigkeiten einer einheitlichen Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland und die verfassungsrechtliche Problematik. Über das Tagungsthema hinausgreifend bemängelte Dessloch das Fehlen einer die EG-Politik zusammenfassenden Stelle in der Bundesrepublik Deutschland. Eine koordinierte deutsche Politik im Rat finde aus diesem Grunde, anders als bei den anderen Mitgliedstaaten der EG, nicht statt. Das Unvermögen, trotzgegenläufiger Auffassung der Ressorts zu einer einheitlichen deutschen Position zu finden, könne unabsehbare Folgen haben. Die Vereinheitlichung der deutschen Europapolitik müsse im Rahmen der Richtlinienkompetenz vom Bundeskanzleramt aus erfolgen. Die Möglichkeit, die deutsche Europa-Politik über die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zu vereinheitlichen, hielt Jasperl angesichts des Widerstandes mächtiger Ressortminister für nicht realisierbar. Zur Koordination fänden regelmäßig Zusammenkünfte der Europa-Staatssekretäre der einzelnen Ministerien statt. Tomuschat wies darauf hin, daß es Koordinationsschwierigkeiten auch in anderen Bereichen, wie z. B. der internationalen Menschenrechtspolitik gebe. Er sah im Grundgesetz durchaus Anhaltspunkte, die den Bundesrat als Sachwalter der Landesgesetzgebungskompetenzen auswiesen. Art. 84 GG gebe dem Bund eine Zuständigkeit zur Regelung des Verwaltungsverfahrens und der Einrichtung der Behörden und eröffne die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesrates in die Domäne der Länder einzubrechen.
Demgegenüber verwies Rudolf auf das Fehlen von Regelungen über das Verfahren bei der Übertragung von Länderkompetenzen auf supranationale Organisationen im Grundgesetz. Die von Tomuschat angesprochenen Vorschriften beträfen eben ausdrücklich und ausschließlich die Übertragung von Zuständigkeiten auf den Bund. Es seien die Sachzwänge, denen der Verfassungsjurist sich beugen müsse. So verbiete die Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Stellungnahme die an sich sinnvolle Beteiligung der Landesparlamente an der Übertragung von Landeszuständigkeiten auf die EG. Durch die Beteiligung des Bundesrates seien Mehrheitsentscheidungen möglich geworden, wodurch das teilweise unlösbare Problem, eine einheitliche Position zu erarbeiten, im Vergleich zu dem Verfahren aus dem Jahre 1980 wesentlich entschärft worden sei. Auch sei, trotz verfassungsrechtlicher Bedenken, die Zulassung von Nicht-Ministern in einem zu schaffenden Bundesratsgremium unumgänglich.
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In seinem Schlußwort gab Jasperl zu bedenken, daß die über deutsche Kompetenzen verfügende Bundesregierung nur dem Bundesparlament, unmöglich aber den Landesparlamenten verantwortlich sein könne. Die Länder könnten nur über ihr Bundesorgan auf die Bundesgesetzgebung Einfluß nehmen, wie Art. 50 GG zeige. II. Im Anschluß an das Referat von Stöger erkannte der Diskussionsleiter in dem Länderbeobachter ein Paradebeispiel für den kooperativen Föderalismus. Der Länderbeobachter bewältige mit einem Minimum an Personal vielfältige Aufgaben im Spannungsfeld zwischen EG, Bund und Ländern. Bauer sah sowohl durch das Verfahren nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte als auch durch die Schaffung von Informationsbüros der Länder in Brüssel die Position des Länderbeobachters verändert und gefährdet. Eine zu starke Anknüpfung des Länderbeobachters an den Bundesrat könne zu einem Wegfall der inneren Berechtigung für diese Institution und zu einem Nachlassen der Finanzierungsbereitschaft führen. So habe das Land Nordrhein-Westfalen alle Verhandlungen mit anderen Bundesländern über eine den Länderbeobachter betreffende förmliche Absprache zunächst verschoben.
Demgegenüber betonte Büsehing die wesentliche Bedeutung des Länderbeobachters für die einzelnen Bundesländer. Berlin stehe erst vor der Entscheidung, ein eigenes Länderbüro einzurichten. Büsehing bezweifelte die Europadienlichkeit der Informationsbüros der Länder. Stöger vertrat die Auffassung, die Länderbüros seien durch die Ermöglichung vielfältiger Kontakte und Informationen geeignet, die Europafreundlichkeit der Länder zu erhöhen. Auf Nachfrage Rudolfs bestätigte Stöger die subsidiäre Zuständigkeit des Länderbeobachters im Verhältnis zu den Ländervertretern nach Art. 2 V EEAG. Die Vertreter der einzelnen Bundesländer würden nach unterschiedlichen Kriterien entweder von Fall zu Fall oder nach Fachgesichtspunkten bestellt. Falkenberg war der Meinung, Ländervertreter und Länderbeobachter seien keine Konkurrenten. Sie erfüllten unterschiedliche Aufgaben. Der Länderbeobachter kümmere sich um Informationsbeschaffung im Vorfeld der Gesetzgebung, während das Informationsbüro des Saarlandes sich mehr um das geltende Recht, insbesondere um Wirtschaftsförderung kümmere.
Frau Kromarek interessierte sich für die Frage, inwieweit eine Beteiligung von Vertretern der Länder als Mitglieder der deutschen Delegation im Ministerrat seit Geltung des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte noch möglich sei. Ihr sei bekannt, daß ein Angehöriger der LänderarbeitsgemeinschaftWasser im Ministerrat für alle zuständigen deutschen Behörden gesprochen habe.
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Stöger bestätigte in Übereinstimmung mit Rudolf, daß einige bisher übliche Verfahrensweisen seit dem Erlaß des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte problematisch geworden seien. Man müsse wohl zugestehen, daß der Ländervertreter nach Art. 2 V die bisher von den Ländern hinzugezogenen Personen ohne weiteres ablöse. Etwas anderes könne allenfalls für den Leiter der Kultusministerkonferenz gelten. Ihm sei im Jahre 1983 vom Bundeskanzler die Leitung der deutschen Delegation versprochen worden, wenn sich die Kultusminister auf EG-Ebene treffen.
Nach Ansicht von Krämer geht es weniger um verfassungsrechtliche oder institutionelle Probleme als vielmehr um Probleme der Kommunikation zwischen der Entscheidungsebene Brüssel und der Entscheidungsebene Bundesrepublik. Offensichtlich sei der Zufluß derjenigen Informationen gestört, die in der Bundesrepublik benötigt würden, um am Entscheidungsprozeß der EG sachgerecht teilnehmen zu können. Deshalb würden Landesvertreter eingesetzt und Informationsbüros errichtet. Stöger verwies auf die Notwendigkeit, aus der Fülle der Informationen das für die Bundesländer Interessante herauszufiltern. Dabei das rechte Maß zu finden, sei schwer. Es habe schon Beschwerden eines Landes über die nicht zu bewältigende Masse der Informationen gegeben, während ein anderes Land sich über zu spärliche Unterrichtung beklagt habe. Notwendig sei auch, darauf zu achten, daß die Länder rechtzeitig das für sie Wichtige erfahren. Dieses Bedürfnis mache eine Informationsbeschaffung im Vorfeld der Entscheidungen erforderlich, die mitunter recht schwierig sei.
Dem widersprach Krämer entschieden. Es gebe keinen Entwurf der Kommission, der nicht in besonderen Gremien mit Experten der Mitgliedstaaten erörtert werde. Bei der Erörterung jedes Entwurfs seien deutsche Experten zugegen. Abschließend bemerkte Rudo/f, daß sich die mit der Einrichtung der Informationsbüros der Länder verbundenen Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten. Die Länder würden erfreulicherweise keine Nebenaußenpolitik betreiben. Im Sinne eines gentlernen agreementgebe es bereits Abkommen zwischen regionalen Körperschaften Frankreichs und Belgiens, dem Parlament des Staates Luxemburg und deutschen Landesparlamenten, die selbstverständlich nicht als Verträge im Sinne des Art. 32 III GG zu qualifizieren seien. Solche Absprachen zwischen verschiedenen Nationen angehörenden Regionen und Bundesländern hielt Rudolf für zulässig.
Bundesländer und Regionalismus in der EG• Von Rudolf Hrbek I. Einleitung: Die EG als Mehrebenensystem
Die Themenstellung trägt dem Umstand Rechnung, daß die Nationalstaaten nicht mehr länger als die einzigen und allein ausschlaggebenden .Bausteine" der Europäischen Gemeinschaft angesehen werden können, daß vielmehr der EG-Integrationsprozeß zur Herausbildung einer komplexeren Struktur geführt hat, die zu differenzierterer Betrachtungsweise, nämlich zur Berücksichtigung zusätzlicher Komponenten, zwingt. Im Verständnis der EG als Mehrebenensystem finden diese Gegebenheiten begrifflich ihren Ausdruck. Diese Sicht der Gemeinschaft findet sich explizit in dem von Donald J. Puchala bereits 1972 präsentierten Konzept der EG als Konkordanzsystem. 1
Er definiert es als .internationales System, in dem es die Akteure möglich finden, ihre Interessen zu harmonisieren, ihre Gegensätze auszugleichen und aus ihren Interaktionen gegenseitige Belohnungen zu erlangen.• Zur außerordentlich komplexen Struktur eines Konkordanzsystems - darin liegt eines seiner zentralen Merkmale - gehört, daß es ein vier Ebenen umspannendes Aktionssystem ist. Neben die von den EG-Mitgliedstaaten gebildete nationale Ebene treten die supranationale Ebene (auf der die Gemeinschaftsinstitutionen angesiedelt sind), die transnationale Ebene (auf der sich die transnationale Kommunikation - Kontakt, Kooperation, Organisation - nichtgouvernementaler Akteure, wie insbesondere von Interessenverbänden und Parteien, aber auch von Unternehmen, abspielt) und schließlich die hier besonders interessierende subnationale Ebene. Letztere umfaßt territoriale Einheiten unterhalb des (Gesamt-)Staates. Indem Pu• Es handelt sich um die überarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung des Referats. 1 Diesen Begriff hat Donald J. Puchala in seinem Aufsatz .Of Blind Men, Elephants and International Integration" in : Journal of Common Market Studies, Vol. 10 (1972), No. 3, S. 267-284, auf die EG angewandt. Vgl. zu diesem Konzept auch Rudolf Hrbek: Die EG ein Konkordanzsystem? Anmerkungen zu einem Deutungsversuch der politikwissenschaftlichen Europaforschung, in: Roland BieberlAlbert Bleckmann u.a. (Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Bd. 1, Baden-Baden 1981, S. 87-103.
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chala unterstreicht, daß die vier Ebenen einander nicht hierarchisch zugeordnet sind, gibt er jeder von ihnen ein Eigengewicht. Im folgenden soll zunächst erläutert und- primär am deutschen Beispiel - illustriert werden, warum und inwieweit die subnationale Ebene im EG-System an Bedeutung und Eigengewicht erheblich zugenommen hat und in welchen ganz eigenständigen Aktivitäten deutscher Länder dies u.a. zum Ausdruck kommt. Sodann werden verschiedene Aspekte dieser neuen und verstärkten Rolle und Aktivitäten von Ländern - und generell von Regionen- im Rahmen des EG-Integrationsprozesses zu analysieren sein. II. Gründe für die zunehmende Bedeutung der subnationalen Ebene in der EG
1. Entwicklungen in der EG 2 Der zweifellos wichtigste Grund für das zunehmende Gewicht von Akteuren auf subnationaler Ebene - in der Bundesrepublik Deutschland also der Länder - in der EG ist die Ausweitung des Funktionsbereichs der Gemeinschaft. Sie kann zum einen das Ergebnis förmlicher Vertragsänderungen oder -ergänzungen, oder der Anwendung der in Artikel 235 EWG-Vertrag enthaltenen sogenannten .Kompetenz-Kompetenz", oder schließlich von Absprachen der Regierungen außerhalb des Vertragssystems sein. Zweitens kann es zu einer solchen Ausweitung kommen, wenn die Gemeinschaft Aufgaben wahrnimmt, die ihr die Verträge zwar nicht ausdrücklich übertragen haben, deren Wahrnehmung sie aber erlauben oder- etwa um des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes oder der Erfüllung allgemeiner Zielvorstellungen (wie in Präambel und Art. 2 EWG-Vertrag enthalten) willen - nahelegen. Ein wichtiges Beispiel ist die Regionalpolitik der Gemeinschaft, die mit der Einrichtung des EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) im Jahre 1975 ein spezifisches Instrument bekam. Weiterhin sind Aktivitäten der Gemeinschaft auf dem Gebiet von Umweltpolitik sowie der Forschungsund Technologiepolitik zu nennen, die sich pragmatisch und ganz allmählich entwickelt haben, mit der durch die EEA3 erfolgten Vertragsänderung und 2 Vgl. dazu den knappen zusammenfassenden Überblick von Rudolf Hrbek: 30 Jahre Römische Verträge. Eine Bilanz der EG-Integration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 18/1987, S. 18-33, insbes. S. 22-31. 3 Vgl. als Überblick dazu die Beiträge in Heft 3/86 der Zeitschrift .integration"; außerdem Wolfgang Wessels: Die Einheitliche Europäische Akte - Zementierung des Status quo oder Einstieg in die Europäische Union? In: integration 2/86, S. 65-79; Rudolf Hrbek/Thomas Läufer: Die Einheitliche Europäische Akte. Das Luxemburger Reformpaket: eine neue Etappe im Integrationsprozeß, in: Europa-Archiv 6/86, S.
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-ergänzung nunmehr in aller Form zu spezifischen Tätigkeitsbereichen der Gemeinschaft erklärt wurden. Schon bisher hatten Gemeinschaftspolitiken sektorale und regionale Implikationen; so z. B. die Agrarpolitik, aber auch Maßnahmen zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die von Beginn an mit Regeln gemeinschaftlicher Wettbewerbspolitik verbunden waren. Sektorpolitiken, wie etwa auf den Gebieten von Kohle, Stahl, Textil und Schiffbau, hatten und haben meist besondere regionale Bedeutung und Wirkung. Die Ausweitung des gemeinschaftlichen Funktionsbereichs ist gleichbedeutend mit einer Zunahme der gegenseitigen Verflechtung und Abhängigkeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Sie bewirkt, daß die Zahl der von Gemeinschaftspolitik Betroffenen größer wird - wobei die Betroffenheit von Fall zu Fall in einzelnen Regionen besonders ausgeprägt sein kann - und daß deshalb die Gemeinschaft ihrerseits verstärkt zum Adressaten von Erwartungen und Forderungen, aber auch von Kritik, einer stetig wachsenden Zahl von Akteuren - als Betroffene und Interessenten zugleich - wird. Das lenkt den Blick auf eine weitere Entwicklung in der EG, nämlich die Ausdifferenzierung des gemeinschaftlichen Entscheidungsgefüges. Dazu gehören die Einrichtung eines .Unterbaus" des Rates, bestehend aus dem Ausschuß der Ständigen Vertreter mit einer Vielzahl von speziellen Arbeitsgruppen, die von den Mitarbeitern der zu gut ausgebauten Behörden gewordenen Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten beschickt werden. Weiterhin die Ausbreitung des Ausschußwesens mit einer großen Zahl von Beratenden Ausschüssen einerseits, Verwaltungsausschüssen andererseits. Sodann die mit der Direktwahl des Europäischen Parlaments verbundene Erhöhung seiner Mitgliederzahl (wobei diese Abgeordneten auch als Repräsentanten bestimmter Interessen und Regionen verstanden werden und sich so verhalten können, zumal sie sich mit Blick auf die Wiederwahl profilieren müssen) und der Ausbau der parlamentarischen Hilfsdienste einschließlich von Mitarbeitern der einzelnen Abgeordneten. Mit der Zunahme der Zahl der Akteure ging eine Intensivierung der Kommunikation - sowohl in ihrer formalisierten Form, als auch informell - einher, so daß auch für das Einbringen spezifischer regionaler Belange jetzt mehr Kanäle als früher zur Verfügung stehen. Am Beispiel der deutschen Länder läßt sich zeigen, daß Repräsentanten regionaler Belange darüber hinaus mit Erfolg versucht haben, sich selbst zusätzliche Kanäle zu schaffen und aktiv im gemeinschaftlichen Entscheidungsgefüge mitzuwirken.~ 173-184 (in diesem Heftist auch der Text der EEA abgedruckt, S. D 163-182); Rudolf Hrbek: EG-Reform in kleinen Schritten, in: Wirtschaftsdienst 4/86, S. 172-178; Werner Weiden/eid: Die Einheitliche Europäische Akte, in: Außenpolitik 4/86, S. 375383.
4 Vgl. dazu die Übersicht von Rudolf Hrbek: Doppelte Politikverflechtung: deutscher Föderalismus und europäische Integration. Die deutschen Länder im EG-Ent-
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Als Folge der Ausweitung des EG-Funktionsbereichs sind Interesse und Bedürfnis von EG-Institutionen an Kontakten - auch direkter Art- zur subnationalen Ebene gewachsen; sowohl für die angemessene Vorbereitung von Gemeinschaftsvorhaben als auch für ihre Implementierung ist die Einbeziehung von Repräsentanten dieser Ebene nützlich und wichtig. Schließlich bringen die Regierungen der Mitgliedstaaten spezifische regionale Belange in die Beratungen des Rates und seiner Gremien ein; sei es, weil sie so starkem innenpolitischen Druck von durch Gemeinschaftspolitik (potentiell} Betroffenen entsprechen wollen; sei es, um ihr Verhalten den Partnern gegenüber zu erklären und zu rechtfertigen. 2. Dezentralisierungs- und (Re-)FöderalisierungsTendenzen in den EG-Mitgliedstaaten Seit etlichen Jahren lassen sich in einigen EG-Mitgliedstaaten deutliche Dezentralisierungs- und Föderalisierungs-Tendenzen ausmachen. 5 In Großbritannien kritisierten die Landesteile Schottland und Wales, daß der Londoner Zentralismus ihren besonderen Belangen nicht Rechnung trage; sie forderten mehr Autonomie (entsprechende Bemühungen zur verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Strebens firmierten unter dem Begriff .devolution"), mindestens jedoch eine bessere Berücksichtigung ihrer Interessen. In Belgien ist die sogenannte .Staatsreform" seit Jahren das beherrschende innenpolitische Thema. Es geht dabei um die den Sprachgruppen einerseits, den Landesteilen Flandern und Wallonien sowie der besonderen Region Brüssel andererseits zu übertragenden Kompetenzen einschließlich der Aufgabe gesamtstaatlicher Koordinierung. In Italien sind zwar Regionen eingerichtet worden, die Zuweisung von Befugnissen und die Zusammenarbeit mit der Zentralregierung in Rom gelten aber weiterhin als noch nicht bzw. nicht befriedigend gelöst. Selbst Frankreich mit seinem traditionellen Zentralismus begann 1981 mit dem ehrgeizigen Plan einer Dezentralisierung. Und in Spanien sind Status und Rolle der sogenannten Autonomen Gemeinschaften bislang nicht befriedigend geklärt. 6 scheidungsprozeß, in: Rudolf Hrbek/Uwe Thaysen (Hrsg.): Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1986, S. 17-36; und Rudolf Hrbek: Die deutschen Länder in der EG-Politik, in: Außenpolitik 2/87, S. 120-132. 5 Vgl. dazu Beiträge in dem von Roger Morgan für das European Center for Political Sturlies am Policy Studies Institute, London, herausgegebenen Sammelband (Regionlism in European Politics, London 1986) sowie in dem von Michael Keating und Barry Jones herausgegebenen Sammelband (Regions in the European Community, Oxford 1985). 6 Vgl. dazu Maria J. Montoro Chiner: Spanien als Staat der Autonomen Gemeinschaften, in: Die Öffentliche Verwaltung 3/87, S. 85-94.
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In allen Fällen geht es um die Verlagerung von Befugnissen auf subnationale Einheiten: ihr politischer Gestaltungsspielraum soll erweitert werden. Diesen Tendenzen liegen teils ethnische, kulturelle und historische Rivalitäten zugrunde; teils gehen sie auf die Einsicht in die Unzulänglichkeit zentraler Problemlösungen zurück. Weit verbreitet sind auch Unbehagen, ja Mißtrauen gegen Entscheidungen, die fernab von den im Einzelfall Betroffenen gefällt werden. Solches Denken findet sich zwar auch in .grünen" und .alternativen" Positionen7 , geht aber weit darüber hinaus und läßt sich- als eher genereller Trend - nicht einfach bestimmten politisch-ideologischen Richtungen zuschreiben. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, dem einzigen EG-Mitgliedstaat mit ausgeprägt föderativer Struktur, sind solche Tendenzen seit einigen Jahren unverkennbar. Der Trend zur Unitarisierung8 und die Folgen der mit der Großen Finanzreform und der Einführung der sogenannten .Gemeinschaftsaufgaben" verbundenen ,.Politikverflechtung" 9 stoßen auf Skepsis, Kritik und Ablehnung. So standen bereits in den Beratungen der EnqueteKommission Verfassungsreform Mitte der 70er Jahre Fragen der föderativen Ordnung der Bundesrepublik im Vordergrund. 10 Wenn von der Notwendigkeit der .Entflechtung" und der Betonung des .Konkurrenz-Föderalismus" 11 , wenn von .Re-Föderalisierung" gesprochen wird, so stehenalldiese Schlagworte für das Bestreben, die Rolle der Länder als Gliedstaaten mit eigenem politischen Gestaltungsspielraum zu stärken. 12 In diesem Zusammenhang sind dann auch die Aktivitäten der Länder zu sehen, ihre Mitwirkungsmöglichkeiten bei innerstaatlichen Entscheidungen in EG-Angelegenheiten auf eine wesentlich verbesserte rechtliche Grundlage zu stellen und zu stärken, 7 So lautete ein Wahlslogan der Grünen für die Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1984: .Global denken, vor Ort handeln". 8 Dieser Befund kommt im Titel einer von Konrad Hesse 1962 veröffentlichten und stark beachteten Schrift zum Ausdruck: .Der unitarische Bundesstaat", Karlsruhe 1962. 9 Mit diesem Phänomen haben sich von politikwissenschaftlicher Seite Fritz W. Scharpfund seine Mitarbeiter Bernd Reissert, Fritz Schnabel in mehreren Beiträgen befaßt; insbes. in dem Band .Politikverflechtung. Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland", Kronberg/Ts. 1976. Auf sie geht auch der Begriff .Politikverflechtung" zurück. 10 Der Schlußbericht der Enquete-Kommission .,Verfassungsreform" vom 2.12.1976 ist abgedruckt in Bundestags-Drucksache 7/5924. 11 Wolfgang Zeh: Spätföderalismus: Vereinigungs- oder Differenzierungsföderalismus? Zur Arbeit der Enquete-Kommission an ihrem schwierigsten Objekt, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 4/77, S. 475-490. 12 Zusammenfassend dazu Hartmut Klatt: Reform und Perspektiven des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland. Stärkung der Länder als Modernisierungskonzept, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 28/86, S. 3-21.
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wie sie während der Beratungen des Gesetzes zur Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) während des Jahres 1986 erfolgt sind. 13
3. Grenzüberschreitende Kooperation und das "Europa der Regionen· Unabhängig vom Geschehen innerhalb der EG ist es im Laufe der letzten 20 Jahre zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit gekommen, deren Träger ,.Regionen", also territoriale Einheiten auf subnationaler Ebene, sind. 14 Solche grenzüberschreitenden Aktivitäten können bilateral oder multilateral sein und an ihnen beteiligen sich keineswegs nur Regionen aus EG-Mitgliedstaaten. Ausgangspunkt der Aktivitäten ist stets die Identifizierung gemeinsamer Probleme und die Überzeugung, daß ihre Bewältigung nur im Verbund, also durch organisierte Koordinierung und Kooperation erfolgen kann. Ein Beispiel ist die 1972 gegründete Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (abgekürzt: Arge Alp), an der von deutscher Seite Bayern teilnimmt. 15 Ihre Funktion besteht in der Entwicklung gemeinsamer Ziele und Lösungsvorschläge hierfür, die gegenüber nationalen und ,.europäischen" Instanzen vertreten werden, und in gegenseitiger administrativer Hilfe. Grundlage ist eine Vereinbarung der jeweiligen regionalen Regierungsinstanzen. Die Organisation spiegelt den stark gouvernementalen Charakter des Unternehmens: es existiert eine Konferenz der Regierungschefs, die einmal jährlich tagt; daneben eine Arbeitsgruppe leitender Beamter, die als politische Koordinierungsgruppe fungiert und in dieser Eigenschaft auch Initiativen entwickelt. Für drei Aufgabengebiete wurden spezielle Kommissionen eingerichtet: Verkehr, Berglandwirtschaft und alpine Raumordnung, Kultur. Eine gemeinsame Geschäftsstelle bereitet die Sitzungen aller Gremien vor. Als bisherige Ergebnisse gelten Bemühungen um ein gemeinsames Leitbild für die Entwicklung des Alpenraums, die Erarbeitung gemeinsamer Strukturdaten, Maßnahmen auf dem Gebiet der Denkmalpflege und zum Schutz von Kulturgütern, nicht zuletzt auch die Herausbildung und Pflege eines gewissen Zusammengehörigkeitsgefühls. Was letzteren Punkt betrifft, so 13 Über diese Bestrebungen und verschiedene damit verbundene Aspekte und Probleme informiert der von Rudolf Hrbek und Uwe Thaysen herausgegebene Sammelband (s. Fußn. 4), in dem auch einschlägige Dokumente und Materialien (Stand bis einschließlich Nov. 1986) enthalten sind. 14 Bereits Mitte der 70er Jahre wurde hierzu eine sehr informative Monographie vorgelegt: Viktor von Malchus: Partnerschaft an europäischen Grenzen. Integration durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Bonn 1975. 15 Für die Schweiz ist der Kanton Graubünden, für Österreich sind die Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg, für Italien die Regionen Bozen-Südtirol, Trient und Lombardei beteiligt.
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gewinnt die Einsicht an Boden, daß hierfür auch die Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte erforderlich ist, daß grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht allein auf gouvernementales Handeln beschränkt bleiben kann. Diesen Überlegungen versucht man in einem anderen europäischen Regionalmodell Rechnung zu tragen: in dem grenzüberschreitenden Raum, der die schweizerischen Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Teile des Landes Baden-Württemberg (das Gebiet der Regionen Mittlerer Oberrhein, Südlicher Oberrhein und Landkreis Lörrach) und des Landes RheinlandPfalz (Region Südpfalz) sowie die Region Elsaß (Departement Bas-Rhin und Haut-Rhin) umfaßt. Für diesen Raum wurde durch Vereinbarung der Regierungen 1975 eine Regierungskommission gebildet, um die Prüfung und Lösung von nachbarschaftliehen Fragen zu erleichtern. 1985 konkretisierten sich Überlegungen, zu dieser Regierungskommission auch Parlamentarier hinzuziehen.16 Eine ganz andere Form grenzüberschreitenden Regionalismus repräsentiert die Zusammenarbeit zwischen dem Land Baden-Württemberg und der französischen Region Rhöne-Alpes. 17 Hier handelt es sich nicht um benachbarte Grenzregionen, sondern um zwei Partner, die sich wegen ähnlicher wirtschaftlicher Strukturmerkmale und entsprechend verwandten Interessen zu engerem Kontakt entschlossen haben. Beide versprechen sich von ihrer Zusammenarbeit, die auch kompetitive Elemente enthalten soll, zusätzliche Impulse für die ökonomische und soziale Entwicklung. Ausdrücklich wird gesagt, daß diese Zusammenarbeit die Vertiefung der deutschfranzösischen Beziehungen, vor allem auf dem Gebiet der Forschung, des Technologietransfers, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Aus- und Fortbildung, des Jugendaustausches und der Kultur unterstützen soll. Noch spezialisierter ist die zwischen den Universitäten Basel, Freiburg und Straßburg in Angriff genommene Kooperation auf den Gebieten von Forschung und Technologie. Speziellen Charakter hat sodann die Bodenseekonferenz der Anrainer-Staaten und -Regionen. Stärker auf die EG ausgerichtet ist die Region Saar-Lor-Lux, die das Saarland, Lothringen und Luxemburg umfaßt. Die Unterschiede im rechtlichen Status der Beteiligten- ein EG-Mitgliedstaat, ein Land der Bundesrepublik und eine französische Region - stellen für die praktische Arbeit offenbar keine unübersteigbaren Hindernisse dar. Es handelt sich um benachbarte Grenzregionen, die zudem eine sehr ähnliche wirtschaftliche 16 Klärungsbedürftig sind Status und Funktion der Abgeordneten; je nach der beschlossenen Lösung müßte die Regierungsvereinbarung geändert werden. 17 Die entsprechende Vereinbarung wurde am 17. Juni 1986 abgeschlossen. Beide Seiten bemühen sich im übrigen, in ihr Kooperationsmodell noch andere vergleichbare europäische Regionen einzubeziehen; konkret ist an Katalonien und die Lombardei gedacht.
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Struktur aufweisen, einschließlich spezifischer Problemsektoren (Kohle und Stahl). Es kann nicht Aufgabe dieses Beitrags sein, einen Überblick über die große Zahl solcher europäischer Regionalmodelle zu geben, so nützlich diese Bestandsaufnahme wäre. 18 Für unseren Zweck genügt der durch Beispiele illustrierte Hinweis auf das längst zum europäischen Alltag und Besitzstand ge.wordene Faktum grenzüberschreitender regionaler Zusammenarbeit. Wie sehr sich dieser europäische Regionalismus bereits etabliert hat und wie stark er auch politisch schon verwurzelt ist, läßt sich an der Existenz zweier Dachorganisationen ablesen: Seit einigen Jahren existiert eine Europäische Konferenz der Grenzregionen, die regelmäßige Zusammenkünfte abhält. 1985 wurde der Rat der Regionen Europas gegründet. 19 Er versteht sich als demokratische europäische Regionalvertretung, der nur gewählte Vertreter von Regionen angehören, Als erster Präsident wurde Edgar Faure, Präsident der Region Franche-Comte und als Vizepräsident der Präsident des Landags von Baden-Württemberg, Brich Schneider, gewählt. Die Organisation will folgende Aufgaben wahrnehmen: "Einen Dialog für die Zusammenarbeit zwischen den Regionen zu organisieren, sowie gemeinsame Studien und politische Aktionen der Regionen, die den Mitgliedstaaten der EG und des Europarates angehören, durchzuführen; die Stimme der Regionen Europas gegenüber europäischen Institutionen und den Nationalstaaten zu Gehör zu bringen; ein Beratungsforum für die Regionalpolitik der EG zu sein; innerhalb des Europarates Einfluß auf die Probleme der regionalen Zusammenarbeit zu nehmen." 20 Der Umstand, daß der Präsident der neuen Organisation, Faure, vom Präsidenten der EG-Kommission, Delors, empfangen wurde, kann als Indiz für die Bedeutung dieser grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit im Rahmen des Integrationsprozesses der EG gewertet werden. Solche Aktivitäten und Organisationsstrukturen verdichten sich hier und dort zum Konzept des .Europa der Regionen" 21 • Ihm liegt die (normative) Vorstellung zugrunde, Regionen und nicht Nationalstaaten müßten die Bau18 Neben dem Band von von Malchus (s. Fußn. 14) befaßt sich eine Themenausgabe der Zeitung ,.Das Parlament" mit der Zusammenarbeit in Grenzregionen: Nr. 3-4/1984. 19 Vgl. hierzu den Bericht in Europäische Zeitung, Sept. 1985, S. 8. 20 Ebenda. 21 Entsprechende Äußerungen finden sich beispielsweise in Aussagen von Ministerpräsident Späthund des Präsidenten der Region Rhöne-Alpes, Beraudier, anläßlich einer Zusammenkunft in Stuttgart Ende 1987. Sie unterstreichen, daß der Gedanke der europäischen Einigung durch das Konzept ,.Europa der Regionen" mit neuem Leben erfüllt werden könnte.
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steine europäischer Integration und der EG sein, regionale Kooperation würde dem EG-Integrationsprozeß Impulse geben und ihn beschleunigen. Daran ist sicherlich richtig, daß Gemeinschaftsbildung - wie in der EG -intensive Kommunikationsbeziehungen zwischen den beteiligten Einheiten, also zwischen bei ihnen angesiedelten Akteuren, zur Voraussetzung hat. Sie sind zugleich Merkmal für Integrationsprozesse und Indikatoren für Integrationsfortschritt. 22 Ein Umbau der EG dergestalt, daß .Regionen" an die Stelle der Staaten als Mitglieder treten, ist gewiß unrealistisch; dazu sind die Unterschiede zwischen den "Regionen" -und das in vielfacher Hinsicht -zu groß. Auch Überlegungen in Richtung auf Schaffung einer .RegionenKammer" als zweiter Kammer in der EG neben dem Europäischen Parlament gehen - jedenfalls bis auf weiteres - an den Realitäten vorbei. Im Konzept vom .Europa der Regionen" kommt aber, und das ist in unserem Zusammenhang wichtig, das gewachsene Selbstbewußtsein subnationaler territorialer Einheiten zum Ausdruck, sowie ihr Interesse und Bestreben, eigene Belange besser berücksichtigt zu sehen; sei es durch Dezentralisierung und die damit gegebene Möglichkeit zur ganz selbständigen, .autonomen" Problembearbeitung; sei es durch Zusammenwirken mit anderen .Regionen" im Rahmen grenzüberschreitender Zusammenarbeit in ihren verschiedenen Formen; sei es, daß sie ihre Mitwirkungsrechte und -möglichkeiten im innerstaatlichen Entscheidungsprozeß verstärken. Im EG-Rahmen, um den es hier geht, nehmen Akteure auf subnationaler Ebene bereits mancherlei Mitwirkungsfunktionen wahr, wie sich am deutschen Beispiel zeigen läßt, 23 und für ihre Konsolidierung und Erweiterung lassen sich verschiedene Möglichkeiten denken. Bevor auf solche Aspekte der Rolle und Aktivitäten der Länder in der EG eingegangen wird, sollen noch einige Begriffe geklärt werden.
111. Zu den Begriffen .,Region", .,Regionalismus", .,Regionalisierung" 24 1. Region
Ganz allgemein wird der Begriff .Region" zur Bezeichnung einer territorialen Einheit verwendet, die einerseits mehr als den lokalen/kommunalen 22 Auf diese Aspekte von Integration und Integrationsprozessen hat in nach wie vor überzeugender und gültiger Weise Kar/ W. Deutsch in vielen Beiträgen und größeren Projekten hingewiesen. Die Zusammenfassung seiner Position findet sich in seinem W erk: Analyse internationaler Beziehungen, Frankfurt 1968, Kap. 18: Erreichung und Erhaltung von Integration, S. 272-289. 23 Vgl. dazu den in Fußn. 13 bzw. 4 genannten Sammelband. 24 Die nachfolgenden Ausführungen sind wesentlich einem Diskussionspapier des Verfassers zum Thema .Perspektiven und Grenzen regionaler Problemlösungen in
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Bereich umfaßt, die andererseits nur Teil einer größeren (Gesamt-)Einheit ist. 25 Der Umstand, daß solche Teileinheiten, also Regionen, geschaffen werden bzw. existieren, weist auf ein wie auch immer begründetes Bedürfnis nach regionaler Gliederung größerer Einheiten hin. Die Definition einer territorialen Einheit als Regiop erfolgt anhand bestimmter Merkmale, die ihr ein bestimmtes Profil geben, sie also diesbezüglich von anderen unterscheidet oder mit anderen gleichsetzt. Eine Region kann vor allem durch folgende Merkmale bestimmt werden: geographische Gegebenheiten, die ein Territorium zu einer geographischen Region machen; ethnische, sprachliche, kulturelle oder auch religiöse Gemeinsamkeiten der in einem bestimmten Territorium lebenden Bevölkerung- oder ihrer großen Mehrheit-, die dem Territorium seine regionale Identität geben; die gemeinsame historische Vergangenheit; die wirtschaftliche Struktur, die einem Territorium das Gepräge gibt. Fallen mehrere Merkmale zusammen, wird die Identität des entsprechenden Territoriums als Region umso ausgeprägter sein. Territoriale Einheiten, die aufgrundsolcher Merkmale als Regionen gelten, treten in verschiedenen Formen auf und haben unterschiedliche rechtliche und funktionale Qualitäten: Verwaltungsregionen werden zum Zweck von primär wirtschaftlicher und politischer Planung und Verwaltung als .künstliche" Konstruktionen geschaffen; das kann sowohl von oben, also von einer Zentrale aus, geschehen als auch von unten, also durch Zusammenwirken lokaler/ kommunaler Einheiten. Solche Regionen sind Objekt von und Rahmen für Planung und Verwaltung. Als dezentrale Verwaltungseinheiten vollziehen sie an anderer Stelle getroffene Entscheidungen. (Teil-)AutonomeRegionen verfügen im Vergleich dazu über ein bestimmtes Ausmaß an eigenständiger Gestaltungsbefugnis und -fähigkeit. Gliedstaaten in föderativ strukturierten Systemen, wie in der Bundesrepublik Deutschland, haben nicht nur ein- in der Regel. verfassungsfestes" - Mindestmaß an eigenen Kompetenzen sowie die zu ihrer NutEuropa" vom Dez. 1987 entnommen. Der Beitrag war für eine Gesprächsrunde beim baden-württembergischen Minister für Europafragen angefertigt worden. 25 Zum Begriff der Region aber auch zum Begriff Regionalismus und Regionalisierungstendenzen vgl. den Sammelband von fried Esterbauer (Hrsg.): Regionalismus. Phänomen, Planungsmittel, Herausforderung für Europa. Eine Einführung, München 1978 (Bayerische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit).
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zung erforderlichen materiellen und politischen Ressourcen, sondern darüber hinaus das Recht und die Pflicht zur Mitwirkung am gesamtstaatlichen Entscheidungsprozeß. Transnationale, also grenzüberschreitende Regionen werden zum Zweck der Erfüllung bestimmter Funktionen errichtet: Es geht dabei um die Aufgabe grenzüberschreitender Problemlösung durch Kooperation und Koordination. An der Wahrnehmung dieser Funktionen sind (mindestens zwei) Regionen als subnationale Einheiten von Nationalstaaten beteiligt. Weiter oben sind eine Reihe von Beispielen für diese Art von Regionen gegeben worden. 2. Regionalismus Der Begriff "Regionalismus" wird überwiegend zur Bezeichnung von Bestrebungen verwendet, die - gestützt auf ethnische, kulturelle und historische Merkmale einer Region und der hier lebenden Bevölkerung - gegen den Herrschaftsanspruch der Zentralregierung gerichtet sind und für die Region Autonomie-Rechte verlangen, teilweise auch die Sezession, also den Gewinn staatlicher Unabhängigkeit, anstreben.26 Regionalistische Bewegungen begründen ihre Forderungen darüber hinaus häufig mit dem Hinweis auf wirtschaftliche und soziale Benachteiligung durch die Zentralregierung, die angeblich um der dauerhaften Diskriminierung einer (ethnischen und kulturellen) Minderheit und Randgruppewillen erfolge. Regionale Autonomie wird insofern als Instrument zur Herbeiführung besserer materieller Verhältnisse verstanden und nicht ausschließlich als Garant für die Gewährleistung kultureller und ethnischer Identität. Beispiele hierfür sind Bestrebungen in Belgien (die Pläne zur .Staatsreform" sollen die Ansprüche der Flamen und Wallonen befriedigen), in Großbritannien (dort sind entsprechende Forderungen der Schotten und Waliser im Rahmen der Bemühungen zur ,.Devolution" betrieben worden) und in Spanien (mit Aktivitäten in Andalusien, Galizien, Katalonien und im Baskenland, die auf die Schaffung eines möglichst großen Ausmaßes an Autonomie gerichtet sind). Regionalismus ist insofern als politische Bewegung aufzufassen.
26 V gl. dazu Dirk Gerdes (Hrsg.): Aufstand der Provinz: Regionalismus in Westeuropa. Frankfurt/M. 1980; sowie Edward A. Tiryakian/Ronald Rogowski (Hrsg.): New Nationalisms of the Developed West, London 1985.
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Rudolf Hrbek 3. Regionalisierung
Vom Regionalismus als politischer Bewegung kann man Regionalisierungstendenzen unterscheiden, die in Westeuropa in verschiedenen Formen auftreten, auf ganz unterschiedliche Antriebskräfte zurückgehen und -für unsere Fragestellung besonders wichtig- sich im Prozeß der EG-Integration bemerkbar machen, nämlich Fragen nach Struktur und Entwicklung der Zwölfer-Gemeinschaft aufwerfen. Regionalisierung ist zu einem Sammelbegriff für Tendenzen geworden, die die Verlagerung von Entscheidungen auf überschaubare und kleinere Einheiten bzw. deren stärkere Mitwirkung bei der Lösung von Problemen, von denen sie besonders betroffen sind, anstreben. Um welche verschiedenen Tendenzen es sich dabei hauptsächlich handelt, zeigt ein Blick auf ihre Motive und Antriebskräfte: Da gibt es erstens regionalistische Strömungen und Bewegungen, die mit dem Stichwort .Regionalismus", wie eben kurz erläutert, bezeichnet werden. Zum zweiten ist in den letzten Jahren das Unbehagen an zentral gesteuerten, also fernab von Betroffenen erfolgenden Entscheidungen spürbar gewachsen. Anonyme Strukturen in Technik und Bürokratie begegnen starkem Mißtrauen; viele Menschen fühlen sich solchen Kräften gegenüber hilflos ausgeliefert und als bloße Objekte. Unter den Schlagworten "Bürgernähe" sowie .Partizipation" oder gar "Selbstbestimmung" werden als Reaktion darauf die Verlagerung von Kompetenzen nach "unten", Dezentralisierung und die Einführung wirkungsvoller Mitbestimmungsmöglichkeiten gefordert. Im Zusammenhang damit stehen, drittens, Zweifel, ob zentral vorgenommene Entscheidungen wirklich sachgerechte und die Belange von Betroffenen "an der Basis" -also in einzelnen Regionen- angemessen berücksichtigende Lösungen bringen können. Viertens ist eine regelrechte Renaissance des Föderalismus als Ordnungsprinzip und Organisationsstruktur zu verzeichnen. Begründet wird dieser Trend durch Erwartungen, daß föderative Ordnung für die Bewältigung der anstehenden Probleme der ambestengeeignete Rahmen sei. Elemente dieser Ordnung sind das Subsidiaritätsprinzip, also die sachgerechte Aufgaben- und Kompetenzzuweisung; das Demokratieprinzip, also ein größeres Maß an Transparenz sowie an Mitwirkungsmöglichkeiten; der Grundsatz von Gewaltenteilung und -kontrolle; die stärkere Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und Anliegen; der auf bestimmten Institutionen und Verfahren beruhende Zwang zum Zusammenwirken der verschiedenen Einheiten, der die Berücksichtigung möglichst vieler Interessen - im Sinn des Pluralis-
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mus - ermöglicht. Föderalismus ergänzt und unterstützt damit den rechtsstaatliehen und demokratischen Charakter eines politischen Systems und fördert die möglichst angemessene Problemlösung. Fünftens sind schließlich Unmutsäußerungen gegen Maßnahmen der EG nicht zu überhören: Brüssel übersehe oder mißachte regionale Gegebenheiten in einem nicht länger tolerierbaren Ausmaß; angesichts der jetzigen Größe und damit auch strukturellen Heterogenität der Zwölfer-Gemeinschaft könnten und dürften viele Entscheidungen nicht mehr pauschal für die ganze Gemeinschaft ergehen, sondern müßten differenzieren, also je spezifischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Der Vielfalt von Motiven und Antriebskräften entsprechen verschiedene Formen und Äußerungen von Regionalisierung: Versuche, regionalistische Strömungen in geordnete Bahnen zu lenken, nämlich ihnen durch Anpassungen der Verfassungsordnung entgegenzukommen. Dezentralisierungstendenzen wie in Frankreich und Italien, um den Gestaltungsspielraum der jeweiligen "Region" zu vergrößern. Vorkehrungen zur Erweiterung von Mitwirkungsrechten der Bürger "an der Basis". Maßnahmen zur Stärkung föderativer Struktur, wie sie in der Bundesrepublik in den letzten Jahren, wie bereits erwähnt, unter den Stichworten .Entflechtung", "Konkurrenz-Föderalismus" und "Re-Föderalisierung" zu verzeichnen sind. Bestrebungen, die Belange von "Regionen" -unabhängig von ihrem rechtlichen Status- im Rahmen des EG-Entscheidungsprozesses stärker zur Geltung zu bringen. Am Beispiel der Bundesrepublik wird im folgenden Abschnitt erläutert, worum es sich dabei handelt und was künftig geschehen könnte. Weiterhin gehören hierzu aber auch Forderungen, um der Berücksichtigung wichtiger regionaler Belange willen nationale Sonderlösungen anzustreben (vgl. insbesondere die Beispiele Stahl, Landwirtschaft und regionale Strukturförderung), wenn Gemeinschaftsregelungen als untauglich oder unvertretbar angesehen werden und wenn eine Anpassung der Gemeinschaftsnormen, die die Berücksichtigung spezifischer regionaler Anliegen, also regionale Problemlösungen, erlauben würden, nicht möglich ist. In solchen Bestrebungen werden häufig - nicht immer zu Unrecht- Renationalisierungs-Tendenzen gesehen, die den Zuammenhalt und die Solidarität in der EG zu untergraben, ja schließlich zu beseitigen geeignet sein könnten. Auf der anderen Seite muß man sich allerdings vergegenwärtigen, daß die Gemeinschaft nach dem Vollzug der Süderweiterung mit jetzt 12 Mitgliedern einen Umfang
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erreicht hat, der einheitlich für alle geltende Re~elungen fragwürdig macht und das Bedürfnis nach je sachgerechten differenzierten Lösungen - allerdings unter dem gemeinsamen Dach der EG als Rechtsgemeinschaft - stärker werden läßt. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob Regionalisiening mit dem Anliegen der EG-Integration vereinbar ist, wie weit also regionale Belange und .Sonder" -Interessen im Rahmen der Gemeinschaft Berücksichtigung finden können und dürfen. Der Blick auf die Verträge lehrt, daß "Regionalisierung" im Sinn der Vertretung spezifischer regionaler Anliegen mit .Europäisierung", verstanden als Auf- und Ausbau der EG, vereinbar ist. So spricht die Präambel des EWG-Vertrages ausdrücklich vom Bestreben der Vertragsgründer, "ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern." Mit der Europäischen Investitionsbank, dem Sozialfonds, dem Agrarfonds (Abteilung Ausrichtung) und vor allem dem Regionalfonds sind Instrumente geschaffen worden, deren Einsatz regionalpolitische Wirkungen haben soll. Und bei Entscheidungen in den verschiedenen Sektorpolitiken sind stets regionale Implikationen bedacht worden. Beide Tendenzen, Regionalisierung und Europäisierung, gehören also zum Integrationsprozeß und die Gemeinschaft braucht eine Struktur und Politik, die beide Trends gleichermaßen berücksichtigt und in eine Balance bringt. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe, die nicht abstrakt, also ein für alle Mal gelöst wird, sondern die sich im Zusammenhang mit Einzelfallentscheidungen immer wieder neu stellt. Die fehlende oder mangelhafte Berücksichtigung regionaler Belange müßte sich im übrigen auf den Prozeß der Gemeinschaftsbildung negativ auswirken. Erstens verliert Gemeinschaftspolitik- und damit das Anliegen der Weiterentwicklung der Gemeinschaft hin zu einer Europäischen Union - an Zustimmung und Unterstützung, wenn auf regionaler oder nationaler Ebene Gemeinschaftsmaßnahmen als nicht sachgerecht, nicht einsichtig und nicht zurnutbar kritisiert und abgelehnt werden. Zweitens beeinträchtigt das die Bereitschaft und Fähigkeit der jeweiligen nationalen Regierung, sich auf Gemeinschaftslösungen einzulassen und ihnen zuzustimmen, weil jede nationale Regierung nach wie vor in erster Linie vom innenpolitischen Kräftefeld abhängig ist. Mit diesen Hinweisen sind bereits Punkte angesprochen, die im folgenden Abschnitt zu behandeln sind.
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IV. Die deutschen Länder und der EG-Entscheidungsprozeß Aus der Kombination von deutlich erstarktem Selbstbewußtsein der Länder und wesentlich größerer Betroffenheit durch EG-Politik erklärt sich das Bemühen der deutschen Länder, ihre spezifischen Interessen bei Entscheidungen in EG-Angelegenheiten wirkungsvoller zur Geltung zu bringen. Das kann auf verschiedene Weise geschehen: durch Mitwirkung an innerstaatlichen Entscheidungen in EG-Angelegenheiten; durch eigene Aktivitäten von Länder-Institutionen gegenüber EG-Behörden; durch nichtgouvernementale Akteure aus den Ländern, die primär politische Kanäle nutzen. Im folgenden werden diese Aktivitätsformen überblickartig dargestellt, es wird auf ihre Voraussetzungen und Begleiterscheinungen eingegangen und es wird nach ihren Wirkungen - für die Länder, die Bundesrepublik Deutschland und die EG und den Integrationsprozeß - gefragt. 1. Die Mitwirkung der Länder an innerstaatlichen Entscheidungen in EG-Anlegenheiten
a) Bisherige Mitwirkungsformen Von Anfang an haben die Länder substantielle Mitwirkungsrechte bei innerstaatichen Entscheidungen in EG-Angelegenheiten gefordert. Die Bundesregierung verhielt sich solchen Forderungen gegenüber stets restriktiv, weil sie fürchtete, in ihrem europapolitischen Gestaltungsspielraum von den Ländern eingeschränkt zu werden. Verfassungsrechtlich berief sie sich dabei auf die Artikel 32 und 24 GG, also das bei ihr liegende Recht der Außenvertretung der Bundesrepublik sowie die sogenannte Integrationsgewalt Politisch argumentierte sie mit funktionalen und politischen Erfordernissen der EG-Integration, die es verbieten würden, ihr europapolitisches Handeln in den Institutionen der EG an die Zustimmung des Bundesrates oder gar jedes einzelnen Landes zu binden. Die Bundesregierung machte geltend, bei ihrem europapolitischen Handeln stets den Grundsatz der Bundestreue beachtet zu haben und zu beachten, also Belangen der Länder angemessen Rechnung zu tragen. Angesichts dieser unterschiedlichen Grundsatzpositionen von Bundesregierung und Ländern und bei Aufrechterhaltung ihrer gegensätzlichen Rechtsauffassungen haben sich beide Seiten zunächst ganz pragmatisch arrangiert, nämlich Regeln und Verfahren für die Mitwirkung der Länder am
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innerstaatlichen Entscheidungsprozeß in EG-Angelegenheiten gefunden, praktiziert und immer wieder weiterentwickelt. Dabei handelt es sich um formalisierte wie auch um informelle Formen der Mitwirkung. Sie sollen im Rahmen dieses Beitrags nur kurz aufgezählt, aber nicht im einzelnen erläutert werden, weil dies an anderer Stelle geschehen ist. 27 Es handelt sich um das sogenannte Zuleitungsverfahren - auch Bundesratsverfahren genannt-, für dessen praktische Handhabung recht detaillierte Vorschriften ausgearbeitet und verschiedentlich weiterentwickelt wurden. Der Bundesregierung wird die Pflicht zur Unterrichtung der Länder (via Bundesrat) auferlegt, während diese das Recht erhalten, der Bundesregierung Stellungnahmen zu EG-Vorlagen auf den Weg zu geben. Das 1979 eingeführte Länderbeteiligungsverfahren kam ergänzend hinzu, bewährte sich aber nicht, weil dem besonderen Koordinationsbedarf für übereinstimmende Ländervoten nicht entsprochen werden konnte und sich das Bundesratsverfahren als überlegen erwies. Der Länderbeobachter sollte - als neue und eigenständig von den Ländern geschaffene Einrichtung- den Informationsbedarf der Länder zusätzlich decken helfen. Und die Einbeziehung von Länderbeamten in Delegationen der Bundesregierung für EG-Gremien stellte einen Schritt in Richtung auf mehr faktische Mitwirkung im gemeinschaftlichen Entscheidungsprozeß dar. b) Die Neuregelung nach Artikel 2 EEA-Gesetz So nützlich diese Verfahren und Praktiken waren, die Länder sahen in ihnen keine wirkungsvollen Instrumente zur erfolgreichen Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Interessen und forderten im Zusammenhang mit der Ratifizierung der EEA - das entsprechende Gesetz war für zustimmungspflichtig erklärt worden - neben der Erweiterung ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten deren rechtliche Verankerung. Ein zusätzliches Argument zur Begründung dieser Forderung war die Kritik, die Bundesregierung habe bei Entscheidungen über EG-Politik in den entsprechenden Gemeinschaftsorganen Länderbelange nicht ausreichend berücksichtigt, und sie sei ihrer 27 Ein knapper Überblick kann hier genügen; ausführlichere Darstellungen mit entsprechenden Würdigungen finden sich bei verschiedenen Autoren: Rudolf Morawitz: Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft, Bonn 1981; Karlheinz Oberthür: Die Bundesländer im Entscheidungssystem der EG, in: integration (Beilage zu Europäische Zeitung), 2/78, S. 58-65; Günter Jaspert: Der Bundesrat und die europäische Integration, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/82, S. 17-32; und die beiden Beiträge von Rudolf Hrbek (vgl. die Angaben in Fußn. 4).
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Informationspflicht gegenüber den Ländern nicht befriedigend nachgekommen. Die Beratungen zwischen Bundesregierung und Ländern gestalteten sich, wie auch die lange Dauer des Ratifikationsverfahrens zeigt, schwierig. Das Ergebnis, Bestimmungen über die künftige Mitwirkung der Länder - via Bundesrat- an Entscheidungen in EG-Angelegenheiten, ist in Artikel2 des Ratifikationsgesetzes zur EEA festgehalten. Die neue Regelung hat offensichtlich die dem Länderbeteiligungsverfahren zugrundeliegenden Festtegungen als Vorbild. Sie geht aber über diese in mehrfacher Hinsicht zugunsten der Länder hinaus: die in Form einer Erklärung des Bundeskanzlers seinerzeit erfolgte einseitige Verpflichtung wird jetzt durch eine gesetzlich fixierte abgelöst; der Informationsanspruch wird erweitert, indem eine rechtzeitigere und umfassendere Information vorgesehen ist; statt einer Stellungnahme der Länder handelt es sich jetzt um ein (Mehrheits-)Votum des Bundesrates; Kriterium für die Einholung von Stellungnahmen und die Hinzuziehung von Ländervertretern ist nicht mehr nur die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder, sondern auch, wenn deren wesentliche Interessen berührt werden; und nicht zuletzt müssen die Einzelheiten des neuen Verfahrens durch eine förmliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden. c) Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Landesregierungen gemäß Artikel 2 EEA-Gesetz Um diese Vereinbarung wurde wiederum sehr lange gerungen; erst im Dezember 1987, also ein Jahr nach der Verabschiedung des EEA-Ratifikationsgesetzes, konnten beide Seiten schließlich den Text unterzeichnen. 28 Offensichtlich waren die Auffassungen darüber, was das Mitwirkungsrecht der Länder in der Praxis bedeuten und welche Verpflichtungen dabei der Bundesregierung zufallen sollten, auch nach der Einigung über den Gesetzestext strittig geblieben. Und da manche Formulierungen des Art. 2 EEA-Gesetz interpretationsfähig waren, konnte gar nicht ausbleiben, daß beide Seiten die möglichst weitgehende Durchsetzung ihrer Auffassungen anstreben würden: die Länder wollten ihre Rechte auch in den Durchführungsbestimmungen für den praktischen Vollzug möglichst extensiv festlegen; die Bundesregierung vertrat demgegenüber, weil sie nach wie vor um ihren europapolitischen Handlungsspielraum fürchtete, einen restriktiven Standpunkt. Und sie strebte auch Festlegungen zu Fragen an, die über den Inhalt von Artikel2 EEA-Gesetz hinausgingen. Die Bundesre28
Der Wortlaut der Vereinbarung ist in diesem Band abgedruckt.
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gierung hatte in diesem Zusammenhang folgende zwei Punkte als klärungsbedürftig bezeichnet: .Die Hinzuziehung von beratenden Vertretern der Länder zu Verhandlungen, die Einbeziehung von Landesbeamten in die Ständige Vertretung bei den Europäischen Gemeinschaften und die Funktion der im Auftrag einzelner Länder in Brüssel bereits eingerichteten oder beabsichtigten Büros mit dem Ziel, die einheitliche Wahrnehmung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel zu gewährleisten." 29 Da die Vereinbarung in diesem Band abgedruckt ist, ist es ausreichend, im folgenden die mit ihren Einzelpunkten verbundenen Probleme anzusprechen, wie sie sich bei Gegenüberstellung der beiderseitigen Verhandlungspositionen darstellten. 30 Ein erster Punkt bezieht sich auf die Unterrichtung des Bundesrates. Wenn die Länder die bisherige Informationspraxis als ungenügend kritisierten, lag das an der ihrer Auffassung nach zu begrenzten Informations-Materie. Ihre inhaltliche Ausweitung auf Arbeiten der zahlreichen Ausschüsse, die bei EG-Organen eingerichtet wurden, auf interne Dossiers aus dem Bereich der Bundesregierung bzw. einzelner Ministerien, und schließlich auf informelle Vorgänge - die aber im EG-Entscheidungsprozeß eine Rolle spielen -, ist nicht unproblematisch. Zum einen stellt sich die Frage nach der Fähigkeit der Länderregierungen und -Verwaltungen, die Materialmasse zu verarbeiten, um das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen sinnvoll zu nutzen. Zum zweiten wäre, bei aller Bejahung des intensiven Zusammenwirkens von Bundesregierung und Ländern, eine zu weitgehende Öffnung des Bereichs der Bundesregierung für die Länder gerade mit Blick auf das im Föderalismus notwendige Gegenüber von Bundesregierung und Ländern problematisch. Wichtiger als ein vermeintlich umfassender Katalog der InformationsGegenstände, auf die sich Informationspflicht bzw. Informationsanspruch beziehen, wird der vertrauensvolle gegenseitige Umgang miteinander sein. Der zweite Punkt bezieht sich auf die Stellungnahme des Bundesrates. Auch allergrößte Formulierungskunst wird spätere Differenzen darüber, ob die Bundesregierung im Einzelfall dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme geben muß, nicht verhindern; denn das Kriterium .Berührung wesentlicher Landesinteressen" ist auslegungsfähig. SchwieBundestags-Drucksache 10/6418 vom 12.11.1986. Vgl. den Beitrag von Rudolf Hrbek: Die Beteiligung der deutschen Länder an den innerstaatlichen Beratungen und Entscheidungen in EG-Angelegenheiten (insbes. im Licht von Art. 2 EEA-Gesetz und der Bund-Länder-Vereinbarung), Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes, Nr. 117, Saarbrücken 1988. 29
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rigkeiten sind sodann hinsichtlich der Einhaltung der Fristen zu erwarten, wie sie das EG-Beschlußfassungsverfahren neuerdings vorschreibt; nur wenn die Länder rasch reagieren und sich auf wesentliche Vorgänge konzentrieren, werden sie mit dem Zeitdruck fertig werden. Praktische Probleme können sich weiterhin aus dem Interesse der Länder ergeben, ihre Stellungnahme je nach Verhandlungsverlauf, bei dem immer wieder Kompromisse und Paketlösungen gesucht werden, zu ergänzen; auch hier spielt der Zeitfaktor eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung käme in eine fatale Lage, müßte sie bei sich ändernder Verhandlungslage erst ein Votum der Länder (via Bundesrat) einholen, bevor sie argumentieren und votieren kann. Alle Beteiligten stimmen schließlich darin überein, daß die Beratung von Bundesrats-Stellungnahmen nicht in öffentlicher Plenarsitzung erfolgen kann, sondern daß ein besonderes Bundesrats-Gremium- mit Beschlußrecht- geschaffen werden muß. Der dritte Punkt bezieht sich auf die Hinzuziehung von Landesvertretern zu Verhandlungen in EG-Beratungsgremien. Wiederum geht es um die Bestimmung der Fälle, in denen diese Hinzuziehung erfolgen muß. Bei der Vielzahl von Gremien stehen die Länder erneut vor Kapazitätsproblemen. Weil aber auch vorbereitende Gremien für die spätere Entscheidung überaus wichtig sein können, werden sich die Länder mit Selbstbeschränkung schwer tun. Das Ausmaß der Hinzuziehung hängt im übrigen auch von den Usancen in den EG-Gremien ab, über die alle 12 Mitgliedstaaten gemeinsam befinden; der Größe nationaler Delegationen können dabei Grenzen gesetzt werden, so daß für Landesvertreter kein Platz mehr sein kann. Schließlich können aus der faktischen Doppelrolle der Ländervertreter Schwierigkeiten erwachsen: im Innenverhältnis muß der Ländervertreter dem Votum des Bundesrates verpflichtet sein, nach außen ist er Mitglied der Delegation der Bundesregierung. Und diese wird sich nicht in jedem Fall Stellungnahmen des Bundesrates voll und ganz zu eigen machen.
2. Eigenständige und direkte EG-Aktivitäten der Länder In Ergänzung zu diesen verschiedenen Mitwirkungsmöglichkeiten betreiben die Länder auch eigenständige Aktivitäten auf EG-Ebene. Dazu zählen vielfältige Kontakte von Landesbehörden und Landespolitikern mit EG-Behörden, insbesondere mit der EG-Kommission. Dazu zählt weiter das Wirken der Landesvertretungen in Bonn, zu deren Aufgabe seit etlichen Jahren auch die Beschäftigung mit EG-Angelegenheiten gehört; in der Amtsbezeichnung der jeweiligen Minister ist neben die Funktion .Bundesangelegenheiten" der Bereich .Europa" hinzugetreten. I0 Speyer I 03
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In der Errichtung sogenannter EG-Informationsbüros der Länder in Brüssel wird ihr Bemühen um eigenständiges Wirken besonders deutlich erkennbar. Diese in den letzten Jahren entstandenen Büros sollen nach übereinstimmender Auffassung der Länder keine .Neben-Außenpolitik" betreiben, keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen und nicht als diplomatische Missionen fungieren. 31 Ihre Aufgaben können wie folgt zusammengefaßt werden:32 Informationsbeschaffung und-vermittlungfür Behörden, Organisationen und Unternehmen des Landes; Hilfestellung bei der Projektbeantragung und -bearbeitung gegenüber der EG-Kommission, also Mitwirkung bei der für die Länder wichtigen Aufgabe der Wirtschaftsförderung; Durchführung von Veranstaltungen zur Repräsentation des Landes, vergleichbar der Tätigkeit der Bonner Landesvertretungen; schließlich bieten sie sich auch als Diskussionsforum dar. Ihre Tätigkeit wird auch als eine weitere Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung der erweiterten Mitwirkungsrechte verstanden, soll doch ein Schwerpunkt darin liegen, das gesamte EG-Geschehen vor Ort aufmerksam zu verfolgen und rechtzeitig gezielte Hinweise und Informationen zu geben. Hier und dort wird die Befürchtung geäußert, daß künftig zu viele- oft auch ganz gegensätzliche - deutsche Stimmen hörbar werden könnten, was der Einheitlichkeit deutscher Europapolitik und letztlich auch wirkungsvoller Vertretung deutscher Interessen nur abträglich sein könnte. Hier wird vieles von der Gestaltung der faktischen Beziehungen zwischen den Länderbüros und der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel abhängen. 3. Entwicklung und Nutzung von Kommunikationsbeziehungen durch nichtgouvernementale Akteure der Länder
Länderbelange werden nicht nur durch Regierung und Verwaltung eingebracht und vertreten. Dafür kommen auch eine Vielzahl anderer, nichtgouvernementaler Akteure in Frage. Ohne größere Phantasie sind Ausbau und Weiterentwicklung eines bereits vorhandenen Netzwerks einschlägiger Kommunikationsbeziehungen, an denen Repräsentanten besonderer Interessen auf Länderebene beteiligt sind, vorstellbar. Die folgenden kurzen 31 Das bekräftigte Ministerpräsident Bernhard Vogel von Rheinland-Pfalz nochmals in seinem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 19.02.1987 zum Thema .Gibt es eine Außenpolitik der Länder? Eine Klarstellung aus der Sicht eines Ministerpräsidenten", hektographiertes Manuskript, hrsg. von der DGAP, S. 13-15. 32 Diese Zusammenstellung gibt der saarländische Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Ottokar Hahn, in seinem Beitrag .EG-Engagement der Länder: Lobbyismus oder Nebenaußenpolitik?" In: Hrbek/Thaysen (Hrsg.), Fußn. 4, S. 105110, hier: S. 109.
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Hinweise sollen verdeutlichen, worum es sich hier handelt bzw. künftig handeln könnte: Abgeordnete des Europäischen Parlaments können, auch wenn sie keine Wahlkreise haben, als Repräsentanten einer Region gelten und versuchen, entsprechende Interessen über das EP in den EG-Entscheidungsprozeß einzubringen. Das wird umso häufiger erfolgen, je mehr sich die Tätigkeit der Gemeinschaft auf immer weitere Bereiche erstreckt und die anstehenden Regelungen besondere sektorale und regionale Auswirkungen haben. Kontakte der EP-Abgeordneten mit Bundestag und Landesparlamenten, sowie mit Partei- und Verbandsorganisationen auf Länderebene, sind für diese Aktivitäten wichtig. In den Landesparlamenten der Bundesrepublik werden Aspekte der EG-Politik regelmäßig diskutiert; das illustriert u.a. den Gehalt der Bezeichnung .europäische Innenpolitik". Es werden aber auch spezielle EG-Debatten geführt und im baden-württembergischen Landtag fand beispielsweise bereits wiederholt ein offizieller Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit den baden-württembergischen EP-Abgeordneten statt. 33 Partei- und Verbandsorganisationen auf Landesebene können als potentielle Partner für transnationale Beziehungen zu entsprechenden Organisationen in anderen EG-Staaten, insbesondere im Bereich von Grenzregionen, fungieren. Bei zunehmender Verflechtung und Betroffenheit von EG-Politik werden sich auch diesbezügliche Beziehungen verdichten. V. Voraussetzungen und Konsequenzen der verstärkten Rolle der Länder im EG-Entscbeidungsprozeß 1. Die .Europa-Fähigkeit* 3~ der Länder
Mit Artikel 2 EEA-Gesetz und der sich daran anschließenden Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder sind den Ländern wesentlich erweiterte Mitwirkungsrechte erwachsen. Das entspricht ihrem Verlangen. Um die neuen Möglichkeiten wirksam nutzen zu können, sind seitens der Regierungen der Länder erhebliche Investitionen zur quantitativen und qualitativen Verbesserung ihrer personellen und sächlichen Ressourcen erforderlich. In der Administration der Länder werden 33
statt.
Die letzte Veranstaltung dieser Art fand im Mai 1987 im Stuttgarter Landtag
34 Diesen Begriff hat Wolfgang Wessels geprägt (.Es geht um die Europafähigkeit", in: Europäische Zeitung 6/86, S. 1).
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Beamte gebraucht, die die EG-Materie sowie das EG-Entscheidungsgefüge mit seinen Besonderheiten kennen. Innerhalb jeder Landesregierung entsteht -wie auf der Ebene der Bundesregierung - neuer Koordinationsbedarf, um die Erfordernisse der Ressorts aufeinander abzustimmen. Auch der Koordinationsbedarf zwischen den Ländern wächst: sie sollen nach den Bestimmungen des neuen Verfahrens ihren Interessenstandpunkt über den Bundesrat einbringen. Ohne Aufstockung der administrativen Ressourcen des Bundesrates wird dieser den ständig größer werdenden Arbeitsanfall nicht bewältigen können. Was für Regierung und Verwaltung der Länder gilt, gilt für nichtgouvernementale Akteure in gleicher Weise, wollen sie sich als Mitspieler im EG-Entscheidungsprozeß wirksam in Szene setzen. Die Perspektive der Vollendung des Binnenmarktes bis 1992 wirkt hier insbesondere für Akteure im wirtschaftlichen Bereich als starker Impuls. 2. Konsequenzen für die Bundesrepublik und die EG
Für die föderative Ordnung der Bundesrepublik ist die verstärkte Rolle der Länder im EG-Entscheidungsprozeß Herausforderung und Bewährungsprobe zugleich. Bundesregierung und Länderregierungen stehen vor der Aufgabe, die neu festgelegten Regeln und Verfahren zu praktizieren und dabei einen Ausgleich zwischen Ansprüchen der Länder und gesamtstaatlichen Erfordernissen der Außen- und Europapolitik der Bundesrepublik, denen die Bundesregierung primär verpflichtet ist, zu finden. Die bisherigen Erfahrungen im Zusammenwirken lassen erwarten, daß diese Ausbalancierung gelingt und das Prinzip der Bundestreue von den Beteiligten beachtet wird. Für das Entscheidungssystem der EG bedeutet die verstärkte Einbeziehung der Länder zunächst eine Komplizierung, also auch eine mögliche Erschwerung. Auf das Problem der Einhaltung von Beratungsfristen ist hingewiesen worden. Diese Komplizierung ist aber durchaus nicht nur negativ zu sehen. Eine größere Zahl von Mitspielern im EG-Entscheidungsprozeß bedeutet zugleich, daß der Kreis derer, denen EG-Politik wichtig ist, wächst. Damit ist - solange sich an der Grundentscheidung der Westbindung der Bundesrepublik nichts ändert35 - die Chance verbunden, daß EG-Politik, bei der es insgesamt immer wieder um einen Interessenausgleich geht, breitere Zustimmung und Akzeptanz findet. Wenn die EG-Politik ihrerseits regionale Belange mehr berücksichtigt, wenn sie also auf subnationaler 35 Die Westbindung entspricht, wie an anderer Stelle ausgeführt, der Staatsräson der Bundesrepublik (vgl. dazu Rudolf Hrbek/Wolfgang Wessels (Hrsg.): EG-Mitgliedschaft: Ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland?, Bonn 1984).
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Ebene als insgesamt sachgerecht, auch einsichtig und zurnutbar angesehen wird, erwächst ihr daraus größere Legitimität, eine unerläßliche Voraussetzung für Integrationsfortschritt, also die Weiterentwicklung der EG zu einer Europäischen Union.
Die Beziehungen zwischen Regionen und Europäischer Gemeinschaft in Italien Von Fausto Pocar
I. Seit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaften hat das schwierige Problem der Beziehungen zwischen den Gemeinschaften und den einzelnen Staaten die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung in ihren verschiedenen Aspekten auf sich gezogen, mit unterschiedlichen Einzelheiten in den verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen. Zu dieser Problematik ist seit geraumer Zeit in einigen Staaten der Gemeinschaft ein Aspekt hinzugekommen, der die Beziehungen zwischen den Vorschriften über die Europäischen Gemeinschaften einerseits und dem Recht innerstaatlicher Körperschaften mit territorialer Dimension und eigener gesetzgeberischer und administrativer Autonomie andererseits betrifft. Besondere Bedeutung ist diesem Aspekt in der italienischen Rechtsordnung zugekommen, in der die Staatsverfassung den Regionen eine umfangreiche Autonomie auf Sachgebieten zuerkennt, die mit dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaften und vor allem der EWG in Zusammenhang stehen. Der Dualismus zwischen Staat und Region - oder besser gesagt zwischen zentraler Staatsgewalt und Regionalautonomie im Sinne einer Fähigkeit und Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die dazu angetan sind, das Leben der Region unabhängig von den Entscheidungen des Staates zu beeinflussen - wurde so durch einen neuen Faktor bereichert, nämlich durch die von den Europäischen Gemeinschaften gefällten Entscheidungen. Aus dieser Lage haben sich zweierlei Erfordernisse ergeben: einerseits die Grenzen der regionalen Beteiligung bei der Ausarbeitung, bei der Vorbereitung der Entscheidungen über gemeinschaftliche Vorschriften gegen die Zuständigkeit des Staates zu bestimmen (natürlich im Rahmen der Mitwirkung, die in der gemeinschaftlichen Ordnung für einen jeden Mitgliedstaat vorgesehen ist), und andererseits den Umfang der Regionalautonomie bei der Durchführung der genannten gemeinschaftlichen Entscheidungen, sobald diese einmal getroffen sind, festzulegen und zu gewährleisten. Jedoch ist es klar, daß dieses letztere Erfordernis nicht bei jeder gemeinschaftlichen
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Vorschrift besteht, deren Auswirkungen sich nicht innerhalb der Gemeinschaftsordnung erschöpfen und sich somit auf die innere Sphäre der Mitgliedstaaten erstrecken, sondern nur bei den von den gemeinschaftlichen Einrichtungen getroffenen Entscheidungen, deren Auswirkungen sich nicht innerhalb einer Staatsordnung als zentralrechtliches Gefüge erschöpfen und Sachgebiete betreffen, die laut Verfassung in die spezifische Zuständigkeit der Regionen fallen. Und es ist ebenso klar, daß auch im Bereich dieser Sachgebiete das in Rede stehende Erfordernis nicht immer gegeben ist; Art. 117 der Staatsverfassung bestimmt nämlich, daß die gesetzgeberische Befugnis der Regionen in den Grenzen der in den Staatsgesetzen verankerten wesentlichen Grundsätze auszuüben ist, und daß sich daraus nicht Bestimmungen ergeben dürfen, die im Gegensatz zu den Interessen des Staates und denjenigen der anderen Regionen stehen. Deshalb kann ein Problem der direkten Mitwirkung der Region bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts nicht auftreten, wenn sich eine Vorschrift der Gemeinschaft darauf beschränkt, etwas im Bereich der in den Staatsgesetzen verankerten wesentlichen Grundsätze zu verfügen: in diesem Fall kann tatsächlich nur ein Problem von Beziehungen zwischen dem Gemeinschafts- und dem einzelstaatlichen Recht auftreten, und die Region wird sich ihrerseits zwangsläufig an die Grundsätze halten müssen, die der Staat direkt oder mit einer eigenen Maßnahme übernommen hat, je nachdem, ob die gemeinschaftliche Vorschrift direkt anwendbar ist oder nicht. Dies vorausgeschickt, muß man bei der Abgrenzung des autonomen Bereichs der Regionen bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Vorschriften noch eine weitere Erwägung berücksichtigen, durch die er sehr erheblich bedingt wird: nur der Staat, nicht aber die Region, ist Subjekt des Völkerrechts mit der Folge, daß allein der Staat gegenüber den Europäischen Gemeinschaften und den übrigen Mitgliedstaaten für die Einhaltung der Pflichten verantwortlich ist, die sich aus den gemeinschaftlichen Verträgen und somit auch aus den von den gemeinschaftlichen Einrichtungen erlassenen Vorschriften ergeben. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Staat und Regionen bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts kann also nicht ohne Berücksichtigung des Erfordernisses erfolgen, die Regionalautonomie zu gewährleisten. Sie ist aber auch an die Notwendigkeit geknüpft, dem Staat die Möglichkeit zu sichern, einer völkerrechtlichen Verantwortung zu entgehen, die sich gegebenenfalls aus der nicht korrekten oder nicht erfolgten Anwendung gemeinschaftlicher Bestimmungen seitens der Regionen ergeben könnte. Die Behauptung einschlägiger regionaler Befugnisse stößt also unweigerlich an die Grenze der Einhaltung der völkerrechtlichen und besonders der gemeinschaftlichen Verpflichtungen, die vom Staat übernommen wurden oder jedenfalls auf ihm lasten.
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Bezüglich dieses letzten Punktes, nämlich der Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen, war das Problem für die Rechtslehre und die Rechtsprechung schon weit vor der Errichtung der Regionen mit Normalstatut aufgetreten, nämlich im Zusammenhang mit dem Autonomiestatut der Region Sizilien, das die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen unter den Grenzen der regionalen Gesetzgebungsbefugnisse nicht ausdrücklieh erwähnt. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines Regionalgesetzes, das Maßnahmen zugunsten vonWerftunternehmen vorsah und eine Verletzung von Art. 93 des EWG-Vertrages beinhaltete, rief der Regierungskommissar der Region das Verfassungsgericht an, und dieses sprach sich mit dem Urteil Nr. 49 vom 9. April 1963 entschieden für die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen seitens der Regionen aus und erklärte das angefochtene Gesetz für rechtswidrig. In diesem Urteil berief sich das Verfassungsgericht auf in der Staatsverfassung verankerte Erfordernisse und vor allem auf den Grundsatz, nach dem es unzulässig ist, daß ein Organ des Staates sich die Freiheit nimmt, auf eine Weise zu handeln, durch die dem Staat eine völkerrechtliche Verantwortung erwächst. Ohne auf die direkte Einhaltung der von der gemeinschaftlichen Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung überhaupt einzugehen, überwog beim Verfassungsgericht die Besorgnis, eine völkerrechtliche Verantwortung des italienischen Staates entstehen zu lassen. Das soeben erwähnte Urteil hatte vor allem den Vorteil, ein für allemal klarzustellen, daß die gemeinschaftlichen Verpflichtungen auch von den Regionen eingehalten werden müssen, um zu vermeiden, daß dem Staat gegenüber der Gemeinschaft und den übrigen Mitgliedstaaten eine Verantwortung erwächst. Das bringt schon an und für sich recht heikle Folgen hinsichtlich der tatsächlichen gesetzgeberischen Autonomie der Regionen im Vergleich zu der in der Staatsverfassung vorgesehehen mit sich. Es besteht nämlich kein Zweifel darüber, daß auf verschiedenen Gebieten (angefangen bei der Landwirtschaft) eine recht weitgehende Überlagerung gemeinschaftlicher und regionaler Kompetenzen besteht, so daß sich wegen der Pflicht, die gemeinschaftlichen Vorschriften einzuhalten, der Spielraum der Autonomie gerade der Regionen bei Entscheidungen auf Sachgebieten ihres Zuständigkeitsbereichs stark verringert. Andererseits ist diese Autonomie tatsächlich nicht nur zugunsten der Gemeinschaft als solcher beschränkt, sondern auch zugunsten der zentralen Staatsgewalt, und dies in Anbetracht des derzeitigen Aufbaus der Gemeinschaft. Für diesen ist nämlich vorgesehen (und es gibt keine Anzeichen für eine Tendenzumkehrung), daß die Gesetzgebungsgewalt ausschließlich dem Ministerrat vorbehalten bleibt, der sich aus der Summe der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, mit der Folge, daß jegliche Verminderung der gesetzgeberischen Autonomie der Regionen zugunsten der Gemeinschaft indirekt auch eine Zunahme der Zentralgewalt des Staates zur Folge hat, und es ist daher
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zu dem gekommen, was man verschiedentlich als .Enteignung" der regionalen Befugnisse seitens des Staates bezeichnet hat. Es scheint aber nicht angebracht zu sein, an dieser Stelle auf eine Wiedergewinnung der Autonomie seitens der Regionen unter diesem Gesichtspunkt zu bestehen, denn zu einer solchen muß und kann es hauptsächlich im Wege der Mitwirkung der Regionen an den gesetzgeberischen Entscheidungen der Gemeinschaft kommen. II. Das Problem, das wir hier vor allem behandeln müssen, ist hingegen dasjenige der Grenzen der Auswirkung der geforderten Einhaltung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen und der sich daraus ergebenden etwaigen Verantwortung des Staates für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Staat und Region bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Bestimmungen innerhalb der Staatsgrenzen. Mit anderen Worten: das Problem, auf das sich die Debatte in der Rechtslehre, in der Gesetzgebung und bei der Gerichtsbarkeit konzentrierte, bestand darin, wie man die Regionalautonomie mit der Gewähr für den Staat, daß die auf Gemeinschaftsebene übernommenen internationalen Verpflichtungen eingehalten werden, in Einklang bringen könne. Das Problem wurde so aufgeworfen und dann bezüglich der gesetzgeberischen Zuständigkeiten weiter vereinfacht, indem man sich fragte, ob es den Regionen auf den Sachgebieten, die laut Art. 117 der Staatsverfassung in die gesetzgeberische Zuständigkeit der Regionen fallen, zusteht, Durchführungsbestimmungen für die internationalen Verpflichtungen des Staates zu erlassen, oder ob diese gesetzgeberische Tätigkeit den zentralen Stellen des Staates vorbehalten ist. Es liegt ja auf der Hand, daß die beste Gewähr für den Staat, den von ihm völkerrechtlich übernommenen Verpflichtungen Geltung zu verschaffen, zwangsläufig darin besteht, daß er sich selbst die Zuständigkeit ihrer Durchführung vorbehält. Man wollte das Problem zunächst im Wege der Gesetzgebung im Sinne einer Befürwortung der staatlichen Zuständigkeit lösen. Art. 17 des Gesetzes Nr. 281 vom 16. Mai 1970 (Gesetzesanzeiger Nr. 127 vom 22. Mai 1970), welcher die Beauftragung der Regierung mit der Übertragung der Befugnisse auf die Regionen enthält, sieht vor, daß dem Staat auf den übertragenen Sachgebieten die .Funktion der Ausrichtung und Koordinierung jener Tätigkeiten der Regionen vorbehalten bleibt, die Erfordernissen einheitlichen Charakters entsprechen, auch unter Bezugnahme auf die Zielsetzungen des staatlichen Wirtschaftsprogramms und auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen". Zudem hat man in die darauffolgenden, von der Regierung im Auftrag des Parlaments herausgegebenen Erlasse Bestimmungen folgender
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Art eingefügt: .Unberührt bleibt die Zuständigkeit der staatlichen Stellen betreffend: a) die völkerrechtlichen Beziehungen und diejenigen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; b) die Durchführung der Verordnungen, Richtlinien und sonstigen Erlasse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hinsichtlich der Preise und der Märkte, des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und die Eingriffe in die Agrarstruktur~ (vgl. Art. 4 des DPR Nr. 11 vom 15. Januar 1972, mit dem die Zuständigkeiten für Landwirtschaft und Forstwesen auf die Regionen übertragen wurden, veröffentlicht im Gesetzesanzeiger Nr. 46, Anhang, vom 19. Februar 1972). In Wirklichkeit werden durch solche Bestimmungen, wenn man sie streng anwendet, die gesetzgeberischen Befugnisse der Regionen auf bestimmten Gebieten fast völlig ausgehöhlt, und dies steht in eindeutigem Widerspruch zu Art. 117 der Staatsverfassung, die diese Befugnisse den Regionen vorbehält. Das Verfassungsgericht, das von den Präsidenten verschiedener Regionen angerufen wurde, hat aber sowohl die Verfassungswidrigkeit von Art. 17 des Gesetzesausdem Jahre 1970mitdem Urteil Nr. 39vom4. März 1971, das die Regionen Lombardei, Veneto und Abruzzen im Rechtsstreit mit dem Ministerpräsidenten betraf, unter Berufung auf die Erfordernisse der Einheitlichkeit verneint als auch die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen von Regierungserlassen wie dem oben erwähnten. Unter Bezugnahme auf den erwähnten Art. 4 des DPR Nr. 11 vom 15. Januar 1972 hat nämlich das Verfassungsgericht im Urteil Nr. 142 vom 24. Juli 1972, das im Rechtsstreit zwischen den Regionen Emilia-Romagna, Lombardei und Umbrien gegen den Präsidenten des Ministerrates erging, bemerkt, daß es zur Untermauerung der Anfechtung nicht genügt, sich auf Art. 189 Abs. 3 des EWG-Vertrages zu berufen, in dem auf die internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zur konkreten Ausübung der für die Erfüllung der von ihnen übernommenen Verpflichtungen erforderlichen Tätigkeiten verwiesen wurde. Als Grund dafür wurde angegeben, daß jede Verteilung der Befugnisse, die gemeinschaftlichen Vorschriften anzuwenden, die zugunsten von kleineren und anderen Körperschaften als dem vertragschließenden Staat erfolgt (welch letzterer für die Einhaltung gegenüber der Gemeinschaft verantwortlich ist), voraussetzt, daß eben dieser Staat über geeignete Mittel verfügt, diese Erfüllung auch dann zu gewährleisten, wenn die Region, die für die Durchführung zuständig sein sollte, untätig bliebe. An Mitteln solcher Art fehlt es jedoch in unserer Rechtsordnung. Sie könnten auch nicht durch die Ausrichtungsbefugnis ersetzt werden, von der in Art. 17 des Beauftragungsgesetzes die Rede ist. Denn es gäbe gegen die Nichtbeachtung derselben keinerlei Abhilfe, weil der Staat, wenn er einmal eine Zuständigkeit übertragen hat, sie nicht anstelle einer anderen Körperschaft ausüben kann. Solange diese Lage nicht in der hierzu notwendigen Form abgeändert wird, besteht der einzig gangbare Wege, die Regionen bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Verordnungen mitwirken zu lassen, darin, Befugnisse
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auf dem Gebiet der Agrarstrukturen auf sie zu übertragen. Dadurch wäre das Hilfsmittel der Ersetzbarkeil des Übertragenen im Falle einer Nichterfüllung seitens des Beauftragten gegeben. Trotz dieser Argumentation des Verfassungsgerichtes kann man nicht sagen, daß sein Urteil überzeugend wirkt. Es ist nämlich schwer, aus unserem Verfassungssystem brauchbare Argumente abzuleiten, um die Kompetenzverteilung zwischen Staat und Regionen zum Zweck der Einhaltung internationaler Verpflichtungen überhaupt- und solcher gegenüber der Gemeinschaft im besonderen - zugunsten des staatlichen Gesetzgebers abzuändern. Es ist klar, daß die Regionalautonomie in dieser Hinsicht an die Grenze der Einhaltung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen stößt, aber das zieht nicht zwangsläufig die Unzuständigkeit des regionalen Gesetzgebers auf den ihm überantworteten Gebieten nach sich. Auch die Überlegungen des Verfassungsgerichts betreffend die Unerheblichkeit von Art. 189 des EWG-Vertrages erscheinen alles andere als überzeugend, da Art. 189 es zur Gänze der internen Ordnung der Mitgliedstaaten überläßt, die Behörden zu bestimmen, welche die Zuständigkeit besitzen, die Durchführung der Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft zu gewährleisten. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, daß ein Großteil der Durchführungsbestimmungen betreffend die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft im Inneren der Staatsordnung die Einhaltung von Richtlinien betrifft (da die Verordnungen direkt anwendbar sind), und daß diese Richtlinien naturgemäß in Bezug auf Form und Mittel in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich angewandt werden können. Eine gegliederte Durchführung von Richtlinien auch auf regionaler Ebene bedingt also keineswegs eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts. Eine Erweiterung der regionalen Zuständigkeit ist jedoch in den späteren Gesetzen zu finden, mit denen gesetzgeberische Befugnisse auf die Regionen mit Normalstatut übertragen wurden, beginnend mit dem Gesetz Nr. 153 vom 9. Mai 1975 (Gesetzesanzeiger Nr. 137 vom 26. Mai 1975), welches die Anwendung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft für die Reform der Landwirtschaft vorsieht. Art. 2 dieses Gesetzes bestimmt nämlich, daß die .Regionen mit Normalstatut mit eigenen Gesetzen das Sachgebiet der Durchführung der Richtlinien des EWG-Rates Nr. 159, 160 und 161 vom 17. April 1972 regeln können, um es den Erfordernissen der einzelnen Regionalgebiete oder landwirtschaftlichen Zonen anzupassen, vorausgesetzt, daß in jedem Fall die Grenzen eingehalten werden, die in denselben Richtlinien der Gemeinschaft enthalten sind, wie auch die Grundprinzipien des vorliegenden Gesetzes". Mit diesem Gesetz wird also die gesetzgebensehe Zuständigkeit der Regionen auf dem Gebiet der Durchführung der Richtlinien der Gemeinschaft anerkannt, sei es auch unter Einhaltung der Hauptgrundsätze, die der Staat
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aufgestellt hat (sie sind ausdrücklich in den Bestimmungen des dritten Absatzes von Art. 2 des Gesetzes angegeben). Um dem vom Verfassungsgericht aufgezeigten Erfordernis, bei etwaiger Untätigkeit der Regionen einzuschreiten, Genüge zu tun, verfügt das Gesetz zudem im sechsten Absatz von Art. 2, daß, solange die Regionen ihre gesetzgeberische Befugnis nicht ausgeübt haben, in ihren Gebieten auch die Einzelbestimmungen angewandt werden, die in demselben Gesetz Nr. 153 enthalten sind. Art. 27 sieht seinerseits vor, daß bei andauernder Nichterfüllung der Verwaltungsaufgaben, betreffend die Durchführung der Richtlinien der Gemeinschaft seitens der regionalen Organe, der Ministerrat den Landwirtschaftsminister ermächtigen kann, die Erfüllung der Obliegenheiten anstelle der Regionalverwaltung anzuordnen. Die mit dem soeben erwähnten Gesetz getroffene sektorale Lösung wurde gewissermaßen auf sämtliche in die Zuständigkeit der Region fallenden Gebiete, in denen die Gemeinschaftspolitik mitspielt, mit dem darauffolgenden Gesetz Nr. 382 vom 22. Juli 1975 (Gesetzesanzeiger Nr. 220 vom 20. August 1975) ausgedehnt. Damit wurde die Regierung ermächtigt, neue Dekrete zur Vervollständigung der Übertragung von Befugnissen an die Regionen mit Normalstatut zu erlassen, darunter auch Befugnisse, welche die Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften betreffen. In Art. 1 Abs. 3 Nr. 5 des Gesetzes heißt es nämlich, daß die regionale Zuständigkeit, die Vorschriften der Gemeinschaft durchzuführen, eine umfassende sein solle, was die Verordnungen anbelangt, während sie hinsichtlich der Richtlinien an die Bedingung geknüpft sei, daß .sie sich der Staat zu eigen macht mit einem Gesetz, in dem Grundsatzbestimmungen angegeben sind". Außerdem ist ein Ersatzverfahren bei Untätigkeit der regionalen Organe vorgesehen. Unter vollinhaltlicher Wiederholung des Wortlauts des Beauftragungsgesetzes, also ohne weitere Ausführung -wie hingegen die Kommission für die Vervollkommnung der regionalen Ordnung (sog. Kommission Giannini) nahegelegt hatte, die zumindest einen Termin einsetzen wollte, innerhalb dessen der Staat verpflichtet sein sollte, die Grundsatzbestimmungen für die Durchführung einer jeden Richtlinie zu erlassen -schreibt Art. 6 des DPR Nr. 616 vom 24. Juli 1977 (Gesetzesanzeiger Nr. 234, Anhang, vom 29. August 1977) bekanntlich vor: .Auf einem jeden in diesem Dekret bezeichneten Sachgebiet sind auf die Regionen auch die Verwaltungsbefugnisse bezüglich der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie die Durchführung ihrer Richtlinien übertragen, die sich der Staat mit einem Gesetz zu eigen gemacht hat, in dem ausdrücklich die Grundsatzbestimmungen angegeben sind. In Ermangelung des Regionalgesetzes ist dasjenige des Staates mit all seinen Bestimmungen einzuhalten. Bei festgestellter Untätigkeit der regionalen Organe, die eine Nichterfüllung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen zur
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Folge haben, kann die Regierung der Republik mit einem Beschluß des Ministerrates auf ein entsprechendes Gutachten der Parlamentskommission für regionale Fragen und nach Anhörung der betreffenden Region eine angemessene Frist für die Erledigung vorschreiben. Wenn die Untätigkeit der regionalen Stellen nach Ablauf dieser Frist anhält, kann der Ministerrat die erforderlichen Maßnahmen anstelle der Regionalverwaltung treffen". Ähnliche Lösungen wurden in anderen Gesetzen getroffen, die den Zweck haben, gemeinschaftliche Bestimmungen auf besonderen Gebieten zur Durchführung zu bringen, und besonders im Gesetz Nr. 352 vom 10. Mai 1976, betreffend die Durchführung der gemeinschaftlichen Richtlinien über die Landwirtschaft im Gebirge und in einigen benachteiligten Gegenden, sowie in dem Gesetz Nr. 584 vom 8. August 1977, betreffend die Durchführung der Richtlinien der Gemeinschaft für die Vergabeverfahren von öffentlichen Arbeiten. Es ist aber erforderlich, darauf hinzuweisen, daß das Vorbild des Gesetzes Nr. 382 aus dem Jahr 1975 nur im letzteren der beiden soeben erwähnten Gesetze zur Gänze beachtet wurde. Im ersteren hat nämlich der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen der Durchführungstätigkeit der Regionen mit Normalstatut und denen mit Sonderstatut vorgenommen. Während das allgemeine Modell vorsieht, daß das Staatsgesetz Grundsatzund Einzelbestimmungen enthalten kann, unbeschadet der Möglichkeit für die Regionen, von den letzteren im Zuge der Ausübung der eigenen gesetzgeberischen Autonomie abzusehen, wird in dem soeben erwähnten Gesetz bestimmt, daß nur die Regionen mit Normalstatut zur Durchführung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 352 gehalten sind, während die Regionen mit Sonderstatut ganz einfach nach der Bestimmung der GemeinschaftsRichtlinie selbst und natürlich auch entsprechend ihren Sonderstatuten vorgehen. Obwohl dieses letztgenannte System eindeutig eine bessere Wahrung der Autonomie der Regionen mit Sonderstatut bedeutet, konnte man doch nicht vermeiden, daß die Rechtmäßigkeitsfrage dieser Bestimmungen vor den Verfassungsgerichtshof gebracht wurde, sei es auch nur unter dem Gesichtspunkt der Ersatzbefugnis, welche die in Rede stehenden Gesetze dem Staat bei Untätigkeit der Regionen vorbehalten. Wenn wir zunächst die Prüfung dieses letzteren Aspektes aufschieben, so ist unter Bezugnahme auf die im Gesetz Nr. 352 getroffene Unterscheidung zwischen Regionen mit Normal- und Regionen mit Sonderstatut hervorzuheben, daß die Auslassung dieser Unterscheidung in dem darauffolgenden Gesetz Nr. 584 aus dem Jahr 1977, betreffend die Vergabe öffentlicher Arbeiten, zur Anrufung des Verfassungsgerichts seitens einiger Regionen mit Sonderstatut Anlaß gegeben hat. Sie beanstandeten die Gleichstellung und bestritten die Rechtmäßigkeit derselben in dem Sinne, daß in dieser Hinsicht die den beiden Arten von Regionen zustehende Autonomie nicht dieselbe sei, während Art. 1 des Gesetzes besagt, daß in den von den
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Regionen mit Normal- und Sonderstatut sowie von den beiden Autonomen Provinzen Trient und Bozen in ihren Zuständigkeitsbereichen erlassenen Gesetzen im Sinne von Art. 117 Abs. 1 der Staatsverfassung, die Grundsätze eingehalten werden müssen, die in diesem Gesetz enthalten sind, was einige Aspekte der Vergabe öffentlicher Arbeiten betrifft. Im Urteil Nr. 86 vom 26. Juli 1979 hat das Verfassungsgericht die Beschwerde der Regionen Friaul, Julisch Venetien und Sizilien sowie der Autonomen Provinzen von Trient und Bozen angenommen und den beanstandeten Artikel in dem Teil für rechtswidrig erklärt, in dem bestimmt wird, daß die Regionen mit Sonderstatut .im Sinne von Art. 117 Abs. 1 der Staatsverfassung" vorzugehen haben, weil der Hinweis auf diesen Artikel nur bei den Regionen mit Normalstatut zulässig ist. Das Verfassungsgericht hat so das Gesetz wieder in die rechte Bahn gelenkt, die mit dem Gesetz Nr. 352 aus dem Jahr 1976 eingeschlagen worden war, im Sinne einer größeren Achtung der Regionen mit Sonderstatut und der Autonomen Provinzen, die wohl an die Grenzen der gemeinschaftlichen Verpflichtungen, nicht aber an die Grundsätze der staatlichen Gesetzgebung gebunden sind, soweit es sich um die in Art. 117 der Staatsverfassung aufgezählten Sachgebiete handelt.
111. Die vorstehend beschriebene gesetzgeberische Entwicklung und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes, die damit Hand in Hand gegangen ist und oft schon vorher einsetzte - man beachte z. B. die Stelle im Urteil Nr. 142 aus dem Jahre 1972, die sich auf eine gesetzgeberische Situation bezieht mit dem Vorbehalt, daß die vom Gericht in Aussicht genommene Lösung gültig bleibt, .bis sich diese Situation unter Anwendung der dazu nötigen Form ändert", und die gewiß auf das später erlassene Gesetz über die Anwendung des Gemeinschaftsrechtes Einfluß hatten- zeigen ziemlich klar, was man unternommen hat, um die Regionalautonomie mit der Einhaltung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen des Staates in Einklang zu bringen. Trotz der Verschiedenheit der getroffenen Lösungen wird die Besorgnis darum, den Staat vor dem Risiko einer völkerrechtlichen Verantwortung zu schützen, aus einigen unumstößlichen Punkten deutlich. Der erste davon besteht in der Anerkennung einer wirklichen Übertragung auf die regionale Kompetenz nur der Aufgaben der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die direkt angewandt werden können, wie die Verordnungen: das kommt eindeutig in Art. 6 des DPR Nr. 616 aus dem Jahr 1977 zum Ausdruck, im Gegensatz zu dem, was man aus den ersten Bestimmungen betreffend die Übertragung auf die Regionen ableiten konnte.
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Was aber das Gemeinschaftsrecht anbelangt, das sich nicht unmittelbar in der inneren Rechtsordnung der Staaten anwenden läßt -und besonders die Richtlinien -, so findet man in den gesetzgeberischen Lösungen immer wieder die Feststellung der Zuständigkeit des Staates für die Durchführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung. Obwohl eigentlich diese Feststellung, die ausdrücklich im Gesetz aus dem Jahr 1970 und in den ersten im Wege der Beauftragung ergangenen Erlassen enthalten war, aus den darauffolgenden Vorschriften und besonders aus dem Dekret Nr. 616 aus dem Jahr 1977 verschwunden ist, kann man nicht sagen, daß man ganz davon abgelassen hat. In diesem letztgenannten Dekret scheint nicht mehr das System der Übertragung der Befugnisse vom Staat auf die Regionen auf, das der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil Nr. 142 aus dem Jahr 1972 als das einzige Mittel bezeichnet hat, um die Regionen bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen mitwirken zu lassen, insofern es die Abhilfe ermöglicht, daß sich der Übertragende bei Nichterfüllung seitens des Beauftragten an dessen Stelle setzt, sondern es ist ausdrücklich von .Übertragung" auf die Regionen auch der Aufgaben betreffend die Durchführung des nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts die Rede (und somit im wesentlichen der Richtlinien). Aber diese Weiterentwicklung ist eher eine scheinbare als eine wirkliche, da auch im Dekret Nr. 616, zumindest für die Regionen mit Normalstatut (für die mit Sonderstatut verhält es sich, wie wir gesehen haben, zum Teil anders), die Pflicht der Regionen bestehen blieb, zur Durchführung nur im Rahmen der grundsätzlichen Vorschriften des staatlichen Gesetzgebers zu schreiten. Wenngleich wir uns hier außerhalb des Bereichs der Beauftragung befinden, neigt die Bestimmung offensichtlich dazu, nicht nur die staatliche Zuständigkeit auf dem Gebiet der grundsätzlichen Gesetzgebung aufs neue zu behaupten (die übrigens oft bei Richtlinien der Gemeinschaft nicht erforderlich ist, weil diese schon an sich Grundsatzbestimmungen sind), sondern vor allem dem Staat eine korrekte und seinem Willen entsprechende Anwendung der Bestimmungen der Gemeinschaft zu verbürgen, um so mehr, als oft die grundsätzliche Regelung des Staates in Wirklichkeit die Form einer ins einzelne gehenden Regelung annimmt, von der die Regionen zwar abweichen können, die aber doch immerhin dazu angetan ist, sie bei ihrer gesetzgebensehen Tätigkeit zu beeinflussen. Schließlich besteht ein fester Punkt in der Gesetzgebung, der dazu angetan ist, dem Staat Gewähr zu bieten und das Entstehen seiner völkerrechtlichen Verantwortung zu vermeiden, in der Ersetzungsbefugnis des Staates im Falle einer Untätigkeit der Regionen, die zu einer Nichterfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft führen könnte. Diese Befugnis, die schon im Urteil Nr. 142/1972 des Verfassungsgerichtes als einziges geeignetes Mittel bezeichnet wird, um den Staat vor der Nichterfüllung seitens der Regionen zu schützen, wurde ausdrücklich in den späteren Gesetzen zur
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Anpassung an die gemeinschaftlichen Verpflichtungen behauptet und geregelt, um schließlich in Art. 6 Abs. 3 des DPR Nr. 616 aus dem Jahr 1977 voll zum Ausdruck zu kommen. Dieser sieht vor, daß der Region bei Untätigkeit eine angemessene Frist gesetzt wird, das Versäumte nachzuholen, und daß bei fortdauernder Untätigkeit eine Ersetzung der Regionalverwaltung durch den Ministerrat in der Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen erfolgt. Betrachtet man dieses Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Übertragung der Funktionen auf die Regionen in den Sachgebieten ihrer Zuständigkeit, so hat es auch hier den Anschein, daß die Übertragung nur rein formell als vollständig bezeichnet werden kann; substantiell gesehen bedeutet der Ersetzungsvorbehalt des Staates letzten Endes, daß die Behauptung einer restlichen Kompetenz eben des Staates bestehen bleibt, wenn auch nur unter der Bedingung der Nichtausübung einer regionalen Kompetenz und mit der Begründung der Notwendigkeit, eine völkerrechtliche Verantwortung des Staates zu vermeiden. Das dermaßen auf dem Wege der Gesetzgebung eingeführte Verfahren blieb nicht ohne Widerspruch seitens der Regionen, ganz besonders der Regionen mit Sonderautonomiestatut, die sich bei zwei Gelegenheiten an den Verfassungsgerichtshof wandten, u. z. wegen des Gesetzes Nr. 153 vom 9. Mai 1953 und wegen des Gesetzes Nr. 352 vom 10. Mai 1976. In beiden Fällen hat aber das Verfassungsgericht die Ersetzungsbefugnis des Staates für verfassungsmäßig erkannt. Bei der ersten Gelegenheit hat das Gericht in seinem Urteil Nr. 182 vom 22. Juli 1976 auf seine frühere Rechtsprechung verwiesen und sich vor allem auf die Grundsatzerklärung gestützt, wonach die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen eine primäre Zuständigkeit des Staates ist, so daß man bei keiner Übertragung auf die Regionen von dem einzigen denkbaren Verfahren absehen kann, das geeignet ist, einer Beeinträchtigung der völkerrechtlichen Verantwortung des Staates vorzubeugen. In seinem zweiten Urteil vom 26. Juli 1979, Nr. 81, hat der Verfassungsgerichtshof auf sein früheres Urteil verwiesen und verneint, daß man auf diese Weise eine neue, verfassungswidrige staatliche Kontrolle eingeführt habe, und ist auf das alte Urteil Nr. 142 aus dem Jahre 1972 sowie auf die darin behauptete Zuständigkeit des Staates zurückgekommen, mit der weiteren Feststellung, daß die Grenze, die sich aus den internationalen Verpflichtungen des Staates ergibt, der Kompetenz aller Regionen ohne Unterschied anhaftet, auch derer mit Sonderstatut, da auch sie im Falle ihrer Untätigkeit .die Pflicht verletzen, das von der Richtlinie vorgeschriebene Unterstützungssystem gesetzlich zu regeln und wirksam werden zu lassen, während sie dieselbe im Wege der Ausübung ihrer Befugnisse hätten erfüllen können und müssen: diese Befugnisse beabsichtigte man mit dem Staatsgesetz keineswegs abzuerkennen". Dies ist um so richtiger- heißt es weiter in dem Urteil - als in dem Gesetz Nr. 352 bestimmt wird, daß die Regionen mit Sonderstatut und die Autonomen Provinzen Trient und Bozen II Speyer I03
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.für die Durchführung der Richtlinie 'im Sinne von Art. 116 der Staatsverfassung Sorge tragen' und ebenso 'gemäß ihren Sonderautonomiestatuten': ihren Kompetenzanspruch erblickt der Gesetzgeber in einer Autonomie, die sich von derjenigen der Regionen mit Normalstatut unterscheidet. Infolgedessen heißt es in der erwähnten Bestimmung auch, daß diese letztgenannten Regionen 'im Sinne der Artikel 117 und 118 der Staatsverfassung' bezüglich der Richtlinien Sorge tragen. Andererseits sind es nur die Regionen mit Normalstatut, die nach dem Verfahren laut Gesetz Nr. 352 aus dem Jahr 1976 die Richtlinien entsprechend den Bestimmungen zur Durchführung bringen müssen, die in diesem Gesetz zusätzlich zu den Vorschriften der Gemeinschaft enthalten sind und diese konkreter zum Ausdruck bringen, immer zu dem Zweck, ihre Anwendung im Inneren der Rechtsordnung zu regeln. Solange nicht die Ersetzungsbefugnis des Staates wirksam wird, sind also die Beschwerdeführerinnen befähigt, ihre Autonomie voll auszuüben, mit der einzigen, unabdingbaren Grenze der Beachtung der gemeinschaftlichen Vorschrift".
IV. Wie man den bisherigen Ausführungen entnehmen kann, läßt sich das vom Gesetzgeber eingeführte und von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bestätigte System doch kritisieren - ganz allgemein und abgesehen von spezifischen Einwänden gegen besondere Einzelaspekte -, nämlich vom Gesichtspunkt der Vollständigkeit der Übertragung von Aufgaben auf die Regionen bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts und somit unter dem Gesichtspunkt einer vollen Anerkennung der Autonomie sowohl der Regionen mit Normal- als auch derer mit Sonderautonomiestatut Die Frage, wie sich die Regionalautonomie mit dem Erfordernis vereinbaren läßt, die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates zu gewährleisten, wurde also in einer Weise beantwortet, die keine volle Wahrung der Regionalautonomie bedeutet. Und es konnte auch angesichtsder Art und Weise, in der man das Problem- wie schon vorher gesagt - gestellt oder vereinfacht hat, nicht anders sein, weil man im Zuge der Durchführung die gesetzgebensehen und die Verwaltungsbefugnisse zwischen dem Staat und den Regionen aufteilte. Es liegt auf der Hand, daß man - um dem Staat Gewähr zu bieten - ihm zwangsläufig eine einschlägige Kompetenzsphäre einräumen oder belassen mußte, in aller Form oder zumindest de facto, wiewohl man gleichzeitig die Regionalautonomien abgesichert hat, wie die nacheinander erlassenen Gesetze beweisen.
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Die Aussichten, diese gesetzgeberische Lage zu verändern, die derzeit für die Regionen bestehen könnten, erscheinen andererseits äußerst gering, wenn man den Ausgangspunkt für die Regelung nicht ändert. Gewiß, man könnte an Verbesserungen von Einzelheiten denken (so wurde z. B. vorgeschlagen, daß die Regionen unmittelbar Durchführungsbestimmungen zu den Richtlinien erlassen, ohne die Einführung von Grundsatzbestimmungen seitens des Staates abzuwarten, vorbehaltlich einer nachherigen Überprüfung, sobald die letzteren ergangen sind), aber solche kleinen Berichtigungen können im Grunde das Problem nicht ändern. In Wirklichkeit erscheint die Frage, so wie man sie behandelt hat, gerade vom Standpunkt der Regionalautonomie aus ungeschickt gestellt, und selbst der Anspruch auf Autonomie seitens der Regionen scheint auf ein bescheidenes Ziel ausgerichtet zu sein. Denn es geht ihnen in erster Linie um die Durchführung des Gemeinschaftsrechts, während die offenkundigste Verletzung der von der Staatsverfassung vorgesehenen Regionalautonomie nicht allein und nicht so sehr in einer Beschränktheit für die Durchführung zu suchen ist, sondern eher in der Tatsache, daß keine Mitwirkung der Regionen an den Entscheidungen ins Auge gelaßt wurde, die der Staat auf Gemeinschaftsebene trifft. Sonderbarerweise haben die Regionen selbst erst zu einem späteren Zeitpunkt die Bedeutung dieses zweiten Aspektes erkannt, der aber engstens mit dem ersteren verknüpft ist, und von dessen Lösung vor allem auch die Lösung des letzteren abhängt. Dennoch läßt die gegenwärtige Legislation, trotz der neueren Ansprüche der Regionen, den staatlichen Zuständigkeitsbereich in Beziehung auf die regionale Beteiligung bei der gemeinschaftlichen Vorschriftenerarbeitung unberührt, indem sie auch unter diesem Gesichtspunkt die Zuständigkeit der Regionen im gemeinschaftlichen Bereich schädigt. Demgegenüber wird die Zuständigkeit der nationalen Regierung sogar von Art. 4 des Dekrets Nr. 616 betont; der erste Absatz stellt nämlich fest, daß .der Staat die Leit- und Koordinierungstätigkeit auch in den dezentralisierten und überwiesenen Sachgebieten bezüglich der internationalen Beziehungen und derjenigen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, auf die Landesverteidigung und auf die öffentliche Sicherheit ausübt". Seinerseits fügt der zweite Absatz folgendes hinzu: .Die Regionen können im Ausland keine Förderungstätigkeiten auf Sachgebieten, auf denen sie zuständig sind, ausüben, außer nach vorheriger Vereinbarung mit der Regierung im Bereich der im ersten Absatz erwähnten Leit- und Koordinierungsakte". Diese Einstellung wird erneut laut Ministerpräsidentenerlaß vom 11. März 1980 (Gesetzesanzeiger Nr. 106 vom 17. April 1980) wie folgt bestätigt: . Die Beziehungen zu den gemeinschaftlichen Körperschaften, die zur Behandlung von zum Zuständigkeitsbereich der Regionen gehörenden Fragen notwendig sind, werden unter Vorbehalt von Art. 4 des erwähnten Dekrets Nr. 616 von den Regionen durch die jeweils beteiligten Ministerien, 11'
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die sich für die Koordination auf das Außenministerium stützen, hergestellt". Nur in diesem Bereich ist eine regionale Beteiligung an den gemeinschaftlichen Beschlüssen gesichert. Und nur von einem guten Ablauf dieses Koordinierungsverfahrens hängt die Lösung des Kompetenzkonflikts ab, indem das Garantieproblem der Verwirklichung der regionalen Autonomien reduziert wird und gleichzeitig die Erfüllung der vom Staat übernommenen internationalen Verpflichtungen gesichert wird. Wenn nämlich eine tatsächliche Mitwirkung der Regionen bei der Vorbereitung von Entscheidungen des Staates auf gemeinschaftlicher Ebene gesichert wäre, dann würde der etwaige Konflikt zwischen der Einstellung des Staates und derjenigen der Regionen schon von Anfang an, eben wenn diese Entscheidungen getroffen werden, beigelegt werden und bestünde im Zeitpunkt ihrer Durchführung nicht mehr. Dann wäre das. Problem der Wahrung der Regionalautonomie im Zuge der Durchführung nicht mehr so erheblich und ebensowenig dasjenige, eine korrekte Erfüllung der vom Staat übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu gewährleisten.
Die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften Spaniens an den Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaften Von Maria Jesus Montoro Chiner
I. Einleitung Dieser Beitrag soll die derzeit noch nicht gelösten Probleme erläutern, die sich in Spanien aus dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft ergeben haben. Wie ich schon gelegentlich eines Aufenthalts in Speyer im Juni 1987 erklärt habe, erfolgte die Anpassung des innerstaatlichen Rechts an das Gemeinschaftsrecht ohne größere Verzerrungen, jedenfalls vom streng juristischen Standpunkt aus gesehen. Im Hinblick auf Aufteilung von Macht und Kompetenzen zwischen den Instanzen hat der Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft jedoch noch ungelöste Probleme zwischen dem Spanischen Staat und den Autonomen Gemeinschaften geschaffen. Eines dieser Probleme stellt sich beim Vollzug von Gemeinschaftsentscheidungen durch die Autonomen Gemeinschaften, ein anderes bei der Anwendung von Gemeinschaftsnormen und das wohl größte betrifft die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften an der staatlichen Willensbildung, die gegenüber den Europäischen Gemeinschaften zu äußern ist. Der Grund für die drei angeführten Konfliktpunkte liegt in der unterschiedlichen Behandlung der europäischen Fragen, die diese von jeder einzelnen der 17 Autonomen Gemeinschaften in ihrem entsprechenden Autonomiestatut erfahren haben. Es ist notwendig, nochmals darauf hinzuweisen, daß nur das Baskenland, Katalonien, Andalusien, Aragon, Kastilienla Mancha, die Kanarischen Inseln und Madrid sich der ausdrücklichen Kompetenz erfreuen, gemäß ihren Statuten internationale Vereinbarungen ausführen und - gemäß ihrem Kompetenzbereich - auf einigen konkreten Gebieten Gemeinschaftsentscheidungen vollziehen zu können. Asturien, Murcia, Navarra, Extremadura, die Balearen und Kastilien-Leon bedürfen zur Ausführung europäischen Rechts staatlicher Vermittlung, indem sie sich - gemäß ihren entsprechenden Statuten - der Gesetzgebung und der Regelungsmacht des Staates unterwerfen. Die Statuten von Galizien, Kan-
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tabrien, Rioja und Valencia schweigen sich über die Kompetenzfrage hinsichtlich der Umsetzung von Verträgen in innerstaatliches Recht aus. Schließlich sehen nur die Statuten des Baskenlandes, von Katalonien, Andalusien, Asturien, Murcia, den Kanarischen Inseln, Navarra und Madrid die Pflicht des Staates zur Information über den Abschluß internationaler Vereinbarungen vor, die Kompetenzen oder besondere Interessen der jeweiligen Region berühren könnten. Diese nachträgliche Information nimmt der Staat vor, wenn er der Auffassung ist, daß ein Vorschlag der EG-Kommission von Interesse für die Autonomen Gemeinschaften ist, und deren Meinung im "interministeriellen Koordinationsausschuß", der die nationale Stellungnahme ausarbeitet, Rechnung getragen werden sollte. 1 Angesichts solcher Unterschiede in den Statuten ist unschwer vorherzusehen, daß der Weg zu einer möglichen Angleichung der Praxis der Autonomen Gemeinschaften in europäischen Angelegenheiten sehr steinig sein wird. Andererseits darf nicht vergessen werden, daß die Geltendmachung von Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften gegenüber der Europäischen Gemeinschaft mit Rücksicht auf die interne Kompetenzverteilung erfolgen muß. Aus diesen Gründen richte ich meinen Blick auf die Frage der institutionellen Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften bei der innerstaatlichen Willensbildung in Fragen, die ihren Kompetenzbereich betreffen. II. Staatliche Verantwortung für Gemeinschaftsbeschlüsse Gemäß Art. 149 Abs. 1 Nr. 3 der Spanischen Verfassung ist ausschließlich der Staat für die auswärtigen Beziehungen zuständig. Nach Art. 97 bestimmt die Regierung die Innen- und Außenpolitik. Nach Art. 93 kann mittels Organgesetz der Abschluß von Verträgen autorisiert werden, durch die einer internationalen Organisation oder Institution die Ausübung von aus der Verfassung abgeleiteten Kompetenzen übertragen wird. Je nach Art des Falles obliegt die Garantie für die Erfüllung dieser Verträge und der von den internationalen oder supranationalen Organismen, denen die Kompetenzen übertragen wurden, ausgehenden Resolutionen dem Parlament oder der Regierung. Nach Art. 95 erfordert der Abschluß eines internationalen Vertrages, der Abmachungen enthält, die der Verfassung entgegenstehen, eine vorherige Verfassungsänderung. Es lohnt sich, einige Anmerkungen zu diesen Vorschriften zu machen: Der klassische Begriff der .internationalen Beziehungen" als ein Objekt von Kompetenzen hat sich nach neuerem Verständnis zu einem Aktions- und Funktionsbereich entwickelt, an dem 1 A. Mangas Martin, Derecho Comunitario Europeo y Derecho Espaiiol, Tecnos, 2. Aufl., S. 247.
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auch regionale Kompetenzträger durch eine oder mehrere materielle Zuständigkeiten beteiligt sind. 2 Die Gemeinschaftsrechtsordnung mit ihrem wachsenden Normenbestand kann die Existenz besonderer regionaler Kompetenzen, aus denen sie .zunehmend" ihre Legitimität ableitet, nicht außer acht lassen. Die Haltung des Europäischen Gerichtshofes, sich nicht in Fragen der internen Kompetenzabgrenzung einzumischen, kann als Beweis der Achtung der innerstaatlichen Verfassungssysteme verstanden werden, deren .Harmonisierung" oder •Vereinheitlichung" nicht über die sich aus den Gemeinschaftstexten ergebenden Anforderungen hinausgehen darf. 3 Aus diesen beiden Gründen kann der Staat nicht das Monopol hinsichtlich der auswärtigen Beziehungen beanspruchen, auch wenn es zu Beginn des Art. 149 Abs. 1 hießt: .Der Staat hat die ausschließliche Kompetenz in den folgenden Bereichen ... •; aber nicht bei allen Materien, die Art. 149 Abs. 1 regelt, behält sich der Staat die Gesamtheit der Funktionen der dort aufgeführten Bereiche vor. In zahlreichen Fällen obliegt der Vollzug der Materien des Art. 149 den Autonomen Gemeinschaften (Arbeits- und Recht der sozialen Sicherung) oder behält sich der Staat lediglich die Grundlagengesetzgebung und Koordination vor (Umwelt, Bergbau, Forstwesen, soziale Kommunikationsmittel). Eine systematische Interpretation des Art. 149 Abs. 1 Nr. 3 unter Berücksichtigung des von der verfassunggebenden Versammlung erarbeiteten Vorentwurfs ergibt, daß dem Staat die internationalen Beziehungen vorbehalten sind, die ihm nach dem Verfassungstextmit ausschließlichem Charakter verliehen sind (Vertretung nach außen, Abschluß von Verträgen, Richtlinien und Leitung der Außenpolitik und insbesondere die Kontrolle der Erfüllung internationaler Verpflichtungen, nicht jedoch seiner eigenen). Andererseits muß der Staat, wenn seine auswärtigen Aktivitäten Sachbereiche betreffen, die in der Kompetenz der Autonomen Gemeinschaften liegen, zweifellos mit deren Beteiligung rechnen, soweit ihre Zuständigkeitsbereiche von den Verträgen betroffen sind. Art. 149 Abs. 1 Nr. 3 enthält keinen .Rückholeffekt" der Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften zugunsten des Staates. Er muß bei seinen auswärtigen Aktivitäten den Autonomen Gemeinschaften stets Rechnung tragen, sowohl bei der eigenen Willensbildung als auch beim Vollzug internationaler Verträge, der Gemeinschaftsverträge und solcher, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften abgeschlossen werden. 2 L. Comadrelli, Les competences des regions en matiere de relations exterieures: l'experience italienne, Brügge, Colloquium über das Thema: Das regionale Schicksal in Europa, 1984. 3 B. Vila Costa, Propostes per Ia insercio de !es regions en !es institucions europees, Symposium: Die Eingliederung der Regionen in das Europa von Morgen, Barcelona 1987.
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Schließlich kann das Organgesetz 10/85 vom 2. August, durch das dem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften zugestimmt wird (parlamentarische Ratifikation des Beitritts), keinesfalls so ausgelegt werden, daß dadurch allein die - bewilligten und durch ein Referendum bestätigten - Autonomie-Statuten modifiziert worden seien.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Teilnahme der Autonomien an Gemeinschaftsentscheidungen Nach herrschender Lehre kann das Schweigen der Autonomiestatuten bezüglich der Kompetenzen zum Vollzug und der Umsetzung internationaler Verträge in innerstaatliches Recht nicht im negativen Sinne interpretiert werden. Die Spanische Verfassung hat, indem sie dem Staat und seinen Organen die internationalen Beziehungen ausschließlich zugeschrieben hat, das in der Bundesrepublik Deutschland aufgetretene Problem der .treaty making power", d. h. der im Grundgesetz den Ländern hierzu verliehenen Kompetenz, vermieden; die Auswirkungen der Gemeinschaftsrechtsordnung auf die innerstaatliche Rechtsordnung stellt uns jedoch vor ganz ähnliche Probleme. 4 Zur Lösung dieser Probleme ist es erforderlich, den Verfassungstext genau zu prüfen und über die Prinzipien der Einheit der Nation, der Autonomie der Autonomen Gemeinschaften, der Solidarität und Verfassungstreue ihrer Instanzen sowie einer Konkretisierung der allgemeinen Pflicht zur Zusammenarbeit ein .Interventionsrecht der Autonomen Gemeinschaften bei Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften" zu begründen, das der Staat als Verantwortlicher für eine einheitliche Stellungnahme in Brüssel akzeptiert. Nur auf diese Weise wird nach dem Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften die interne Ausgewogenheit der Machtverteilung gewahrt werden können. 1. Das Prinzip der Einheit
Art. 93 der Spanischen Verfassung ermächtigt den Staat zur Übertragung von Kompetenzen - sowohl seiner eigenen staatlichen als auch solcher der Autonomen Gemeinschaften - auf internationale Organisationen. Darin kommt seine Befugnis zur Bestimmung der Außenpolitik zum Ausdruck (Art. 97). Hierbei kann der Staat die Auffassung der Autonomen Gemein4 F. Morata, Autonomie regionales et integration europeenne: la participation des regions espanoles aux decisions communautaires: EUI, Arbeitspapier Nr. 86/248, 1986.
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schaften beachten, darf sich aber nicht durch deren Meinung gebunden fühlen. Sicher ist, daß der spanische Vertreter in Brüssel die Position des Staates vertritt und nicht die Auffassung einer oder mehrerer Autonomer Gemeinschaften. Durch das supranationale Konzept der Europäischen Gemeinschaften hat der staatliche Vertreter keinerlei Veranlassung, sich in einen Vertreter der Autonomen Gemeinschaften zu verwandeln. Dogmatisch gesehen ist - gestützt durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs5 - festzustellen, daß - obgleich der Staat über keinen konkreten materiellen Anspruch verfügt, der sich von seiner Kompetenz im Bereich der internationalen Beziehungen unterscheidet und ihm erlaubte, am Vollzug eines internationalen Abkommens teilzuhaben- der einfache Umstand der Entwicklung supranationaler Normen die .Exklusivität" der Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften verändert und sie in Beteiligungsrechte bei staatlichem Interventionsrecht verwandelt. Diese Einschränkung der Kompetenzen ist nur in ganz bestimmten Fällen gerechtfertigt und darf nicht zur generellen Regel erhoben werden. Das Verfassungsgericht ist mit seiner Entscheidung 58/82 vom 27. Juli 1982 noch weiter gegangen, indem es feststellt, daß die Kompetenz, die die Statuten einigen Autonomen Gemeinschaften zum Vollzug internationaler Vereinbarungen und Verträge zubilligen, .eine Verpflichtung und nicht eine Kompetenz" im eigentlichen Sinne sei. Daraus läßt sich ableiten, daß die Kompetenz tatsächlich dem Staat vorbehalten ist. Nach diesen Interpretationen scheint es, daß der Staat eine .Anziehungskraft" bezüglich des Inhalts von Entscheidungen, die internationale Beziehungen betreffen, ausübt, unabhängig vom jeweils betroffenen Kompetenzbereich. Die Verbindung des Prinzips der Einheit mit dem der Autonomie führt zwangsläufig zu der Frage, ob die Autonomen Gemeinschaften nicht wenigstens an den Gemeinschaftsentscheidungen, die sie betreffen, beteiligt oder zu ihnen hinzugezogen werden müssen, damit der Kernbereich ihres Interventionsrechtes erhalten bleibt.
2. Das Prinzip der Autonomie
Wenn man die These, daß der Staat allein internationale Entscheidungen trifft, strikt aufrechterhält, ergibt sich tatsächlich eine Veränderung der in der Verfassung und den Statuten vorgesehenen Kompetenzverteilung, die nur über eine Verfassungsänderung erfolgen könnte. Diese Umverteilung hätte eine Zentralisierungsbewegung zur Folge, die bedenklich wäre, auch wenn man eine solche Modifizierung vornehmen könnte. Denn obgleich Art. 95 der Spanischen Verfassung ausdrücklich eine Verfassungsänderung vor5 S. Muiioz Machado, EI Estado, el Derecho interno y Ia Comunidad Europea, Civitas 1986, S. 83 und 84.
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sieht, falls der Abschluß eines Vertrages Bedingungen enthält, die der Verfassung entgegenstehen, kann man daraus nicht ableiten, daß eine Verfassungsänderung grundsätzlich zulässig sein soll, wenn der Staat allein auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen tätig wird. Die Bemühungen des Staates, allein die Gesamtheit der internationalen Beziehungen zu übernehmen, ohne daß die Autonomen Gemeinschaften daran beteiligt werden, würde nur zu einem Dauerkonflikt über die Kompetenzen vor dem Verfassungsgericht führen. Im übrigen beruht die Verfassung auf den Prinzipien der Einheit des Staates und der Autonomie der Nationalitäten und der Regionen, die Teil der spanischen Nation sind. Aus diesem Grunde ist jede Auslegung des untersuchten Problems undenkbar, die dazu führt, daß irgendeines der erwähnten Prinzipien, auf die sich auch die Verfassung gründet, außer acht gelassen wird. Wir haben gesehen, daß die Verfassung wenige Lösungen für diese Probleme bereithält, jedenfalls wenige ausdrückliche Lösungen anbietet. Hinzu kommt, daß der Senat, der eigentlich die Kammer der territorialen Vertretung sein müßte, nicht wirklich als territoriale Kammer funktioniert. Die Autonomen Gemeinschaften verfügen nämlich nur über 46 Senatoren, d. h. ungefähr den fünften Teil der Senatsmitglieder.
3. Das Prinzip der Solidarität Nach Art. 2 gründet sich die Verfassung (auch) auf die Autonomie der Nationalitäten und Regionen, die den spanischen Staat ausmachen und auf die Solidarität zwischen ihnen. Im Hinblick auf Gemeinschaftsentscheidungen kann man dieses Gebot als Fehlen von Privilegien für die eine oder andere Autonome Gemeinschaft interpretieren, soweit die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften an staatlichen Entscheidungen diskutiert wird. Damit tauchen aber Probleme anderer Art auf. Es ist nämlich schwer vorstellbar, daß - wie ich schon gezeigt habe - Autonome Gemeinschaften mit einem höheren Grad an Autonomie damit einverstanden sind, daß ihre Position derjenigen der anderen Gemeinschaften auf einem niedrigeren Niveau angeglichen wird, auch wenn das nur in bezug auf europäische Entscheidungen der Fall wäre. Hinsichtlich der abzustimmenden Beteiligung müßten die Autonomen Gemeinschaften in solidarischer Weise zusammenwirken und eine Ansicht zum Ausdruck bringen, die die Meinungen aller zusammenfaßt Die Stellungnahme der Autonomen Gemeinschaften muß eine einheitliche sein und damit geeignet sein, auf die staatliche Entscheidung einzuwirken und vom Vertreter des Staates in Betracht gezogen zu werden. Es ist nicht einmal unter Berufung auf das Solidaritätsprinzip zulässig, daß die Beteiligung zu einer Beachtung der individuellen Interessen jeder einzelnen Gemeinschaft führt, jedenfalls solange dadurch eine Autonome Gemeinschaft nicht einen konkreten wirtschaftlichen Nachteil erleidet, der
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ohnehin gegen das Solidaritätsprinzip verstößt. Ich habe an anderer Stelle das Solidaritätsprinzip in seiner wirtschaftlichen Bedeutung bzw. seinem Verhältnis zu europäischen Entscheidungen wie folgt beschrieben: Aus der rechtlichen Verflochtenheit mit den anderen folgt, daß die Stellung der Autonomen Gemeinschaften als Mitinhaber von Machtbefugnissen davon geprägt ist, daß sie sowohl Rechte als auch Pflichten nur ihrem gesamten Umfang nach ausüben können oder hinnehmen müssen, seien sie ihnen günstig oder ungünstig. 6 Um die Solidarität unter den Autonomen Gemeinschaften zu bewahren, muß man auch einige Mechanismen der gegenseitigen Information zwischen dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften sowie dieser untereinander bewahren, die dem Zusammenwirken und der Zusammenarbeit dienen. Eine gemeinsame Entscheidung erfordert das Einbringen der konkreten Einzelinteressen in die Willensbildung, deren Ergebnis vom Staat nach außen zu vertreten ist. Die Rolle des Koordinators zwischen den Parlamenten der Autonomen Gemeinschaften könnte durch die von ihnen Gewählten, in ihrer Doppelrolle als Senatoren und Parlamentarier, in gewisser Weise der Senat ausüben. 4. Das Prinzip der Treue gegenüber der Verfassung und die Mitbeteiligung an Entscheidungen
Wie das Verfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen erklärt hat, schließt ein polizentrisches Staatswesen die allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit ein; es ist nicht notwendig, daß in der Verfassung ausdrücklich festgestellt wird, daß die Teile des Ganzen zur Zusammenarbeit, zur Kooperation und zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet sind. Als Grundlage seiner Pflicht zur Zusammenarbeit ist der Staat gehalten, die geeigneten Formen dafür zu finden, daß die Entscheidung, die er als nach außen und gegenüber Internationalen Organisationen Verantwortlicher trifft, auch tatsächlich die Interessen der Autonomen Gemeinschaften berücksichtigt. Die Pflicht zur Zusammenarbeit rechtfertigt und stützt die mitbestimmte Entscheidung; man muß aber auf der Suche nach Verfassungsgrundsätzen noch einen Schritt weiter gehen, um zu begründen, daß die Zusammenarbeit mit Respekt und Loyalität zum errichteten Verfassungssystem erfolgen muß. Zum ersten und einzigen Mal verwies das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. Januar 1986 auf die Pflicht zur Loyalität- vergleichbar der .Bundestreue" -und warf dem Staat vor, daß sein Verhalten .gegen diese Zusammenarbeit verstoßen würde, die gleichsam Konkretisierung einer 6 M. J. MontoTO Chiner, Los convenios entre Federacion y Estados Miembros en Ia Republica Federal Alemana. Solidaridad y lealtad constitucional en los sistemas aleman y espaiiol, Tecnos, Madrid 1987, S. 12.
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allgemeinen Treuepflicht gegenüber der Verfassung und spezielles Gebot einer statuarischen Norm ist und die in der Verfassungsordnung enthalten ist und sowohl vom Staat als auch von der (Autonomen) Gemeinschaft als Mittel zur Erleichterung und besseren Ausübung der den anderen zustehenden Kompetenzen zu fordern ist. "7 In Übereinstimmung mit dem Urteil des Verfassungsgerichts muß die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften oder dieser untereinander als mit dem staatlichen Willen übereinstimmende, durch gegenseitigen Respekt der Kompetenzen des jeweils anderen erreicht werden, indem dafür gesorgt wird, daß die Ausübung der staatlichen Entscheidungsmacht getreu der verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung ist. Mit anderen Worten, der Staat soll daran erinnert werden, daß - wenn er Entscheidungen trifft, die in Brüssel zu vertreten sind - seine Entscheidung sich häufig auf Bereiche der autonomen Kompetenzen erstreckt. Wenn schon darüberhinaus die Abtretung übertragener Kompetenzen an die Europäische Gemeinschaft notwendigerweise interne Beschlüsse beschneidet, ist es nicht notwendig, daß er außerdem noch die innere Kompetenzordnung verändert. Wenn die Übertragung von Kompetenzen auf Internationale Organisationen einen quantitativen Verlust von Kompetenzen aller Instanzen bedeutet, muß sie nicht auch noch eine qualitative Veränderung beinhalten. Ich glaube jedoch, daß es eine ausreichende verfassungsmäßige Grundlage gibt, um im Prinzip die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften an der staatlichen Willensbildung zu gewährleisten; problematisch ist dabei allerdings, eine alle Instanzen zufriedenstellende Formel zu finden. Die passende Lösung kann kaum ein Gesetz sein, denn der Staat kann nicht durch den staatlichen Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung verändern, noch kann er interpretierende Gesetze erlassen, die weder von der Verfassung noch den Autonomiestatuten konkret vorgesehen oder ausgeschlossen worden sind.8 Genau dies ist die erste Grenze, die bei jeder Regierungsentscheidung, die die Gemeinschaft betrifft, zu beachten ist, wenn das zu suchende Modell mit den Prinzipien der Organisation des Staates vereinbar sein soll. Deswegen scheint der geeignetste Weg der eines Abkommens zwischen den Beteiligten zu sein, obgleich der Erfolg des Abkommens von der Loyalität abhängt, mit der die jeweiligen Gesetzgeber seinen Inhalt intern ratifizieren, wenn dieser die Ausübung von Kompetenzen berührt. Persönlich meine ich, daß die gesetzgebefische Initiative der Autonomen Gemeinschaften - indem Vgl. Anm. 6, S. 13. Das Verfassungsgericht verhinderte mit seinem Urteil vom 5. August 1983 den günstigen Ausgang des umstrittenen Organgesetzes, das den Autonomieprozeß harmonisieren sollte und mit dem interpretiert werden sollte, wie der Prozeß der Autonomisierung durchzuführen sei, welchen Umfang man den von den Autonomen Gemeinschaften übernommenen Kompetenzen einräumen sollte, und was in Zukunft der Umfang der geteilten Kompetenzen sein sollte. 7
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sie dem Cortes (Parlament) einen Gesetzentwurf präsentieren, der die Prinzipien der Kooperation enthielte - auch ein brauchbares Modell darstellen würde, das die Befürchtungen ausschlösse, die mit einem Gesetz interpretativen Inhalts einhergehen.
IV. Vorschläge, die von der Regierung des Staates gegenüber den Autonomen Gemeinschaften hinsichtlich ihrer Beteiligung an Gemeinschaftsentscheidungen formuliert wurden Die interne staatliche Organisationsstruktur ist seit der Ermächtigung (durch Organgesetz) zur Unterschrift unter den Beitrittsvertrag in folgender Weise verändert worden: Die mit Wirtschaftsfragen beauftragte Kommission, die auf Anweisung des Ministerrats handelt, wurde durch zwei neue Mitglieder vervollständigt: den Außenminister und den Staatssekretär für die Europäische Gemeinschaft (RD 1568/85). Man richtete ein Staatssekretariat für die Europäischen Gemeinschaften ein (Sept. 1985), um die spanischen Aktivitäten mit der Europäischen Gemeinschaft zu koordinieren. Außerdem bildete man eine Interministerielle Kommission für Wirtschaftsfragen, die mit der Europäischen Gemeinschaft zusammenhängen (RD 1577/85). Alle diese Organe setzen sich ausschließlich aus Vertretern des Staates zusammen. Die Ständige Vertretung in Brüssel kanalisiert ebenfalls ihre Aktivitäten über das Staatssekretariat für die Europäischen Gemeinschaften (RD 260/86 vom 17. Januar). In der zweiten Hälfte des Jahres 1985 schlug das ehemalige Ministerium für territoriale Verwaltung - inzwischen umgewandelt in das Ministerium für öffentliche Verwaltungen - sein .Abkommen zwischen der nationalen Regierung und den Autonomen Gemeinschaften über die Zusammenarbeit in Fragen, die die Europäischen Gemeinschaften betreffen" vor. Der Geist dieses Abkommens beruht darauf, den Vollzug abgeleiteten Rechts durch die Autonomen Gemeinschaften zu begründen, und zwar nicht durch die Vollzugsklauseln, die in einigen Statuten enthalten sind, sondern durch materielle Kompetenzen. Man hat die deutlich zentralistische Tendenz des Abkommens kritisiert, sowie in einigen Fällen den rein rhetorischen Charakter seiner Formulierungen und Absichtserklärungen.9 Dessen ungeachtet tendierten die von den Autonomen Gemeinschaften vorgebrachten Einwände eher dahin, bestimmte privilegierte Positionen zu erhalten, als das Abkommen als solches anzugreifen; jedenfalls kann man die Gegenvorschläge der Autonomen Gemeinschaften als vernünftig ansehen. Wie man bei uns gesagt hat, besteht die Schwierigkeit darin, . sich mit der Gemeinschaft zurechtzufinden•, 10 eine Anstrengung, 9
B. Vila Costa, vgl. Anm. 3, S. 11.
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die sowohl der Staat, wie auch die Autonomen Gemeinschaften unternehmen müssen. Denn es ist klar, daß keiner von beiden ein Interesse daran hat, Hindernisse zu errichten. Für die Autonomen Gemeinschaften ist es jedoch schmerzlich, das aufzugeben, was sie gerade erst durch ihre Statuten erhalten haben, und für den Staat ist es schmerzlich, noch mehr aufzugeben, als er gerade im Zuge der Dezentralisierung seines Apparates zugestanden hatte, nachdem die Verfassung von 1978 verkündet worden war. Das zitierte Abkommen vom Dezember 1985 beinhaltet im großen und ganzen zwei unterschiedliche Teile, wobei sich der erste auf Umsetzung und Vollzug der Gemeinschaftsordnung bezieht und der zweite sich mit der Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften am staatlichen Willensbildungsprozeß befaßt. 1. Hinsichtlich Umsetzung und Vollzug der Gemeinschaftsordnung ist folgendes hervorzuheben:
Die nationale Regierung garantiert die Erfüllung und Ausführung der vom Spanischen Staat gegenüber den Europäischen Gemeinschaften eingegangenen Verpflichtungen. Sowohl die Regierung wie die Autonomen Gemeinschaften - in Ausübung ihrer jeweiligen Kompetenzen - setzen um und führen die Vorschriften der Gemeinschaft als höchste Pflicht aus, und zwar auf der Basis gegenseitiger Zusammenarbeit. Die normative Umsetzung der Richtlinien, Empfehlungen und übrigen Gemeinschaftsverfügungen wird vom Staat und den Autonomen Gemeinschaften in Übereinstimung mit der verfassungsmäßigen Verteilung der Kompetenzen vorgenommen. Der Staat, als Verantwortlicher für die Ausführung des Gemeinschaftsrechts gegenüber der Europäischen Gemeinschaft, verpflichtet sich, die Umsetzungs- oder Ausführungsbestimmungen für Gemeinschaftsregelungen zu erlassen, die nötig sind, um die Existenz von anwendbaren Normen sicherzustellen. (Der gefundene Kompromiß ist weitgehend loyal erfüllt worden. Man hat allerdings einige Verstöße gegen das System der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung festgestellt. Insbesondere die Frage der Abgrenzung, welche staatlichen Normen grundsätzlich und direkt im gesamten Staatsgebiet anwendbar sind und welche nur als Ergänzungsnormen und nur beim Fehlen von Normen der Autonomen Gemeinschaften anwendbar sind.) 10 A. Borras Rod1iquez, La armoniacion fiscal comunitaria y los regimenes economico-tributarios particulares de las Comunidades Autonomas, in: La integracion de Espafia en las Comunidades Europeas y las competencias de las Comunidades autonomas, Gemeinschaftswerk Generalidad de Catalunya, Rechtsabteilung, 1985, s. 112.
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Die Regierung und die Autonomen Gemeinschaften Informieren sich gegenseitig über die vorläufigen Gesetzentwürfe, die sie vorschlagen. Um die Annahme gemeinsamer Kriterien zu erleichtern, können Zusammenkünfte der Sektorenkonferenzen einberufen werden. Der verwaltungsmäßige Vollzug der Gemeinschaftsbestimmungen und -richtlinien wird von der Verwaltung des Staates und den autonomen Verwaltungen in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Ordnung der Kompetenzen wahrgenommen. Um eventuelle Diskrepanzen zu beheben, verpflichten sich beide Teile, den politischen Weg des Dialogs und vorheriger Zusammenarbeit zu beschreiten. Wenn irgendeine Autonome Gemeinschaft im Bereich ihrer Kompetenzen Maßnahmen zur Anwendung von Gemeinschaftsnormen ergreift und diese nach Ansicht der Regierung eine Verletzung der Normen darstellen, wird die Regierung die Befugnisse ausüben, die ihr die Verfassung verleiht, damit der Staat nicht in die Lage gerät, von der Europäischen Gemeinschaft wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtung zur Verantwortung gezogen zu werden. 2. Im Hinblick auf die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften am staatlichen Willensbildungsprozeß ist folgendes festzustellen: Die Vertretung des (Spanischen) Staates in der Europäischen Gemeinschaft fällt in die Kompetenz und Verantwortlichkeit der nationalen Regierung. Jede Kommunikation mit den Institutionen der Gemeinschaft erfolgt auf dem Wege der staatlichen außenpolitischen Aktivitäten. Im Rahmen einer loyalen Zusammenarbeit wird die Regierung sich bemühen, die Ansichten und Positionen der Autonomen Gemeinschaften soweit zu berücksichtigen, als sie weder mit den allgemeinen Staatsinteressen noch mit denen der Europäischen Gemeinschaft unvereinbar sind. Die Regierung gibt alle von den Europäischen Gemeinschaften stammenden Dokumente, die die Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften betreffen, an diese weiter; diese können über das Ministerium für Territoriale Verwaltung die Anmerkungen vorbringen, die sie jeweils für erforderlich halten. Die Regierung wird sich bemühen, die Anmerkungen der Autonomen Gemeinschaften in die Regierungsvorschläge aufzunehmen, die sie für die Gemeinschaftsorgane formulieren wird. Das Ministerium für Territoriale Verwaltung wird im Rahmen der Interministeriellen Kommission für Wirtschaftsfragen, die die Europäischen Gemeinschaften betreffen, der ständige Ansprechpartner für alle
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Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft sein; aus diesem Grund wird es auch der Koordinator der Sektorenkonferenzen sein und die Weiterleitung der Informationen zwischen Staat und Autonomen Gemeinschaften übernehmen. Die Autonomen Gemeinschaften waren fast das ganze Jahr 1986 mit dem Studium des Abkommens, ihren Anmerkungen dazu und der Erlangung einer Übereinstimmung hinsichtlich der Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften beschäftigt. Die Regierung von Katalonien arbeitete ihrerseits einen Gegenvorschlag aus, der im wesentlichen folgendes enthielt: Ein Organ mit dem Titel.Die Delegation der Autonomen Gemeinschaften für Europäische Angelegenheiten" zu gründen, das aus sechs Mitgliedern bestehen sollte. Auf jeden Fall sollten jeweils drei Vertreter der drei historischen Autonomen Gemeinschaften (Baskenland, Katalonien und Galizien) Mitglieder sein. Die restlichen drei Vertreter sollten von den übrigen vierzehn Autonomen Gemeinschaften gestellt werden. Die Delegation sollte einstimmig entscheiden. Die Regierung des Staates sollte verpflichtet werden, zwei der sechs Mitglieder der Delegation, nämlich den Beauftragten und seinen Adjunkten, als Mitglieder der Ständigen Vertretung Spaniens in der EG zu ernennen. Die Regierung des Staates sollte sich verpflichten, dem spanischen Vertreter bei der EG keine Weisung zu erteilen, die im Widerspruch zu den Entscheidungen der Vertreter der Autonomen Gemeinschaften stehen. Dieser Entwurf war für die vierzehn Autonomen Gemeinschaften ziemlich nachteilig und bedeutete in gewisser Weise eine Bindung für die Regierung des Staates. Zu Beginn des Jahres 1987 belebte sich das Thema erneut und der Minister für Öffentliche Verwaltungen erschien vor der gemischten Kommission des Parlaments für die Europäischen Gemeinschaften, um über einen neuen Abkommensentwurf zu informieren, der mit den Autonomen Gemeinschaften über eine Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Staat bei Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften ausgehandelt werden soll. 11 Nach den Feststellungen des Ministers regelt der neue Vertrag drei verschiedene Aspekte: 1. den Austausch von Informationen; 2. die Fach- und Sektorenkonferenzen; 3. die Schaffung der Stelle eines Beobachters der Autonomen Gemeinschaften. 11
Tagebuch der Parlamentssitzungen vom 3. Februar 1987, Nr. 58, S. 227.
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Das Abkommen schließt die Fragen aus, die aus der Anwendung und Anpassung an das Gemeinschaftsrecht entstehen, denn man hat im Laufe der Zeit festgestellt, daß die Verzerrungen, die sich beim Anpassungsprozeß ergeben haben, sehr gering waren. Gegenwärtig besteht das wichtigste Problem in der Lösung der Beteiligungsfrage am staatlichen Willensbildungsprozeß. Es scheint jedoch, daß das Abkommen, dessen Text im Moment noch nicht vorliegt, eine Rahmenvereinbarung sein wird, die die Informationswege festlegt, und zwar die Informationswege für die Willensbildung und für die Durchführung der Gemeinschaftspolitik, wobei Einzelmaßnahmen zunächst unberücksichtigt bleiben. Man beabsichtigt eine Vereinbarung zu treffen, die die Prinzipien und fundamentalen Fragen der Beteiligung festlegt und die deswegen nicht ständig wieder revidiert werden muß. Man wird feststellen, und der verantwortliche Minister hat selbst vor dem Cortes darauf hingewiesen, daß der neue Abkommensentwurf sich an dem deutschen Beteiligungsmodell orientiert hat, insbesondere was die Person des Beobachters der Autonomen Gemeinschaften angeht. Es handelt sich um ein Ein-Personen-Organ, das die Autonomen Gemeinschaften repräsentiert und von ihnen gewählt wird. Die Autonomen Gemeinschaften werden auch allein darüber entscheiden, wie der Beobachter ihre jeweiligen Interessen vertreten wird. Das Abkommen sieht vor, daß der Beobachter in die Ständige Vertretung Spaniens bei den Europäischen Gemeinschaften aufgenommen wird, um den Informationsfluß in beiden Richtungen zu organisieren und gleichzeitig die .Kommunikation der Autonomen Gemeinschaften mit unseren ständigen Vertretern• zusammenzufassen. 12 Die Sektorenkonferenzen sind schon im innerstaatlichen Recht zusammengeiaßt und durch verschiedene Gesetze (Gesetz des Autonomen Prozesses und andere Sektorengesetze) festgelegt; bis jetzt haben sie noch nicht ihre ganze Funktionsbreite erreicht, aber das Abkommen will den Autonomen Gemeinschaften denWeg eröffnen, ihre Ansichten zu äußern und einen gemeinsamen Willen zu bilden, sowie die Probleme der Anwendung, Umsetzung und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken zu diskutieren. Es sind inzwischen sechs Monate vergangen, seit der Minister die Struktur des Abkommens im Parlament vorgestellt hat; wieder ist eine lange Pause entstanden, dieses Mal vielleicht dadurch hervorgerufen, daß man feststellte, daß das deutsche Modell - an das man sich ja anlehnte - bei der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte im Bundesrat13 eine Änderung erfahren hat. Meiner Meinung nach wird der Erfolg dieses oder jedes anderen Abkommens davon abhängen, wie sich seine technischen Aspekte durchführen lassen. Vgl. Anm. 11, S. 228. M. J. Montoro Chiner, La Ley de ratificacion del Acta Unica Europea de 19 de Diciembre de 1986 y Ja participacion de los Länder en Ja formacion de decisiones comunitarias, in: Revista Espaiiola de Derecho Administrativo Nr. 55, S. 371. 12
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Das Gewicht von zwei Autonomen Gemeinschaften, die historischen Charakter und politisch nationalistische Tendenzen haben, wiegt in Spanien in der Stunde der Entscheidung schwer. Es wird schwierig sein, eine funktionierende horizontale Übereinstimmung - über den Beobachter -zu erzielen. Dazu wird noch eine Veränderung der Mentalität nötig sein, bis sich alle dessen bewußt sind, daß sie sich auf gleichem Niveau und in gleicher Position befinden. Meiner Meinung nach sind die technischen Aspekte auch deshalb von Bedeutung, weil die Informationen, die zu verteilen und auszutauschen sind, so umfangreich und der Entscheidungszeitraum so knapp sind. Wie es scheint, hat der Wechsel zur Mehrheitsentscheidung im deutschen System - anstaU der Einstimmigkeit, wie sie bis zur Annahme des Ratifikationsgesetzes am 19. Dezember 1986 geboten war - einen Vorteil gebracht. Das darf in unserem Land nicht ignoriert werden. Denn wenn die Regierung die Wahl ihrer Vertretung in den Händen der Autonomen Gemeinschaften beläßt - wobei noch eine repräsentative Kammer für die Interessen der Autonomen Gemeinschaften fehlt- wird viel Zeit vergehen, bis sich die Autonomen Gemeinschaften an den Gedanken gewöhnt haben, daß die Mehrheit entscheidet, und daß nicht Einstimmigkeit erforderlich ist, ihre Auffassung zu äußern. Um das gleiche Resultat zu erzielen wie das, welches der Minister vorschlägt, könnte es geeignet sein, das Abkommen bei den Autonomen Gemeinschaften anzuregen, damit diese eine gesetzgeberische Initiative im Parlament ergreifen; aber dieser Haltung wird vorgeworfen, daß sie aus Verwaltungsrechtlerkreisen stammt 14 und daß sie ein .zwingender Mechanismus ist, der nach der Laune wechselnder parlamentarischer Mehrheiten veränderbar ist.• Da unser Land kaum eine Tradition hat, durch Abkommen und Absprachen regiert zu werden, wäre es meiner Meinung nach besser, wenn die Form der Beteiligung an der Gemeinschaftsentscheidung durch ein Gesetz festgelegt würde. Falls nämlich die in den Statuten enthaltenen Rechtsvorschriften erzwungen werden müßten, um allen Autonomen Gemeinschaften die Umsetzung und den Vollzug des Gemeinschaftsrechts und die Beteiligung an den Entscheidungen in Brüssel zu gestatten - hätte das Gesetz den Vorteil der Klarheit und könnte es in gewisser Weise für eine Harmonisierung der erwähnten dysfunktionalen Aspekte sorgen. Der Nachteil wäre natürlich, daß es der .Laune• parlamentarischer Mehrheiten überlassen bliebe; aber dieses Problem wird auch nicht durch ein Abkommen gelöst, das von den Ausführenden unterschrieben wird, denn diese sind in demokratischen Systemen getreue Abbilder jener, die die Übereinkunft schließen.
14
A. Mangas Martin, vgl. Anm. 1, S. 262.
Diskussion zu den Referaten von Rudolf Hrbek, Fausto Pocar• und Maria Jesus Montoro Chiner Leitung: Heinrich Siedentopf
Bericht von Christoph Hauschild Die Diskussionen im Anschluß an die Referate zu dem Thema des Regionalismus in der Europäischen Gemeinschaft am Beispiel der deutschen Bundesländer, der italienischen Regionen und der spanischen Autonomen Gemeinschaften ließen den Erkenntniswert, aber auch die Notwendigkeit einer vergleichenden Betrachtung erkennen. Die einzelnen Diskussionsbeiträge lassen sich nach den folgenden Themenschwerpunkten gliedern: Ist die Gemeinschaft einEuropader Regionen? (I), di'e Herausforderungen an die Bundesländer durch ein regionalisiertes Europa (II), die Problematik der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Länder und regionalen Gebietseinheiten (lll). I. Europa der Regionen?
Der Begriff des Europa der Regionen wird oft als politische Zielsetzung, teilweise aber auch als Zustandsbeschreibung verwendet. Jedoch insbesondere am Beispiel Frankreichs stellt sich die Frage, wie zutreffend und realistisch die mit diesem Begriff verbundenen Vorstellungen sind. Streinz wies in seinem Diskussionsbeitrag auf eine Schlußfolgerung von Christoph Sasse zu dem Urteil des französischen Verfassungsrates zur Direktwahl des Europäischen Parlaments hin. Nach diesem Urteil sei, so Christoph Sasse, kein Platz für Frankreich in einem Europa der Regionen. Diese These und der allgemeine Wunsch, Frankreich in die vergleichende Diskussion miteinzubeziehen, veranlaßten den Diskussionsleiter, den französischen Mitarbeiter am European Institute of Public Administration, Maastricht, Dr. Ziller, zu bitten, in einem Diskussionsbeitrag die Entwicklung in Frankreich zu schildern. • Vertreten durch Mario Dusi. 12'
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Ziller knüpfte zunächst an die These an, das Urteil des Verfassungsrates mache ein Europa der Regionen unmöglich. Er verwies darauf, daß sich ebenso in der Bundesrepublik die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung stellen würde, wenn eine politische Union verwirklicht werden sollte. Das genannte Urteil des Verfassungsrates zum Europawahlgesetz von 1976 sei das einzige Urteil, das sich mit Fragen der europäischen Integration auseinandersetze. Es enthalte im wesentlichen zwei Prinzipien:
eine Übertragung von Zuständigkeiten sei ohne Verfassungsänderung nicht zulässig und das Prinzip des Einheitsstaates sei unantastbar. Das Problem der Übertragung von Zuständigkeiten, die nach der französischen Verfassung der Zentralregierung und der Nationalkammer vorbehalten seien, hätte sich jüngst bei der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte gestellt. Ziller betonte, daß die EEA eine derartige Zuständigkeitsübertragung beinhalte. Eine Überprüfung der Vereinbarkeil der EEA mit der französischen Verfassung durch den Verfassungsrat sei jedoch nicht erfolgt. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, daß der französische Verfassungsrat unter anderen Voraussetzungen und zu einem anderen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren angerufen werden könne als das Bundesverfassungsgericht. Der Verfassungsrat übe nur eine präventive Verfassungsmäßigkeitskontrolle vor der Ausfertigung eines Gesetzes oder der Ratifizierung eines internationalen Vertrages aus. Eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit erfolge daher lediglich in ausgesprochenen Ausnahmefällen. Ein differenziertes Bild zeigt sich nach Ziller ebenso im Hinblick auf das Prinzip des Einheitsstaates. Seit dem Frühjahr 1986 bestehe die Möglichkeit von sogenannten Dreiecksverträgen zwischen dem Zentralstaat, den Regionen und der Gemeinschaft. Damit beschreite der französische Staat einen ganz neuen Weg, der vor den Dezentralisierungsgesetzen von 1982 unmöglich gewesen wäre. Für die Regionen und Departements bestehe seit 1982 überdies die Möglichkeit grenzüberschreitender Kooperation. Diese hätten zwar keine Zuständigkeiten in auswärtigen Angelegenheiten und könnten daher auch keine förmlich bindenden Verträge abschließen, jedoch besäßen sie die Möglichkeit, nach außen tätig zu werden. Ein Beispiel hierfür seien die Kontakte südfranzösischer Regionen mit Katalonien zur Schaffung eines Tunnels in den Pyrenäen. Die Koordination der Außenkontakte der Regionen und Departements solle formell durch das Außenministerium geschehen, das diese Aufgabe jedoch, soweit überhaupt geschehen, bisher auf die Präfekten delegiert habe. Zusammenfassend hob Ziller hervor, daß die Dezentralisierung in Frankreich unwiderruflich geworden sei. Die Beteiligung der politischen Elite bei den Dezentralisierungsmaßnahmen habe in Frankreich zu einer Verstärkung der Politikverflechtung zwischen Zentralstaat
Diskussion
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und Gebietskörperschaften geführt. Eine personelle Bindung zwischen dem Zentralstaat und der lokalen Ebene habe jedoch schon vor den Dezentralisierungsgesetzen bestanden. Siedentopf bemerkte hierzu, daß Ziller damit auf das französische Phänomen der Mandatskumulation angespielt habe. In Anbetracht der zu beobachtenden Regionalisierungsentwicklungen in Belgien, Italien, Spanien und -wie geschildert- in Frankreich, stellte sich in der Diskussion die Frage, inwieweit die EG darauf Einfluß gehabt hat oder Einfluß nehmen wird. Diese u. a. von Streinz aufgeworfene Frage veranlaßte Hrbek zunächst zu der Bemerkung, daß viele Regionen in Europa erst zu handlungsfähigen Einheiten ausgebaut werden müßten. Dies würde zwar nicht für die deutschen Bundesländer oder die belgiseben Regionen gelten, aber für die italienischen Regionen würde sich schon wieder ein anderes Bild ergeben. Hrbek betonte, daß viele territoriale Einheiten sich noch nicht als selbstbewußte Einheiten darstellen würden. Dieses zu verbessern, darauf ziele die Regionalpolitik der EG ab. Insofern würde ein Einfluß der EG bestehen. In den Anfängen stehe sicher noch die Interessenvertretung der Regionen durch den Rat der Gemeinden und Regionen Europas. Lenz nahm hierzu aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts Stellung. Er knüpfte dabei an den Begriff der Länderfeme der EG an, der im Zusammenhang einer anderen Themenstellung gefallen war. Aus diesem Begriff könne er jedoch keinen Vorwurf ableiten, denn die Verfassungsstruktur eines Mitgliedstaates könne nicht eine Angelegenheit der Gemeinschaft sein. Die innerstaatliche Ordnung jedes Mitgliedstaates unterliege dem Statusvorbehalt eines jeden Mitgliedstaates. Die Rationalität dieses Grundsatzes lasse sich an einigen Entwicklungen nachweisen, die sich seit der Ratifizierung der Verträge vor über 30 Jahren vollzogen hätten. Damals sei Belgien noch ein Einheitsstaat gewesen, heute sei es dies sicherlich nicht mehr. Die Regionalverfassungen gewährten eine weitgehende wirtschaftspolitische Selbständigkeit. Diesen völligen Wandel in Belgien habe die Gemeinschaft zur Kenntnis genommen, aber er werde nicht als Angelegenheit der Gemeinschaft angesehen. Lenz führte als Beispiel dafür, wie innerstaatliche Vorgänge von der Gemeinschaft zur Kenntnis genommen würden, eine Entscheidung des EuGH an, die eine Vorlage zu der Frage, ob eine belgisehe Region klagen könne, zum Gegenstand gehabt habe. Der EuGH sei zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, daß eine Region zwar nicht wie ein Mitgliedstaat, jedoch wie eine juristische Person nach Art. 173 Abs. 2 EWGV eine Klagebefugnis habe.
Zusammenfassend zu diesem Punkt verwies Lenz auf die andersartigen Modelle in Spanien und Italien. Mit Blick auf die Gemeinschaftsverfassung betonte er, daß es das Kennzeichen einer guten Verfassung sei, daß sie Bewegung nicht unmöglich mache, sondern kanalisiere. Ein besonders gutes
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Beispiel für eine Verfassung, die die notwendige Flexibilität zulasse, sei, so der vergleichende Hinweis von Lenz, die Verfassung der USA Zur Frage der politischen Verflechtung der Regionen untereinander und der daraus abgeleiteten Forderung einer institutionellen Anpassung in Form einer Regionalkammer erklärte Lenz, daß man in Anbetracht des kaum noch zu überblickenden Institutionengeflechts im Hinblick auf die Einführung einer Regionalkammer auf den Boden der Wirklichkeit zurückkommen müsse. Lenz erörterte daher die Frage, ob es nicht bereits bestehende Institutionen gibt, die diese Aufgaben wahrnehmen, und verwies dabei auf das Europäische Parlament und die Abgeordneten dieses Parlaments. Deren Stellung werde entscheidend durch das jeweilige nationale Wahlrecht und ihr eigenes Selbstverständnis bestimmt. Wenn ein britischer Abgeordneter gefragt würde, was er vertrete, so werde dieser bestimmt antworten: .My constituency". Er sei ebenso als Vertreter der Anliegen einer Region zu betrachten, wie ein belgiseher Abgeordneter, der entweder Flame oder Wallone sei. In seinen weiteren Ausführungen machte er auf die unterschiedlichen Auffassungen zum Europawahlrecht in der Bundesrepublik aufmerksam. Der Aufstellung der Kandidaten durch Landesdelegiertenversammlungen auf Landeslisten, wie sie zur Zeit praktiziert werde, stehe die Forderung nach Bundeslisten gegenüber. Das Argument für die Landeslisten sei, daß diese sich den bestehenden politischen Strukturen anpaßten. Die Befürworter von Bundeslisten argumentierten mit der geringen Zahl von 81 Abgeordneten, die die gesamte Bundesrepublik im Europaparlament repräsentieren müßten. Ebenso wie Lenz äußerte sich auch Tomuschat skeptisch zu der Einrichtung einer Regionalkammer. Er sehe eine Repräsentation regionaler Belange am ehesten durch das Europaparlament gewährleistet. Nach Tomuschat spricht gegen eine Regionalkammer, daß die Länder bereits im Bundesratsverfahren Bedenken hätten, ständig majorisiert zu werden. In einer Regionalkammer würden die Länder jedoch ständig majorisiert werden, denn die deutschen Länder würden strukturell vor allem wegen ihrer überlegenen Staatsqualität in einer Minderheitsposition sein. In einer Regionalkammer könnte man nur mit Mehrheiten entscheiden, d. h. die deutschen Länder müßten Allianzen suchen mit Regionen, die ganz andere Interessen hätten. Ihr Anspruch auf Machterhaltung würde dort in unglaublicher Weise verwässert werden. Bezugnehmend auf die Ansicht von Joseph Kaiser und Eberhard Grabitz, die bei einer Anhörung vor dem Bundesrat dargelegt hätten, daß eine Regionalkammer die Legitimation der Gemeinschaft stärken würde, erklärte Tomuschat, er sehe das ebenso. Er unterstrich jedoch die unterschiedliche Zielsetzung; die Länder würden dann zum Nutzen der Gemeinschaft und nicht zur Stärkung ihrer eigenen Identität eingesetzt.
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In der weiteren Diskussion wurde deutlich, daß sich ein Europa der Regionen am wirkungsvollsten mittels grenzüberschreitender Zusammenarbeit verwirklichen läßt, wofür bereits jetzt zahlreiche Beispiele existieren. Gerstenlauer wies in seinem Diskussionsbeitrag auf eine bestehende Ambivalenz in dieser Kooperation aus der Sicht der Gemeinschaft hin. Das Gemeinschaftsziel der Kohäsion werde durch gewisse Formen der Kooperation nicht gefördert, sondern eher gefährdet. Er nannte hierfür das Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg und der französischen Region Hautes Alpes, bei der sich zwei hochentwickelte Regionen zusammengefunden hätten. Bekanntlich sei die Bundesregierung auch keine Fürsprecherin einer europäischen Forschungspolitik, sondern die Deutschen glaubten, es allein machen zu können. Auf diesen Einwand eingehend bestätigte Hrbek, daß grenzüberschreitende Kooperation in ihrer Intention sich sehr unterschiedlich auf die Integrationsbestrebungen auswirken könne. Wenn man K. W. Deutsch folge in der Frage, was Gemeinschaftsbeziehungen fördert, dann müsse man solche grenzüberschreitenden Beziehungen - Interaktionen - Transaktionen eigentlich als integrationsfördernd ansehen. Im konkreten Falle könne dies jedoch dazu führen, daß zwei Starke immer stärker werden. Derzeit bestünden gerade in der Forschungs- und Technologiepolitik die vielfälligsten Kooperationsmöglichkeiten, sie könnten bilateral aber auch über den EG-Rahmen erfolgen. Man solle sich immer fragen, wie sich Sonderaktivitäten auf Drittstaaten auswirkten. Hrbek unterstrich daher das generelle Dilemma abgestufter Integration, unter der die Gemeinschaft als geschlossener Ordnungs- und Handlungsrahmen ohne Zweifel Schaden nehmen müsse. li. Herausforderungen an die Bundesländer
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion betraf die Herausforderungen, die sich durch die Integrationsziele und -formen der Gemeinschaft an den föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik stellen. Lenz knüpfte dabei zunächst an die Frage an, ob Art. 24 GG geändert werden solle. Diese Fragestellung beinhalte sowohl einen verfassungsrechtlichen als auch einen gemeinschaftsrechtlichen Aspekt. Der verfassungsrechtliche Aspekt bestehe darin, daß nach Ansicht von Lenz Art. 24 GG .nicht isoliert in der Landschaft steht", sondern im Zusammenhang mit der Präambel zu sehen sei, die das Ziel eines geeinten Europas ausdrücklich nenne: das Instrument für die Verwirklichung eines geeinten Europas sei Art. 24 GG. Er bekundete daher seine Zweifel, ob es bei der auf eine Integration angelegten Verfassung zulässig sei, durch eine Änderung des Art. 24 GG die
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Integration zu erschweren. Der gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkt beruhe auf der Verpflichtung aus Art. 5 EWGV, wonach die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen haben, welche die Verwirklichung der Ziele des EWG-Vertrages gefährden könnten. Die Frage, die sich bei einer Änderung des Art. 24 GG stelle, sei, ob damit die Bundesrepublik als Vertragspartei ihre Fähigkeit einschränken würde, am Gemeinschaftsverfahren mitzuwirken. Hrbek stimmte Lenz in dieser Fragestellung zu. Auch wenn 1948/49 die Konsequenzen der Integrationsformel noch nicht absehbar gewesen seien, so beinhalte das Grundgesetz jedoch einen eindeutigen Souveränitätsverzicht zugunsten überstaatlicher Gemeinschaften. Eine Verfassungsänderung in diesem Punkt, so Hrbek, habe jedoch nicht nur innerstaatliche Folgen, sondern würde auch das Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten betreffen. Die Gefahr sei nicht auszuschließen, daß sich die Position der Bundesrepublik im Kreis der Mitgliedstaaten schwäche, wenn durch eine interne Maßnahme die Integration erschwert würde. Tomuschat erörterte im Anschluß an die Fragestellung von Lenz den verfassungsrechtlichen Aspekt im Detail. Danach seien für eine Änderung des Art. 24 GG zwei Modelle in Betracht zu ziehen: Art. 24 GG dahingehend zu ändern, daß jedes Übertragungsgesetz automatisch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder andererseits, daß eine Übertragung von Hoheitsrechten nur im Wege der verfassungsändernden Gesetzgebung mit 2/3 Mehrheit geschehen kann. Für das erste Modell sehe er verfassungsrechtlich überhaupt keine Probleme, da bereits heute 60 % der Gesetze Zustimmungsgesetze seien. Das zweite Modell würde aber den Intentionen des parlamentarischen Rates widersprechen, nach denen die Integration erleichtert werden sollte. Andererseits schütze Art. 79 Abs. 3 GG das Bundesstaatsprinzip, aber nicht das Integrationsprinzip. Eine Erschwerung der Integration, so Tomuschat, wäre vielleicht unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen Verfassungspolitik zu beanstanden, aber unter den Aspekten des Art. 79 Abs. 3 GG ohne Bedenken durchzuführen. Im Hinblick auf das Ziel einer politischen Union der Gemeinschaft reiche Art. 24 Abs. 1 GG sowieso nicht aus. Dem hielt Hrbek entgegen, daß eine Differenzierung unter dem Aspekt, Art. 79 Abs. 3 GG schütze das Bundesstaatsprinzip, aber nicht das Integrationsprinzip, für die politische Praxis nicht wünschenswert sei. Es gehe in der Praxis vielmehr darum, beiden Anliegen gerecht zu werden und zu verhindern, daß zwischen beiden Prinzipien Unverträglichkeiten auftreten könnten.
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Ein besonderer Aspekt des Bundesstaatsprinzips wurde durch einen Diskussionsbeitrag von Schäfer aufgeworfen. Er bezog sich dabei auf das von Hrbek in seinem Referat für berechtigt angesehene Anliegen der Landtage, an der Willensbildung bei EG-Angelegenheiten beteiligt zu werden. Die Wünsche der Landtage kommen in einer Stellungnahme der Landtagspräsidenten zum Ausdruck, in der eine Beteiligung der Landtage entsprechend den Bestimmungen des Art. 2 EEAG gefordert wird. Schäfer führte dazu aus, daß für die Bereiche, für die das Grundgesetz dem Bundesrat ausdrückliche Zuständigkeiten zugewiesen habe, es unstreitig sei, daß die Landtage nicht mit rechtlich verbindlicher Wirkung auf das Stimmverhalten der Landesregierung im Bundesrat Einfluß nehmen könnten. Seiner Ansicht nach habe dasselbe verfassungsrechtlich zu gelten, wenn der einfache Gesetzgeber, wie hier in Art. 2 EEAG, dem Bundesrat bestimmte Mitwirkungsmöglichkeiten in EG-Angelegenheiten zugewiesen habe. Leonardy ergänzte hierzu, daß eine auch im Schrifttum anerkannte Praxis existiere, nach der es zulässig sei, daß Landtage Entschließungen zum Bundesratsverhalten der jeweiligen Landesregierungen fassen. Diesen Entschließungen komme jedoch keine rechtlich bindende Wirkung zu. Im Rahmen der Vorbereitung der Entschließungen habe die Landesregierung jedoch gegenüber dem Landtag gewisse Berichtspflichten. Diese Praxis könne aber nicht dazu führen, Art. 2 EEAG schlicht auf das Verhältnis Landtag/Landesregierung zu übertragen, denn Art. 2 EEAG regele ein ganz anderes Verfassungsverhältnis. Hrbek kommentierte die Frage der Beteiligung der Landtage mit der Bemerkung, daß in der Stellungnahme der Landtagspräsidenten der klassische Konflikt Exekutive/Legislative zum Ausdruck komme. Die Gesamttendenz zeige, daß die Landesparlamente .etwas sehr" an den Rand gedrängt würden. Auf die Vorbereitung von EG-Angelegenheiten hätten die Landtage überhaupt keinen Einfluß. So sei das Begehren der Landtage verfassungspolitisch voll systemgerecht Hrbek machte weiterhin einige ergänzende Bemerkungen in bezugauf das Zusammenwirken von Bundesregierung und Ländern in der Europapolitik. Die sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen, von denen beide Seiten ausgingen, zeigten eine bedenkliche Entwicklung. Die Bundesregierung fürchte viel zu stark und völlig unangemessen, eingegrenzt zu werden. Ausdruck hierfür sei die praxiswidrige und abstruse Forderung, daß der gesamte Schriftverkehr, der aus einem Land in Richtung Brüssel gehe, sozusagen auf dem Dienstweg über das Auswärtige Amt laufen solle. Auch wenn diese Forderung nicht ernsthaft verfolgt würde, sei es schon alarmierend, daß so etwas überhaupt eine Rolle spiele. Mit dem Prinzip der Bundestreue seien solche Bestrebungen unvereinbar, da dieses Prinzip auf Gegenseitigkeit beruhe. Hrbek kritisierte ebenso die kaum abgrenzbaren Forderungen der
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Länder nach Informationszugang. Beide Seiten würden bedauerlich gegensätzlich an das Problem herangehen. Derartige Entwicklungen seien nicht vereinbar mit einem gut verstandenen Föderalismus. III. Anwendung von Gemeinschaftsrecht
In den Mitgliedstaaten mit einem föderalen oder regionalen Staatsaufbau stellt sich neben dem Problem der Einbeziehung der Länder und Regionen in die Vorbereitung der EG-Politik auch das Problem der Anwendung des durch den EG-Ministerrat beschlossenen Gemeinschaftsrechts durch diese Gebietseinheiten. Die mit legislativen Kompetenzen ausgestatteten Länder und Regionen sind in einer Vielzahl von Fällen nach internem Verfassungsrecht zuständig für die Rechtsumsetzung von Richtlinien sowie für die administrative Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Frau Kromarek machte in diesem Zusammenhang auf bestehende Umsetzungsprobleme bei Richtlinien aufmerksam. Als ein Beispiel führte sie Belgien an. Als einziger Mitgliedstaat sei Belgien für die Nichtumsetzung einer Richtlinie, die in der ausschließlichen Kompetenz der Regionen gelegen habe, zweimal verurteilt worden. Sie nannte weiterhin ein Beispiel aus der Bundesrepublik. Hier seien zwei Richtlinien aus dem Bereich des Gewässerschutzes, die Muschel- und Süßwasserfisch-Richtlinie, aufgrundder Weigerung der Länder nicht in der erforderlichen Weise in das deutsche Recht umgesetzt worden. Im Fall der Süßwasserfisch-Richtlinie (78/659) sei zwar die Rahmengesetzgebung durch den Bundesgesetzgeber angepaßt worden, die Länder weigerten sich jedoch, die zum Vollzug erforderlichen Rechtsverordnungen zu erlassen. Eine Nachfrage von Blanke an den italienischen Referenten und die spanische Referentin betraf- mit Blick auf derartige Umsetzungsschwierigkeiten - die Möglichkeiten der italienischen und spanischen Zentralregierungen, Abhilfe zu schaffen. Für Italien bestätigte Dusi die bestehende Furcht des Zentralstaates, daß die Regionen Richtlinien insbesondere nicht fristgemäß umsetzen. Die italienische Regierung sei daher auf die Lösung verfallen, daß, wenn eine Region der Verpflichtung zur Rechtsumsetzung nicht ordnungsgemäß nachkomme, der Zentralstaat kraft seiner Vertragsschließungskompetenz und seiner Verpflichtung, die geschlossenen Verträge einzuhalten, das Recht für sich in Anspruch nehme, die entsprechende Regelung anstelle der Region zu erlassen. Derartige Fälle seien in der Praxis bereits auch schon vorgekommen. Montaro Chiner erklärte, daß dies in Zukunft ebenso für Spanien ein gravierendes Problem darstellen werde. Bis jetzt seien allerdings noch
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keine Fälle von Untätigkeit der Autonomen Gemeinschaften vorgekommen. Das Problem werde sich vor allem bei den ausschließlichen legislativen Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften stellen. Die Abhilfemöglichkeiten durch den Zentralstaat seien juristisch noch umstritten. Art. 155 der spanischen Verfassung gebe der Zentralregierung die Kompetenz, eine Autonome Gemeinschaft zwangsweise zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Er könnte daher in solchen Fällen zur Anwendung kommen. Lenz wies in der Diskussion überdies auf die Rechtsprechung des EuGH zur direkten Wirkung von Richtlinien im Fall ihrer Nichtumsetzung hin. Danach könne sich jeder Bürger eines Mitgliedstaates auf den Richtlinieninhalt berufen, wenn die Richtlinie selber klar und eindeutig sei und keiner weiteren Umsetzungsakte ihres Inhaltes wegen bedürfe. Bei ausfüllungsbedürftigen Richtlinien würde, so Lenz, dieser Direkteffekt jedoch nichts nützen. Als Beispiel für einen nicht vorhandenen Direkteffekt nannte er das jüngst ergangene Urteil des EuGH zur Wirkung des Assoziationsabkommens der EG mit der Türkei.
Aufgabenverflechtung zwischen Europäischer Gemeinschaft, Bund und Ländern, dargestellt am Belspiel des Umweltschutzes Von Ludwig Krämer•
I. Einleitung Bis zur Änderung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) 1987 durch die Einheitliche Europäische Akte kamen Begriffe wie •Umwelt", .Schutz der Umwelt", •Umweltpolitik" im EWG-Vertrag nicht vor. Art. 2 des Vertrages umreißt allgemein die Aufgabe der Gemeinschaft, nämlich .durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind. • Schon bald nach Gründung der EWG setzte sich indessen die Erkenntnis durch, daß die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit einem Gemeinsamen Markt, in dem einzelstaatliche Grenzen nicht mehr unbedingt wirtschaftliche Grenzen sind, auch Regelungen auf Gemeinschaftsebene erforderten, die den Schutz des Menschen und der Umwelt bezweckten 1• Jedenfalls seit Ende der Übergangszeit für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes (Art. 8) entfaltete die Gemeinschaft daher mehr und mehr Aktivitäten zum Schutz der Umwelt. Bereits 1967 wurde die Richtlinie 67/548 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe angenommen2 • 1970 verabschiedete der Rat Richtlinien über den Geräuschpegel und Emissionen von Kraft• Der Verfasser vertritt nur seine eigene Auffassung und nicht die der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. 1 Vgl. zur Entwicklung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik E. Rehbinder!D. Stewart, Environmental Protection Policy, Berlin/New York 1985, S. 15 ff.; L. Krämer, .Umweltpolitik", Rz 1 ff., in: v. d.Groeben/v.IBoeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zumEWG-Vertrag, 3. Auflage, Baden-Baden 1983. 2 Abi. EG 1967; Nr. L 196, S. 1; 6. Änderung ABI. EG 1979, Nr. L 259, S. 10.
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fahrzeugen 3 . 1971 sandte die Kommission eine erste Mitteilung über eine gemeinschaftliche Umweltpolitik an den Rat4• 1972 stellte die Konferenz der Staats- und Regierungschefs fest 5 : .. Das wirtschaftliche Wachstum, das kein Ziel an sich ist, muß in erster Linie dazu beitragen, die Unterschiede in der Lebenshaltung zu mildern. Es muß unter Mitwirkung aller sozialen Partner verfolgt werden. Es muß sich in einer Verbesserung der Lebensqualität wie des Lebensniveaus ausdrücken. Entsprechend der europäischen Tradition ist den nichtwirtschaftlichen Werten und dem Schutz der Umwelt besondere Aufmerksamkeit zu widmen, damit der Fortschritt dem Menschen zugute kommt."
Das erste Umweltprogramm der Gemeinschaft wurde 1973 angenommen6 ; ihm folgten 19777, 1981 8 und 19879 drei weitere. Trotz der angeführten und anderer politischer, rechtspolitischer und rechtlicher Erklärungen blieb die Zuständigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Umwelt umstritten. Kritiker sprachen der Gemeinschaft insbesondere die Zuständigkeit ab, eine allgemeine, umfassende und zusammenhängende Umweltpolitik auf Gemeinschaftsebene zu konzipieren und durch Verordnungen oder Richtlinien abzusichern. Allenfalls punktuelle Maßnahmen sollten erlaubt sein. Die Organe der Gemeinschaft haben diesen eher akademischen Bedenken zu Recht keine übermäßige Bedeutung beigemessen. Die ersten drei gemeinschaftlichen Umweltprogramme, die sowohl von der Gemeinschaft als auch von den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten beschlossen wurden, vermieden das detaillierte Eingehen auf das Thema der rechtlichen Zuständigkeit. Die einzelnen Richtlinien wurden als solche angenommen, ohne besondere Klärung der grundsätzlichen Fragen der Zuständigkeiten. Konnte sich der Rat auf die Annahme eines bestimmten Richtlinienvorschlags der Kommission nicht einigen, so blieb offen, ob dies aus Gründen der Zuständigkeit, aus wirtschaftlichen oder politischen oder aus anderen Gründen geschah. Teilweise hat die Kommission auch von ihr angekündigte Vorschläge für rechtliche Regelungen nicht vorgelegt. In den Mitgliedstaaten selbst sind zwar gelegentlich Zweifel an der Zuständigkeit der Gemeinschaft für Umweltfragen allgemein oder für einzelne Bereiche der 3 Richtlinie 70/157 (Geräuschpegel),ABl. EG 1970, Nr. L 42, S. 16; Richtlinie 701220 (Emissionen), ABl. EG 1970, Nr. L 76, S. 1. 4 Erste Mitteilung der Kommission über die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes, SEK (71) 2616 endg. vom 22.07.1971. 5 Kommission, 6. Gesamtbericht (1972), S. 8 (vom Verf. aus dem franz. Text übersetzt). 6 ABLEG 1973, Nr. C 112, S. 1. 1 ABl. EG 1977, Nr. C 139, S. 1. 8 ABl. EG 1981, Nr. C 305, S. 2. 9 ABl. EG 1987, Nr. C 328, S. 1.
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Umweltpolitik geäußert worden 10• Doch hat in der Vergangenheit kein einziger Mitgliedstaat jemals von dem in dem EWG-Vertrag in Artikel 173 vorgesehenen Verfahren 11 Gebrauch gemacht und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage herbeigeführt, ob die Gemeinschaft für den Erlaß dieser oder jener Richtlinie zuständig gewesen sei. Das mag allerdings auch an dem Umstand gelegen haben, daß die - regelmäßig auf Art. 100 oder 235 oder beide Vorschriften des Vertrages gestützten Richtlinien einstimmig vom Rat angenommen worden waren, der Mitgliedstaat sich also mit einer Klage zu seinem eigenen Verhalten im Rat in Widerspruch gesetzt hätte. Mehrfach haben sich allerdings Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof in einem Verfahren nach Artikel 169 gegen den Vorwurf der Kommission, eine Richtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt zu haben, mit dem Einwand verteidigt, die Gemeinschaft sei für den Erlaß der entsprechenden Richtlinie überhaupt nicht zuständig gewesen. Für Umweltfragen ist der Gerichtshof, soweit ersichtlich, erstmals in der Rechtssache 91/79 auf dieses Argument eingegangen 12. Hierzu hat er ausgeführt, ohne auf die gegen die Zulässigkeil einer solchen Prüfung aus Artikel 184 des Vertrages herzuleitenden Bedenken einzugehen: .Zum Vorbringen der italienischen Regierung über die fragliche Zuständigkeit der Gemeinschaft ist zu bemerken, daß die Richtlinie nicht nur im Rahmen des Aktionsprogramms der Gemeinschaften für den Umweltschutz ergangen ist. Sie fügt sich ebenfalls in das vom Rat am 29. Mai 1969 verabschiedete Allgemeine Programm zur Beseitigung der technischen Hemmnisse im W arenverkehr, die sich aus Unterschieden in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben, ein. Insofern stützt sie sich rechtswirksam auf Artikel100. Außerdem ist keineswegs ausgeschlossen, daß Umweltschutzbestimmungen ihre Rechtsgrundlage in Artikel 100 EWG-Vertrag finden können. Gesundheits- und umweltschutzrechtliche Vorschriften können die von ihnen betroffenen Unternehmen belasten; mangels einer Angleichung der diesbezüglichen einzelstaatlichen Bestimmungen könnte der Wettbewerb spürbar verfälscht werden."
In der Rechtssache 240/83 warf das nationale, nach Artikel 177 vorlegende Gericht die Frage der Vereinbarkeil einzelstaatlicher Regelungen über Altöl mit den Grundsätzen der grundrechtliehen Handelsfreiheit, des freien W a10 Vgl. etwa Select Committee on the EC Communities, House of Lords, Approximation of Laws under Article 100 of the Treaty of Rome, London1979; Environment problems and the Treaty of Rome, London 1979; zuletzt Schmidhuber (seinerzeit bay. Staatsminister), Bundesrat, Sten. Berichte, 564. Sitzung vom 16.05.1986, S. 306. 11 Artikel 173: Der Gerichtshof überwacht die Rechtmäßigkeit des Handeins des Rates und der Kommission. Zu diesem Zweck ist er für Klagen zuständig, die ein Mitgliedstaat ... wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung dieses Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs erhebt ... Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben. 12 EuGH Slg. 1980, 1099, 1106.
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renverkehrsund des freien Wettbewerbs auf. Der Gerichtshof erklärte zu der Rechtmäßigkeit der Richtlinie 75/439 (Altöle) 13 : .Die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs sowie die grundrechtliche Handelsfreiheit stellen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dar, über deren Einhaltung der Gerichtshof wacht. Die erwähnten Vorschriften der Richtlinie sind also anband dieser Grundsätze zu prüfen ... Der Grundsatz der Handelsfreiheit gilt nicht absolut; er ist bestimmten Beschränkungen unterworfen, die durch die von der Gemeinschaft verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziele gerechtfertigt sind, sofern das Wesen dieser Rechte nicht beeinträchtigt wird. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Richtlinie diese Beschränkungen außer acht gelassen hätte. Sie fällt nämlich in den Rahmen des Umweltschutzes, eines wesentlichen Zieles der Gemeinschaft."
An anderer Stelle dieser Entscheidung spricht der Gerichtshof vom gemeinschaftlichen Umweltschutz als einem .im Allgemeininteresse liegenden Ziel", das Einschränkungen der .fundamentalen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts" - Handelsfreiheit, freier Warenverkehr, Wettbewerbsfreiheit - rechtfertige. II. Die Elnheltllche Europäische Akte Die Einheitliche Europäische Akte, von einer Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten unter Beteiligung der EG-Kommission aufgrundeines 1985 erteilten Mandates ausgearbeitet, 1986 gezeichnet und am 1. Juli 1987 in Kraft getreten, hat in den EWG-Vertrag einen neuen Abschnitt .Umwelt" eingefügt; daneben wird die Umwelt auch in dem neu eingefügten Artikel 100a erwähnt14• Diese neuen Bestimmungen enthalten ebenfalls keine Definition der Begriffe .Umwelt", .Umweltpolitik" oder .Umweltrecht". Artikel 130 r Abs. 1 des Vertrages beschränkt sich darauf, die Ziele der Umweltpolitik der Gemeinschaft zu beschreiben. Dieser Ansatz läßt, wie bisher schon der ursprüngliche EWG-Vertrag, die Grenzen der gemeinschaftlichen Zuständigkeit offen. So lassen sich etwa Regelungen im Bereich der Biotechnologie unschwer unter die beiden ersten Zielsetzungen der Umweltpolitik Schutz und Erhaltung der Umwelt, Beitrag zum Schutz der menschlichen Gesundheit - einordnen. Auch eine geographische oder räumliche Beschränkung enthält Artikel 130 r Abs. 1 nicht: weder ist die Gemeinschaft daran gehindert, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt in den Entwicklungsländern, in der Atmosphäre oder in internationalen Gewässern zu ergreifen; dies ergibt sich auch aus Artikel130 r Abs. 5, nach dem die Gemeinschaft mit 13 14
EuGH Slg. 1985, 531, 548 f. Vgl. den Text der Artikel 130 r bist und 100 a der EEA.
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dritten Ländern und internationalen Organisationen zusammenarbeiten soll. Noch ist innerhalb der Gemeinschaft die Befugnis zu Maßnahmen der EWG auf grenzüberschreitende Probleme der Umweltverschmutzung oder der Umweltvorsorge beschränkt. Da es nur eine einzige und nicht etwa eine gemeinschaftliche und eine davon getrennte oder unterschiedene einzelstaatliche - oder gar eine regionale! - Umwelt gibt, kommt es für die Abgrenzung der gemeinschaftlichen .Befugnisse"- diesen Ausdruck verwendet Artikel 130 r Abs. 5 - und Aufgaben von den Befugnissen der Mitgliedstaaten allein auf Artikel130 r Abs. 4 an. Auf diese Frage wird unten (III.) eingegangen. Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Umwelt hat einige Grundsätze (Art. 130 r Abs. 2) und Rahmenbedingungen (Abs. 3) zu beachten. Dabei hat die in Abs. 2 gewählte Formulierung, die Politik zum Schutz der Umwelt .unterliegt dem Grundsatz ... • einen eher politischen als rechtlichen Gehalt. So wichtig, anerkennenswert und bedeutsam das Vorbeugeprinzip, das Verursacherprinzip und der Gedanke sind, Verschmutzungen an ihrem Ursprung zu bekämpfen - bei der Ausgestaltung einzelner Gemeinschaftsregelungen wird sich kaum ein Mitgliedstaat auf die genannten Grundsätze berufen können. Bereits das Erfordernis, Umweltvorschriften schrittweise einzuführen, die Notwendigkeit, den wirtschaftlichen und regionalen Realitäten Rechnung zu tragen und die Möglichkeit, Kostenbelastungen über den Preis abzuwälzen, weisen die Schwierigkeiten aus, aus den Grundsätzen konkrete rechtliche Folgen herzuleiten; aus der bundesdeutschen innerstaatlichen Diskussion seien die Einführung eines W asserpfennigs, die Entsorgung von Kernenergieanlagen oder das Verbot von Einwegflaschen erwähnt, um etwa die Probleme einer konsequenten Anwendung des Verursacherprinzips anzudeuten. Art. 130 r Abs. 3 bestimmt, daß die Gemeinschaft bei der Erarbeitung ihrer Umweltmaßnahmen bestimmte Grundsätze berücksichtigen soll, nämlich die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten; die Umweltbedingungen in den Regionen; die Vorteile und Belastungen einer Maßnahme oder die mit einem Unterlassen einer Maßnahme verbundenen Auswirkungen; die ausgewogene Entwicklung der Regionen. Auch Abs. 3 verlangt lediglich ein Berücksichtigen der dort genannten Rahmenbedingungen, nicht aber, daß die Maßnahmen der Gemeinschaft diesen Bedingungen vollständig entsprächen. Rechtliche Folgerungen aus einem Unterlassen einer angemessenen Berücksichtigung einer der Bedingungen dürften sich kaum ergeben. Hinzuweisen ist insbesondere auf das Erfordernis, .die Vorteile und die Belastung aufgrund der Maßnahmen bzw. ihrer Unterlassung" zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu einer zunächst 13 Speyer 103
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vorgeschlagenen Formulierung verlangt die Vorschrift keine Kosten-Nutzen-Analyse, sondern willlediglich ein Abwägen der Vor- und Nachteile einer geplanten Maßnahme vorgenommen wissen. Auch insoweit legt die Einheitliche Akte keine näheren Kriterien fest. Jedenfalls erscheint ein Abstellen allein auf die Kostenbelastungen für die wirtschaftlichen Anbieter zu eng. Entscheidungen im Bereich der Umwelt trifft der Rat nach Artikel 130 s einstimmig. Doch kanner-ebenfalls einstimmig- beschließen, mit Mehrheit tätig zu werden (Abs. 2). Aus dem Wortlaut der Vorschrift geht eindeutig hervor, daß nicht so sehr die Annahme einzelner Richtlinien oder Verordnungen infrage steht, sondern Entscheidungen über die Frage, welche Probleme auf Gemeinschaftsebene im Gegensatz zur einzelstaatlichen Ebene angepackt werden sollen. Deswegen kann etwa der Rat bei Annahme eines umweltpolitischen Programms beschließen, über Maßnahmenaufgrund des Programms oder aufgrundeinzelner Abschnitte des Programms mehrheitlich zu entscheiden. Da andere Regeln über Entscheidungsverfahren fehlen, ist - auch angesichts des Wortlauts des Artikels 130 t - davon auszugehen, daß Artikel 130 s auch einzelne Maßnahmen, nicht nur Tätigkeitsfelder erfaßt. Das Instrument der gemeinschaftlichen Umweltregelung - Verordnung, Richtlinie, Entscheidung - ist nicht festgelegt. Die Gemeinschaft darf nunmehr also auch Verordnungen zum Schutz der Umwelt erlassen, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten (Art. 189). Eine solche Möglichkeit besaß die Gemeinschaft in der Vergangenheit bei Regelungen, die sich auf Artikel 235 des Vertrages stützen. Doch hat der Rat im Umweltbereich bisher nur ganz selten Verordnungen erlassen. Die Vorschrift des Art. 130 s Abs. 1 ist als Muß-Bestimmung, nicht als Kann-Bestimmung formuliert. Liegen die Voraussetzungen des Art. 130 r vor, so hat der Rat über ein Tätigwerden zu beschließen. Anderenfalls würde der Rat der Gemeinschaft die Erfüllung einer ihrer Aufgaben im Bereich der Umweltpolitik unmöglich machen. Gleichgültig, ob der Rat einstimmig oder mehrheitlich entscheidet: in jedem Fall kann jeder Mitgliedstaat gemäß Art. 130 t verstärkte Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen oder beibehalten. Nur müssen diese Maßnahmen mit dem Vertrag vereinbar sein, dürfen also insbesondere weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen (Art. 36 S. 2; ähnlich nunmehr auch die Formulierung in Art. 100 a Abs. 4 S. 2). Aus Art. 130 t und aus dem Fehlen einer dem Art. 100 a Abs. 3 entsprechenden Vorschrift, nach der die Kommission in ihren Vorschlägen im Umweltschutz von einem hohen Schutzniveau auszugehen hat, ließe sich ableiten, daß der neue Abschnitt .Umwelt" lediglich Raum läßt für Gemeinschaftsregelungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Denn jeder Mitgliedstaat könnte ja
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selbst zusätzliche strengere Regelungen schaffen, falls er dies zum Schutz seiner Umwelt für notwendig erachtet. Dabei ist indessen zunächst zu beachten, daß der Art. 130 r Abs. 4 eine Regelung auf Gemeinschaftsebene verlangt, .soweit" derartige Regelungen sachgerechter zum Schutz der Umwelt sind, nicht etwa .falls" ein besserer Schutz der Umwelt erreicht werden kann. Diese Bestimmung erörtert also nicht nur die Frage, ob überhaupt auf Gemeinschaftsebene Regelungen ergehen sollen, sondern auch, in welchem Umfang und in welcher Intensität derartige Maßnahmen zu treffen sind. Bereits diese Überlegung spricht dagegen, eine Gemeinschaftsregelung lediglich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zuzulassen. Ferner ist zu beachten, daß bereits vor lokrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte der Schutz der Umwelt Teil der in Art. 2 des Vertrages angesprochenen Aufgaben der Gemeinschaft war, und daß die auf Art. 100 wie auch die auf Art. 235 gestützten Gemeinschaftsregelungen regelmäßig auf einem höheren als dem kleinsten gemeinsamen Nenner getroffen worden sind 15. Die Einheitliche Akte hat, auch für den Umweltbereich, die gemeinschaftliche Verantwortung verbessert, nicht aber verschlechtert. Es gibt keinen Anhaltspunkt in der gesamten Einheitlichen Europäischen Akte, aus dem sich ableiten ließe, daß bisherige Zuständigkeiten der Gemeinschaft im Umweltbereich auf die Mitgliedstaaten zurückübertragen werden sollten16. Im Gegenteil folgt aus Art.130 r Abs. 2 S. 2 -.die Erfordernisse des Umweltschutzes sind Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft" -, daß die Umweltpolitik nach Art. 130 reinen überragend hohen Stellenwert in der Politik der Gemeinschaft besitzt. Denn eine dem Art. 130 r Abs. 2 Satz 2 entsprechende Vorschrift gibt es für keine andere Politik der Gemeinschaft, weder im ursprünglichen noch im geänderten EWG-Vertrag, weder für Grundsätze der W ettbewerbspolitik, des Schutzes der kleinen und mittleren Unternehmen, der Industriepolitik noch des Verbraucherschutzes. Würde Art. 130 r bist nur Regelungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zulassen, so würde die Vorschrift des Art. 130 r Abs. 2 S. 2 leerlaufen, da ohnehin bereits jetzt in jede Regelung auch irgendwelche Umweltüberlegungen einfließen. Aus Art. 130 r Abs. 2 S. 2 und 100 a Abs. 3 ist demnach allgemein das Erfordernis einer Umweltpolitik auf Gemeinschaftsebene abzuleiten, die auf einem hohen Schutzniveau steht. Zu diesem Ergebnis gelangt auch der Rat in seiner Entschließung zum 4. Umweltprogramm der Gemeinschaft vom 19.10.1987, in der er formuliert: •... erinnert schließlich daran, daß die Kommission in ihren Vorschlägen insbesondere zur Gesundheitspolitik und zum Umweltschutz von einem hohen Schutzniveau 15 Ebenso Rehbinder in E. Rehbinder!D. Stewart (Anm. 1), S. 333; E. Rehbinder, D. Stewart, European Environmental Law, The American Journal of Comparative Law 1985, s. 371' 400 ff. 16 Anders z. T. Gesellschaft für Umweltrecht, Dokumentation zur10. wissenschaftlichen Fachtagung Berlin 1986, Berlin 1987, S. 143 (Diskussionsbericht). 13'
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ausgeht, wie dies in den einschlägigen Bestimmungen der Einheitlichen Europäischen Akte vorgesehen ist" 17•
Soweit es um Gemeinschaftsregelungen nach Art. 130 s geht, bleibt indessen das Erfordernis bestehen, darzulegen, warum eine über die Mindestregelung hinausgehende Lösung gerade auf Gemeinschaftsebene zu ergehen hat und nicht den Mitgliedstaaten überlassen bleiben kann. Insoweit ergeben sich erneut Rechtfertigungen für ein Tätigwerden aus dem unterschiedlichen Stellenwert der Umweltpolitik und strenger Umweltschutzregelungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten sowie aus dem unausweichlichen zeitlichen und inhaltlichen Auseinanderlaufen von einzelstaatlichen Regelungen und ihren negativen Rückwirkungen auf die Gemeinschaft insgesamt. Wie angedeutet, werden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt auch in dem neuen Art. 100 a des Vertrages erwähnt. Er steht im Zusammenhang mit der Vollendung des gemeinschaftlichen Binnenmarktes bis Ende 1992. Hierzu bestimmt Art. 8 a Abs. 2: .Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist."
Zur Verwirklichung der Ziele des Art. 8 a soll der Rat nach Art. 100 a .in Abweichung von Artikel 100" mit Mehrheit entscheiden können. Art. 100 a Abs. 3 verpflichtet die Kommission, bei ihren Vorschlägen zum Umweltschutz von einem hohen Schutzniveau auszugehen. Für die Tragweite dieser Regelung ist es wichtig, daran zu erinnern, daß Abs. 3 von der Konferenz der Staats- und Regierungschefs, die im Dezember 1985 den endgültigen Text der Einheitlichen Akte erarbeitete, in letzter Minute eingefügt wurde. Umweltmaßnahmen der Gemeinschaft können also wie bisher auf Art. 100, daneben auch auf Art. 100 a gestützt werden. Der in der Regierungskonferenz ursprünglich gemachte Vorschlag, die Kommission sollte von dem .höchsten" Schutzniveau ausgehen, hat in den endgültigen Vertragstext keinen Eingang gefunden. Zudem ist zu beachten, daß die Kommission von einem hohen Schutzniveau .auszugehen" hat; ihr Vorschlag muß also nicht unbedingt selbst dieses hohe Schutzniveau enthalten. Denn selbstverständlich hat die Kommission auch Vorschläge zu machen, die Aussicht haben, im Europäischen Parlament und im Rat eine Mehrheit zu finden. Es macht wenig Sinn, Vorschläge mit hohem Schutzniveau vorzulegen, die von der Realität einzelstaatlicher Praxis zu weit entfernt sind. Die Vorschrift des Art. 100 a Abs. 3 ist, soweit ersichtlich, die einzige Vorschrift im gesamten geänderten Vertrag, die der Kommission für ihre Vorschläge für Richtlinien oder Verordnungen Qualitätsauflagen erteilt. Auch dies unterstreicht die besondere Bedeutung, die den in Abs. 3 genannten Rechtsgütern nach 17
Rat (Anm. 9) S. 2.
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Auffassung der Verfasser des Vertrages zukommt. Gleichzeitig hebt die Vorschrift die Bedeutung der Kommission für eine Umweltpolitik auf hohem Niveau hervor. Wegen des hohen Maßes an Ermessen hinsichtlich der rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fragen, das die Kommission für die Anwendung des Abs. 3 besitzt undangesichtsdes unbestimmten Wortlauts - .hohes Maß", .geht aus" -ist kaum vorstellbar, daß ein Mitgliedstaat die Kommission wegen Verletzung der Vorschrift des Art. 100 a Abs. 3 vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Sollte indessen das Klagerecht des Europäischen Parlaments nach Art. 173 des Vertrages seine Anerkennung finden, wird die Lage möglicherweise anders zu beurteilen sein 18• 111. Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten Bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft von denen der Mitgliedstaaten im Bereich der Umwelt sind zum einen die Konzipierung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik, zum anderen ihre Finanzierung und schließlich die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene beschlossenen Maßnahmen zu untersuchen. Art. 130 r Abs. 4 des Vertrages bestimmt: .Die Gemeinschaft wird im Bereich der Umwelt insoweit tätig, als die in Absatz 1 genannten Ziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten ... "
Weit verbreitet ist die Auffassung, mit dieser Bestimmung werde ein Subsidiaritätsgrundsatz in den Abschnitt über die Umwelt eingeführt. Gegen diese Bezeichnung, die sich im Text des Vertrages nicht findet und wohl ursprünglich aus kirchenrechtlichen Ordnungslehren stammt, ist nichts einzuwenden, solange aus dem Begriff der Subsidiarität keine Folgerungen gezogen werden - was anscheinend jedoch nicht stets vermieden wird. Demgegenüber ist Art. 130 r Abs. 4 eher als politische Orientierung für die Gemeinschaft denn als rechtlich umrissene Norm zu sehen, die die Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten eindeutig und auf Dauer voneinander abgrenzt. Für die Art. 100 und 235 des Vertrages ist es herrschende Auffassung, daß die Frage, ob eine Gemeinschaftsmaßnahme zur Errichtung oder zum Funktionieren des Gemeinsamen Marktes .notwendig" (Art. 100) oder .erforderlich" (Art. 235) ist, der juristischen Auslegung letztlich kaum zugänglich ist. Gleiches wird für den Art. 130 r Abs. 4 gelten müssen. Diese Interpretationsschwierigkeiten bei den Normen, die 18 Vgl. hierzu Europäisches Parlament, Entschließung vom 9.10.1986 zur Zulässigkeit von Klagen des Europäischen Parlaments nach Art. 173 EWG-Vertrag, ABI. EG 1986, Nr. C 283, S. 85.
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die Gemeinschaft zum Handeln ermächtigen, stammen entscheidend aus der dynamischen Natur der Gemeinschaft, die eine "ständige" Hebung des Lebensstandards und eine .beschleunigte Wirtschaftsausweitung" bezweckt; in der das Ziel der Gründungsverträge .weitergeführt" werden und die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Staaten .umgewandelt" werden soll (Präambel zur Einheitlichen Akte); in der das Bemühen gilt, "immer mehr" mit einer Stimme zu sprechen und geschlossen und solidarisch zu handeln (Präambel zur Einheitlichen Akte); in der mit dem Verfolgen neuer Ziele die wirtschaftliche Lage und das Funktionieren der Gemeinschaft "verbessert" werden sollen (Präambel zur Einheitlichen Akte); in der konkrete "Fortschritte" auf dem Weg zur Europäischen Union erreicht werden sollen (Artikel 1 der Einheitlichen Akte). Dieser dynamische Charakter der politischen und rechtlichen Tätigkeit unterscheidet die Gemeinschaft grundlegend und deutlich von einer einzelstaatlichen Verfassung, in der die Zuständigkeitsverteilungen zwischen den Verfassungsorganen, aber auch - in einem föderalen Staat - zwischen Bundesstaat und Gliedstaat grundsätzlich statisch angelegt sind und gerade nicht veränderbar sein sollen. Eine Politik der Rechtsangleichung, also eine Angleichung der Vorschriften der Gliedstaaten durch einen Bundesstaat ist kaum vorstellbar, findet sich jedenfalls, soweit ersichtlich, in keiner der bestehenden föderalen Verfassungen. Schon im ursprünglichen EWG-Vertrag war dagegen eine derartige Politik der Rechtsangleichung, die ja immer auch ein Infragestellen der von dem einzelstaatlichen Gesetzgeber getroffenen Abwägung darstellt, vorgesehen. Aus alledem wird deutlich, daß eine Auslegung des Art. 130 r Abs. 4 mit Maßstäben einzelstaatlichen Verfassungsrechts- Kompetenznorm, Subsidiaritätsklausel- der Tragweite der Vorschrift kaum gerecht wird. Gegen das Verständnis des Art. 130 r Abs. 4 als einer primär kompetenzverteilenden Regel sprechen auch folgende Gesichtspunkte: ob ein Ziel.besser" auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten, läßt sich abstrakt und vor Wirksamwerden der jeweiligen Maßnahme kaum feststellen. Angenommen, die Gemeinschaft wolle zum Schutz der Ozonschicht der Erde die Herstellung und Verwendung von Chlorfluorkohlenwasserstoffen (CFC) in der Gemeinschaft verbieten: wie soll die Kommission, die ja einen entsprechenden Richtlinienvorschlag ausarbeiten und vorlegen muß, darlegen und beweisen, daß eine Gemeinschaftsmaßnahme die Ozonschicht besser schützt als entsprechende Maßnahmen der Mitgliedstaaten? Sollte die Kommission ihre Zuständigkeitsie allein hat ja ein Initiativrecht, das zudem unabhängig von einer Zuweisung durch den Rat ist - durch den Europäischen Gerichtshof klären lassen? Soll sie einen Mitgliedstaat, der die Gemeinschaft für unzuständig hält, gegebenenfalls wegen Verletzung des Vertrages verklagen müssen? Kann umgekehrt ein Mitgliedstaat die Kommission wegen Untätigkeit verklagen, wenn die Kommission eine Zuständigkeit verneint und ein Tätig-
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werden ablehnt, der Mitgliedstaat sie aber bejaht? Zuständigkeitsregelungen müssen eine rechtliche Beurteilung, wer zuständig ist, vor Inangriffnahme einer Maßnahme gestatten. Ob ein Umweltschutz aber .besser" auf Gemeinschaftsebene oder auf einzelstaatlicher Ebene verwirklicht werden kann, stellt sich regelmäßig dann heraus, wenn die Lösung bekannt ist, zu der der Rat -möglicherweise nach jahrelangen Erörterungen gelangt ist. Selbst dann bleibt die Frage nach dem .besseren" Schutz rechtspolitische Spekulation, weil ein objektives Urteil allenfalls post factum möglich ist. Stellt sich Jahre nach Annahme einer Richtlinie heraus, daß die Ziele nach Art. 130 r doch .besser" durch einzelstaatliche Maßnahmen hätten erreicht werden können, dann müßte der Europäische Gerichtshof die Richtlinie - etwa in einem Verfahren nach Art. 177 des Vertrages - für nichtig erklären, weil die Gemeinschaft nicht zuständig gewesen sei - ein offenbar unmögliches Ergebnis. Wäre schließlich Art. 130 r Abs. 4 als Kompetenznorm anzusehen, dann würde nach Art. 130 s Abs. 1 der Rat die Kompetenzen zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft verteilen - und zwar mit bindender Wirkung. Sollte dann eine unrichtige Kompetenzzuweisung des Rates für den einzelnen Mitgliedstaat bindend sein? Handelt es sich aber in Art. 130 r Abs. I lediglich um eine Erklärung, wer in Umweltfragen in welcher Form entscheidet, dann spricht alles dafür, auch Art. 130 r Abs. 4 entsprechend als (politische) Erklärung anzusehen, zumal in beiden Bestimmungen von einem Tätigwerden die Rede ist. All diese Fragen, Folgerungen und Ergebnisse führen zu der Konsequenz, in Art. 130 r Abs. 4 in erster Linie eine politische Leitlinie für die Organe der Gemeinschaft .:._ insbesondere Rat, Kommission und Europäisches Parlament - zu sehen, an der sich die Gemeinschaft im Rahmen ihres politischen und rechtspolitischen Handeins auszurichten hat. Konkretisiert wird diese Leitlinie durch Beschlüsse, Programme, Entschließungen und andere Maßnahmen des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission, mit denen die Maßnahmen der Gemeinschaft geplant und in Angriff genommen werden. Bei der auch dann vorzunehmenden politischen Abwägung, wie die Umwelt innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft am besten erhalten, geschützt oder verbessert werden kann, sind alle Gesichtspunkte des Umweltschutzes zu berücksichtigen. Dazu gehört etwa auch die Überlegung, daß eventuelle einzelstaatliche Maßnahmen wegen der unterschiedlichen Gesetzgebungsverfahren und sonstiger politischer, wirtschaftspolitischer oder sozialer Umstände so gut wie niemals in allen zwölf Mitgliedstaaten gleichzeitig ergehen können. Ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen der Mitgliedstaaten aber birgt für die Gemeinschaft als Ganzes erneut das Risiko von Ungleichgewichten, W ettbewerbsverzerrungen, Verlagerungen von Handelsströmen u. ä. Es widerspricht gleichzeitig auch dem Erfordernis nach einer ausgewogenen Entwicklung der Regionen der Gemeinschaft, ein in dem Abschnitt über die Umwelt selbst enthaltenen Erfordernis (vgl. Art. 130 r Abs. 3).
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Gerade im Umweltbereich hat es auch wenig Sinn, die Augen vor der Tatsache zu verschließen, daß ein erhebliches Regelungsgefälle zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Mitgliedstaaten besteht. So sind etwa Maßnahmen für einen wirksamen Schutz von Fauna und Flora in manchen Mittelmeeranliegerstaaten der Gemeinschaft nicht oder nur schwer durchzusetzen. Ähnliche Überlegungen gelten für andere Bereiche der Umweltpolitik (Wasser, Luftverschmutzung usw.). Derartige Unterschiede müssen bei der Überlegung, ob Umweltschutz für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft besser durch Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene oder auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden kann, eine gewichtige Rolle spielen. Die hier vertretene Auslegung des Art. 130 r Abs. 4 entspricht im Ergebnis den Auslegungsgrundsätzen für die Anwendung der Art. 100 und 235 des EWG-Vertrages. Beide Vorschriften haben in der praktischen Anwendung ihre Flexibilität hinreichend bewiesen und sich als brauchbare Instrumente wirksamer gemeinschaftlicher Maßnahmen erwiesen. Auch die Folgen unterschiedlicher Auffassungen über die Anwendbarkeit des Art. 130 r Abs. 4 S. 1 werden -wie bisher bei den Art. 100 und 235- allerVoraussichtnach politischer, nicht rechtlicher Art sein: hält ein Mitgliedstaat ein Vorgehen auf Gemeinschaftsebene für unzulässig, weil im Widerspruch zu Art. 130 r Abs. 4, so wird er regelmäßig seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme verweigern und damit im Regelfall wegen der Einstimmigkeitsvorschrift die vorgeschlagene Maßnahme blockieren. Umgekehrt dürfte bei einstimmig angenommenen Vorschriften kaum noch juristisch überprüft werden, ob Art. 130 r Abs. 4 zutreffend angewandt wurde. Schließlich gilt auch für Art. 130 r bis 130 t, daß jeder Vorschlag der Kommission von drei verschiedenen Organen der Gemeinschaft - Kommission, Rat und Europäisches Parlament - nachgeprüft wird. Da Initiative und Monopol eines Vorschlages bei der Kommission liegen, ist es ihre Aufgabe, die Erforderlichkeit des Tätigwerdens der Gemeinschaft sowie die übrigen Bedingungen der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften vor Parlament und Rat dazulegen. Mit dieser Auslegung des Art. 130 r Abs. 4 bleibt der Gemeinschaft ein weiter Bereich für gemeinschaftliche Aktivitäten zum Schutz der Umwelt zugewiesen. Daß die gemeinschaftliche Umweltpolitik einzelstaatliche Umweltpolitik nicht ersetzt oder überflüssig macht, liegt auf der Hand. Art. 130 r Abs. 4 ist insofern eine anders formulierte Konkretisierung der bisher schon für Art. 100 und 235 geltenden Grundsätze eines geschmeidigen, dynamischen und wechselseitig aufeinander bezogenen Nebeneinanders von einzelstaatlicher und gemeinschaftlicher Umweltpolitik. Art. 100 a Abs. 4 bestimmt: .Hält es ein Mitgliedstaat, wenn der Rat mit qualifizierter Mehrheit eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat, für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen anzuwenden, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 oder in bezug
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auf den Schutz der Arbeitsumweltoder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmung der Kommission mit. Die Kommission bestätigt die betreffenden Bestimmungen, nachdem sie sich vergewissert hat, daß sie kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen."
Art. 100 a Abs. 4 erlaubt es einem Mitgliedstaat also, bei Mehrheitsentscheidungen des Rates einzelstaatliche Bestimmungen .anzuwenden". Die Bestimmung findet bei einstimmigen Entscheidungen des Rates keine Anwendung, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Entscheidung von den hohen Standards der Kommission erheblich entfernt, die Umwelt also nur unzureichend geschützt wird. Hat der Rat dagegen mit Mehrheit entschieden, so stellt sich die Frage, ob ein Mitgliedstaat neue einzelstaatliche Regeln einführen darf, um seine Umwelt zu schützen. Insoweit ist davon auszugehen, daß sowohl Art. 100 a und 100 b als auch Art. 8 a die Vollendung des gemeinsamen Binnenmarktes bis Ende 1992 vorsehen. Zu diesem Zweck sind alle einzelstaatlichen Vorschriften, die sich auf diesen Binnenmarkt auswirken und dem Art. 100 a unterfallen, bis 1992 entweder durch Entscheidungen des Rates anzugleichen oder im Verfahren nach Art. 100 b als einander gleichwertig anzuerkennen. Ab 1.1.1993 soll also kein Mitgliedstaat mehr das Recht haben, aus Gründen des Umweltschutzes - wie auch zum Schutz der Arbeitsumwelt oder den in Art. 36 genannten anderen Gründen -den innergemeinschaftlichen freienVerkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen oder Kapital zu behindern. Diese politische und rechtliche Zielsetzung der Schaffung eines ständigen, funktionierenden gemeinschaftsweiten Binnenmarktes gemäß Art. 8 a würde auf Dauer zunichte gemacht, wenn ein Mitgliedstaat unbeschränkt -also auch noch Jahre später als 1992- neue Vorschriften zum Schutz der Umwelt oder eines der anderen in Art. 100 a Abs. 4 genannten Rechtsgüter neu einführen und damit neue Hindernisse für das Funktionieren des gemeinschaftlichen Binnenmarktes schaffen könnte. Art. 100 a will vielmehr, wie auch schon Abs. 3, verhindern, daß ein Mitgliedstaat durch Mehrheitsentscheidungen des Rates gezwungen wird, sein bestehendes hohes Schutzniveau herabzusenken. Er soll aber nicht die gesamte Zielsetzung des gemeinschaftlichen Binnenmarktes infrage stellen, indem er auf Dauer einzelstaatliche Alleingänge zuläßt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 100 a Abs. 4, der von der Möglichkeit spricht, einzelstaatliche Vorschriften .anzuwenden•. Diese Formulierung steht in deutlichem Gegensatz zu Art. 118 a Abs. 3 (Sozialpolitik), nach dem die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, einzelstaatliche Maßnahmen .beizubehalten oder zu ergreifen". Auch Art. 130 t (Umweltpolitik), räumt den Mitgliedstaaten die
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Möglichkeit ein, verstärkte Schutzmaßnahmen .beizubehalten oder zu ergreifen". Schon der unterschiedliche Wortlaut der genannten Bestimmungen spricht also für die hier befürwortete Auslegung. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Während der Verhandlungen der Regierungskonferenz wandten sich mehrere Staaten - u. a. Deutschland und Dänemark - gegen Mehrheitsbeschlüsse im Bereich Umwelt und Verbraucherschutz, weil sie dadurch ein Absinken ihres hohen Schutzniveaus befürchteten. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, wurde Art. 100 a Abs. 4 eingeführt. Dies zeigt sich auch daran, daß die Vorschrift bei einstimmigen Entscheidungen des Rates nicht gilt, obwohl auch in solchen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt nach Annahme einer Regelung ein Bedürfnis für ein Ausscheren aus der gemeinschaftlichen Entscheidung entstehen kann. Für solche später auftretenden Notwendigkeiten für strengere Regelungen ist im Gegenteil Art. 100 a Abs. 5 eingefügt worden, der nur vorläufige einzelstaatliche Maßnahmen zuläßt, Gründe des Umweltschutzes dabei nicht einmal erwähnt - mögen auch die in Art. 36 genannten Gründe .Gesundheit und Sicherheit von Personen" und .Schutz von Fauna und Flora" einen erheblichen Teil umweltpolitischer Aktivitäten erfassen. Darüberhinaus ist in Abs. 5 ein gemeinschaftliches Kontrollverfahren vorgesehen, was darauf hindeutet, daß in jenen Fällen das letzte Wort beim Gemeinschaftsgesetzgeber, nicht aber beim einzelstaatlichen Gesetzgeber liegen soll. Anzuführen als Beleg für die hier vertretene Auffassung ist schließlich die einseitige dänische Erklärung zu Art. 100 a Abs. 4 zu Protokoll der Regierungskonferenz, die wie folgt lautet: .Die dänische Regierung stellt fest, daß in Fällen, in denen gemäß Artikel 100 a erlassene Harmonisierungsmaßnahmen nach Ansicht eines Mitgliedstaats nicht höhere Erfordernisse in bezugauf die Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz oder im Sinne des Artikels 36 sicherstellen, durch Artikel 100 a Absatz 4 gewährleistet wird, daß der betreffende Mitgliedstaat einzelstaatliche Maßnahmen treffen kann. Diese dienen der Verwirklichung der genannten Erfordernisse und dürfen keinen verschleierten Protektionsmus bedeuten."
Diese Erklärung wäre völlig unverständlich, wenn Art. 100 a Abs. 4 ohnehin zuließe, neue Regelungen einzuführen. Der wesentliche Sinn der dänischen Erklärung liegt also in der Ersetzung des Wortes .anzuwenden" durch .,treffen" und die Annahme, daß das letzte Wort im Art. 100 a Abs. 4 beim Mitgliedstaat, nicht-aber beim Gemeinschaftsgesetzgeber liegt. Nach alledem ist also bei Mehrheitsentscheidungen ein Beibehalten, nicht aber ein Neueinführen einzelstaatlicher strengerer Regelungen zum Schutz der Umwelt zulässig. Diese Maßnahmen sind der Kommission mitzuteilen. Fristen für diese Mitteilung sind nicht genannt. Die Kommission überprüft
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die einzelstaatliche Regelung auf ihren etwaigen protektionistischen Charakter. Meinungsverschiedenheiten sollen nach einem beschleunigten Verfahren vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden. Der Grund für die Einführung des beschleunigten Verfahrens ist erneut in dem Willen zu sehen, möglichst schnell und noch vor Ende 1992 alle Hindernisse zur Vollendung des Binnenmarktes entgültig aus dem Weg zu räumen - ein weiteres Argument gegen die Zulässigkeit der Neueinführung einzelstaatlicher Maßnahmen aus Gründen des Umweltschutzes. IV. Finanzierung der gemeinschaftlichen Umweltmaßnahmen Art. 130 r Abs. 4 S. 2 sieht vor: .Unbeschadet einiger Maßnahmen gemeinschaftlicher Art tragen die Mitgliedstaaten für die Finanzierung ... der anderen Maßnahmen Sorge."
Damit ist die Schaffung eines allgemeinen Umweltfonds der Gemeinschaft, insbesondere zur Finanzierung von Maßnahmen zur Verhütung oder Beseitigung von Umweltverschmutzung, ohne Änderung des Vertrages nicht möglich. Das 3. Umweltprogramm der Gemeinschaft hatte von ,.neuen Interventionsinstrumenten" und dem Erfordernis gesprochen, .alle Möglichkeiten der auf Gemeinschaftsebene verfügbaren Finanzierung voll auszuschöpfen; darüberhinaus sollten umweltspezifische Instrumente eingesetzt werden" 19. In Verfolgung dieser Gedanken legte die Kommission dem Rat 1983 den Vorschlag für eine Verordnung vor, mit der die Grundlage für einen gemeinschaftlichen Umweltfonds gelegt werden sollte. Der Rat beschloß 1984 jedoch lediglich ein dreijähriges Programm, mit dem insgesamt 13 Millionen ECU zum Schutz von Vögeln und ihren Lebensräumen einerseits, für Demonstrationsvorhaben für saubere Technologien und neue Meßtechniken für die Überwachung der Umwelt andererseits bereitgestellt wurden20. 1987 beschloß der Rat die Verlängerung dieser Verordnung für 4 Jahre und ihre Ausdehnung auf Untersuchungen über Altlasten und den Schutz der Böden21 . Der bereitgestellte Betrag beläuft sich auf 24 Millionen ECU. Über diese Verordnung hinaus werden Umweltmaßnahmen insbesondere bei den Vorhaben der Strukturfonds - Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds für die regionale Entwicklung - finanziert werden können. Die 19
Rat (Anm. 8) Nr. 8.
20 Verordnung 1872/84, ABI. EG 1984, Nr. L 176, S. 1. 21 Verordnung 2242/87, ABI. EG 1987, Nr. L 207, S. 8.
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Arb~itsweise dieser Fonds soll überprüft und verbessert werden (Art.
130 d). Da die .Erfordernisse des Umweltschutzes .. . Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft" sind (Art. 130 r Abs. 2 S. 2), werden in Zukunft auch Förderungsmaßnahmen etwa aus dem Regionalfonds Umweltgesichtspunkte in Betracht ziehen. Auch Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik können und werden zukünftig im Hinblick auf die Erfordernisse eines angemessenen Umweltschutzes finanziert werden. Dies gilt etwa für Flächenstillegungen, Einschränkungen der Massentierhaltung, bei der Verwendung von Düngemitteln und Pestiziden usw. Die Beschränkung des Art. 130 r Abs. 4 S. 2 schließt derartige Maßnahmen, die unter .,Regionalpolitik" oder .,Agrarpolitik" firmieren, nicht aus.
V. Durchführung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik
Hierzu bestimmt Art. 130 r Abs. 4 S. 2: .Unbeschadet einiger Maßnahmen gemeinschaftlicher Art tragen die Mitgliedstaaten für die ... Durchführung der anderen Maßnahmen Sorge".
Diese Vorschrift wiederholt für die Umwelt den allgemeinen Grundsatz des Art. 5 des Vertrages, nach dem die Implementierung des Gemeinschaftsrechts, also eine vollständige formelle und inhaltliche Durchführung und Anwendung in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Art. 5 lautet: .,Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe. Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten."
Demgegenüber hat die Kommission nach Art. 155 des Vertrages .für die Anwendung dieses Vertrages sowie der von den Organenaufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen". Die Kommission darf sich also mit der Annahme eines Rechtsakts durch den Rat nicht zufriedengeben und darauf vertrauen, daß die Mitgliedstaaten allen ihren in den Richtlinien oder Verordnungen niedergelegten Verpflichtungen nachkommen, also einerseits die notwendigen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in innerstaatliches Recht erlassen und die Kommission entsprechend unterrichten, andererseits diese innerstaatlichen Vorschriften auch anwenden. Die aus Art. 155 folgende Verpflichtung, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in und durch die Mitgliedstaaten zu kontrollieren, berechtigt und verpflichtet die Kommission vielmehr, selbst aktiv zu werden, um sich von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten zu überzeugen.
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Zu diesem Zweck richtet die Kommission nach Annahme einer Richtlinie durch den Rat ein förmliches Schreiben an jeden Mitgliedstaat, in dem sie ihn auf die Richtlinie, die in ihr enthaltenen Fristen und die Notwendigkeit hinweist, das innerstaatliche Recht den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts anzupassen. Etwa drei Monate, bevor die Frist zur Umsetzung der Richtlinie abgelaufen ist, richtet die Kommission erneut ein förmliches Schreiben an diejenigen Mitgliedstaaten, von denen sie bis dahin keine Mitteilung über die erfolgte Umsetzung in innerstaatliches Recht erhalten hat. In jenem Schreiben legt die Kommission erneut die Rechtslage dar und weist auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hin, den Vorschriften der Richtlinie nachzukommen. Diese Briefe werden bei jeder vom Rat oder von der Kommission angenommenen Richtlinie versandt. Weniger systematisch ist das Einberufen von Sitzungen mit Experten oder Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten vor oder nach lokrafttreten einer Richtlinie. Während derartige Sitzungen in den Bereichen Chemie, Luft und Natur regelmäßig stattfinden und für Abfall im Rahmen des Ausschusses für Abfallwirtschaft jedenfalls die Möglichkeit gegeben ist, gemeinsam die Durchführung der Richtlinien für Abfall in den Mitgliedstaaten zu erörtern, sind derartige Sitzungen in den Bereichen Wasser und Lärm eher selten. Neben Sitzungen mit Vertretern der Mitgliedstaaten führt die Kommission eigene Untersuchungen über die Durchführung und Anwendung der gemeinschaftlichen Umweltvorschriften durch und wertet diese Ergebnisse aus. Dabei kommt es zu zahlreichen förmlichen oder formlosen, schriftlichen oder persönlichen Kontakten zwischen den Dienststellen der Kommission und einzelstaatlichen Behörden, die für die Durchführung und Anwendung der Richtlinien verantwortlich sind. Schließlich sind die Gemeinschaftsentscheidungen zu erwähnen, die einen Informationsaustausch über bestimmte Umweltdaten vorsehen. Auch im Rahmen dieser Entscheidungen kommt es zu regelmäßigen Kontakten, in denen die Anwendung des Umweltrechts erörtert wird. Das förmliche Verfahren nach Art. 169 ist die letzte Maßnahme, die der Kommission zur Verfügung steht, um die Beachtung des Gemeinschaftsrechts zu erreichen. Art. 169 des Vertrages lautet: .Hat nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen."
Das Verfahren nach Art. 169 ist also dreistufig: (1) förmliches Mahnschreiben der Kommission, (2) mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission, (3) Anrufung des Gerichtshofs.
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Das Mahnschreiben der Kommission ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Die Verwaltungspraxis der Kommission hat jedoch seinen Inhalt weitgehend vereinheitlicht. Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß der Gerichtshof die Auffassung vertritt, bereits durch das Mahnschreiben der Kommission werde der Streigegenstand des späteren gerichtlichen Verfahrens festgelegt. Der Kommission ist es daher verwehrt, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme oder bei Anrufung des Gerichtshofs neue Beschwerdepunkte nachzuschieben, selbst wenn die Kommission von dem Rechtsverstoß durch den Mitgliedstaat selbst erfahren hat. Regelmäßig hat der betroffene Mitgliedstaat zwei Monate Zeit, um auf das Mahnschreiben der Kommission zu antworten. Da die Kommission jedoch durchschnittlich nur alle sechs Monate Verfahren nach Art. 169 erörtert und beschließt, ist die den Mitgliedstaaten tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit zur Antwort fast stets viel länger. Die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission setzt einen Endpunkt unter den verwaltungsrechtlichen Teil des Verfahrens. Der tatsächliche Sachverhalt ist geklärt, die rechtliche Beurteilung der Kommission wird gegenüber dem Mitgliedstaat endgültig festgelegt. Die Stellungnahme legt im einzelnen dar, worin der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht besteht. Kommt es dann später zu einem Verfahren vor dem Gerichtshof, so sind die tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles regelmäßig nicht länger klärungsbedürftig; der Rechtsstreit kann sich auf rechtliche Fragen beschränken. Ein Urteil des Gerichtshofs nach Art. 169 stellt einen Verstoß gegen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts fest, sofern nicht die Klage der Kommission abgewiesen wird. Welche Folgerungen der betroffene Mitgliedstaat aus dem Urteil zieht und wie er der gerichtlichen Entscheidung nachkommt, bleibt dem Mitgliedstaat überlassen. Jedenfalls im Umweltbereich ist ein Nichtbefolgen der Urteile des Gerichtshofes selten. Die Vorgehensweise der Kommission ist unterschiedlich, je nachdem ob es sich bei dem vermuteten Vertragsverstoß um die Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen, um die unvollständige oder unrichtige Umsetzung handelt oder ob der Mitgliedstaat zwar die erforderlichen Rechtsvorschriften erlassen hat, sie in der Praxis aber generell oder im Einzelfall unrichtig anwendet. Im Umweltrecht kennen Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, Spanien, das Vereinigte Königreich und die Niederlande unterschiedliche weitgehende Regelungskompetenzen für dem Mitgliedstaat nachgeordnete Einheiten (Länder, Regionen, Provinzen usw.). Ob ein Mitgliedstaat durch eine einheitliche Gesetzgebung für sein gesamtes Hoheitsgebiet Regelungen erläßt oder ob er diese Aufgaben Ländern, Regionen, Provinzen überläßt, ist vom Standpunkt des Gemeinschaftsrechts her gleichgültig, weil gleich gültig. Nur muß sichergestellt sein, daß in dem gesamten Gebiet des Mitglied-
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staates das Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß umgesetzt ist. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof erklärt: .Zwar steht es jedem Mitgliedstaat frei, die Kompetenzen innerstaatlich so zu verteilen, wie er es für zweckmäßig hält, und eine Richtlinie mittels Maßnahmen durchzuführen, die von regionalen oder örtlichen Behörden getroffen werden. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, die Richtlinienbestimmungen in verbindliches innerstaatliches Recht umzusetzen. "22
Die innerstaatliche Verteilung der Zuständigkeit bleibt daher für die Beurteilung, ob Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang umgesetzt und angewandt worden ist, außer Betracht; von Belang ist allein, daß das Gemeinschaftsrecht auf dem gesamten Gebiet eines Mitgliedstaates angewandt wird. Bisher war von der Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Ländern bei der Durchführung des gemeinschaftlichen Umweltrechts kaum die Rede und dem Verfasser möge nachgesehen werden, daß er auf diese Fragen nicht näher eingeht. Andere sind für eine solche Darstellung berufener. Es mag jedoch zweckmäßig sein, die von der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten und gegenwärtig (1.1.1988) noch nicht abgeschlossenen Verfahren nach Art. 169 kurz darzustellen 23, damit ein Eindruck über die Probleme der Durchführung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in einem föderalen (gegliederten) Mitgliedstaat entsteht. Verfahren, die in erster Linie internationale Fragen sowie Probleme des freien Warenverkehrs berühren, bleiben daher unerwähnt2 4• Qualität des Oberflächenwassers (Richtlinie 75/440) 25 Die Kommission ist der Auffassung, daß die Bundesrepublik entgegen den Vorschriften der Richtlinie das für Trinkwasser verwendete Oberflächenwasser nicht in drei Kategorien- je nach Aufbereitungsverfahren- eingeteilt hat; daß sie die Richtlinie nicht auch auf Oberflächenwasser, das vor der Entnahme noch einmal in den Untergrund versickert sowie das aus dem EuGH, Rs 96/81, Slg. 1982, 1792. Vgl. auch die Darstellung der von der Kommission gegen die Niederlande eingeleiteten Verfahren nach Art. 169 in: L. Krämer: Europese milieuwetgeving ende controle op de uitvering ervan, in Asser Instituut Europees milieurecht: Praktische problernen bij de totstandkoming ende uitvoering, Tagungsbericht vom 4.9.1987, Den Haag (in Vorbereitung). 24 Vgl. auch die von der Kommission jährlich veröffentlichten Berichte über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, zuletzt 4. Bericht für das Jahr 1986, ABI. EG 1987, Nr. C 338, S. l. 25 ABI. EG 1975, Nr. L 194, S. 34. 22
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Uferfiltrat entnommene Oberflächenwasser anwendet26 ; und daß die Bundesrepublik die für die verschiedenen Entnahmestellen anwendbaren Parameter nicht festgelegt, jedenfalls aber nicht mitgeteilt hat. Auch der von der Richtlinie geforderte .systematische Plan mit Zeitplan" für die Sanierung von Oberflächenwasser, der zwischen 1975 und 1985 zu einer. wesentlichen Verbesserung des Wassers" hätte führen müssen, wurde in der Bundesrepublik nicht erstellt. Meßmethoden für Oberflächenwasser (Richtlinie 79/869) 27 Nach der Richtlinie waren für jede Entnahmestelle von Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung die Häufigkeit der Probenahmen und Analysen vorzulegen. Angaben hierüber hat die Kommission nicht erhalten. Qualität der Badegewässer (Richtlinie 76/160) 28 Die Kommission hat gegen die Bundesrepublik ein Verfahren nach Art. 169 eingeleitet, weil in München das Baden in der Isar aufgrund einer städtischen Verordnung ausdrücklich gestattet ist, die Isar insoweit aber dennoch nicht als Badewasser im Sinne der Richtlinie behandelt wird. Für Badegewässer schreibt die Richtlinie regelmäßige Überprüfung der Wasserqualität, eine Verbesserung der Qualität, falls diese nicht den von der Richtlinie festgelegten Erfordernissen entspricht und regelmäßige Berichte an die Kommission vor. Allgemein - ohne daß die Kommission insoweit bisher ein Verfahren eingeleitet hätte - ist auf das Problem der Anwendung dieser Richtlinie in der Bundesrepublik hinzuweisen. So werden etwa die ost- und nordfriesischen Inseln nicht als Badegewässer behandelt, obwohl dort ohne Zweifel eine große Zahl von Personen badet29 • Flüsse wurden nur in vier Fällen als Badegewässer ausgewiesen. Der Umfang der der Kommission in der Vergangenheit übermittelten Berichte über die Anwendung der Richtlinie läßt eine Kontrolle der Anwendung praktisch nicht zu 30• 26 Vgl. hierzu insbesondere P. Kmmarek, Vergleichende Untersuchung über die Umsetzung der EG-Richtlinien Abfall und Wasser, Institut für Europäische Umweltpolitik 1986, S. 26: .Die Runderlasse der Länder, die sich auf die von der LAWA ausgearbeiteten Mustertexte stützen, interpretieren Oberflächenwasser ohne Ausnahme als Wasser, das unmittelbar- nach angemessener Behandlung- als Trinkwasser benutzt wird, also ohne in den Untergrund versickert zu werden.• 27 ABLEG 1979, Nr. L 271, S. 44. 2e ABLEG 1976, Nr. L 31, S. 1. 29 Kmmarek (Anm. 26), S. 62. 30 Vgl. auch die allgemeine Beurteilung von Kromarek (Anm. 26), S. 66: .Schwerwiegender ist, daß man durchblicken ließ, die Bestimmungen der Richtlinie seien
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Schutz des Grundwassers (Richtlinie 80/68)31 Bei dieser Richtlinie trug die Bundesrepublik zunächst vor, die Bestimmungen der Richtlinie seien durch Maßnahmen der Bundesländer in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Später erklärte die Bundesrepublik Deutschland, die Richtlinie sei im wesentlichen durch die Vorschrift des Wasserhaushaltsgesetzes umgesetzt worden. Die Kommission ist der Auffassung, daß ein vollständiges Verbot, die schädlichen Stoffe der Liste I der Richtlinie ins Grundwasser abzuleiten, wie es Art. 4 der Richtlinie vorschreibt, in der bundesdeutschen Rechtsordnung nicht besteht. Auch die Voraussetzungen der Richtlinie für indirekte Ableitungen von Stoffen der Liste I seien nicht in vollem Umfang ins deutsche Recht übernommen worden. Die Kommission ist ferner der Auffassung, auch die Bestimmungen der Richtlinie, mit denen eine direkte oder indirekte Ableitung von Stoffen der Liste II der Richtlinie in das Grundwasser verhindert werden solle, seien nicht in vollem Umfang in das Recht der Bundesrepublik Deutschland übernommen worden. Auch die Verwaltungsvorschriften, Erlasse und sonstigen landesrechtliehen Bestimmungen gingen auf Einzelheiten der Vorschriften der Richtlinie nicht ein. Nach Art. 15 der Richtlinie nehmen die Mitgliedstaaten eine Bestandsaufnahme der nach den Art. 4, 5 und 6 erteilten Genehmigungen vor. Da sich die Bundesrepublik in dem Schriftwechsel mit der Kommission hinsichtlich der Anwendung der Grundwasser-Richtlinie mehrfach auf Verwaltungsvorschriften der Länder sowie auf die Praxis der Genehmigungsbehörden berief, ersuchte die Kommission um Übermittlung der Bestandsaufnahme. Da diese Übermittlung nicht erfolgte, eröffnete sie insoweit ein weiteres Verfahren nach Art. 169. leicht zu umgehen. Es reiche aus, große Badegebiete zu bezeichnen, bei den Messungen nicht übereifrig zu sein, den vorgesetzten Behörden nur allgemeine Resultate zu liefern, die dann mit jeder nächsthöheren Stufe auf der hierarchischen Leiter immer einfacher und allgemeiner würden. Darum gibt es auch in den Berichten aus der Bundesrepublik Deutschland einige Lücken: es ist unmöglich, genaueAngaben über die Qualität eines Badegewässers an einer bestimmten Stelle zu erhalten. Dem stehen die große Ausdehnung der meisten bezeichneten Badezonen und der ausdrückliche Wille der Länder, nur globale Angaben zu machen, im Wege. In der letzten Stellungnahme der LAW A wird betont, daß deutliche Abweichungen der Qualität von Badegewässem, die jedes Jahr festgestellt werden, gemeldet werden müssen. Abweichungen, die für unerheblich gehalten werden, erscheinen demnach nirgendwo. Im übrigen werden sehr viele Stellen, an denen gebadet wird, nicht erlaßt. Der Widerwille, ja die Weigerung, präzise Angaben zu machen, erklärt sich daraus, daß man in der Bundesrepublik Deutschland der Ansicht ist, die BadegewässerRichtlinie habe nicht zum Ziel, die allgemeine Gewässerqualität zu erfassen. Sie solle nur auf die Badenutzung abzielen; daher seien nur die Angaben wichtig, die gesundheitsrelevant seien und diejenigen, die für das Wohl und die Sicherheit der Badegäste eine Rolle spielen (Transparenz, Farbe u. a.)." 31 ABI. EG 1980, Nr. L 20, S. 43. 14 Speyer 103
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Schutz des Trinkwassers (Richtlinie 80/778) 32 Aus den von der Kommission insoweit erhobenen Beanstandungen werden hier nur einige erwähnt. Die Kommission ist der Auffassung, daß die deutsche Trinkwasserverordnung vom 22.5.1986 in § 4 eine Möglichkeit enthält, von den zulässigen Höchstkonzentrationen der Richtlinie abzuweichen, die in der Richtlinie in dieser Allgemeinheit nicht vorgesehen ist. § 4 Abs. 2 ermächtigt die Landesregierungen, in bestimmten Fällen von den aufgrund der Richtlinie festgesetzten Werten abzuweichen. Eine Mitteilungspflicht an die Bundesregierung ist nicht vorgesehen. Auch diese Ermächtigung an die Landesregierungen ist nach Auffassung der Kommission durch die Richtlinie nicht gedeckt. Außerdem ist nach der Richtlinie die Kommission zu unterrichten, wenn von den Bestimmungen der Richtlinie unter den engen Voraussetzungen der Art. 9 und 10 der Richtlinie abgewichen wird. Die Trinkwasserverordnung ist dagegen so ausgestaltet, daß die Bundesregierung von einer durch die Länder ausgesprochenen Abweichung nicht unterrichtet wird, also auch ihrerseits die Kommission nicht unterrichten kann. Allgemein - ohne daß dies bisher Gegenstand des Verfahrens nach Art. 169 ist- hat die Kommission Zweifel, ob der Nitratwert der Richtlinie (50 mg pro Liter) im gesamten Bereich der Bundesrepublik eingehalten wird. Qualität der Fischgewässer und Muschelgewässer (Richtlinien 78/659 und 79/923)33 Für diese Richtlinien hat die Kommission keine Verfahren eingeleitet. Die Richtlinien finden nämlich nur auf solche Gewässer Anwendung, die die Mitgliedstaaten ausdrücklich bezeichnen. Die Bundesrepublik hat aber übrigens als einziger Mitgliedstaat - kein einziges Gewässer bezeichnet34• Cadmiumeinleitungen (Richtlinie 83/513) 35 Die Kommission beanstandet insoweit, daß die Vorschriften der Bundesrepublik nicht für alle von der Richtlinie erfaßten Industriezweige festgesetzt ABI. EG 1980, Nr. L 229, S. 11. ABl. EG 1979, Nr. L 221, S. 1 (Fischgewässer); 1979, Nr. L 281, S. 47 (Muschelgewässer). 34 Vgl. Kromarek (Anm 26), S. 69: •. . . lehnen die Länder noch heute diese Richtlinie unnachgiebig ab .. . Sie wird weder rechtlich noch praktisch angewandt. Alle Länder haben klar zum Ausdruck gebracht, daß sie die Richtlinie nicht anwenden wollen." (Fischgewässer). S. 74: .Die Länder bemühen sich nicht, die Muschelgewässerrichtlinie anzuwenden" (Muschelgewässer). 32
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seien und daß die ergangenen Regelungen zudem Ausnahmen zuließen. Hinsichtlich der landesrechtliehen Vorschriften ist sie der Auffassung, eine allgemeine Verweisung im Landesrecht auf bindende Vorschriften des Gemeinschaftsrechts reiche nicht aus, um die verschiedenen Einzelbestimmungen der Richtlinie in verbindliches innerstaatliches Recht zu transponieren. HCH-Einleitungen (Richtlinie 84/491) 36 Die Kommission beanstandet insoweit, daß es in der Bundesrepublik Deutschland an der verbindlichen Festsetzung von Grenzwerten und Emissionsnormen für HCH-Ableitungen fehlt, die eventuell festgesetzten Werte jedenfalls nicht mitgetei.lt worden seien. Auch wenn gegenwärtig keine Betriebe HCH verarbeiteten, werde dadurch eine Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht überflüssig. Ein allgemeiner Hinweis auf die Wasserhaushaltsgesetze der Länder genüge auch nicht, um dem Erfordernis der Richtlinie gerecht zu werden, für Betriebe Emissionsnormen unter Berücksichtigung der besten verfügbaren technischen Mittel festzusetzen. Abfall-Richtlinien (75/439, 75/442, 76/403 und 78/319) 37 Im Abfallbereich hat die Kommission für die genannten vier Richtlinien Verfahren nach Art. 169 eröffnet, weil die Bundesrepublik trotz mehrfacher Aufforderung und trotzÜbersendungeines detaillierten Fragebogens die ihr nach der Richtlinie obliegende Verpflichtung nicht erfüllt hat, der Kommission alle drei Jahre Bericht über die Durchführung der Richtlinie zu erstatten. Der letzte von der Bundesrepublik vorgelegte Bericht stammt von 1981. Transport gefährlicher Abfälle (Richtlinie 84/631) 38 Die Kommission hat ein Verfahren eröffnet, weil die Richtlinie von der Bundesrepublik noch immer nicht vollständig angewandt wird. In die Zeit der Diskussion des Richtlinienvorschlags der Kommission fiel der Zwischenfall mit den Dioxine enthaltenden Fässern aus Seveso, der schwere Mängel 35 ABI. EG 1983, Nr. L 291 S. l. In der Bundesrepublik wird diese Richtlinie infolge eines Druckfehlers regelmäßig irrtümlich mit der Nummer 83/514 bezeichnet. 36 ABI. EG 1984, Nr. L 274, S. 11. 37 Richtlinie 75/439, ABI. EG 1975, Nr. L 194,S. 23; 75/442,ABl. EG 1975, Nr. L 194, S. 39; 76/403, ABI. EG 1976, Nr. L 108, S. 41; 78/319, ABI. EG 1978, Nr. L 84, S. 43. 38 ABI. EG 1984, Nr. L 326, S. 31.
14"
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bei der Durchführung der Abfall-Richtlinien der Gemeinschaft enthüllte. Die Kommission änderte daraufhin ihren Vorschlag für eine Richtlinie ab und schlug eine- unmittelbar geltende- Verordnung vor. Dem wollte sich der Rat jedoch nicht anschließen. Er beließ es bei einer Richtlinie, sah jedochgewissermaßen als .Gegenleistung" -vor, daß die Richtlinie ab Oktober 1985 voll anzuwenden sein sollte (Art. 15). Die Bundesrepublik hat diese Frist also um mehr als zwei Jahre überschritten; und es bedeutet nur einen schwachen Trost, daß Ende 1987 erst zwei Mitgliedstaaten- Belgien und Dänemark die Richtlinie in vollem Umfang anwenden. Verpackung für Lebensmittel (Richtlinie 85/339) 39 Die Kommission hat ein Verfahren eingeleitet, weil die Bundesrepublik nach Art. 3 der Richtlinie der Kommission ein Programm zur Reduzierung der Abfallmengen hätte übersenden und dieses Programm seit Anfang 1987 hätte anwenden müssen. Bisher hat die Bundesrepublik ein solches Programm aber nicht vorgelegt. Schwefeldioxid in der Luft (Richtlinie 80/779)40 Nach Auffassung der Kommission fehlt es bisher an einer Regelung in der Bundesrepublik, die den von der Richtlinie festgesetzten Grenzwert für S02 für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik verbindlich macht. Die TA Luft schreibt Grenzwerte nur im Umkreis bestimmter industrieller Anlagen vor. Darüberhinaus bemängelt die Kommission, daß die Meßstationen nicht an den von der Richtlinie vorgeschriebenen Stellen eingerichtet wurden. Ferner übermittelte die Bundesrepublik der Kommission die Ergebnisse von Parallelmessungen weder regelmäßig noch fristgerecht. Blei im Benzin (Richtlinie 8512tW' Die Kommission leitete ein Verfahren ein, weil die von der Richtlinie vorgeschriebenen verbindlichen Werte für bleifreies Benzin (Oktanzahlen, Benzolgehalt, Restgehalt an Blei) in der Bundesrepublik nicht verbindlich vorgeschrieben worden waren; Benzin, das den Vorschriften der Richtlinie nicht entspricht, darf daher in Deutschland verkauft werden, wenn es nur entsprechend gekennzeichnet ist. 39 40 41
ABl. EG 1985, Nr. L 176, S. 18. ABl. EG 1980, Nr. L 229, S. 30. ABl. EG 1985, Nr. L 96, S. 25.
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Blei in der Luft (Richtlinie 82/884)42 Die Kommission bemängelt das Fehlen eines bundesweiten verbindlichen Grenzwertes für Blei sowie das Fehlen von Meßstellen, obwohl der Grenzwert der Richtlinie an einigen Stellen in der Bundesrepublik überschritten wurde. Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (Richtlinie 79/831) 43 Nachdem ein erstes Verfahren im Oktober 1987 durch die Feststellung des Europäischen Gerichtshofs entschieden wurde, daß die Bundesrepublik nicht alle Bestimmungen der Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt hatte (Rechtssache 208/85, Kommission gegen Bundesrepublik, Urteil vom 14. Oktober 1987), hat die Kommission ein weiteres Verfahren eingeleitet, weil nach ihrer Auffassung für sogenannte Altstoffe eine Festlegung der Kennzeichnung nicht mehr durch die Bundesrepublik, sondern nur gemeinschaftsweit durch den Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommen werden darf; § 5 der deutschen Gefahrstoff-Verordnung widerspricht daher der Richtlinie. Gefahren schwerer Unfälle (Richtlinie 82/501)44 Die Kommission bemängelte mehrere Vorschriften der deutschen Störfall-Verordnung, die nach Auffassung der Kommission nicht in vollem Umfang mit den Vorschriften der Richtlinie übereinstimmten. Nach den kürzlich erfolgten Änderungen der Störtall-Verordnung wird die Kommission zu prüfen haben, ob ihre Beanstandungen erledigt sind. Vogelschutz (Richtlinien 79/409 und 85/411 )45 Nachdem ein erstes Verfahren gegen die Bundesrepublik im September 1987 mit der Feststellung des Europäischen Gerichtshofs endete, daß die Bundesrepublik nicht alle Vorschriften der Richtlinie in vollem Umfang in innerstaatliches Recht umgesetzt habe (Rechtssache 412/85, Kommission gegen Bundesrepublik, Urteil vom 17. September 1987) laufen nunmehr noch folgende Verfahren nach Art. 169: 42
43 44 45
ABI. EG 1982, Nr. L 378, S. ABI. EG 1979, Nr. L 259, S. ABI. EG 1982, Nr. L 230, S. ABI. EG 1979, Nr. L 103, S.
15. 10. 1. 1 (79/409); 1985, Nr. L 233, S. 33 (85/411).
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( 1) Vereinbarkeit der Bundes- und Landesjagdgesetze mit den Vorschriften
(2)
(3)
(4) (5)
der Richtlinie. Die Kommission ist der Auffassung, daß die deutschen Vorschriften den Bestimmungen der Richtlinie in zahlreichen Punkten nicht gerecht werden. Schutz der Vogelhabitate für solche Vogelarten, die durch die Richtlinie 85/411 als besonders schutzwürdig angesehen wurden. Die Kommission ist der Auffassung, daß für jede Vogelart die geschützten Habitate anzugeben sind. Eindeichungsmaßnahmen in der Leybucht. Die Kommission ist der Auffassung, daß der Schutz der Habitate in der Leybucht bei den dort geplanten Eindeichungsmaßnahmen - die Maßnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs, der Entwässerung und der örtlichen Wirtschaft einschließen - nicht hinreichend beachtet wurde. Ausbaggerung des Emsfahrwassers. Die Kommission ist der Auffassung, daß das Aufbringen des Baggergutes auf Flächen, die nach der Richtlinie 79/409 geschützt sind, nicht zulässig ist. Jagd auf Eichelhäher, Elster und Rabenkrähe. Die Kommission ist der Auffassung, daß die fast ganzjährig freie Jagd auf die genannten Rabenvögel mit den Vorschriften der Richtlinie nicht vereinbar ist. Dieser Fall ist rechtspolitisch sehr interessant. Die Kommission hatte seinerzeit vorgeschlagen, bestimmte Vögel vom Schutz der Richtlinie auszunehmen. Der Rat war ihr bei Annahme der Richtlinie aber nicht gefolgt, sondern sah für alle wildlebenden Vögel Schutzmaßnahmen vor. Dennoch genossen die angeführten Rabenvögel in der Bundesrepublik auch nach Inkrafttreten der Richtlinie praktisch keinen Schutz. Erst als Ende 1986 die Bundesartenschutz-Verordnung erging, dehnte Deutschland den Schutz auf die genannten Rabenvögel aus - wozu es seit 1981 verpflichtet gewesen wäre. Gleichzeitig stellte es, und zwar insbesondere auf Betreiben des Bundesrates, jedoch einen förmlichen Antrag bei der Kommission auf Änderung der Richtlinie, um die Rabenvögel vom Schutzbereich der Richtlinie auszunehmen. Bevor die Kommission einen entsprechenden Richtlinienvorschlag ausarbeitete, nahmen einige Bundesländer das Ergebnis der Diskussion in Brüssel - die Richtlinie muß einstimmig geändert werden - vorweg und erließen Verordnungen, die die Jagd auf Rabenvögel freigaben. Hier erhebt sich die Frage, ob nicht der aus Art. 5 des Vertrages folgende Grundsatz des gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens tangiert ist.
Die Aufzählung der Beispiele mag an manchen Stellen die Kritik hervorrufen, die Kommission gehe formalistisch vor und stelle nicht auf die materielle Rechtslage und den wahren Zustand der Umwelt ab. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die Kommission für die Durchführung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in zwölf Mitgliedstaaten zu sorgen hat. Ge-
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rade im Umweltrecht sind nationale oder regionale Traditionen oft sehr stark, fehlt es an Umweltbewußtsein, an der Entschlossenheit - einschließlich seitens der Verwaltungen- das gesetzte Recht durchzusetzen usw. Die Kommission muß daher auf einer förmlichen Umsetzung und einer inhaltlich angemessenen Anwendung der Umweltvorschriften bestehen. Jedermann ist heute der Auffassung, daß die Umwelt zu schützen ist; Meinungsverschiedenheiten entstehen erst, wenn es um Einzelfragen geht, und gemeinschaftsweit gesehen kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß noch nicht genügend und nicht genügend wirksame Regelungen zum Schutz der Umwelt bestehen. Wenn die Kommission ihre Rolle als Hüterio der Verträge im Umweltbereich ernst nehmen will, hat sie die Pflicht, darauf zu bestehen, daß die bisher ergangenen Umweltvorschriften dem Buchstaben und dem Geist nach vollständig umgesetzt und angewandt werden.
VI. Schlußbemerkungen Eine Verflechtung zwischen Europäischer Gemeinschaft, Bund und Ländern besteht also allerorten, bei der Konzipierung gemeinschaftlicher Umweltpolitik, der Ausarbeitung einzelner Maßnahmen, der förmlichen Umsetzung in innerstaatliches Recht und der Kontrolle der Anwendung des gemeinschaftlichen Umweltrechts. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für den Schutz der Umwelt hat in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten geführt. Nichts läßt darauf schließen, daß diese Schwierigkeiten unter der Geltung der Einheitlichen Europäischen Akte geringer werden. (Einstimmige) Entscheidungen zum Schutz der Umwelt werden in einer Gemeinschaft aus zwölf Mitgliedstaaten stets schwierig bleiben. Dennoch sollte nicht vergessen werden, daß das in Art. 130 r gesetzte Ziel der gemeinschaftlichen Umweltpolitik: die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern; zum Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen; eine umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten; auch eine Beschreibung des Ziels jeder Umweltpolitik eines Mitgliedstaates oder eines Landes (einer Region) sein könnte. Es gibt nur eine Umwelt, und trotz der Bemühungen der vergangeneo Jahre wird man kaum feststellen können, daß die Umweltbelastungen in der Gemeinschaft erheblich geringer geworden sind. In einer Zeit, in der Märkte zusammenwachsen und sich die Produktion uniformisiert, lassen sich Umweltprobleme nicht mehr nur in nationalstaatliehen oder gar regionalen Räumen lösen. Die Aufnahme eines Kapitels über die Umwelt in den EWG-Vertrag trägt also im politisch-recht-
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liehen Rahmen nur der ohnehin vorhandenen wirtschaftlich-sozialen Lage Rechnung. Aus der Sicht des Umweltschutzes und der Umweltpolitik der Länder ist die Gemeinschaft daher schon längst res publica geworden. Die Anforderungen, die sich hieraus für die Länder in bezug auf die Mitwirkung an der Umweltpolitik der Gemeinschaft und in der Gemeinschaft ergeben, sind allerdings an dieser Stelle nicht mehr darzustellen.
Aufgabenverflechtung zwischen Europäischer Gemeinschaft, Bund und Ländern, dargestellt am Beispiel des Umweltschutzes Von Frank Hennecke
I. Die neue Rechtslage
Die Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft und damit auch der jeweiligen Mitgliedstaaten ist im Jahre 1987 auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt worden. Die bereits 1986 verabschiedete .Einheitliche Europäische Akte" ist nun nach Ratifikation durch den letzten Mitgliedstaat 1987 in Kraft getreten. 1 In der Bundesrepublik ist die Einheitliche Europäische Akte durch das .Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte" vom 19. Dezember 19862 ratifiziert worden. Dieses Gesetz enthält maßgebliche Bestimmungen für das Verhältnis von Bund und Ländern im Bereich der Umweltpolitik und des Umweltrechts. 3 II. Die neuen Kompetenzen der EG Mußten bislang die umweltpolitischen Kompetenzen der EG auf diejenigen Rechtsvorschriften des EG-Vertrages gestützt werden, die auf die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Marktes abzielten, und war somit die Rechtsgrundlage für spezifisch umweltpolitische Maßnahmen und umwelt1 Einheitliche Europäische Akte, ABlEG vom 29.6.1987, Nr. L 169/1 ff. Zur europäischen Rechtsentwicklung aufgrund der Einheitlichen Europäischen Akte insgesamt vgl. neuerdings Siegfried Magiera, Politische Rechte im Europa der Bürger, Zeitschrift für Rechtspolitik 1987, S. 331 ff. ; ders., Europa der Bürger, Die Öffentliche Verwaltung 1987, S. 221 ff.; Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, Köln u.a. 1988. 2 Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 19.12.1986, BGBI. I S. 1102. 3 Zum deutschen Zustimmungsgesetz vgl. Georg Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte - Ein Schritt zur .Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, S. 361 ff.; Stefan Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, Speyer 1987, S. 51 ff.
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rechtliche Normsetzungen unsicher, 4 so hat jetzt die Einheitliche Europäische Akte Rechtsklarheit geschaffen und die Kompetenzen der EG auf umweltpolitischem Gebiet umfänglich ausgedehnt. 5 1. Dem Dritten Teil des EWG-Vertrages wird durch Art. 25 der .Bestimmungen zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften" ein .Titel VII" mit der Überschrift .Umwelt" hinzugefügt. Die EG erhält durch den neuen Art. 130 rein umfassendes umweltrechtliches und umweltpolitisches Mandat. Die in Art. 130 r niedergelegte Konzeption folgt sowohl dem umweltpolitischen Vorsorgeprinzip als auch dem Verursacherprinzip - beides Grundsätze, die in der Bundesrepublik und in allen Mitgliedstaaten der EG allgemeinen Konsens finden. In Art. 130 r Abs. 4 wird das umweltpolitische Tätigwerden der EG jedoch unter den Grundsatz der Subsidiarität gestellt. Der Gemeinschaft wächst hiernach nur insoweit eine Kompetenz zu, als die umweltpolitischen Ziele .besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten".
Art. 130 s regelt Verfahrensfragen. Bemerkenswert bleibt Art. 130 t, wonach die jeweiligen Schutzmaßnahmen, die gemeinsam getroffen werden, die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, die mit dem EWG-Vertrag vereinbar sind. 2. Als Rechtsform für die Umsetzung von umweltpolitischen Maßnahmen steht der EG bekanntlich die Verordnung zur Verfügung. Entsprechende Verordnungen sind inzwischen verabschiedet6 oder in Vorbereitung. 3. Neben der Verordnung besteht die Möglichkeit der Rechtsetzung in Form von Richtlinien. Von dieser Möglichkeit hat die EG übrigens auch bereits vor der Einheitlichen Europäischen Akte auf umweltpolitischem Gebiet Gebrauch gemacht. Zu erwähnen ist hier die EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung.7 4. Die Umweltpolitik der EG gewinnt u. a. Inhalt durch Finanzierungsprogramme. Derartige Finanzierungsprogramme können verschiedene Rechtsformen annehmen. 4 So nach Michael Kloepier, Europäischer Umweltschutz ohne Kompetenz?, Umwelt- und Planungsrecht 1986, S. 321 ff. 5 Zu den neuen umweltpolitischen Kompetenzen der EG vgl. Man/red Zuleeg, Vorbehaltene Kompetenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1987, S. 280 ff. 6 Vgl. die .Verordnung (EWG) Nr. 2242/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über gemeinschaftliche Umweltaktionen", ABlEG Nr. L 207/8. 1 .Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG)", ABlEG Nr. L 175/40.
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a)
Im Aufbau und in Entwicklung befindlich sind Forschungs- und Entwicklungsprogramme, vornehmlich zu .Neuen Technologien". 8 Die Forschungs- und Entwicklungsprogramme haben auch umweltpolitischen Gehalt, jedenfalls insoweit, als umweltverträgliche Technologien und spezifische Umwelttechniken von dem Forschungs- und Entwicklungsprogramm umfaßt werden. Dies wird zunehmend der Fall sein, da die technische Entwicklung nicht ohne Prüfung ihrer eigenen Umweltverträglichkeit wird vorangetrieben werden können. Darüber hinaus wird die weitere technische Entwicklung vom Prinzip der Ressourcenschonung und von der Ressourcenknappheit bestimmt sein müssen. Ganz allgemein gehört die Zukunft den .sanften Technologien".
b)
Verabschiedet ist eine Verordnung der EG über gemeinschaftliche Umweltaktionen, die auch Finanzierungsprogramme umfaßt. 9
c)
Für die Abwicklung der Finanzierungsprogramme steht die Europäische Investitionsbank in Luxemburg zur Verfügung.
5. Über die konkreten, in bestimmte Rechtsformen gekleideten Finanzierungs- und Maßnahmenprogramme hinaus entwickelt die EG auch allgemeine Programme zur Umweltpolitik. Dies ist auch schlüssig. Denn der Normsetzung durch Verordnungen und Richtlinien sowie den Finanzierungsprogrammen müssen einheitliche Prinzipien zugrunde liegen, die in einer allgemeinen Umweltpolitik programmatisch formuliert werden. Das Programm einer europäischen Umweltpolitik ist dementsprechend konzipiert worden. 10 Die Grundlinien entsprechen den Prinzipien der Umweltpolitik, über die auch innerhalb der Bundesrepublik Konsens besteht. So formuliert das EG-Programm die bekannten Prinzipien, wie das Vorsorgeprinzip, das Verursacherprinzip und das Kooperationsprinzip. Hinsichtlich der Landwirtschaft werden Programme der Extensivierung, der Landespflege und der Entschädigung der Landwirte für freiwillige oder auferlegte Nutzungseinbußen entwickelt. 11 8 Vgl. den .Vorschlag einer Verordnung des Rates über ein gemeinschaftliches Rahmenprogramm im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung 1987 -1991" KOM (86) 430 endg.; Ratsdok. 8764/86 (=ER-Drucksache 383/86) und das Teilprogramm hierzu KOM (86) 550 endg.; Ratsdok. 10278/86 (= ER-Drucksache 569/86); dazu den Beschluß des Rates vom 28.9.1987, 87 /516/Euratom, EWG, ABlEG Nr. L 302/1. 9 Vgl. Anm. 6. 10 Vgl. den .Entwurf einer Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolitik und eines Aktionsprogrammes der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1987-1992) • - EWG Viertes Aktionsprogramm für den Umweltschutz (1987-1992) - vom 8.10.1986, KOM (86) 485 endg. (=ER-Drucksache 520/86). 11 Vgl. die. Verordnung (EWG) Nr. 1760/87 des Rates vom 17.6.1987 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 797/85, Nr. 270/79, Nr. 1360/78 und Nr. 355/77 im
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6. Die der EG zugewachsenen neuen Kompetenzen auf dem Gebiete der Umweltpolitik werden von den Bundesländern differenziert bewertet. a) Zunächst ist selbstverständlich ein Fortschritt darin zu sehen, daß die umweltpolitischen Kompetenzen der EG jetzt auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt sind. Darüber hinaus aber ist in besonderem Maße zu begrüßen, daß die EG als solche die umweltpolitische Herausforderung aufnimmt und den Umweltschutz zu einer alle Mitgliedstaaten verpflichtenden Aufgabe erhebt. b) Die W ahmehmung der EG-Kompetenzen wird verstärkt zur Einführung einheitlicher Standards für zulässige Umweltbelastungen führen. Auch dies ist im Sinne der europäischen Integration und dient der Steuerung und Vermeidung grenzüberschreitender Umweltbelastungen. c) BesonderenWert legen die Bundesländer naturgemäß auf die Subsidiaritätsklausel in Art. 130 r Abs. 4. Hier wäre aus Sicht der Bundesländer ein anderer Akzent zu setzen, als er auch auf dieser Tagung vorgetragen worden istY Wenn die Subsidiaritätsklausel Inhalt und Bedeutung gewinnen soll, darf sie nicht in einem extensiven Sinne ausgelegt und praktiziert werden. Allein die Tatsache, daß die EG es politisch für wünschenswert hält, eine Kompetenz an sich zu ziehen, kann für eine Kompetenzausübung nicht genügen. Wird aber die Subsidiaritätsklausel restriktiv angewandt, verbleiben für die Mitgliedstaaten der EG Regelungshoheiten, und dies bedeutet wiederum, daß innerhalb der Bundesrepublik die föderative Verfassungsordnung wieder voll zur Geltung kommt. Gerade in der föderativen Ordnung drückt sich das Subsidiaritätsprinzip in besonderem Maße aus. Es gewährleistet eine möglichst sachgerechte und ortsnahe Entscheidung von Politikbereichen, die den Lebensbereich der Bürger unmittelbar berühren. Es stellt einen Ordnungsrahmen für Entscheidungen bereit, mit denen sich der Bürger noch am ehesten identifizieren und auf die er Einfluß nehmen kann. Das Subsidiaritätsprinzip ist ein Stück demokratischer Ursubstanz. Es gewährleistet Lebensordnungen in einer Zeit, die von Umbrüchen und Identitätskrisen gekennzeichnet ist. Das Subsidiaritätsprinzip darf daher nicht durch eine .Philosophie der integrativen Veränderung" unterhöhlt werden. Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß die auch auf dieser Tagung gelegentlich beklagte Verweigerung gegenüber dem von der EG gesetzten Recht gerade auch seine Ursache darin haben kann, daß in der EG zentral orts- und sachfeme Entscheidungen getroffen werden, deren Sinn der betroffene Bürger in seiner konkreten Wirklichkeit nicht einzusehen vermag. Die Wahrung der Subsidiarität trägt daher auch zur Akzeptanz des EG-Rechts und damit der EG insgesamt bei. Bereich der Agrarstruktur und zur Anpassung der Landwirtschaft an die neuen Marktgegebenheiten sowie zur Erhaltung des ländlichen Raums", ABlEG Nr. L 167/1. 12 So Ludwig Krämer in diesem Band, S. 189 ff.
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d) Die europäische Integration kostet selbstverständlich ihren Preis. Einer der Preise besteht darin, daß gelegentlich umweltpolitische Standards, die auch eine engagierte Landespolitik durchsetzen möchte, an dem Zwang zur Vereinheitlichung innerhalb der EG scheitern. Manche Umweltpolitik in der Bundesrepublik findet an der EG ihre Grenze. Dies mag vielfach bedauerlich sein- aber an der Willensbildung innerhalb der EG führt kein Weg mehr vorbei. Alles hängt hier von der Überzeugungskraft der Bundesregierung in den EG-Gremien ab. e) Was die neuen Kompetenzen der EG nicht leisten können, darf an dieser Stelle auch erwähnt werden: Zum einen löst die Kompetenz der EG nicht diejenigen Probleme, die in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit nicht der EG angehörenden Staaten bestehen; dies ist selbstverständlich. Zum anderen aber werden durch die Einheitliche Europäische Akte keine unmittelbaren Vollzugskompetenzen begründet. Damit bleibt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit außerhalb der Normsetzung der EG. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit bedeutet Abstimmung der Planung und der administrativen Maßnahmen. Diese Aufgabe ist von den Vollzugsbehörden zu leisten und muß auf besondere Rechtsgrundlagen gestellt werden. Davon wird nachfolgend noch kurz die Rede sein.
111. Spannungsfeld zwischen EG und Föderalismus Immer dann, wenn ein souveränes Gemeinwesen, das innerstaatlich föderativ strukturiert ist und daher die Aufgaben zwischen Gliedstaaten und Zentralstaat in einem womöglich fein ausgewogenen System verteilt hat, Souveränitätsrechte an supranationale Entscheidungseinheiten abgibt, entsteht als innerstaatliches Problem das Spannungsverhältnis zwischen supranationaler Integration und interner föderativer Gewaltenteilung. Die Bundesrepublik ist durch die europäische Integration von diesem Problem in geradezu klassischer Weise betroffen. 13 Hierin ist es auch begründet, daß die 13 Hierzu näher Schmidt-Meinecke (Anm. 3), S. 1 ff.; Georg Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, S. 549 ff.; Rudolf Hrbek/Uwe Thaysen (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1986; Meinhard Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der Europäischen Integration, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Neue Folge, Bd. 35, Tübingen 1986, S. 82 ff.; lose[ Falke/Christian Joerges, Folgeprobleme der Europäisierung technischer Vorschriften und Normen für die Länder der Bundesrepublik Deutschland, Deutsches Verwaltungsblatt, 1987, S. 1051 ff.; dort jeweils auch w. N. Die im übrigen illustrative Arbeit von Achim Ulrich Posse, Föderative Politikverflechtung in der Umweltpolitik, München 1986, berücksichtigt den von der EG gesetzten Bezugsrahmen für die Umweltpolitik nicht.
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Bundesländer mit zunehmender Aufmerksamkeit, wenn nicht gar mit Argwohn, alle europäischen Integrationsmaßnahmen und die entsprechende Politik der Bundesregierung verfolgen. Im einzelnen hat das Spannungsverhältnis zwischen europäischer Integration und grundgesetzlichem Föderalismus, das ja gerade auch auf dieser Tagung intensiv behandelt wird, die folgenden Aspekte: 1. Sofern eine Materie, deren Regelung der EG übertragen werden soll, in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt, sind die Länderinteressen nur mittelbar betroffen; allerdings ist die Rechtstellung des Bundesrates als desjenigen Bundesorganes berührt, das die föderative Verfassungsstruktur repräsentiert. Demzufolge besteht selbstverständlich ein Interesse der Länder daran, daß der Bundesrat möglichst frühzeitig an den entsprechenden Entscheidungsverfahren der EG beteiligt wird, damit nicht erst hinterher und auf diese Weise regelmäßig zu spät dem Bundesrat lediglich die Zustimmung als einzige politische Handlungsmöglichkeit verbleibt. Dem Bundesrat ist es darüber hinaus unbenommen - wie dies auch in anderen Politikbereichen häufig geschieht- politische Erklärungen abzugeben oder die Bundesregierung zu einem bestimmten Verhalten aufzufordern. 2. Einschneidender sind die Integrationsfolgen dann, wenn sich EG-Kompetenzen auf solche Materien beziehen, die im unmittelbaren Kompetenzbereich des Landesgesetzgebers liegen. Hier gilt der bittere, aber unausweichliche Satz des Völkerrechts und damit auch des EG-Rechts, daß die Kompetenz der supranationalen Organisation nicht von einer innerstaatlichen föderativen Kompetenzordnung des jeweiligen Mitgliedstaates abhängen kann. Gemeinschaftsrecht kann nicht zur Funktion des Staatsrechts der Mitgliedstaaten werden. 14 Nimmt sich somit die EG solcher Materien an, die innerhalb der Bundesrepublik der Gesetzgebungshoheit der Länder unterliegen, so muß in der Tat ein echter Substanzverlust an Landeskompetenz festgestellt werden. Dies ist nicht zu beschönigen. Möglichkeiten eines vollwertigen Ausgleiches gibt es nicht. Eine - wenn auch unvollkommene - Kompensation des Kompetenzverlustes kann jedoch durch Einräumung von Mitwirkungsrechten geschaffen werden. Es ist dies eine Figur, die auch anderweitig im Verfassungsund Verwaltungsrecht praktiziert wird, etwa im Bereich des Kommunalrechts, wo Verluste an örtlicher Entscheidungshoheit durch Mitwirkungsrechte an Entscheidungen auf höherer Ebene ausgeglichen werden sollen, oder im Bereich der Grundrechte, deren Schutz man durch Mitwirkungsrechte verstärken will oder deren Einschränkung durch Verfahrensbeteili14 So Karl-Heinz Narjes in einem Vortrag auf der Jahrestagung der Freiherr-vomStein-Gesellschaft in Bonn am 23.6.1987, in: Die Europäisierung des Rechts, Münster 1988, s. 18 f.
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gungenkompensiert werden soll. 15 All dies sind, wohlgemerkt, keine echten, sondern nur notdürftige Ausgleichsformen, deren Gewicht die Substanzeinbuße nicht aufwiegen kann. Im Hinblick auf die Mitwirkung der Bundesländer an der Willensbildung der EG stellt sich im übrigen die weitere Frage, in welcher Form diese Mitwirkung stattfinden soll. 3. Soweit die EG Finanzierungsprogramme auflegt, stellt sich unter föderativem Aspekt auch noch die weitere Frage, inwieweit die Aufbringung und die Verteilung der doch ganz erheblichen Finanzmittel in das grundgesetzliehe Finanzverfassungssystem einzuordnen wäre. Dieser Frage kann hier nicht näher nachgegangen werden - besondere Aufmerksamkeit jedoch scheint dieses Thema wert, insbesondere wenn man sich im Bewußtsein hält, welche grundlegende Bedeutung das Bundesverfassungsgericht dem Finanzverfassungssystem in der föderativen Ordnung des Grundgesetzes beigemessen hat. 16 4. Für die angesprochenen Fragen enthält das .Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte" vom 19.12.1986 (EEAG) einen Lösungsansatz.17 a) In Art. 2 Abs. 1 EEAG wird eine Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat statuiert, die sich auf alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft bezieht. Dies bedeutet insbesondere, daß die Informationspflicht für diejenigen Bereiche besteht, die zwar der Bundesgesetzgebung unterliegen, aber der Mitwirkung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren bedürfen. Festzuhalten bleibt jedoch: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates sind auf ein Informationsrecht zusammengeschrumpft. b) Im Bereich der Gesetzgebungsmaterien der Länder versucht das EEAG eine Rückbindung der Bundesregierung an die Länder zu schaffen. Vor der Zustimmung der Bundesregierung zu Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften soll dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Hieran ist zweierlei bemerkenswert: Zum einen wird hier in der Tat wieder der Versuch unternommen, Kompetenzverluste durch Mitwirkungsrechte zu kompensieren. Die Mitwirkungsrechte sind freilich nicht konstitutiver Natur, sondern beschränken sich auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Zum anderen aber, und dies ist viel problematischer, sind Träger der 15 Vgl. die hinlänglich bekannte Diskussion um den .Grundrechtsschutz durch Verfahren•; hierzu: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 49, S. 220 ff. ; Bd. 53, S. 30 ff. ; Herbert Bethge, Grundrechtsverwirklichung und Grundrechtssicherung durch Organisation und Verfahren, Neue Juristische Wochenschrift 1982, S. 1 ff.; Fritz Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, 1982, S. 183 ff.; Peter Badura, Staatsrecht, München 1986, s. 77 ff. 16 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 55, S. 274 ff. 17 Vgl. im einzelnen auch Schmidt-Meinecke (Anm. 3); Ress, (Anm. 3).
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Mitwirkungsrechte nicht etwa die Länder als solche, sondern der Bundesrat. Dies geht auch aus Art. 2 Abs. 3 und 4 EEAG nochmals ausdrücklich hervor. Diese Konstruktion geht von der Vorstellung aus, als ob der Bundesrat ein rechtsgeschäftliches Vertretungsorgan der Bundesländer wäre. Dies aber ist gerade nicht der Fall. Der Bundesrat ist Verfassungsorgan des Bundes und nicht etwa im Sinne einer .Prozeßstandschaft" rechtsgeschäftlicher Vertreter der Länder. Doch wie soll innerhalb des Bundesstaates eine Trägerschaft von Länderkompetenzen und Länderinteressen anders verortet werden? c) Über die dem Bundesrat eingeräumten Mitwirkungsverfahren hinaus gibt Art. 2 Abs. 5 EEAG jedoch auch den einzelnen Ländern die Möglichkeit, an den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates der Europäischen Gemeinschaften teilzunehmen. Insofern ist zwar eine unmittelbare Länderbeteiligung gegeben, wenn es auch an konstitutiven Mitwirkungsrechten fehlt. d) Die Einzelheiten der Unterrichtung und Beteiligung der Länder und des Bundesrates sollen nach Art. 2 Abs. 6 EEAG einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten bleiben. Diese Vereinbarung ist derzeit noch in Vorbereitung. Hiervon wird sogleich noch die Rede sein. e) In verfassungsrechtlicher Hinsicht wäre die Qualität des Ratifikationsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte noch einer besonderen Prüfung wert. In diesem Gesetz wird das Bund-Länder-Verhältnis, zumindest in einem wichtigen Teilbereich, grundlegend bestimmt. Pflichten und Rechte von Verfassungsorganen wie der Bundesregierung und dem Bundesrat werden gesetzlich festgelegt. Es tritt hierbei die Frage auf, ob derartige Regelungsinhalteüberhaupt in einem einfachen Gesetz festgelegt werden können oder ob es sich hierbei nicht um Materien handelt, die im Grundgesetz selbst geregelt sein müßten. Steht nicht die grundlegende Bestimmung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern im Bundesstaat unter Verfassungsvorbehalt? Kann sich der einfache Gesetzgeber dieser Regelungen ohne weiteres annehmen? Zieht man die Linie der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten .Wesentlichkeitstheorie" 18 weiter aus, so könnte sich die Figur eines sog. Verfassungsvorbehaltes ergeben. Die grundlegenden Bestimmungen zur föderativen Struktur des Bundesstaates sind in solch hohem Maße .wesentlich", daß der verfassungsrechtlich gebotene Regelungsort die Verfassung selbst ist. 19
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 58, S. 257 ff. Zu der Figur des.Verfassungsvorbehaltes" vgl. auch Frank J. Hennecke, Schule zwischen Recht und Politik, Kaiserslautern 1985, S. 17. 18
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IV. Konkrete Mitwirkungsformen der Länder und deren Grenzen Für die Wahrung der Länderinteressen auf den Gebieten, für die die EG einen Kompetenzzuwachs erhalten hat, wird es daher in Zukunft darauf ankommen, ob und in welchem Umfange die vom Grundgesetz selbst bereits gegebenen und die vom Gesetz über die Einheitliche Europäische Akte neu geschaffenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder an der Willensbildung der EG ausgeschöpft werden können. 1. Die Ländermitwirkung ist über den Bundesrat nach geltendem Verfassungsrecht und nach dem EEAG selbstverständlich gegeben. Das Zustimmungsverfahren zu Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften unterliegt den allgemeinen verfassungsrechtlichen Regeln. Über Art. 2 Abs. 1 EEAG ist die Information gesichert.
2. Nach Art. 2 Abs. 5 EEAG ist die unmittelbare Länderbeteiligung an EG-Gremien gegeben. Was hierdurch sichergestellt wird, ist, wenn schon nicht eine konstitutive Mitwirkung, so doch frühzeitige Information und qualifizierte Beratung. 3. Zentrale Bedeutung für die Verwirklichung der Mitwirkungsrechte wird die nach Art. 2 Abs. 6 EEAG vorgesehene Bund-Länder-Vereinbarung erlangen.20 a) Welche Schwierigkeiten sich allerdings dem Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung entgegenstellen, ist allein daraus schon ersichtlich, daß die Vereinbarung bis zum heutigen Tag nicht hat verabschiedet werden können. W eieher Art die Schwierigkeiten sind, ist bereits aus den vorangegangenen Überlegungen - zumindest teilweise - deutlich geworden. b) Darüber hinaus aber hat sich in den internen Beratungen als besonderes Problem herausgestellt, nach welchem Schlüssel die Vertretung der Länder in den EG-Gremien nach Art. 2 Abs. 5 EEAG sichergestellt werden soll. Es ist offensichtlich, daß nicht alle Bundesländer an allen EG-Gremien teilnehmen können. Es muß daher ein bestimmtes Verteilungsverfahren gefunden werden, das dem einen Bundesland diese, dem anderen Bundesland jene Beteiligungsmöglichkeit einräumt. Die Entwicklung eines entsprechenden Schlüssels steht selbstverständlich in Beziehung zu dem politischen Kräfteverhältnis der Länder und deren jeweiliger politischer, auch parteipolitischer, Ausrichtung. c) Aber selbst wenn ein entsprechender Schlüssel gefunden wäre, wäre noch nicht ohne weiteres einsichtig, wieso ein einziges Bundesland, das an einem bestimmten EG-Gremium teilnimmt, die Interessen aller Bundesländer in diesem Gremium im Hinblick auf die dort zu behandelnden Materien 20
Vgl. hierzu auch Ress, (Anm. 3), S. 365 ff.
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soll wahrnehmen können. Kann denn ein Land die anderen Länder gleichsam rechtsgeschäftlich vertreten? d) Offen ist in den bisherigen Beratungen auch noch die weitere Frage, ob die Ländervertreter in den EG-Gremien nach Art. 2 Abs. 5 EEAG dem Bundesrat rechtlich zugeordnet werden oder ob die Ländervertreter unmittelbare Abgesandte der Länder sein sollen. Je nach konkreter Ausgestaltung würde dann an dieser Stelle wiederum das bereits erwähnte Problem auftreten, ob der Bundesrat als Verfassungsorgan des Bundes durch seine Mitwirkung den Verlust an Gesetzgebungskompetenz der Länder ausgleichen kann. 4. Das Problem der Länderbeteiligung an Entscheidungen der EG ist selbstverständlich nicht neu und nicht etwa erst durch die Einheitliche Europäische Akte und das hierzu ergangene Zustimmungsgesetz in die Welt getreten. Das Problem ist so alt wie die EG selbst. Daher hat es bereits auch zu einem früheren Zeitpunkt Versuche gegeben, die Länderinteressen sicherzustellen. Ausdruck dieser Versuche ist die Institution des .Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften" _21 Diese Funktion ist auch durch das EEAG zumindest formell unberührt geblieben. Welche weitere Entwicklung die Stellung des Länderbeobachters nehmen wird, wird abzuwarten sein und mag hier dahinstehen. 5. In jüngster Zeit sind die Länder auch dazu übergegangen, in Brüssel als dem Sitz der Europäischen Gemeinschaften unmittelbar Länderbüros einzurichten, die dort gleichsam als .Botschafter" fungieren. 22 Diese Länderbüros bestehen unabhängig von den Mitwirkungsmöglichkeiten des EEAG; ihnen kommen weder europarechtlich noch verfassungsrechtlich besondere Funktionen zu. Was diese Länderbüros werden leisten können, bleibt abzuwarten; im übrigen sind auch kritische Stimmen vernehmlich gewesen. 23 6. Wie erwähnt, stellt die EG aufgrund von Finanzierungsprogrammen auch Finanzmittel zur Förderung umweltrelevanter. Vorhaben zur Verfügung. Diese Mittel sollen vornehmlich privaten Wirtschaftsunternehmen, die Investitionen in innovative Techniken treffen wollen, und Wissenschaftseinrichtungen zufließen. Für die Länder ist in diesem Zusammenhang Doppeltes interessant: Zum einen kommen EG-Mittel möglicherweise der Regionalförderung zugute; zum anderen fließen die Mittel den von den Ländern getragenen Hochschulen zu. Daß hierdurch Hierzu näher Schmidt-Meinecke (Anm. 3), S. 67 f. Hierzu näher Schmidt-Meinecke (Anm. 3), S. 71 f. Zur Errichtung des Büros von Rheinland-Pfalz vgl. die Presseberichte in der Mainzer Allgemeinen Zeitung vom 2.10.1987, S. 5, und vom 3.10.1987, S. 5. 23 Schmidt-Meinecke (Anm. 3), S. 45 f., 71 f. 21
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gewiß auch eine bestimmte Entlastung für die Landeshaushalte verbunden ist, bestärkt nur das Landesinteresse an EG-Programmen. Ob sich die Länder freilich durch Finanzierungsprogramme ihre Kompetenzen abkaufen lassen sollten, bleibt zweifelhaft. Der Abruf von Finanzmitteln, die die EG bereitstellt, hängt jedoch von der vorhandenen Information und den administrativen Abläufen ab. Und hier hat es, zumindest noch in der Vergangenheit, durchaus Probleme gegeben: Der Informationsfluß von der EG bis hin an die einzelnen Hochschulen oder die Unternehmen in den Ländern ist weit. Ein wirksamer Informationsfluß ist bislang kaum sichergestellt. Hier wird es seitens der EG noch an mehr Publizität, seitens der Länder des Aufbaus von Informationswegen bedürfen. Kennzeichnend für die Situation war eine Veranstaltung im Kultusministerium Rheinland-Pfalz im Frühjahr 1987, wo führende Vertreter der EG vor den Repräsentanten sämtlicher Hochschulen des Landes Forschungs- und Entwicklungsprogramme vorgestellt und damit z. T. Staunen und Verblüffung hervorgerufen haben. In der Diskussion wurde sogar die Befürchtung geäußert, mangels geordneter Informationsverfahren könne es vom Zufall abhängen, wer die Förderung erhielte, oder es würde nach dem. Windhundverfahren" vorgegangen, wonach derjenige, der den ersten Antrag stellte, auch die Mittel abschöpfte. Die Gesamtsituation ist gewiß auch Ausdruck bestimmter bürokratischer Strukturen, die bei der EG feststellbar sind, von denen sich die Länder aber ebenfalls nicht als völlig frei bezeichnen können. 7. Dies leitet über zu einem letzten, aber nachdenkenswerten Gesichtspunkt. Naturgemäß sind die Landesregierungen und die Landesverwaltungen vornehmlich auf das Land selbst bezogen. Hier liegen ihre Handlungsmöglichkeiten, hier liegt ihre Kompetenz. Den Aufgaben, der Größe und dem Zuschnitt des Landes entspricht seine Verwaltungskapazität Hieraus aber folgt, daß es zur Belastung für die vorhandenen Verwaltungskapazitäten führt, wenn Aufgaben wahrzunehmen sind, die über den örtlichen Wirkungskreis des Landes ausgreifen. Gewiß, jedes Land muß auch Kapazitäten dafür bereithalten, daß sich die Politikverflechtung im Bundesstaat nicht auf die Belange des einzelnen Landes und deren örtlichen Zuschnitt beschränken kann. Allein schon die föderative Struktur selbst bedingt es, daß die Bundesländer gegenüber der Bundesregierung in Bonn und im Bundesrat präsent sein müssen. Darüber hinaus aber hat sich im bundesstaatliehen Gefüge die Notwendigkeit ergeben, daß die Länder nicht nur zum Bund hin Koordinationsarbeit leisten, sondern auch untereinander in Verbindung treten. Die horizontalen Zusammenschlüsse haben in Form der Ministerpräsidentenkonferenz und der übrigen Fachministerkonferenzen institutionelle Form gefunden. Auch hier müssen die Länder mit allem Vorbereitungsaufwand präsent sein. Unterhalb der Ebene der Ministerkonferenzen bestehen 15"
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zahlreiche Fachausschüsse, Arbeitsgemeinschaften, Bund-Länder-Gremien. Die überregionale Mitwirkung der Länder in all diesen Gremien bindet eine erhebliche Verwaltungskapazität insbesondere der jeweiligen Landesministerien. Es ist nun festzustellen, daß sich bereits jetzt die kleineren und daher verwaltungsschwächeren Länder schwertun, in allden länderübergreifenden Gremien vertreten zu sein. Die Verwaltungskapazität stößt an Grenzen. Diese Kapazitätsgrenzen werden aber um so spürbarer werden, wenn es darum geht, nicht etwa nur in Bonn oder in einer Fachministerkonferenz, sondern in Brüssel präsent zu sein. Der Weg nach Brüssel ist weit, und die Sprachgrenzen bilden ohnehin Barrieren. Es ist daher schon jetzt vorherzusehen, daß die vom EEAG vorgesehene Präsenz der Bundesländer in Brüssel deswegen leerlaufen wird, weil die Personal- und Verwaltungskapazitäten der Bundesländer hierfür nicht mehr hinreichen. Nur der .Insider" weiß, auf welch schmalen Schultern in den jeweiligen Landesministerien die landes~ übergreifenden Aufgaben ruhen. Es steht zu erwarten, daß sich das jetzt schon spürbare Ungleichgewicht der Bundesländer durch das Beteiligungsverfahren in Brüssel noch stärker zu Lasten der verwaltungsschwächeren und zugunsten der verwaltungsstarken Länder verzerren wird. Deutlich wird an diesem Sachverhalt insgesamt, wie wenig die föderative Struktur innerhalb der Bundesrepublik für eine Repräsentanz in supranationalen Organisationen geschaffen ist. Welche weiteren Entwicklungen sich hieraus im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration ergeben werden, ist jetzt noch völlig offen. Daß sich sozusagen die mittlere Ebene, d. h. die zentralstaatliche, zugunsten der supranationalen Ebene einerseits und zugunsten weiterer Delegation auf die gliedstaatliche Ebene im Bundesstaat andererseits .ausdünnen" könnte, wäre nur eine der Möglichkeiten. V. EG-Richtlinte zur Umweltverträglichkeitsprüfung
Ein Beispielsfall für die Aufgabenverflechtung zwischen EG, Bund und Ländern ist die - allerdings noch vor Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte verabschiedete - .Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten". 24 1. Die Rechtsnorm der EG über die .Umweltverträglichkeitsprüfung" hat die Form einer Richtlinie. Dies hat für die Bundesrepublik als Mitgliedstaat der EG immerhin den Vorteil, daß die Richtlinie erst in innerstaatliches Recht umgesetzt werden muß, und daß daher im innerstaatlichen Bereich die föderative Kompetenzordnung gewahrt bleiben kann. Daß freilich über24 Vgl. Anm. 7. Dazu grundlegend Jiligen Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Köln u.a. 1986.
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haupt eine Normsetzung zu dem außerordentlich komplexen und z. T. auch umstrittenen Bereich der .Umweltverträglichkeitsprüfung" seitens der EG erfolgt ist, ist außerhalb der Einfluß- und Kompetenzmöglichkeiten der Länder geblieben. 2. Soweit die Richtlinie Materien betrifft, für die die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben ist, bedarf es der Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Es steht zu erwarten, daß die Bundesregierung noch im Herbst 1987 mit einem Konzept zur Umsetzung der EG-Richtlinie an die Öffentlichkeit tritt und auch das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringt. Die Mitwirkungsform des Bundesrates an dem Gesetzgebungsverfahren wird vom Inhalt der Gesetzesinitiative im einzelnen abhängen. Die verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundesrates bleiben in vollem Umfang gewahrt.
3. Die EG-Richtlinie betrifft jedoch auch Materien, die zumindest in Teilbereichen der Gesetzgebungshoheit der Länder unterliegen. Innerhalb der Bundesländer sind entsprechende Prüfungen im Gange, ob es einer Anpassung des Landesrechtes an die EG-Richtlinie bedarf. Soweit feststellbar, handelt es sich jedoch vornehmlich um Materien, für die der Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz hat, so daß es unzweckmäßig erscheint, wenn die Länder ihrerseits mit Umsetzungskonzepten hervortreten, bevor nicht der Bund seine Vorstellungen zur Rahmengesetzgebung geäußert hat. Aber auch hier zeichnet sich insgesamt ab, daß sich die Ländergesetzgebung schwertut, EG-rechtliche Vorgaben in landeseigenes Recht umzusetzen. 4. Eines der Hauptprobleme der Umsetzung der EG-Richtlinie in das Recht des Bundes und der Länder besteht darin, daß sich die EG-Richtlinie vornehmlich an einem planungsrechtlichen Leitmodell des Entscheidungsverfahrens über öffentliche und private Projekte orientiert, während innerhalb der Bundesrepublik das Genehmigungsverfahren mit tatbestandlieh eindeutigen Genehmigungsvoraussetzungen und Versagungstatbeständen im Vordergrund steht. Es ist die Inkompatibilität der Normstrukturen, die die Umsetzung des EG-Rechtes erschwert. 24• Auch dies ist ein Problem der Vermittlung innerstaatlicher Strukturen in die Willensbildung der EG hinein. VI. Regierungskommisstonen für nachbarschafOiche Fragen Wie bereits angedeutet, kann das EG-Recht nicht die Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit lösen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit liegt in der Verantwortung der jeweiligen örtlichen Verwal240 Vgl. hierzu Martin Beckmann, Die Umweltverträglichkeitsprüfung und das rechtssystematische Verhältnis von Planfeststellungsbeschlüssen und Genehmigungsentscheidungen, Die Öffentliche Verwaltung 1987, S. 944 ff.
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tungsträger, die zwar unter generelle Normen gestellt werden können, für den Vollzug aber selbst verantwortlich sind. 25 1. Um den Verwaltungsvollzug in den grenznahen Räumen zu koordinieren, inhaltlich und vor allem planerisch abzustimmen, sind vor vielen Jahren schon Internationale Kommissionen gegründet worden, die seither qualifizierte und effektive Arbeit leisten.
a) Die Deutsch-Französisch-Schweizerische Regierungskommission26 und die unter ihr stehenden Regionalkommissionen Nord und Süd sowie verschiedene Arbeitsgruppen behandeln Probleme des grenznahen Raums am Oberrhein. Vertreten sind in diesen Kommissionen Frankreich, die Schweiz und für die Bundesrepublik die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt in der Abstimmung grenzüberschreitender Planungsprojekte. 27 b) Entsprechend ist auch eine Deutsch-Französisch-Luxemburgische Regierungskommission28 gebildet worden, in der Frankreich, Luxemburg und für die Bundesrepublik das Land Rheinland-Pfalzund das Saarland vertreten sind. Auch hier stehen Fragen der Regionalstruktur und grenzüberschreitender Planungsprojekte im Vordergrund. c) Über die längste Tradition verfügen die Internationalen Kommissionen zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung, 29 zum Schutz der Saar gegen Verunreinigung 30 und zum Schutz der Mosel gegen Verunreinigung.31 Mit25 Zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit insbesondere im Umweltschutz- vgl. die umfangreichen Nachweise bei Cupei (Anm. 24), S. 448; des näheren Michael Bothe/Michel Prieur/Georg Ress, Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen, Berlin 1984; Dieter Rogalla/Christian Schultz, Umweltgefährdende Anlagen in Grenznähe aus völkerrechtlicher Sicht, Natur und Recht, 1987, S. 193 ff.; S. Ercmann (Hrsg.), Transatlantisches Kolloquium über nachbarschaftliehe Beziehungen: Europäische und nordamerikanische Perspektiven, Zürich 1987; Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Umweltschutz in Europa, Heidelberg 1984. 26 BGBI. II 1976, S. 194. 27 Zur Arbeit der Deutsch-Französisch-Schweizerischen Regierungskommission vgl. R. Pätzold, Die Tätigkeit der Dreiseitigen Regierungskommission zwischen Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, in: S. Ercmann (Hrsg.), Transatlantisches Kolloquium über nachbarschaftliehe Beziehungen: Europäische und nordamerikanische Perspektiven, Zürich 1987. Zur deutsch-schweizerischen Zusammenarbeit vgl. auch Hansjörg Peter, Umweltschutz am Hochrhein - Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen zwischen Deutschland und der Schweiz, Zürich 1987. 28 Notenaustausch der Regierungen der Französischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland vom 10. Oktober 1980. 29 BGBI. II 1965, S. 1433. 30 BGBI. II 1962, S. 1106. 31 BGBI. II 1962, S. 1102.
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glieddieser Kommissionen sind alle Rheinanliegerstaaten einschließlich der Schweiz und, für die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins, die EG als solche selbst. 32 Die Aufgaben der Rheinschutzkommission sind im übrigen aufgrundder Unfälle in den chemischen Betrieben am Oberrhein im Herbst 1986 besonders aktuell geworden. 2. Die Internationalen Kommissionen unterscheiden sich in ihren Merkmalen und ihrer Aufgabenstellung durchaus von der EG. a) Während durch die Einheitliche Europäische Akte der EG Rechtsetzungskompetenzen zugewachsen sind, liegt die Aufgabe der Internationalen Kommissionen auf den Gebieten des Verwaltungsvollzugs. Hier wird grenzüberschreitende Zusammenarbeit geleistet, die als solche nicht in die Kompetenzen der EG fällt und in deren Struktur auch nicht angelegt ist. b) Insgesamt sind die Internationalen Kommissionen von der EG nicht abhängig. Ihre Rechtsgrundlage besteht in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die mit der Einheitlichen Europäischen Akte und sonstigen Rechtsetzungsakten der EG nicht im Zusammenhang stehen. Dies wird insbesondere auch dadurch deutlich, daß in den Internationalen Kommissionen Staaten wie die Schweiz vertreten sind, die der EG nicht angehören. c) Aus der Struktur der Internationalen Kommissionen folgt des weiteren, daß die jeweiligen Kompetenzen der beteiligten Vertragsstaaten ungeschmälert bleiben. Hieraus folgt auch, daß die Vereinbarungen über die Internationalen Kommissionen keine Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern innerhalb der Bundesrepublik zur Folge hatten. Vielmehr setzen die Internationalen Kommissionen die jeweiligen mitgliedstaatliehen und föderativen Kompetenzen voraus. d) Aus der Anlage der Internationalen Kommissionen folgt schließlich eine gewisse administrative Vollzugssicherheit Was in den Internationalen Kommissionen vereinbart wird, geht unmittelbar in das Handeln der Verwaltungsträger über. Das Problem der Effektuierung übergeordneter Normsetzung und der jeweiligen lokalen Akzeptanz dieser Normsetzung stellt sich innerhalb der Internationalen Kommissionen nicht. Es darf daher insgesamt festgehalten werden, daß der Kompetenzzuwachs der EG durch die Einheitliche Europäische Akte einer komplementären Ergänzung durch Internationale Verwaltungsabkommen zugänglich ist, in denen die vorhandenen Kompetenzen jedoch vorausgesetzt werden müssen.
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Zusatzvereinbarung (EG-Beiiritt), BGBl. II 1979, S. 87.
Einwirkungen der EG-Kommission auf die Zuständigkeiten der Länder Von Michael Schneider Das Leitthema dieser verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung versucht das verfassungspolitische Spannungsverhältnis zwischen den deutschen Bundesländern und der Europäischen Gemeinschaft auszuloten. Als Vertreter eines deutschen Bundeslandes - und noch dazu eines solch traditionsbewußten wie des Freistaates Bayern - sehe ich es als meine selbstverständliche Aufgabe an, die in der Praxis auftretenden Probleme aus der Sicht des Landes darzustellen. Ich hoffe, daß es mir gleichwohl möglich sein wird, einige Grundgedanken herauszuarbeiten, die sich in der Diskussion auch mit den Vertretern der EG-Kommission als tragfähig für eine gemeinsame Beurteilung erweisen. I.
Es liegt in der Natur des europäischen Integrationsprozesses, daß die Wahrnehmung von Gemeinschaftskompetenzen bisherige Kompetenzen der Mitgliedstaaten schmälert. Die Besonderheit des föderal strukturierten Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland besteht nur darin, daß sich der nationale Kompetenzverlust auf zwei staatliche Ebenen verteilt, nämlich auf den Bund und die Länder. Einwirkungen der EG-Kommission auf Zuständigkeiten der Bundesländer müßten damit an sich etwas völlig Normales sein. Warum reagieren aber gerade die Länder oft so sensibel gegenüber Auswirkungen der Integrationspolitik, wie sich dies beim Ratifizierungsverfahren zur Einheitlichen Europäischen Akte gezeigt hat? Ich sehe hierfür vor allem zwei maßgebliche Gründe: - In der innerstaatlichen Aufgabenabgrenzung ist den Ländern nach einer Reihe von Verfassungsänderungen nur noch ein sehr geringer Bereich an eigenverantwortlicher Gesetzgebungskompetenz verblieben. Insoweit besteht die eigentlich naheliegende Vermutung, daß in den Bereichen, in denen von der nationalen Kompetenzverteilung her keine Notwendigkeit für ein Tätigwerden des Bundes gesehen wird, dies erst recht gegenüber einem Zugriff der EG gelten muß. 1
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- Ein besonderes Element der Selbständigkeit der Länder besteht in der Verfassungspraxis in der weitestgehend eigenverantwortlichen Verwaltungstätigkeit Art. 83 ff. GG lassen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes nur in sehr eng begrenztem Rahmen und unter genau umschriebenen Voraussetzungen zu. Einwirkungen der EG-Kommission im Verwaltungsbereich müssen unter diesen Umständen von der deutschen Verfassungswirklichkeit her als geradezu systemfremd angesehen werden. Vor allem auf den letztgenannten Bereich möchte ich meine folgenden Darlegungen konzentrieren. Ich möchte dabei mit einigen aktuellen Beispielen aus dem wirtschaftspolitischen Umfeld meiner praktischen Tätigkeit die mir gestellte Thematik unter drei Gesichtspunkten entwickeln: (1) Ist es zur Vollendung des EG-Binnenmarktes notwendig, daß im Wege der Rechtsharmonisierung der EG-Kommission zusätzliche Kompetenzen eingeräumt werden? (2) Ist es sinnvoll, daß die EG-Kommission zunehmend eigene Förderprogramme vor allem auch zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen auflegt? (3) Dient es der europäischen Integration wirklich, wenn die EG-Kommission die nationalen Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung über das Instrument der sog. Beihilfeaufsicht immer weiter einengt? Schon in diesen Fragestellungen zeigt sich, daß ich mein Thema nicht als verfassungsrechtliche, sondern als verfassungspolitische Problematik sehe. Denn die sehr allgemein gehaltenen Aufgabenzuweisungen durch den EWG-Vertrag und ihre gemeinschaftsfreundliche extensive Interpretation durch den EuGH brächten die Länder bei einer bloßen Abklärung von Rechtspositionen von vomherein in die Defensive.
II.
1. Zusätzliche Kompetenzen der EG-Kommission im Zusammenhang mit der Vollendung des Binnenmarktes Mit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte am 1. Juli 1987 hat das ehrgeizige Ziel der Vollendung des EG-Binnenmarktes bis 1992 eine institutionelle Grundlage gefunden. Die Umsetzung dieses Ziels wird tiefgreifende Veränderungen der Marktverhältnisse mit sich bringen. Die EGKommission nennt in ihrem Weißbuch über 300 Bereiche, in denen Rechts1 Vgl. dazu Stellungnahme des Bundesrates vom 31.1.1986 zur Entschließung des Europäischen Parlaments zum Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union, ER-Drucksache 31/86, Abschn. II Ziff. 2 Buchst. b. am Ende.
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änderungen entweder schon konkret vorgeschlagen oder generell angekündigt werden. Dieses riesige komplexe Maßnahmebündel setzt ein hohes Maß an Anpassungsbereitschaft und Flexibilität der Wirtschaft voraus. Aber auch für Politik und Verwaltung bedeutet die Umsetzung dieser Vorschläge eine beachtliche Herausforderung. Im Blickfeld stehen dabei gleichermaßen Sorgen und neue Chancen. Befürchtungen gehen z. B. dahin, daß die notwendigen rechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen bei der bestehenden Fülle unterschiedlicher technischer Detailregelungen einen Schub an perfektionistischen Vorschriften und damit an bürokratischen Belastungen mit sich bringen. In den Bereichen Umweltschutz und Verbraucherpolitik besteht die Sorge, daß die europäische Harmonisierung zu einer Nivellierung auf niedrigstem Niveau führen könnte. Das deutsche Verkehrsgewerbe befürchtet einen unfairen Verdrängungswettbewerb, wenn der Verkehrsmarkt liberalisiert wird, ohne daß damit gleichzeitig Schritte zur Harmonisierung der wesentlichen Wettbewerbsbedingungen einhergehen. All diese Befürchtungen treffen auch die Landespolitik, die zumindest im Verwaltungsvollzug und in den wirtschaftspolitischen Folgen mit solchen Entwicklungen konfrontiert wäre. Gleichwohl haben Bundesrat wie Wirtschaftsministerkonferenz die Vorschläge der EG-Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung mit Nachdruck einstimmig befürwortet- übrigens auf bayerischen Antrag hin. Denn auch die Länder wissen, daß es zur Vollendung des Binnenmarktes keine vernünftige Alternative gibt. Freier Wettbewerb in einem einheitlichen europäischen Markt bietet zusätzliche Chancen für wirtschaftliches Wachstum, für Arbeitsplätze und für die Finanzierung des sozialen und regionalen Ausgleichs. Unsere Industrie braucht Absatzmärkte mit europäischer Dimension, um in innovativen Schlüsseltechnologien z. B. der Computer- und Kommunikationsbranche auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Wie weit wir davon noch entfernt sind, belegen nur allzu deutlich die Kontrollen im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Sie sind Ausdruck für vielfältige unterschiedliche nationale Vorschriften im Bereich des Gesundheits-, des Arten- und des Verbraucherschutzes sowie für gravierende Abweichungen bei den Mehrwertsteuersätzen und Verbrauchssteuern. Auffassungsunterschiede gibt es also nicht in der Zielrichtung, sondern nur bezüglich Notwendigkeit und Umfang der konkret vorgeschlagenen Harmonisierungsmaßnahmen. Lassen Sie mich dies am Beispiel des öffentlichen Vergabewesens exemplarisch verdeutlichen.
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Freier Wettbewerb in einem echten europäischen Binnenmarkt bedeutet auch, daß die Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge jedenfalls ab einer gewissen Größenordnung unter Bewerbern aus allen Mitgliedstaaten das leistungsfähigste Angebot berücksichtigt. Jeder weiß, daß die Wirklichkeit heute anders aussieht, zumal in den zukunftsträchtigen Bereichen der Kommunikationstechnologien. Nahezu in jedem Mitgliedstaat gibt es noch sog. Hoflieferanten, denen Regierungsaufträge offen oder verdeckt vorbehalten bleiben. Ich verweise nur darauf, welche Mühe es bereitet, etwa im Fernmeldebereich auf dem Endgerätemarkt allein in der Bundesrepublik echte Wettbewerbsverhältnisse herzustellen. Dabei steht ein derart national ausgerichtetes Vergabewesen nicht nur der europäischen Integration im Wege; es vermindert auch den Druck zu technologischer Neuerung und gefährdet damit längerfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit Eine effektive Harmonisierung des öffentlichen Vergabewesens- jedenfalls für Auftragsvolumen mit europäischer Dimension - ist deshalb unbestrittenermaßen notwendig und vordringlich. Änderungsvorschläge der EG-Kommission zur Liefer- und Baukoordinierungsrichtlinie wurden deshalb vom Bundesrat grundsätzlich positiv beurteilt, soweit sie nicht in den konkreten Anforderungen überbürokratisch und praxisfremd sind. Dabei muß ein angemessener Ausgleich gefunden werden zwischen den Interessen der Auftraggeber an einer raschen und unbürokratischen Verwirklichung öffentlicherLiefer-und Bauaufträge einerseits und der Forderung potentieller Auftragsbewerber nach größtmöglicher Transparenz und Öffnung der Verfahren. Praxisfremd und aus der Sicht der Wirtschaftsförderung völlig unakzeptabel erscheint dabei die Forderung der EG-Kommission, in die Vergabevorschriften für Bauaufträge auch private Unternehmen einzubinden, wenn diese für die Verwirklichung des Projekts staatliche Fördermittel erhalten. Die gegenüber einer freihändigen Vergabe zusätzlichen bürokratischen Erschwernisse durch die Beachtung des öffentlichen Vergaberechts würden private Unternehmer gerade davon abschrecken, sich überhaupt noch um staatliche Förderungen zu bemühen. Viele für das Wirtschaftswachstum wichtige Projekte wären damit gefährdet. Einen aus der Sicht der Länder völlig unvertretbaren Eingriff in das öffentliche Vergabewesen beabsichtigt die Kommission mit dem jüngst vorgelegten Vorschlag einer reinen Verfahrens- und Aufsichtsrichtlinie. Im vollen .EG-Jargon" handelt es sich dabei um den.Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsregeln im Rahmen der Verfahren zur Vergabe öffentlicherLiefer-und Bauaufträge".2 2
SR-Drucksache 298/87.
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Hinter diesem für die EG-Nomenklatur keineswegs unüblichen Wortungetüm verbergen sich Rechtsgrundlagen für ein zwingend vorgesehenes verwaltungsrechtliches oder gerichtliches Einspruchsverfahren bei laufenden Vergabeverfahren. Art. 2 des Entwurfs räumt darüber hinaus der EGKommission ein Interventionsrecht zur Geltendmachung von Gemeinschaftsrecht ein. Ferner soll die Kommission das Recht erhalten, Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge bis zu drei Monate auszusetzen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, welche zusätzlichen zeitlichen Verzögerungen dies bei der Verwirklichung eines Großprojektes wie z. B. des Baus des Münchner Flughafens II mit sich brächte. Gleichzeitig müßte ein derartiges Interventionsverfahren der Kommission in der täglichen Vergabepraxis zwangsläufig zu einer personalträchtigen Bürokratisierung der zuständigen Brüsseler Behörde führen. Der Bundesrat hat deshalb diesen Vorschlägen im Hinblick auf ihren ausgesprochen investitionshemmenden Charakter und wegen ihres Verstoßes gegen Grundprinzipien der föderalen Ordnung mit Beschluß vom 25. September 1987 eine klare Absage erteilt. 3 Soweit die Vergabe durch kommunale Behörden erfolgt, wäre zudem die kommunale Selbstverwaltung berührt. Zu den in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Vorgaben für staatliche Sanktionen weist der Bundesrat darauf hin, daß nach Art. 189 Abs. 3 des EWG-Vertrages den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zu belassen ist, die zur Verwirklichung der Zielsetzung einer Richtlinie geeignet sind. Auch die Ausgestaltung von Sanktionen muß den Mitgliedstaaten selbst überlassen bleiben, um sachgerechte Differenzierungen im Rahmen der jeweiligen nationalen Rechtssysteme zu ermöglichen. Hier handelt es sich für mein Verständnis um ein typisches Beispiel eines in der Zielsetzung sicher gut gemeinten Vorschlags, der in seiner perfektionistischen Ausgestaltung jedoch Zuständigkeiten der Länder unangemessen beeinträchtigt. Für die Vollendung des Binnenmarktes muß es genügen, das materielle Vergaberecht im notwendigen Umfang zu harmonisieren und eine Gleichbehandlung aller Bewerber zu garantieren unabhängig davon, ob sie ihren Sitz im Inland oder in anderen EG-Staaten haben. Erfreulicherweise hat die EG-Kommission im Grundsatz die Gefahr des Perfektionismus inzwischen selbst erkannt und deshalb ihre neue Harmonisierungsstrategie entwickelt. Danach sollen Harmonisierungsvorschläge künftig stärker auf wichtige Grundsatzfragen von europäischer Tragweite konzentriert werden. Diese Strategie sollte aber nicht nur für die Harmonisierung der Anforderungen an Produkte gelten, sondern generell Platz greifen. Letztlich wäre eine solche rechtspolitische Richtschnur nur eine Ausprägung des grundlegenden Subsidiaritätsprinzips, das nach Auffassung des 3
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Bundesrates bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts stärker beachtet werden sollte.4 Im übrigen sollte auf die Einräumung von neuen Verwaltungsbefugnissen der EG-Kommission unmittelbar gegenüber den Mitgliedstaaten grundsätzlich verzichtet werden. Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland beweisen, daß derartige Eingriffsbefugnisse in der Regel entbehrlich sind. Leider zeigt jedoch auch die jüngste Praxis, daß die Kommission immer noch nicht der Versuchung widerstehen kann, jede Gelegenheit zu einer Ausweitung ihrer Kompetenzen gegenüber den Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu nutzen. Im Zusammenhang mit der anstehenden Reform der Strukturfonds hat die Kommission auf der Grundlage von Art. 130 d EWGVertrag einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der eine verstärkte Übertragung von Verwaltungsbefugnissen auf die Kommission vorsieht. 5 Nach dem Kommissionsvorschlag sollen insbesondere an die Stelle bisher beschließender Verwaltungsausschüsse für die einzelnen Strukturfonds nur noch beratende Ausschüsse treten. Gerade über diese Ausschüsse vollzieht sich aber die Mitwirkung der Mitgliedstaaten, wobei in der bisherigen Praxis die Bundesregierung auch Vertreter der Länder zugezogen hat. Bisher waren die Voten dieser Ausschüsse für die Kommission bindend; eine entscheidende Einflußnahme der Mitgliedstaaten war damit gesichert. Der Begründung zum Verordnungsvorschlag sind keine einleuchtenden Gründe zu entnehmen, warum diese bewährte Mitwirkung der Mitgliedstaaten in Zukunft in eine bloße Beratungsfunktion umgewandelt werden soll. 2. Auswirkungen EG-eigener Förderprogramme auf die Zuständigkeiten der Länder
Angesichts vielfältiger Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in anderen EG-Mitgliedstaaten stellt sich generell die Frage nach der Notwendigkeit zusätzlicher EG-eigener Förderprogramme. Dabei liegt es auf der Hand, daß der Vollzug derartiger Förderprogramme unmittelbare Auswirkungen auf die nationalen Fördermaßnahmen hat. Die Existenz der EG-Strukturfonds ist im EWG-Vertrag inzwischen ausdrücklich verankert (vgl. Art. 130 b) und rechtfertigt sich aus der notwendigen Solidarität der Gemeinschaft mit ihren strukturschwächsten Regionen. Aus der Sicht der weniger entwickelten Mitgliedstaaten ist dies ein notwen4 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 16.5.1986 zum Entwurf eines Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte, BR-Drucksache 150/86- Beschluß Ziff. 13. 5 Vgl. BR-Drucksache 367/87.
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diger Ausgleich für die besonderen Anpassungsprobleme im Zusammenhang mit der Vollendung des Binnenmarktes. Ebenso unstreitig ist, daß im Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik auch ein namhaftes finanzielles Engagement der Gemeinschaft erforderlich ist, um die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Verhältnis zu ihren internationalen W ettbewerbern zu stärken. Auch dies findet mit der Einheitlichen Europäischen Akte im EWG-Vertrag eine institutionelle Grundlage (vgl. Art. 130 f-q). Das inzwischen vom Ministerrat verabschiedete Rahmenprogramm für technologische Forschung und Entwicklung 1987 bis 1991 gibt hierfür einen generell sinnvollen Rahmen. Es konzentriert sich in erster Linie auf technologische Felder und Projekte mit europäischer Dimension, bei denen eine gemeinsame Durchführung finanzielle Vorteile bietet, wie z. B. die Aktivitäten auf dem Gebiet der Energieforschung, der Informations- und Kommunikationstechnologien, der Umwelttechnologien, der technologischen Grundlagenforschung, der Biotechnologien oder der neuen Materialien. Für Forschungsvorhaben in diesem Bereich verspricht das gemeinsame Vorgehen mehrerer Partner - was eine regelmäßige Voraussetzung für eine Gemeinschaftsförderung ist - einen echten .europäischen Mehrwert". Erheblichen Bedenken begegnen dagegen z. B. forschungspolitisch motivierte Gemeinschaftsprogramme, die die örtliche Forschungsinfrastruktur verbessern sollen. So hat die Kommission im vergangeneo Jahr einen Vierjahresprogrammvorschlag für die Einrichtung und den Ausbau von Unternehmens- und Innovationszentren vorgelegt. 6 Dabei ist es durchaus zutreffend, daß die Errichtung von Unternehmens- und Innovationszentren an günstigen Standorten ein geeignetes Mittel ist, um gerade kleinen und mittleren Unternehmen Innovationsanreize zu geben und es ihnen zu ermöglichen, am technischen Fortschritt teilzuhaben. Dies trägt mit dazu bei, daß eine flexible Struktur innovativer Unternehmen entsteht und die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zunimmt. Andererseits haben die Wirtschaftsverwaltungen der Länder die Erfahrung gemacht, daß für den Erfolg solcher Einrichtungen die genaue Kenntnis und Berücksichtigung der örtlichen Möglichkeiten und Strukturen von Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehr usw. entscheidend ist. Daher muß die Entscheidung über derartige Einrichtungen grundsätzlich orts- und sachnah getroffen werden. Eine Mitfinanzierung der EG-Kommission brächte keinerlei zusätzlichen Nutzen gegenüber ausschließlich nationalen Förderrnaßnahmen. Deshalb steht hier das Subsidiaritätsprinzip derartigen Gemeinschaftsinitiativen entgegen.7 6 1
SR-Drucksache 57/87. Vgl. Beschluß des Bundesrates vom 3.4.1987, SR-Drucksache 57/87- Beschluß.
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Das Subsidiaritätsprinzip muß in besonderem Maße für mittelstandsspezifische Fördermaßnahmen beachtet werden. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, daß die EG der Mittelstandspolitik mit der Bestallung eines eigenen EG-Mittelstandskommissars und der .task-force KMU" einen besonderen Stellenwert beimißt. Entscheidend ist jedoch eine vernünftige Aufgabenabgrenzung, die dem Grundsatz der Subsidiarität Rechnung trägt. Sache der EG sollte es vor allem sein, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Mittelstand auf europäischer Ebene zügig weiter zu verbessern. Zu begrüßen ist die im Aktionsprogramm der Kommission erkennbare Entschlossenheit der EG zur mittelstandsgerechten Verbesserung und Harmonisierung der steuerlichen Rahmenbedingungen zur Erleichterung des Marktzugangs, der Kooperation und des Technologie-Transfers über die Grenzen hinweg sowie zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung vor allem mit Hilfe der .Mittelstandswirkungsklausel". Nach dieser Klausel müssen alle Programme und Vorschriften der EG auf ihre Auswirkungen auf den Mittelstand überprüft werden. Dagegen begegnen Maßnahmen der EG, durch die neben der Mittelstandsförderung des Bundes und der Länder eine dritte Förderebene auf EG-Ebene geschaffen würde, aus deutscher Sicht erheblichen Bedenken. Dies würde zu Parallelarbeit und Überschneidungen mit bestehenden Förderprogrammen führen und hätte eine wachsende Unübersichtlichkeit des Förderinstrumentariums, die Einführung zusätzlicher Antragswege und weiteren unnötigen bürokratischen Aufwand zur Folge. Als ein besonders negatives Beispiel nenne ich den Kommissionsvorschlag zur Förderung sog. örtlicher Beschäftigungsinitiativen.8 Solche örtlichen Beschäftigungsinitiativen sollen in Zusammenarbeit von privaten Aktionsträgern und öffentlichen Stellen durch die Gründung von meist genossenschaftlich organisierten neuen Kleinbetrieben zusätzliche Dauerarbeitsplätze schaffen. Zwar können solche Initiativen einen positiven Beitrag zur Lösung örtlicher Arbeitsmarktprobleme leisten und eine wertvolle Hilfe vor allem für Langzeit- oder schwer vermittelbare Arbeitslose darstellen. Jedoch hängt der Erfolg von solchen Aktionen, deren Wirkungen nicht überbewertet werden sollten, von der genauen Kenntnis und Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten ab. Deshalb muß auch hier die Entscheidung grundsätzlich auf der Ebene der Wirtschaftsverwaltungen der Länder bleiben. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen, der die Problematik solcher Finanzierungsangebote der 8
BR-Drucksache 86/87.
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Gemeinschaft unterstreicht. Hat die Gemeinschaft erst ein derartiges Förderprogramm aufgelegt, so finden sich durch die Vermittlung europäischer Mandatsträger problemlos auch örtliche Interessenten als Antragsteller. Erklärt die Kommission dann noch ihre Bereitschaft, ein derartiges örtliches Projekt zu fördern, so gerät die Wirtschaftsverwaltung des betroffenen Landes schnell in politischen Zugzwang. Denn üblicherweise werden derartige Fördermaßnahmen davon abhängig gemacht, daß sich der Mitgliedstaat mit einem gleich hohen Förderbetrag beteiligt. Es ist in der politischen Praxis sehr schwer, sich einer solchen .Verlockung" zu entziehen. Damit entsteht die Gefahr erheblicher Konflikte zu landespolitischen Prioritäten, die in Kenntnis der Probleme •vor Ort" oft ganz anders gesetzt sind. Eine derartige Politik des .Goldenen Zügels" war auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern in den 50er und 60er Jahren gängige Praxis: Erst mit einer von Bayern erfochtenen Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 1976 wurde der Praxis des Bundes Einhalt geboten, finanzwirksame Programme aufzustellen und die Länder mit entsprechenden Dotationsauflagen finanziell in Zugzwang zu bringen. Mischfinanzierungen von Bund und Ländern sind heute nur noch in engen Grenzen zulässig und setzen eine partnerschaftliehe Abstimmung voraus. Einseitige Vorgaben seitens des Bundes sind verfassungsrechtlich unzulässig. 9 Von diesem Ausgangspunkt müssen Mischfinanzierungsangebote auf der Ebene der EG grundsätzlichen Vorbehalten begegnen. Deshalb sind besonders hohe Anforderungen an die Begründung neuer EG-Finanzierungstatbestände zu stellen. Zumindest müssen in solchen Fällen die Mitentscheidungsbefugnisse der Kommission je nach der Intensität des gemeinschaftlichen Finanzierungsbeitrags abgestuft und auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Diese Forderung hat der Bundesrat im Zusammenhang mit der angestrebten Reform der Strukturfonds erhoben, nachdem sich abzeichnet, daß aus diesen Fonds auch künftig noch gewisse Mittel in die Bundesrepublik Deutschland fließen werden. 10 Von der Sache her wäre es ohnehin vernünftiger, die Mittel der Strukturfonds ausschließlich auf die rückständigsten Problemregionen der Gemeinschaft zu konzentrieren. Leider hat sich dieser Gedanke, der ein erhebliches Maß an unnötiger Bürokratie ersparen würde, im EG-Ministerrat aus politischen Gründen bisher nicht durchsetzen lassen. Einige Unruhe und Verwirrung hat in den Landesverwaltungen eine Ausschreibung der EG-Kommission vom 17. März 1987 verursacht. Gegenstand der Ausschreibung war es, im Rahmen einer Pilotphase in jedem MitgliedVgl. dazu Beschluß des BVerfG vom 14.2.1976, BVerfGE 41, 291 ff. Vgl. Beschluß des Bundesrates vom 10.7.1987, BR-Drucksache 76/87 - Beschluß Ziff. 13. 9
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staat bis zu drei Beratungsstellen für kleine und mittlere Unternehmen einzurichten. Ziel dieses Projekts ist es, die Information der kleinen und mittleren Unternehmen über Programmangebote der EG-Kommission zu verbessern. Gleichzeitig sollen diese Stellen aber - so die Ausschreibungsunterlagen - für die Kommission Analysen der örtlichen Wirtschaftsstruktur erstellen und ihr allgemein als Informationsbasis zur Verfügung stehen. 11 Positiv ist, daß die Kommission die Einbindung der Beratungsstellen in bereits bestehende mittelstandsbezogene Einrichtungen vorsieht. Es besteht auch durchaus Bedarf an einer verbesserten Information der kleinen und mittleren Unternehmen in EG-Angelegenheiten, insbesondere über die Programme und Ausschreibungen der EG im Bereich Forschung und Entwicklung. Andererseits ist nicht auszuschließen, daß die EG-Kommission mit solchen Informationsstellen den Weg einer eigenen einzelbetrieblichen Beratung und letztlich auch der spezifischen Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen beschreiten will. Bund und Länder haben deshalb gefordert, daß ihre zuständigen Stellen der Wirtschaftsverwaltung voll in den Informationsfluß zwischen Beratungsstellen und EG-Kommission einbezogen werden. Dies hat die Kommission mittlerweile zugesagt und es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Projekt weiterentwickelt. 3. Beschneidung nationaler Wirtschaftsförderung durch Beihilfeaufsicht der EG-Kommission
Art. 92 und 93 EWG-Vertrag räumen der EG-Kommission unbestrittenermaßen die Kompetenz ein, wettbewerbsverfälschende Subventionen der Mitgliedstaaten zu unterbinden. Die Kommission kann sich dabei durchaus des Beifalls des europäischen Steuerbürgers sicher sein, wenn sie daran geht, die erheblichen Subventionen etwa im Stahl- oder im Werftenbereich einzudämmen. Besonderes Augenmerk verdienen dabei staatliche Unternehmen. Bei ihnen gehen marktwidrige Finanzspritzen nicht den offiziellenWeg über transparente, der Kommission zugängliche staatliche Förderprogramme, sondern sie laufen unmittelbar über den staatlichen Eigentümer. Trotz einiger Achtungserfolge ist der EG-Kommission hier jedoch noch kein entscheidender Durchbruch gelungen. Stattdessen läuft die Beihilfeaufsicht mehr und mehr Gefahr, zu einem bürokratischen Kontrollinstrument zu degenerieren, das bei Kommission und Mitgliedstaaten erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, dabei aber nur vergleichsweise bescheidene Erfolge zeitigt. Dazu kommt die ordnungspolitisch problematische Tendenz, das Instrument der beihilferechtlichen Mißbrauchsaufsicht zu einer aktiven Beihilfepolitik fortzuentwickeln. Lassen Sie mich dies erläutern an den Bei11
Vgl. Supplement zum Amtsblatt der EG, S. 53/1987, S. 66.
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spielen des Beihilferegimes für die Synthesefaserindustrie, an der sog. Kumulierungsregelung sowie an dem immer noch brandaktuellen Problem der nationalen Regionalförderung. a) Bereits seit 1977 besteht ein einschneidendes Beihilferegime für die Synthesefaserindustrie, das mehrmals, zuletzt 1987, verlängert wurde. Dieses Beihilferegime schreibt vor, daß jede an sich nach allgemeinen Förderprogrammen von der EG-Kommission als zulässig angesehene Subventionsmaßnahme der Kommission im Einzelfall vorweg zur Überprüfung zu notifizieren ist, wenn sie dem Bereich der Synthesefaserindustrie zugute kommen soll. Die Kommission stellt eine Genehmigung nur für eng begrenzte Ausnahmefälle in Aussicht, vor allem wenn Umstrukturierungsmaßnahmen gleichzeitig mit einem Kapazitätsabbau verbunden sind. Sie begründet die Notwendigkeit dieser einschneidenden Förderbeschränkung damit, daß in dieser Branche erhebliche Überkapazitäten bestehen, die die Zukunftsaussichten in einem negativen Licht und damit eine staatliche Förderung als nicht zweckmäßig erscheinen lassen. Dieser Denkansatz der Kommission begegnet grundsätzlichen ordnungspolitischen Bedenken. Denn es ist grundsätzlich fragwürdig, ob der Staat einzelne Branchen in ihren Zukunftsaussichten sozusagen amtlich als Problembranchenqualifizieren sollte. Branchenspezifische Probleme der Kapazitätsauslastung sollten nicht über auf Dauer angelegte dirigistische Subventionsverbote beeinflußt werden, sondern vielmehr die Unternehmen selbst veranlassen, sich in eigener Entscheidung den Kräften des Marktes anzupassen. Allgemeine Förderprogramme, die gemeinschaftsrechtlich anerkannte Zielvorstellungen der Umweltpolitik, der Energieeinsparung, der Technologieförderung oder der Regionalpolitik betreffen, sollten deshalb nicht zu einer Kapazitätssteuerung mißbraucht werden. Gerade die von der EG-Kommission immer wieder als problematisch bewertete Textilwirtschaft zeigt, daß innovative Unternehmer auch auf schwierigen Märkten ihre Chancen finden und nutzen, nicht nur zur Behauptung des Unternehmens im Wettbewerb, sondern sogar zur Expansion. Die Kommission verfolgt bei ihren Überlegungen offenbar Motive einer sektoralen Strukturpolitik, bei denen der Staat anstelle des Marktes entscheidet, welche Branchen zukunftsträchtig sind und welche nicht. Im übrigen ist die rechtliche Qualität derartiger Beihilferegime äußerst zweifelhaft. Ihre Grundlage sind entsprechende .Mitteilungen" der EGKommission an die Mitgliedstaaten. Dabei handelt es sich um Vorschläge für .zweckdienliche Maßnahmen• im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Satz 2 EWG-Vertrag, die grundsätzlich unverbindliche Empfehlungen im Sinne von Art. 189 Abs. 1 EWG-Vertrag enthalten. Die Kommission geht von der Verbindlichkeit dieser Mitteilung aus, wenn ihr die Mitgliedstaaten nicht innerhalb einer meist recht kurz angesetzten Frist ausdrücklich widersprechen. Dabei sieht 16"
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der EWG-Vertrag, vor allem in Art. 189, nicht einmal vor, daß Empfehlungen der Kommission durch eine ausdrückliche Zustimmungserklärung der Mitgliedstaaten Verbindlichkeit erhalten können. Der rechtlich einwandfreie Weg führt über Durchführungsverordnungen des Rates nach Art. 94 EWGVertrag. Diesen Weg ist die Kommission aber bisher offenbar bewußt nicht gegangen, weil sie nicht damit rechnen kann, im Rat die notwendigen Mehrheiten zu finden. Die schwierigen Geburtswehen der Ratsbeschlüsse zum Subventionskodex Stahl - einem rechtlich einwandfreien Beihilferegime - zeigen dies deutlich. b) Die Mitteilung der EG-Kommission zur Kumulierung von Beihilfen unterschiedlicher Zielsetzung vom 18. Dezember 1984 hat die gleiche zweifelhafte Rechtsgrundlage. 12 In den Erwägungsgründen der Mitteilung wird von einem Vorschlag an die Mitgliedstaaten gesprochen, wie künftig bei Förderfällen verfahren werden soll, in denen verschiedene Beihilferegelungen miteinander kumuliert werden. Gleichzeitig sah die Mitteilung bereits einen konkreten Termin des Inkrafttretens vor. Der Kern der Kumulierungsregelung läuft darauf hinaus, daß beim Überschreiten gewisser Schwellenwerte jeder einzelne Förderfall der Kommission vorab zur Genehmigung zu notifizieren ist. Ferner sind umfangreiche Berichtspflichten vorgesehen. Die Bundesregierung hat dazu eine mit den Ländern abgestimmte Stellungnahme an die EG-Kommission gerichtet. Darin wurde die Absicht der Kommission begrüßt, gravierende Kumulierungsfälle aufzugreifen; gleichzeitig wurden aber Nutzen und Praktikabilität der konkret vorgeschlagenen Maßnahmen in Zweifel gezogen. Insbesondere wurde gefordert, bei der Genehmigungspraxis von Subventionsprogrammen von vomherein generelle Kumulierungsregelungen mit entsprechenden Höchstwerten zu treffen. So findet sich z. B. im deutschen Investitionszulagengesetz eine ausdrückliche Regelung über die Kumulierbarkeit der regionalen Zulage mit der Forschungszulage. Der Sinn dieser Kumulierung liegt darin, einen besonderen Anreiz dafür zu geben, eine Forschungsinvestition nicht in einem von der Forschungsinfrastruktur her ohnehin begünstigten Ballungsgebiet zu tätigen, sondern in einem strukturschwachen Raum. Ein weiterer gewollter Kumulierungsfall ist in der deutschen Regionalförderung das Ineinandergreifen von regionaler Investitionszulage als Basisförderung in Verbindung mit einem zusätzlichen lnvestitionszuschuß. Auch dafür dürfen eindeutig festgelegte Höchstwerte nicht überschritten werden. Von derartigen Sonderfällen abgesehen sind in der Praxis der Wirtschaftsförderung Kumulierungsfälle eher die Ausnahme. Demgegenüber geht die Kumulierungsregelung von dem völlig theoretischen Ansatz aller nur denkbaren Kumulierungsfälle aus. Selbst geltende t2
ABI. EG C 3/1985, S. 3.
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steuerliche Zulageregelungen, auf die der Steuerpflichtige einen gesetzlichen Rechtsanspruch hat, sollen einbezogen werden. Die Kommission hat sich auf echte Verhandlungen über eine praktikable Kumulierungsregelung gar nicht eingelassen, sondern letztlich eine Anerkennung der einseitig erlassenen Kumulierungsmitteilung verlangt. Sie hat damit gedroht, andernfalls jedes bereits notifizierte nationale Förderprogramm einem neuerlichen Beihilfeprüfverfahren zu unterziehen und dies mit der Auflage zu verbinden, die neuen Kumulierungsregelungen einzuhalten. Ein derartiges Vorgehen wäre im Verhältnis zwischen Bund und Ländern undenkbar. Verordnungen, die Interessen der Länder berühren, werden vor Erlaß eingehend mit diesen erörtert, selbst wenn sie nicht der Zustimmung des Bundesrates unterliegen. Es ist eigentlich erstaunlich, daß die Mitgliedstaaten bisher ein derart einseitiges Vorgehen der EG-Kommission im Beihilfehereich akzeptiert haben. Für die Bundesregierung mag dies daran liegen, daß sie aus grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Erwägungen stets für eine besonders strikte Beihilfedisziplin eintritt. Die Lasten der Durchführung treffen ohnehin mehr die Länder. Bei anderen Mitgliedstaaten- jedenfalls im südlichen Bereich - darf dagegen vermutet werden, daß derartige Mitteilungen zwar formal anerkannt, aber dann .zu den Akten gelegt" und kaum wirklich vollzogen werden. c) Die Meinungsverschiedenheiten über Umfang und Intensität der deutschen Regionalförderung haben sich zunehmend zu einer schwerwiegenden Belastung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und der EGKommission entwickelt. Seit Jahren blockiert die Kommission fast jede wichtige nationale Neuregelung im Bereich der Regionalpolitik durch Beihilfeprüfverfahren nach Art. 92, 93 EWG-Vertrag. Gleichzeitig wurden gegen seit vielen Jahren anerkannte und praktizierte regionale Förderprogramme der Bundesländer Beihilfeprüfverfahren eröffnet. Dies hat zur Verunsicherung bei potentiellen Investoren geführt und droht den dringend notwendigen Abbau der Arbeitslosigkeit in den strukturschwachen Gebieten weiter zu verzögern. Im möchte hier nicht auf fachspezifische Einzelheiten der deutschen Regionalförderung und den Streit über dabei maßgebliche Indikatoren eingehen. Der eigentliche Kern des Problems liegt darin, daß nach deutscher Auffassung das seit vielen Jahrzehnten bestehende und in Art. 91 a Grundgesetz anerkannte Instrumentarium der Regionalförderung als flankierende Maßnahme zur allgemeinen Förderung des wirtschaftlichen Wachstums standortspezifische Nachteile strukturschwächerer Gebiete ausgleichen möchte, um damit gleichwertige Lebensbedingungen im ganzen Bundesgebiet zu schaffen. Gleichzeitig wird mit diesem dezentralen Ansatz versucht, alle vorhandenen Wachstumsressourcen auszuschöpfen. Dabei geht es ausschließlich um einen Nachteilsausgleich im nationalen Vergleich; Auswir-
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kungen auf den grenzüberschreitenden Standortwettbwerb sind nicht beabsichtigt. Die Kommission hat sich nach deutscher Auffassung bei der Anwendung des wettbewerbsrechtlichen Eingriffsinstrumentariums auf eine Mißbrauchsaufsicht zu beschränken. Sie kann daraus aber keine Befugnis ableiten, faktisch lenkend oder inhaltlich gestaltend auf die nationale Regionalpolitik einzuwirken. Beihilfeaufsichtliche Maßnahmen sind insoweit nur zulässig, als von Förderintensität und Förderumfang her der Nachweis wettbewerbsverfälschender Wirkungen im grenzüberschreitenden Standortwettbewerb geführt werden kann. Demgegenüber ist die EG-Kommission der Auffassung, daß sie einen solchen Nachweis gar nicht führen muß, weil jede auch noch so geringe regionale Förderung die Produkte verbillige und damit den Wettbewerb verfälsche. Der Gesichtspunkt des regionalen Nachteilsausgleichs spiele dabei keine Rolle. Stattdessen beurteilt die Kommission die Zweckmäßigkeit der nationalen Regionalfördermaßnahmen anband eigener - auf Gemeinschaftsdurchschnitte abzielende - Kriterien. 13 Ein Bericht des Ausschusses für Regionalpolitik des Europäischen Parlaments vom Sommer 1987 verstärkt allerdings den Eindruck, daß es im Kern noch um etwas anderes geht: nämlich um den Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen den weniger entwickelten Mitgliedstaaten und den wirtschaftlich gut entwickelten Zentralstaaten. Wenn die aktive Sanierung durch den EG-Regionalfonds und die nationalen regionalen Fördermaßnahmen nicht schnell genug vorangeht, so kann das Wohlstandsgefälle auch abgebaut werden, indem man dasWachsturn in den wirtschaftsstärkeren Ländern ein wenig bremst. Dies wäre freilich eine sehr kurzsichtige Betrachtungsweise und keinesfalls ein rechtlich zulässiges Kriterium für die W ahmehmung der Beihilfeaufsicht nach dem EG-Vertrag. Um den eskalierenden Streit zwischen Kommission und Bundesregierung politisch zu entschärfen, hat der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe •Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" am 2. Juli 198'1 mehrheitlich eine Art •Waffenstillstand" mit der Kommission gebilligt. Der diesem Beschluß zugrundeliegende Kamprarniß reduziert die Gebietskulisse der Gemeinschaftsaufgabe, führt aber vor allem zu einer erheblichen Einschränkung der landeseigenen Regionalförderung. Die Fördergebietskulisse der Gemeinschaftsaufgabe wird damit von bisher 31 % auf künftig 29 % der 13 Nach der Tagung in Speyer hat der EuGH am 14.10.1987 eine Entscheidung zur regionalen Landesförderung in Nordrhein-Westfalen erlassen, in der er der Kommission für regionale Hilfen die Darlegungslast auferlegt, ob mit ihnen der gemeinschaftliche Wettbewerb beeinträchtigt wird. Außerdem wird in dieser Entscheidung klargestellt, daß die Zulässigkeit nationaler Regionalförderung nicht nach Gemeinschaftsdurchschnittswerten, sondern nach den Verhältnissen innerhalb des Mitgliedstaates zu beurteilen ist (Rechtssache 248/84).
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Bundesbevölkerung zurückgeführt. Ergänzende Landesfördergebiete, die bisher rund 10% der Bundesbevölkerung erfaßten, werden praktisch halbiert. Aus politischen Gründen sind dabei die Länder gezwungen, die um 2 % verringerte Gebietskulisse aus der Gemeinschaftsaufgabe in die landeseigene Förderung zu übernehmen. Damit verbleibt für landeseigene Fördermaßnahmen praktisch nur noch ein marginaler Spielraum für rund 3 % der Bundesbevölkerung. Im Ergebnis wird damit die innerstaatliche Kompetenzverteilung pervertiert. Denn der Bund wirkt nach Art. 91 a GG im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe •Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung" lediglich bei der Erfüllung einer Länderaufgabe durch Rahmenplanung und Mitfinanzierung mit; im übrigen handelt es sich bei der regionalen Wirtschaftsförderung um eine eigene Aufgabe der Länder, die zum Kernbereich ihrer Wirtschaftspolitik gehört. Über die konkreten Konsequenzen in der Landesförderung und die Frage, ob auch dieser Teil des Kompromisses aus übergeordneten integrationspolitischen Gründen akzeptiert wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Hier geht es um ausschließliche Landeskompetenzen, die keinem Mehrheitsbeschluß zugänglich sind. Um die einschneidenden Konsequenzen dieses .EG-Kompromisses" zu mildem und längerfristig einen Kernbereich für eine eigenständige und effektive Wirtschaftsförderung der Länder abzusichern, haben Bayern und Baden-Württemberg gefordert, daß die Kommission für Fördermaßnahmen kleineren Ausmaßes eine materielle Bagatellregelung einführt. Bisher gibt es lediglich eine verfahrensrechtliche .de-minimis-Regelung", nach der die Kommission bei Einhaltung gewisser Schwellenwerte Beihilfevorhaben in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren überprüft. Dabei dürfen Beihilfeintensitäten von 7,5 % brutto nicht überschritten werden; das zu fördernde Unternehmen darf maximal 100 Beschäftigte oder 10 Mio ECU Jahresumsatz aufweisen.14 Mit der Umgestaltung dieser Regelung in eine materielle Bagatellregelung würde die Vereinbarkeil derartiger Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vermutet und das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung durch die EG-Kommission könnte entfallen. Zusätzlich müßten allerdings die bisher geltenden Schwellenwerte zur Umschreibung der Unternehmensgröße auf praktikablere Werte angehoben werden. Der Grenzwert für die Förderintensität von 7,5 % erscheint dagegen akzeptabel. Er würde weitgehend die bisher in der Landesförderung durchgeführten Programme abdecken. Eine solche Bagatellregelung würde gleichzeitig den administrativen Aufwand bei der EG-Kommission beachtlich vermindern. Sie würde damit in die Lage versetzt, sich künftig gezielter und konsequenter auf solche 14
Internes Schreiben der Kommission vom 28.2.1985- SG 85/D/2611.
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Beihilfefälle zu konzentrieren, die von Förderintensität und -umfang her spürbare Auswirkungen auf den gemeinschaftlichen Wettbewerb erwarten lassen. Entgegen den von der Bundesregierung geäußerten Befürchtungen würde damit eine konsequente Beihilfepolitik der Kommission zur Eindämmung wettbewerbsverfälschender Subventionen nicht erschwert, sondern eher sogar erleichtert. Ende dieses Jahres stehen im Ministerrat grundlegende Entscheidungen zur Reform der Strukturfonds an. Neben inhaltlichen Änderungen geht es dabei auch um eine substantielle Erhöhung der Finanzmittel für die Strukturfonds. Die Bundesrepublik Deutschland wird davon in besonderem Maße betroffen. Es scheint nicht sachfremd, einen Zusammenhang zu sehen zwischen den Finanzierungswünschen der Gemeinschaft für eine verbesserte EG-Strukturpolitik und dem Wunsch der deutschen Bundesländer nach einem angemessenen Freiraum für eine eigenständige und effektive regionale Wirtschaftsförderung.
111. Erlauben Sie mir zum Abschluß noch eine generelle Bemerkung: Je extensiver die Kommission Kompetenzen aus Vertrag und Sekundärrecht in Anspruch nimmt, desto geringer dürfte die Bereitschaft der Regierungen der Mitgliedstaaten werden, im Rat weiteren Harmonisierungsvorschlägen und Aufgabenzuweisungen zuzustimmen. Dagegen würde die europäische Integration neue Schubkraft gewinnen, wenn sie sich- ausgehend von den Grundsätzen der Subsidiarität und eines dezentralen Aufbaus- auf die essentiellen Aufgaben wirklich europäischer Dimension konzentriert. .Auf diesem Wege zum Wesentlichen, d. h. indem den dezentralisierten Aktionen der größtmögliche Spielraum gelassen wird, braucht die Gemeinschaft eher Impulse und gezielte Aktionen als ein Übermaß an Eingriffen und Verordnungen." Mit diesem Grundgedanken zitiere ich EG-Präsident Delors aus der von ihm zu Beginn dieses Jahres eingebrachten Initiative .Die Europäische Akte muß ein Erfolg werden - eine neue Perspektive für Europa". 15
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BR-Drucksache 76/87, S. 4 u./5 o.
Diskussion zu den Referaten von Ludwig Krämer, Frank Rennecke und Michael Schneider Leitung: Dieter Scheulog und Siegfried Magiera Bericht von Stefan Schmidt-Meinecke Auch im letzten Tagungsabschnitt, der dem konkreten Politikbereich des Umweltschutzes und den Einwirkungsmöglichkeiten der EG-Kommission auf die Länder gewidmet war, blieb die Aussprache über die vorgetragenen Referate nicht bei Einzelfragen stehen, sondern entwickelte sich zu einem Streifzug durch grundlegende und generelle Probleme im Verhältnis Länder-Bund-Gemeinschaft. Als Themenschwerpunkte bildeten sich dabei Fragen der Aufgabenabgrenzung (I), nach der Rolle der EG-Kommission (Il), nach der innerstaatlichen Akzeptanz des EG-Rechts (Ill) sowie nach Durchführungs- und Umsetzungsproblemen von EG-Recht (IV) heraus. I. EG-Recht und Subsidiaritätsprinzip 1. Die .besser"-Klausel des Art. 130 r IV EWG-Vertrag
Die durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) neu in den EWG-Vertrag aufgenommene Vorschrift des Art. 130 r IV sieht Gemeinschaftsaktivitäten vor, wenn sie zur Erreichung umweltpolitischer Ziele (Art. 130 r I) besser geeignet sind, als ein Vorgehen der Mitgliedstaaten. Rack interpretierte die Äußerungen Krämers hierzu dahin, daß für die Kommission das Wort. besser" gar nicht im Text stehe. Krämer widersprach dem und erläuterte, wie die Kommission diese Klausel- die er als .politische Leitlinie" ansehe - anwende. Entscheidend sei die Überlegung, ob seitens der Mitgliedstaaten etwas geschehe, wenn die Kommission nichts unternehme. Sie könne dabei nicht den Maßstab eines einzelnen Mitgliedstaates anlegen, sondern müsse an alle 12 Mitgliedstaaten denken. So gesehen stelle sich weniger die Frage: wer kann es besser? als vielmehr: wer tut
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überhaupt etwas? Die Integration dieses gesamten Gemeinschaftsraums, der gerade auch im Umweltbereich ein starkes Nord-Süd-Gefälle aufweise, sei das Problem, und die Kommission könne ohne Arroganz, aber auch ohne Bescheidenheit für sich in Anspruch nehmen, daß das Umweltrecht und die Umweltpolitik in einer ganzen Reihe von Mitgliedstaaten ohne die gemeinschaftliche Gesetzgebung nicht dort wären, wo sie heute seien. Während Rack und Streinz dafür plädierten, Termini in Rechtstexten auch als Rechtsbegriffe zu betrachten, tendierte Magiera eher der Auffassung Krämers zu, da Art. 130 r IV EWGV keine materiellen Kriterien biete, inhaltlich also praktisch nichts sage, und damit rechtlich kaum zu lösen sei. Denkbar sei allenfalls die Einführung von Mindeststandards. Auch Schäfer bekundete Zweifel am Erfolg einer derartigen Zuständigkeitsbegrenzung, auf den die Bundesregierung in ihrer Denkschrift zur EEA ausdrücklich hingewiesen habe, und äußerte die Vermutung, daß die Vorschrift wegen ihrer Unbestimmtheit kaum greifen werde. Zuversichtlicher waren demgegenüber Scheuing, der auf die Erfahrungen mit Art. 72 GG (Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung) hinwies, und Lenz, der - dieses Beispiel aufgreifend - meinte, das Bedürfnis zum Tätigwerden der höheren Ebene müsse plausibel gemacht werden, was im übrigen bei •vernünftiger" Gesetzgebung eigentlich immer geschehen sollte. Krämer beanspruchte in seiner zusammenfassenden Antwort zu diesem Problem das Auslegungsmonopol für die Kommission. Das sei auch nichts Neues, da die Kommission schon immer Initiativrecht und Vorschlagsmonopol innegehabt habe, aber auch Darlegungs- und Begründungszwang unterworfen gewesen sei. Allenfalls habe sich diese Darlegungs- und Beweispflicht verstärkt. Gelinge es der Kommission, den Rat zu überzeugen, daß ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich sei, sei auch die Entscheidung über die .besser" -Klausel gefallen. In jedem Fall sei es aber der Rat, der einstimmig (Art. 130 s EWGV) entscheiden müsse. Wenn aber der Rat nicht wolle, blockiere eben ein Mitgliedstaat den Vorschlag.wie z. Zt. England bei Titandioxyd seit vier Jahren". Den von Streinz und Schäfer geäußerten Bedenken bezüglich der Justiziabilität dieser Klausel stimmte er ausdrücklich zu. Er könne sich nicht vorstellen, daß nach einstimmiger Entscheidung des Rates der Europäische Gerichtshof statuiere, die Gemeinschaft könne diese Frage tatsächlich nicht besser regeln. Diese Auffassung untermauerte er mit Hinweisen auf die politische Entwicklung bei der Rechtsangleichung (Art. 100 EWGV) und der Lückenfüllungsnorm des Art. 235 EWGV.
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2. Subsidiaritätsprinzip und .Regelungswut der Eurokraten" Die Beschäftigung mit Art. 130 r IV EWGV führte zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Subsidiaritätsprinzip, dessen Beachtung nach Auffassung Desslochs .zur Lebensfrage der Gemeinschaft und ihres Bestands wird". Wie Krämer denn die Möglichkeit im Umweltbereich und speziell im vierten Umweltprogramm der EG sehe, diesem Anspruch gerecht zu werden, wollte er wissen. So wie die Badewasserrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, strengere Vorschriften zu erlassen, antwortete Krämer, sähen auch alle anderen Wasserrichtlinien und so gut wie ohne Ausnahme alle Gemeinschaftsregelungenzum Umweltschutz lediglich Mindestregelungen vor, wodurch dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen werde. Die Badewasserrichtlinie lasse den Mitgliedstaaten beispielsweise die Wahlfreiheit hinsichtlich der Gewässer. Wenn aber ein Gewässer zum Baden freigegeben worden sei, dann seien die Mindeststandards auch einzuhalten. Der von Krämer erwähnte Verstoß gegen diese Richtlinie bei einem von der Stadt München zum Baden freigegebenen Abschnitt der Isar sorgte für eine Verlagerung der Debatte zur .Regelungswut der Eurokraten". Hrbek fragte pointiert nach der Notwendigkeit rechtsetzender Tätigkeit in diesem Beispiel und versprach sich mehr von Informationen, anband derer der .mündige Bürger" selbst entscheiden könne, was er sich zumuten wolle. Er habe jedenfalls von einem Massensterben in München nichts gehört. Die Gemeinschaft müsse auch einmal ihr Instrumentarium überdenken und dürfe nicht meinen, sie müsse alles und jedes regeln. Bauer unterstrich letzteres mit Nachdruck und erklärte, angesichts solcher Aktivitäten der EG hätten die Länder das Gefühl: die dünnen Bretter werden gebohrt, die dicken werden nicht gebohrt. Selbstverständlich müsse es Umweltschutz auf europäischer Ebene geben, aber doch bei Problemen mit entsprechender Dimension, wie etwa dem •Transport von Umweltbelastungen" oder den durch Umweltschutzregelungen entstehenden Wettbewerbsvorteilen oder -nachteilen. In dem genannten Beispiel fehle es jedoch an der notwendigen Akzeptanz bei der Bevölkerung.
Frau Kromarek ergänzte hierzu, daß nach Untersuchungen des Instituts für Europäische Umweltpolitik in Bonn die Bundesrepublik Deutschland der einzige Staat sei, in dem keine Informationen zur Gewässerqualität nach der Badewasserrichtlinie gegeben würden, wobei dies nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung Sache der Länder sei. Damit frage sich, was denn der mündige Bürger mache, wenn er nichts wisse. Das Thema .Regelungswut" illustrierte Lenz anband der Verordnung über die Konstruktion von Sitzen für Traktoren, was .wie eine Witzblattge-
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schichte" klinge, .aber einen ernsten Hintergrund" habe. Der Kommission habe eine Beschwerde vorgelegen, derzufolge in der Bundesrepublik die Traktoren eines bestimmten Mitgliedstaates wegen einer von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft festgesetzten gesundheitsschützenden Norm nicht abgesetzt werden konnten. Wie in Fällen eines nichttarifären Handelshemmnisses üblich, habe die Kommission eine Harmonisierungsrichtlinie erlassen, in die sie .schlicht das abgeschrieben (hat), was die Berufsgenossenschaften in Deutschland aufgeschrieben hatten". Während die Richtlinie bei den anderen Mitgliedstaaten fast ohne Probleme durchgegangen sei, habe man nur in der Bundesrepublik Deutschland mit der Annahme der Richtlinie große Schwierigkeiten gehabt. Auf eine weitere mögliche Ursache der Regelungswut lenkte Ziller den Blick, als er von einer Studie berichtete, die das European Institute of Public Administration in Maastricht zusammen mit dem Speyerer Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung durchgeführt hat. Bei der Untersuchung von siebzehn Richtlinien und zwei Verordnungen in zehn Mitgliedstaaten habe sich herausgestellt, daß viele nationale Beamte .sogar stolz darauf waren, daß sie zur Verdichtung des Inhalts mancher Richtlinien beigetragen haben". Man vergesse zu leicht, daß der Rat nicht nur aus dem Ministerrat und dem Ausschuß der Ständigen Vertreter bestehe, sondern aus einer Fülle von Arbeitsgruppen, in denen sich die Fachexperten der Regierungen träfen und den Inhalt der Richtlinien und Verordnungen sehr weitgehend mitbestimmten. 3. Das Problem der regionalen Wirtschaftsförderung Ein weiterer Komplex der Frage nach den den subnationalen Ebenen verbleibenden Handlungsspielräumen betrifft die gerade 1987 zwischen EG-Kommission und Bundesregierung (von den Ländern bedrängt) umstrittene Politik der regionalen Wirtschaftsförderung.
Gerstenlauer verwahrte sich gegen die im Referat von Schneider erhobenen Vorwürfe gegen die Kommission und wies darauf hin, daß es eben Aufgabe dieser Behörde sei, Beihilfenaufsicht auszuüben. Vom so garantierten freien Wettbewerb habe gerade die Bundesrepublik Deutschland profitiert. Man müsse sich nur vergegenwärtigen, daß der Außenhandelsüberschuß im Verhältnis zu den EG-Mitgliedstaaten von 800 Millionen DM (1958) auf heute 45 Milliarden DM ·a ngestiegen sei. Der gemeinschaftsinterne Wettbewerb sei inzwischen so intensiv, daß selbst einige kleine Unternehmen in Marktnischen eine beherrschende Stellung einnehmen könnten. Wenn dann die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, müsse die Kommission einschreiten. Dabei sei klar, daß die Virulenz solcher Eingriffe mit abnehmenden Wettbewerbsschranken zunehme. Dabei sei nach
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der Rechtsprechung des EuGH nicht die Zielsetzung einer Maßnahme entscheidend, sondern ihre Wirkung. Schneider sah zu den angeschnittenen Fragen grundsätzlich unterschiedliche Rechtsauffassungen und Differenzen in der volkswirtschaftlichen Beurteilung. Er plädierte dafür, eine politische Verständigung darüber zu suchen, daß den Mitgliedstaaten - und damit auch den Ländern- eine eigenständige und effektive Wirtschaftsförderung verbleibt. Jenseits aller juristischen Betrachtung müsse eine politische Verständigung auch dahin möglich sein, Schwellenwerte zu setzen, unterhalb derer die EG nicht tätig werde, weil den Maßnahmen wegen ihres Bagatell-Charakters keine grenzüberschreitende Wirkung zukomme. II. Funktion der Kommission Hrbek regte mit seiner Bemerkung, die Kommission sei von ihrer Funktion her in hohem Maße politisch, was sich beispielsweise im Auftreten ihres Präsidenten Jacques Delors vor dem Europäischen Parlament widerspiegele, einen eingehenden Meinungsaustausch über die Rolle dieses Organs und seine .Politik" an. Er ließ den Hinweis Krämers, es sei ja letztlich immer nur der Rat, der entscheide, so nicht gelten, sondern forderte auch von der Kommission die Überlegung nach dem eigentlichen Ziel ihrer Vorschläge. Als Aufhänger diente ein gegen die Bundesrepublik Deutschland laufendes Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Rabenvögeln. Während nach der Richtlinie Krähen und Elstern geschützt seien - so Krämer- habe man sie in drei Bundesländern für jagdbar erklärt. Bauer sah in dieser Richtlinie einen Musterfall falscher Politikansiedlung. Nordrhein-Westfalen habe die Richtlinie zwar ordnungsgemäß umgesetzt, aber er habe selten eine derartige Flut von Eingaben an den Ministerpräsidenten und den Umweltminister erlebt wie gerade bei den Rabenvögeln. Hrbek griff dieses Beispiel auf und illustrierte damit seine Forderung nach mehr Fingerspitzengefühl der Kommission bei ihren Harmonisierungsbemühungen. Wenn sie sehe, .das treibt die Leute um"- und solche Themen gebe es reichlich -, dann sei es besser, auch einmal etwas zurückzustellen oder von einer Regelung ganz abzusehen, zu der man an sich berechtigt wäre. Die Kehrseite sei nämlich- siehe Krähenschutz- ein verschlechtertes Image der Gemeinschaft.
Krämer wies in seiner Antwort darauf hin, daß die Kommission vorgeschlagen hatte, Krähen und Elstern von der Richtlinie auszunehmen, sie also jagdbar zu lassen, der Rat aber beide aus Angst vor den Vogelschützern wieder mit einbezogen habe. Er stimme Hrbek im übrigen völlig zu mit der
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Maßgabe, die Einwände an den Rat zu adressieren, der die Entscheidungen treffe. Zur Frage der Einwirkung der Kommission auf die Mitgliedstaaten äußerte Schäfer die Ansicht, die Kommission habe in erster Linie die Aufgabe, den Vollzug des Gemeinschaftsrechts zu überwachen. Bei dieser Gemeinschaftsaufsicht sei sie jedoch strikt auf die Mittel beschränkt, die der EWG-Vertrag vorsehe. Das sei nun einmal nur das Vertragsverletzungsverfahren. Interventionsrechte der Kommission, wie sie beispielsweise in der Richtlinie zur Sicherung der Bauvergaberichtlinie niedergelegt seien, stellten daher einen unzulässigen Eingriff in die Verwaltungszuständigkeit der Mitgliedstaaten - in der Bundesrepublik der Länder - dar.
Magiera stellte eine nicht immer ausreichende Versorgung der Wissenschaft mit Informationen fest und nannte als Beispiel den Bereich der Verstoßverfahren, wo man den Stichworten im EG-Bulletin weder Bedeutung noch Brisanz der jeweiligen Sache entnehmen könne. Krämer griff dies auf und erläuterte das Verfahren der Kommission nach Art. 169 EWGV, der völkerrechtlichen Ursprungs sei, weshalb der gesamte Schriftverkehr über die Ständige Vertretung laufen müsse und kein Bundesland oder Fachministerium direkt angesprochen werden könne. Zur Öffentlichkeit dieses Verfahrens schweige sich der Vertrag aus, weshalb sich folgende Verwaltungspraxis herausgebildet habe: Das erste förmliche Mahnschreiben bleibe völlig vertraulich. Die mit Gründen versehene Stellungnahme werde schließlich in einer Zwei-Zeilen-Meldung herausgegeben. Die Kommission sei aber dabei, diese Praxis zu ändern; und daß er -Krämer- auf dieser Tagung so offen reden könne, sei Teil dieserneuen Politik der Kommission. Z. Zt.laufe eine dreimonatige Versuchsperiode für alle Vorschriften im Bereich des W asserrechts, wo die Kommission mit Presseerklärungen an die Öffentlichkeit gehe und versuche, ganz massiv mitzuteilen, wo nach ihrer Auffassung Verstöße der Mitgliedstaaten gegen ihre Verpflichtungen vorliegen. Derzeit liefen ca. 45 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten allein im W asserbereich, wobei Spanien und Portugal noch nicht einbezogen seien. lll. Gemeinschaftsaktivitäten und innerstaatliche Akzeptanz Einen weiteren Themenschwerpunkt bildete die Frage nach den Grenzen der Gemeinschaftsaktivitäten im Zusammenhang mit deren innerstaatlicher Akzeptanz. Sowohl Dessloch als auch Hrbek hoben darauf ab, daß die europäische Einigung nur gelingen könne, wenn die Öffentlichkeit mitmache. Dabei sei - so Dessloch - zu unterscheiden zwischen zentralen Fragen (z. B. Delors-
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Paket) und dem ganz breiten Spektrum von Rechtsetzung, das das Wort vom .drohenden lntegrationsinfarkt" belege. Es sei illusionär zu glauben, daß all das, was die Kommission vorschlage, noch von der Intention der Römischen Verträge getragen werde und auch Art. 24 I GG decke die so ins einzelne gehenden Richtlinien und Verordnungen nicht mehr. Bei derart tiefen Einschnitten in kommunale und regionale Autonomie (Beispiel: Badewasserrichtlinie- Isar-Fall) gerate die Akzeptanz des Rechts in Gefahr. Wenn aber der Volkssouverän das EG-Recht nicht mehr akzeptiere, dann sei die EG am Ende ihres Lateins, so brillant ihre Pläne auch sein, und so gutwillig und intellektuell redlich die Kommissionsbeamten auch arbeiten mögen. Auch Streinz wies darauf hin, daß die Gemeinschaft zwar auf zunehmende Integration angelegt sei, es aber als problematisch angesehen werden müsse, daraus irgendwelche Kompetenzzuwächse abzuleiten. Es sei ein Ausgleich zwischen dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und der Integrationsdynamik zu suchen. Er äußerte auch Bedenken, aus Art. 24 I GG .solche Desintegrationsverbote" abzuleiten, wie es insbesondere von Hans Peter Jpsen gemacht werde. Diese Vorschrift müsse stärker als politisches Postulat, denn als verfassungsrechtliche Grenze gesehen werden. Da die Integration von den Mitgliedstaaten ständig getragen sein müsse, seien auch Rückschritte möglich, wie sich in der Renationalisierung in Bereichen, mit denen die Gemeinschaft offenbar nicht fertig werde - wie z. B. der Agrarpolitik -zeige. Ruck ergänzte, daß die Gemeinschaft praktisch in allen Bereichen tätig sei und das tue, was sie tun wolle, während Magiera seine Auffassung anfügte, daß ihr Wirken sich auch kaum sachlich abgrenzen lasse. Krämer machte demgegenüber darauf aufmerksam, daß die Pläne der Gemeinschaft nicht rechtzeitig diskutiert würden. Im vierten Umweltprogramm, das im Amtsblatt veröffentlicht sei, seien die Vorschläge der Kommission für die nächsten sechs Jahre nachzulesen, wie beispielsweise zwei Richtlinienvorschläge auf dem Gebiet der Biotechnologie. Keiner sage ein Sterbenswort dazu, Programme seien wohl dazu da, nicht gelesen zu werden. Einen Grund für den festgestellten Mangel an Aufmerksamkeit und Beachtung durch die Öffentlichkeit sah Krämer in folgendem Strukturunterschied: die nationalen Gesetzesmacher seien abhängig von Wahlen, weshalb sowohl Politiker wie auch Ministerialbürokratien über Pressesprecher ihre Politik.verkaufen• ließen. Die Kommission dagegen arbeite in diesem Sinne nicht für die Öffentlichkeit. Sie habe keinen Public-Relations-Stab, wodurch auch .in der Bundesrepublik Deutschland diese entsetzlich schlechte Presse" bedingt sei. Es liege auch an den deutschen Politikern, für die nötige Akzeptanz des Gemeinschaftsrechts zu sorgen. Es gehe nicht an, sich hinter der EG zu verstecken oder gar nationale Vorschriften zu erarbeiten, die gegen Gemeinschaftsregelungen verstoßen, sondern allein richtig wäre es,
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der Öffentlichkeit zu sagen, daß es sich um eine Regelung handelt, der die Bundesrepublik zugestimmt habe, die sie aber aus diesen oder jenen Gründen nun nicht mehr für richtig halte. Für solche Fälle sehe der Vertrag Änderungsverfahren vor, die genutzt werden müßten. Hier sei auch die Öffentlichkeitsarbeit von Bundes- und Landesregierungen gefragt. Auf die Innenpolitik schielende Alleingänge gegen für schlecht gehaltene Regelungen - wie z. B. bei den Rabenvögeln - seien das Ende des Rechts. In dieser letzten Feststellung stimmten ihm die weiteren Diskussionsteilnehmer (Hrbek. Lenz, Magiera) ausdrücklich zu, betonten jedoch, daß es soweit häufig nicht kommen müsse, wenn die Kommission rechtzeitig die Folgen ihrer Vorschläge übersehen und gegebenenfalls darauf verzichten würde. Rennecke stellte klar, daß die Akzeptanz zwar nicht normative, wohl aber faktische Geltungsbedingung von Gesetzen sei, was die von Krämer beschriebenen Beispielsfälle ja wohl belegten. Fehlende Evidenz und Feststellbarkeil im Sinne von Auffindbarkeil trägt nach Meinung Leonardys zur mangelnden Akzeptanz bei. Eine Bereinigung, stärkere Kodifizierung und nicht zuletzt die von Schneider geforderte anschaulichere und verständlichere Bezeichnung der Maßnahmen und Rechtsakte könnten hier eine gewisse Abhilfe schaffen. Schneider sah einen Beitrag zur Lösung des Akzeptanzproblems darin, daß die Kommission bei Vertragsverletzungsverfahren stärker solche Fälle auswählt, die in ihrer diskriminierenden Wirkung wirklich plausibel sind. IV. Probleme bei Umsetzung und Durchfüluung des Gemeinschaftsrechts
Einen letzten Fragenkreis schnitt Blanke an, der wissen wollte, ob sich die Länder angesichts zunehmender Gemeinschaftsrechtsetzung noch zu deren adäquaten Umsetzung in der Lage sähen. Dies sei schließlich auch für Mitgliedstaaten interessant, die- wie Spanien und Italien- eine Übertragung entsprechender Kompetenzen vornähmen. Auch Magiera hakte hier ein und sah die Europafähigkeit der Länder auf die Probe gestellt. Ihren guten Willen- häufig bekundet- könne man zwar nicht bezweifeln, wohl aber die Fähigkeit im Sinne von Können, etwa bei der Umsetzung von EG-Recht. Er sei bisher immer ein großer Verfechter der Länder(kompetenzen) und der Auffassung gewesen, in den Bereichen ihrer Zuständigkeit obliege ihnen auch die Umsetzung von EG-Recht. Nach dem, was er aber nun gehört habe, frage er sich, ob es nicht besser sei, die Umsetzungskompetenz generell auf den Bund übergehen zu lassen und die Länder über den Bundesrat zu beteiligen, wofür natürlich eine Verfassungs-
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änderung erforderlich wäre. Es sei doch zu überlegen, ob nicht nach der Koordinierung der Willensbildung für EG-Maßahmen über den Bundesrat auch der Rücklauf über dieses Organ koordiniert werden solle. Schließlich sei es ja auch jetzt schon so, daß die Länder sich in der Praxis - z. B. bei Ausführungsvorschriften zur Badewasserrichtlinie -zusammensetzten und nicht jedes Land für sich allein vorgehe. Krämer bestätigte diesen Eindruck und ergänzte, die Umsetzungsmaßnahmen der Länder im Wasserbereich beruhten auf Musterregelungen der Länderarbeitsgemeinschft Wasser (LAW A). In einer Einschaltung des Bundesrates sehe er qualitativ keinen Unterschied, das sei aber Sache der innerstaatlichen Organisation und des Verfassungsrechts, und betreffe weniger die Kommission. Streinz warf anband der Benzin-Blei-Richtlinie die Frage auf, ob die Kommission nicht manchmal formalistisch einen Durchführungsmangel aufspüre, wo materiell gar keiner sei. Wenn es nämlich aufgrundvon Herstellerempfehlungen tatsächlich so sei, daß die Kraftfahrer nur bestimmte Kraftstoffe in die Tanks ihrer Fahrzeuge füllten, sei es doch reiner Formalismus, wenn die Kommission auf der Kennzeichnungspflicht bestehe.
Dem hielt Krämer die Brüsseler Realität der Durchführungskontrolle entgegen. Seine Abteilung sei mit sechs Juristen besetzt. Bei zwölf Mitgliedstaaten und ca. 120 Richtlinien im Umweltbereich könne sich jeder selbst ausrechnen, wieviele Akten dies ergebe. Wie solle er denn - alleine für die Bunderepublik zuständig und nicht nur für diese - eine Kontrolle anders durchführen, als tatsächlich formalistisch zu fragen: wo ist die Norm, die die Richtlinienvorgabe umsetzt? Die Beobachtung der Praxis vorOrt-wie sie das gewählte Beispiel impliziere - sei mit den gegebenen Mitteln ein Ding der Unmöglichkeit. Diese Ausführungen wurden von Gerstenlauer unterstrichen, der darauf hinwies, daß auch im Bereich der Beihilfenaufsicht der Vorwurf übertriebener Bürokratie kaum gerechtfertigt werden könne. So säßen in der Regionalabteilung der Beihilfenkontrolle lediglich 18 A-Beamte, von denen sich rein rechnerisch 1,5 um die Bundesrepublik kümmerten. Was aber diese Beamten allein im Fall RastaU (Subventionen für eine Industrieansiedlung der Fa. Daimler-Benz AG) dem deutschen Steuerzahler erspart hätten, verdiente die ganze Abteilung .bis zu ihrem Lebensende nicht". Schneider betonte - auf die eingangs gestellte Frage eingehend - die Länder sähen sich sehr wohl in der Lage, das EG-Recht umzusetzen. Dazu sei allerdings Voraussetzung, daß die Länder bei der Erarbeitung des EG-Rechts beteiligt würden und der Sachverstand, der vor Ort bestehe, mit einfließe. Hier müsse noch viel geschehen. Als Beispiel nannte er aus dem Beihilfenbereich die Kumulierungsrichtlinie. Hier habe auf der Ebene der Mitgliedstaaten eine multilaterale Besprechung stattgefunden, bevor die Mitteilung im 17 Speyer !03
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Amtsblatt veröffentlicht worden und als solche einseitig in Kraft getreten sei. Gegenüber der dann erfolgten, mit dem Bundeswirtschaftsministerium abgestimmten konstruktiven Stellungnahme der Länder zur vernünftigen Ausgestaltung dieser Regelung habe die Kommission nur mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gedroht. Dies sei noch nicht der richtige Weg und es müßten die Voraussetzungen geschaffen werden, daß vor dem Erlaß bestimmter Maßnahmen, deren Vernunft mit allen, die davon betroffen seien, geklärt würden. Diesbezüglich sei man allerdings auf dem Weg zum Besseren. Rennecke ging ebenfalls auf die Frage der Europafähigkeit der Länder ein, differenzierte aber zwischen verwaltungsstarken und verwaltungsschwachen Ländern. Was die Mitwirkungsmöglichkeiten angehe, stießen die Länder schlicht an Kapazitätsgrenzen, dies begegne ihm tagtäglich.
Unterstützung fand er hierbei durch Leonardy. Nach dessen Auffassung fehlt es .ganz vehement an stärkerer und angemessener Berücksichtigung des EG-Rechts in der Ausbildung von Juristen einerseits und von Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes insbesondere, auch in der Ausbildung von Richtern; denn .wie soll ein Richter auf die Idee kommen, ein Vorabentscheidungsverfahren auf den Weg zu bringen, wenn er das Problembewußtsein dafür gar nicht hat?" Ein gleiches Defizit sei auch in der Ausbildung des gehobenen Dienstes festzustellen, .der ja in vielen Fällen mit der Ausführung des EG-Rechts befaßt ist". Schließlich fehle es mit Sicherheit bei den Ländern an der notwendigen Kapazität, die dringend aufgebaut werden müsse, zur Verarbeitung dessen, was sie jetzt über Art. 2 EEAG an Mitwirkungsrechten eingefordert hätten, und was sich im ganzen Umfeld daraus ergebe. In ihren Schlußworten betonten die drei Referenten den Wert solcher Begegnungen und wünschten eine Fortsetzung des so begonnenen Dialogs. Krämer forderte zu einem verstärkten Nachdenken über Europa auf allen Ebenen auf, das bisher noch nicht in ausreichendem Maße festzustellen, aber unverzichtbar sei. Nachzudenken, statt zu glauben: .na, es wird schon so weiterlaufen!", sei den Schweiß, den Intellekt nicht nur der Tagungsteilnehmer, sondern aller Beamten und Entscheidungsträger wert. Dazu gehöre auch ein Lauschen auf das, was der andere zu sagen habe und gerade deshalb ermutige er die Hochschule und das Forschungsinstitut Speyer, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren. Magiera bekräftigte die Bereitschaft zur zusätzlichen Ausbildung, Vertiefung oder Vermittlung von Kontakten zwischen EG und Ländern bzw. dem Bund, worauf Lenz anmerkte, das habe die Hochschule schon immer getan; er selbst sei in seinem Speyer-Semester erstmals mit dem EG-Recht in Berührung gekommen.
Schlußwort Von Detlef Merlen
Daß die Tagung über .Bundesländer und Europäische Gemeinschaft" nach der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes und vor dem Abschluß der in Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vorgesehenen Bund-Länder-Vereinbarung stattfinden würde, konnten die Veranstalter bei aller Weitsichtigkeit nicht voraussehen. Dennoch war der Zeitpunkt denkbar günstig. Brauchten sich doch einerseits die dogmatischen, aber auch die rechtspolitischen Erörterungen nicht im Nebel der Spekulation zu verlieren, sondern konnten sich auf das nunmehr positiv-rechtlich verankerte Bundesratsmodell stützen, zu dem sich das frühere Länderbeteiligungsverfahren .gemausert" hatte. Andererseits blieb genügend Spielraum für Überlegungen de lege ferenda, und kann möglicherweise der eine oder andere Anstoß aus Speyer auf die spätere Bund-Länder-Vereinbarung ausstrahlen. Es wäre reizvoll, alle Referate einschließlich ihrer Ergänzungen durch Diskussionsbeiträge am Schluß noch einmal summarisch vorbeiziehen zu lassen. Schon aus Zeitgründen muß ich insoweit auf den Tagungsband verweisen, der, soweit es an uns liegt, wegen seiner Aktualität beschleunigt erscheinen sollte. Lassen Sie mich dennoch in Würdigung der Arbeit der vergangenen Tage einige Nägel einschlagen, von denen hoffentlich nicht alle das Zentrum verfehlen werden. Das in Deutschland nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zentralistisch gedachte Europa wird auf absehbare Zeit ebenso Utopie bleiben wie einEuropader Regionen. Beide würden, wenn auch von unterschiedlichen Ansätzen aus, ein Absterben der Nationalstaaten voraussetzen, die jedoch, gerade weil sie mitunter so spät geboren wurden, ein zähes Leben haben und auch das dritte Jahrtausend erleben, wenn auch vielleicht nicht durchleben werden. So muß die jetzt rechtlich verankerte .Europäische Union" notwendigerweise-und wie auch der Begriff belegt- eine gegliederte Struktur haben. Innerhalb dieser Gliederung hat nicht so sehr die mitgliedstaatliche, sondern die unterstaatliche, also die föderale oder regionale Entscheidungsebene im Mittelpunkt der Tagung gestanden. Dabei war wohl herrschende Meinung, daß deren Einwirkung auf die Europäische 17"
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Union oder die Europäischen Gemeinschaften nicht durch eine organisationsrechtlich verfaßte Regionenkammer erfolgen soll. Zentralpunkt unserer Erörterungen war das beinahe zu einer Regel erstarrte Problem, daß mit zunehmender Europäisierung die föderalen oder regionalen Kompetenzen abnehmen. Dabei sind die Vorwürfe angemaßter EG-Kompetenzen einerseits oder der Nichtbeachtung des EG-Rechts durch Mitgliedstaaten und deren Untergliederungen andererseits nicht einmal entscheidend. Kompetenzstreitigkeiten und Kompetenzgerangel sind für gegliederte Organisationen typisch. Wenn sie schon im Bundesstaat mit gew a.-:hsenen Traditionen auftreten, sind sie erst recht in einer verhältnismäßig jungen Europäischen Gemeinschaft unvermeidbar. Sicherlich ist die saloppe Formel: Wir boykottieren das europäische Recht nicht, wir ignorieren es einfach, gleichermaßen nur rhetorisches Blendwerk wie das Herzensbekenntnis .in dubio pro Europa" oder anders formuliert: .right or wrong my Europe". Aber der ernsten und berechtigten Mahnung rechtsstaatlicher Rechtsbeachtung und Rechtsanwendung des EG-Rechts steht der Eindruck gegenüber, daß europäische Organe den Becher ihrer Kompetenzen oftmals nicht nur bis zur Neige leeren, sondern sich auch noch heimlich nachschenken. Bedeutsamer ist die Frage, ob die Entwicklung abnehmender Regionalkompetenzen aufgehalten oder ob der unleugbare Kompetenzverlust wenigstens kompensiert werden kann. Dabei erscheint der auch vom deutschen Zustimmungsgesetz gewählte und an die bekannte Formel von der .Gerechtigkeit durch Verfahren" angelehnte Weg eines .Kompetenzerhalts durch Beteiligungsverfahren" der einzig gangbare. Allerdings erschöpfen sich die Probleme nicht in einer Verkürzung der Informationswege oder in der technischen Bewältigung der Informationsflut und des Papierausstoßes. Die Diskussion hat deutlich gemacht, daß es mit der korrekten Übersendung der EG-Drucksachen an den Bundesrat, der nun in der Tat zum .Zentralbriefkasten" wird, nicht getan ist. Denn die Länder haben gerade in den Bereichen ihrer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen und bei Fragen von wesentlichen Belangen ein Interesse an rechtzeitiger Information über Angelegenheiten, die vielleicht noch nicht zu einer Drucksache gediehen sind. So erklärt sich das .fishing for informations" in Brüssel, und hat auch der Länderbeobachter seine Lebensberechtigung, der sich möglicherweise sogar, wie wir von unserer spanischen Kollegin gehört haben, unter südlicher Sonne reproduzieren wird. Daß die EG-Politik Länderaktivitäten stimulieren kann, sei nur am Rande bemerkt. Den bekannten Satz, daß Geld sinnlich macht, kann man dahin modifizieren, daß Regionalförderung zum Regionalismus und zu regionalen oder föderalen Büros anregt. Und in diesem Zusammenhang sei noch einmal wiederholt, daß den Informationsbüros der deutschen Länder Verfassungsmäßigkeit zu attestieren ist.
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Interessante Probleme ergeben sich aus der während der Tagung angesprochenen Forderung der Länderparlamente nach einer Beteiligung am Willensbildungsverfahren. Politisch ist für dieses Postulat Verständnis aufzubringen, da die Länder durch Abgabe von Kompetenzen an den Bund insbesondere auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung und durch die bei den sog. Musterentwürfen praktizierte föderalistische Gesetzgebung Zuständigkeiten eingebüßt haben. Aber auch verfassungsrechtlich bestehen in einem parlamentarischen Regierungssystem keine Bedenken, wenn Länderparlamente durch Entschließungen oder ähnliche Maßnahmen auf die Vertreter der Landesregierungen im Bundesrat einwirken. Die Grenze ist erst erreicht, wenn die Landesregierung durch Zugeständnisse an ihr Landesparlament sich ihre Mitwirkung im Bundesgesetzgebungsverfahren erschwert oder unmöglich macht, z. B. wenn sie ihre Entscheidung von einer Stellungnahme des Landesparlaments abhängig macht und diese nicht oder nicht rechtzeitig eingeht. Dem Satz .Bundesrecht bricht Landesrecht" dürfte wegen der Bundestreue die Regel entsprechen, daß das Gesetzgebungsverfahren des Bundes Vorrang vor dem parlamentarischen Regierungssystem der Länder haben muß. Bei der Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens liegt sicher der Teufel im Detail. Einerseits darf die effektive Durchsetzung der Bundesinteressen durch die Länderbeteiligung nicht leiden. Andererseits ist aber auch die auf unserer Tagung gewonnene Erkenntnis beachtlich, daß der Bund selbst ein erhebliches Koordinationsdefizit im Bereich seiner Europapolitik infolge unterschiedlicher Ressort-Kompetenzen hat. Die den Ländern teilweise vorgeworfene .Nebenaußenpolitik" ist daher nicht zuletzt auch ein organ-internes Problem der Bundesregierung. So ist es bezeichnend, daß bei der Beratung des ad-hoc-Ausschusses des Rates zum Vorschlag für eine Runclfunkrichtlinie seitens der Bundesrepublik ein Vertreter des Bundesinnenministeriums, ein oder zwei Vertreter des Bundesjustizministeriums, ein oder zwei Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums und daneben noch zwei Ländervertreter beteiligt waren. Erst wenn der Bund selbst weiß, was er will, und wenn er dies auch mit einer Zunge ausspricht, können Länderinteressen effektiv berücksichtigt werden. Für das Staatsrecht der Bundesrepublik scheint mir die Feststellung wichtig zu sein, daß mit dem Integrationshebel des Art. 24 GG der höherrangige, weil durch Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherte Föderalismus nicht ausgehebelt werden darf. Man kann insoweit von einem .Föderalismusanker" in der Ewigkeilsklausel sprechen. Die Länder dienen nicht nur, um ein Wort des Bundesverfassungsgerichts aufzunehmen, der föderalistischen .Grundversorgung" des Bundes, sondern müssen in ihrer Individualität und Selbständigkeit auch bei zunehmender europäischer Integration erhalten bleiben, womit wir zum Tagungsthema .Bundesländer und Europäische Gemeinschaft" zurückkehren.
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Am Ende sei allen Tagungsteilnehmern, vor allem aber den Referenten und Diskutanten gedankt. Wenn dabei Frau Kollegin Montom Chiner (Barcelona) sowie Herr Kollege Pocar und sein Mitarbeiter, Herr Dr. Dusi (Mailand), namentlich herausgehoben werden, so geschieht das im Hinblick auf ihr freundliches Entgegenkommen, die Referate in deutscher Sprache zu halten. Dabei sind bekanntlich nicht nur linguistische Klippen zu umschiffen, sondern es müssen auch für heimische Rechtsbegriffe kongeniale Ausdrücke in einer Fremdsprache gefunden werden. Aus demselben Grunde sind wir auch Herrn Dr. Ziller für seinen ad-hoc-Beitrag über die Entwicklung in Frankreich verbunden. Neben der Anerkennung für die Arbeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter und des Tagungssekretariats habe ich Herrn Kollegen Magiera dafür zu danken, daß er die Hauptlast der Tagungsvorbereitung auf sich genommen hat. Mit den besten Wünschen für eine gute Heimreise schließe ich die Tagung.
Anhang VEREINBARUNG zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates und der Länder bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften in Ausführung von Art 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBI II, S. 1102 f.) Bundesregierung und Regierungen der Länder bekennen sich zur Europäischen Einigung auf der Grundlage der Verträge über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften einschließlich deren Folgerecht sowie zu den sich daraus ergebenden Informations- und Handlungspflichten in wechselseitigem Treueverhältnis. Sie arbeiten deshalb bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften eng und vertrauensvoll zusammen. Zur Durchführung der diese Zusammenarbeit regelnden Bestimmungen des Art. 2 EEAG vereinbaren sie folgendes: I. Unterrichtung des Bundesrats (Art. 2 Abs. 1 EEAG) 1. Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat laufend und in der Regel schriftlich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, die für die Länder von Interesse sein könnten. Dies geschieht insbesondere durch Übersendung von der Bundesregierung vorliegenden a) Dokumenten der Kommission und ihrer Dienststellen, soweit sie an den Rat gerichtet oder der Bundesregierung auf sonstigeWeise offiziell zugänglich gemacht worden sind; des Europäischen Rats, des Rats, der informellen Ministertreffen und der Ratsgremien. b) Berichten und Mitteilungen von Organen der Europäischen Gemeinschaften über Sitzungen des Europäischen Rats, des Rats und der informellen Ministertreffen; des Ausschusses der Ständigen Vertreter sowie sonstiger Ausschüsse oder Arbeitsgruppen des Rats; der Beratungsgremien bei der Kommission.
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c) Berichten der Ständigen Vertretung über Sitzungen des Rats, der informellen Ministertreffen und des Ausschusses der Ständigen Vertreter; Entscheidungen der Kommission, wobei der Bundesrat dafür Sorge trägt, daß diese Berichte nur an einen begrenzten Personenkreis in den jeweils zuständigen obersten Landesbehörden weitergeleitet werden. d) Dokumenten und Informationen über förmliche Initiativen, Stellungnahmen und Erläuterungen der Bundesregierung für Organe der Europäischen Gemeinschaften. e) Dokumenten und Informationen über Verfahren vor den Europäischen Gerichten, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. Die Unterrichtung bezieht sich auch auf Vorhaben, die auf Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtet sind. Im übrigen oder ergänzend erfolgt die Unterrichtung mündlich in ständigen Kontakten. Die Unterrichtung wird auch in den Parlamentsferien aufrechterhalten. 2. Die Bundesregierung übersendet die Unterlagen dem Bundesrat zum frühestmöglichen Zeitpunkt und auf dem kürzesten Weg in jeweils zwei Exemplaren. 3. Die Ministerien des Bundes und der Länder eröffnen sich untereinander und dem Bundesrat im Rahmen der geltenden Datenschutzvorschriften Zugang zu ressortübergreifenden Datenbanken zu Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften. Die Bundesregierung wird sich bemühen, EG-Datenbanken, die den Regierungen der Mitgliedstaaten zugänglich sind, auch dem Bundesrat und den Regierungen der Länder zugänglich zu machen. Einzelheiten müssen gesondert geregelt werden. II. Stellungnahme des Bundesrats (Art. 2 Abs. 2 bis 4 EEAG) 1. Um die rechtzeitige Abgabe einer Stellungnahme zu ermöglichen, informiert die Bundesregierung den Bundesrat unbeschadet der Unterrichtung nach Teil I dieser Vereinbarung bei allen Vorhaben, die erkennbar ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, über den zeitlichen Rahmen der Behandlung in den Ratsgremien. Dies gilt grundsätzlich auch für Vorhaben, die nach Auffassung des Bundesrates ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren.
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Je nach Verhandlungslage teilt die Bundesregierung dem Bundesrat auch mit, bis zu welchem Zeitpunkt eine Stellungnahme wegen der sich aus dem Verfahrensablauf der Europäischen Gemeinschaften ergebenden zeitlichen Zwänge, insbesondere nach dem neuen Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Rat und Europäischem Parlament, noch berücksichtigt werden kann. 2. Der Bundesrat kann seine Stellungnahme im Verlauf der Beratung des Vorhabens in den Gremien der Europäischen Gemeinschaften anpassen und ergänzen. Zu diesem Zweck unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat durch ständige Kontakte - in einer der Sache jeweils angemessenen Form- über wesentliche Änderungen bei den Vorhaben der Europäischen Gemeinschaften. 3. Stellungnahmen des Bundesrates sind auch solche, die von einem Beschlußgremium des Bundesrats abgegeben werden, sofern der Bundesrat ein solches Gremium errichtet. 4. Weicht die Bundesregierung von einer Stellungnahme des Bundesrats zu einer ausschließlichen Gesetzgebungsmaterie der Länder ab, so teilt die Bundesregierung dem Bundesrat die dafür maßgeblichen Gründe in der Regel schriftlich mit. In den übrigen Fällen erhält der Bundesrat vom Abschluß eines Vorhabens Kenntnis durch Berichte der Ständigen Vertretung nach Teil I, 1 c. Verlangt der Bundesrat eine Begründung, so gibt die Bundesregierung sie mündlich im Plenum oder im Beschlußgremium des Bundesrats. 111.
Hinzuziehung von Ländervertretern zu Verhandlungen in Beratungsgremien der Europäischen Gemeinschaften (Art. 2 Abs. 5 EEAG) 1. Werden in Beratungsgremien des Rats oder der Kommission Vorhaben behandelt, zu denen dem Bundesrat vor Zustimmung der Bundesregierung zu Beschlüssen der zuständigen Organe der Europäischen Gemeinschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, so unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat unverzüglich über den Ort, den Zeitpunkt und die Beratungsgegenstände der Sitzungen dieser Gremien. 2. Unbeschadet der gesetzlichen Regelung des Art. 2 Abs. 5 EEAG stellen die Bundesregierung und die Regierungen der Länder gemeinsam eine Liste der Arbeitsausschüsse und -gruppen bei Kommission und Rat auf, an denen Vertreter der Länder teilnehmen können, soweit ausschließliche Gesetzgebungsmaterien oder wesentliche Interessen der Länder betroffen sind. Diese Liste kann bei Bedarf einvernehmlich geändert werden, ohne daß es einer förmlichen Änderung dieser Vereinbarung bedarf.
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3. Der Bundesrat benennt der Bundesregierung die Ländervertreter bzw. die die Vertreter entsendenden Länder. Für die in der Liste erfaßten Gremien kann dies ebenfalls listenmäßig für einen bestimmten Zeitraum erfolgen. Werden Ländervertreter im Einzelfall außerhalb oder in Änderung der listenmäßig benannten Vertreter bestellt, teilt dies der Bundesrat vor den Verhandlungen mit. Die Bundesregierung wird dem Verlangen auf Hinzuziehung mindestens eines Ländervertreters, bei ausschließlichen Gesetzgebungsmaterien der Länder von zwei Ländervertretern, entsprechen, soweit ihr das möglich ist. Die Bundesregierung wird dem Verlangen auf Hinzuziehung von zwei Ländervertretern zu Ratstagungen entsprechen, soweit ihr das möglich ist und ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betroffen sind. Nimmt in den Fällen des Art. 2 Abs. 5 EEAG kein benannter Ländervertreter teil, gilt der Beobachter der Länder als benannter Vertreter. 4. Vertreter der Länder sind Mitglieder der deutschen Delegation. Sie sind inhaltlich an Stellungnahmen des Bundesrats gebunden. Sie können an Delegationsbesprechungen vor Ort teilnehmen, die zur Vorbereitung der Sitzungen durchgeführt werden. Vorausgehende gemeinsame Vorbereitungen, die auch von den Ländervertretern angeregt werden können, bleiben unberührt. 5. Delegationsleitung und Sprecherrolle liegen bei der Bundesregierung. Ein Ländervertreter kann in Arbeitsausschüssen und -gruppen mit Zustimmung des Delegationsleiters Erklärungen abgeben. IV.
Schlußbestimmungen 1. Art. 2 EEAG und diese Vereinbarung ersetzen das Verfahren nach dem Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz vom 19./26. September 1979. 2. Diese Vereinbarung gilt auch für Vorhaben, die auf Beschlüsse des Rats und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtet sind. 3. Unbeschadet des obigen Verfahrens werden ergänzende Formen der fachlichen Zusammenarbeit und Fachkontakte zwischen Bund und Ländern fortgeführt. Die bisherige Praxis* in den Bildungsministerräten sowie die
• Ländervertreter können in Bildungsministerräten mit Zustimmung des Delegationsleiters Erklärungen abgeben.
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Rechte und Pflichten aus der Erklärung des Bundeskanzlers vom 19. Mai 1983 zu den Ministertreffen der für die kulturelle Zusammenarbeit zuständigen Minister der Mitgliedstaaten bleiben unberührt. Die Ländervertreter können zu Lasten des EG-Haushalts Verpflichtungen nur mit Zustimmung der Bundesregierung eingehen. 4. Die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Beobachters der Länder gegenüber der Bundesregierung und den Gremien der Europäischen Gemeinschaften bleiben unberührt.
Protokollnotiz zu Abschnitt I der Vereinbarung 1. Die Unterlagen der Europäischen Gemeinschaften werden im allgemeinen unabhängig von ihrer EG-internen Qualifizierung offen weitergegeben. Eine eventuell nach Ziffer I 1 des Rundschreibens des Bundesministers des Innern vom 10. Oktober 1985 vorzunehmende nationale VS-Einstufung wird vor Versendung an den Bundesrat vom Bundesminister für Wirtschaft - oder den sonst zuleitenden Ministerien - vorgenommen. Unabhängig davon werden Mitteilungen der EG-Organe über eine besondere Vertraulichkeit vom Bundesrat beachtet.
2. Das jeweils federführende Ressort in der Bundesregierung trägt dafür Sorge, daß bei Vorhaben, die ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, dem Bundesrat auch dem Ressort vorliegende vorbereitende Papiere der Kommission zur Verfügung gestellt werden, die für die Meinungsbildung der Länder von Bedeutung sein können. Bonn den 17. Dezember 1987 Für die Bundesrepublik Deutschland: Für das Land Baden-Württemberg: Für den Freistaat Bayern: Für das Land Berlin: Für die Freie Hansestadt Bremen: Für die Freie und Hansestadt Hamburg: Für das Land Hessen: Für das Land Niedersachsen: Für das Land Nordrhein-Westfalen: Für das Land Rheinland-Pfalz: Für das Saarland: Für das Land Schleswig-Holstein:
Verzeichnis der Tagungsteilnehmer Bauer, Dr. Joachim, Ministerialrat, Staatskanzlei, Düsseldorf Blanke, Hajo, Wiss. Mitarbeiter, Universität Osnabrück Böhret, Dr. Carl, Universitätsprofessor, Hochschule Speyer, Geschäftsfüh-
render Direktor des Forschungsinsituts für öffentliche Verwaltung
Bruha, Dr. Thomas, Hochschulassistent, Universität Gießen Büsching, Knut-W., Oberregierungsrat, Senator für Wirtschaft und Arbeit,
Berlin
Dessloch, Dr. Hubertus, Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für
Bundesangelegenheiten, München
Dornquast, Volker, Oberregierungsrat, Europareferent der Landesregierung,
Kiel
Dröll, Peter, Rechtsreferendar, Konstanz Dusi, Dr. Mario, Wiss. Assistent, Universität Mailand Falkenberg, Claus Michael, Leiter des Informationsbüros des Saarlandes,
Brüssel
Fastenrath, Dr. Ulrich, Wiss. Angestellter, Universität München Gebauer, Dr. Klaus-Eckart, Ltd. Ministerialrat, Staatskanzlei, Mainz Gerstenlauer, Hans-Georg, Verwaltungsrat, EG-Kommission, Brüssel Grupp, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Universität Saarbrücken/Instituts-
referent des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, Speyer
Hauschild, Christoph, Forschungsreferent, Forschungsinstitut für öffentliche
Verwaltung, Speyer
Hennecke, Dr. Frank, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt und Gesund-
heit, Mainz
Hrbek, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Universität Tübingen Jaspert, Günter, Ministerialrat, Bundesrat, Bonn Jöns, Karin, Leiterin des Informationsbüros Bremen, Brüssel Klages, Dr. Helmut, Universitätsprofessor, Rektor, Hochschule Speyer Klein, Dr. Eckart, Universitätsprofessor, Universität Mainz
270
Verzeichnis der Tagungsteilnehmer
Kokai, Titus, Ministerialrat, Bundesministerium des Innern, Bann Krämer, Dr. Ludwig, Stv. Abteilungsleiter, EG-Kommission, Brüssel Kromarek, Pascale, Wiss. Angestellte, Institut für Europäische Umwelt-
politik, Bann
Kurtenbach, Dr. Jutta, Regierungsrätin z. A., Bayerisches Staatsministerium
für Wirtschaft und Verkehr, München
Lehmann, Hans-Dietrich, Ministerialrat, Vertretung des Landes Nordrhein-
Westfalen beim Bund, Bann
Lenz, Dr. Carl-Otto, Erster Generalanwalt, Europäischer Gerichtshof,
Luxemburg
Leonardy, Uwe, M. A., Ministerialrat, Vertretung des Landes Niedersachsen
beim Bund, Bonn
Magiera, Dr. Siegfried, Universitätsprofessor, Hochschule Speyer Memminger, Dr. Gerhard, Ministerialrat, Staatskanzlei, München Merten, Dr. Dr. Detlef, Universitätsprofessor, Hochschule Speyer
Montaro Chiner, Dr. Maria Jesus, Professorin, Barcelona Morawitz, Dr. Rudolf, Ministerialdirigent, Bundesministerium für Wirtschaft,
Bann
Plöger, Dr. Rainer, Ministerialrat, Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz
beim Bund, Bann
Pocar, Dr. Fausto, Professor, Universität Mailand• Rack, Dr. Reinhard, Universitätsprofessor, Universität Graz Risse, Dr. Horst, Regierungsrat, Bundesrat, Bann Rudolf, Dr. W alter, Universitätsprofessor, Staatssekretär a. D., Universität
Mainz
Schäfer, Dr. Elmar, Ltd. Ministerialrat, Justizministerium, Stuttgart Scheuing, Dr. Dieter, Universitätsprofessor, Universität Würzburg Schmidt-Meinecke, Stefan, Forschungsreferent, Forschungsinsitut für öffent-
liche Verwaltung, Speyer
Schmittmann, Michael, Assessor, Konstanz Schnabel, Alfons, Wiss. Mitarbeiter, Hochschule Speyer Schneider, Michael, Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Wirt-
schaft und Verkehr, München
• Auf der Tagung vertreten durch Dr. Dusi.
Verzeichnis der Tagungsteilnehmer
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Schneider, Karl-Heinz, Assessor jur., Rat der Gemeinden und Regionen
Europas, Mainz
Schreckenberger, Dr. Waldemar, Universitätsprofessor, Staatssekretär im
Bundeskanzleramt, Bonn
Schurnann, Bemard, Wiss. Mitarbeiter, Hochschule Speyer Schwall, Ernst, Regierungsdirektor, Staatskanzlei, Mainz Siedentopf, Dr. Dr. h. c. Heinrich, Universitätsprofessor, Hochschule Speyer Stein, Dr. Torsten, Professor, Universität Heidelberg Stöger, Dr. Fritz, Ministerialrat, Beobachter der Länder bei den Europäischen
Gemeinschaften, Bonnißrüssel
Streinz, Dr. Rudolf, Privatdozent, Universität Passau Teilhacker, Bertram, Referent, Bevollmächtigter des Landes Hessen beim
Bund, Wiesbaden
Tomuschat, Dr. Christian, Universitätsprofessor, Universität Bann Ziller, Dr. Jacques, Senior Lecturer, Institut Europeen d'Administration Publique, Maastricht