Staat und Wirtschaft im nationalen und übernationalen Recht: Vorträge und Diskussionsbeiträge des 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule Speyer 1964 [1 ed.] 9783428414444, 9783428014446


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German Pages 283 [284] Year 1964

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Staat und Wirtschaft im nationalen und übernationalen Recht: Vorträge und Diskussionsbeiträge des 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule Speyer 1964 [1 ed.]
 9783428414444, 9783428014446

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Staat und Wirtschaft im nationalen und übernationalen Kecht

S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 22

Staat und Wirtschaft i m nationalen und übernationalen Recht

Vorträge und Diekussionsbeiträge des 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskurse der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1964

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1964 Duncker & Humblot, B e r l i n Gedruckt 1964 bei A l b e r t Sayffaerth, B e r l i n 61 P r i n t e d in G e r m a n y

Vorwort

Die Referate

des 32. Staatswissenschaftlichen

Fortbildungskursus

über „Staat und Wirtschaft i m nationalen und übernationalen Recht", die i m vorliegenden Band zusammen m i t den Diskussionsbeiträgen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sind in einigen Fällen für den Druck ergänzt und m i t Anmerkungen versehen worden. Ferner schien es uns angezeigt, dem Band eine kurze Bibliographie beizugeben, die namentlich die neueren Schriften zum Thema der Tagung verzeichnet. W i r haben davon abgesehen, die Diskussionsbeiträge, die i n vielfacher Weise auch konkretes Anschauungsmaterial vermitteln, i n einem zusammenfassenden Bericht wiederzugeben, sondern drucken sie m i t einigen Änderungen i n direkter Rede ab. Die Bibliographie wurde von Herrn Dr. Georg Roth erstellt, der auch die Gesamtredaktion des Bandes besorgt hat. Speyer, i m Juli 1964 H. Bülck und H. Ryffel

Inhalt Aus den Begrüßungsworten des Rektors Staatssekretär Dr. Hermann Eicher, Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz:

9

Ministerium für Wirtschaft

und

Eröffnungsansprache

11 Einleitung

Professor Dr. Hartwig

Bülck, Speyer:

Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht i n nationaler und übernationaler Sicht

15

Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverwaltung in Bund und Ländern Ministerialrat Dr. Otto Schlecht, Leiter des wirtschaftspolitischen Grundsatzreferats i m Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn: Wirtschaftspolitische Grundsatzfragen des Bundes

43

Ministerialdirigent Dr. Reinhard Beine, Leiter der Abteilung Verkehr i m Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Staat, Energie und Verkehr am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerialdirigent Dr. August Breucha, standspolitik i m Wirtschaftsministerium berg, Stuttgart:

54

Leiter der Abteilung M i t t e l des Landes Baden-Württem-

Staat u n d mittelständische Wirtschaft am Beispiel des Landes BadenWürttemberg Diskussion

74 85

Redit und Verwaltung in den Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften Dr. Walter Much, Direktor i n der gemeinsamen Rechtsabteilung der Europäischen Exekutivorgane, Luxemburg: Entwicklungstendenzen des Rechts der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl

97

Inhalt

8

Dr. Herbert Bruns, Direktor i n der Generaldirektion Innerer M a r k t der EWG-Kommission, Brüssel: Entwicklungstendenzen i m Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 116 Dr. Erich Wirsing, Abteilungsleiter i n der Generaldirektion für überseeische Entwicklungsfragen der EWG-Kommission, Brüssel: Probleme supranationaler Wirtschaftsverwaltung

130

Diskussion

146 Wirtschaftsverbände, Staat und Staatengemeinschaft

Professor Dr. Hans Ryffel,

Speyer:

Staat und Wirtschaftsverbände Bereich

i m nationalen und

übernationalen 159

Diskussionsreferate von Dr. H. J. Korselt und Dipl.-Volkswirt O. Kersten, Brüssel 189 Probleme nationaler und übernationaler Wirtschaftsrechtsprechung Dr. Walter Strauß, Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg: Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und seine Rechtsprechung 203 Dr. Hans Kutscher, Richter a m Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe: Staat und Wirtschaft i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ........... 224 Diskussion

243 Bibliographie

Dr. Georg Roth, Speyer: Ausgewählte Bibliographie zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft i m nationalen und übernationalen Recht 249

Aus den Begrüßungsworten des Rektors

I n der stattlichen Reihe unserer Staatswissenschaftlichen Fortbildungskurse hat der jetzige einen profilierten Vorgänger. Vielleicht haben manche von Ihnen die Tagung über Europäische Organisationen vom Herbst 1958 in Erinnerung, etwa den Vortrag von Herrn von der Groeben, Mitglied der EWG-Kommission, über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft oder von Professor Brugmans, Brügge, über die Zukunft der europäischen Einigung. Es ist an der Zeit und zu begrüßen, daß die diesjährige Tagung diese Tradition fortsetzt und die Fragestellung über den europäischen Bereich hinaus weitet. Das Thema „Staat und Wirtschaft i m nationalen und übernationalen Recht" geht jeden an, der sich der gesellschaftlich-politischen W i r k lichkeit i n der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen w i l l , jeden vor allem, der zu ihrer Gestaltung beizutragen berufen ist. Dabei mag es zunächst offenbleiben, was als primärer Integrationsfaktor unserer Epoche anzusehen ist, ob also die Politik unser Schicksal ist oder die Wirtschaft, wie Walther Rathenau es einmal formuliert hat. I n jedem Falle ist die Kenntnis und die juridische Ausformung dieser Wirklichkeit allen aufgegeben, die heute an verantwortlicherstelle i m freien Deutschland oder für dieses Deutschland i m größeren Rahmen verwaltend tätig sind. W i r werden in diesen Tagen von kompetenter Seite erfahren, wie weit heute die staatlich-wirtschaftlichen Probleme i m nationalen und übernationalen Bereich angepackt sind, wie es um die einschlägigen Institutionen bestellt ist und insbesondere, welche Rechtsprobleme vordringlich i m nationalen und übernationalen Bereich anstehen. W i r werden uns abschließend zu fragen haben, was w i r als Männer der Verwaltung oder der Wissenschaft, jeder an seiner Stelle, zur Lösung beitragen können. I n diesem Sinne wünsche ich dem 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus ein gutes Gelingen. Professor Dr. Georg Smolka

Eröffnun gsansprache Von Hermann Eicher

Es wäre ein verlockendes, gleichzeitig aber auch ein riskantes Unterfangen, i n der m i r zugedachten Eröffnungsansprache die vielgestaltigen Probleme, wie sie bereits i n den Themen der Referate dieses 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus anklingen, gleichsam zu raffen und wie i n einem Brennglas einzufangen. Verlockend, w e i l jedes hier behandelte Thema i n meiner täglichen Arbeit als Leiter des rheinlandpfälzischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr i n irgendeinem Teilausschnitt in Erscheinung t r i t t und es daher nützlich erschiene, zu allen diesen Fragen einen Standort zu beziehen, der es ermöglicht, i m Ablauf der Vorträge und Diskussionen aufgeschlossen zu rezipieren, der die arbeitsfördernde Wirkung haben könnte, sich möglicherweise i n der einen oder anderen Auffassung bestätigt zu finden und der schließlich die Grundlage für eine eigene kritische Stellungnahme abgeben könnte. Riskant wäre es für mich, w e i l ich erst seit IV2 Jahren dieses Geschäft i m Wirtschaftsministerium betreibe und i m Bereich der W i r t schaft noch nicht über die erforderlichen, reichlichen Erfahrungen verfüge, die mich in die Lage versetzen, einem solchen Unterfangen gerecht zu werden. Es geziemt sich daher für mich mehr, überwiegend unvoreingenommen den hier zu Wort kommenden Meistern zu lauschen. I m Rahmen dieses Fortbildungskursus sollen das spannungsgeladene Verhältnis Staat zur Wirtschaft i n seiner vielgestaltigen tatsächlichen und denkbaren Verflechtung und die Einordnung dieses Verhältnisses i n das nationale und übernationale Recht durchleuchtet werden. Die wohldurchdachte und sinnvolle Gliederung der Themen geht — vereinfacht wiedergegeben — von der Verfassungslage aus, führt uns dann in die Praxis der staatlichen Wirtschaftspolitik, leitet über zur Fortentwicklung des Wirtschaftsrechts in den europäischen Gemeinschaften und endet bei den Hütern des Rechts und der Verfassung. Nun war ich dem Recht immer verschrieben. Und auf dieses bisherige Verhaftetsein dem Recht habe ich zunächst meine neue Tätigkeit gegründet. Ich gehe dabei aus von unserem Grundgesetz. Es hat das Recht zum entscheidenden Ordnungsfaktor gemacht und sich selbst dadurch ohne besondere Aufdringlichkeit i n einem Ausmaß i n den Mittelpunkt auch des w i r t schaftlichen Geschehens gerückt, wie es bisher noch keiner deutschen

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Hermann Eicher

Verfassung gelungen war. Das Grundgesetz hat die Menschenwürde als obersten Rechtswert übernommen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt!" Ob diesem Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes Grundrechtsqualität beizulegen ist oder ob man das m i t der überwiegenden Meinung negiert, ist für mich dabei von untergeordneter Bedeutung. Dieser Grundgesetzartikel ist auf jeden Fall „Staatsfundamentalnorm", abgesichert durch Art. 79 Abs. 3 zur Ewigkeitsentscheidung. Er bestimmt und beschränkt Staatszweck und Staatsaufgabe. Ich bin etwas verwundert, daß — soweit ich es übersehe — bei der wissenschaftlichen Diskussion über unsere Wirtschaftsverfassung diesem Art. 1 Abs. 1 nicht die gebührende Rangordnung eingeräumt wird. Ein Blick auf die Länderverfassungen, die i n ihrer Mehrzahl gesonderte Abschnitte über die Wirtschafts- und Sozialordnung enthalten, auch wenn sie durch das Grundgesetz an Bedeutung verloren haben, verstärkt den Wert der Menschenwürde für unsere Wirtschaftsverfassung. Wenn es ζ. B. in der rheinland-pfälzischen Verfassung in Art. 51 Abs. 1 heißt: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen", so ist damit das gleiche gesagt wie in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Die Menschenwürde ist wertausfüllender Maßstab für alles staatliche Handeln, auch und gerade i m Bereich der Wirtschaft". Ich bin aber andererseits dankbar dafür, daß die positiv-rechtliche Bedeutung des Art. 1 Abs. 1 als einer „höchstrangigen aktuellen Norm des objektiven Rechts" noch nicht i m gleichen Ausmaß abgegriffen und abgenutzt ist wie die i n keinem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht fehlenden Hauptgrundrechte in Art. 2 und Art. 3 des Grundgesetzes, wonach jeder Mensch frei und i m Rahmen dieser Freiheit gleich ist. Diese Zurückhaltung und Scheu darf aber nicht dazu führen, daß dieser Verfassungsartikel, die Menschenwürde und die Schutzverpflichtung des Staates, lediglich in „kleine Münzen gewechselt" in Umlauf gesetzt wird. Ich sehe die Bedeutung dieses Artikels, bezogen auf das uns hier interessierende Verhältnis Staat — Wirtschaft, vor allem darin, daß er jedes staatliche Organ zwingt, stets und ständig zu bedenken: I m Mittelpunkt jeder Maßnahme und Entscheidung, jedes Erlasses, jeder Richtlinie, jeder Verordnung und jedes Gesetzes hat der Mensch zu stehen und die Ordnung, i n der w i r leben, ist so zu gestalten, daß auch von außenstaatlichen Kräften eine Verletzung der Menschenwürde nicht möglich ist. Diese verfassungsrechtliche Grundlegung wirtschaftlicher Betätigung des Staates beruht zu einem wesentlichen Teil auf der Erfahrung, ich möchte einschränken auf den bitteren Erfahrungen, die unsere

Eröffnungsansprache

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Generation gerade i m Bereich der Wirtschaft sammeln mußte. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind integrierender Bestandteil unserer Wirtschaftsverfassung, sie vermitteln dem staatlichen Schutzauftrag Richtung und Schranken zugleich. Aus der Vielgestaltigkeit des i n den letzten Jahrzehnten Erlebten möchte ich drei katastrophal sich auswirkende Störungen des Wirtschaf tslebens besonders herausstellen, deren Abwehr bereits i m Ansatz in Zukunft zum Inhalt der verfassungsrechtlich statuierten Schutzverpflichtung des Staates gehört. 1. I m Zeitalter der Arbeitszeitverkürzung hat leider das hohe Gut, Arbeit zu haben, arbeiten zu dürfen, i m Schweiße des Angesichts sein Brot zu essen, an Wert eingebüßt. Das ist erstaunlich und tief bedauerlich. Denn für uns alle ist doch noch die Zeit der Massenarbeitslosigkeit, einsetzend i m Jahre 1929 m i t ihren unheilvollen verheerenden Folgen, eine schreckliche Erinnerung. Unverschuldet arbeitslos zu sein, ist menschenunwürdigstes Dasein. Jedem Bürger seinen Arbeitsplatz zu erhalten und für die Zukunft zu sichern, muß daher das Ziel jeder wirtschaftspolitischen Betätigung des Staates sein. 2. Menschen, die ein ganzes Leben schwer gearbeitet haben, standen zweimal in jüngster Vergangenheit an ihrem Lebensabend vor dem Nichts. Zwei große Inflationen haben ihnen grausam mitgespielt. Man muß sich daher nicht wundern, wenn die Bereitschaft zu sparen, u m für Notlagen und das Alter gerüstet zu sein, sich nicht auf fremde Hilfe und die Fürsorge der Allgemeinheit verlassen zu müssen und damit zugleich die Grundlage für das Wachstum der Wirtschaft zu schaffen, abgesunken ist. W i r benötigen die Ermutigung des arbeitenden, schaffenden Menschen zur Selbstvorsorge, die w i r ihm auf die Dauer nur vermitteln können, wenn er Vertrauen i n die Stabilität der Währung haben kann. Unverschuldet des i m Leben hart erarbeiteten Lohnes beraubt zu werden, ist m i t der Menschenwürde nicht zu vereinbaren. Sich gegen die Entwertung des Geldes m i t aller Macht und allen Mitteln zur Wehr zu setzen, ist daher das zweite Gebot an alle, die verantwortlich das wirtschaftliche Geschehen zu beeinflussen haben. Das Gebot ist erkannt. Der Weg zur Erreichung dieses Zieles gerade i n unseren Tagen viel diskutiert. 3. Die größte Gefahr aber, die einem menschenwürdigen Dasein droht, ist der Verlust der persönlichen, gesellschaftlichen, geistigen und wirtschaftlichen Freiheit. Auch diesen Zustand haben w i r erlebt und die Deutschen i n der Sowjetzone erleben ihn noch. Hier sind w i r aufgerufen, und das ist das oberste Gebot, uns — wenn

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Hermann Eicher es sein muß, m i t letzter K r a f t — gegen eine solche Erniedrigung zu stemmen.

Ohne persönliche und wirtschaftliche Freiheit, ohne Arbeit, ohne eigenverantwortliche Sicherung ist auf die Dauer ein menschenwürdiges Leben nicht zu garantieren. W i r brauchen daher eine Ordnung, nach der die Ausschaltung der aufgezeigten Störungen i n höchstmöglichem Maße gewährleistet ist. W i r haben den verfassungsrechtlich untermauerten Auftrag, diese Ordnung zu schaffen, ein Auftrag, dessen V e r w i r k lichung i n höchster Vollkommenheit uns jeden Tag vor neue Schwierigkeiten stellt, und w i r haben das Leitbild und die Leitidee für diese Ordnung i n der sozialen Marktwirtschaft. I n ihr sind die Gesetzlichkeiten entwickelt, deren Kenntnis uns i n die Lage versetzt, den aufgezeigten Gefahren wirkungsvoll zu begegnen; nämlich zu handeln, wo es geboten ist, und sich willkürlicher Eingriffe dort zu enthalten, wo die Wirtschaft besser ihren ungestörten Lauf nimmt. W i r müssen uns dabei allerdings i m klaren darüber sein, daß es bei der immer weiter fortschreitenden Verflechtung der wirtschaftlichen Beziehungen i n der Welt, die sichtbaren Ausdruck i n den großen europäischen Gemeinschaften und i n den zahlreichen Bemühungen weltumspannender Institutionen findet, nicht möglich ist, die aufkommenden Störungen allein aus eigener nationaler K r a f t zu beseitigen. Hier bleibt nur die Hoffnung, daß auch die anderen Nationen i n der Welt aus ihren Fehlern lernen, daß die Integration weitere Fortschritte macht und man sich allmählich zu einer gemeinsamen Linie zusammenfindet. Die A n sätze für diesen gemeinsamen Weg wurden — ich muß das nicht weiter vertiefen — i n diesen Tagen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei ihren Bemühungen, die Preisstabilität zu erhalten, allen erkennbar. W i r hier i m Lande bemühen uns bei der i n unserer Zuständigkeit verbliebenen Regionalpolitik, i n deren Mittelpunkt die Strukturverbesserung und eine gesunde Mittelstandspolitik stehen, dem i n meinen kurzen Ausführungen dargelegten und uns i m Grundgesetz und unserer Landesverfassung aufgegebenen Ziel zu entsprechen, unseren Bürgern ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten. W i r handeln damit — ein Wort von Theodor Heuss aufgreifend, ein Wort, das als Leitmotiv bei der Behandlung der Thematik dieses Fortbildungskursus immer wieder aufklingen sollte — ich sagte, w i r handeln damit nach einer Ökonomie, die, mag sie i n mehr oder weniger abstrakten gelehrten Formeln dargestellt oder gar bewiesen sein, ihre letzte Bezüglichkeit i m Menschlichen hat.

Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht in nationaler und übernationaler Sicht Von Hartwig Bülck

Z u Beginn unseres Jahrhunderts hat Georges Sorel, einer der Wegbereiter der action française, den Fortschritt ein magisches Wort genannt 1 . M i t der Magie des Fortschritts hat er mehr recht behalten, als er selbst glaubte. Denn seither macht der Fortschritt, d. h. die ständig fortschreitende Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, Anstalten noch schneller voranzuschreiten und gleichzeitig hinaufzuschreiten auf eine höhere Stufe, u m dort eine neue Gestalt anzunehmen 2 . Der abendländische Rationalismus von Bacon und Descartes bis Comte und Marx m i t der Idee von der Beherrschbarkeit und Machbarkeit aller Dinge ist sein Vater, die politische und industrielle Revolution des ausgehenden 18. Jahrhunderts i n England und Frankreich seine Mutter, das 19. Jahrhundert hat i h n m i t Historismus und Positivismus über neue politische Revolutionen vorangetrieben 8 — nun ist der Fortschritt i m Begriff, als soziale Revolution sein neues, zweites Gesicht zu zeigen. Das gilt auch für die rechtlichen Ausprägungen des Rationalismus, für die Rechtsgestalten des Fortschritts. Staat und Staatengemeinschaft, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, diese spezifischen Schöpfungen abendländischer Rationalität befinden sich seit der Wende zu unserem Jahrhundert i n einem räum-, zeit- und aufgabenraffenden Prozeß, der, beschleunigt durch zwei Weltkriege und die große 1 Vgl. Propos de Georges Sorel, recueillis par Variot, 3. Aufl. 1935, S. 231 und Sorel, Les illusions d u progrès, 1908. 2 Statt vieler m i t bezeichnendem T i t e l Fourastier, L e grand espoir d u X X e siècle. Progrès technique — Progrès économique — Progrès social, 3. Aufl. 1952, dt. Übersetzung 1954, édition définitive 1963 u n d Polak, The Image of the Future, 2 Bde. 1961. Das Buch des niederländischen Soziologen, das unter den Auspizien des Europarats i n der Studienreihe f ü r Europäische Integration „European Aspects" erschien, ist i n mancher Hinsicht repräsentativ f ü r die sogenannte Zukunftswissenschaft oder Futurologie. 8 Z u den geistesgeschichtlichen Wurzeln neuestens Jöhr, Der Fortschrittsglaube u n d die Idee der Rückkehr i n den Sozialwissenschaften, 1964. Vgl. jetzt auch bes. K u h n u n d Wiedmann (Hrsg.), Die Philosophie u n d die Frage nach dem Fortschritt, 1964.

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Krise der Weltwirtschaft in den 30er Jahren, ihre alten Strukturen und Funktionen in neuen Räumen und Zeiten umgestaltet. So wie die bürgerlich-demokratische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts die dynastischterritoriale Staatenordnung des europäischen ancien régime m i t ihren merkantilistischen Staatswirtschaften verwandelt hat, nämlich zur europäisch-amerikanischen Ordnung konstitutioneller Nationalstaaten m i t einer liberal-universalen Weltwirtschaft, so ist i m 20. Jahrhundert die industriell-bürokratische Gesellschaft i m Begriff, die liberal-nationale Staaten- und Wirtschaftsordnung mit neuer Vernunft, w i l l sagen größerer Rationalität zu neuen raumzeitlichen Gebilden zu verdichten und umzugestalten. Sie organisiert i n und über den nationalen Territorialstaaten, aber m i t ihrer Hilfe, regionale und sektorale Funktionsgemeinschaften, d. h. neue, voneinander gesonderte und miteinander zusammenwirkende Lebens- und Wirtschaftsräume, die sich als staatliche und überstaatliche Regionen der alten territorialen Ordnung i n und zwischen den Staaten überlagern und damit auch diese selbst umbilden. Auf solche Weise verwandelt und ergänzt die moderne Industriegesellschaft i m Inneren den liberalen Gesetzgebungsstaat durch den sozialen Verwaltungsstaat zu dem, was w i r den sozialen Rechtsstaat nennen, und öffnet dabei gleichzeitig nach außen die souveräne Geschlossenheit des nationalen Staates und seiner nationalen Wirtschaft gegenüber den inter- und supranationalen Gemeinschaften, gestuft nach dem Maße, indem er mit seinesgleichen die verschiedenen Wirtschaftsräume und Wirtschaftszweige regional und sektoral i n zeitlich geplanten Organisationen zusammenschließt und funktional verdichtet vom GATT über die OECD und EFTA zu den supranationalen Wirtschaftsgemeinschaften für Handel und Industrie, Landwirtschaft und Verkehr, Kohle, Stahl und Atomenergie. I n diesem Entwicklungsprozeß verändern sich die konstitutiven Elemente von Staat und Staatengemeinschaft. Das territoriale Element, auf dem seit Beginn der Neuzeit der Staat ruht, nimmt regionale und sektorale Züge an; die staatliche und überstaatliche Wirtschaftsregion und -organisation verwandelt die Bodenständigkeit zugunsten einer neuen Verortung. Das temporale Moment, die auf Dauer angelegte Ordnung von Staat und Staatengemeinschaft, wie sie i n der immerwährenden Geschlechterfolge der alten Dynastien am sinnfälligsten war, gerät i n einen neuen, schnelleren Fluß der Zeit. Die vorläufige Z w i schenordnung, der modus vivendi, die Ubergangszeit w i r d zur Signatur unserer Zeit. Die moderne Zeit verliert an Vergangenheit, an Geschichte; die Zukunft, das Ziel, der Fortschritt w i r d zur bestimmenden Kategorie. Auch das funktionale Element schließlich, die Aufgaben von Staat und Staatengemeinschaft, gewinnen ein zweites Gesicht. Garantierten Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung des liberalen Rechtsstaats die

Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht

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private Autonomie der bürgerlich-nationalen Gesellschaft und ihre Expansion zur internationalen Erwerbsgesellschaft, so haben heute Verwaltungsstaat und Verwaltungsgemeinschaft diese Freiheit zu fördern und zu schützen durch Ordnungspolitik, wie die Ökonomen sagen, und darüber hinaus den sozialökonomischen Prozeß als Ganzes und i n vielen seiner Teile innerhalb der staatlichen Grenzen und über sie hinweg durch sogenannte Ablaufs- oder Prozeßpolitik zu steuern und zu lenken. I n den Staats- und Organisationsverfassungen nehmen deshalb die sozialökonomischen Grund- und Freiheitsrechte funktional-institutionelle Züge an; die Rechtsgesetze werden durch Plan-, Richtlinien- und Maßnahmegesetze ergänzt; neben die rechtsstaatliche Eingriffsverwaltung t r i t t die sozialstaatliche Leistungsverwaltung. Dem i n Jahrhunderten gewachsenen Primärsystem der Staaten und ihrer Gemeinschaften verbindet sich immer schneller ein zwischen und über ihnen gemachtes Sekundärsystem, sekundär ganz i n dem dreifachen Wortsinn von secundum, d. h. räumlich dicht auf ihnen, zeitlich sogleich danach und i n der Reihe, i m Range unmittelbar folgend. Das sekundäre Staats- und Völkerrechtssystem w i r d damit i n dreifacher Weise durch das primäre vermittelt. Es setzt das Territorium, die Geschichte und die Freiheit der europäischen Staaten und ihrer Bürger voraus, die es als Vergangenheit bewahrt. Doch setzt es nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft voraus — und das ist das Neue, — vor-aus i m buchstäblichen Sinne, w i l l sagen nach vorn, womit das sekundäre Rechtssystem einen spezifisch finalen Ziel- und Zukunftsbezug, den Charakter perspektivischer Vorausschau, einer progressiven Vorwegnahme erhält. Das sekundäre System ist dadurch voraussetzungsreicher als das primäre und und deshalb anfälliger gegen Unvorhergesehenes und Unvorsehbares. Es ist flexibel und unstabil; es erzeugt jenes bekannte Zeitgefühl der Unsicherheit, der Unstabilität, das zwischen Erfahrung und Erwartung, zwischen Vergangenheit und Zukunft h i n und her schwankt und Kants Frage zu Beginn unserer Epoche: „Ob das menschliche Geschlecht i m beständigen Fortschreiten zum Besseren sei" m i t erneuter Dringlichkeit stellt 4 . Diese abstrakt pointierten Einleitungssätze machen den Kern dessen aus, was als Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht seit über 15 Jahren, seit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches i n der Bundesrepublik zur Diskussion steht. Die Ausbildung eines besonderen Rechts i m Verhältnis von Staat und Wirtschaft ist nichts anderes als der wesent4 K a n t , Der Streit der Fakultäten i n drei Abschnitten, 1798: Zweiter A b schnitt. Der Streit der philosophischen m i t der juristischen. Erneute Frage: Ob das menschliche Geschlecht i m beständigen Fortschreiten zum Besseren sei, Akademie-Ausgabe, Bd. 7, S. 79 ff. Über den soziologischen Begriff der „sekundären Systeme" vgl. Freyer, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, 1955.

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lichste Aspekt jener eben skizzierten Wendung zum Sekundären i n Staat und Staatengemeinschaft. Das w i r d i n der Bundesrepublik Deutschland i m Vergleich zu ihren Partnerstaaten am deutlichsten. Die sich bei uns besonders aufdrängende und aufdringliche Betonung des ÖkonomischSozialen, des Sekundären ist zugleich eine wesentliche Folge der politischen Teilung Deutschlands und seines fehlenden Friedens, d.h. der Zurückstauung nationaler Primärpolitik. Das Wesen der sekundären Entwicklung, wie des Fortschritts überhaupt, besteht darin, daß sich der sachlogische Zusammenhang mehrerer Erscheinungen m i t einer zeitlichen Folge zur Deckung bringen läßt. Daraus erklärt sich die Tatsache der Doppelentdeckungen, nicht nur i n dem Sinne, daß zwei Theoretiker zur selben Zeit, aber unabhängig voneinander, dasselbe entdecken, wie etwa Kahn und Bartin um die Jahrhundertwende den Qualifikationskonflikt der nationaler werdenden Privatrechte, sondern auch insofern, als i n zwei oder mehreren scheinbar unabhängig voneinander bestehenden Wissensbereichen dasselbe Phänomen aufgedeckt wird. Die Erklärung liegt darin, daß es i n einer bestimmten Situation, i n der sich bestimmte Erfahrungen angesammelt haben, für gewisse Probleme nur eine begrenzte Zahl von Lösungsmöglichkeiten gibt. Dadurch w i r d die Variation der weiterführenden Schritte, die Entwicklung, i n bestimmter Richtung eingeengt 5 . Genauso ist es mit der Wirtschaftsverfassung und -Verwaltung i m nationalen und übernationalen Recht. I n beiden Bereichen, die die dualistische Völkerrechtstheorie m i t ihrem extremen Bezug auf die politische Staatenordnung um die Wende zu unserem Jahrhundert getrennt und damit das ius publicum europaeum aufgelöst hatte, tauchen seit eben dieser Zeit i n der sozialökonomischen Ordnung ähnliche Probleme auf, die besonders seit der Weltwirtschaftskrise m i t ähnlichen M i t t e l n gelöst werden und auch nur gelöst werden können. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich so über die alten Konflikte hinweg ein neues Zusammenwirken. Die sozialökonomischen Strukturen und Funktionen von Staat und Staatengemeinschaft werden einander ähnlicher, sie gleichen sich an. Das Wirtschaftsverfassungs- und -verwaltungsrecht zeigt in nationaler und übernationaler Sicht konvergierende Tenden-

5 Über „das Prinzip der begrenzten Variationsmöglichkeit" als G r u n d für das Phänomen der Doppelentdeckungen vgl. Mühlmann, Entwicklung u n d Geschichte, Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 34 (1952), S. 106 ff., S. 108 m i t einer Übersicht über die Doppelentdeckungen i n der Naturwissenschaft. I n der Rechtswissenschaft waren „Doppelentdeckungen", etwa i m Privatrecht und Verfassungsrecht, während des 19. Jahrhunderts häufig (vgl. Wieacker, P r i v a t rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, S. 240); m i t der zunehmenden Spezialisier u n g und der nationalstaatlichen Abschließung seit der Jahrhundertwende hören sie auf. Forschungen i n dieser Richtung müßten Gegenstand einer Rechtsvergleichung i n doppeltem Sinne sein.

Wirtschaf tsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht

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zen. Die politischen Konflikte beginnen sich i n sekundär-primärer Konvergenz aufzuheben, am stärksten i m Europarecht. U m dies wenigstens i n einigen Zügen aufzudecken, bedarf es der richtigen, d. h. einer sach- und zeitgerechten Perspektive. Man gewinnt sie, indem man drei rationale Schnitte durch den Gegenstand legt, d. h. drei, das industrielle System typisch gestaltende Momente heraushebt: das regionale, das sektorale und das temporale. Ihre ordnende Zusammenfügung durch das Recht ist das, was man theoretisch und praktisch Integration nennt. Als erstes w i r d die neue Ordnung des industriellen Systems durch die Vernunft des Raumes bestimmt: ratione regionis. U m 1890 hörte die Freiheit der inneren Landnahme i n der Neuen Welt auf, nachdem Grund und Boden i n der Alten schon seit langem verteilt waren. I n den Vereinigten Staaten verschwand die Grenzlinie zwischen besiedeltem und unbesiedeltem, d. h. der freien Landnahme offenem Boden und mit ihr auch der Typus des Grenzers, des freiheitsbewußten Frontiers 6 . Wenige Jahre vorher war es auch m i t der Freiheit der äußeren Landnahme zu Ende. Die europäischen Mächte hatten auf der Berliner Kongo-Konferenz den letzten Kontinent unter sich aufgeteilt, u m dem dunklen Erdteil das Licht der Zivilisation zu bringen, die „blessings of Civilization", wie es i n Art. 6 der Kongreßakte hieß. Die Raummauer der Erde war erreicht. Die europäisch-amerikanischen Volkswirtschaften und die sie verbindende Weltwirtschaft konnten nicht mehr wie i m 19. Jahrhundert durch räumliche Expansion wachsen, sie waren auf eine Entwicklung i m gegebenen Raum beschränkt. Die Phase der Ausdehnung der Wirtschaft i m Raum wurde durch die neue Phase ihrer räumlichen Verdichtung und Intensivierung abgelöst 7 . Dies geschah vor allem i m industriellen Gravitationsfeld der europäischen Wirtschaft, dessen schwerindustrieller Kern auf den Lagern gut verkokbarer Kohle von England über Nordfrankreich und Belgien bis ins Ruhrgebiet und M i t teldeutschland reicht und der eine intensive und extensive Landwirtschaft als doppelte Ringe um sich lagert, die sich nach den Thünenschen β

Kennzeichnend ist der Wechsel i n der Zusammensetzung der amerikanischen Einwanderung. Die Einwanderung von Siedlern nord-, west- u n d m i t teleuropäischer A b k u n f t fand 1883 ihren Höhepunkt. Dann wechselte sie zu Einwanderern aus Ost-, Südost- u n d Südeuropa, die überwiegend als I n d u striearbeiter i n die großen Städte gingen. Diese neue Einwanderung gelangte 1907 auf ihren Höhepunkt. Vgl. Sartorius von Waltershausen, A r t . Auswanderung, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl. 1924, Bd. 2, S. 68 ff., 70. Die Völkerrechtswissenschaft reflektierte Höhepunkt u n d Umschlag dieser Entwicklung i n dem E n t w u r f des I n s t i t u t de Droit International zu einem allgemeinen A b k o m m e n über die E i n - u n d Auswanderungsfreiheit. Annuaire, Bd. 16 (1897), S. 242 ff. 7 Vgl. Predöhl, Außenwirtschaft, 1949, S. 101 ff. 2*

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Standortregeln gebildet haben, die erstmals das rationale Grenznutzenprinzip theoretisch entwickelten 8 . I n diesem ökonomisch-sozialen Schwerefeld bildeten sich m i t wachsendem Verkehr und zunehmender Bevölkerungszahl vor allem i n und u m die großen Industriestädte Verdichtungsräume und Ballungszentren, die schon vor dem Ersten Weltkrieg m i t Stadtplanung, Grünflächenkommission und Zweckverbänden nach planmäßiger Ordnung und Entlastung suchten. Das bekannteste Beispiel ist der 1920 gegründete Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, dem i n den letzten 40 Jahren, ungeachtet aller politischen Systemwechsel, eine Fülle von zwischen- und übergemeindlichen Verbänden und Gemeinschaften gefolgt sind, die eine neue Ordnung i n die m i t liberaler Gesetzlichkeit gewachsenen Lebens- und Wirtschaftsräume bringen sollen 9 . Den überentwickelten Verdichtungsräumen entsprechen kraft derselben Gesetzlichkeit unterentwickelte Räume, rückständige Gebiete, wie das italienische Mezzogiorno, die jetzt m i t positiver Wendung Entwicklungs- und Förderungsgebiete oder bei „sozialer Erosion" Sanierungsgebiete heißen und insgesamt zum Gegenstand raumordnender Wirtschafts- und Sozialpolitik gemacht werden 10 . Die neuen Räume transzendieren die alte politische Territorialgliederung i n Kreise und Gemeinden; sie sind von ökonomisch-sozialem Rang 11 . M i t ihrer „Tragfähigkeit", wie es i n der Fachsprache heißt, w i r d für die von einem Gebiet „tragbare" Bevölkerung der sogenannte Existenzwert des Raumes m i t mathematischen Indexmethoden berechnet, wobei die Raumplaner homogene und funktionale Räume von verschiedenen Rationalitätsgraden unterscheiden 12 . Der Bildung neuer Räume innerhalb der Staaten entspricht ein ähnlicher Vorgang zwischen und über den Staaten. Zwischen den Staaten bilden sich freilich neue Räume nur i n Ansätzen, da sich hier die territorial-politische Struktur der Staaten am stärksten behauptet. Die handelspolitisch-nationale Abschließung gegen den Universalismus 8 v. Thünen, Der isolierte Staat i n Beziehung auf Landwirtschaft u n d Nationalökonomie, 1826—63.1909 folgte A . Webers industrielle Standortlehre. 9 Vgl. neuestens die Beiträge v o n W. Weber, Halstenberg, Isbary u. a. unter dem Leitthema: Raumordnung u n d Raumplanung i n D Ö V 1963, S. 785 bis 824. 10 Vgl. I n s t i t u t f ü r Raumforschung (Hrsg.), Z u r Frage regionaler W i r t schaftspolitik, 1954. Überblick über die regionalen Maßnahmen der westeuropäischen Staaten bei Romus, Expansion économique régionale et communauté européenne, 1958. Auch andere Länder einbeziehend Isard u n d Cumberland (Hrsg.), Regional Economic Planning, 1960. 11 Über das „Auseinanderfallen v o n Planungseinheit u n d kommunaler Wirkungseinheit" W. Weber, a. a. O., S. 787 ff. 12 Vgl. Boustedt u n d Renz, Regionale S t r u k t u r - u n d Wirtschaftsforschung, 1957, S. 122 ff., 47 ff., 78 ff. u n d Isenberg, Tragfähigkeit u n d Wirtschaftsstruktur, 1953.

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der liberalen Weltwirtschaft, wie sie 1897 die Dingley-Tarife und die Greater Britain-Bewegung ankündigten 13 , führte i n den 20er Jahren zu einem handelspolitischen Regionalismus, der sich i n den meistbegünstigenden, d.h. universal wirkenden Handelsverträgen i n Form von Regionalklauseln zum Ausdruck brachte, z.B. i n der skandinavischen, m i t der sich die drei nordischen Staaten zum Nachteil ihrer formal gleichbegünstigten Partner i m Waren- und Dienstleistungsverkehr Präferenzen zusicherten, d. h. sich bevorzugten 14 . Die Weltwirtschaftskrise bewirkte dann den Umschlag vom Universalismus zum Regionalismus 15 . 1931 sprach sich die Europa-Kommission des Völkerbundes, die von dem französischen Plan einer politischen Union nach dem BriandMemorandum Übriggeblieben war, für wirtschaftliche Gruppenbildungen m i t Beitrittsrecht für Drittstaaten aus. Belgien, die Niederlande und Luxemburg vereinigten sich zu einer regionalen Präferenzzone, der heutigen BENELUX, i m selben Jahre, i n dem das Britische Commonwealth i n Ottawa ein regionales Vorzugssystem aufbaute, das sich zur Sterling-Zone erweitert hat. Damit wurde das politische „Empire A " , wie man sagte, von einem ökonomischen „Empire B " überhöht 16 . Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann unter der politisch-ökonomischen Hegemonie der USA zu jener Fülle von groß- und kleinräumigen Wirtschaftsregionen, die fast alle Handelsnationen der Freien Welt erfassen: angefangen m i t dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, dem GATT, über die Marshallplan-Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, die OEEC und ihre Nachfolgerin, die OECD, die atlantische Wirtschaftsgemeinschaft unter Einschluß der USA und Kanadas bis zur Europäischen Freihandelsvereinigung unter der Führung Großbritanniens, der EFTA, und schließlich zu den drei supranationalen Wirtschaftsgemeinschaften 17 . 13 Vgl. Taussig, The Tariff History of the U n i t e d States, 6th ed. 1914, S. 321 ff.; Sir Ch. Dilke, Problems of Greater Britain, 1890. 14 Vgl. Β. Knapp, L e système préférentiel et les états tiers, 1959, S. 135 ff., 350. 15 Z u m folgenden Respondek, Grundzüge europäischer Handelspolitik zwischen den beiden Weltwirtschaftskonferenzen, 1933 u n d L . Sommer, Neugestaltung der Handelspolitik, 1935, S. 171 ff. le Riedl, Innereuropäische Handelspolitik, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 39 (1934 I), S. 13 ff., S. 40 f. 17 Über den Regionalismus als wirtschaftspolitisches Ordnungsprinzip vgl. Predöhl, Das Ende der Weltwirtschaftskrise, 1962, S. 122 ff. Dieser Regionalismus darf nicht m i t dem politischen Regionalismus als primärem Phänomen verwechselt werden, m i t dem er freilich i n enger Verbindung steht. Über diesen, vor allem die modernen Bündnissysteme vgl. Dahm, Völkerrecht, Bd. 2, 1961, S. 258 ff. Die wirtschaftstheoretische Durchdringung des Regionalismus findet sich nach Thünen u n d A . Weber durchaus zeitgerecht bei Predöhl u n d Ohlin, I n terregional and international trade, 1933, der den internationalen Handel als bloßen Spezialfall des interregionalen Handels begreift. Diese Gedanken

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Die sozialökonomische Dichte dieser Regionen ist u m so größer, je mehr sie i m schwerindustriellen Kerngebiet des europäischen Gravitationsfeldes liegen, wofür die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl typisch ist 1 8 . A m Rande oder gar an der weltwirtschaftlichen Peripherie liegende Staaten und Kolonien werden i n der EWG z. B. nicht durch Beitritt als Vollmitglieder aufgenommen, sondern m i t geringeren Rechten und Pflichten assoziiert, wie Griechenland und die Türkei, die zu den europäischen Entwicklungsländern gehören, oder die 18 afrikanischen Neustaaten ebenso wie die überseeischen Hoheitsgebiete, d. h. die Entwicklungsländer, die Kolonien geblieben sind 19 . Durch solche großräumige Regionalpolitik entstehen überstaatliche Wirtschaftsräume, in die m i t regionaler Abstufung staatliche Wirtschaftsräume eingegliedert sind. Das nennt man Gemeinsame Märkte. Sie enthalten ihrerseits wieder die eingangs geschilderten kleineren über- oder unterentwickelten Räume, Verdichtungsräume oder rückständigen Gebiete, die die Landesplaner, w e i l sie i m wesentlichen noch staatlich denken, allein als Regionen bezeichnen. I n den supranationalen Gemeinschaften werden die unterentwickelten Räume auf die überstaatliche Ebene hinaufgehoben, sei es, daß man dem Mitgliedstaat das Recht läßt, sie selbst zu subventionieren oder zu sanieren, wie die deutschen Zonenrandgebiete, sei es, daß man dies gemeinsam macht m i t Hilfe der Europäischen Investitionsbank wie bei den „Entwicklungsschwerpunkten" i n Süditalien, sei es schließlich, daß staatliche Grenzen übergreifende gemeinsame Regionen geschaffen werden, wie jetzt bei dem E WG-Versuch an der französisch-belgischen Grenze, womit der kleine Grenzverkehr alter A r t zum sekundären Regionalprogramm wird 2 0 . I n allen drei Fällen

führte Lösch, Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, 1940 zu einer Lehre von den Wirtschaftsgebieten als v o n wirtschaftlichen Grenzen umschlossenen M a r k t r ä u m e n fort, die die Staatsräume transzendieren. Die rechtstheoretische Durchdringung des wirtschaftlichen Regionalismus dagegen steckt noch i n den Anfängen, da das Staats- u n d Völkerrechtsdenken i n erster L i n i e gerade dort politisch ist, w o es u m sein primäres Element, das T e r r i t o r i u m geht. Vgl. jedoch neuestens Steinberger, G A T T u n d regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, 1963. 18 Jürgensen, Die westeuropäische Montanindustrie u n d i h r gemeinsamer M a r k t , 1955. 19 Vgl. Nehring, Die Assoziierung überseeischer Länder m i t dem Gemeinsamen M a r k t , 1963. 20 Vgl. i m einzelnen Romus, a. a. O., S. 279 ff.; 6. Gesamtbericht der EWG, 1963, S. 140 f. u n d besonders i m H i n b l i c k auf die regionale Wirtschaftsstrukt u r der Bundesrepublik den 1. Raumordnungsbericht des Bundesministers f ü r Wohnungswesen, Städtebau u n d Raumordnung, Bundestagsdrucksache I V / 1492 v o m 1. 10. 1963, S. 28 ff. Vgl. auch A r t . 25 des Vertrages über Zusammenarbeit zwischen den nordischen Staaten v o m 1. 7. 1962, der eine „ j o i n t economic development of adjoining parts of the territories of t w o or more contracti n g Parties" vorsieht. T e x t des schwedischen Außenministeriums u n d des N o r dischen Rats, 1962.

Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht handelt es sich um europäische Regionalpolitik i m engeren Sinne, die die nationale Regionalpolitik aufhebt, d.h. zugleich beseitigt und bewahrt 2 1 . Die Rationalität der neuen Räume hat ein doppeltes Gesicht. Seit der Jahrhundertwende hat sie die von der zeitgenössischen Lebensphilosophie, vor allem von Bergson und Simmel, neu geweckten Primärkräfte als mitgestaltendes Moment dialektischer Gegenläufigkeit i n sich aufgenommen. Die données immédiates, die unmittelbaren Gegebenheiten, nach Bergson vor allem der natürlich-schöpferische Lebens- und Kulturraum, der gefüllte Raum, wie er sagt, werden m i t i n den Rationalisierungsprozeß einbezogen 22 . Das zeigt besonders der Landschaftsund Naturschutz, der Naherholungsgebiete und Naturparks m i t sogenannten Kernzonen der Stille schafft, also Natur, wenn auch eine künstlich gesicherte. Diese sekundäre Stabilisierung der Primärstruktur, die Schaffung von Kulturraum, ist i n den staatlichen Räumen stärker als i n den überstaatlichen, die dies nach dem raumplanerischen Gegenstromprinzip den unökonomischen Organisationen, wie dem Europarat und den Nationalstaaten, überlassen 28 . Die ratio regionis setzt sich für ihre Entwicklung Ziele, die sie nach bestimmten Grundsätzen m i t spezifischen Mitteln zu erreichen versucht. Die i n langen Zeiten gewachsenen Territorien, gleich ob sie Staaten sind oder innerhalb der Staaten Länder, Kreise, Gemeinden, oder wie politisch-territorial abgegrenzte Gebietsteile auch immer heißen mögen, sollen nach § 1 des geplanten rheinland-pfälzischen Raumordnungsgesetzes24 — ich hoffe, daß der geschmeichelte genius loci diese Verallgemeinerung erlaubt, — „ i n ihrer räumlichen Struktur einer Entwicklung zugeführt werden, die bei Beachtung der natürlichen Gegebenheiten den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Erfordernissen 21 Über den „Versuch einer regionalen Unterteilung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft", u m die Regionalpolitik der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene zu koordinieren, vgl. den 5. Gesamtbericht der EWG, 1962, S. 150. Hier w i r d zwischen „31 sozio-ökonomischen Räumen unterschieden, die jeweils eine Gesamtheit einander ergänzender Wirtschaftszweige u n d bedeutender Verwaltungszentren bilden". Diese regionale Unterteilung bedeutet „einen K o m p r o m i ß zwischen den wirtschaftlichen Erfordernissen u n d den verwaltungsmäßigen Gegebenheiten" u n d soll als vorläufiger Koordinierungsrahmen dienen. M a n sieht, w i e sich das Problem der Verbindung des politisch-administrativen Primärsystems u n d des sozial-ökonomischen Sekundärsystems auf überstaatlicher Ebene wiederholt. 22 Bergson, Essai sur les données immédiates de la conscience, 1889. D a zu Pflug, H e n r i Bergson, Quellen u n d Konsequenzen einer i n d u k t i v e n Metaphysik, 1959, S. 52 ff., S. 197 ff.; Simmel, Soziologie, 1908, zit. nach der 4. Aufl. 1958, S. 460 ff. Neuestens Bollnow, Mensch u n d Raum, 1963. 23 Vgl. Satzung der Internationalen Naturschutzvereinigung von 1948, Verträge der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 13, A 140. 24 E n t w u r f v o m 5.12.1963 (Regierungsvorlage Nr. 94).

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gerecht w i r d und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft am besten dient". Die Integrationsverträge, die Staatsverfassungen und Raumordnungsgesetze bringen dasselbe Ziel i n vielfältiger Formulierung zum Ausdruck. U m es zu erreichen, legen sie Grundsätze fest. Die räumliche Struktur des gemeinsamen, durch Beitritte und Assoziierungen erweiterten und abgestuften EWG-Marktes samt seinen besonderen Regionen soll auf freiheitlich-sozialen Grundsätzen ruhen, die zu marktgerechten Standortverlagerungen von Kapital und Arbeit führen. Die Verfassung der Bundesrepublik hat solche Grundsätze i n den Richtbegriffen des Art. 29 GG festgelegt, nach denen ihre räumliche Struktur i n den Ländern neu geordnet werden soll. Den geplanten oder schon geschaffenen Raumordnungsgesetzen von Bund und Ländern kann man ganze Kataloge derartiger Prinzipien entnehmen. Sie geben das Maß, nach dem die M i t t e l zur räumlichen Ordnung eingesetzt werden. Dazu gehören zum einen regionale Rahmenpläne, Entwicklungs-, Aufbau- und Sanierungsprogramme, ζ. B. das seit zehn Jahren laufende regionale Förderungsprogramm des Bundes zwecks Ansiedlung von Industriebetrieben, zum anderen die Raumordnungsklauseln i n Bundesgesetzen, ζ. B. i m Bundesfernstraßengesetz oder i m Bundesbaugesetz bei der Erschließung von Industriegelände oder i m ERP-Wirtschaftsplangesetz. Schließlich gehören zu den Mitteln alle sogenannten raumbedeutsamen Maßnahmen, über die Goethe sicherlich erschrocken wäre, da bedeutsam sein Lieblingswort war. Indes sollte man die konvergierende Vernunft der sekundären Räume nicht unterschätzen. Das theoretische Bewußtsein hat sie auch i m Recht schon lange reflektiert. Seit der Jahrhundertwende versucht die reine, d. h. rationale Rechtslehre Kelsens die Gebietstheorie des älteren Jellinek, die dem nationalen Territorialstaat zugeordnet war 2 5 , durch eine neue Raumtheorie abzulösen, die den Staatsraum und den organisierten Regionalraum nurmehr als abstrakte Kompetenzsphäre für Staatsund Gemeinschaftsorgane, als Geltungsbereich der staatlichen und überstaatlichen Rechtsnormen betrachtet 2®. Doch ist auch hier ein gegenläufiger Unterstrom wirksam, der i n Anknüpfung an den Gierke25 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 1900, zit. nach der 3. Aufl. 1914, S. 394 ff., der damit i n der T r a d i t i o n v o n Gerber u n d Fricker steht, die i n den 60er Jahren den Gebietsbegriff i m Zusammenhang m i t der (deutschen) Nationalstaatsbildung als Wirkungsbereich staatlicher Herrschaft entwickelt hatten. 26 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 137 ff.; die Ansätze der abstrakten Haumtheorie finden sich schon bei Radnitzky, Rechtliche N a t u r des Staatsgebiets, Arch. öff. Recht, Bd. 20 (1906), S. 313 ff. Über die Entwicklung des rationalen Raumbegriffs i m Neopositivismus der nach A m e r i k a abgewanderten Wiener Schule, etwa bei Carnap, f ü r den der Raum nurmehr ein abstraktes „Ordnungsgefüge" ist, das einer Topologie zugrunde liegt, vgl. Jammer, Das Problem des Raums, 1960.

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sehen Begriff der Gebietskörperschaft den m i t rationalen Mitteln geordneten Lebens- und Wirtschaftsraum, die Organisation der industriellen Gesellschaft i n staatlichen und überstaatlichen Regionen zum Gegenstand einer neuen Sachbezogenheit macht, womit die alte Objektstheorie des Patrimonialstaates auf sekundärer Ebene zurückkehrt 27 . Die regionale Integration verwandelt die Bedeutung des staatlichen Gebiets, des Territoriums, ebenso wie die des privaten Dominiums, des Eigentums. Die alte Landnahme w i r d durch eine neue Funktionsnahme ersetzt, wofür die Ablösung der politisch-territorialen Ruhrbehörde von 194528 durch die regionale Montanunion ein bezeichnendes Beispiel ist. Das Recht des privaten Eigentums wird, ähnlich wie bei der Mitbestimmung i n Bergbau und Eisen, aus den Integrationsverträgen als uninteressant ausgeklammert 29 . Interessant ist allein die regionale Funktion 3 0 . Der alte radical title, das i n Grund und Boden wurzelnde Herrschafts- und Eigentumsrecht, weicht einem neuen functional title, einem Funktions- und Verwaltungsrecht, das zwar nicht von derselben Stabilität, dafür aber von rationalerer Effektivität ist als der alte Rechtstitel. Dem alten nomos, dem austeilenden Gesetz von Mein und Dein am Boden, wie Kant noch sagte, verbindet sich ein neuer Topos. Nicht mehr allein die Erde gibt kraft Landnahme und erster Messung das Maß des Rechts; dieses gewinnt einen neuen Raum, einen sekundären Topos. Die Verbindung von Ordnung und Ortung wandelt sich 31 , das Orts- und damit Ordnungslose, die Utopie w i r d zur Entopie, zu einer sich i n neuen Räumen erhebenden und dabei die alten m i t aufhebenden Ordnung. Bisher war das Meter der lOmillionste Teil der Entfernung vom Pol zum Äquator, das i n Paris, der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, als Urmeter i n Gestalt eines Platinstabes aufbewahrt wurde. Nunmehr ist das Meter überall, wo man es messen, wenn auch nicht sehen kann. Denn vor kurzem hat es die internationale Maß- und Gewichtskonferenz 27 Vgl. Michel, Raumordnung u n d Raumplanung i m S t r u k t u r b i l d des modernen Staates, PYankfurter Diss. 1958, S. 55 ff. 28 Sammelname f ü r die alliierte Organisation der westdeutschen Montanindustrie, vgl. dazu Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1. Bd. 1953, S. 441 ff. 29 A r t . 83 EGKS, 222 EWG. 30 Die Atomindustrie hat den territorialen Bezug gänzlich abgestreift. Sie w i r k t nicht mehr raumordnend i m primären Sinne; sie ist buchstäblich supraterritorial. 31 F ü r das überkommene „Recht als Einheit von Ordnung u n d Ortung" vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde i m Völkerrecht des lus P u b l i c u m Europaeum, 1951, S. 13 ff. Dazu Schmidt, Der Nomosbegriff bei Carl Schmitt, Der Staat, Bd. 2 (1963), S. 81 ff. Die von Schmitt S. 187 ff. erörterte „Frage eines neuen Nomos der Erde", d. h. der politischen Territorialordnung, muß durch die Frage eines Nomos der neuen Räume ergänzt werden. Vgl. für diesen Z u sammenhang die sophistische Antithese von Schein u n d Wahrheit: H e i n i mann, Nomos und Physis, 1945.

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neu berechnet, nämlich auf 1,650 usw. Millionen Wellenlängen der orangeroten Strahlung des 1898 erstmals rein dargestellten Edelgases Krypton 86 32 . Der zweite rationale Schnitt, der durch das industrielle System zu legen ist, muß ihre Fachbereiche oder Sektoren aufdecken. Denn seine staatliche und überstaatliche Ordnung w i r d nicht nur durch räumliche, sondern auch durch eine den jeweiligen Wirtschaftszweigen entsprechende fachliche Vernunft bestimmt: ratione sectoris. M i t dem Ende der weltwirtschaftlichen Expansion entartete der auf einen universalen M a r k t angelegte Wettbewerb der liberalen Epoche. Es fehlte ihm die Möglichkeit zum räumlichen Ausweichen. Monopol und Oligopol auf der einen Seite, ruinöse Konkurrenz auf der anderen, wurden die Zeichen der kommenden Zeit 3 3 . National- und sozialwirtschaftliche Vorbehalte mußten die gestörte Ordnung zum Schutze der Verbraucher und Erzeuger wiederherstellen. Zumal nach der großen Krise der liberalen Weltwirtschaft bildeten sich in den Staaten und zwischen ihnen rechtliche Sonderordnungen öffentlicher und privater Art, die den jeweiligen Erfordernissen i n den verschiedenen Wirtschaftszweigen Rechnung trugen 54 . Trotz des politischen und ökonomischen Einflusses der USA als der dem Wettbewerb am meisten zugewandten Wirtschaftsnation der Freien Welt, blieben auch nach dem Zweiten Weltkrieg in den europäischen Staaten eine Vielzahl von rechtlichen Sonderordnungen in der gewerblichen und nichtgewerblichen Wirtschaft bestehen oder bildeten sich i m Zuge der Liberalisierung auch erst neu als Ausdruck einer wiederhergestellten, der sogenannten bereinigten Wettbewerbswirtschaft. Zumal i m internationalen Wirtschaftsverkehr führte dieser fachliche Aufgliederungsprozeß zu einer Fülle von Sonderordnungen, die die verschiedenen nationalen Wirtschaftssektoren in zwischen- und überstaatlichen Formen als fachlich engere oder weitere Sonderorganisationen auf höherer Ebene wieder zusammenfassen. Es fand und findet eine konvergierende Rechtsentwicklung statt, die die Sonderordnungen der nationalen und übernationalen Wirtschaftssektoren ineinandergreifen läßt, eine sektorale Integration. Die Reichsgewerbeordnung, die i m Jahre 1900 neu bekanntgemacht wurde, nachdem die Arbeiterschutz- und die Handwerksnovelle von 1897 das Kommende schon angekündigt hatten, umfaßt m i t Ausnahme 32 Vgl. Comité Consultatif pour la Définition d u Mètre, l 6 r e — 3 e sessions 1960—1962, Procès-Verbaux d u Comité International des Poids et Mesures, t. 24, S. 1 ff., t. 26, S. 1 ff. 33 Vgl. Predöhl, Außenwirtschaft, a. a. Ο., S. 101 ff. 34 Vgl. Staley, W o r l d Economy i n Transition, 1939 u n d Fricke, Wirtschaftsordnung u n d K o n j u n k t u r , 1958, S. 110 ff. über „Generalmarktordnung" u n d „Teilmarktordnungen".

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der dem älteren Landesrecht überlassenen U r - oder Primärproduktion, d. h. der Landwirtschaft, der Fischerei und dem Bergbau sowie der sogenannten höheren Berufe, grundsätzlich alle gewerblichen und beruflichen Tätigkeiten, also: die Grund-, Investi tions- und Konsumgüterindustrie, das Handwerk, die Energiewirtschaft, alle Arten des privaten Verkehrs und den gesamten Handel, sei er Innen- oder Außenhandel, einschließlich aller Hilfsgewerbe. Heute w i r d die allgemeine Gültigkeit der alten landes- und reichsrechtlichen Wirtschaftsordnung durch zahlreiche Sonderrechte der verschiedenen Wirtschaftszweige in wesentlichen Teilen durchbrochen und ergänzt, ganz abgesehen von einem weithin verselbständigten und vielfach verzweigten Arbeiterschutzrecht. So hat die Landwirtschaft ein besonderes Bundesgesetz m i t Grünen Plänen, die Ernährungswirtschaft ihre Marktordnungen, das Handwerk seit 1953 wieder seine eigene Ordnung, der Einzelhandel ein Schutzgesetz, die Außenwirtschaft eine neue liberale Regelung, der Personenbeförderungs- und Güterkraftverkehr, die Binnenschiffahrt und der L u f t verkehr haben ebenso wie die Atomenergiewirtschaft ihre eigenen Gesetze; der Mittelstand w i r d durch besondere Maßnahmen geschützt und die Industrie schließlich und nicht nur sie ist durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen einer neuen freiheitlichen Ordnung unterstellt 35 . I m internationalen Wirtschaftsverkehr zeigte sich seit der Jahrhundertwende dieselbe Entwicklung mit sektoralen Zollerhöhungen und Tarifspezialisierungen, m i t Subventionen für bestimmte Exportindustrien und Kontingentsschutz für die Landwirtschaft oder wettbewerbsschwache Gewerbezweige, mit Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs und der Berufs- und Gewerbefreiheit für Ausländer i m Inland 3 6 . Dieser nationale und sektorale Abschließungsprozeß führte i n der Weltwirtschaftskrise über zwei- und mehrseitige Kontingentsabkommen, vor allem auch für die Stapelgüter der Landwirtschaft und des Bergbaus i n den internationalen Rohstoffabkommen, ζ. B. für Weizen, Zucker, Kautschuk und Zinn, nach dem letzten Kriege zu einer neuen sektorenweisen Zusammenschließung i n den Fachorganisationen vom GATT bis zur EWG. Dabei werden die verschiedenen Wirtschaftszweige entweder selbständig organisiert, wie die internationale Weizenwirtschaft oder die europäische Montan- und Atomwirtschaft oder unselbständig, aber m i t eigenem Sonderrecht in einer größeren Organisation zusammengefaßt wie i n der OEEC oder der EWG. Das Sektorenprinzip bestimmt nicht den territorialen Geltungsbereich des Organisationsrechts, sondern seinen Anwendungsbereich, wie die Verträge ihre sektorale Abgrenzung 85 Vgl. Reuss, Wirtschaftsverwaltungsrecht, i n : v o n Brauchitsch-Ule, V e r waltungsgesetze des Bundes u n d der Länder, Bd. V I I I , Halbband 1, 1963. 36 Greiff, Die neuen Methoden der Handelspolitik, 1934.

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i n und unter sich nennen. Das geschieht m i t derselben rationalen Schärfe wie das Sektorenprinzip die Gebietsansprüche i n der Antarktis festlegt. So wurden etwa i n der OEEC drei Liberalisierungssektoren gebildet: für Nahrungs- und Futtermittel, für industrielle Rohstoffe und für Fertigerzeugnisse mit 9000 Code-Nummern nach einer eigens erarbeiteten Nomenklatur 3 7 . Die lockere sektorale Gliederung der EWG in Handel und Landwirtschaft, Freizügigkeit von Kapital und Arbeit und in das Verkehrswesen mit Ausnahme der Seeschiffahrt und L u f t fahrt strafft sich zu feinster Präzision bei der Durchführung. So soll z.B. nach dem allgemeinen EWG-Programm für die Niederlassungsfreiheit ein Weißgerber m i t dreistelliger Gruppennummer der internationalen Berufsklassifikation der UNO, der sogenannten CITI, i n Kürze auf dem Gemeinsamen M a r k t arbeiten dürfen, während ein Diplom-Landwirt aus der erweiterten CITI-Untergruppe 0121 darauf noch warten muß 38 . I n der Montanunion werden die Sektorenbegriffe Kohle und Stahl, d. h. die gemeinsamen Montanmärkte, gleichfalls nach Listen m i t komplizierten Kennzahlen bestimmt 3 9 . I m Euratom-Vertrag verliert sich dann die Anschaulichkeit völlig zugunsten abstrakter Wissenschaftssymbolik, indem z.B. Diphenyl auf dem gemeinsamen Kernenergiemarkt nur dann gehandelt werden darf, wenn es tatsächlich C 6 H 5 C 5 H 5 ist 40 . Die räumliche Kompetenzsphäre des Organisationsrechts w i r d damit durch eine fachliche Kompetenzsphäre ergänzt, wie sie vor allem auch für die invisible transactions, die unsichtbaren Dienstleistungen typisch ist, die m i t ihrer technisch-bürokratischen Vielfalt zu dem ständig wachsenden, sogenannten tertiären Sektor des industriellen Systems gehören 41 . Die verschiedenen Wirtschaftszweige sind oder werden i n den Verträgen durch jeweiliges Sonderrecht geordnet. So sind i n der EWG beson37 Anhang A , Abschnitt I I , 2 a des Kodex der Liberalisierung i n der revidierten Fassung von 1959, Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 78 v o m 24. 4. 1959. 38 Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit v o m 18. 12. 1961, Anlage I u n d Anlage I I , Amtsblatt 1962, S. 36 ff. 89 Anlage I zum Vertrag: Bestimmung der Begriffe „ K o h l e " u n d „Stahl". 40 Anhang I V , Liste Β am Ende. 41 Vgl. Fourastier, a. a. O., S. 139 f. u n d Wessels, Z u r Problematik des tertiären Sektors i n der modernen Volkswirtschaft, i n : Festschrift f ü r Andreas Predöhl, 1964 (Bd. 14 des Jahrbuchs f ü r Sozial Wissenschaft), S. 303 ff. F ü r die rechtliche Ordnung des tertiären Sektors vgl. A r t . 13 ff. Liberalisierungskodex der OEEC u n d den OEEC-Bericht: Liberalisation of Current Invisible Operations and Capital Movements, 1961. Bemerkenswerterweise w i r d nicht der den Warenverkehr, w o h l aber der die unsichtbaren Transaktionen betreffende T e i l des Liberalisierungskodex von der OECD fortgeführt, also von den Vereinigten Staaten u n d Kanada übernommen. Vgl. Hahn, Die Organisation f ü r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ZaöRV, Bd. 22 (1962) S. 49 ff., S. 93 f. F ü r die E W G vgl. Everling, Das Niederlassungsrecht i m Gemeinsamen M a r k t , S. 68 ff.

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ders Industrie und Handel i n ihrem zwischenstaatlichen Austausch durch die Art. 85 ff. und die europäische Kartellverordnung verbunden. Die Gemeinsame Organisation der Agrarmärkte ist m i t Marktordnungen für Getreide, Schweinefleisch, Eier, Geflügel usw. zum Teil aufgebaut. Die rechtliche Ordnung des Verkehrsmarkts steckt i n den Anfängen, ebenso wie der Markt für Kapital- und Dienstleistungen oder das durch gemeinsame Zolltarife und Liberalisierungslisten zu schaffende Zollund Außenwirtschaftsgesetz der EWG 4 2 . Der Gemeinsame Markt der europäischen Wirtschaft, von dem der Vertrag redet, ist also ein sektoral gegliederter Markt, ebenso wie die Märkte, aus denen er sich bildet 4 3 . I n ihrem Fortschritt verfährt die ratio sectoris ebenso wie die ratio regionis sowohl i n den nationalen Wirtschaften wie i n den übernationalen, deren Verschmelzung i h r Ziel ist. Sektorale Produktionsstockungen und -Verlagerungen, wie sie eine staatliche und überstaatliche Wirtschaftsliberalisierung oder der technische Fortschritt, die sogenannten Neuerungen i m Schumpeterschen Sinne zur Folge haben, werden nach freiheitlichen und sozialen Marktgrundsätzen beseitigt oder ausgeglichen. So hat ζ. B. das Investitionshilfegesetz von 1952 am Ende der ersten Stufe des die deutsche Wirtschaft liberalisierenden Marshallplans die durch Demontage und andere Gründe zurückgebliebene Grundund Schlüsselindustrie zu Lasten der weiterverarbeitenden Industrie m i t Hilfe eines detaillierten Programms i m gesamtwirtschaftlichen Interesse unterstützt. Investitionshilfen, die von hinweisenden Programmen der Behörden bis zur Mitteilung und Erörterung privater Vorhaben und sogar einem Verbot der Kreditaufnahme gehen, sehen auch die Integrationsverträge für die europäische Montan- und Atomindustrie vor 4 4 . Überflüssig gewordene Produktionskapazitäten dagegen wurden stillgelegt, ζ. B. i n der Mühlenwirtschaft durch Gesetz von 1957, ähnlich wie es durch das Rationalisierungsgesetz vom vorigen Jahr für den Steinkohlenbergbau an der Ruhr m i t seinem Umstellungsprogramm geschehen soll 45 . Gleichartige Stillegungen i m Kohlenrevier 42 Der rechtliche Stand der sektoralen Gliederung bei B ü l o w u n d Langner, Fundstellennachweis f ü r das Recht der Europäischen Gemeinschaften (Stand v o m 1. 7.1963), Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 146 v o m 9. 8.1963. 43 Vgl. auch das Memorandum der Kommission über das Aktionsprogramm der Gemeinschaft f ü r die zweite Stufe, 1962, S. 66, w o es heißt, daß man es nicht m i t einem „homogenen Ganzen . . . »einer Wirtschaft' " zu t u n habe, sondern m i t „einer großen Z a h l von Wirtschaftsbereichen u n d W i r t schaftsregionen". 44 Vgl. Europäische Gemeinschaft f ü r Kohle u n d Stahl (Hrsg.), Die E G K S 1952—1962. Die ersten 10 Jahre einer Teilintegration, 1963 (vorläufige Ausgabe 1), PE/2/I. 45 B G B l . 1963 I , S. 549 ff. Dazu den 12. Gesamtbericht über die Tätigkeit der EGKS, 1964, S. 137.

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der Borinage und i m sizilianischen Schwefelbergbau sind i m Gange. Hier helfen die Staaten zusammen m i t der europäischen Montan- und Wirtschaftsgemeinschaft den Unternehmern durch die spezifischen M i t tel der Umstellungsbeihilfen über die Europäische Investitionsbank und den Arbeitern m i t Umschulungs- und Umsiedlungsbeihilfen, die der Europäische Sozialfonds gewährt 46 . Als M i t t e l sektoraler Hilfe, die zumeist Strukturpolitik genannt w i r d und m i t der Regionalpolitik von der Sache her eng verbunden ist 4 7 , werden auch Steuervergünstigungen verwandt. Man steuert m i t ihnen, wie es erstmals i n den 80er Jahren i m Sinne von Lenken hieß, ζ. B. den Bau von Schiffen und Wohnungen durch die sogenannten 7c- und d-Gelder, das sind die von Gerloff sogenannten Ordnungssteuern i m Unterschied zu den Fiskalsteuern 48 . I n der Landwirtschaft werden m i t starker struktureller Differenzierung auf Grund der Grünen Pläne zur Hauptsache geld- und kreditpolitische M i t t e l i n Form von Subventionen aus öffentlichen Fonds verwandt 4 9 . Die M i t t e l der sektoralen Integrations- und Strukturpolitik sind also ähnlich wie die regionalen gesetzliche und vertragliche Pläne, Programme, Richtlinien und einzelne Maßnahmen. Die Ähnlichkeit reicht bis zur substanziellen Konvergenz. Denn ebenso wie die funktional-territorialen Raumteile bei ihrer Zusammenfügung zu Regionen gewogen werden, d.h. i n ihrer Bedeutung, ihrem Gewicht gegeneinander abgewogen 50 , so werden auch die fachlichen Sektoren gewogen und als leicht oder schwer befunden, wie bei der Investitionshilfe für die deutsche Industrie m i t spezifischem Doppelsinn. I n den europäischen Gemeinschaften verstärkt sich das Prinzip der regional-sektoralen A b 46 Vgl. die Berichte über die v o n der E G K S veranstaltete Regierungskonferenz über die industrielle Umstellung: Bd. I Die P o l i t i k der M i t g l i e d staaten auf dem Gebiet der Umstellung u n d der regionalen Entwicklung (über die Borinage, S. 39 ff.), 1961; Bd. I I — I V , 1961—1963. EGKS (Hrsg.), Maßnahmen zur erleichterten Schaffung neuer Betätigungsmöglichkeiten, 1959 u n d den 6. Gesamtbericht über die Tätigkeit der EWG, 1963, S. 141. Vgl. auch die E G K S 1952—1962, a. a. O., P. Soc 3/7 u n d EWG-Aktionsprogramm, a. a. O., S. 52 f t , 66. 47 Vgl. Storbeck, Die wirtschaftliche Problematik der Raumordnung, 1959, S. 141 ff. 48 Vgl. Constantin Frantz, Die soziale Steuerreform als die conditio sine qua non, w e n n der sozialen Revolution vorgebeugt werden soll, 1881, S. 51, zit. nach Gerloff, Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl., 2. Bd. 1956, S. 253; Überblick über die wirtschaftslenkenden Steuererleichterungen u n d Tarifermäßigungen i n : Bundestagsdrucksache Nr. 1229 v o m 28. 7.1959. 49 Vgl. Köttgen, Der Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung u n d die Organisation der bundeseigenen Verwaltung, Jhb. öffentl. Recht, Bd. 11 (1962), S. 180 ff., 192 f.; einen Überblick über die sektorale Hilfe i n der Bundesrepublik gibt das B u l l e t i n der Bundesregierung Nr. 135 v o m 26. 7. 1957: Wirtschaftspolitisch gezielte Maßnahmen f ü r bestimmte Bevölkerungsgruppen u n d Wirtschaftszweige. 50 Die Raumordnung i n der Bundesrepublik Deutschland, Gutachten des Sachverständigenausschusses, 1961, S. 81 („Gewichtung der Faktoren").

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wägung oder Gewichtung zu arithmetischer Kongruenz und Relation: 3 X 4 : 2 X 2 : 1 ist das Gewichtsverhältnis der Mitgliedstaaten, d. h. das Stimmgewicht i m Ministerrat zwischen den drei großen Staaten, den beiden kleinen und dem ökonomisch-territorial an Leistungs- und Tragfähigkeit schwächsten, dem Großherzogtum Luxemburg. Die rechtliche Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft i n der Zeit: ratione temporis, der dritte, zeitliche Schnitt ist von besonderer Rationalität. Denn die Zeit gehört neben dem Raum zu den unmittelbaren Symbolen der Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit. I n ihr ist deshalb die neue Wirklichkeit, wenn nicht am sichtbarsten, so doch am fühlbarsten. U m 1900 war es nicht nur m i t dem Raum, es war auch m i t der Zeit zu Ende. Eine neue, künstliche Zeit begann sich der alten, natürlichen Zeit zu überschieben und sich m i t i h r zu verbinden. Zwar reicht dieser Prozeß weit zurück, insofern die Zeit als ursprünglich objektive Bestimmtheit, als Maß der Bewegung i m Raum, wie Aristoteles sagte, seit Vico und Kant zur subjektiven Erfahrungsform wird, durch die der Mensch die von i h m kraft Vernunft gestaltete Wirklichkeit erfährt. Doch t r i t t m i t der Wende zum 20. Jahrhundert die Zeit i n ein neues Stadium, sie steigt eine „Stufe" höher, wie es i m heutigen Europarecht heißt. Von diesem höheren Standpunkt aus versucht die industrielle Gesellschaft durch Comte's Zeitfernrohr zu sehen: voir pour savoir, savoir pour prévoir, prévoir pour prévenir 50 * 1 . Das Rechtsgesetz der liberalen Epoche war auf zeitlichen Bestand, auf Dauer angelegt. Es galt, u m den Bürgern dauernde Freiheit und Gleichheit zu sichern. Das Gesetz galt deswegen auch nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft, la loi ne dispose que pour l'avenir, hieß es richtungweisend i m Code C i v i l von Ì804 51 . Unter der Geltungsdauer, besser der dauernden Geltung des liberalen Gesetzes, entwickelte sich die Wirtschaft kraft privaten Planens und Unternehmens i n A u f und Abschwüngen, indem sie die technischen Neuerungen industriell verwertete und dabei zwischen Produktion und Konsumtion ein jeweils neues Gleichgewicht auf höherer Stufe erreichte. Der Fortschritt vollzog sich i n Konjunkturen, i n kurzen Wellen von 8 bis 10 Jahren und i n langen Wellen von 50 bis 60 Jahren, den Juglar- und Kontradieffschen Zyklen 5 2 . Der sogenannte bürgerliche Kontradiefï, die lange Welle von 60a Vgl. jetzt B. de Jouvenel, De l a conjecture u n d Massenet, Etudes méthodologiques sur les Futuribles, B u l l e t i n de la Société d'Etudes et de Documentation Economiques Industrielles et Sociales (SEDEIS), Nr. 27 (1962) bzw. Nr. 52 (1963), i n dem laufend sogenannte Futuribles erscheinen, unter anderen auch zur europäischen Integration von Beioff, C. Clark u n d Ellul. 51 Über das Recht als zukunftsbezogenen Begriff i m Sinne der französischen soziologischen Tradition vgl. Burdeau, Traité de science politique, Bd. 1, 1949, S. 156 ff. 52 Schumpeter, K o n j u n k t u r z y k l e n , deutsch v o n Dockhorn, 1961, Bd. 1, bes. S. 231 ff., 314 ff.

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Dampfkraft und Stahl, die durch den Eisenbahnbau die räumliche Tiefe der Kontinente erschlossen hatte, lief gegen Ende des Jahrhunderts aus. 1897, einem „symbolischen" Jahr, wie Schumpeter es nennt 5 3 , setzte eine neue lange Welle ein, der „neomerkantilistische Kontradieff", der, wie sein Name sagt, durch eine Fülle sozialer und nationaler Interventionen privater und staatlicher A r t gekennzeichnet ist. Besonders die Weltwirtschaftskrise und die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten eine Flut von sichernden und wiederaufbauenden Maßnahmen, die nicht auf Dauer gelten sollten, sondern auf Zeit berechnet waren, sei es auf eine vergangene und vergehende, die sie zum Stillstand bringen, die sie stoppen sollten, sei es auf eine zukünftige Zeit, die sie i n Bewegung bringen, die sie i n kürzerer oder längerer Zeit erreichen sollten, i n einer Übergangszeit. Das alliierte Gesetz vom 21. Juni 1948 stoppte den Verfall der deutschen Währung, des bis dahin Währenden, das verging. M i t der Anpassung der Reichsmark an die D - M a r k war seine Rechtswirkung erledigt, es erfüllte sich m i t seinem Erlaß und fand m i t seiner Erfüllung ein Ende. Das Buch der bürgerlichen Gesetze dagegen wurde am 1. Januar 1900 feierlich i n K r a f t gesetzt; es verkündete ein vergangenes Jahrhundert und sollte für ein kommendes gelten. M i t dem Währungsschnitt von 1948 war das Geldgesetz als sogenanntes Stichtaggesetz zwar i n seinen rechtlichen, nicht aber i n seinen sozialen Folgen zu Ende. Sie forderten i m Namen einer neuen Gleichheit Hilfe, sofortige Hilfe, die das Soforthilfegesetz gab als vorläufige Regelung, als Vorwegnahme des Lastenausgleichs, dessen gesetzliche Regelung auch keine Dauer hatte, sondern m i t seiner Durchführung zu Ende ging. Das bizonale Bewirtschaftungsgesetz, das m i t der Währungsanpassung i n K r a f t trat, wurde auf sechs Monate befristet, wiederholt verlängert und trat nach vier Jahren, 1951, außer Kraft, kurz bevor das Investitionshilfegesetz i n Kraft gesetzt war, das nach Erledigung durch ein sogenanntes Abschlußgesetz wieder außer Kraft gesetzt wurde. Doch gibt es auch Zeitgesetze, wie das zur Subvention von Düngemitteln, die zunächst befristet, dann mehrmals verlängert, schließlich unbefristet i n Kraft bleiben. Damit ist eine zeitliche Zwischenordnung, die alte Wirtschaftsformen abbauen und neue einführen soll, i n eine neue, endgültige Dauerordnung umgeschlagen, i n der die Maßnahme nicht mehr die Regel, sondern nurmehr die Ausnahme ist, wie bei dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das 1957 nach dem Aufbau der Marktwirtschaft als Dauergesetz erlassen wurde und damals auch erst erlassen werden konnte. Als Regel gilt die Maßnahme besonders i n den Marktordnungen der Landwirtschaft, die sich seit ihren befristeten Anfängen i n der Weltwirtschaftskrise zu einer dauerhaften Neuordnung eines ganzen 88

a. a. O., S. 315, 414.

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Wirtschaftszweiges entwickelt haben 54 . Sie gelten, wie der Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches i n ähnlichem Zusammenhang formulierte, „für eine unbestimmte Zeit von voraussichtlich längerer Dauer" 55 . Sie w i r d w o h l erst zu Ende gehen, wenn die Landwirtschaft insgesamt zu einem Gewerbe geworden ist, wie bei der Ochsenzucht, die heute zunehmend i m zweiten Stock von Masthäusern zusammen m i t Futtermittelfabriken betrieben w i r d und die Eyermann-Fröhler deshalb auch nach Gewerberecht behandeln 56 . Dieser Verwandlungsprozeß des staatlichen Gesetzes i n und durch die Zeit findet sich m i t konvergierender Entsprechung auch i m zwischenstaatlichen Bereich. Doch ist hier ein time lag, ein zeitliches Nachhinken zu bemerken, ein cultural lag, wie der Entwicklungstheoretiker Ogburn sagen würde 5 7 . Indes ist der Fortschritt i m Begriff, die zivilisatorische Verspätung einzuholen. Die Rechtsordnung der liberalen Weltwirtschaft, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts Handels- und Niederlassungsfreiheit i n synchronisierten Vertragssystemen als dauernd gültig zu sichern schien, eine Geltung, die wegen der Pro-futuro-Klausel nicht zurück, sondern nur i n die Zukunft wirken konnte 58 , hat sich i n den nachfolgenden Kriegs- und Krisenzeiten tiefgreifend verändert. Der auf kurze Zeit befristete und darüber hinaus kurzfristig kündbare Handelsvertrag wurde zum beherrschenden Typ der Zeit 5 9 zusammen m i t den meist nur auf 12 Monate geschlossenen Kontingentsabkommen, die kraft einer Ausweich- oder Katastrophenklausel jederzeit kurzfristig lösbar waren 6 0 , so daß der Staat seiner passiv werdenden Handelsbilanz oder einem einfuhrbedrohten Wirtschaftszweig Soforthilfe leisten konnte. Das Unbeständige, das Provisorische dieses zweiseitigen W i r t schaftsrechts findet sich auch i m organisierten Gemeinschaftsrecht der Staaten vom G A T T bis zu den Sechser-Gemeinschaften 61. Alle kennen 54 Vgl. Schiller, Marktregulierung u n d M a r k t o r d n u n g i n der Weltagrarwirtschaft, 1940. Neuerdings OEEC (Hrsg.), A g r a r p o l i t i k i n Europa u n d N o r d amerika, 2. Aufl. 1958. 55 U r t e i l v o m 5.12.1931, RGZ Bd. 134, Anhang S. 24 u n d 43 f. 56 Vgl. Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, bearb. v o n den Genannten, 12. Aufl. 1963, Einl. 93. 57 Ogburn, Social Change, 1922. 58 Oppenheim, L a clause de la nation l a plus favorisée, 1948, S. 70 f . 59 Übersicht über die Europäischen Handelsverträge, 1927, hrsg. v o m österreichischen Nationalkomitee der Internationalen Handelskammer. 60 Gentzcke, Ausweich- u n d Katastrophenklauseln i m internationalen Wirtschaftsrecht, 1959. 61 Kennzeichnend ist schon die „vorläufige Anwendung" des G A T T (nach dem Protokoll v o m 30. 10. 1947), die bald ins 20. Jahr geht u n d immer noch nach A r t . 31 m i t 6monatiger Frist gekündigt werden k a n n — ein permanent werdender modus vivendi. Über handelsvertragliche Vorläufer solcher A r t aus den 90er Jahren vgl. Nolde, D r o i t et Technique des Traités de Commerce, Recueil des Cours, Bd. 3 (1924 I I I ) , S. 33.

3 Speyer 22

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m i t unterschiedlicher Zeitbindung einen Zoll- und Kontingentsstopp, das ist die sogenannte Konsolidierung, der zweite Schritt zur Liberalisierung 02 . Doch kann der Stopp aufgehoben werden, was Dekonsolidierung oder Entliberalisierung heißt 63 , die dann als Reliberalisierung zu einem erneuten Stopp von kürzerer oder längerer Dauer führen kann 6 4 . Besonders i n der OEEC war die von Röpke verspottete Liberalisierungsschaukel nicht nur räumlich und fachlich, sondern auch zeitlich i n Bewegung. Die ganze OEEC schaukelte temporal, bis sie 1952 die Kontingentswirtschaft ihrer Mitglieder zum Stillstand gebracht und sich damit zur zweiten Stufe einer europäischen Marktwirtschaft buchstäblich hinaufgeschaukelt hatte 65 . EFTA und besonders EWG setzen diesen Prozeß i n allen Sektoren fort. Sie stoppen die vergangene Zeit, denn sie erlauben Entliberalisierungen, d. h. Rückläufigkeiten, nur noch ausnahmsweise und das auch nur für begrenzte Zeit 6 6 . Statt dessen wenden sie sich planmäßig der kommenden Zeit zu, indem sie die Zukunft schritt- und stufenweise, i n laufenden Schritten und vierjährigen Stufen vorwegnehmen 67 . Doch bleibt trotz aller zeitlichen Festlegung nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft beweglich. Sie kann verkürzt oder verlängert werden. Das erste geschieht durch Beschleunigungsbeschlüsse und ihre Verkündung, von denen es i n der EWG schon mehrere gibt 6 8 ; das zweite dagegen, das Verlängern der Zukunft, durch Nachhinken und Verschweigung 69 . Uberhaupt ist das Verschweigen, das Diskrete, ein Spezifikum des industriellen Systems und seiner Gesellschaft. Die zeitliche Dauer, das Bewußtsein des Stetigen und Beständigen erwächst daraus, daß das unmittelbare Zeiterleben i n Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gegliedert ist, i n Tagen, Monaten und Jahren gleichmäßig nach dem Kalender vergeht. Die 62 A r t . 3, 11 G A T T ; A r t . 11 OEEC-Liberalisierungskodex; A r t . 3, 8, 11 E F T A ; A r t . 12, 31 EWG. 63 A r t . 12, 28 G A T T ; A r t . 3 Buchst, c OEEC-Kodex; A r t . 19 Abs. 1 E F T A . 64 A r t . 3 Buchst, d OEEC-Kodex. 65 Vgl. die chronologische Liste der i m Kodex zusammengefaßten, stufenweisen Liberalisierungsbeschlüsse. Die entsprechende Bedeutung des Jahres 1952 i m Wirtschaftsrecht der Bundesrepublik zeigt sich unter anderem an dem damaligen Umschlag i m Verhältnis von Maßnahmegesetzen u n d Rechtsgesetzen. Vgl. die statistische Übersicht von K . Huber, Maßnahmegesetz u n d Rechtsgesetz, 1963, S. 128, A n m . 6. 66 A r t . 19 Abs. 3 E F T A ; A r t . 226 EWG. 67 A r t . 3,10 E F T A ; A r t . 8,14 Abs. 2, 33 usw. EWG. 68 ζ. B. Beschluß v o m 12. 5. 1960 über die „beschleunigte Verwirklichung der Vertragsziele" (ABl. 1960, S. 1217) u n d Beschluß v o m 15. 5. 1962 über die „zusätzliche Beschleunigung der V e r w i r k l i c h u n g der Vertragsziele", A B l . 1962, S. 1284. Vgl. dazu den 3. Gesamtbericht der EWG-Kommission, 1960, S. 29 ff. u n d Lindberg, The Political Dynamics of European Economic I n t e gration, 1963, S. 167 if. 69 Vgl. ζ. B. den nicht eingehaltenen „Zeitplan" des Programms f ü r die Niederlassungsfreiheit, Abschnitt I V , A B l . 1962, S. 38.

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geplante Zeit dagegen hat aus der dreigliedrigen Zeitmodifikation das mittlere Glied, die Gegenwart, herausgenommen. I n einem Zeitplan gibt es nur noch ein Früher: Später, eine frühere oder spätere Zukunft. Das Jetzt, die Gegenwart und erst recht die Vergangenheit, w i r d dem Diskreten, dem Verschwiegenen überliefert. „Eigentlich existiert ja Gegenwart nur dadurch, daß Vergangenheit i n Zukunft existiert, Gegenwart ist die Form der unnotwendigen Vergangenheit und der unwirklichen Zukunft", heißt es bei einem marxistischen Radikalen, womit das für jeden Radikalen kennzeichnende virtuelle Präsentsein der Zukunft i n der Gegenwart klar ausgesprochen ist 7 0 . Weniger psychologisch und stärker logisch gewendet — eine Konsequenz, die i m Blick auf die heutige Rechtswirklichkeit auch i n der westlichen Welt unvermeidbar ist — bedeutet das: Die Gegenwart w i r d i m industriellen System durch die Zukunft vermittelt, insofern sie sie als Fortschritt voraussetzt. Dadurch w i r d die Gegenwart i n der geplanten Zeit voraussetzungsreicher, d. h. sekundär. Die Zukunft ist weniger Konsequenz als Agens der Gegenwart. Weil die Zukunft die Gegenwart verschweigt, macht diese ihr „ungeheures Recht", wie schon Hegel es nannte, u m so heftiger geltend. Sie versucht, die Zukunft heranzuziehen, d. h. die Zeit zu raffen oder anders gewendet, den Plan beschleunigt zu erfüllen. Bei so viel Zukunft hat es m i t den Zielen kein Ende; denn sie sind ja gerade die Zukunft. Beseitigung der Zölle, Schaffung eines gemeinsamen Zolltarifs, Freiheit von Kartellen und Monopolmißbrauch, Freizügigkeit der Arbeitskräfte, Niederlassungsfreiheit, freier Kapitalverkehr und schließlich eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, die die Ordnungspolitik, die Regional- und Strukturpolitik und die Konjunkt u r · und Wachstumspolitik umfaßt. I n dem Voranschreiten auf diese zeitlichen Ziele, bei der Entwicklung i n der Zeit heben sich Perioden ab. Sie sind ein Zeichen für den Versuch, die früheren Auf-, Ab- und Wiederaufschwünge der Wirtschaft kraft liberaler Gesetzlichkeit i n normierten Zeitphasen kraft freiheitlich-sozialer Gestaltung aufzuheben. Dieser Wandel zeigte sich schon i n den 20er Jahren, als die rechtliche Konzernierung der Schwerindustrie zur Verbundwirtschaft und ihre Durchkartellierung die alten Juglarzyklen nicht mehr durch technische Verbesserungen, sondern durch privatrechtlich-organisatorische Neuerungen ausbildete 71 , ein Vorgang, der sich m i t mittelfristigen Notprogrammen der ersten Nachkriegs- und Inflationszeit über die fünf70 Die Stelle stammt aus einer Schrift des Kommunisten Revai, die M a n n heim, Ideologie u n d Utopie, 1929, S. 231 A n m . „beinahe wie eine exakte mathematische Bestätigung" seiner Theorie über das sozial u n d politisch differenzierte Erleben der historischen Zeit ansieht. Vgl. dazu Schoeck, Die Zeitlichkeit bei K a r l Mannheim, A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphüosophie, Bd. 37 (1949/ 1950), S. 371 ff., 374. 71 Schumpeter, a. a. Ο., Bd. 2, S. 781 ff.



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jährigen Dawes- und Young-Pläne fortsetzte. I n der zweiten Nachkriegszeit zeigt sich diese Tendenz i n dem europäischen Hilfsprogramm der USA, dem Marshallplan, der i n einer ersten Fünf jahresperiode von 1948 bis 1952 als OEEC die westdeutschen und europäischen Wirtschaften zu marktwirtschaftlichen Formen zurückgeführt hat und als ERP-Sondervermögen auch ihre weitere Entwicklung i n jährlichen Wirtschaftsplänen durch regionale und sektorale Hilfe fördert 72 . I n zeitlich klar normierten Perioden entwickeln sich dann die drei Europäischen W i r t schaftsgemeinschaften. Die marktwirtschaftlich ausgerichtete Montanunion, wohl nicht zufällig 1952 gegründet, hat nach einer Ubergangszeit von fünf Jahren 1958 ihren Gemeinsamen Markt aufgebaut, i m selben Jahr, i n dem die EWG eine zwölf- bis fünfzehnjährige Ubergangszeit „anlaufen" ließ, wie sich die Verträge m i t zeitgerechter Dominanz technischer Kategorien ausdrücken. Die Ubergangszeit soll i n drei Stufen von je vier Jahren, die die Franzosen i n romanisch verfremdender Eleganz Rythmen nennen, zu Ende gehen. Doch ist es damit nicht zu Ende. Der m i t chiliastischem Unterton sogenannte „Endzustand" ist ein Zustand ohne Ende 73 . U m ein gesteuertes und damit sicheres Voranschreiten i n der Zeit zu ermöglichen, hat die moderne Wirtschaftsverwaltung sowohl i m staatlichen wie i m überstaatlichen Bereich ein ganzes Instrumentarium zeitlicher Verwaltungsmittel ausgebildet, die über die vornormierten Zeitstufen, Zeitfolgen, Zeitpläne, Programme usw. weit hinausreichen, nämlich bis zu kurzfristigen und langfristigen Verwaltungsmitteln durchaus neuer Art. Monatliche Konjunkturbefragungen 7 4 , vierteljährliche Konjunkturberichte, jährliche Wirtschaftsbudgets und Gesamtvorausschätzungen — alles M i t t e l kurzfristiger A r t , zu denen deshalb wohl auch die Maßhalteappelle gerechnet werden müssen. Als Mittel „längerfristiger Vorausschau", wie das EWG-Aktionsprogramm von 1962 sagt, sind eine „Europäische Programmierung" vorgesehen, m i t mehrjähriger Vorausschätzung der Budgets, des privaten Investitionsvolumens und der „mutmaßlichen, wünschenswerten oder akzeptablen Verteilung des Bruttosozialprodukts zwischen den großen Wirtschaftsbereichen" 75 usw. Bei dieser Programmierung des Prinzips Hoffnung scheint das Pariser Planungsministerium mehr Pate gestanden zu haben als das Bonner Wirtschafts72

Vgl. zuletzt ERP-Wirtschaftsplangesetz 1963, B G B l . I, S. 1002 ff. Dem A u f b a u der Gemeinschaften folgt i h r „Ausbau", w i e es bei der aufgebauten Montanunion heißt. Vgl. die chronologische Übersicht über die Entwicklung der EGKS, B u l l e t i n Bd. 9 (1964), S. 31 ff. 74 Vgl. EWG-Kommission, Grundsätze u n d Methoden der gemeinsamen Konjunkturbefragung bei den Unternehmern i n der Gemeinschaft, 1963. 75 Memorandum der Kommission über das Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die zweite Stufe v o m 24.10.1962, S. 64. 73

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ministerium 7 6 . Zu den zeitlichen Mitteln, wenn auch nicht nur zu diesen, gehören schließlich i n einer spezifischen Weise die Gutachten wissenschaftlicher Beiräte bei den sozialökonomischen Ministerien, vor allem auch die Tätigkeit des vor kurzem beim Bundeswirtschaftsministerium eingesetzten Sachverständigenrats zur periodischen Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der sich für eine mittelfristige Vorausschau ausgesprochen hat 7 7 oder, wie die Raumplaner sagen, für die „mittlere Zukunft 7 8 ". Die sekundär-rechtliche Essenz der zeitlichen Verwaltungsmittel besteht darin, daß sie die Wirtschaft nicht i n der Zeit verwalten, sondern durch die Zeit. Die Verwaltung ist nicht mehr nur M i t t e l i n der Zeit, die Zeit selbst w i r d M i t t e l der Verwaltung. Bis zur Jahrhundertwende verwaltete der Staat als Dauerndes die sich selbst entwickelnde Gesellschaft. Heute bringt er sie i n und durch die Zeit voran und umgekehrt auch sie ihn. Das bloße Verwalten w i r d zum Verwaltungshandeln, eine sprachliche Aktivierung und Aktualisierung des Begriffs, die Otto Mayer noch nicht nötig hatte, obwohl er natürlich wußte, freilich weniger als Lorenz von Stein, daß auch liberales Verwalten kein Untätigsein bedeutet. „The legal system ceases to be a social adjustment and becomes a process by which social adjustment is secured 79 ." Sehr typisch zeigt sich deshalb die ratio temporis bei der Revision des Rechts, der wiederkehrenden Überprüfung seiner Geltung. Das Recht der vorindustriellen Epoche, das alte Recht, kannte den modernen Begriff der Revision nicht. Es paßte sich an die langsame Veränderung der Umstände an; man gewöhnte sich an die neuen Umstände, es w a r Gewohnheitsrecht 80 . Das schneller werdende 19. Jahrhundert änderte den 76 Hirsch, Die französischen Planungsmethoden u n d ihre Ausdehnung auf den Gemeinsamen M a r k t , 1962. Neuestens Schneider, Planification als normatives Informationssystem und als Koordinationsprinzip, i n Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 120 (1964), S. 329 ff. 77 Gesetz v o m 14. 8. 1963, BGB1. I, S. 685. Tages-Nachrichten des Bundesministers f ü r Wirtschaft v o m 22. 1. 1964: „Wirtschaftliche Vorausschau auf mittlere Sicht". Vgl. neuestens auch den EWG-Ratsbeschluß v o m 15. 4. 1964 über die Einsetzung eines Ausschusses f ü r mittelfristige Wirtschaftspolitik, A B l . 1964, S. 1031 ff. Über die Aufgabe des Sachverständigenrats Schlecht, i n : Recht der Arbeit, Bd. 16 (1963), S. 447 ff. u n d allgemein Dagtoglou, Der Private i n der V e r w a l t u n g als Fachmann u n d Interessenvertreter, 1963. 78 K ü h n , Die „mittlere Z u k u n f t " i n der Raumforschung, i n : Akademie f ü r Raumforschung (Hrsg.), Raumforschung, 1960, S. 149 ff. 79 Cahill, Judicial legislation, 1951, S. 151, zit. nach Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 68. Auch die amerikanische Soziologie, besonders der von M a x Weber kommende Parsons, betont die Bedeutung einer Theorie des sozialen Wandels, vgl. Dahrendorf, Die angewandte Aufklärung, 1963, S. 132 ff. (Vom Sozialdarwinismus zum Funktionalismus). 80 Dem entsprach der Satz: p r i o r tempore potior iure, das „gute alte Recht" brach das jüngere, während das moderne Gesetzesrecht v o n dem G r u n d satz: lex posterior derogat legi p r i o r i beherrscht w i r d . Vgl. Kern, Recht u n d

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Begriff. Verfassungs- und Vertragsrevisionen, Gesetzesnovellen und -reformen veränderten i n zumeist unregelmäßigen Zeitabständen das Recht. Sie paßten es kraft offener oder verdeckter clausula rebus sie stantibus den sich schneller verändernden Umständen an. Heute nun verändern nicht die inzwischen zu langsam gewordenen Umstände das Recht, heute verändert die noch schneller gewordene Zeit die Umstände und damit auch ihr Recht. Denn das Zeitgesetz oder der vertragliche Zeitplan richtet sich nicht nach der Veränderung der sozialökonomischen Wirklichkeit i n der Zeit; die Wirklichkeit hat sich vielmehr dem Zeitplan anzupassen, womit sich die clausula rebus sie stantibus i n eine clausula rebus sie progredientibus verwandelt. Aus dem Vorbehalt der bestehenbleibenden Umstände w i r d der Vorbehalt der planmäßig fortgeschrittenen Umstände, der Vorbehalt also, daß sie während der Kalenderzeit durch die Planzeit geändert worden sind. I n diesem Sinne behält A r t . 8 EWG den Übergang von einer vierjährigen Zeitstufe zur anderen der Feststellung vor, daß die für die frühere Stufe geplanten Ziele auch tatsächlich erreicht worden sind, was Anfang 1962 für die erste Stufe festgestellt worden ist 8 1 . Dieser Prozeß zeitlicher Revision und Anpassung ist i n Staat und Staatengemeinschaft dauernd i m Gange. So kennt auch das Bundesrecht eine Feststellung des noch geltenden, genauer gesagt des weiter geltenden Rechts, das in einem neuen, I I I . Teil des Bundesgesetzblattes nach Sachgebieten geordnet zu veröffentlichen ist, eine sogenannte Sammlung, die eine sektorale und temporale Flurbereinigung darstellt 82 . Doch ist es m i t dieser Sammlung nicht zu Ende. Die Zerstreuung i n und durch die Zeit geht weiter. Denn der Justizminister kann die Sammlung durch Übersichten über die späteren Änderungen ergänzen, das sind die jetzt zum 12. M a l erschienenen „Fortschreibungen" des Bundesrechts 88 , ähnlich wie es für das Europarecht eine solche Fortschreibung i n Form vorläufig noch halbamtlicher, aber laufend veröffentlichter Fundstellennachweise i m Bundesanzeiger gibt 8 4 . Während die Sammlung durch ein Abschlußgesetz beendet werden soll, ist dies für die Ergänzungen ausdrücklich nicht vorgesehen; sie werden fortgeschrieben, sie sind ein Abschluß ohne Ende. Von dieser Veränderung durch die Zeit sind lediglich die freiheitlichsozialen Grundsätze der Europäischen Organisationen ausgenommen, Verfassung i m Mittelalter, Historische Zeitschrift, Bd. 120 (1919), 1 fï., S. 24: „Rechtserneuerung ist Wiederherstellung guten alten Rechts". 81 Ratsbeschluß v o m 14. 1. 1962 betr. den Übergang zur zweiten Stufe der Übergangszeit, A B l . 1962, S. 164; BGBl. 1962 I I , S. 124. 82 Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts v o m 10. 7. 1958, BGBl. 1958 I, S. 437. 85 Beilage zum Bundesgesetzblatt, T e i l I , Nr. 30 v o m 22. 6.1963. 84 Vgl. oben A n m . 42.

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doch bleiben sie m i t der gewöhnlichen clausula, wie die gegenwärtigen Revisionspläne der Montanunion zeigen, in der Zeit, in einer „unbegrenzten Zeit", wie die neuen Verträge sagen; sie haben nicht die ewige Dauer der alten Friedensverträge, die die territorialen Grenzen festlegten, sie sind von funktionaler, von sekundärer Ewigkeit 8 5 . Selbst von dieser aber hat das westdeutsche Grundgesetz seine wichtigsten Prinzipien i n Art. 79 Abs. I I I ausgenommen, indem es sie für unabänderlich erklärte. Es hat damit die Zeitmauer, freilich nicht nur diese, erreicht. Es ist die Mauer einer Zeit, die die Zukunft immer schneller zu raffen versucht und damit die Gegenwart unter Druck setzt. Neben die Raumdichte, den Raumdruck t r i t t so die Zeitdichte, der Zeitdruck. Es gibt heute keine nationale oder übernationale Wirtschaftsadministration, die die angina temporis nicht kennt. Der zeitliche Druck, die Bedrängtheit durch die neue Zeit, treibt m i t dialektischer Notwendigkeit das Handeln gegen die alte Zeit aus sich hervor. Das ist das letzte Aktionsprogramm der EWG, eine action européenne, womit die „motorisierte Gesetzgebung" der 30er Jahre zu einer „dreistufigen Rakete" wird, wie der EWG-Präsident mit zeitgemäßem Sinn für das Neue dieser Tätigkeit sagt 88 . Der zeitliche Prozeß, die temporale Integration, ist gleichzeitig eine räumlich-fachliche: denn der regionale und sektorale Auf- und Ausbau der europäischen Wirtschaftsorganisationen schreitet i n und durch die Zeit voran. Der neue Raum w i r d damit relativ zur Zeit, die rechtliche Zeit wird, wie in der um die Jahrhundertwende entdeckten Relativitätstheorie, zur vierten Dimension des Raumes. „Raum- oder Zeitangaben für sich haben keinen Sinn mehr, sondern nur noch die Vereinigung beider 87 ." Die Insel Utopia, deren Verfassung Thomas Moore vor 400 Jahren „ i n einem wahrhaft goldenen Büchlein" beschrieb, als der moderne Staat zu entstehen begann, lag nicht nur als einsames Stück der Erde i m weiten Meer, sie lag auch i n weiter Ferne. Heute nähert sich nicht nur das Ortlose, sondern auch das Zeitlose; dem neuen Nomos des Raumes verbindet sich ein neuer Topos der Zeit 8 8 . Dabei w i r d so85 F ü r den primären, d. h. territorial bezogenen Zeitbegriff fängt die Dauer bei 100 Jahren an. Was bis dahin gilt, ist vorübergehend; völkerrechtliche Pachtverträge u n d privatrechtliche Erbbauverträge werden deshalb auf 99 Jahre abgeschlossen. F ü r den „supraterritorialen", den überirdischen Zeitbegriff gibt es keine Veränderung der Umstände; auf Konkordate, so w i r d g e l e h r t findet die clausula rebus sie stantibus keine Anwpndung. Wagnon, Concordats et droit international, Thèse L o u v a i n 1935, S. 289 ff. 8β 1963 — Jahr der Bewährung. Vortrag des Präsidenten der Kommission der E W G Hallstein auf der Jahresversammlung des Bundes deutscher Zeitungsverleger v o m 4. 7.1963, hektographischer Abdruck, S. 3. 87 Carnap, Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes v o n denen der Zeit, Kant-Studien, Bd. 30 (1925), S. 331 ff., S. 332. 88 Vgl. Mannheim, Ideologie u n d Utopie, 1929, bes. S. 169 ff. m i t Hinweis (S. 183) auf Dören, Wunschräume u n d Wunschzeiten, 1927.

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wohl der Raum verzeitlicht wie auch die Zeit verräumlicht. Die neue Zeit w i r d zu einem Element, i n dem man sich wie i m Räume bewegt und die gleichen Gegenstände aus verschiedenen Winkeln und Abständen betrachtet. Dies w i r d sehr deutlich i n der modernen Kunst, vor allem, wenn sie sich technischer M i t t e l bedient, wie der Film, der mit seinen Raffungen, Zeitlupen, Schnitten und Überblendungen die raumzeitliche Verschränkung zum Zeit-Stil macht 89 . Die geplante und berechnete Gleichzeitigkeit, „die Gesamtheit von Maßnahmen, die zusammen eingeleitet und durchgeführt werden müssen", wie A r t . 8 EWG die Raumund Zeitstufe i m Europarecht definiert, transzendiert das bisherige Ubergangsrecht, die zwischenzeitliche Ordnung, die als Rechtsanwendungsrecht das Nacheinander zweier Gesetze zu regeln hat. Dem alten Ubergangsrecht, das u m 1900 als intertemporales Recht seine systematisch abschließende Gestalt erhielt 9 0 , überlagert sich ein neues, schrittund stufenweises Übergangs- und Ausbaurecht; dem intertemporalen Recht verbindet sich ein supratemporales 91 , das Rechtsanwendungsrecht verwandelt sich i n ein Rechtsänderungs- oder Reditsgestaltungsrecht 91 \ Doch ist auch gegenüber der neuen Zeit seit der Jahrhundertwende ein gegenläufiger Unterstrom spürbar. Die industrielle Gesellschaft ist m i t Proust auf der „Suche nach der verlorenen Zeit", der konkreten, d. h. erlebten und gelebten Zeit, der wahren Dauer i m Unterschied zur abstrakten, bloß gedachten und geplanten Zeit, deren Momente sich nicht innerlich durchdringen, sondern äußerlich aneinandergereiht 89 Vgl. Hauser, Der Begriff der Zeit i n der neueren K u n s t u n d Wissenschaft, Merkur, Bd. 9 (1955), S. 801 ff. u n d Gehlen, Zeit-Bilder, 1960. Vgl. auch Lukâcs, Die Theorie des Romans, 2. Aufl. 1963, der die neue F u n k t i o n der Zeit i n Joyce's Ulysses u n d Th. Manns Zauberberg vorweg begründet hat. 90

Affolter, Das intertemporale Recht, 2 Bde. 1901. F ü r dieses müßte der Begriff der Zeitgestalt dogmatisch fruchtbar gemacht werden, den Engisch, Das W e l t b i l d des Juristen, 1950, S. 72, 101 erwähnt, w e n n auch n u r beiläufig i n Hinsicht auf die rhythmische Wiederkehr, etwa beim Rückfalldelikt oder dem Abzahlungsgeschäft. Diese Beiläufigkeit erklärt sich daraus, daß Engisch „die Zeit i m Recht" als rechtslogisches Problem untersucht u n d die Frage nach dem Sein des Rechts i n der Zeit u n d der Zeitlichkeit des Rechts als rechtsontologisches Problem beiseite läßt. Doch ist spätestens m i t dem Europarecht das ontologische Problem zu einem logischen geworden, nämlich zu der Frage, welchen spezifischen Rechtsinhalt die zeitlichen Begriffe: Vertragsstufe, Zeitplan, Programm usw. haben. Die ökonomische Theorie ist i n der Erforschung der Zeit als eines bestimmenden Elements wirtschaftlicher Vorgänge wesentlich weiter. Vgl. Norro, L e rôle du temps dans l'intégration économique, 1962 u n d das umfangreiche Schrifttum zur K o n j u n k t u r - u n d Wachstumslehre. 91

91a

Dieser Vorgang i m objektiven Recht hat zeitlich u n d sachlich gewisse Ähnlichkeit m i t der dogmatischen E n t w i c k l u n g der „Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts" aus dem subjektiven Privatrecht als „Herrschaftsrecht" (Zustandsrecht) durch Seckel — nach dem Vorgange von Zitelmann (1898) — i n seinem gleichnamigen Vortrag vor der Berliner Juristischen Gesellschaft, 1903; Neudruck 1954.

Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht

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sind, wie Bergson sagt 92 . Es ist der Versuch des i n seinem Fortschritt widersprüchlichen Menschen und seines Staates, sich nicht nur i m Raum, sondern auch i n der Zeit als Dauerndes, als Person zu behaupten. Das erfordert, wie die Geschichte unserer Zeit als Zeitgeschichte lehrt, immer größere innere Kraft. Kernzonen der Stille mag man einrichten können, Kernzonen der Ruhe sind schwerer zu schaffen. Auch i n den neuen Zonen der Stille werden die „gläsernen Bienen" weitersummen, bis die Zeit zur Ruhe kommt, bis sie still steht und das heißt wohl, gestillt wird 9 3 . Damit sind w i r am Schluß. Das industrielle System selbst i n seiner Verbindung mit dem Primärsystem, auf dem es aufruht, versucht gegenüber seiner eigenen Triebkraft als Funktion die Person zu sichern. I n seiner rechtlichen Verfassung schützt es nicht nur wie die liberalen Konstitutionen des 19. Jahrhunderts politisch-persönliche Freiheitsrechte; es hat auch i m sozialökonomischen Bereich über den Schutz des Eigentums hinaus personale Grundrechte ausgebildet. Neben die überkommene Gewissens-, Rede- und Versammlungsfreiheit treten heute Berufs- und Gewerbefreiheit, Wettbewerbs-, Koalitions- und Vertragsfreiheit m i t unmittelbarer Geltung für Gesetzgebung und Verwaltung. Wie wenig leer diese Grundrechte laufen, zeigt gerade das Anschwellen der Wirtschaftsrechtsprechung, nunmehr auch i m überstaatlichen Bereich, indem sich durch den Liberalisierungsprozeß gleichartige Grundrechte sozialökonomischer A r t herausgebildet haben und weiter herausbilden. Die unmittelbare Geltung freiheitlich-sozialer Verfassungsprinzipien ist die Folge einer über fünfzigjährigen Intervention von Staat und Staatengemeinschaft i n die Wirtschaft, die sich dadurch selbst zu „ W i r t schaftsstaaten" und „Wirtschaftsgemeinschaften" verwandelt haben. Denn spätestens seit der Weltwirtschaftskrise sind die Interventionen nicht mehr ausnahmsweise Eingriffe i n einen unabhängigen Marktautomatismus, sondern M i t t e l einer dauernden Steuerung der Wirtschaft durch Gesetzgebung und Verwaltung. Seit Keynes wissen wir, daß sich 02 Bergson, Zeit u n d Freiheit, 1910 (Übersetzung der données immédiates, vgl. oben Anm. 22), S. 152 ff., 178 ff. 93 Über den Zwiespalt des Menschen i m Bewußtsein seines Fortschritts als schöpferischer Selbstzerstörung vgl. statt vieler J. Ritter, Die Große Stadt, i n : Erkenntnis u n d Verantwortung, Festschrift f ü r Theodor L i t t , 1960, S. 183 ff. u n d Heidegger, Gelassenheit, 2. Aufl. 1960. Vgl. auch Viereck, The Unadjusted M a n : A New Hero for Americans. Reflections on the Distinction Between Conforming and Conserving, 1962 u n d G. Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, 2. Aufl. 1956, S. 213 ff.: Sein ohne Zeit. Z u Becketts Stück „ E n attendant Godot", dessen Helden über den „ L a n d vermesser" Kafkas, der noch i n sein „Schloß" hineinzugelangen suchte, bereits hinaus sind.

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die moderne Industriegesellschaft als freiheitlich-soziale Ordnung nur durch eine Gesamtwirtschaftspolitik bewahren läßt, zu der sich Ordnungspolitik und Prozeßpolitik verbinden. Sie steuert die Wirtschaft i m Sinne eines Gleichgewichts von Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ausgeglichener Zahlungsbilanz 94 . Das ist das sogenannte Magische Dreieck — die Magie des Fortschritts, die zur funktionellen Dichte staatlichen und überstaatlichen Handelns führt, zur Funktionsdichte des sekundären Systems. Zwar steht die Integration i m übernationalen Bereich erst i n den Anfängen; am weitesten ist sie m i t unmittelbarer Rechtsetzung gegenüber dem einzelnen i m Montan-, Atom-, Landwirtschafts- und Kartellrecht fortgeschritten. Doch ist die A k t i o n und damit auch die Progression i m Gange. Man w i r d ihr nur dann zustimmen, d. h. recht geben können, wenn man sie i m Recht hält. Das ist Sache der Verfassungsprinzipien und zwar der Prinzipien der gesamten Verfassung, nicht nur der Wirtschaftsverfassung, freilich einer Gesamtverfassung, die anders strukturiert ist, als die des liberal-konstitutionellen Staates. Gerade w e i l das industrielle System räumlich, fachlich und zeitlich in Funktion ist, muß die Person, sowohl der einzelne Mensch als auch der überkommene Staat, i n ihrem rechtlichen Sinn erkannt werden, als Rechtsperson, als Person i m Recht. Denn vor der immer größeren Funktionalität der modernen Staaten und Staatengemeinschaften ist das Recht, wenn nicht die einzige, so doch eine der wirksamsten Garantien für die Personalität des Menschen.

94 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat b e i m Bundeswirtschaftsministerium, Bd. 4 (1957), S. 34 ff., 35 (Gutachten von 1956 über Instrumente der K o n j u n k t u r p o l i t i k u n d ihre rechtliche Instrumentalisierung); A r t . 43 OEEC-Kodex; A r t . 104 EWG.

Wirtschaftspolitische Grundsatzfragen des Bundes Von Otto Schlecht

Zum Ausgangspunkt meines Referats möchte ich die Frage machen, was Soziale Marktwirtschaft heißt und welche wirtschaftspolitischen Aufgaben in diesem Ordnungssystem zu erfüllen sind. Ich brauche Ihnen nicht besonders zu sagen, daß Soziale Marktwirtschaft das Gegenteil dessen ist, was man zentrale Verwaltungs- oder Planwirtschaft nennt. Soziale Marktwirtschaft heißt aber auch nicht staatsfreie Wirtschaft und Wirtschaftspolitik des laissez faire. Diese A r t Wirtschaftsordnung beruhte ebenfalls auf dem System freier Preise und dem Privateigentum, ließ es aber bei diesen beiden Bauelementen einer freien Wirtschaft bewenden i n der Hoffnung, daß sich das wirtschaftliche Geschehen von selbst i n Harmonie bewege, wenn nur der Staat seine Finger aus der Wirtschaft ließe. Dies war, wie die geschichtliche Erfahrung zeigte, ein verhängnisvoller Irrtum. Die Doktrin des laissez faire zeigte i m Laufe der Zeit fundamentale Mängel. Einmal förderte sie auf weiten Gebieten die Neigung zur Ausschaltung des Wettbewerbs und zu seiner Entartung i n Behinderungs- und Schädigungswettbewerb. Zum anderen gelang es i m herkömmlichen Kapitalismus nicht, eine stetige und stabile W i r t schaftsentwicklung zu erhalten, er führte vielmehr zu einem ständigen Wechselspiel von Hochkonjunktur und Wirtschaftskrisen, das immer wieder schwere wirtschaftliche soziale und politische Störungen hervorrief. Die Reaktion auf diese schweren Mängel einer total freien W i r t schaft waren zunächst entweder Kommunismus oder Sozialismus m i t mehr oder weniger zentraler Planung der Wirtschaft oder aber eine Wirtschaftspolitik des zusammenhanglosen Interventionismus, die ohne ordnungspolitische Grundkonzeption überall da eingriff, wo gerade w i r t schaftliche und soziale Schäden entstanden. Demgegenüber beruht die Soziale Marktwirtschaft zwar ebenfalls auf dem System freier Preise und Märkte und den Rechtsinstituten der Vertragsfreiheit und des Privateigentums, wonach grundsätzlich der Preis und Marktmechanismus die dezentralen Wirtschaftspläne der einzelnen Wirtschaftssubjekte miteinander koordiniert und damit Entstehung und Verwendung von Produktion und Einkommen lenkt. I m Gegensatz zur völlig freien Wirtschaft weist die Soziale Marktwirtschaft aber

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vier zusätzliche Bauelemente auf, die sie zu einem grundsätzlich neuen Ordnungssystem machen: a) Die Erkenntnis, daß stabiles Preisniveau, hoher Beschäftigungsstand und angemessenes Wirtschaftswachstum sich nicht von selbst einstellen, verpflichten den Staat i n der Sozialen Marktwirtschaft mit einer aktiven Konjunktur- und Währungspolitik die W i r t schaftsentwicklung gleichgewichtig zu steuern. b) Die soziale Marktwirtschaft beruht auf dem Prinzip des Leistungswettbewerbs, der vom Staat bewußt gestaltet, gesichert und gefördert werden muß. Zum System wettbewerblicher Märkte gehört auch eine liberale, weltoffene Gestaltung der außenwirtschaftlichen Beziehungen, d. h. ein freier Verkehr der Waren des Kapitals und der menschlichen Leistungen. c) Soziale Marktwirtschaft ist aber mehr als globale Steuerung der Konjunkturentwicklung und mehr als bloße Verwirklichung der Wettbewerbstheorie. Deshalb gehört zu ihren Aufgaben ferner, Umbildungsprozesse i n Wirtschaft und Gesellschaft nicht einfach sich selbst zu überlassen, sondern m i t struktur- und gesellschaftspolitischen Maßnahmen so zu gestalten, daß einmal größere F r i k tionen vermieden werden und zum anderen eine den wirtschaftsund gesellschaftspolitischen Leitbildern entsprechende Wirtschaftsstruktur erhalten bleibt. d) Schließlich ist Soziale Marktwirtschaft nicht nur Wirtschaftsordnung i m engeren Sinne, sondern zugleich Sozial- und Gesellschaftsordnung. Die eigentliche Wirtschaftspolitik muß daher durch eine wohlabgestimmte Gesellschafts- und Sozialpolitik ergänzt werden. Ich werde nun auf diese vier grundlegenden wirtschaftspolitischen Aufgaben in der Sozialen Marktwirtschaft eingehen und dabei auch aufzeigen, welche aktuellen Grundsatzprobleme bestehen und zu lösen sind. Wie Sie sicher aus der Presse wissen, steht z. Z. wieder einmal i m Vordergrund der wirtschaftspolitischen Diskussion, wie eine stabile Konjunkturentwicklung gesichert werden kann. Ich werde mich deshalb besonders m i t diesem Bereich der Wirtschaftspolitik befassen. Stabilität des Preisniveaus und des Geldwertes, hoher Beschäftigungsstand und zugleich ein angemessenes Wirtschaftswachstum gehören zweifellos zu den wichtigsten Zielen der Wirtschaftspolitik. Sie setzen i m wesentlichen voraus, daß die gesamte Nachfrage mit dem gesamten Angebot an Gütern und Dienstleistungen übereinstimmt. Wie ich bereits eingangs erwähnte, stellt sich i n einer freiheitlich geordneten Wirtschaft ein solches Gleichgewicht aber nicht von selbst ein. Es ist

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also Aufgabe der Konjunkturpolitik, auf die Nachfrage und das Angebot mit marktkonformen Mitteln so einzuwirken, daß eine gleichgewichtige Wirtschaftsentwicklung, d.h. volle Beschäftigung der Produktionsfaktoren bei stabilem Preisniveau zustande kommt. Bis vor einigen Jahren ist dies hauptsächlich m i t den Mitteln der Geld- und Kreditpolitik und der Zollpolitik geschehen. Zum Beispiel konnte Übernachfrage dadurch verhindert oder beseitigt werden, daß die Bundesbank die Kredite für die Wirtschaft verteuerte oder beschränkte oder daß die Bundesregierung die Einfuhr ausländischer Waren durch Zollsenkungen erleichterte und dadurch das Angebot erhöhte. Diese traditionellen Werkzeuge der deutschen Konjunkturpolitik sind seit einiger Zeit stumpf geworden. Die Bundesbank muß bei ihrer Kreditpolitik auf die außenwirtschaftlichen Verhältnisse Rücksicht nehmen. Da der internationale Geld- und Kapitalverkehr frei ist, können sich sowohl die Geschäftsbanken als auch die Unternehmen i m Ausland Kredite beschaffen. Solange sie dort billiger sind, hätte es keinen Zweck, die inländischen Kreditbremsen anzuziehen. Die Zuständigkeit für einen großen Teil der Handelspolitik, insbesondere für die Zölle, ist neuerdings auf die Organe der EWG übergegangen, weshalb dieses Instrument nur noch sehr begrenzt für eine Steuerung der K o n j u n k t u r i m nationalen Bereich eingesetzt werden kann. Es müssen also neue Formen für die Sicherung einer gleichgewichtigen Wirtschaftsentwicklung gefunden werden. Dazu gehört einmal, daß mehr direkt an die Quellen der öffentlichen und privaten Nachfrage angesetzt werden muß. Z u m anderen hat sich gezeigt, daß eine Koordinierung der Konjunkturpolitik i n der EWG und darüber hinaus i n der freien Welt vordringlich geworden ist. Jedem, der sich m i t diesen Fragen befaßt, springt ins Auge, daß die öffentlichen Haushalte eine beachtliche Quelle der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind. Sie beanspruchen rd. 30 % unseres Sozialprodukts. Dieser hohe Anteil bietet nicht nur eine gute Handhabe, sondern verpflichtet die staatlichen Organe sogar dazu, die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben so zu steuern, daß entweder Übernachfrage beseitigt oder Nachfragemangel kompensiert wird. Dies ist der Sinn der sogenannten antizyklischen Finanzpolitik, an deren Ausgestaltung die Bundesregierung ζ. Z. arbeitet und m i t der sie ihr konjunkturpolitisches Instrumentarium erweitern w i l l . Was heißt dies konkret? Die bisherige Praxis hat gezeigt, daß einjährige Haushaltsansätze den modernen konjunkturpolitischen Bedürfnissen nicht mehr gerecht werden. Die Jahreshaushalte, die natürlich nach wie vor notwendig sind, müssen deshalb in längerfristige Haushaltsüberlegungen eingebettet werden. Dabei müssen die einzelnen Ausgaben nach Wert und Dringlichkeit geordnet

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werden. Dies ist dann eine Grundlage dafür, die öffentlichen Ausgaben, insbesondere die öffentlichen Investitionen, je nach der konjunkturellen Lage zu strecken oder zu raffen. Das heißt, die Ausgaben müssen erhöht werden, wenn die private Nachfrage nachläßt, und sie müssen eingeschränkt werden, wenn die Nachfrage der Wirtschaft und der Verbraucher sich übermäßig entwickelt. Eine solche Ausgabenpolitik sollte durch eine entsprechende Steuerpolitik ergänzt werden, denn die Höhe der Steuer- und Abschreibungssätze beeinflußt den Umfang der Kaufkraft von Unternehmern und Verbrauchern. Es dient deshalb einer ausgeglichenen Konjunkturentwicklung, i n Zeiten eines Booms über die Steuern Kaufkraft abzuschöpfen und stillzulegen sowie i n Zeiten eines wirtschaftlichen Rückgangs die Steuereinnahmen zu senken und damit die private Nachfrage zu kräftigen. Dies alles ist aber leichter gesagt als getan. Eine konjunkturgerechte Führung der öffentlichen Haushalte erfordert zunächst einmal ein gründliches Umschalten vom fiskalischen zum wirtschaftspolitischen Denken und auch mehr Disziplin bei den meist ausgabefreudigen Politikern. Sie setzt zum anderen voraus, daß Bund, Länder und Gemeinden sich der gemeinsamen Verantwortung bewußt sind, und am gleichen Strang ziehen. Trotzdem muß dieses Problem bald gelöst werden, weil nur so eine stabile Wirtschaftsentwicklung auf längere Sicht gewährleistet werden kann. A u f der Seite der privaten Nachfrage spielt die Lohnpolitik eine entscheidende Rolle. Gesamtwirtschaftlich zu hohe Löhne führen — verstärkt durch ihren Doppeleffekt als Kosten und Nachfrage — zu Erhöhungen des Preisniveaus. Deshalb muß die Lohnpolitik i n die gesamte Wirtschaftspolitik eingeordnet werden. Es werden immer wieder Stimmen laut, dies durch eine Einschränkung der Tarifautonomie zu erreichen. Ich halte dies i m Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung aber für kein geeignetes Mittel. Auch der Lohn ist ein Preis und übt eine Steuerungsfunktion aus. Beeinträchtigt man diese Steuerungsfunktion durch staatlichen Zwang, so werden zwangsläufig an anderen Stellen des Wirtschaftsprozesses Interventionen ausgelöst, die der m a r k t w i r t schaftlichen Ordnung widersprechen. Man kann — weder von der w i r t schaftlichen Vernunft her noch aus politischen Gründen — die Löhne staatlich binden, aber die unternehmerischen Entscheidungen über Preise und Investitionen freilassen. Es bleibt daher m. E. nur das ständige Bemühen übrig, durch regelmäßige und sachlich fundierte Abstimmungsgespräche zwischen den Tarifpartnern und den staatlichen Instanzen freiwillig eine Übereinstimmung zwischen Lohnpolitik und allgemeiner Wirtschaftspolitik zu erzielen. I n jüngster Zeit sind i n dieser Richtung auch erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Bei den Gewerkschaften wächst die Einsicht, daß eine gesamtwirtschaftlich nicht vertretbare Lohnerhöhung nicht zu einer realen Verbesserung, sondern nur

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zu Preiserhöhungen führt, und daß sich deshalb die Löhne i n einem gesamtwirtschaftlichen Rahmen bewegen müssen. Allerdings muß deutlich gesagt werden, daß eine Rücksichtnahme auf die gesamtwirtschaftlichen Belange i n der Lohnpolitik nur dann verlangt und erreicht werden kann, wenn zugleich auch andere konjunkturpolitische Mittel eingesetzt werden und wenn vor allem auch bei anderen einkommenspolitisch relevanten Maßnahmen des Staates auf eine befriedigende Einkommensentwicklung und -Verteilung geachtet wird. I n diesem Zusammenhang muß die Bildung des Sachverständigenrates für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erwähnt werden, der auf Grund eines Gesetzes vor einigen Wochen seine Tätigkeit aufgenommen hat. Dieses Gremium von fünf unabhängigen volkswirtschaftlichen Sachverständigen soll die wirtschaftlichen Entwicklungen und Zusammenhänge darstellen, die Ursachen von gesamtwirtschaftlichen Spannungen klären sowie Fehlentwicklungen und Möglichkeiten für deren Beseitigung aufzeigen. Es ist zu hoffen, daß solche, allseits als objektiv anerkannte Gutachten dazu beitragen, die wirtschaftspolitische Urteilsbildung zu erleichtern und wirtschafts- und sozialpolitische Auseinandersetzungen zu versachlichen. Sosehr ein solcher objektiver Spiegel für die wirtschaftspolitischen Instanzen und die am Wirtschaftsleben beteiligten Gruppen nützlich sein wird, so darf man doch nicht zuviel von einer solchen Institution erwarten. Ein Sachverständigengremium kann nur wissenschaftlich fundierte Hilfestellung geben, es kann und darf aber nicht Ersatz für politische Entscheidungen sein. Diese müssen nach wie vor von den politisch verantwortlichen Stellen getroffen werden. Es macht auch nicht lohnpolitische Auseinandersetzungen überflüssig, aber kann doch eine gemeinsam anerkannte Gesprächsbasis für die gesamtwirtschaftlichen Möglichkeiten und Grenzen sein. Ich betone die Grenzen eines solchen Sachverständigenrates deshalb, weil für meinen Geschmack etwas zu sehr die Neigung einreißt, politischen Entscheidungen durch die Bildung wissenschaftlicher Gremien, durch Veranstaltung von Enqueten und durch Abfassung langer Berichte auszuweichen. Die Ursachen für die aktuellen Sorgen über unsere Konjunktur- und Preisentwicklung liegen aber weder bei den öffentlichen Haushalten noch bei der Einkommensentwicklung, sondern außerhalb unserer Staatsgrenzen. Die inflationären Entwicklungen i n einigen europäischen Ländern, insbesondere i n Italien und Frankreich, haben einen erheblichen Anstieg unserer Ausfuhr und einen relativen Rückgang unserer Einfuhr zur Folge. Hinzu kommt noch ein verstärkter Kapitalimport. Der hieraus resultierende und ständig wachsende Zahlungsbilanzüberschuß bläht die Nachfrage nach deutschen Gütern auf, sie kann aber i n unserer vollbeschäftigten Wirtschaft kaum durch eine Ausweitung

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des Angebots befriedigt werden. Aus dieser Übernachfrage ergibt sich dann die Gefahr der sogenannten importierten Inflation und damit des Preisanstiegs auch bei uns. Durch die bereits enge wirtschaftliche Verflechtung i n der EWG ist die Gefahr wesentlich größer geworden, daß sich eine Volkswirtschaft sehr rasch an den Konjunkturerkrankungen der Nachbarn infiziert. Die Bundesregierung hat sich daher m i t großem Nachdruck für eine enge Koordinierung der Konjunkturpolitik i m Sinne einer wirksamen Bekämpfung der Inflation i n den anderen Mitgliedstaaten eingesetzt. Diese Aktion hat auch schon zu ersten Erfolgen geführt. Der Minister rat der EWG hat am 14. A p r i l einstimmig Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gerichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts und der Stabilität bis spätestens Ende 1964 zu treffen. Solange sollte der Preisstabilität der Vorrang vor allen anderen wirtschaftspolitischen Zielen gegeben werden. Die Länder mit inflationistischer Entwicklung sind aufgefordert worden, zu diesem Zweck vor allem eine restriktive Haushalts-, Kredit- und Einkommenspolitik zu betreiben. I n zwei Monaten w i r d sich der M i n i sterrat wieder zusammensetzen und die eingeleiteten Maßnahmen sowie deren Erfolg kontrollieren. Sofern diese Bemühungen i n naher Zukunft keinen ausreichenden Erfolg haben — was leider zu befürchten ist — können weitere Preissteigerungen bei uns nur durch eigene Maßnahmen wirksam verhindert werden, auch wenn sie dann nur schwer i n eine koordinierte europäische Wirtschaftspolitik passen. Wegen der noch internen Beratungen innerhalb der Bundesregierung muß ich darauf verzichten, Ihnen einige konkrete Maßnahmen zu nennen, an die ggf. gedacht ist. Sie müssen aber auf jeden Fall auf eine Verringerung der Zahlungsbilanzüberschüsse abzielen, d.h. den Warenexport und den Kapitalimport erschweren und den Warenimport und den Kapitalexport erleichtern. Wie Sie wissen, haben Bundesbank und Bundesregierung auf dem Geld- und Kapitalsektor bereits einige Abwehrmaßnahmen getroffen. A u f längere Sicht müssen aber i n der EWG alle institutionellen Vorkehrungen getroffen werden, daß die europäischen Volkswirtschaften i m Gleichschritt marschieren. Allerdings nicht auf dem Weg der Inflation, sondern auf dem Pfad der Tugend, nämlich der Stabilität. Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, daß bei der letzten Ministerratssitzung m i t dem gemeinsamen konjunkturpolitischen Programm und m i t der Gründung verschiedener Koordinierungsausschüsse auf den Gebieten der W i r t schafts-, Währungs- und Haushaltspolitik die Weichen für eine gemeinsame Politik auf der ganzen Breite der wirtschaftspolitischen A k t i v i t ä t gestellt worden sind. Dies um so mehr, als i n letzter Zeit aus Brüssel nur noch Agrarchinesich über komplizierte Abschöpfungstechniken und Preisdirigismen für einzelne landwirtschaftliche Produkte zu hören war.

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Ich komme nun zu den grundsätzlichen Fragen der Wettbewerbspolitik. Die Soziale Marktwirtschaft beruht auf dem Postulat, daß sich Vertragsfreiheit und Privateigentum am Produktivvermögen nur dann vertreten lassen, wenn vom Staat sichergestellt wird, daß der Gebrauch der Freiheit und Nutzung des Produktivvermögens andere nicht wesentlich daran hindert, sich gleicherweise dieser Rechte zu bedienen. W i l l man auf direkte staatliche Lenkungsmaßnahmen verzichten (was der Marktwirtschaft widerspräche), so ist i m wesentlichen der Leistungswettbewerb die wichtigste Garantie für eine solche Ordnung. Er spornt die unternehmerische A k t i v i t ä t zwar an, hält sie aber zugleich i n Grenzen. Und er ist außerdem Voraussetzung dafür, daß die Preise ihre Steuerungs- und Verteilungsfunktion i n wirtschaftlich und sozial befriedigender Weise erfüllen können. I n einer freien Wirtschaft ist der Wettbewerb aber ständig dadurch bedroht, daß Unternehmer allein oder i m Zusammenwirken mit anderen, d. h. durch Kartelle und Zusammenschlüsse, versuchen, wirtschaftliche Machtstellungen zu bilden und dadurch sich Vorzugsgewinne zu sichern und sich dem Wettbewerbsrisiko zu entziehen. Die Wettbewerbsfreiheit kann daher nicht nur dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, sondern muß durch eine gesetzlich statuierte Ordnung garantiert werden. I n der Bundesrepublik ist das wichtigste M i t t e l dazu das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz Kartellgesetz genannt. Es verbietet i m Prinzip Kartelle (vor allem Preis- und Absatzkartelle) und ermöglicht die Untersagung von mißbräuchlichem Verhalten marktbeherrschender Unternehmen. A u f Grund ihres Kartellberichts vom letzten Jahr w i l l die Bundesregierung noch in diesem Sommer eine Novelle zum Kartellgesetz einbringen. A u f die Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand w i r d hierin wahrscheinlich verzichtet — obwohl sie marktwirtschaftlich richtig wäre — weil nach der Diskussion i m Bundestag hierfür keine parlamentarische Mehrheit zu finden sein wird. Es soll aber versucht werden, Auswüchse der Preisbindung dadurch zu verhindern, daß die Preisbinder ihre Rabattsätze i n einem öffentlichen Register anmelden müssen und daß bei einer Verletzung der Lückenlosigkeit die Genehmigung der Preisbindung ohne weiteres versagt werden kann. Hinsichtlich der marktbeherrschenden Unternehmen w i l l die Bundesregierung die Anmeldung und Beobachtung m i t objektiven Kriterien verbessern. A u f schärfere Vorschriften gegen marktbeherrschende Unternehmen soll vorläufig verzichtet werden, weil die bisherigen Erfahrungen, besonders i m Hinblick auf die EWG, nicht ausreichen. Ich halte diese Zurückhaltung für richtig, w e i l die Marktstellung eines Unternehmens heute nicht mehr am Binnenmarkt gemessen werden kann, sondern i n den erweiterten Marktdimensionen des europäischen Mark4 Speyer 22

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tes und der zunehmenden Verflechtung der Weltmärkte beurteilt werden muß. Aus einem großen Unternehmen i m kleinen M a r k t m i t entsprechender Marktmacht kann ein kleines und damit dem Wettbewerb ausgesetztes Unternehmen i m großen Markt werden. Die Erweiterung der Märkte w i r d auch ein maßgebliches K r i t e r i u m bei der Auswertung des Berichtes über die Ergebnisse der Konzentrationsenquete sein, der seit Anfang März vorliegt und i n Kürze m i t einer Stellungnahme der Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt werden wird. Unternehmenskonzentration, die zu einem neuen Betriebsoptimum i m größeren Markt führt und damit die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit verbessert, kann also durchaus notwendig und erwünscht sein, solange sie nicht zu wettbewerbsverfälschender Marktmacht führt. Daher hat sich die Bundesregierung i n jüngster Zeit auch dafür ausgesprochen und m i t ihrer Kooperationsfibel Wege dazu aufgezeigt, die Zusammenarbeit der mittleren und kleinen Unternehmen durch Ausgliederung bestimmter Unternehmerfunktionen auf gemeinsame Organe zu fördern, damit sie gegenüber Großunternehmen i m erweiterten M a r k t wettbewerbsfähig bleiben. Wenn der Zug zum Großbetrieb i n bestimmten Bereichen aus ökonomisch vernünftigen Gründen nicht aufgehalten werden darf, so ist aber zu fragen, ob bei den größten Unternehmen wegen ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung die Pflicht der Publizität noch allein unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Aktionäre und Gläubiger gesehen werden darf. Das Interesse der Allgemeinheit und der für die W i r t schaftspolitik Verantwortlichen spricht m. E. für eine Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Publizitätsvorschriften auf die größten Unternehmen, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform. Kontrolle durch die Öffentlichkeit und Transparenz aller Konzentrationsvorgänge sollte der Preis für die Zulassung der Unternehmenskonzentration sein. Ordnungspolitisch zu bemängeln ist eine Konzentrationstendenz nicht nur, wenn sie zu Marktmacht führt, sondern auch dann, wenn sie durch künstliche Begünstigungen für Großunternehmen i m wirtschaftlich relevanten Recht ausgelöst wird. Hierdurch werden keine gesamtwirtschaftlichen, sondern nur privatwirtschaftliche Vorteile zu Lasten anderer, d. h. der kleinen und mittleren Unternehmen erzielt. Bei der Gestaltung des wirtschaftsrechtlichen Ordnungsrahmens muß daher dafür gesorgt werden, daß alle Rechtsinstitute, die künstlich zu Konzentration anreizen, beseitigt oder vermieden werden, u m die Wettbewerbsbedingungen konzentrationsneutral zu gestalten. Ein Paradebeispiel hierfür ist i m Steuerrecht die Umsatzsteuer. Die bisher geltende kumulative Umsatzsteuer begünstigt die Großunternehmen und vor allem die Unternehmensverbindungen, weil Umsätze innerhalb der Konzerne auch zwischen den verschiedenen Produktionsstufen umsatzsteuerfrei

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sind. Der vorgesehene Übergang zur Mehrwertsteuer soll daher i n erster Linie dazu dienen, diese Vorteile zu beseitigen und die Umsatzsteuer Wettbewerbs- und konzentrationsneutral zu gestalten. Darüber hinaus erleichtert sie auch die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr. Aus diesem Grunde drängt Brüssel darauf, daß möglichst bald i n allen EWG-Staaten ein einheitliches Mehrwertsteuersystem eingeführt wird. Dies w i r d auch die Voraussetzung dafür sein, daß später i n der EWG die Steuergrenzen überhaupt fallen. Sie konnten schon aus meinen bisherigen Ausführungen entnehmen, daß die nationale Wirtschaftspolitik nicht mehr an der Tatsache der EWG vorbei kann. Unsere Wirtschaftspolitik muß sich daran orientieren, daß die europäische Integration fortschreitet und daß die deutsche W i r t schaft nach der Übergangszeit sozusagen i n Brüssel „abgeliefert" werden muß. Es gilt also, sie bis dahin für die europäische Wirtschaftsunion „ f i t " zu machen. Unter diesen Gesichtspunkten spielen neben der Konj u n k t u r · und der Wettbewerbspolitik vor allem diejenigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen eine besondere Rolle, die unter dem Begriff „wirtschaftliche Strukturpolitik" zusammengefaßt werden. M i t der fortschreitenden Integration, aber auch m i t der Zunahme der weltwirtschaftlichen Verflechtungen und der Notwendigkeit, die Entwicklungsländer i n den Welthandel einzubeziehen und ihnen ihre Produkte abzunehmen, verlagern sich die Produktionsstandorte und verschiebt sich die internationale Arbeitsteilung. Dadurch kommen auf unsere Wirtschaft größere Strukturwandlungen und Umstellungsschwierigkeiten zu. Typische Beispiele sind bereits die Strukturschwierigkeiten unserer Landwirtschaft, der Konkurrenzdruck des Öls auf die Kohle und die Existenzsorgen mancher Betriebe der Textilwirtschaft wegen der billigen ausländischen Textilien und des Vordringens der synthetischen Fasern. Bei allen wirtschaftspolitischen Überlegungen i n dieser Richtung darf nicht vergessen werden, daß die Anpassung an veränderte Marktlagen zu den eigentlichen unternehmerischen Aufgaben i n einer Wettbewerbswirtschaft gehört, i n der nicht Beständigkeit, sondern stetiger Wandel der wirtschaftlichen Bedingungen das Normale ist. Es wäre auch grundverkehrt, durch wirtschaftliche Naturschutzparks, d. h. durch Erhaltungsinterventionen i n bestimmten Wirtschaftsbereichen Strukturwandlungen zu verhindern. Dadurch würde nur der optimale Einsatz der Produktionsfaktoren verhindert und auf diese Weise die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und das Wirtschaftswachstum gefährdet. Es gehört aber zu den legitimen Aufgaben der Wirtschaftspolitik i n der Sozialen Marktwirtschaft, Anpassungsinterventionen zu gewähren, wenn tiefgreifende Strukturwandlungen zu erheblichen Umstellungsschwie4*

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rigkeiten führen und die Anpassung an veränderte wirtschaftliche Bedingungen nicht ohne größere wirtschaftliche und soziale Schäden möglich ist. Das B M W i arbeitet deshalb z. Z. an einer Verbesserung und Verfeinerung des Instrumentariums staatlicher Strukturanpassungspolitik. Hierfür gibt es viele marktkonforme Möglichkeiten, ohne daß gegen die marktwirtschaftlichen Prinzipien verstoßen wird. Ich nenne nur beispielhaft einige wichtige Maßnahmen: Verbilligte Rationalisierungskredite, steuerliche Erleichterungen für das Stillegen und Umstellen von Betrieben, Stillegungs- und Umstellungsprämien, um Uberkapazitäten beschleunigt zu beseitigen und freigewordene Produktionsfaktoren schneller i n rentable Produktionen zu lenken, Errichtung von Rationalisierungsverbänden oder Genehmigung von Strukturkrisenkartellen, m i t denen die Wettbewerbsfähigkeit von W i r t schaftszweigen i n geordneter Weise wiederhergestellt werden kann. Die Einsicht, daß die Leistungskraft der Wirtschaft für das Bestehen i m europäischen und i m Weltmarkt gesichert werden muß, hat das Augenmerk der amtlichen Wirtschaftspolitik auch auf das Problem der etwas schwachen Kapitalstruktur der deutschen Wirtschaft vor allem i m Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen gelenkt. Die Bundesregierung überlegt daher z. Z., wie die Ausstattung dieser Unternehmen m i t haftendem Kapital verbessert werden kann. Hierzu w i r d zunächst die vorgesehene Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen bei der vorgesehenen Änderung des Einkommensteuertarifs beitragen. Darüber hinaus müssen aber auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß auch mittlere Unternehmen mehr als bisher auf dem Kapitalmarkt Beteiligungskapital aufnehmen können. Hierfür w i r d geprüft, ob und wie die Errichtung von Beteiligungsgesellschaften (analog der Investmentgesellschaften) gefördert werden kann, die über die Ausgabe von Zertifikaten Sparkapital aufnehmen und sich an m i t t leren, nichtemissionsfähigen Unternehmen beteiligen. Neben der Strukturanpassungshilfe für Unternehmen und W i r t schaftszweige gehört zur Strukturpolitik aber auch, die Wirtschaftskraft des Landes regional abzugleichen und so die Leistungsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft zu stärken. Es ist daher Aufgabe der regionalen Wirtschaftspolitik und der Raumordnungspolitik, schwach konstruierte Gebiete zu fördern und Ballungszentren zu entzerren. Diese Aufgabe muß künftig intensiviert werden, u m auch damit die deutsche Wirtschaft an die EWG anzupassen. Z u den Grundlagen einer gesunden Wirtschaftsstruktur und eines angemessenen Wirtschaftswachstums gehört schließlich noch der Ausbau der sogenannten wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur. Damit sind die öffentlichen Einrichtungen gemeint, die für ein gutes Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft unentbehrlich sind. Neben den öffent-

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liehen Wirtschaftsinvestitionen, wie ζ. B. i m Verkehr, möchte ich vor allem die Förderung der Bildung und Ausbildung und der Wissenschaft und Forschung nennen. Man spricht hier m i t Recht von „geistigen Investitionen" und vom vierten Produktionsfaktor, weil die Erkenntnis wächst, daß vom Stand der Ausbildung und der Forschung der längerfristige Fortschritt der Wirtschaft wesentlich abhängt. Ich habe Ihnen ein ganzes Bukett von struktur- und wachstumspolitischen Möglichkeiten genannt, die zu den Aufgaben moderner W i r t schaftspolitik i n der Sozialen Marktwirtschaft gehören und die unter dem Aspekt des Einfügens der deutschen Wirtschaft in den gemeinsamen europäischen Markt eine besondere Rolle spielen. I m Zusammenhang damit taucht auch das Problem auf, ob Struktur und Wachstum der Wirtschaft längerfristig programmiert werden sollen. Hierüber hat die EWG-Kommission m i t ihrem Aktionsprogramm vom Herbst 1962 einen ordnungspolitischen Streit entfacht. Für die grundsätzliche Ausrichtung der Wirtschaftspolitik i n der EWG schlug sie i n Anlehnung an die französische Planification vor, die längerfristige Entwicklung der Gesamtwirtschaft und deren einzelne Bereiche verbindlich nach vorgefaßten quantitativen Zielen zu steuern, d.h. alle staatlichen Interventionen so einzusetzen, daß diese Ziele erreicht werden. Die Bundesregierung hat diese Vorschläge nachdrücklich abgelehnt, w e i l ihre Verwirklichung die marktwirtschaftliche Ordnung ausgehöhlt und den Wettbewerb als wichtigstes Ordnungsprinzip i n der EWG verdrängt hätte. Ich glaube, daß nicht zuletzt die jüngsten Erfahrungen i n Frankreich es erleichtert haben, diese angebliche wirtschaftspolitische Wunderwaffe für die gesamte EWG abzuwehren. Dort hat die Planificationspolitik, ehrgeizige Wachstumsziele zu programmieren und sie um jeden Preis anzustreben, zur Inflation geführt. W i r haben erreicht, daß nunmehr eine andere Konzeption für die Koordinierung der mittelfristigen Wirtschaftspolitik i n der EWG verwirklicht wird, die unseren ordnungspolitischen Vorstellungen weitgehend entspricht. Ich möchte sie schlagwortartig so umschreiben: qualitatives aber nicht quantitatives Programm für die W i r t schaftspolitik i n der EWG — Programmierung der Wirtschaftsordnung, der wirtschaftspolitischen Daten und der wirtschaftspolitischen Mittel, aber nicht des Wirtschaftsprozesses selbst.

Staat, Energie und Verkehr am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen Von Reinhard Beine

U m das Verhältnis von Bund und Ländern zur Energie und zum Verkehr ausleuchten zu können, kommt es darauf an, welche Kompetenzen sie auf diesen Gebieten haben und wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Der Bund setzt auf Grund der Kompetenzverteilung i m Grundgesetz primär die gesetzlichen und damit die grundsätzlichen rechtlichen Aspekte des Verhältnisses von Staat zu Energie und Verkehr, während die Länder i m wesentlichen auf die M i t w i r k u n g der Gesetzgebung über den Bundesrat beschränkt sind. Demgegenüber liegt der Schwerpunkt der Verwaltung bei den Ländern; sie beschränkt sich nicht auf die sogenannte gesetzesakzessorische (gesetzesvollziehende) Verwaltung, sondern umfaßt auch die gestaltende hoheitliche Staatstätigkeit, die initiiert, plant und lenkt (Regierung i m materiellen Sinne). Deshalb ist der Beitrag des Landes Nordrhein-Westfalen zu der rechtlichen Gestaltung des Verhältnisses von Staat zu Energie und Verkehr relativ bescheiden, wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen werden. L Bevor w i r der Frage nachgehen, wie die Energiepolitik i n der Gesetzgebung zum Ausdruck kommt, gestatten Sie m i r eine kurze Betrachtung zur Energiewirtschaft. A n der Spitze der Energieträger i n der Bundesrepublik steht auch heute noch die Steinkohle. Die deutsche Steinkohlenförderung erreichte i n ununterbrochenem Anstieg bis 1956 ihren Höhepunkt m i t 153 Mio. t Jahresförderung. Sie hielt sich m i t einer leichten Einbuße etwa auf dieser Höhe bis 1958, dem Jahre, i n dem die Kohlenkrise eintrat. 1959 ergab sich ein erheblicher Rückgang. Trotz der Invasion des Heizöls hat sich die deutsche Steinkohlenförderung seit 1959 fast auf gleicher Höhe gehalten. Die Braunkohle, die hauptsächlich i m Rheinland u m K ö l n und i n Niedersachsen abgebaut wird, zeigt seit 1955 eine konstante Entwicklung. I h r Abbau w i r d nach langfristigen Planungen durchgeführt; i n der Hauptsache unter Berücksichtigung des Einsatzes von Rohbraunkohle i n den Elektrizitätswerken. Die Braunkohle

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ist ein besonders wirtschaftlicher Energieträger. Die Erdölförderung in der Bundesrepublik ist zur Zeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Dennoch ist festzustellen, daß sie von 1,1 Mio. t i m Jahre 1950 auf 6,8 Mio. t i m Jahre 1962 gestiegen ist. Auch die Gewinnung der Wasserkraft spielt nur eine relativ geringe Rolle. Zudem verfügt die Bundesrepublik für die Zukunft nur noch i n geringem Maße über wirtschaftlich ausbaufähige Wasserkräfte, so daß m i t einem wesentlichen Wachstum dieser Energie kaum zu rechnen ist. Das Schürfen nach Erdgas hat bisher — verglichen ζ. B. m i t den Funden i n Holland — keine großen Möglichkeiten erkennen lassen. Trotzdem ist es ein Anliegen der deutschen Erdgasindustrie, noch etwa vorhandene Läger durch Tiefbohrungen zu erforschen. Auf dem Gebiete der Atomenergie bemüht sich die Bundesrepublik, den Anschluß an die führenden Industrienationen zu erreichen. Allgemein sind die Entwicklungsaussichten der deutschen Atomwirtschaft bis 1980 als gut zu bezeichnen. Voraussetzung dafür ist, daß Bund und Länder die Entwicklung der Atomtechnik so nachhaltig fördern können und werden, wie es i n vergleichbaren westlichen Ländern bereits geschieht. A n einer gesetzlichen Regelung der Energieversorgung hat es i n Deutschland lange Zeit gefehlt. Das Energierecht entwickelte sich ohne gesetzliche Grundlage i m Rahmen von Konzessionsverträgen, die zwischen Gemeinden und Versorgungsunternehmen abgeschlossen wurden. Infolge der außerordentlichen Bedeutung, die die Energiewirtschaft für die Versorgung der wirtschaftlichen Unternehmen und privaten Haushaltungen erlangte, wurde das Energierecht nach 1933 durch eine A n zahl grundlegender Gesetze gestaltet. Unter ihnen sind das Energiewirtschaftsgesetz vom 13.12.19351 und das Energienotgesetz vom 10. 6.19492 von maßgeblicher Bedeutung. Das Energiewirtschaftsgesetz ist — abgesehen von wenigen überholten Bestimmungen — noch heute gültig. Es unterstellt die Energieversorgungsunternehmen, d. h. die Unternehmen, die andere m i t elektrischer Energie oder Gas versorgen, gleichviel ob die Unternehmen i n öffentlich-rechtlicher, gemeinwirtschaftlicher oder privatrechtlicher Form betrieben werden, der Staatsaufsicht. Sie erstreckt sich insbesondere auf die Errichtung und den Betrieb von Energieanlagen, d. h. der Anlagen, die der Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von Elektrizität oder Gas dienen. Die Ziele des Energiewirtschaftsgesetzes sind: 1. i m Interesse des Gemeinwohls die verschiedenen Energiearten wirtschaftlich einzusetzen, 2. den notwendigen öffentlichen Einfluß auf die Energieversorgung zu sichern, 3. wirtschaftsschädliche Auswirkungen des Wettbewerbs innerhalb der Energieversorgung zu beseitigen, 4. die Verbundwirtschaft innerhalb 1

RGBl. I S. 1451. * W i G B l . 87.

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der Energieversorgung zu fördern, 5. nicht leistungsfähige Energieversorgungsunternehmen auszuschalten und 6. die Energieversorgung so billig wie möglich zu gestalten. Die Energieaufsicht wurde i m Energiewirtschaftsgesetz dem Reichswirtschaftsministerium zugewiesen. Da die Ausführung der Bundesgesetze heute grundsätzlich den Ländern zusteht 3 , sind die nach dem Energiewirtschaftsgesetz dem Reich zustehenden Verwaltungsbefugnisse auf die Landesregierungen übergegangen 4 . Nur die dem Reichswirtschaftsminister zugestandene Verordnungsund Weisungskompetenz ist auf den Bundesminister für Wirtschaft übertragen worden; außerdem stehen i h m als Zentrallast- und Zentralgasverteiler bestimmte Befugnisse nach § 2 des Energienotgesetzes zu. Es besteht kein gesetzlicher Konzessionszwang. Das Energiewirtschaftsgesetz hat das System, nach dem die Neuerrichtung von Energieversorgungsunternehmen grundsätzlich mittels Wegekonzession reguliert wird, beibehalten. Doch sind die Energieversorgungsunternehmen weitgehend Auskunfts- und Anzeigepflichten, Beanstandungs- und Untersagungsrechten sowie der Enteignungsmöglichkeit unterworfen. Die Wirtschaftstätigkeit der Energieversorgungsunternehmen unterliegt seit dem Erlaß des Energiewirtschaftsgesetzes gesetzlichen Bindungen. Es besteht eine gesetzliche Anschluß- und Versorgungspflicht sowie eine gesetzliche Überwachung der Energietarife und sonstigen Energiebedingungen. Für öffentliche Energieversorgungsunternehmen ist ein öffentlich-rechtlicher Leistungszwang, für private Energieversorgungsunternehmen ein gesetzlicher Kontrahierungszwang vorgesehen. Die Energietarife, d. h. die Preise für Elektrizitäts- und Gaslieferungen, und die sonstigen Energiebedingungen sind von den Energieversorgungsunternehmen öffentlich bekanntzumachen. Die Energieaufsichtsbehörden können durch allgemeine Anordnungen und Einzelverfügungen die Energietarife und -bedingungen wirtschaftlich gestalten 5 , d.h. rechtsändernd i n sie eingreifen. Die Frage, ob i m Rahmen des geltenden Wirtschaftsverfassungsrechtes eine Entscheidung, welche die Vertragsfreiheit, Marktfreiheit und Preisfreiheit begrenzt, gefällt werden darf, hängt i m wesentlichen von der Auslegung der Art. 2 I G G und Art. 141GG ab. Z u dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 8 gehört auch das Grundrecht der Vertragsfreiheit 7 . Da die Preisfreiheit ein wesentliches Moment der Vertragsfreiheit ist, sind staatlich-hoheitliche Preiseingriffe nur zulässig, sofern der Gebrauch des Rechts zur unbe8

A r t . 83 GG. Vgl. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1. Bd. 1953, § 49, S. 580. 6 § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes. 6 A r t . 2 1 GG. 7 Vgl. E. R. Huber, a. a. O., Bd. 1,1953, S. 646. 4

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schränkten freien Preisbestimmung die verfassungsmäßige Ordnung, die Rechte anderer oder das Sittengesetz gefährden oder verletzen würde. Diese drei Vorbehalte lassen staatliche Preisinterventionen zu, wenn sie durch Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Preisregelnde Anordnungen stellen eine Beschränkung des Grundrechts auf freies Eigentum dar, denn zum Inbegriff des Vermögensrechts gehört auch die Befugnis des Eigentümers, bei Veräußerungsgeschäften einen frei vereinbarten Preis zu fordern. Da A r t . 141GG jedoch die gesetzliche Bestimmung der Grenzen des Eigentums erlaubt, kann durch Gesetz die freie Preisbildung bei Veräußerungsgeschäften eingeschränkt werden. Die Preisfestsetzung und Preisüberwachung sind daher durch Art. 141 GG verfassungsrechtlich legitimiert 8 . Eine Reihe verwaltungsrechtlicher Vorschriften dient der Durchführung der Energieaufsicht. Sie regeln insbesondere die Wegebenutzungsgebühren der Energieversorgungsunternehmen, die Erzwingung der Anordnungen der Energieaufsicht sowie die Schadensersatzpflichten, die bei der Durchführung des Gesetzes entstehen. Das Energienotgesetz ist ζ. Ζ. nicht aktuell, da eine Energieknappheit nicht zu verzeichnen ist. W i r erleben zur Zeit einen Strukturwandel, der sich i m Übergang von dem klassischen Verkehrsträger Kohle zum Mineralöl, zur Kernenergie und zum Erdgas vollzieht. Der Bundesregierung ist vielfach vorgeworfen worden, keine energiewirtschaftliche Konzeption zu haben. Da dieser Vorwurf für das Verhältnis Staat und Energie bedeutsam ist, erscheint es erforderlich, kurz darauf einzugehen. Dabei möchte ich mich aus Zeitgründen vornehmlich auf die Elektrizitätswirtschaft beschränken. Das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 w i r d als fortgeltendes Recht von den Länderregierungen gehandhabt, die sich bei Fragen von überregionaler Bedeutung i m Sinne des Münchner Abkommens m i t dem Bund aus dem Jahre 1950 abstimmen. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen räumt der Elektrizitätswirtschaft eine Sonderstellung ein 9 . Weitere Grenzen der Energiepolitik bilden die fortgeltende Tarifordnung für elektrische Energie, die Konzessionsabgaben-Anordnung und der in großen Teilen aufgelockerte Preisstopp für Elektrizität. Wichtig ist die Liberalisierung der Einfuhr von Strom, die auf einer Empfehlung der OECD an die Regierungen der Mitgliedländer beruht, sowie die Tatsache, daß der Zugang zu dem jeweils billigsten Brennstoff des In- und Auslandes den Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht bzw. nicht immer offensteht. Z u denken ist hierbei an die Einführung des Kohlezolls, die Begrenzung der Importmengen von amerikanischer Kohle und an die Heizölsteuer. Es w a r letztlich eine politische Entscheidung, dem 8

Vgl. E. R. Huber, a. a. O., Bd. 2,1954, S. 302/3. ® §§ 103, 104 GWB.

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deutschen Steinkohlenbergbau und damit dem deutschen Bergmann durch Anpassungsmaßnahmen zu helfen. Die Erklärung für die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen liegt darin, daß nicht ausschließlich nach fachlichen und ökonomischen Gesichtspunkten zugunsten der Elektrizitätswirtschaft entschieden wurde, sondern daß der volkswirtschaftliche Gesamtzusammenhang berücksichtigt werden mußte und das Primat politischer Beweggründe durchschlug. Es ist kein Geheimnis, daß Konzentrationsbewegungen i m Gange sind und staatlicherseits gefördert werden, sofern der daraus entstehende Nutzen dem Endverbraucher echt zugute kommt. Wenn man sich vor Augen hält, daß es neun i n der deutschen Verbundgesellschaft vereinte Großunternehmen oder 4.200 (davon 1.500 i m Nebenbetrieb) Energieversorgungsunternehmen gibt, so ist die Frage aufzuwerfen, ob diese Vielzahl und Vielgestaltigkeit der Unternehmensformen w i r k l i c h die ultima ratio sind. I n diesem Zusammenhang ist nicht zu vergessen, daß Bestrebungen zur Privatisierung der Energiewirtschaft — auch i n der Elektrizitätswirtschaft — i m Gespräch sind. Schon diese wenigen Beispiele dürften zeigen, daß die Behauptung, es gebe keine staatliche Energiepolitik i n der Bundesrepublik, nicht zutrifft. Wie sehr Bund und Länder laufend bemüht sind, eine dynamische Konzeption zu erarbeiten, die sachlicher K r i t i k standhält, beweisen auch die „Untersuchung über die Entwicklung der gegenwärtigen und zukünftigen Struktur von Angebot und Nachfrage i n der Energiewirtschaft der Bundesrepublik", durchgeführt auf Beschluß des Deutschen Bundestages vom 12. 6.1959 (abgeschlossen 1961) und das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Wirtschaft vom 21.1. Γ961 über das Thema „Gedanken über die Konzeption einer künftigen deutschen Energiepolitik." Welche Aspekte zeichnen sich nun — roh skizziert — für eine staatliche Politik auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschaft von morgen ab? Es dürfte zu erwarten sein, daß bei den geplanten Änderungen des Wettbewerbsrechts die Sonderstellung der Elektrizitätswirtschaft 1 0 einer Korrektur unterzogen wird. Das Privileg der öffentlichen Hand bei der Umsatz- und Vermögensteuer w i r d unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung der Startbedingungen überprüft werden müssen. Es w i r d auch zu klären sein, ob die vorhandenen Rechtsgrundlagen ausreichen, u m erkannte Mißstände i n der Elektrizitätswirtschaft — es sei daran erinnert, daß das Bundeskartellamt i n einigen Fällen angerufen worden ist, u m den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von Energieversorgungsunternehmen zu untersuchen — abzustellen. Es gibt ebenso viele Befürworter wie Gegner des Energiewirtschaftsgesetzes. 10

§§ 103, 104 GWB.

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Seine grundsätzliche Bestandsüberprüfung dürfte unausbleiblich sein. Ob der bestehende Preisstopp auf dem Tarifsektor der Elektrizitätswirtschaft i n absehbarer Zeit aufgehoben werden wird, erscheint zweifelhaft. Die Elektrizität erfreut sich eines besonderen Interesses i n der breiten Öffentlichkeit, so daß sich jeder Parlamentarier schützend vor den Endverbraucher stellt. Aus der gegenwärtigen gesetzgeberischen Arbeit des Bundestages sind folgende Schwerpunkte herauszuheben: Sollte die Mehrwertsteuer i n der gedachten Konzeption die Umsatzsteuer ablösen, so werden sich aus dieser gesetzgeberischen Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Elektrizitätswirtschaft ergeben. Die Aktienrechtsform w i r d wegen der Konzernbildung und der Bilanzierungspolitik die Kreditpolitik der Elektrizitätsversorgungsunternehmen beeinflussen. Der Bundeswirtschaftsminister hat eine Arbeitsgruppe Elektrizitätswirtschaft, die sich aus Ingenieuren, Volkswirten und Juristen zusammensetzt, m i t der Aufgabe betraut, eine neue politische Konzeption zu erarbeiten. I h r Arbeitsprogramm steht unter der Zielsetzung „soviel Wettbewerb wie möglich, ohne die langfristige, preisgünstige und sichere Versorgung der Verbraucher zu gefährden". Diese Zielsetzung entspricht nicht dem System einer reinen Marktwirtschaft, sondern — u m m i t Huber 1 1 zu sprechen — dem System einer „gemischten W i r t schaftsverf assung" 12 . Nach der Themenstellung sollte das Verhältnis des Staates zur Energie am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen beleuchtet werden, und zwar sollten vornehmlich die rechtlichen Aspekte des Verhältnisses von Staat zur Energie dargestellt werden. Wie meine zwangsläufig skizzenhaften Ausführungen gezeigt haben dürften, liegt das Schwergewicht der Energiepolitik und -gesetzgebung beim Bunde. Die Länder vermögen auf seine Politik und die ihr folgende Gesetzgebung auf ministerieller Ebene und über den Bundesrat Einfluß zu nehmen. Daß Nordrhein-Westfalen als das Land m i t der größten Energieerzeugung und dem größten Energieverbrauch i n der Bundesrepublik diese Einflußnahme versucht, liegt auf der Hand. So bemüht sich Nordrhein-Westfalen, zu den Arbeiten an einer neuen energiepolitischen Konzeption i m Bunde einen Beitrag zu leisten durch die Ausarbeitung einer Denkschrift aus der Schau des Landes Nordrhein-Westfalen. Größere Möglichkeiten der M i t w i r k u n g bieten sich auf dem Verwaltungssektor, da die Länder die Bundesgesetze auf dem Gebiete der 11 E. R. Huber, Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, i n D Ö V 1956, S. 101. 12 Vgl. zu dem streitigen Thema „Grundgesetz u n d Wirtschaftsordnung" neuestens Hensel i n ORDO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft u n d Gesellschaft, Bd. X I V .

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Energiewirtschaft als eigene Angelegenheiten ausführen 13 . I n dieser Eigenschaft stehen den Ländern gemäß A r t . 84 GG u. a. die Aufsicht über die Energieversorgungsunternehmen sowie die Bildung und Uberwachung von Preisen bei verschiedenen Energiearten (ζ. B. Strompreise) zu. Grundsätzlich gilt für die Elektrizitätswirtschaft noch die Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen vom 26.11.1936 14 und entsprechend auch die Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform vom 25. 6.1948 15 , die die geltenden Preisvorschriften für Elektrizität als Höchstpreisvorschriften deklariert hat. Indessen sind — i m Sinne einer teilweisen Wiederherstellung der seit 1936 suspendierten Vertragsfreiheit — die rechtlichen Möglichkeiten einer Einflußnahme auf die Strompreise durch folgende Rechtsverordnungen des Bundesministers für Wirtschaft eingeschränkt worden: 1. VO PR Nr. 18/52 über die Preise für elektrischen Strom vom 26. 3. 19521®. M i t dieser Verordnung wurden die auf Kohle und Lohn bezogenen Preisänderungsklauseln i n Sonderabnehmerverträgen zur Anwendung und Neuvereinbarung freigegeben. Lediglich die Ausgangswerte und die zugehörigen Bedingungen unterliegen unmittelbar noch den preisrechtlichen Bestimmungen. Soweit daher die Versorgungsunternehmen beabsichtigen, i m Zug der jüngsten Kohle- und Lohnkostenerhöhung ihre vertraglichen Preisänderungsklauseln i n Anspruch zu nehmen, können sie dies grundsätzlich i n eigener Zuständigkeit und nach eigenem Ermessen tun. 2. VO PR Nr. 3/53 vom 30. 1. 195317 über Preise für elektrischen Strom. Hiernach sind Preisvorschriften auf die Grundpreise für gewerbliche und landwirtschaftliche Abnehmer nach der Tarifordnung für elektrische Energie vom 25. 7.1938 18 nicht mehr anzuwenden. Dagegen sind die Grundpreise für Haushaltsabnehmer sowie die Arbeitspreise für Haushalt, Gewerbe und Landwirtschaft, ferner die Tarife für Kleinstabnehmer und Nachtstrom preisrechtlich noch gebunden. Erst bei offensichtlichem Mißbrauch der Marktstellung seitens der Versorgungsunternehmen durch die Forderung überhöhter Preise und Bedingungen oder bei nachweislicher Gefährdung und ernsthafter Störung des gesamten Preisstandes sind gewisse Eingriffsmöglichkeiten seitens der Preis-, Energie- und Kartellaufsicht gegeben. I n Frage kommen hier i n erster Linie die Bestimmungen des § 2 Preisgesetz vom 13 14 15 16 17 18

A r t . 83 GG. RGBl. I S . 955. W i G B l . 1948 S. 61. BAnz. Nr. 62. BAnz. Nr. 21. RGBl. I S . 915.

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10. 4. 1948/23. 3. 195119, § 2 a Wirtschaftsstrafgesetz vom 9. 7. 1954/ 21.12.1962 20 , §§ 22, 103 und 104 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27. 7. 195721, §§ 6 bis 8 Energiewirtschaftsgesetz vom 13. 12. 193522. Nach diesem kurzen Exkurs über das Thema Staat und Energie möchte ich mich dem Verhältnis von Staat und Verkehr zuwenden. II. Der Verkehr in seiner engeren spezifischen Bedeutung ist ein Ausschnitt aus der Wirtschaft, nämlich die Gesamtheit der Vorgänge, die i m Bereiche der Wirtschaft der Raumüberwindung dienen 23 . Verkehr i n diesem Sinne umfaßt den Transport von Personen, Gütern und Nachrichten i n jeder Form zu Wasser, zu Lande und i n der Luft. Der Verkehr ist die notwendige Basis für eine entwickelte Volkswirtschaft; er ist Grundlage eines Systems, das w i r als Volkswirtschaft bezeichnen. Die moderne Verkehrswirtschaft ist ein Produkt der neuzeitlichen Verkehrsentwicklung. Unter Verkehrspolitik ist die Gestaltung des Verkehrs durch die öffentlich-rechtlichen Körperschaften — die Gebietskörperschaften Bund und Länder stellen bekanntlich die höchste Stufe der Körperschaften des öffentlichen Rechts dar — und die Verbände zu verstehen 24 . Die Verkehrspolitik ist ein integrierender Teil der Gesamtpolitik und unterliegt den hier wirkenden Ideen und gestaltenden Kräften. I m Sinne des Art. 65 GG gelten daher auch für die Verkehrspolitik die allgemeinen Richtlinien der Politik. Innerhalb dieses Rahmens sind i h r jedoch spezifisch eigene Aufgaben gestellt, die sich aus der lebenswichtigen Bedeutung des Verkehrswesens für Staat, Volk und Wirtschaft ergeben. Die Aufgaben, die der Staat auf wirtschaftlichem Gebiet zu erfüllen hat, sind auf dem Verkehrssektor besonders ausgeprägt. I n keiner entwickelten Volkswirtschaft gibt es eine vom Staat unbeeinflußbare Verkehrswirtschaft. Bei der tragenden Bedeutung des Verkehrs für die Volkswirtschaft erscheint ein liberales Konzept staatlicher Abstinenz nicht möglich 25 . Wegen der Basisfunktion des Verkehrs für die Wirtschaft ist keine moderne Volkswirtschaft ohne ein intaktes Verkehrswesen 19

W i G B l . S. 27/BGB1.1 S. 223. B G B l . I S . 761. 21 B G B l . I S. 1081. 22 RGBl. I S. 1451. 23 Predöhl, Verkehrspolitik, 1958, S. 9. 24 Predöhl, a. a. O. 25 Vgl. Schroiff, Staat u n d Verkehr, i n Festschrift f ü r Otto Most „Verkehr u n d Wirtschaft" S. 172; Seidenfuß, Rationale Verkehrspolitik i n Z f V W 1958, S. 190. 20

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funktionsfähig; deshalb kann der Staat den Verkehr nicht sich selbst überlassen. „ I n einem modernen Staatswesen gehört die Sicherstellung geordneter Verhältnisse i m öffentlichen Verkehr zu den für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgütern, zu den unabwälzbaren Gemeinschaftsaufgaben 2®." Die Daseinsvorsorge des Staates führt zu seiner Betätigung i m Verkehr. Die Grenzen dieser staatlichen Betätigung hängen von der Staats- und Wirtschaftsverfassung ab. Der Staat korrigiert m i t ordnungspolitischen Vorstellungen die Ergebnisse des Marktes. I n den Aufgaben, die dem öffentlichen Verkehr „zum Nutzen des Volkes und der Wirtschaft" gestellt werden, sind alle regelnden Eingriffe des Staates begründet, mögen sie auf Schutz und Förderung der Lebens- und Wirkungsmöglichkeiten der volkswirtschaftlich unentbehrlichen Verkehrsträger oder auf Einschränkung des jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen wesenseigenen Gewinnstrebens hinausgehen 27 . Kein Staat m i t kapital- und arbeitsintensiver Wirtschaft kann auf eine aktive Verkehrspolitik verzichten. I n der Bundesrepublik ist dieser Staat der Bund, der die Grundlinien der Verkehrspolitik bestimmt und hierbei auf einzelnen Verkehrssektoren die Zuständigkeit der Länder zu beachten hat. Je mehr sich der Verkehr entfaltet, je mehr Verkehrsmittel i m Zuge der technischen Entwicklung auf dem Verkehrsmarkt erscheinen und damit den Verkehr immer komplexer und spezieller gestalten, desto notwendiger w i r d eine verkehrspolitische Gesamtkonzeption. Sie bedeutet ein für die Gesamtheit aller verkehrspolitischen Handlungen und Maßnahmen geltendes Leitbild, das jedoch nur auf die Dauer anzustrebende Endziele enthalten kann 2 8 . Die oberste Pflicht des Staates ist es, die größtmögliche Sicherheit bei der technischen Durchführung des Verkehrs zu gewährleisten. Diese Sicherheit erstreckt sich auf den Zustand der Verkehrswege, die Sicherheitsanforderungen an die Fahrzeuge und die Verhaltungsmaßnahmen der Menschen i m Verkehr. Die weiteren Probleme, die sich dem Staat auf dem Gebiete des Verkehrs stellen, kann man einteilen i n Aufgaben der Ordnungspolitik und Strukturpolitik. Die ordnungspolitischen Maßnahmen erklären sich aus den Besonderheiten des Verkehrs 29 . Bei der komplexen Struktur des Verkehrswesens und der Vielfalt der nebeneinander bestehenden Verkehrs26

U r t e i l B V G v o m 10.3.1954, zitiert bei Schroiff, a. a. O. Vgl. Most, Staats- u n d Privatunternehmen i n der Verkehrswirtschaft, 1953, S. 3. 28 Vgl. Beine, Die Bedeutung der Verkehrsplanung i n der Verkehrspolitik, i n : Der Generalverkehrsplan i n Stadtgebieten, Bd. X der Buchreihe der A r beits« u n d Forschungsgemeinschaft f ü r Straßenverkehr u n d Verkehrssicherheit, Köln. 29 Vgl. Die Besonderheiten des Verkehrs, Studie, erarbeitet v o n den E W G Verkehrsreferenten der Bundes-Länder, Sept. 1963 (nicht pubi.). 17

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formen und Verkehrssysteme werden aus unterschiedlichen Zielsetzungen ordnungspolitische Maßnahmen erforderlich, u m dem Mißbrauch monopolistischer Machtstellung zu begegnen und u m ruinösen Wettbewerb zu verhindern. I m Zusammenhang m i t der Verkehrslenkung kommt der Strukturpolitik besondere Bedeutung zu. Der Staat ist bestrebt, das Verkehrswesen durch strukturpolitische Maßnahmen auf bestimmte Ziele der Volkswirtschaft auszurichten. Er ist bemüht, m i t verkehrspolitischen Mitteln allgemeine Ziele wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und militärischer Natur zu erreichen 30 . Nach diesen einleitenden Bemerkungen über die Rolle des Staates i m Verkehrswesen und über die Verkehrspolitik, ihre Möglichkeiten und Maßnahmen, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der verkehrspolitischen Konzeption der Bundesrepublik. Während i n den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die entscheidende Aufgabe zu lösen war, der Bevölkerung und der Wirtschaft den von i h r benötigten und angeforderten Transportraum zeitgerecht und kontinuierlich i n angemessener Form zur Verfügung zu stellen, wurde zu Beginn der 2. Legislaturperiode des Bundestages (1953) i n Wissenschaft und Praxis lebhaft die Frage nach der verkehrspolitischen Theorie erörtert 31 . Aus den angedeuteten Gründen hat die Bundesrepub l i k sich der Ansicht angeschlossen, daß es i m Verkehrswesen nicht angängig ist, allein dem „Marktautomatismus" zu vertrauen, sondern daß pragmatisch vorzugehen ist. Sie hat sich deshalb bemüht, eine eigenständige Verkehrspolitik — eine Politik sui generis — zu entwickeln i n dem Bestreben, soviel Freiheit wie möglich zu gewähren und dort staatliche Ordnung zu setzen, wo diese nicht entbehrt werden kann. M i t großer Prägnanz hat die Regierungserklärung vom 20.10.1953 zwei zentrale Aufgaben umrissen: Eine wirtschaftlich zweckmäßige Neuordnung i m gesamten Verkehrsbereich und einen ausreichenden Schutz des Menschen i m ständig wachsenden Verkehr, vor allem i m Straßenverkehr; also ordnungspolitische Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen des Staates. I n der Regierungserklärung vom 29.10.1957 — also zu Beginn der 3. Legislaturperiode — wurde eine Fortsetzung dieser Verkehrspolit i k verkündet, ergänzt durch konkrete Hinweise auf einige i n einzelnen Verkehrszweigen zu treffende besonders dringliche Maßnahmen. Demnach waren und sind — systematisch betrachtet — drei große komplexe Aufgaben zu lösen: 1. Der Ausbau und Neubau von Verkehrsanlagen und Verkehrseinrichtungen — das Investitionsproblem; 80

Vgl. Predöhl, a. a. O., S. 298 ff. Vgl. u. a. Seebohm, Grundsätze der deutschen Verkehrspolitik; Predöhl, Marktwirtschaft i m Verkehr, i n : Der Volkswirt, 1954, N r . 28; ders., V e r kehrspolitik, S. 265 ff. 81

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Reinhard Beine 2. Die volkswirtschaftlich sinnvolle Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der Verkehrsträger — das Ordnungsproblem; 3. Der Schutz der Menschen i m ständig wachsenden Verkehr, besonders i m Straßenverkehr — das Problem der Verkehrssicherheit

Die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn ist, obwohl sie einige Sonderfragen aufwirft, i m wesentlichen ein Teil der beiden ersten Probleme. Einen starken Impuls erhielt das Reformwerk durch den Bericht der Prüfungskommission für die Deutsche Bundesbahn vom 13.10.1960 (sogenannter Brand-Bericht). A u f Grund dieses Berichts wurde von der Bundesregierung ein Sofortprogramm erstellt mit dem Ziel, insbesondere dem marktwirtschaftlichen Denken und Handeln i m Bereich des Binnenverkehrs künftig mehr Raum zu geben als bisher. Danach sind drei Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung: 1. Die vom Staat gesetzten oder beeinflußten Arbeitsvoraussetzungen vor allem für die Eisenbahnen, die Binnenschiffahrt und den Straßenverkehr, auch Startbedingungen genannt, werden soweit wie möglich harmonisiert; 2. Die DB ist künftig mehr als bisher wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen; vor allem w i r d ihre Gemeinwirtschaftlichkeit neu abgegrenzt, um die ihre Wettbewerbsposition besonders belastenden Erschwernisse zu beseitigen oder entscheidend zu mindern; 3. Die bisherigen Grundsätze für die Bildung der Tarife werden aufgelockert; die drei binnenländischen Verkehrsträger sollen gleichermaßen eine eigene Initiative bei der Gestaltung der Beförderungsentgelte entfalten können. Nach dieser rohen Skizzierung der tragenden Ideen der deutschen Verkehrspolitik ergibt sich die weitere Frage, welchen Niederschlag diese Verkehrspolitik i n der Verkehrsgesetzgebung gefunden hat. Dabei folge ich der durch die Regierungserklärung vom 29.10.1957 aufgezeigten Methodik: S t r u k t u r - ( = Investitions-)Politik, Ordnungspolitik und Sicherheitspolitik. Neben einer statischen gibt es eine dynamische Strukturpolitik; der Staat w i l l durch verkehrspolitische Investitionen die Struktur der Volkswirtschaft ändern 32 . Da sich der Wachstumsprozeß der Wirtschaft nicht gleichmäßig vollzieht, müssen die Wirtschaftsinvestitionen immer wieder m i t den Verkehrsinvestitionen abgestimmt werden. Der Staat hat die wichtige Frage zu entscheiden, inwieweit die Verkehrsanlagen dem technischen Fortschritt anzupassen sind. Er hat dafür zu sorgen, daß der Verkehrsapparat m i t seinen außerordentlich kapitalintensiven Verkehrsanlagen richtig dimensioniert ist, w e i l von dem befriedigenden Funktionieren des Verkehrswesens der normale Ablauf des gesamten 32

Vgl. Predöhl, a. a. O., S. 269, 309 ff.

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Wirtschaftsgeschehens abhängt. Der Staat hat deshalb die Investitionen der unterschiedlichen Investoren auf dem Gebiet der Infrastruktur zu koordinieren. Dynamische Strukturpolitik auf dem Gebiete des Verkehrs ist also primär ein Investitionsproblem 33 . Die Leistungsfähigkeit der Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel ist für das Leben eines Volkes von fundamentaler Bedeutung. Der regelmäßige Austausch von Gütern und Leistungen i n der Volkswirtschaft beruht vor allem auf einem funktionsfähigen Geldwesen und einem funktionierenden Verkehrswesen 34 . I n dieser Erkenntnis und bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung und den stürmischen technischen Fortschritt nach dem 2. Weltkriege haben Bund, Länder und Gemeinden i n steigendem Maße Investitionsmittel für den Aus- und Neubau von Verkehrsanlagen zur Verfügung gestellt. Die erste Gesetzgebungsaufgabe auf dem Gebiete des Straßenwesens nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erstreckte sich auf die Uberleitung der seit 1945 treuhänderisch von den Ländern wahrgenommenen Straßenbauaufgaben auf den Bund. Zur Ausführung des Art. 90 GG erging unter dem 2. 3.1951 das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Es regelte den Eigentumsübergang und übertrug dem Bund die Straßenbaulast für die Bundesautobahnen und für die Bundesstraßen. Der Einheit von Eigentum und Straßenbaulast entsprach jedoch noch nicht die Einheitlichkeit des für sie geltenden materiellen Rechts. Deshalb wurde am 6. 8. 1953 das Bundesfernstraßengesetz erlassen, i n dem erstmalig ein über die Ländergrenzen hinweg gültiges allgemeines Wegerecht geschaffen wurde. Unter Wahrung der in jahrzehntelanger Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsinstitute, wie Straßenbaulast, Widmung, Gemeingebrauch und Sondernutzung, wurden planungsund baurechtliche Vorschriften aus dem früheren Reichsautobahngesetz übernommen und i n Anlehnung an die verwandten Rechtsgebiete des Eisenbahn- und des Allgemeinen Baurechts und i n Anpassung an die geänderten verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse zu modernen Rechtsgebilden geformt 35 . Das Bundesfernstraßengesetz hat sich i n der Praxis bewährt und hat unter anderem als Vorbild gedient für das Straßengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.11.1961 36 , das die Rechtsverhältnisse der Land-, Kreis- und Gemeindestraßen sowie der sonstigen öffentlichen Straßen i n Nordrhein-Westfalen regelt. 83

Vgl. Beine, a. a. O., S. 11. Alfons Schmitt, Uber einige Grundfragen der Verkehrstheorie, i n der Festgabe f ü r Adolf Weber „Wirtschaftstheorie u n d Wirtschaftspolitik", 1951, S. 273 f. 35 Vgl. Die Verkehrspolitik i n der Bundesrepublik Deutschland 1949—61, Schriftenreihe des Bundesministers f ü r Verkehr, Bd. 22, S. 222 ff. 30 G V Nordrhein-Westfalen 1961, S. 305. 34

5 Speyer 22

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Bei der Bestimmung der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen durch die Länder ist das Grundgesetz 37 dem Vorbild der Verwaltung der früheren Reichsstraßen gefolgt. Bei der Auftragsverwaltung bleibt die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Angelegenheit der Länder. Die Bundesregierung hat lediglich von der Befugnis Gebrauch gemacht, den Verwaltungsvollzug i m Wege allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu regeln. Eine dynamische Verkehrs-(Infrastruktur-)politik i n der Bundesrepublik hat — abgesehen von haushaltsrechtlichen Schwierigkeiten — auch dadurch Hemmnisse zu überwinden, daß die Entscheidung über die ortsfesten Verkehrsanlagen nicht immer i n einer Hand liegt. So hat — bezogen auf Nordrhein-Westfalen — der Bund die Baulast für die Autobahnen und die Bundesstraßen, während Träger der Straßenbaulast für die Landstraßen die Landschaftsverbände, für die Kreisstraßen die Landkreise sowie kreisfreien Städte und für die Gemeindestraßen die Gemeinden sind. Das gilt nicht für Ortsdurchfahrten, soweit für diese die Straßenbaulast besonderen Bestimmungen folgt. Planung und Finanzierung der Maßnahmen zur Anpassung des Bundesfernstraßennetzes an die Bedürfnisse des wachsenden Kraftverkehrs erforderten auch besondere Rechtsgrundlagen. Genannt seien beispielhaft das Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. 7. 1957, das Verkehrsfinanzgesetz 1955 und das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28.3.1960. Der erste langfristige Ausbauplan nach dem Gesetz vom 27. 7. 1957 soll i n drei aufeinanderfolgenden Vierjahresplänen, also von 1959 bis 1971 verwirklicht werden. I m gleichen Jahre 1957 hat das Land Nordrhein-Westfalen einen Zehn jahresplan für den Neu-, Um- und Ausbau der Land- und Kreisstraßen mit einem Gesamtvolumen von etwa 2,5 Mrd. D M aufgestellt. Er wurde nicht i n Gesetzesform gekleidet, w e i l die Rechtsansicht vertreten wurde, daß technische Pläne nicht Gegenstand gesetzlicher Normen sein können. Dieser Zehn jahresplan w i r d zur Zeit überarbeitet und der neuesten Verkehrsentwicklung angepaßt. I n der 3. Legislaturperiode ist m i t dem Erlaß des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. 3. 1960 ein entscheidender Schritt zur Finanzierung des Baues von Autobahnen und Bundesstraßen dadurch getan worden, daß das gesamte Mineralölsteueraufkommen — von einem Sockelbetrag und einigen gesetzlich genau festgelegten weiteren Beträgen abgesehen — den Zwecken des Bundesfernstraßengesetzes zugeführt wird. Zur Förderung des Neu-, Um- und Ausbaues sowie der Unterhaltung der Land-, Kreis- und Gemeindestraßen wendet das Land Nordrhein-Westfalen die gesamte vereinnahmte Kraftfahrzeugsteuer und weitere Steuereinnahmen auf. 37

A r t . 90 Abs. 2.

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Für den Ausbau der Bundeswasserstraßen hat der Bundesminister für Verkehr einen 1. Vier jahresplan für die Zeit von 1959 — 1962 aufgestellt; weitere Mehrjahrespläne folgen. Da w i r der Auffassung sind, daß die Binnenwasserstraßenpolitik des Bundes aktiviert werden muß und die vorgesehenen Haushaltsmittel des Bundes für die Binnenwasserstraßen i n Nordrhein-Westfalen unzureichend sind, haben w i r eine Denkschrift über die Schiffahrtspolitik i n Nordrhein-Westfalen erarbeitet, die zur Zeit dem Kabinett zur Genehmigung vorliegt. I h r Sinn und Zweck soll sein, den Ausbau volkswirtschaftlich wichtiger Wasserstraßen und Häfen zu fördern. Die Deutsche Bundesbahn hat 1956 ein langfristiges Investitionsprogramm entworfen. I n der 3. Legislaturperiode (1957—1961) ist ein Vierjahresplan zur weiteren Rationalisierung und Modernisierung der Anlagen der Deutschen Bundesbahn entwickelt worden, der 1961—1964 realisiert werden soll. Er sieht u. a. die Elektrifizierung von 2077 k m Strecken vor. Obgleich die ausschließliche Gesetzgebung über die Bundeseisenbahnen beim Bunde liegt 3 8 und die finanzielle Unterstützung der Deutschen Bundesbahn als nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Bundes nach dem Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn vom 2. 3. 1951 und dem Bundesbahngesetz vom 13. 12. 1951 seine Angelegenheit ist, hat das Land NordrheinWestfalen — wie auch andere Länder — die Deutsche Bundesbahn mit zinsbegünstigten langfristigen Darlehen zur Förderung der Elektrifizierung der in Nordrhein-Westfalen gelegenen wichtigsten Bundesbahnstrecken unterstützt. Die m i t Zustimmung des Landtages zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Bundesbahn abgeschlossenen Abkommen und Zusatzverträge sehen die Elektrifizierung von etwa 1800 k m Bundesbahnstrecken i n der Zeit von 1952 bis 1970 vor. Die Umstellung von der Dampfkraft auf die elektrische Traktion hat erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung, weil der Verkehr mit elektrischen Loks und Triebwagen schneller, dichter, bequemer, billiger ist und zur Reinigung der L u f t beiträgt. Wegen des öffentlichen Verkehrsinteresses fördert Nordrhein-Westfalen auch die Umstellung der nichtbundeseigenen Eisenbahnen von der Dampfkraft auf den Dieselbetrieb und die Anlage von U-Straßenbahnen zur Entlastung des Verkehrs i n den Großstädten. Langfristige Ausbaupläne von Verkehrsanlagen können nicht nach bloßen Annahmen und Vermutungen entworfen werden. Obgleich der Bundesminister für Verkehr seine Infrastrukturpläne sorgfältig vorbereitet und insbesondere die Dringlichkeit der zu berücksichtigenden einzelnen Bauvorhaben vorher eingehend und nach objektiven Kriterien 38

5*

A r t . 70 Ziff. 6 GG.

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geprüft hat, ist unser Land der Auffassung, daß der Verkehrsplanung als Instrument der Verkehrspolitik und vornehmlich der Infrastrukturpolitik noch größeres Gewicht beizumessen ist. Darum arbeiten w i r zur Zeit an einem Generalverkehrsplan, der die Voraussetzung dafür schaffen soll, daß m i t geringstem volkswirtschaftlichen Aufwand ein Verkehrsoptimum erreicht wird, das die bestmögliche Verkehrsleistung für unsere Wirtschaft und die höchstmögliche Verkehrssicherheit für jeden Verkehrsteilnehmer gewährleistet. Die Methodik dieses Generalverkehrsplanes hat nach Möglichkeit sicherzustellen, daß 1. die Verkehrsinvestitionen dem Bedarf entsprechen, 2. die Investitionen einen wirtschaftlichen Betrieb erlauben und 3. kostendeckende Verkehrsentgelte unsere Volkswirtschaft nicht benachteiligen 39 . Die gestaltende K r a f t des Staates auf dem Gebiete des Verkehrs und ihr Leitbild erfaßt als weitere prinzipielle Komponente die Ordnungsaufgabe. Das staatliche Ordnungsdenken läßt sich heute m i t den Worten „mehr Wettbewerb" kennzeichnen. U m dieses Ziel zu erreichen, gilt es, die Wettbewerbsvoraussetzungen der drei klassischen Verkehrsträger Schiene, Straße und Binnenschiffahrt einander anzunähern, die Gemeinwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn neu abzugrenzen und sie mehr als bisher wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen sowie die bisherigen Grundsätze für die Tarifbildung aufzulockern. Der Staat steht vor der schwierigen Aufgabe, die Verkehrsmärkte m i t tunlichst marktwirtschaftlichen Ordnungskräften so zu regulieren, daß die den einzelnen Verkehrsmitteln immanenten Kräfte zur Wirkung kommen und den ökonomischen Tendenzen der einzelnen Verkehrsmittel so wenig wie möglich entgegengetreten wird 4 0 . Die in der Bundesrepublik in der 1. Legislaturperiode erlassenen Verkehrsgesetze, wie z.B. das Bundesbahngesetz, das Bundesfernstraßengesetz, das Güterkraftverkehrsgesetz, das Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffahrtsverkehr — u m nur einige wichtige Ordnungsgesetze zu nennen — haben — i m ganzen gesehen — den binnenländischen Verkehr zwar nicht den Selbststeuerungskräften des Marktes überlassen, aber auch nicht einer ausschließlich staatlichen Ordnung unterworfen. Vielmehr ist ein mittlerer Weg zur verkehrskonformen Lösung des Problems eingeschlagen. Diese Ordnung wurde gesichert durch eine Kontrolle der Zulassung zum Markt und durch die Bindung der Beförderungspreise an die behördliche Genehmigung. U m die zum Teil sehr unterschiedlichen Wettbewerbsvoraussetzungen i m binnenländischen Verkehr zu harmonisieren, erscheint es notwendig, den Grundsatz zu verwirklichen, daß jeder Verkehrszweig seine Wege39 40

Vgl. i m einzelnen Beine, a. a. O., S. 15 if. Predöhl, a. a. O., S. 272 ff.

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kosten selbst tragen soll. Während ζ. B. die Eisenbahnen für ihr Schienennetz und die ortsfesten Anlagen selbst aufkommen, haben die Verkehrsunternehmen i m Straßenverkehr, i n der Binnenschiffahrt und i m L u f t verkehr nur für den Kauf und den Betrieb der Verkehrsgeräte zu sorgen. Ein erster Schritt zur Lösung dieses schwierigen Problems wurde durch den Erlaß des sogenannten Verkehrsfinanzgesetzes 1955 getan, das unter anderem die Mineralölsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer für die schweren Nutzfahrzeuge, die i n verkehrswirtschaftlicher Betrachtung als Wegekostenabgaben gelten können, erhöhte. Weitere Zuschläge für diese Steuern sieht das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. 3. 1960 vor. Die Gebühren auf den abgabepflichtigen Binnenwasserstraßen w u r den in den letzten Jahren wesentlich angehoben, um die Binnenschifffahrt stärker zu den Wegekosten heranzuziehen. Der Bund und die EWG 4 1 bemühen sich seit geraumer Zeit, eine brauchbare Methodik zu finden, die bei allen Verkehrsträgern zu vergleichbaren Daten über die Wegekostenbelastung führt. Außer zu den Wegekosten werden die drei binnenländischen Verkehrsträger auch unterschiedlich zu den einzelnen Steuern, wie Beförderungsteuer- oder Umsatzsteuer, Grund- und Gewerbesteuer, herangezogen. Der Bundesminister für Verkehr hat einen quantifizierten Steuerrechtsnormenvergleich erarbeiten lassen, auf Grund dessen ein gesetzlicher Ausgleich herbeigeführt werden soll. Die betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn sollen auf den Bundeshaushalt übernommen werden. Diese und andere Maßnahmen zur Harmonisierung der Startbedingungen sollen kumulativ wirken und der Entfaltung eines gesunden Wettbewerbs i m binnenländischen Verkehr dienen. Die tarifpolitische Neuordnung, die wesentlich dazu beitragen soll, einen angemessenen Wettbewerb i m Binnenbereich zu fördern, muß i n ihrer Zielsetzung ständig auf die verkehrspolitische und die allgemeine wirtschaftspolitische Konzeption abgestimmt werden. Der Staat muß bestrebt sein, die Preise der einzelnen Verkehrsmittel zu koordinieren, damit eine ökonomisch sinnvolle Arbeitsteilung herbeigeführt wird. Soweit Kostenverzerrungen bestehen, die zu Wettbewerbsverfälschungen führen, sind sie zu beseitigen. Nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vom 29. 3.1951 liegt die Hoheit über die Tarife der Deutschen Bundesbahn und über die Gemeinschaftstarife der Deutschen Bundesbahn mit den nichtbundeseigenen Eisenbahnen beim Bund. Nach dem Güterkraftverkehrsgesetz hat der Bundesminister für Verkehr die Tarife für den gewerblichen Güter41 Vgl. Vorschlag der Kommission der E W G v. 10. 5. 63 zu einer Entscheidung des Rates bezüglich der Durchführung einer Enquete zur E r m i t t l u n g der Wegekosten der Eisenbahnen, des Straßenverkehrs u n d der Binnenschiffahrt — Dok. R/405/64 (TRANS 17).

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verkehr m i t Kraftfahrzeugen durch Rechtsverordnung festzusetzen. I m gewerblichen Güternahverkehr ist unter dem 1.2.1959 ein Tarif für den Güternahverkehr m i t Kraftfahrzeugen (GNT) erlassen worden, der M i n dest-Höchsttarife (Margentarife) enthält. § 15 (1) GNT ermächtigt die Länder zum Erlaß von Landessondertarifen. Nordrhein-Westfalen hat von dieser Ermächtigung i n solchen Fällen Gebrauch gemacht, i n denen die tarifliche Differenzierung des GNT nicht genügte. Nach dem Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. 10. 1953 werden die Beförderungsentgelte der Binnenschiffahrt i m nationalen Verkehr durch Frachtenausschüsse beschlossen, die der Genehmigung durch den Bundesminister für Verkehr bedürfen. Nach dem geltenden Personenbeförderungsrecht bedürfen die Entgelte für die Beförderung von Personen i m öffentlichen Nahverkehr mit Straßenbahnen, Bussen und O-Bussen i n Nordrhein-Westfalen der Genehmigung durch den zuständigen Regierungspräsidenten. Sie erfolgt i m Einzelfall nach Abstimmung m i t dem Landesverkehrsminister aus Koordinierungsgründen. Auf Grund der Konzeption der Bundesregierung, daß eine beweglichere Gestaltung der Tarife und ein in seinen Grenzen beschränkter Preiswettbewerb zwischen den Binnenverkehrsträgern durchaus vertretbar sei, sind die unter dem 1. 8.1961 verkündeten Novellen zu den Verkehrsgesetzen vom Bundestag und Bundesrat erlassen worden. Sie sehen eine Einschränkung der Koordinierungsbefugnisse des Bundesministers für Verkehr vor. Die Gütertarife sollen künftig Fest- oder Margentarife sein. Dem Güterkraftverkehr ist ein formelles Tarifantragsrecht eingeräumt worden, um dadurch eine Angleichung an die Tarifbildung bei den Eisenbahnen und der Binnenschiffahrt zu erreichen. Die Verkehrsträger können nunmehr i m Rahmen des ihnen durch die Verkehrsgesetze eingeräumten Tarifbildungs- und Tarifantragsrechts ihre Beförderungsentgelte mehr als bisher auf ihre besondere Leistungsfähigkeit und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse abstellen. Sie tragen dazu bei, daß der Wettbewerb durch Auflockerung des Preisgefüges i m Verkehr belebt und dem Preis dadurch mehr als bisher eine marktregelnde Funktion gegeben wird. A u f diese Weise können sich i n einem lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander marktgerechte Entgelte entwickeln. Es ist eine elementare Pflicht des Staates, durch entsprechende Gesetze und Verordnungen die Sicherheit i m Verkehr zu regeln. Diese Sicherheit erstreckt sich i m wesentlichen auf drei Faktoren: die Verhaltungsmaßnahmen der Verkehrsteilnehmer, den Zustand des Verkehrsweges und die Anforderungen an das Verkehrsgerät 42 . Eine der vordringlichen Aufgaben des Bundesministeriums für Verkehr seit 1949 « Vgl. auch Schroiff, a. a. O., S. 178.

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bestand darin, das Verkehrsrecht den sich ständig ändernden Gegebenheiten auf der Straße, der ansteigenden Unfallentwicklung und den internationalen Regelungen anzupassen. Das erforderte eine umfassende Neubearbeitung des Straßenverkehrsrechts. Gestatten Sie mir, aus dieser Gesetzgebung einige Beispiele aufzuzeigen, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind. Bereits die VO zur Änderung der StVZO vom 25.11'. 1951 hatte zum Ziel, die Benutzung der Straßen durch Kraftfahrzeuge m i t ihrer Leistungsfähigkeit i n Einklang zu bringen. Die Abmessungen von Fahrzeugen und Lastzügen erfuhren ihre ersten Einschränkungen. Das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. 12. 1952 übertrug die Zuständigkeit für die Regelung des Straßenverkehrs einheitlich auf den Bundesminister für Verkehr. Die VO zur Ä n derung der StVZO und der StVO vom 24. 8. 1953 paßte die Vorschriften der Entwicklung des modernen Straßenverkehrs an. Die Ermächtigungen der Länder zu verkehrsregelnden und verkehrsbeschränkenden Maßnahmen wurden i m Interesse der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs erweitert. Ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie schwierig es für den Gesetzgeber ist, m i t der technischen Entwicklung Schritt zu halten und die widerstreitenden Meinungen zu koordinieren, bieten die Abmessungen und Gewichte der Nutzkraftfahrzeuge. U m die Sicherheit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs zu verbessern sowie die Straßenbau- und Straßenunterhaltungskosten i n einem vertretbaren Rahmen zu halten, wurden sie durch VO vom 21. 3.1956 herabgesetzt. Die VO beschränkt u. a. die Grenzwerte der Einzelachslast auf 8 t, des Gesamtgewichtes des Lastzuges auf 24 t und der Länge des Lastzuges auf 14 m. Da der grenzüberschreitende Verkehr in Westeuropa ständig zunahm, w a r eine Vereinheitlichung der Abmessungen und Gewichte der Nutzkraftfahrzeuge i m internationalen Verkehr notwendig. Jahrelange Verhandlungen i m Rahmen der Konferenz der europäischen Verkehrsminister (CEMT) führten zu einem Kompromiß, der i n der VO vom 7. 7.1960 m i t Einzelachslast 10 t, Gesamtgewicht des Lastzuges 32 t und Länge 16,5 m fixiert wurde. Nachdem die CEMT sich am 5.10.1960 in Den Haag auf diese Regelung geeinigt hat, die international am 1. 1. 1966 i n Kraft treten soll, ist ihr Inkrafttreten dadurch fragwürdig geworden, daß die Kommission der EWG neue weitergehende Vorschläge gemacht hat, die demnächst i m Ministerrat der EWG behandelt werden sollen 43 .

48 Vgl. Vorschlag der Kommission zu einer Richtlinie des Rates über die Abmessungen u n d Gewichte der zum Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten zugelassenen Nutzkraftfahrzeuge u n d weitere ergänzende B a u - u n d Betriebsvorschriften f ü r diese Fahrzeuge v o m 10. 4. 1963 (Dok. R/316/64 T R A N S

8).

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Das StVG, die StVO und die StVZO sind die wichtigsten gesetzlichen Regelungen des Straßenverkehrs und der Straßenverkehrssicherheit. Die Länder haben durch den Bundesrat an ihrer Gestaltung mitgewirkt. Als Beispiele für ihre Ausführung i n Nordrhein-Westfalen seien nur genannt der Runderlaß betreffend Durchführung des § 29 StVZO vom 25.9.1961 i n der Fassung vom 5.12.196144, der Runderlaß über die Gewährung von Landeszuschüssen zur Errichtung von Verkehrsübungsplätzen für Kraftfahrer vom 17. 5. 196345 und der Runderlaß über Musteranlagen zur Sicherung und Lenkung des Straßenverkehrs vom 5. 8.1963 46 . Diese wenigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen sollen lediglich beispielhaft die Grenzen der Zuständigkeit der Länder zur Ausführung der bundesgesetzlichen Bestimmungen über die Verkehrssicherheit aufzeigen. Aus dieser nur skizzenhaften Übersicht, die sich auf wenige Stichproben beschränken muß, dürfte zu folgern sein, daß die fundamentalen verkehrspolitischen Aufgaben des Staates, als da sind Infrastruktur, Ordnung und Sicherheit prinzipiell zur gesetzlichen Zuständigkeit des Bundes gehören, was ebenfalls für die Energie zutrifft. Wegen der Auswirkungen der Verkehrspolitik der EWG auf die regionale Wirtschaftsentwicklung ist es Aufgabe der Bundesländer, die Behandlung der Fragen des Verkehrs in der EWG aufmerksam zu verfolgen, die Lösungsvorschläge der EWG-Kommission zu prüfen und Stellungnahmen auszuarbeiten, die als Grundlagen für die Meinungsbildung und zur Vorbereitung politischer Entscheidungen i n den Ausschüssen und i m Plenum des Bundesrates dienen können. Aus diesen Erwägungen ist ein Länderausschuß der EWG-Verkehrsreferenten gebildet worden, der sich laufend mit den Arbeiten der EWG-Kommission auf dem Gebiete des Verkehrs befaßt. Seine Ausarbeitungen z.B. zu den „Besonderheiten des Verkehrs" 4 7 sowie zu den Vorschlägen der EWG-Kommission vom 10. 5.1963 betreffend Vereinheitlichung des Genehmigungsverfahrens für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten; Durchführung einer Enquete zur Ermittlung der Wegekosten der Binnenverkehrsträger; Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb der klassischen Verkehrsträger beeinflussen; Einführung eines Margentarifsystems i m Güterfernverkehr der Eisenbahnen, des Straßenverkehrs und der Binnenschiffahrt sowie über die Bildung eines Gemeinschaftskontingents für den Güterkraftverkehr innerhalb der Gemeinschaft und das dabei anzuwendende Verfahren sind von der Konferenz der Verkehrsminister und -Senatoren der Länder gebilligt und dem Bundesmi44 45 46 47

MB1. Nordrhein-Westfalen 1961 S. 1858. MB1. Nordrhein-Westfalen 1963 S. 958. MB1. Nordrhein-Westfalen 1963 S. 1510. A r t . 75 Abs. 1 EWG-Vertrag.

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nister für Verkehr als Material für seine Verhandlungen i m Ministerrat der EWG zugeleitet worden. Die selbständigen gesetzgeberischen Möglichkeiten der Länder auf den Gebieten Energie und Verkehr sind demnach beschränkt. Abgesehen von der nicht zu unterschätzenden M i t w i r k u n g an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat und landesrechtlichen Kompetenzen, die sich ζ. B. i n einem Landeseisenbahn- und Landesstraßengesetz i n Nordrhein-Westfalen manifestieren, besteht die Aufgabe der Länder auf den Gebieten Energie und Verkehr i n der Hauptsache i n der Ausführung von Bundesgesetzen, i n richtungweisender Staatstätigkeit und i n der gestaltenden Verwaltung, die unter anderem die ohne besondere Vorschriften freischöpferische Regelung von Sachverhalten i m öffentlichen Interesse unter Beachtung der durch Gesetz und Recht 48 gebotenen Grenzen umfaßt. Die Tätigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen auf den Sektoren Energie und Verkehr liegt also weniger i n der Rechtsetzung als in der planenden, lenkenden, leitenden und initiierenden Staatstätigkeit, i n der Lenkung und Leitung der Verwaltungsbehörden und i n dem Erlaß von Verwaltungsverordnungen. Sie zeigt sich beispielhaft i n der obersten Aufsicht über die nichtbundeseigenen Eisenbahnen, über die Straßenbahnen sowie die Häfen und Anlegestellen an Binnenwasserstraßen. Schließlich ist von erheblicher Bedeutung die regionale Energie- und Verkehrspolitik, die, geleitet von Vorausschau und Vorsorge, i m Konzert des Bundes und der Länder einen wichtigen Beitrag zur Bundespolitik i m Energie- und Verkehrswesen zu leisten vermag.

48

Vgl. A r t . 20 I I I GG.

Staat und mittelständische Wirtschaft am Beispiel des Landes Baden-Württemberg Von August Breucha

Bei meinem Thema „Staat und mittelständische Wirtschaft" möchte ich zur Vermeidung von Wiederholungen kurzerhand anknüpfen an die Ausführungen von Oberregierungsrat Dr. Schlecht, der m i t wenigen Strichen die historische Entwicklung des Verhältnisses Staat und W i r t schaft vom „laisser faire" bis zur sozialen Marktwirtschaft aufgezeigt hat. Er hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß der Staat ordnend i n das Wirtschaftsgeschehen eingreift und schließlich die Feststellung getroffen, daß Einzelmaßnahmen des Staates i m wirtschaftlichen Leben nur erfolgen dürfen aufgrund einer einheitlichen, langfristigen Konzeption und nicht einfach aus der Tagespolitik. Ich möchte i n dieser Beziehung allerdings glauben: Unser Staat ist heute wieder in derselben Gefahr wie in der Zeit der 20er Jahre, zu zusammenhanglosen Eingriffen getrieben zu werden. Die Feststellung von der Notwendigkeit einer einheitlichen Konzeption bei ordnenden wie fördernden Maßnahmen des Staates i n der W i r t schaft gilt selbstverständlich auch i m Verhältnis zwischen Staat und mittelständischer Wirtschaft. Auch eine spezifische Mittelstandspolitik ist nur möglich aus der Gesamtschau der Wirtschafts- und Sozial- und Steuerpolitik, und unter Aufrechterhaltung der marktwirtschaftlichen Prinzipien. I. Wenn w i r für den Bereich des gewerblichen Mittelstandes die positiven Aufgaben wie auch die Grenzen einer Betätigung des Staates herausstellen wollen, müssen w i r uns klarmachen, was zur mittelständischen Wirtschaft gehört, was sie größenordnungsmäßig, wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch bedeutet. Der Begriff Mittelstand i m Sinn von Mittelschichten muß für solche Überlegungen von vornherein außer Betracht bleiben. Die Mittelschichten umfassen nicht nur die Gruppen der selbständigen Existenzen in Handwerk, Handel, Kleinindustrie und i n den freien Berufen, sondern

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auch die Landwirtschaft und große Teile der unselbständig Beschäftigten, der Angestellten und vielleicht auch der Arbeiterschaft, insbesondere der gut verdienenden Facharbeiter, sofern man Einkommenshöhe, Gleichläufigkeit der Lebensgewohnheiten und das Streben nach Vorsorge zur Daseinssicherung i n der Form der privaten Eigentumsbildung als Begriffsmerkmale für diese breite Bevölkerungsschicht ansieht, die rund 50 % der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik umfaßt. Der Begriff der mittelständischen Wirtschaft ist enger, er beschränkt sich auf die selbständigen Existenzen i m Handwerk, Einzel- und Großhandel, der mittleren und Kleinindustrie, des Hotel- und Gaststättengewerbes, des Verkehrsgewerbes und sonstiger Gewerbegruppen wie Makler, Handelsvertreter usw. Für die Abgrenzung dieser Gruppen nach oben, d. h. gegenüber den Großbetrieben, ist es schwer, einheitliche Merkmale zu finden. Für einzelne Zweige ζ. B. der Industrie mag ein Grenzmerkmal die Zahl von mehr als 500 Beschäftigten oder ein Umsatz von mehr als 15 Millionen DM, eine Mehrzahl von Betriebsstätten usw. bilden. I n anderen Fällen w i r d die Grenze bei viel niedereren Werten zu suchen sein. Je nach der Grenzziehung fallen unter den Begriff einer mittelständischen W i r t schaft i n der Bundesrepublik unter Umständen einzelne Gewerbezweige nahezu hundertprozentig, so ζ. B. 98 % unserer Handwerks- und Verkehrsbetriebe, aber auch nahezu 97 % aller Industrie- sowie Hotel- und Gaststättenbetriebe. Für das Volumen der mittelständischen Wirtschaft i n der Bundesrepublik — einmal rein auf die Zahl der Betriebe abgestellt — mögen folgende Zahlen sprechen: 740 000 = 98 % aller Handwerksbetriebe; 93 % von 91 000 Industriebetrieben haben weniger als 200 Beschäftigte, 97,3 % weniger als 500 Beschäftigte. Von rund 430 000 steuerpflichtigen Einzelhandelsunternehmen gehören 86,6 % zur Umsatzgruppe bis zu 250 000,— D M jährlich oder 98,3 % zur Umsatzgruppe bis 1 Million DM, desgleichen 82,5 % der 117 000 Großhandelsunternehmen. 90 % von 165 000 Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben, von 85 000 Betrieben des Verkehrsgewerbes und rund 180 000 Betrieben des sonstigen Gewerbes sind mittelständisch. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser breiten Schicht läßt sich natürlich nicht durch einfaches Addieren der Zahlen der Betriebe darstellen. Vielmehr muß ergänzend festgestellt werden, daß diesen hohen Zahlen, abgestellt auf die Betriebe, nicht ein ebenso hoher Anteil am Umsatz oder an der Beschäftigtenzahl der betreffenden Gruppe oder der gewerblichen Wirtschaft insgesamt entspricht. So erzielten ζ. B. 1961 i m Bereich der Industrie die 3 % Großbetriebe mit mehr als je 500 Beschäftigten 5 6 % des gesamten Industrieumsatzes und hatten 5 3 % aller Beschäftigten i n ihren Betrieben. Diese Feststellung bestätigt die Richtig-

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keit des Satzes, daß Mittelstandspolitik nur möglich ist i m Rahmen einer Gesamtschau unserer Wirtschaft, schmälert aber nicht die Bedeutung der breiten Gruppe des gewerblichen Mittelstandes. Es legt sich ferner die Frage nahe, ob man den gewerblichen Mittelstand etwa auch nach unten, also gegenüber den Kleinstbetrieben, abgrenzen muß und wo in diesem Fall die Grenze zu ziehen wäre. Die Gruppe der Kleinstbetriebe ist bei fast allen Gewerbezweigen erstaunlich hoch. So hatten beispielsweise 1955 36 o/o aller Handwerksbetriebe ein Brutto-Jahreseinkommen unter 5000 DM. Ich glaube aber, daß für unsere Betrachtung, nämlich der besonderen Aufgaben des Staates gegenüber dem gewerblichen Mittelstand auf eine solche Grenzziehung nach unten verzichtet werden kann. Interessenlage, Schutz- und Förderungsbedürfnisse sind hier wie dort gleich. Allerdings müssen bei der Förderung der Kleinstbetriebe gewisse Grundsätze praktiziert werden, die später noch präzisiert werden sollen. Es muß i n diesem Zusammenhang noch ein Wort dazu gesagt werden, ob der gewerbliche Mittelstand in einer Wirtschaft, die von der Technisierung, Automatisierung und einer nicht zu leugnenden, ja i n gewissem Umfang notwendigen Konzentration geprägt ist, überhaupt eine echte Chance für seine Behauptung i m Markt hat. Es läßt sich i n dieser Richtung anhand von umfangreichem Zahlenmaterial feststellen, daß in den letzten 15 Jahren zwar eine Anzahl unrentabler Kleinstbetriebe aufgegeben wurde und wohl auch i n Zukunft aufgegeben werden muß. Aber eine unverhältnismäßig größere Zahl von solchen Betrieben ist in die Gruppe der Mittelbetriebe aufgestiegen. Ja, — es ist eine allgemeine Tendenz zum größeren Mittelstandsbetrieb festzustellen. Der mittelständische Gewerbebetrieb hat am wirtschaftlichen Aufschwung entsprechend teilgenommen. Die Marktwirtschaft kennt keine zwingende Notwendigkeit, daß durch den technischen Fortschritt der Anteil der Klein- und Mittelbetriebe i m Zug der Betriebskonzentration zurückgehen müßte. Er hat neben unbestreitbaren Nachteilen i m Wettbewerb m i t dem Großbetrieb, z.B. auf dem Gebiet der Massenfertigung oder der Kreditversorgung, auch echte Vorteile gegenüber den Großbetrieben, wie z.B. bessere Übersehbarkeit des Betriebs, leichtere Anpassungsfähigkeit bei Marktveränderungen und an den auch heute noch vorhandenen individuellen Bedarf. Die mittelständische gewerbliche Wirtschaft ist also aufs ganze gesehen durchaus wettbewerbsfähig. Wenn man diese Tatsachen, insbesondere die Größenordnungen der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft vor Augen hält, so w i r d eines klar: Diese Gruppe der selbständigen Existenzen, ihre Familien und der i n ihrem Bereich arbeitenden Menschen stellt i m Gefüge eines Staates eine so breite Schicht und eine so natürliche Stütze einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung dar, daß ein freiheitlich organi-

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sierter Staat schon vom allgemein politischen Standpunkt aus dieser Gruppe nicht indifferent gegenüberstehen und sie dem Marktautomatismus überlassen kann. Der gewerbliche Mittelstand hat ein solches natürliches Gewicht, daß sich der Staat seine organische Einbettung i n das Gesamtgefüge angedeihen lassen muß. So bildet denn auch eine aktive Mittelstandspolitik in den Regierungsprogrammen des Bundes wie auch der Länder, unabhängig von der parteipolitischen Schattierung, einen Angelpunkt. II. Zieht man aus der eben getroffenen Feststellung einige Folgerungen, so lassen sie sich etwa dahin präzisieren: 1. Ziel einer staatlichen Mittelstandsförderung kann i n einer freiheitlichen Marktwirtschaft nicht sein, dem selbständig Tätigen ein bestimmtes Einkommen zu garantieren und wirtschaftliche Existenzen, also auch Zwergbetriebe, unter allen Umständen zu erhalten. Es wäre falsch, eine bestimmte soziologische Struktur nur i m Hinblick auf ein gesellschaftspolitisches Leitbild künstlich, d. h. m i t nicht marktkonformen Mitteln erhalten zu wollen. Ein überwirtschaftlicher Wert w i r d gefährdet, wenn wirtschaftlich die Selbständigkeit nicht mehr aus eigener Kraft erhalten werden kann. Denn dann sind die Eigenschaften, die den überwirtschaftlichen Wert ausmachen, i n Wirklichkeit nicht mehr vorhanden. Ein Treibhausmittelstand kann nicht Ziel einer gesunden Wirtschaftspolitik sein. 2. Aus dem Prinzip des Wettbewerbs ergibt sich ferner auch das Prinzip der Subsidiarität staatlicher Fürsorge oder Fördermaßnahmen. I m Vordergrund muß die Selbsthilfe, zum mindesten der Wille zur Selbsthilfe stehen. Dies ist allerdings leicht gesagt. Die Wirklichkeit sieht leider weitgehend anders aus. I n einer Zeit der wirtschaftlichen Hochkonjunktur war bisher der Weg, über eine Betätigung als Arbeitnehmer i n unselbständiger Stellung zu befriedigendem Einkommen und auch zu entsprechender Altersvorsorge zu gelangen, sicher bequemer und oft auch erfolgreicher als die selbständige Betätigung. Deshalb überrascht es nicht, daß das versorgungsstaatliche Denken heute nicht nur i m sozialen, sondern auch i m wirtschaftlichen Bereich schon erschreckend groß ist. Das Fehlen einer klaren Linie i n unserer Sozial- und Wirtschaftspolitik hat der bedauerlichen Entwicklung i n der Richtung eines Abbaus des Willens zur Selbständigkeit Vorschub geleistet. Der Gedanke der Subsidiarität staatlicher Fürsorge muß aber Leitgedanke auch einer aktiven Mittelstandspolitik sein, wenn diese nicht den festen Boden unter den Füßen verlieren w i l l .

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August Breucha 3. Man darf die Möglichkeiten aktiver Mittelstandspolitik nicht so sehr in den vielleicht stärker ins Auge springenden finanziellen Fördermaßnahmen sehen, vielmehr muß ihr Schwergewicht i n einer entsprechenden Gesetzgebung und Verwaltungspraxis liegen. Jedes Gesetz, sei es auf dem Gebiet der Steuer, der Sozialpolitik oder des Wettbewerbs, muß sorgfältig auf seine Auswirkungen auf den Mittelstand geprüft werden, und zwar auch bezüglich der leichteren oder schweren Praktizierbarkeit. Es ist hundertmal besser, schädliche Auswirkungen gesetzlicher Maßnahmen von vornherein zu vermeiden, als sie später durch Fördermaßnahmen wieder ausgleichen zu wollen. III.

Nach diesen theoretisierenden und grundsätzlichen Ausführungen liegt die Frage nahe: Was kann der Staat praktisch für den gewerblichen Mittelstand tun und was geschieht i n Wirklichkeit? Es ist i m Rahmen eines solchen Referats unmöglich, alle gesetzgeberischen und w i r t schaftsfördernden Maßnahmen zugunsten des gewerblichen Mittelstands auf Bundes- und Länderebene aufzuzählen und sie kritisch zu würdigen. Von der letzteren Gruppe können nur einzelne Maßnahmen, die z.B. i n einem besonders mittelstandsorientierten Land wie Baden-Württemberg ζ. Z. i m Vordergrund stehen, herausgestellt und an den eben entwickelten Grundsätzen kritisch beleuchtet werden. Es ist wohl bekannt, daß i n Württemberg schon vor mehr als 100 Jahren, und bald danach auch i n Baden, je eine staatliche Gewerbeförderungsstelle errichtet wurde. M i t ihrer Hilfe wurde aus einem von der Natur i n breiten Teilen nicht besonders begünstigten Land, das seine Bewohner nicht mehr ernähren konnte, allmählich ein sehr gewerbeintensives Land gemacht. Nach den damals allerdings m i t bescheidenen Mitteln begonnenen Grundsätzen arbeitet das Landesgewerbeamt BadenWürttemberg als Landesoberbehörde auch heute noch. A u f Wunsch des Landtags von Baden-Württemberg wurde i m Jahr 1962 auf dieser Tradition fußend ein weitergehendes Förderprogramm für die gewerbliche Wirtschaft i n Gang gesetzt. Es enthält grundsätzlich keine neuen Maßnahmen gegenüber vorher, sondern brachte praktisch nur eine Intensivierung, Straffung und Koordinierung der vielfältigen Bemühungen. Das Förderprogramm ohne Kreditprogramm ist i n BadenWürttemberg 1964 m i t 4,5 Millionen D M dotiert. Das Schwergewicht der Fördermaßnahmen liegt bewußt auf überbetrieblicher Ebene, nämlich bei den Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in technischer, betriebswirtschaftlicher und unternehmensführerischer Art. Die Zahl und A r t solcher Aus- und Fortbildungsmaßnahmen ist außerordentlich groß. Ausgehend von der Erkenntnis, daß die heutige Ent-

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Wicklung der Technik und des Wettbewerbs eine ständige Anpassung der Kenntnisse, der technischen Ausstattung, des Warensortiments und der Verkaufsmethoden erfordert, w i r d den Betrieben, angefangen vom Inhaber, seiner mitarbeitenden Ehefrau, bis herunter zum Lehrling eine Fülle von Weiterbildungsmöglichkeiten i n Form von Vorträgen, Kursen, Arbeitskreisen, Ausstellungen und i n Schriftenmaterial geboten. Dabei w i r d besonderes Augenmerk darauf gelegt, daß solche Fortbildungsmöglichkeiten auch auf dem flachen Land, wo besonders viele Kleinstbetriebe liegen, zur Verfügung stehen. Aus der Vielzahl dieser Maßnahmen verdient eine Gruppe besonders hervorgehoben zu werden: Die Unternehmensführungskurse für Handwerk und Handel. Wenn mittelständische Betriebe nicht florieren, so liegt dies nur selten an den mangelnden technischen Kenntnissen, vielmehr ist i n der Regel der Meister oder Betriebsinhaber einfach überfordert bezüglich der immer stärker anwachsenden zentralen Aufgaben, für die der größere Betrieb seine Spezialkräfte hat, ζ. B. Kalkulation, Arbeitsvorbereitung, Kostenerfassung, Buchführung, Verbindung mit der Kundschaft usw. Es hat sich als sehr segensreich erwiesen und w i r d von den Handwerksmeistern und Einzelhändlern dankbar begrüßt, wenn i n fünftägigen Kursen i n einer bewußt peripher gelegenen Kursstätte jeweils 25—30 Betriebsinhaber nicht nur m i t dem nötigen wissensmäßigen Rüstzeug versehen werden, sondern dort auch den erforderlichen Abstand vom Betrieb gewinnen, u m die Aufgaben einer modernen Betriebsführung überhaupt zu erkennen und einmal durchzudenken. Die Unternehmensführungslehrgänge (119 Lehrgänge 1963 für 3750 Personen) vermögen vor allem auch das Selbstbewußtsein, den Glauben an die Wettbewerbsfähigkeit und die Lust am selbständigen Wirken wieder zu festigen. Aus Aufbaulehrgängen (5 Lehrgänge m i t 119 Personen i m Jahre 1963) läßt sich auch wertvoller Führungsnachwuchs für die Organisation der Wirtschaft heranbilden. Die Rolle des Staates auf dem Gebiet des Aus- und Fortbildungswesens ist vor allem darin zu suchen, aus der Gesamtschau der w i r t schaftlichen Entwicklung rechtzeitig die zu erwartenden Auswirkungen sichtbar zu machen, die Impulse zu den notwendig werdenden Fortbildungsmaßnahmen zu geben und dort, wo sie nicht aus eigener Kraft der Selbstverwaltungsorganisationen finanziert werden können, auch finanziell einzuspringen. Es ist allerdings oft schwer, gegenüber den Anforderungen seitens der Organisationen, der einzelnen Kursteilnehmer und manchmal auch gegenüber dem Ehrgeiz staatlicher Stellen die richtige Grenze für die Staatshilfe zu finden und den Gedanken der Selbsthilfe genügend zum Tragen zu bringen. Schließlich kommt dem Staat bei der außerordentlich großen Zahl der von den verschiedensten Stellen eingerichteten Fortbildungsmaßnahmen auch die Aufgabe der Koordinie-

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rung und Straffung — schon aus Gründen der Menschenökonomie — immer stärkere Bedeutung zu. Diese A r t der Förderung hat sich als außerordentlich wichtiges Mittel zur Festigung des gewerblichen Mittelstandes erwiesen. Sie wendet nicht etwa einem Einzelbetrieb irgendwelche Einzelvorteile zu. Jeder hat die gleiche Chance, sich das gebotene Rüstzeug nutzbar zu machen. Diese Förderungsmaßnahme steht darum m i t den oben entwickelten Prinzipien der Marktwirtschaft, insbesondere m i t dem Primat der Selbsthilfe und des Wettbewerbs, absolut i n Einklang. Eine zweite Gruppe von Fördermaßnahmen konzentriert sich auf die betriebliche Beratung. Diese wendet sich unmittelbar an den Einzelbetrieb. I n Betriebsbegehungen sollen die Fehlerquellen i n technischer wie betriebswirtschaftlicher Hinsicht aufgedeckt werden. Diese können i n der Einrichtung der Werkstätten, dem Einsatz und der Größenordnung der Maschinen, dem Einsatz des Personals, der fehlenden Kostenerfassung, einer mangelnden Buchführung, im Warensortiment usw. liegen. Solche Betriebsberatungsstellen sind von den Handwerkskammern, den Innungsverbänden, den Einzelhandelsverbänden, vom Hotel- und Gaststättenverband und schließlich auch für die Industrie, vom Reichskuratorium für Wirtschaft (RKW) eingerichtet worden. Fachlich-technische und betriebswirtschaftliche Beratung müssen einander meist ergänzen. Die Aufgabe des Staates erstreckt sich hier auf die Schaffung von Impulsen, die Straffung der Arbeitsweise der Berater, ihren Erfahrungsaustausch und zum mindesten für den Anfang auch auf eine finanzielle Förderung dieser Einrichtung. Selbstverständlich birgt ein solcher Beratungsdienst i n sich eine Reihe von Problemen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, Funktionen zu übernehmen oder zu finanzieren, die normalerweise vom Wirtschaftenden eventuell unter Zuziehung von Spezialkräften ausgeübt werden müssen. Es kann sich also nicht darum handeln, einem Betrieb eine Buchführung vollständig einzurichten oder i h n steuerlich zu beraten. Der Staat würde sonst zur Entlastung des einen mittelständischen Betriebes einem anderen freiberuflichen M i t telständler das Brot wegnehmen und zudem den Wettbewerb verfälschen. Man hat der amtlichen Berufsberatung, die immer nur Kurzberatung sein darf, deshalb eine mehr missionarische Aufgabe zugewiesen. Der Betrieb soll auf die Fehlerquellen nur aufmerksam gemacht und überhaupt erst für den Gedanken gewonnen werden, nunmehr selbst den Schwachstellen intensiver nachzugehen und eventuell Spezialkräfte i n Anspruch zu nehmen. Man hatte erwartet, daß solchen Betriebsbegehung würden. Erfreulicherweise mittelständische Gruppen

die Handwerker und Einzelhändler vor einer eine starke Scheu und Ablehnung zeigen zeigen sich aber Handwerker und andere dieser Einrichtung gegenüber sehr aufge-

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schlossen. Insbesondere wenn sie i n Zusammenhang steht mit eigenen Bemühungen zur Modernisierung oder Erweiterung der Betriebe. Es ist nunmehr ein Problem, mit etwa 40 solcher Berater i n Baden-Württemberg das richtige Verhältnis zwischen Breiten- und Tiefenarbeit zu finden. 1963 wurden 5000 Einzel- und Gruppenberatungen i m Handwerk durchgeführt. Man muß allerdings auch bei dieser Maßnahme sich darüber klar sein, daß nur ein mehr oder weniger großer Bruchteil der mittelständischen Betriebe überhaupt ansprechbar und erfaßbar ist, d. h. nur ein Teil von ihnen w i r d die Spannkraft aufbringen, den aufgezeigten Schwachstellen nachzugehen, und w i r d bereit sein, auch eigene Kräfte und finanzielle M i t t e l zur Behebung der Mängel einzusetzen. Ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft ist die Kreditversorgung. A u f diesem Gebiet war der Mittelstand i n der Nachkriegszeit gegenüber der Großwirtschaft stark i m Nachteil. Dieses hing mit verschiedenen Faktoren, u.a. auch m i t der auch heute noch mangelhaften Funktionsfähigkeit unseres Kapitalmarktes zusammen. Heute steht zwar den mittelständischen Betrieben der Geldmarkt in ausreichendem Umfang offen. Hemmend wirken aber die Konditionen, insbesondere die Zinssätze, die zum Teil nur schwer erwirtschaftet werden können. Zum Teil fehlt es auch an den banküblichen Absicherungsmöglichkeiten. Soweit eine Kreditgewährung an mittelständische Betriebe durch die Bankinstitute an mangelnden Absicherungsmöglichkeiten zu scheitern drohte, haben i n den letzten Jahren die von den Organisationen der mittelständischen Wirtschaft eingerichteten Kreditgarantiegemeinschaften des Handwerks, Handels und der Industrie mit Rückbürgschaft des Bundes und der Länder eine Lücke gut zu schließen verstanden. Es ist klar, daß i n einer Marktwirtschaft nicht für die ganze breite Schicht mittelständischer Betriebe vom Staat aus öffentlichen Mitteln Kredite zu Sonderkonditionen gegeben werden können. Es verstößt aber nicht gegen den Grundsatz der Neutralität des Staates, wenn er für Sondertatbestände die i h m aus der Wiederaufbauphase zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel, insbesondere i n Gestalt des ERP-Sondervermögens, helfend einsetzt. So werden diese M i t t e l des Bundes unter staatspolitischen und Mittelstandsgesichtspunkten für die Selbständigmachung junger Existenzen, für die meist außerordentlich schwierige Ansiedlung i n neuen Siedlungen und Stadtrandgebieten, aber auch für die Umstellung einzelner Gewerbezweige, deren Existenz von der technischen Entwicklung besonders betroffen ist, i n Form zinsgünstiger Darlehen verwendet. I m Lauf der letzten Jahre hat auch die Mehrzahl der Länder allerdings aus Steuermitteln mittelständische Kreditprogramme m i t zinsgünstigen Darlehen und Zinszuschüssen i n die Wege geleitet. I n der Regel sollen m i t diesen Programmen ähnliche Sondertatbestände, wie oben 6 Speyer 22

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erwähnt, erfaßt werden. Daneben sollen aber auch gelegentlich strukturelle Umstellungen erleichtert werden. Die Problematik solcher staatlicher Kreditaktionen beginnt dort, wo i n ihnen neben den genannten Sondertatbeständen allgemein die Durchführung von Rationalisierungsund Modernisierungsmaßnahmen und die Steigerung der Produktivität mittelständischer Betriebe einbezogen wird. Da sich diese Aufgaben i n einer Wettbewerbswirtschaft jedem Betrieb jedjährlich erneut stellen, so liegt die Frage nahe, wo hier die Grenze zu finden ist für das, was er aus eigener Kraft schaffen kann und muß, und wo etwa Sondertatbestände den Einsatz öffentlicher M i t t e l rechtfertigen. Hier liegt zweifellos eine Gefahrenstelle. Denn solche Aktionen stehen vielfach mehr unter politischen Erwägungen als unter zwingenden Überlegungen einer wohlabgewogenen langfristigen Wirtschaftspolitik. Wo eine scharfe Grenzziehung nicht möglich ist, muß der Sachverstand und das w i r t schaftliche Denken der i m Einzelfall entscheidenden Regierungsstelle und ihrer Berater aus der Wirtschaft die richtige Linie finden. Es vermag vielleicht zu beruhigen, daß z.B. i n der Praxis des Landes Baden-Württemberg i n den letzten Jahren beinahe 5 0 % der i m M i t telstandskreditprogramm gestellten Anträge abgelehnt wurden. I m übrigen darf das Ausmaß der geschilderten staatlichen mittelständischen Kreditaktionen nicht überschätzt werden. I n Baden-Württemberg standen 1963 für das gesamte mittelständische Gewerbe, das i n Handwerk, Handel, Kleinindustrie, Hotel- und Gaststättenwesen usw. rund 250 000 Betriebe umfaßt, an direkten Staatsdarlehen 10 M i l lionen D M und 400 000,— D M für Zinszuschüsse zur Verfügung. I n der gleichen Zeit wurden von Sparkassen und Volksbanken, die überwiegend den Kleinkredit pflegen, an lang- und mittelfristigen Krediten rund 1 Milliarde D M ausgegeben. Von der Betätigung des Staates auf diesem Sektor droht danach der sozialen Marktwirtschaft keine Gefahr, wohl aber kann i n den genannten Sonderfällen den mittelständischen Betrieben auf diese Weise nachhaltig geholfen werden. Zum Schluß soll noch auf ein Problem eingegangen werden, das neuerdings immer stärker auftritt, i m letzten allerdings nicht nur Mittelstandsproblem ist, nämlich die Aufgabe des Staates bei großen Strukturveränderungen i n der Wirtschaft. Durch die rasch fortschreitende technische Entwicklung, aber ebensosehr auch durch die immer engere Verflechtung der nationalen Wirtschaften i n den internationalen Handelsbeziehungen, können i n einzelnen Ländern ganze Gewerbezweige i n ihrer Existenz bedroht werden. Es sei an die Verschiebungen i m Verhältnis Kohle/Öl, neuerdings an die Situation breiter Teile unserer Textil- und Lederindustrie, schließlich auch an die Zellstoff- und Papiererzeugung erinnert. I m mittelständischen Bereich zeigte sich diese Erscheinung schon vor Jahren für das Schmiede- und Stellmacherhand-

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werk, für Holzbildhauer und neuerdings für Teile des Schneiderhandwerks. Was ist hier die Aufgabe des Staates? Wo ist die Grenze? Denn was dem einen heute recht ist, w i r d dem anderen morgen als b i l l i g erscheinen. I n erster Linie bedarf es einer langfristigen Konzeption, die den natürlichen Strukturwandlungen Rechnung trägt. Schutz- und Hilfsmaßnahmen des Staates sind nur vorübergehend und bei ganz außergewöhnlichen Umstellungsschwierigkeiten, die über die K r a f t des einzelnen hinausgehen, gerechtfertigt. Sie müssen außerdem darauf gerichtet sein, die Anpassung zu fördern, nicht aber aufzuhalten. Der Wirtschaft muß nicht nur genügend Spielraum für ihre Entscheidungen gelassen werden. Es muß i h r vielmehr immer wieder zum Bewußtsein gebracht werden, daß Staatshilfe nur subsidiär und nicht entscheidend für den A n passungserfolg sein kann. Solche theoretischen Grundsätze sind leicht aufzustellen. I n der harten Wirklichkeit die richtige Grenze zu finden zwischen dem laisser faire und dem Staatssozialismus ist u m so schwerer, je mehr Menschenschicksale m i t dem Wohl oder Wehe eines Gewerbezweiges verhaftet sind. Ein interessantes Beispiel dieser A r t bildet ein Versuch i n England, die Krise i n der Baumwollindustrie zu meistern. I n der Bundesrepublik ist die Situation eine ähnliche. I n England wurden m i t staatlicher Hilfe, aber auch unter eigener finanzieller Beteiligung der Wirtschaft, überflüssige Kapazitäten stillgelegt. I n einer zweiten Phase wurden große Neuinvestitionen — d i e s m a l ausschließlich m i t staatlicher Hilfe — finanziert. Die Maßnahmen i n der zweiten Phase haben nach einer interessanten Studie, die hierüber gerade i n der Schriftenreihe der Hochschule Speyer neuerdings erschienen ist, nicht v o l l befriedigt. Sie können hier nicht weiter untersucht werden, sollen nur angeführt werden als Grenzfall einer staatlichen Betätigung i n einer großen Strukturkrise. Der Staat darf nicht durch den Versuch, den Fortschritt eines Gewerbezweigs zu beeinflussen, dazu gedrängt werden, das allgemeine Unternehmerrisiko dieses Gewerbezweiges zu übernehmen. I n Baden-Württemberg, wo die Textil-, speziell die Baumwollindustrie eine besondere Rolle spielt, w i r d ζ. Z. versucht, von staatlicher Seite aus die rasche Anpassung an die veränderten Verhältnisse zu erleichtern, einmal durch Beratung der Betriebe, zum anderen durch die Gewährung von Zinsbeihilfen an gesunde mittelständische Betriebe für Investitionskredite zur Steigerung der Rationalisierung i n Produktion und Vertrieb, insbesondere zur Anschaffung technischer Ausrüstungen. Der durch Kreditaufnahme zu deckende zusätzliche Investitionsaufwand w i r d für die nächsten 3 Jahre auf jährlich 43 Millionen D M geschätzt. Der zu einer Verbilligung der Investitionskredite auf 4 °/o erforderliche Betrag würde innerhalb der genannten 3 Jahre eine staatliche Zinsbei6·

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hilfe von über 20 Millionen D M erfordern. Das Programm hat die B i l l i gung des Landtags noch nicht erfahren. Man erkennt aber, daß es sich hier schon der möglichen Folgerungen wegen u m einen außerordentlich schwierigen Grenzfall für eine staatliche Fördermaßnahme handelt. Zusammenfassend kann zu dem gestellten Thema gesagt werden: 1. Die moderne Marktwirtschaft m i t ihren komplizierten und heiklen Funktionsabläufen kann die ordnende Hand des Staates nicht mehr entbehren. 2. Bei der gesellschafts-, staats- und wirtschaftspolitischen Bedeutung des gewerblichen Mittelstands i n unserer Wirtschaft muß der Staat bei der Verteilung der Gewichte die Wettbewerbsfähigkeit dieser breiten Schicht sorgsam i m Auge haben. 3. Maßnahmen i n dieser Richtung werden auf die Dauer nur dann erfolgreich sein, wenn ihnen eine Gesamtkonzeption zugrunde liegt, wenn sie marktkonform sind, also den Wettbewerb nicht verfälschen, und wenn sie geeignet sind, den Selbstbehauptungswillen der mittleren und kleineren Betriebe zu wecken und zu stärken. 4. Die bisher beschrittenen Wege zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft stellen noch nicht das Optimum des Möglichen dar, erfordern auch künftig kritisches Durchdenken abseits von optischen oder tagespolitischen Erwägungen. Eine Mittelstandspolitik w i r d um so besser sein, je weniger von ihr geredet w i r d und werden muß und je mehr sie zur Selbstverständlichkeit, also zu einer Grundhaltung wird, die unserem wirtschaftlichen Denken und Handeln unbewußt zugrunde liegt.

Diskussion Ministerialrat

Dr. von Meibom, Bundesministerium

des Innern, Bonn

I n einer Darstellung, die auf die Eigengesetzlichkeit des wirtschaftlichen Fortschritts gegenüber dem allgemeinen Rechtsleben eines Volkes hinweist, sehe ich auch eine gewisse Gefahr. Denn diese Eigengesetzlichkeit, die ja, wie Herr Professor Bülck sehr deutlich darstellte, einer Dynamik unterliegt, führt leicht dazu, daß sich hier aus dem funktionalen Denken der Nationalökonomen ein „Rechtssystem" der Nationalökonomie entwickelt, dessen Ubergänge und Verklammerungen m i t dem allgemeinen Rechtssystem eines Staates zu großen Schwierigkeiten führen muß. W i r erleben es i n der Praxis immer wieder, daß die Entwürfe, die w i r aus Brüssel bekommen und die weitgehend von Nationalökonomen erstellt werden, sehr eigenwillige Bildungen von Rechtsbegriffen, Verfahrensnuancierungen und ähnliche Dinge enthalten, die wirklich unnötig sind. W i r erhalten die Entwürfe i n einem Stadium, i n dem die nationalökonomische Behandlung des Problems sehr weit fortgeschritten ist, und sind dann immer i n der lästigen und schwierigen Rolle sagen zu müssen, das paßt m i t dem und jenem nicht zusammen. Meiner A n sicht nach sollte man vorsichtig sein m i t der Bildung neuer Begriffe und versuchen, die Dinge zunächst m i t den herkömmlichen und bewährten klaren Begriffen und Organisationsformen zu meistern. Ministerialdirigent

Dr. Kölble, Bundesministerium

des Innern,

Bonn

Zwei jüngere Kollegen haben i n der Pause ein Thema angeschnitten, durch das sie mich, wenn ich das so sagen darf, als Leiter der Verfassungsunterabteilung des Innenministeriums angesprochen haben, nämlich durch die Frage, was folgt denn aus diesen wirtschaftspolitischen und wirtschaftstheoretischen Überlegungen eigentlich für das Instrumentarium des Juristen und speziell das Instrumentarium des Juristen i m Bund-Länder-Verhältnis. Bekanntlich beschäftigt sich die von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten eingesetzte sogenannte Krüger-Kommission m i t einem Teil des Themas. Ich möchte hier nur andeuten, daß sich vielleicht eine gewisse Begriffsklärung anbahnt hinsichtlich der Frage, welche M i t t e l für eine Einflußnahme des Gesamtstaates auf Länder und Gemeinden i n den Bereichen zur Verfügung stehen, i n denen gemeinsame Wirtschafts- oder Sozialpolitik gemacht

Diskussion

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werden soll. Soweit es sich um Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes handelt, sind wir, glaube ich, alle darüber einig, daß der Bund in der Form von Gesetzen handelt, die sich i n erster Linie nicht an den Staatsbürger richten, sondern an die Gemeinde oder das Land, also ein ganz eigenartiger Vorgang; das Gesetz wendet sich an das Land oder an die Gemeinde nicht als Träger von Hoheitsgewalt, die das Gesetz ausführt, sondern als Normadressat, der eine bestimmte Förderungsmaßnahme m i t eigenen finanziellen Mitteln vornehmen oder unterlassen soll. Das ist ohne Zweifel eine ganz legitime Einflußnahme des Gesamtstaates. Eine ebenso legitime ist die Form der Koordinierung, in der sich Vertreter des Gesamtstaats m i t Vertretern der Länder oder Gemeinden an einen Tisch setzen, u m gemeinsam ohne jede Über- oder Unterordnung zu beraten, wie man ein Gesamtproblem zweckmäßig und koordiniert lösen kann. Auch das praktizieren w i r ständig. Nun bildet sich aber, und das scheint m i r das Neue zu sein, was für mich als Verwaltungsjuristen hier fast ein juristisches Erlebnis war, der Gedanke des Planes heraus, zwar nicht i m Sinne der planification der Franzosen, die darauf sehr stolz sind und bei denen die planification schon i n die Nähe des unmittelbaren gesetzlichen Zwanges gerückt ist, sondern gewissermaßen zwischen Koordination und gesetzlicher Regelung, und zwar nicht so unverbindlich wie die reine Koordination, i n der man nur seine Gedanken austauscht und sich dann mehr oder weniger einigt, und auch nicht so starr wie die gesetzliche Pflicht zum Tun und Unterlassen, sondern ein Mittelding, etwas verbindlicher als Koordination, etwas weniger verbindlich als ein Gesetz, aber ein völlig, jedenfalls i m verfassungsrechtlichen Sinne, neuer Begriff. Der Plan als verwaltungsrechtliches Institut ist bekanntlich nicht mehr ganz jung, aber als verfassungsrechtliches Institut scheint er m i r neu und der Überlegung bedürftig zu sein. Ich meine, daß w i r als Juristen uns dabei sehr stark auch orientieren müssen an den wirtschafts- und sozialpolitischen Gegebenheiten unserer Zeit und den verschiedenen rationes, die Herr Professor Bülck aufgezeigt hat, nicht zuletzt auch an der zukunftsweisenden ratio temporis. Professor

Dr. Bülck

Das industrielle System, das ich Ihnen i n seiner rechtlichen Struktur durch einige Schnitte deutlich zu machen versuchte, hat etwas Provozierendes. Es provoziert uns i n den gewohnten Vorstellungen, vor allem i n unserem Personsein, d. h. i n dem Bewußtsein frei oder bei sich selbst zu sein. Ich darf sagen, daß ich versucht habe, mich diesem Gegenstand anzupassen, indem ich selbst provozierend gesprochen und sehr pointierte Thesen aufgestellt habe, und m i t dieser Provokation bei Herrn Ministerialrat von Meibom und Herrn Ministerialdirigenten Kölble auch

Diskussion die richtige Resonanz gefunden habe, für die ich sehr dankbar bin. Denn das ist i n der Tat die zentrale Frage, wie es uns gelingt, und zwar als Juristen gelingt, dieses industrielle System i n den rechtlichen Griff zu bekommen. Daß hier etwas Neues i m Werden ist, darüber kann gar kein Zweifel sein. Dazu braucht man nicht eine neue Wissenschaft der Futurologie zu entwickeln, das sind einfach Rechtswirklichkeiten, m i t denen man sich auseinandersetzen muß. Worauf es ankommt, ist aber, die neuen Formen des staatlichen und überstaatlichen Rechtslebens mit den tradierten Rechtsbegriffen und den überkommenen Rechtsdogmatiken zu verbinden, und ich glaube gerade i n diese Richtung, Herr von Meibom, zielten Ihre Bemerkungen. Das bedeutet, daß man an die alten Begriffe des Staats- und Verwaltungsrechts, die uns durch Namen wie Rotteck, Laband und Otto Mayer überkommen sind, zusammen mit den völkerrechtlich-internationalverwaltungsrechtlichen Begriffen, die mit Mohl, Lorenz von Stein und Neumayer eine ähnlich dogmatisch-theoretische Tradition haben, anknüpfen muß, wenn man die neuen Begriffe des Europarechts entwickelt. A u f solche Weise w i r d das Neue mit dem Alten, das sekundäre m i t dem primären Rechtssystem vermittelt und nur dadurch w i r d es möglich sein, das Bewußtsein der Freiheit i m Fortschritt oder besser gesagt, den Fortschritt i m Bewußtsein der Freiheit zu sichern. Damit komme ich auf das, was Sie, Herr Staatssekretär Dr. Eicher, gleich zu Beginn dieser Tagung i n Ihrer Eröffnungsansprache betont haben und worum es auch mir, gerade bei aller Provokation zu tun war: die Personalität des Menschen. Der technisch-zivilisatorische Fortschritt hat keinen Sinn, wenn es uns als Juristen nicht gelingt, die Personalität, die Freiheit des einzelnen, zu wahren. Die Aufgabe, die uns damit gestellt wird, ist, wie ich glaube, eine Aufgabe, die nur gemeinsam von den Praktikern und den Theoretikern gelöst werden kann. Die gewohnte Unterscheidung von Theorie und Praxis m i t wechselseitiger Unverbindlichkeit paßt nicht mehr i n die heutige Wirklichkeit, nicht nur i n den Naturwissenschaften oder gar nur i n der Atomphysik. I n einer auch von den Sozialwissenschaften immer stärker beherrschten Welt w i r d die Theorie selbst die radikalste und schlimmstenfalls die funktionalste Form der Praxis. Privatdozent

Dr. von Münch, Frankfurt/Main

Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Schlecht, und zwar hatten Sie gesagt, die öffentlichen Haushalte müßten konjunkturgerecht gesteuert werden, und Bund, Länder und Gemeinden müßten sich darüber klar sein, daß sie eine gemeinsame Verantwortung hätten. Das w i r d sicher jeder von uns befürworten, nur als Jurist fragt man sich, wie sich das m i t der Selbständigkeit der Länder und vor allem auch m i t der Selb-

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Diskussion

ständigkeit der Gemeinden vereinbart. Es ist sicher, daß eine gewisse Abstimmung der Haushalte auch zu einer gewissen Ubereinstimmung des gesamten Tätigkeitsbereichs führen muß, denn die ganze Tätigkeit der Länder und Gemeinden kann ja nur über die Haushalte erfolgen. Ohne einem übertriebenen Föderalismus oder einer übertriebenen Selbständigkeit der Gemeinden das Wort reden zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, daß man hier i n gewisse Konfliktsituationen kommen könnte. I m Zusammenhang damit noch eine weitere Frage. W i r haben mehrfach von Koordinierung gesprochen, sowohl i m nationalen wie i m internationalen Bereich, das ist ja heute ein viel verwendeter Begriff oder, um hier ein Wort von Herrn Professor Bülck zu gebrauchen, man könnte schon fast von der Magie des Wortes sprechen. Man müßte sich darüber klar sein, was heißt überhaupt Koordinieren? Das könnte man vielleicht ersetzen durch Harmonisieren, Angleichen. I m EWG-Vertrag werden diese Begriffe zum Teil nebeneinander gebraucht, also nicht füreinander. Man müßte sich auch hier fragen, was ist darunter zu verstehen? Ich glaube, wenn Sie z.B. sagten, daß die Bundesregierung nicht die Programmierung i m französischen Sinne betreiben w i l l , nämlich des Wirtschaftsablaufs, sondern nur der Daten und der Mittel, und Sie zugleich aber sagen, der Wirtschaftsablauf an sich soll koordiniert werden, so glaube ich, wenn man sich jetzt nicht i n völlige Begriffsspalterei verflüchtigen w i l l , daß eine Koordinierung ohne eine gewisse Programmierung oder Planung, wie Sie es nennen wollen, nicht möglich ist; daß vielleicht hier nur ein unliebsamer Begriff, und die meisten von uns werden ja gegen diese übertriebene französische Planung sein, durch den etwas neutraleren Begriff der Koordinierung ersetzt wird, i n der Sache aber vielleicht kein allzu großer Unterschied ist. Obersenatsrat Dr . Stutzer, Lübeck Mein Vorredner i n der Diskussion erwähnte schon i m Zusammenhang m i t dem Instrumentarium, das jetzt zur Steuerung der Konjunkturpolitik angewendet werden sollte, die öffentlichen Haushalte und machte gewisse rechtliche Bedenken geltend. Ich glaube, daß die Dinge etwas überschätzt werden, wenn man glaubt, die öffentliche Haushaltung und ihre Steuerungen könnten tatsächlich so großen Einfluß auf die Konjunkturpolitik ausüben. Denn darüber muß man sich klar sein, die öffentliche Hand investiert nicht u m ihrer selbst willen, sondern sie w i r d auch häufig dazu gezwungen und das i n zunehmendem Maße. Wenn man allein denkt an die Probleme des Verkehrs, der Wissenschaft, der Schulen, der Krankenhäuser usw. und wenn man gerade die Gemeinden anspricht — ich komme von einer Gemeinde —, dann muß ich sagen, die Gemeinden sind es nicht, die ausgeben wollen, sondern sie werden prak-

Diskussion tisch durch die wirtschaftlichen Faktoren gezwungen. Die Wirtschaft ist es, die von den öffentlichen Haushalten fordert, daß sie Daseinsvorsorge treffen, um eben zu erweitern, u m wirtschaftlicher, u m rationeller zu produzieren. Ich glaube, gerade dieser Appell an die öffentlichen Haushalte ist ein Wunsch, dem sicherlich die Gemeinden gerne nachkommen würden, aber sie werden sich einfach außerstande sehen, w e i l die w i r t schaftlichen Faktoren eben andere sind, und ich glaube, wenn man überhaupt zu einer Steuerung der Konjunkturpolitik kommen w i l l und das tun w i l l , indem man Investitionen schlechthin bremst, daß man das nicht nur allein an die Adresse der öffentlichen Hand richten kann. Da muß die Wirtschaft auch selbst mitziehen, ob sie w i l l oder nicht, denn das nur auf einem Beine durchzuführen, halte ich für eine Utopie. Dr. Goedecke, Vorstandsmitglied Mannheim

der Rheinischen

Hypothekenbank,

Ich darf aus der Praxis heraus die Frage richten, wie glauben Sie, Herr Dr. Schlecht, werden sich die neuesten Maßnahmen der Kapitalertragsteuer auswirken, nicht hinsichtlich der rechtlichen Durchführbarkeit, da könnte man zwar auch einige Zweifel haben, aber glauben Sie nicht, daß eine große Anzahl von Wertpapieren zurückfließen wird, glauben Sie nicht, daß Kurspflege getrieben werden muß? Damit beginnt das Devisenproblem Aufbringungsproblem zu werden. Wie w i l l der Staat aus seinen Mitteln, es sei denn, er w i l l die Notenkreditbank i n Anspruch nehmen, nun die Anleihen praktisch zurückzahlen, vorzeitig zurückzahlen und gleichzeitig neue Anleihen aufnehmen? Zweitens möchte ich die Frage der konjunkturpolitischen Anpassungsmaßnahmen aufwerfen. Letzten Endes sind es Subventionsmaßnahmen, die doch eigentlich auch einen bedenklichen Charakter haben. Ministerialrat

Dr. Schlecht

Zunächst eine Bemerkung zu den Ausführungen von Herrn von Meibom. Es scheint i n der Tat ein noch nicht richtig konstruiertes Prinzip i n Brüssel zu sein, daß erst einmal die Nationalökonomen und die Politiker ihre Gedanken zu Papier bringen und dann die Juristen nicht genügend Zeit haben, dies rechtlich zu prüfen. Bei der Behandlung der mittelfristigen Wirtschaftspolitik war es offensichtlich so, daß die Sache überhaupt nicht über den Juristischen Dienst der EWG-Kommission gelaufen ist. Herr von Münch und Herr Stutzer haben das Problem der konjunkturgerechten Führung der öffentlichen Haushalte angeführt. I n einer Diskussion hat man m i r gesagt, bei unserem Föderalismus kann man keine

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Diskussion

Wirtschaftspolitik mehr betreiben. Das war natürlich so dahin gesagt. Es geht, wenn man davon ausgehen muß, daß die Länder i n der Haushaltsgebarung selbständig sind und selbständig bleiben müssen, eben auch nur über die Koordinierung, wobei am Ende einmal, aber das ist sicher ein sehr langer Prozeß, ein Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern über ein gemeinsames Vorgehen i m Bereiche der antizyklischen Finanzpolitik stehen könnte. Bis dahin geht es sicher nur, indem man sich laufend m i t den zuständigen Leuten aus den Ländern zusammensetzt. Herr Stutzer sagte noch, man würde die Bedeutung der öffentlichen Hand für die Investitionen überschätzen, sie würden ja nicht u m ihrer selbst w i l l e n investieren und man müsse sich zumindest auch an die Adresse der Wirtschaft selbst wenden. Ich stimme dem völlig zu. Vor kurzem war der Deutsche Beamtenbund bei Minister Schmücker. Bei dieser Gelegenheit hat man sich beklagt, daß immer von der Investitionswütigkeit der öffentlichen Hand gesprochen wird, man werte hier, und das gehe auch den Beamtenbund an, die öffentlichen Investitionen und die öffentlichen Dienstleistungen schlechthin ab. Mein Minister hat m i r dann das Wort gegeben und ich habe zugestimmt und gesagt, für die Nationalökonomen ist es sogar eine Binsenweisheit, daß bei ständig wachsendem Lebensstandard die öffentlichen Investitionen wahrscheinlich nicht nur proportional zum Sozialprodukt, sondern sogar überproportional wachsen müssen. Das ganze Problem spitzt sich auf die Zeitfrage zu. Kurzfristig kann es möglich sein, daß man einmal Abstand nimmt von öffentlichen Investitionen und sie für ein, zwei oder drei Jahre verlagert i n eine Konjunktursituation, wo sie nicht mehr so gefährlich wirken. Das ist der Sinn der mehrjährigen, der vier- oder fünfjährigen Haushaltsüberlegungen, daß man die Investitionen, die noch nicht durch Gesetz festgelegt sind, einsetzt i n einen Vierjahreshaushalt, aber innerhalb dieser vier Jahre dann nach dem konjunkturpolitischen Bedürfnis etwas streckt oder strafft, wie es gerade notwendig ist. Das sollte wenigstens möglich sein und das sollte uns die Preisstabilität wert sein. Selbstverständlich geht es nicht nur über die öffentliche Hand, sondern es müssen auch die Investitionen der Wirtschaft angesprochen werden. Ich habe i n meinem Referat betont, daß zur antizyklischen Finanzpolitik auch die Variation der Abschreibungssätze gehört. Selbstverständlich müßte i n einer Situation, i n der die Privatinvestitionen sich stark ausweiten, über dieses M i t t e l der Abschreibungssätze gedämpft werden. Nur eben nicht über das M i t t e l des Investitionsverbotes, sondern über das marktkonforme M i t t e l einer Belastung, damit nicht mehr soviel investiert wird. Bei dieser Gelegenheit darf ich meine Ausführungen zur Programmierung von heute morgen noch kurz ergänzen. Ich habe dabei vergessen zu sagen, daß der Staat selbstverständlich für seine eigene W i r t -

Diskussion schaftstätigkeit und für die Bereiche, i n denen er maßgeblich reglementiert, auf längere Sicht programmieren und planen muß. Was die Frage von Herrn Goedecke angeht, so muß ich zunächst gestehen, daß ich als allgemeiner Nationalökonom sie i m einzelnen nicht beantworten kann. Ich glaube, die Wirkungen der Kapitalertragsteuer werden i n der interessierten Wirtschaft, insbesondere bei den Banken, doch überbewertet. Diese Maßnahme w i r d sich i m ganzen als nicht so gravierend herausstellen, daß etwa der Bund vor die Frage gestellt wird, wie er hier die Anleihe zurückzahlen sollte. Man wollte ein bißchen abschrecken und den wachsenden Zufluß an ausländischem Kapital etwas zurückdämmen. W i r hatten auch nicht daran gedacht, daß von den jetzt schon zwei Milliarden Überschuß schon wieder etwas abgebaut werden muß. Es sollte nur nicht weiter zunehmen; insoweit sind diese Bedenken nicht so stark zu werten, aber ich gebe gern zu, es ist Neuland. Senatsdirektor

Dr. Springstüb,

Bremen

Herr Kollege Beine, eine Anregung möchte ich geben. Sie haben die Sache rein national gesehen. Das heutige Problem des Verkehrs ist ja zum großen Teil auch EWG-abhängig und deshalb müßte man, und das möchte ich als die Anregung verstanden sehen, Sie bitten, daß Sie i n Ihrem Vortrag, den Sie schriftlich hierhergeben, ergänzen, inwieweit die EWG jetzt i n diesen Bereich eingreift, wieweit sind w i r noch in der Lage, unser Verkehrsrecht selbst zu regeln? Da ich aus Bremen komme — Sie kennen unsere Konkurrenz m i t Rotterdam — bin ich sehr interessiert daran, Ihren Standpunkt zu hören. Ministerialdirigent

Dr. Beine

Es hätte mich besonders gereizt, über die Grenzen zu schauen, und zwar vornehmlich bezüglich des Verkehrs, w e i l ich die Ehre habe, seit einigen Jahren Generalreferent der Länder für EWG-Verkehrsfragen zu sein. Ich mußte es m i r bei der Kürze der Zeit leider versagen. Wenn m i r Gelegenheit geboten wird, i n der gedruckten Fassung des Referats darauf eingehen zu dürfen, so würde ich gern dazu bereit sein. Vielleicht wäre es richtig, manchen Gedanken der Infrastrukturpolitik oder Sicherheitspolitik, anknüpfend an die Novellen zu dem Verkehrsgesetz vom 1. 8.1961, einmal hinüberschauend i n die anderen EWG-Staaten und zu dem sogenannten Arbeitspaket, das zur Zeit die Kommission und der Ministerrat der EWG i n Bearbeitung haben, zu verfolgen und zu fragen, sind w i r hinsichtlich unserer marktwirtschaftlichen Ausrichtung des Verkehrs, die seit dem 1. 8.1961 begonnen hat, i n der Lage, den richtigen Anschluß an die EWG-Verkehrspolitik zu gewinnen? Oder w i r d es nach der Beendigung der zweiten Phase ab 1. 1. 1966, wenn keine Einstim-

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Diskussion

migkeit der Beschlüsse i m Ministerrat mehr notwendig ist, viele Entscheidungen dieses Ministerrats geben, die gegen unsere Stimme gefällt werden? Ich glaube, man kommt zu einer verhältnismäßig positiven Aussage. W i r haben nämlich gerade noch i m rechten Augenblik das Steuer herumgerissen. Die Politik i n Brüssel w i r d sich daher m i t der unsrigen bis zum Jahre 1970 i n den Hauptfragen koordinieren lassen, wobei diese Koordinierung natürlich i m Nehmen und Geben besteht und nur aus politischen Kompromissen bestehen kann. Ministerialrat

Dr. von Meibom, Bundesministerium

des Innern,

Bonn

Welche Auswirkungen erwarten Sie, Herr Dr. Breucha, für den M i t telstand auf dem Gebiete der Niederlassungsfreiheit, und die zweite Frage, glauben Sie überhaupt, daß mittelständische Fragen, die i n unserem nationalstaatlichen Bereich und i n unserem Länderbereich eine große Rolle spielen, auch einen europäischen Aspekt haben? Ministerialdirigent

Dr. Breucha

Bei der Frage, welche Auswirkungen erwartet man von der Niederlassungsfreiheit, w i r d man unterscheiden müssen zwischen Handel und Handwerk und etwa noch anderen Branchen. I m Handwerk werden die Schwierigkeiten als nicht so groß angesehen, insbesondere da unser Handwerk bezüglich der technischen Ausbildung wesentlich höher liegt als die Mehrzahl der vergleichbaren Betriebe oder Handwerkszweige i n anderen Ländern, etwa i n Italien, aber auch i n Frankreich. Man kann es überhaupt sehr schwer vergleichen. I n Frankreich gehören Betriebe, die mehr als 5 Beschäftigte haben, automatisch nicht mehr zum Handwerk. Sie haben auch ganz andere Ausbildungsvorschriften. Unser Handwerk glaubt, daß der große Befähigungsnachweis, also die Ablegung der Meisterprüfung als Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle und für die Anleitung von Lehrlingen, i n etwa gehalten werden kann. Jedenfalls gehen die augenblicklichen Bemühungen, und sie sind schon auf EWG-Basis ziemlich weit gediehen, dahin, daß man sagt: Zulassung nur, wenn der Nachweis erbracht ist, also bei Ablegung entsprechender Prüfungen oder, und das ist die zweite Möglichkeit, wo man entgegenkommen kann, der Nachweis des Könnens, das bei der Meisterprüfung bei uns verlangt wird. Man glaubt ferner, daß hier auch deshalb, weil die Handwerksleistungen auf einen verhältnismäßig engen Bereich beschränkt sind, die Auswirkungen der EWG i m Handwerk nicht so sehr zu spüren sein werden, wie etwa i m Einzelhandel, wo auch der Befähigungsnachweis etwas weniger bedeutet bezüglich der Voraussetzungen, als der Befähigungsnachweis i m Handwerk. Der gesamte Aspekt unserer mittelständischen Wirtschaft i m europäischen Raum

Diskussion dürfte nicht schlecht sein. Die Grundvoraussetzungen, nämlich das technische Wissen, und auch i m gewissen Umfang das betriebswirtschaftliche Wissen, sind bei uns zumindest nicht schlechter als innerhalb der EWG oder i m Vergleich zu anderen Ländern i m europäischen Raum. Ich glaube, wenn sich unsere mittelständische Wirtschaft behaupten kann gegenüber der Großwirtschaft, und sie hat hier Anstrengungen zu machen, dann sind i m wesentlichen die Voraussetzungen gegeben, daß sie sich auch entsprechend gegenüber der Konkurrenz aus dem mittelständischen Bereich anderer Länder w i r d behaupten können. Aber notwendig ist, daß man — so wie jetzt auf dem industriellen Sektor — daran geht, durch Untersuchungen sowohl i n der Wirtschaft selbst wie auch auf staatlicher Seite die zu erwartenden Auswirkungen der engeren EWGVerflechtung auch für das Handwerk, den Einzelhandel oder auch i m Hotel- und Gaststättenwesen vorausschauend zu erfassen und i n den Griff zu bekommen. W i r haben von Baden-Württemberg aus eine Enquete auf Wunsch des Landtages gemacht über die wirtschaftliche Situation unserer Hôtellerie und hier festgestellt, daß heute i m Unterschied zu früher, wo eigentlich nur das internationale Hotel i n einer gewissen Konkurrenz mit vergleichbaren Betrieben i m Ausland stand, sich die Verhältnisse wesentlich gewandelt haben. So steht heute auch der kleine und der mittlere Betrieb auf dem Hotel- und Gaststättensektor i n unmittelbarem Wettbewerb m i t dem Ausland, und es ist von uns untersucht worden, welche M i t t e l man hier seitens des Staates anwenden kann, u m diese Betriebe wettbewerbsfähig zu halten. Auch hier lassen w i r eine A r t Kreditprogramm anlaufen, das die rasche Modernisierung bewerkstelligen soll. Regierungsdirektor

Berg, Regierung

Lüneburg

Die Förderung gerade der mittelständischen Betriebe ist gewiß ein Anliegen auch i n den Zonenrandgebieten. Ich spreche hier als Vertreter eines Regierungsbezirkes aus dem Lande Niedersachsen, also eines Gebietes, wo Handwerk und Landwirtschaft eng aufeinander angewiesen sind. W i r haben uns hier auf die Hilfe des Berufsstandes, also auf die Handwerkskammer gestützt und dann Gewerbeförderungsanstalten eingerichtet, hauptsächlich unter Inanspruchnahme sogenannter regionaler Förderungsmittel, also M i t t e l des Bundes. Aus Ihren Ausführungen ergaben sich für mich zwei Fragen. Sie erwähnten, daß Sie Handwerksbereiche haben, wo man m i t einem Bruttoeinkommen von nur 5000 D M jährlich rechne. Findet hier ein zusätzlicher Ausgleich i m Einkommen i n der Form statt, daß die Inhaber dieser handwerklichen Betriebe gleichzeitig i n der Landwirtschaft tätig sind, sei es als Eigentümer eines kleineren landwirtschaftlichen Betriebes oder als Pächter eines solchen Betriebes, und die zweite Frage angesichts der engen Verbindung zu

Diskussion

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dem landwirtschaftlichen Bereich, i n welcher Form wirken sich die Förderungsmaßnahmen i m landwirtschaftlichen Bereich bei Ihnen zugunsten des Handwerks aus? Bei uns sind Feststellungen gemacht worden, daß angesichts der Verbindung des Handwerks zur Landwirtschaft stets dann eine Belebung i m handwerklichen, also i m mittelständischen Bereich eintrat, wenn Förderungsmaßnahmen innerhalb der Landwirtschaft vollzogen wurden. Ich denke hier an die Rationalisierungsmaßnahmen der Landwirtschaft, die dazu führten, daß bestimmte Gewerbezweige des Mittelstandes, etwa der Landhandel oder die Reparaturbetriebe auf dem Lande i m starken Maße eingeschaltet werden konnten. Ministerialrat

a. D. Grasser, Industrie-

und Handelskammer,

München

Baden-Württemberg hat, soweit m i r bekannt ist, wohl i m letzten Jahr die sehr erfolgreiche Einrichtung der Kreditgarantiegemeinschaften ausgedehnt, vom Handwerk und Handel, wo w i r sie schon lange haben, auf das Fremdenverkehrsgewerbe, aber auch auf die sogenannte Kleinindustrie. Würden Sie eine kurze Erläuterung darüber geben, welche Gesichtspunkte ausschlaggebend waren, diesen letzteren Schritt zu tun und gegebenenfalls, ob und welche Erfahrungen bis jetzt schon gesammelt werden konnten. Ministerialdirigent

Dr. Breucha

Die Zahl eines Bruttojahreseinkommens von 5000 D M habe ich, wenn ich mich nicht täusche, dem Mittelstandsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums entnommen. Sie bezog sich, wie ich ausdrücklich erwähnt habe, auf das Jahr 1955. Inzwischen muß man auch für diese Kleinbetriebe eine Erhöhung des Bruttoeinkommens ohne weiteres unterstellen. Sicher ist hier i n der Regel die handwerkliche Tätigkeit nur eine Teiltätigkeit gegenüber der Betätigung i n der Landwirtschaft. Es war nicht nur auf dem handwerklichen Sektor, sondern auch auf dem industriellen i n der Krisenzeit zwischen den Weltkriegen i n unserem Land als besonders glücklich empfunden worden, daß die Verbindung m i t der Landwirtschaft noch gegeben war. Sie ist, darüber sind w i r uns klar, i n der Zwischenzeit wesentlich zurückgegangen, also der Handwerker/Bauer oder Arbeiter/Bauer ist nicht mehr i n dem Maße vorhanden wie früher. Die Umstände, allein die Technisierung der Landwirtschaft, haben dazu geführt, daß etwa die Stellmacher, die Schmiede, sich umstellen mußten von Pferde- und Hufbeschlag auf Landmaschinen und man hat diese Umstellung nicht nur i n unserem Land, sondern auch anderwärts v o l l durchgeführt und m i t Erfolg. Es wurden i n unserem Land, als die Sache aktuell wurde, zwei handwerkliche Beratungsstellen eingerichtet, die systematisch alle gefährdeten Zweige u n d Betriebe

Diskussion aufgesucht haben und, soweit sie nicht überaltert waren, umgestellt haben mit staatlicher Hilfe, zunächst i n Form von Zinszuschüssen. Zur Frage, welche Erfahrungen w i r m i t der Kreditgarantiegemeinschaft i n Industrie und Verkehr gemacht haben, muß ich Sie etwas enttäuschen. Die Angelegenheit ist erst spruchreif geworden am Ende des letzten Jahres und w i r verfügen kaum über praktische Erfahrungen. Der Grund, warum man überhaupt daran ging, ist derselbe wie beim Handwerk und bei den Kreditgemeinschaften des Handels und des Einzelhandels, die ausgezeichnet florieren. Die mangelnde Absicherungsmöglichkeit ist bei den industriell organisierten Kleinbetrieben und bei den Verkehrsbetrieben genauso vorhanden, wenn nicht zum Teil noch i n stärkerem Maße, wie etwa beim Handel und beim Handwerk.

Entwicklungstendenzen des Rechts der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Von Walter Much

I.

1. Die m i t der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl geschaffene Rechts- und Wirtschaftsordnung besteht nunmehr elf Jahre. Sie nahm ihren Ursprung i m sogenannten „Schumanplan", jener berühmten Erklärung des früheren französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950, die eine grundlegende Neuorientierung der europäischen Politik i n diesem Jahrhundert einleitete und die mit Recht als die Gründungsurkunde der Europäischen Gemeinschaft schlechthin angesehen werden kann. Zeitlich ist die Montanunion also die Vorläuferin der beiden Brüsseler Gemeinschaften, i n der sachlichen Ausgestaltung allerdings nicht immer ihr Vorbild 1 . Die verschiedenen Aufgabenbereiche und die politischen Zeitumstände der Vertragsverhandlung haben zu teilweise differenzierten Lösungen geführt. Gleichwohl: Stellen sich die drei Gemeinschaften formell auch heute noch als getrennte Rechtspersönlichkeiten dar, so sind sie i n Wirklichkeit nur Ausprägungen einer einheitlichen politischen und wirtschaftlichen Grundkonzeption der sie gründenden sechs Staaten. Überdies sind die drei Gemeinschaften bereits heute institutionell und verwaltungsmäßig vielfältig verknüpft und der Europäische Gerichtshof hat i n einem beamtenrechtlichen Prozeß bereits de lege lata von einer „funktionellen Einheit" der drei Gemeinschaften gesprochen 2. 1 Hierzu eingehender: Bülck, Z u r Systematik der Europäischen W i r t schaftsgemeinschaften, Berichte der Dt. Ges. f. VRecht, Heft 3, S. 97 ff.; Münch, Z u r Systematik der Organe der europäischen Gemeinschaften, Festschrift f. W. Schätzel, 1960, S. 339 ff. 2 Rechtssachen 27 u n d 39/59 (Campolongo), U r t . v. 15. 7. 1960 (RsprGH Bd. V I S. 848); vgl. hierzu auch die eingehenden Ausführungen von GenAnw. Roemer i n dieser Rechtssache (RsprGH Bd. V I S. 872) sowie Ophüls, G r u n d züge europäischer Wirtschaftsverfassung, Zeitschr. f. d. Gesamte Handelsrecht u n d Wirtschaftsrecht, Bd. 124, S. 141; Pescatore, Les relations extérieures des Communautés européennes, Acad. D r o i t Intern., Ree. des Cours, 1961, I I S. 237.

7 Speyer 22

98

Walter Much

Diese Einheit weiter zu verstärken und rechtlich zu vollenden ist gegenwärtig Aufgabe der praktischen Politik. Die zur Zeit laufenden Verhandlungen über die Fusion der Exekutiven und der Ministerräte dürften i n diesem Jahre abgeschlossen werden. Die Verschmelzung der Gemeinschaften und der Gemeinschaftsverträge steht auf dem weiteren Verhandlungsprogramm. Diese wichtigen Veränderungen werden nicht unwesentlich i n die institutionelle Struktur der Montanunion eingreifen; sie dürften mit Sicherheit auch Gelegenheit geben, das wirtschafts- und sozialpolitische Instrumentarium des Montanrechts zu verbessern und insgesamt mehr Harmonie i n das Wirtschaftsrecht der europäischen Gemeinschaften zu bringen. Es ist freilich heute zu früh, i m einzelnen hierüber zu handeln. Z u vieles ist noch ungeklärt und manches ist letztlich von politischen Entscheidungen und den notwendigen Kompromissen am Verhandlungstisch der Sechs abhängig. 2. U m so mehr erscheint dieser Zeitpunkt geeignet, sich über die wichtigsten Entwicklungstendenzen Klarheit zu verschaffen, die das Recht der Montanunion i n den vergangenen Jahren aufzuweisen hat. Solche Überlegungen sind schon deswegen angebracht, weil die Montanunion einen relativ langen Erfahrungszeitraum besitzt und der supranationale Charakter der Gemeinschaftsorgane stärker ausgeprägt erscheint als bei den Brüsseler Schwestergemeinschaften. Anders als bei der EWG wurde der gemeinsame M a r k t für Kohle, Eisenerz, Schrott und Stahl nach einer kurzen Vorbereitungszeit von nur einigen Monaten bereits i m Laufe des Jahres 1953 i n einem Zuge, also ohne jede Zwischenstufe i n K r a f t gesetzt3. Nach dem Ende der Übergangszeit am 9. Februar 1958 sind, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen4, alle für die Staaten und Unternehmen zur störungsfreien Anpassung an die neuen Verhältnisse des gemeinsamen Marktes bereitgehaltenen Schutz- und Ausweichklauseln i n Wegfall gekommen. Seit mehr als sechs Jahren lebt somit die Montanunion (wenigstens theoretisch) i m „Normalzustand" ihrer Wirtschaftsverfassung und ihrer i m Gründungsvertrag enthaltenen detaillierten Wirtschaftsgesetzgebung. 3. Das geschriebene Recht der Montanunion ist dabei i m Laufe der Jahre an Umfang stets gewachsen. Durchführungsverordnungen der 8 Der gemeinsame M a r k t f ü r Kohle, Eisenerz u n d Schrott w u r d e am 10. 2. 1953, f ü r Massenstahl a m 1. 5. 1953 u n d f ü r Edelstahl am 1. 8. 1954 eröffnet. Die zahlreichen Maßnahmen u n d Entscheidungen, die die Hohe Behörde hierf ü r getroffen hatte, sind eingehend dargestellt i m 1. Gesamtbericht der Hohen Behörde ( A p r i l 1953) Ziff. 40 ff.; i m Sonderbericht über die Errichtung des gemeinsamen Marktes f ü r Stahl (Mai 1953) u n d f ü r Edelstahl i m Exposé der Hohen Behörde über die Lage der Gemeinschaft (November 1954) Ziff. 36 ff. 4 Hier ist heute n u r noch die i n gewissen Grenzen mögliche Subventionier u n g belgischer Kohleunternehmen gemäß § 26 Ziff. 4 des Übergangsabkommens von Bedeutung; vgl. Entscheidung der Hohen Behörde Nr. 12/63 v. 17. 7. 1963 (Amtsblatt 1963 Nr. 112).

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Hohèn Behörde, Zusatzabkommen der Mitgliedstaaten und Verträge der Gemeinschaft m i t dritten Staaten und mit internationalen Organisationen haben das ursprüngliche Recht ergänzt. Die grundsätzlichen Normierungen des Gründungsvertrages sind jedoch niemals geändert worden. Bei drei Gelegenheiten wurde der Vertrag zwar revidiert. Zwei Änderungen bezogen sich aber nur auf zweitrangige institutionelle Fragen 5 und die dritte „kleine" Revision nach A r t . 95 Abs. 3 und 4 EGKSV betraf sozialpolitisch interessante Ergänzungen der Wiederanpassungsbeihilfen für Arbeitnehmer®. Diese Starrheit des Gemeinschaftsrechts ist eine fatale Konsequenz der Tatsache, daß die Rechtsordnung der Montanunion sich materiell zwar als Gesetz m i t unmittelbar verbindlichen Norminhalten darstellt, formell aber i n einem völkerrechtlichen Vertrag m i t der strengen Bindung an das Einstimmigkeitsprinzip der normsetzenden Staaten festgelegt ist. Dies trifft gerade auch für ihren perfektionistisch durchnormierten wirtschaftsrechtlichen Teil zu, der sich also nicht, wie es bei der EWG der Fall ist, lediglich auf allgemeine Grundsätze oder auf Zuständigkeits- und Verfahrensregeln beschränkt. W i r berühren hier einen grundsätzlichen Punkt. Die Rechtsmaterien, die es i n den Jahren 1950 und 1951 für die Montanunion zu regeln galt, entsprechen i n ihren sachlichen Kategorien überwiegend denen des innerstaatlichen, nicht des internationalen Rechts. Damals wie heute ist dabei ein beachtlicher Normhunger zutage getreten. I h n m i t den M i t teln des Völkervertragsrechts befriedigen zu wollen, hat sich nach den gemachten Erfahrungen als wenig brauchbar erwiesen. Gewiß ist der Vertrag eine Urform des Rechts- und Gesellschaftslebens und für eine werdende Gemeinschaft der normale Ausgangspunkt der Entwicklung. Er braucht aber die Willensübereinstimmung der Beteiligten und ist daher für Situationen m i t notwendig flexibler Rechtsgestaltung ein mühsames und oft auch unwirksames Instrument 7 . Die Verfasser des Montanvertrages haben diese Gefahr durchaus gesehen. Durch die Lückenklausel des Artikels 95 Abs. 1 suchten sie die Beschränkung der Hohen Behörde auf die ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen des Vertrages, die Fessel der „compétence d'attribution" 5

Durch Änderungsvertrag v. 27. 10. 1956 (BGBl. 1956 I I S. 1874) wurde i m Anschluß an den deutsch-französischen Saarvertrag die Stimmgewichtung i m Ministerrat (Art. 26) neu gefaßt; die zweite Änderung betraf einige Bestimmungen des Parlaments u n d des Gerichtshofs als Folge des Abkommens über gemeinsame Organe v. 25. 3.1957 (BGBl. 1957 I I S. 1156 ff.). β K l e i n e Revision des A r t . 56 des Vertrages (BGBl. 1960 I I S. 1573); vgl. hierzu die beiden Stellungnahmen des Europ. G H v. 17. 12. 1959 (Rspr. Bd. V S. 571) u n d v. 4. 3.1960 (Rspr. Bd. V I S. 109). 7 Vgl. hierzu H. Huber, Supranationalität u n d Souveränität i n „Neue Z ü r cher Zeitung" v. 27.11.1963, Nr. 326, B l a t t 13.

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zu lockern. Sie sahen weiterhin die interessante Figur der „kleinen" Revision (Art. 95 Abs. 3 und 4) vor, durch die i m gemeinschaftsinternen Zusammenwirken aller Organe (also unter Ausschluß der nationalen Gesetzgebungsinstanzen) gewisse Korrekturen der Vertragsvorschriften möglich gemacht werden, wenn „unvorhergesehene, durch die Erfahrung sichtbar gewordene Schwierigkeiten bei der Vertragsanwendung oder tiefgreifende Änderungen der wirtschaftlichen oder technischen Gegebenheiten, die den gemeinsamen M a r k t für Kohle und Stahl unmittelbar beeinflussen", solche Korrekturen notwendig machen. Für die Erfordernisse der Praxis haben beide Bestimmungen jedoch nicht viel hergegeben. Die Lückenklausel des Artikels 95 Abs. 1 ist wegen ihrer strengen Bindung an die i n den Eingangsartikeln 2 bis 5 festgelegten Vertragsziele und Marktgrundsätze und wegen der erforderlichen Einstimmigkeit des Ministerrats nur schwer zu handhaben. Die m i t der kleinen Revision geschaffene erste bescheidene Gesetzgebungskompetenz des Europäischen Parlaments hinwiederum ist m i t so vielen Kautelen umgeben, daß auch die weite Auslegung, die der Europäische Gerichtshof dieser Revisionsklausel gegeben hat, außerstande ist, ihr eine größere praktische Bedeutung zu verleihen. 4. Diese Starrheit des Gemeinschaftsrechts bedeutet nicht, daß die Montanunion als politisch-ökonomisches Gemeinwesen i n gleicher Unbeweglichkeit verharrt wäre. Ganz i m Gegenteil! Seit ihren Anfängen hat sie sich stets gewandelt und weiterentwickelt. Hierfür war einmal der natürliche innere Entwicklungsprozeß wirksam, der dem dynamischen Grundzug dieser ersten Integrationsgemeinschaft entspringt. Nicht zu Unrecht hat Jean Monnet, der geistige Vater des Schumanplans, den gemeinsamen Markt einmal als eine „création continue" (eine fortwährende Schöpfung) bezeichnet. Diese Integrationsdynamik erfaßte, wie darzulegen sein wird, die verfassungsrechtlichen Einrichtungen der Gemeinschaft ebenso wie die Auslegung und Anwendung der wirtschaftlichen Vertragsbestimmungen. Zum anderen haben durch die Veränderung der Umwelt ständig neue Impulse auf das Recht der Montanunion eingewirkt und auf diese Weise eine wirklichkeitsnahe Rechtsanwendung gefördert. Zwei Faktoren haben hier vor allem eine überragende Bedeutung gehabt: die weitgehende Veränderung der wirtschaftlichen Grundtatbestände, die seit der Abfassung des Montanunionvertrages eingetreten ist, und die Entstehung der beiden Brüsseler Gemeinschaften, vor allem der EWG. a) Es ist zur Genüge bekannt, welcher Wandel auf dem Steinkohlensektor eingetreten ist. Zur Zeit der Abfassung des Vertrages war die Steinkohle ein gesuchtes, für den europäischen Wiederaufbau der Nachkriegszeit notwendiges Mangelprodukt, das vielfachen nationalen und

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internationalen Verteilungsmechanismen unterworfen war. Heute — und bereits seit 1958 — befindet sich die Kohle i n strukturellen Absatzschwierigkeiten und i n einem harten Konkurrenzkampf m i t anderen Energieträgern, wie dem ö l , dem Erdgas und demnächst der Atomenergie 8 . Der Eisenerzbergbau der Gemeinschaft (zuerst derjenige der Bundesrepublik, nunmehr auch die lothringische Minette) bekommt zunehmend die teilweise Umorientierung der Stahlindustrie auf Eisenerze aus Uberseeländern zu spüren. Schließlich hat auch, durch verschiedene Ursachen ausgelöst, nicht zuletzt wegen struktureller Umschichtungen des Weltstahlmarktes, die jahrelang glänzende K o n j u n k t u r der Stahlindustrie einer gewissen Unausgeglichenheit von Angebot und Nachfrage auf dem gemeinsamen M a r k t Platz gemacht 9 . b) Zum anderen sind die Probleme der Teilintegration m i t der zunehmenden Entfaltung der EWG i n Erscheinung getreten. Solange die Verwirklichung des allgemeinen gemeinsamen Marktes i n erster Linie auf den Abbau der Handelsschranken zwischen den Gemeinschaftsstaaten gerichtet war, waren die Rückwirkungen des EWG-Rechts auf die Montanunion kaum zu spüren. Die Abgrenzungsklausel in Art. 232 EWGV tat hierfür ihr übriges. Seitdem sich aber innerhalb der EWG mehr und mehr ein System neuer Regeln des Wettbewerbs auf den verschiedensten Zweigen wirtschaftlicher Betätigung herausbildete, waren Anstrengungen notwendig, u m das Nebeneinanderbestehen zweier Rechtsordnungen wenigstens auf den gemeinsam interessierenden Sachbereichen (Steuern, Verkehrstarife, Wettbewerbsfragen, Beziehungen zu den Überseestaaten, Beitritts- und Assoziierungsfragen usw.) i n den notwendigen Gesamtzusammenhang zu bringen. Es war darum selbstverständlich, daß durch die Hohe Behörde und von Seiten der EWG-Kommission für einige Fragen koordinierte oder gar übereinstimmende Lösungen gesucht worden sind, selbst wenn die rechtlichen Grundlagen i n den beiden Gemeinschaften nicht identisch sind. 5. Diese Bemerkungen zur Sache und zur Situation der Montanunion erlauben es, i m folgenden einige der wichtigsten Tendenzen der Rechtsentwicklung genauer zu analysieren. Sie i n einen logisch-systematischen Zusammenhang zu bringen, bereitet freilich manche Schwierigkeit, zumal die zur Verfügung stehende Zeit nur eine Auswahl der typischsten Erscheinungen zulässt. Es mag unter diesen Umständen angemessen sein, Beispiele vor allem aus jenen Sachbereichen vorzuführen, i n denen das Recht der Montan8 Der neueste Entwicklungsstand der Kernenergie w i r d eindrucksvoll i n dem Battistini-Bericht des Europ. Parlaments v. 29. 2. 1964 (Dok. 127) dargestellt. 0 Hellwig, Die Montanunion zwischen Bewährung u n d Belastung, Z e i t schr. „Stahl u n d Eisen" Bd. 83 (1963) S. 1527.

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union i n der Vergangenheit seine Bewährung bestanden oder seine Schwächen aufgezeigt hat. U m drei sehr verschiedene Problemkreise handelt es sich: 1. Einmal soll die Bedeutung dargelegt werden, die die allgemeinen Zielsetzungen des Vertrages und die Marktgrundsätze der Montanrechtsordnung auf die Vertragsanwendung genommen haben. 2. Zum anderen sollen rechtliche Entwicklungstendenzen aufgezeigt werden, die sich aus aktuellen Problemen und Schwierigkeiten des Kohle- und Stahlmarktes ergeben. 3. Schließlich erscheint eine kurze Beleuchtung der Rechtsentwicklung i m institutionell-verfassungsrechtlichen Bereich der Gemeinschaft, eine Schilderung ihrer Verfassungswirklichkeit besonders instruktiv, um ein dem Urteil zugängliches B i l d über Bewährung und Belastung dieser ältesten supranationalen Gemeinschaft zu erhalten. II. 1. Man hat i n der Literatur 1 0 m i t Recht darauf hingewiesen, daß die Grundsatzbestimmungen des Montanvertrages der juristische Ort sind, an dem die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessengegensätze ihren Austrag finden. Dieser Feststellung kommt u m so größeres Gewicht zu, als es sich bei diesen Eingangsartikeln nicht u m unverbindliche Wünsche oder Programmsätze der Vertragsväter handelt; sie sind vielmehr i n eine Rechtsordnung und i n ein Rechtsschutzsystem eingebettet, i n welchem die Hoheitsakte der Hohen Behörde von Staaten und Unternehmen m i t dem Vorwurf der Vertragsverletzung und des Ermessensmißbrauchs, also gerade wegen eines fehlerhaften, an den Vertragszielen zu messenden Verhaltens angegriffen werden können. Es war darum seit Anbeginn für die Rechtsentwicklung innerhalb der Montanunion von größter Wichtigkeit, welchen Rang und welche Funktion diese Zielsetzungen und Vertragsgrundsätze i m Gesamtsystem des Vertrages einnehmen würden. Die Praxis der Gemeinschaft bot alsbald ausreichende Gelegenheit, diese Fragen zu klären. Seit den ersten Prozessen hat sich der Europäische Gerichtshof m i t ihnen immer wieder beschäftigt. 2. Bevor dies i m einzelnen dargelegt wird, erscheint eine kurze allgemeine Betrachtung über die Auslegung des Montanvertrages am Platze. Diese Frage ist deshalb so wichtig, w e i l — wie schon einlei10 Steindorff, Die Vertragsziele der E G K S als Rechtsvorschriften Richtlinien, Berichte der Dt. Ges. f. VRecht, Heft 2 (1957) S. 94 f.

und

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tend erwähnt — das Wirtschaftsrecht der Montanunion i n seinem umfangreichsten und grundlegenden Teil i n einem völkerrechtlichen Vertrag festgelegt ist. Hinzu kommt, daß das Rechtsschutzsystem des Montanvertrages von einem gewissen justizstaatlichen Hauch nicht frei ist. Wirtschaftspolitische Entscheidungen der Hohen Behörde (man denke an Preisfestsetzungen, Lenkungsmaßnahmen, Zollempfehlungen usw.) sind i n einem Umfang justiziabel gestaltet worden, wie das i n keinem nationalen Rechtssystem vergleichsweise der Fall ist. Auch kann der Unterschied nicht verkannt werden, der i n dieser Hinsicht zu anderen normsetzenden Verträgen des internationalen Wirtschaftsrechts besteht. Als wichtigstem Beispiel sei nur auf das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) vom 30. Oktober 1947 hingewiesen. Die Funktionsweise des GATT-Abkommens zeichnet sich gerade dadurch aus, daß Auslegungsfragen mehr auf pragmatische Weise i m wirtschaftlichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Vertragsstaaten gelöst werden, als i n einer formellen, judikativen Entscheidung über eine konkrete Rechtsfrage 11 . Bülck hat i m Strupp-Schlochauerschen Wörterbuch für Völkerrecht grundlegende und beachtliche Ausführungen zur Interpretationsmethode i m internationalen Wirtschafts- und Sozialrecht, besonders dem der europäischen Organisationen, gemacht 12 . Auf dem Kölner Kongreß über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes i m A p r i l 1963 hat man sich überwiegend — und insoweit gewissen Thesen von Ophüls 13 folgend — für eine sogenannte „dynamische" Auslegungsmethode ausgesprochen. Mag dieses Wort auch etwas überspitzt erscheinen, so kann man doch feststellen, daß der Europäische Gerichtshof schon i n einem frühen Stadium seiner Rechtsprechung m i t ähnlichen Konzeptionen an die Vertragsauslegung herangegangen ist. Es ist hier vor allem auf das berühmt gewordene und immer wieder zitierte Urteil vom 29.11.1956 (RsprGH Bd. I I S. 311 f.) zur Ausgleichsregelung für belgische Kohle hinzuweisen. Hier hatte die Hohe Behörde Verkaufspreise für belgische Kohle festgesetzt, obwohl die einschlägige Vertragsvorschrift (§ 26 UebgAbk.) keine ausdrückliche Preisfestsetzungsbefugnis für die Hohe Behörde vorsah. Die Kläger i n verlangte die Aufhebung der Preisentscheidung, da nach ihrer Ansicht eine solche Befugnis nicht durch eine extensive Vertragsauslegung zuerkannt werden dürfe. Das Urteil wies das Klagebegehren mit folgender Begründung zurück: 11 Vgl. Steinberger, G A T T u n d regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, Köln, B e r l i n (1963) S. 223. 12 Bülck, Vertragsauslegung i n „Wörterbuch des Völkerrechts", Bd. 3, S. 550 ff. 18 Ophüls, Über die Auslegung der europäischen Gemeinschaftsverträge, Festschrift für Müller-Armack, 1961, S. 288 f.

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„ D e r Gerichtshof hält, ohne sich dabei an eine extensive Auslegung zu begeben, die A n w e n d u n g einer sowohl i m Völkerrecht als auch i m innerstaatlichen Recht allgemein anerkannten Auslegungsregel für zulässig, wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht i n vernünftiger u n d zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten."

I n der späteren Rechtsprechung ist diese Zuerkennung ungeschriebener Zuständigkeiten (implied powers) zwar abgeschwächt worden 14 . Der Gerichtshof hat jedoch stets an dem Grundsatz festgehalten, daß die Vertragsvorschriften so ausgelegt werden müssen, daß eine „application raisonnable et utile", eine vernünftige und sinnvolle A n wendung ermöglicht wird. 3. Diese am „effet utile" orientierte Auslegungsmethode hat den Gerichtshof zwangsläufig zu einer starken Betonung der i n den Eingangsartikeln des Vertrages enthaltenen allgemeinen Ziele und Grundsätze für die Vertragsanwendung geführt. Diese Tendenz ist seit den ersten Urteilen bemerkbar und kommt besonders klar i m Urteil vom 21. 6. 1958 (Rs. 8/57-RsprGH Bd. I V S. 251) über die Schrottausgleichskasse zum Ausdruck. Hier heißt es, daß die Hohe Behörde bei allen ihren Maßnahmen, auch wenn es der Vertrag nicht ausdrücklich vorsieht, die Verpflichtung habe, die Art. 2 bis 5 zu beachten, „ w e i l sie die grundlegenden Ziele der Gemeinschaft festlegen. Diese Bestimmungen sind sogar zwingender Natur und müssen gleichzeitig ins Auge gefaßt werden, damit ihre sachgemäße Anwendung gewährleistet ist". Hierbei ist der Gerichtshof aber nicht stehengeblieben. Dogmatisch durch die Untersuchungen von Mosler 15 und Steindorff 16 vorbereitet, i n der Gerichtspraxis durch die beiden Generalanwälte wiederholt gefordert, ist er i n späteren Urteilen zu den notwendigen Differenzierungen der Grundsatzartikel übergegangen. Vor allem hat der Gerichtshof i n seinen wichtigen Urteilen über die Eisenbahnausnahmetarife (vgl. Rs. 3/58-RsprGH Bd. V I S. 412 f.) und über den Subventionscharakter der deutschen Bergmannsprämie (Rs. 30/59 RsprGH Bd. V I I S. 43) die vorrangige Bedeutung des i n A r t . 2 Abs. 2 EGKSV 14

Noch i n dem U r t e i l v. 15. 7. 1960 i n der Rs. 25/59 (RsprGH Bd. V I S. 78) p r ü f t der Gerichtshof, ob sich evtl. Rechtsetzungsbefugnisse der Hohen Behörde stillschweigend aus anderen Bestimmungen des Vertrages oder seinem Gesamtzusammenhang ergeben. Vgl. hierzu kritisch Lagrange, Les pouvoirs de la Haute A u t o r i t é et l'application d u Traité de Paris, Rev. Droit Public, 1961, S. 40 f. 15 Mosler, Z u r A n w e n d u n g der Grundsatzartikel des EGKS-Vertrages, ZaöRV 17 (1956/57), S. 407 ff. 18 Steindorfï, a. a. O., S. 94 f.

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niedergelegten sogenannten „ökonomischen Prinzips" für die montanrechtliche Wettbewerbsordnung unterstrichen. Dieses Prinzip, dem der Gedanke der rationellsten Arbeitsteilung i n einem größeren und gemeinsamen Markt zugrunde liegt, verlangt, daß sich der Wettbewerb der Unternehmen auf der Grundlage der natürlichen Produktions- und Standortbedingungen der Unternehmen vollzieht, künstliche Verfälschungen oder Verzerrungen dieser Bedingungen also unterbleiben. Hinter diesem fundamentalen Grundsatz haben — so führte der Gerichtshof weiter aus — die i n A r t . 3 des Vertrages normierten zahlreichen wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen (geordnete Rohstoffversorgung, möglichst niedrige Preise, Ausweitung, Rationalisierung und Modernisierung der Produktionsanlagen, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer) zurückzutreten (RsprGH Bd. V I Bd. 412, 542). Diese Rechtsprechung war für die Beurteilung beispielsweise der Bergmannsprämie oder der Ausnahmetarife von größter Wichtigkeit. Die aus öffentlichen M i t t e l n finanzierte Bergmannsprämie verbesserte die Lebenshaltung der Bergarbeiter, ohne zu Preissteigerungen zu führen. Andererseits konnte damit die damals noch gewünschte Steigerung der Kohlenförderung aktiviert werden. Die Subventionierung diente also mehreren Zielsetzungen, wie sie i n A r t . 3 festgelegt sind. Ähnliche Verhältnisse lagen bei den Ausnahmetarifen vor. Die beteiligten Regierungen und die klagenden Unternehmen beriefen sich daher zur Rechtfertigung verständlicherweise auf diese Vertragsziele. Gleichwohl konnten ihnen die Hohe Behörde und später der Gerichtshof nicht zustimmen, da die Marktgrundsätze, zu denen die Subventions- und Diskriminierungsverbote gehören, einen Vorrang vor den Zielen haben. Die Ziele heiligen nicht eine Abweichung von den Marktgrundsätzen 17 . 4. Man würde sich aber täuschen, wollte man i n der Hervorkehrung des Marktautomatismus, wie er aus den A r t . 2 und 4 hervorzugehen scheint, einen Rückfall i n unzeitgemäße Vorstellungen eines sich selbst regulierenden Wirtschaftsablaufs sehen. Dieser Marktautomatismus ist keineswegs so rigoros und unbedingt, wie er manchmal hingestellt wird. Schon dem Wortlaut nach sind die Bedingungen, die „von sich aus die rationellste Verteilung der Produktion auf dem höchsten Leistungsstande" sichern sollen, nur i n fortschreitender Entwicklung zu verwirklichen. Dieses Marktprinzip ist somit eine der Gemeinschaft gestellte Aufgabe, ein Leitbild — und sicher das wichtigste —, aber nicht ein einmal gesetzter Zustand oder gar eine Voraussetzung des gemeinsamen Marktes. Es ist dynamisch zu verstehen und selbst i n 17

So auch Steindorff, a. a. O., S. 100.

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dieser Hinsicht hineingestellt i n ein sich aus der Teilintegration notwendigerweise ergebendes Spannungsverhältnis zur Gesamtwirtschaft der einzelnen Mitgliedstaaten. Nur i n Harmonie mit den vom Vertrag nicht erfaßten gesamtwirtschaftlichen Belangen der Staaten hat die Montanunion, wie sich aus A r t . 2 Abs. 1 des Vertrages ergibt, die Vertragsziele und den gemeinsamen Markt zu verwirklichen. 5. So hat gerade diese Besinnung auf die Grundlagen und die Grenzen der Montanunion eine i m Vergleich zu den Anfangszeiten geschmeidigere Vertragsanwendung ermöglicht. Als treffendes Beispiel läßt sich hier wiederum die Behandlung der Eisenbahnausnahmetarife anführen. Als die Hohe Behörde i m Jahre 1958 über die Vertragsgemäßheit einer großen Anzahl solcher von der DB und der SNCF praktizierten Tarife für Montangüter zu entscheiden hatte 18 , w a r sie von einer Zweiteilung i n Wettbewerbstarife und i n Unterstützungstarife ausgegangen. Als Wettbewerbstarife sah sie dabei solche Tarifermäßigungen an, die dazu bestimmt waren, den tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb eines anderen Verkehrsträgers (meist also der Binnenschiffahrt oder des Güterkraftverkehrs) i n der gleichen Verkehrsrelation zu begegnen. Alle anderen Ausnahmetarife qualifizierte die Hohe Behörde als Unterstützungstarife und untersuchte sie unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung (Art. 70 Abs. 1) oder der Subvention. I n den zahlreichen über diese Entscheidungen geführten Prozessen billigte der Gerichtshof zwar die Ergebnisse, zu denen die Hohe Behörde gekommen war. Die Urteilsbegründungen führten aber insofern zu einer interessanten Fortentwicklung i n dieser heiklen Materie, als der Gerichtshof auch das eigenwirtschaftliche Interesse des Verkehrsunternehmens als beachtlichen Rechtfertigungsgrund eines Ausnahmetarifs zuließ. Der sogenannte Verkehrserhaltungstarif war damit als dritte Kategorie von Ausnahmetarifen eingeführt. Er hat seitdem die Tarifgestaltung der Eisenbahnen i n den sechs Ländern stark beeinflußt und nicht aufgehört, die Hohe Behörde m i t Genehmigungsanträgen für solche Tarife und m i t der Herausbildung objektiver K r i terien für die praktische Handhabung zu beschäftigen 19 . Für die Rechtsentwicklung war hierbei vor allem von Bedeutung, daß der Gerichtshof eindeutig die Grenzen der Verantwortung festlegte, die der Hohen Behörde i m Rahmen der Teilintegration auf dem 18

Vgl. Much, Ausnahmetarif u n d Wirtschaftsintegration, Zt. f. d. Ges. Handelsrecht u. WRecht, Bd. 124 (1961) S. 110 f. 19 Vgl. die beiden Genehmigungsentscheidungen der Hohen Behörde Nr. 2/ 64 v. 29. 1. 1964 (Lorraine-Escaut) — A B l . 1964 S. 378/64 — u n d Nr. 5/64 v. 5. 2.1964 (Eisenerz v o n Damme-Grube) — A B l . 1964 S. 440/64.

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Verkehrsgebiet zukommt. Da der Verkehr — auch soweit er Montangüter erfaßt — nicht Integrationsobjekt ist, dienen (so führte der Gerichtshof aus) die Verkehrsbestimmungen des Vertrages nur dazu, um ein den Grundsätzen des Vertrages entsprechendes Funktionieren des gemeinsamen Marktes zu gewährleisten (RsprGH Bd. V I S. 410). Eingriffe i n die Verkehrswirtschaft, insbesondere in die Tarifgestaltung, seien darum nur zulässig, u m die durch die Eigenständigkeit dieses Wirtschaftszweiges bewirkten Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und Störungen vom gemeinsamen M a r k t fernzuhalten. Diese Rechtsprechung hat die gesamte weitere Tätigkeit der Hohen Behörde auf dem Verkehrssektor stark beeinflußt. Sie veranlaßte sie, m i t der EWG-Kommission i n enge Fühlung zu treten, um i n einem ständigen Gedankenaustausch koordinierte Lösungen für gemeinsame Verkehrsprobleme zu finden (Verkehrserhaltungstarife, Frachtenpublizität, Anwendung der Vertragsbestimmungen auf den Rhein, Problem der Mannheimer Akte usw.). III. 1. Die Probleme und Schwierigkeiten, die aus den veränderten Verhältnissen auf dem Kohlemarkt, zum Teil auch auf dem Stahlmarkt, entstanden sind, bieten kein gleicherweise erfreuliches Bild. Hier ist die Diskrepanz zwischen den Vertragsnormen und der stets fortschreitenden ökonomischen Welt am deutlichsten sichtbar geworden. Die liberalsten Auslegungsbemühungen haben es hier nicht immer vermocht, das rechtlich Mögliche und das wirtschaftlich Notwendige i n Einklang zu bringen. Die Vertragsrevision ist hier eine seit Jahren gestellte Aufgabe. Die Hohe Behörde hat vor einiger Zeit die i n den letzten Jahren gemachten Erfahrungen i n einem Kreis wissenschaftlicher Sachverständiger unter der Federführung von Prof. R. Wagenführ untersuchen lassen 20 . I n der Einleitung zu diesem sogenannten Wagenführ-Bericht hat die Hohe Behörde einige allgemeine Schlußfolgerungen gezogen und festgestellt, daß die weltweiten Strukturänderungen des Kohleund Stahlmarktes es notwendig machten, das i m Montanvertrag niedergelegte Wirtschaftssystem neu zu durchdenken und i n einigen Punkten zu ändern und zu ergänzen. Man muß sich für diese Feststellung vor Augen halten, daß die Grundsätze und Aktionsmittel des Montanvertrages entsprechend den 20 Der Wagenführ-Bericht wurde i n Buchform unter dem T i t e l „EGKS, 1952—1962, Ergebnisse, Grenzen, Perspektiven", L u x e m b u r g 1963, veröffentlicht.

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bei Vertragsabschluß vorhandenen Verhältnissen i n erster Linie auf eine Steigerung der Produktion und auf einen nichtdiskriminierenden Zugang der Verbraucher zu den Montanerzeugnissen ausgerichtet waren. Aus diesem Bestreben erklären sich wesentlich die verhältnismäßig strengen Marktregeln, wie z.B. das allgemeine Verbot von staatlichen Subventionen und Beihilfen, die Veröffentlichungspflicht für Preislisten und Transporttarife, das Verbot jeglicher Diskriminierung, die enggefaßten Tatbestände genehmigungsfähiger Unternehmenskartelle u. a. m. Auch die Begrenzung der montanrechtlichen Hoheitsgewalt auf die Produktionsuniemehmen von Kohle und Stahl (unter Ausschluß des Handels) und die Schwerpunktbildung der Interventionsmittel der Hohen Behörde auf dem Gebiete der Produktion verstehen sich aus dieser Konzeption. Sie alle — Marktregeln, Zuständigkeiten und A b grenzungen des integrierten, dem Montanrecht unterworfenen Bereichs ratione personae und ratione materiae — werden heute nicht mehr vollkommen den Erfordernissen einer Politik gerecht, die sich vor allem m i t strukturellen Problemen der Montanwirtschaft auseinanderzusetzen hat. 2. Das ist insbesondere bei der Kohle evident. Hier ist jede Kohlenwirtschaftspolitik heute notwendigerweise i n den Rahmen allgemeiner Energieprobleme gestellt. Drei Gesichtspunkte verdeutlichen den eingetretenen Wandel: a) Die Aufgaben des Kohlenbergbaus der Gemeinschaft liegen heute überwiegend auf dem Gebiet der Rationalisierung, der Umstellung und den damit verknüpften Sozialproblemen. Das kürzlich i n K r a f t getretene Gesetz der Bundesrepublik zur Förderung der Rationalisierung i m Steinkohlenbergbau vom 29. J u l i 1963 (BGBl. I S. 549 ff.) und der m i t diesem Gesetz gegründete Rationalisierungsverband als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mag hier als wichtigstes und aktuellstes Beispiel dieses Aufgabenwandels durchgeführt werden. Das strenge Subventionsverbot des Vertrages hat für solche Aufgaben seinen ursprünglichen Sinn verloren. Es ist heute wohl gemeinhin anerkannt, daß die bedeutenden Rationalisierungslasten des Bergbaus gewisse Hilfestellungen aus öffentlichen Mitteln (sei es der Staaten, sei es der Gemeinschaft) erfordern. Auch auf dem Gebiet der Kartelle ist es nicht mehr so sehr die Aufgabe, den Kohleverbraucher vor diskriminierenden Bezugsbenachteiligungen zu schützen, als darüber zu wachen, daß nicht leistungsschwache Unternehmen durch Kartellbildungen künstlich am Leben gehalten werden und damit die notwendigen Rationalisierungsanstrengungen abgebremst oder gar verhindert werden.

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b) Zweitens bedarf das heutige handelspolitische System des Vertrages einer grundlegenden Änderung. Die Handelspolitik war von den Verfassern des Vertrages i n der Zuständigkeit der Staaten belassen worden, wohl aus dem richtigen Gedanken, daß man für einen, wenn auch noch so wichtigen Teil der Handelsgüter keine selbständige handelspolitische Verantwortung der Gemeinschaftsorgane schaffen könne. Die Folge aber war, daß die Montangemeinschaft seit Anbeginn m i t jenem Widerspruch fertig werden mußte, der darin liegt, daß sie nach innen, durch den gemeinsamen Markt, auf dem Prinzip der Einheit gegründet ist, während nach außen der Entfaltung handelspolitischer Sonderinteressen der Staaten verhältnismäßig freier Lauf gelassen ist. Dieses Konzept hat sich besonders für den gemeinsamen Kohlemarkt negativ ausgewirkt, da die handelspolitischen Interessen der Gemeinschaftsstaaten sich hier je nach Produzenten- und Verbraucherländern protektionistisch oder liberal gebärden. c) Schließlich muß darauf hingewiesen werden, daß sich gerade bei der Kohle die Wechselbeziehungen zwischen der allgemeinen und der partiellen Integration deutlich hervorheben. Die Kohle ist i m Wettbewerb m i t Brennstoffen konfrontiert, die den Bestimmungen der beiden anderen Gemeinschaftsverträge unterliegen. Die M a r k t - und Wettbewerbsregeln dieser Verträge sind elastischer als die des Montanvertrages. So w i r d hier eine Harmonisierung der Gemeinschaftsverträge unvermeidlich. 3. Diese Anforderungen an das Recht der Montangemeinschaft, die von der Hohen Behörde i n ihren Gesamtberichten der letzten Jahre immer wieder hervorgehoben wurden, sind de lege lata nicht zu bewältigen. Auch die durch die kleine, also gemeinschaftsinterne Vertragsrevision gebotenen Möglichkeiten führen nicht weiter. Zwar konnte auf diese Weise die Gewährung von Anpassungsbeihilfen für A r beitnehmer besser den heutigen Notwendigkeiten angepaßt werden. Eine zweite gemeinsame Initiative der Hohen Behörde und des Ministerrats zur Auflockerung der Vertragsbestimmungen m i t dem Ziel, Rationalisierungskartelle i n gewissen Grenzen genehmigungsfähig zu machen, scheiterte jedoch an der negativen Stellungnahme des Gerichtshofes 21 . Es bleibt somit nur der Weg der großen Vertragsrevision übrig, die sich i m wesentlichen nach den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln vollzieht. Die wichtigsten Pläne für eine solche Revision werden von der Hohen Behörde seit langem i m Rahmen der Vorschläge für eine gemeinsame Energiepolitik verfolgt. Diese Vorschläge waren erstmals i m Memorandum über die Energiepolitik 2 2 vom 25. J u n i 1962 21 82

Stellungnahme 1/61 v. 13.12.1961 (RsprGH Bd. V I I S. 551 ff.). Vgl. hierzu Ziff. 196 ff. des 11. Gesamtberichtes der Hohen Behörde.

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und i n einem dem Ministerrat vorgelegten Abkommensentwurf vom 3. A p r i l 1963 enthalten 23 . I h r Leitgedanke bestand darin, den zweiten Teil der Ubergangszeit der EWG dazu zu benutzen, um bis zum Jahre 1970 ein geschlossenes System von materiellen und Verfahrensregeln für alle Energiezweige auszuarbeiten, i n der Zwischenzeit aber gewisse Abweichungen von den allzu strengen Marktregeln des Montanvertrages, insbesondere dem Subventionsverbot, i m Einzelfalle zuzulassen. Hierbei w a r die Tendenz unverkennbar, von den zu stark durchnormierten Tatbeständen des Vertrages loszukommen und die Einzelheiten der zu ergreifenden Maßnahmen der politischen Beurteilung durch die zuständigen Gemeinschaftsorgane zu überlassen 24 . Eine Einigung über diese Vorschläge konnte indessen i m Ministerrat bisher nicht erreicht werden. Die Meinungsverschiedenheiten sind vor allem politischer Natur. Sie erklären sich daraus, daß die langfristige Entwicklung des Energiemarktes für einige Regierungen zu ungewiß ist, u m sich heute auf grundsätzliche Weichenstellungen der Energiepolitik festlegen zu können. Die i n Aussicht stehende Fusion der Exekutiven und später der Gemeinschaften hat nunmehr ein neues Element i n die jahrelangen Diskussionen u m eine gemeinsame Energiepolitik gebracht. I n der Erkenntnis, daß eine solche Politik nur als langfristiges Ziel angestrebt werden kann, hat die Hohe Behörde kürzlich einen neuen Zweiphasenplan vorgeschlagen. Nach diesem Plan sollen sich die Regierungen verpflichten, i m sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Verschmelzung der Gemeinschaften und ihrer Verträge einen gemeinsamen Energiemarkt zu verwirklichen, der sich insbesondere auf Fragen der Handelspolitik, auf ein System staatlicher Beihilfen sowie auf harmonisierte Wettbewerbsregeln für alle Energieträger bezieht. Bis dahin, also i n einer neu eröffneten Übergangszeit, können die M i t gliedstaaten dem Bergbau koordinierte Unterstützungsmaßnahmen 23 Der W o r t l a u t dieses Entwurfes eines „Abkommens über die Schaffung der Voraussetzungen f ü r die V e r w i r k l i c h u n g eines gemeinsamen Energiemarktes" w i r d i m 12. Gesamtbericht (1964) S. 87 ff. wiedergegeben. 24 I m V o r w o r t zum Wagenführ-Bericht (S. X X I V ) gibt die Hohe Behörde hierfür folgende Gründe an: „Die Erfahrung hat gezeigt, daß allzu starre Formen oft nicht den Realitäten künftiger Wirtschaftsbedingungen entsprechen u n d daher noch vor ihrer etwaigen konkreten Anwendung an Wirksamkeit verlieren können. Daher hält es die Hohe Behörde f ü r besser, dem Montanvertrag eine Reihe von Rahmenbestimmungen a n z u f ü g e n . . . Dieses System würde sich dem bei der E W G angewandten institutionellen Mechanismus gewissermaßen annähern; jedoch ist die Hohe Behörde der Ansicht, daß ein solcher Mechanismus durch eine i n A r t . 95 des Montanvertrages vorgesehene Bestimmung ergänzt werden müßte, nämlich durch die Einschaltung des Europäischen Parlaments i n das Verfahren zur Annahme neuer Gemeinschaftsregeln, u n d zwar i n der F o r m einer Genehmigimg durch qualifizierte M e h r heiten."

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(insbesondere Rationalisierungshilfen) zugute kommen lassen, die aber gemeinschaftlichen Kriterien gehorchen müssen und der Kontrolle der Hohen Behörde unterliegen. Über das Schicksal dieses neuen Vorschlages der Hohen Behörde läßt sich i m Zeitpunkt, i n dem diese Ausführungen gemacht werden, nichts sagen 24a . 4. Noch von einer anderen Tendenz der Rechtsentwicklung soll kurz die Rede sein. Sie hängt nicht mit Erscheinungen auf dem Kohlemarkt zusammen, sondern betrifft vor allem den Stahl, ist aber für die künftige Struktur der Montanunion von grundsätzlicher Bedeutung. Es handelt sich um das Wesen der Gemeinschaft i m Hinblick auf ihre Beziehungen zur Außenwelt. Schon oben ist dargelegt worden, daß der Montanvertrag die handelspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten grundsätzlich unberührt läßt (Art. 71). Das hat unter anderem zur Folge, daß die EGKS keinen gemeinsamen Außenzoll kennt, ihr also das eine Kernstück der EWG — nämlich eine Zollunion zu sein — fehlt. Nach den zur Zeit gebräuchlichen Kategorien regionaler Wirtschaftszusammenschlüsse wäre die Montanunion eher als eine partielle Freihandelszone anzusprechen. Tatsächlich ist die Montanunion i m GATT für die notwendige Freistellung von der generellen Meistbegünstigungsverpflichtung weder als Zollunion noch als Freihandelszone i m Sinne von A r t . 24 GATT behandelt worden, da sie sich auf ein wirtschaftliches Teilgebiet beschränkt. Sie erhielt den „Waiver" vielmehr unter A n wendung von A r t . 25 Ziff. 5 GATT, der i n „außergewöhnlichen Umständen" von Vertragsverpflichtungen befreien kann und dadurch präferentielle Regionalzusammenschlüsse toleriert 2 5 . Eine solche Ausnahmebewilligung wäre heute übrigens nicht mehr erforderlich, da sich alle drei Gemeinschaften mehr und mehr als eine wirtschaftliche und handelspolitische Einheit herausbilden, so daß den GATT-Kriterien i n A r t . 24 für wirtschaftliche Regionalzusammenschlüsse unmittelbar entsprochen wird 2 8 . Besteht somit kein gemeinsamer Außenzoll der Gemeinschaft, so hat andererseits der auch für Drittlanderzeugnisse geltende Grundsatz 24a Die i m Ministerrat vereinigten Regierungen haben am 21. 4. 1964 die Vorschläge der Hohen Behörde als neues Energie-Protokoll angenommen. Das Protokoll w i r d i m A m t s b l a t t der Gemeinschaften veröffentlicht werden. 25 GATT-Entscheidung f ü r die E G K S v. 10. 11. 1952 (GATT-Instruments de base et Documentation divers, Suppléant No. 1). 26 So auch Steinberger, a. a. O., S. 128, der i m übrigen m i t Recht darauf hinweist, daß sich der G A T T - W a i v e r v. 10. 11. 1952 nicht automatisch auf künftige Mitglieder der E G K S erstrecken würde. Treten allerdings dritte GATT-Staaten den drei Gemeinschaften gleichzeitig bei, w i e es von Großbritannien, Dänemark u n d Norwegen beabsichtigt war, so wäre nach dem oben Gesagten auch vor der Verschmelzung der Gemeinschaften ein spezieller E G K S - W a i v e r f ü r diese Staaten nicht erforderlich.

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des freien Warenverkehrs 27 die Mitgliedstaaten faktisch zur Bildung harmonisierter Zolltarife gezwungen. Das heißt, daß die vier Zollgebiete der Gemeinschaft ihre Außenzölle für Stahl so zueinander i n Beziehung gesetzt haben, daß die Umleitung eines Drittlandproduktes über das Niedrigzollgebiet eines Nachbarstaates verhindert wird. Dieses harmonisierte Zollsystem ist noch heute in Kraft, aber aus zwei Gründen reformbedürftig: Einmal w i r d es zunehmend dringlicher, die Struktur des Außenschutzes und der handelspolitischen Zuständigkeiten derjenigen der EWG anzugleichen. Spätestens m i t der Fusion der Gemeinschaften w i r d es undenkbar, i n den Beziehungen zu dritten Ländern unterschiedliche Zollsysteme zur Anwendung zu bringen. Zum anderen fordern die am 4. Mai beginnenden Zollverhandlungen i m Rahmen der Kennedy-Runde einheitliche Ausgangsgrundlagen für eventuelle lineare Zollsenkungen. Diese Erwägungen hatten die Hohe Behörde bei der Eörterung der Stahlmarktmaßnahmen i n den letzten Monaten veranlaßt, die für den notleidenden Stahlmarkt notwendig gewordenen Schutzmaßnahmen an den Außengrenzen m i t einer strukturellen Änderung des Zollsystems zu verbinden. Sie schlug dem Ministerrat vor, durch einen Zollbeschluß nach A r t . 72 des Vertrages einen einheitlichen Zollsatz auf dem Niveau der italienischen Stahlzölle, dem höchsten der Gemeinschaft, einzuführen. I m Ministerrat kam jedoch die erforderliche Einstimmigkeit nicht zustande. Die Hohe Behörde erließ darum am 15. Januar 1964 eine Empfehlung 28 , m i t der sie die Mitgliedstaaten zur vorübergehenden Zollerhöhung auf das italienische Niveau verpflichtete. Diese Empfehlung stützt sich auf eine Ausnahmeklausel des Vertrages zur Abwehr vorübergehender Marktschwierigkeiten (Art. 74 Nr. 3). Sie kann daher keine strukturelle Änderung des Zollsystems bewirken. Das Problem bleibt somit bestehen und bedarf einer alsbaldigen Lösung. IV. 1. Diese Zollempfehlung ist der geeignete Anknüpfungspunkt, um abschließend noch einige Entwicklungstendenzen i m institutionellen Bereich aufzuzeigen. I n der Tat hat diese jüngste Maßnahme der Hohen Behörde a l l jene überrascht, die das supranationale Prinzip 27 Dieser f ü r den gemeinsamen M a r k t wichtige Grundsatz wurde von der Hohen Behörde i m Wege der Vertragsinterpretation ermittelt (Schreiben an die Regierungen v. 28. 5. 1955). Der Gerichtshof stimmte i h m i m VloeberghProzeß (Rs. 9 u n d 12/60) zu (RsprGH Bd. V I I S. 467). 28 Empfehlung Nr. 1/64 v. 15. 1. 1964 über die Erhöhung des Außenschutzes gegenüber Einfuhren v o n Stahlerzeugnissen i n die Gemeinschaft (ABl. v. 22. 1. 1964, S. 99).

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bereits für eine überholte Methode der europäischen Integration angesehen haben. Was war geschehen? Nachdem sich die sechs Regierungen wegen ihrer unterschiedlichen handelspolitischen Interessen und w i r t schaftspolitischen Auffassungen über eine Zollerhöhung nicht verständigen konnten, dekretierte die Hohe Behörde gegen den Widerstand zweier Mitgliedstaaten (und nicht der geringsten) von Gemeinschafts wegen eine solche Maßnahme. Es sei hinzugefügt, daß auch diese Staaten die Zollempfehlung durchgeführt haben. Man kann nicht sagen, daß eine solche Unterwerfung der Staaten unter den Gemeinschaftswillen die landläufige A r t ist, mit der die Hohe Behörde die Durchsetzung einer Gemeinschaftspolitik anstrebt. Das Beispiel zeigt aber, daß dem Verhältnis zwischen der Hohen Behörde und dem Ministerrat und darüber hinaus den Beziehungen zwischen der Hohen Behörde und den Mitgliedsstaaten eine zentrale Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft zukommt. 2. Bei der Beurteilung dieses Verhältnisses ist die Hohe Behörde i n der Gunst der Meinungen von einem Extrem ins andere geraten: Beklagte man sich anfänglich über ihre Fülle unkontrollierter Machtbefugnisse, so warf man ihr später ihre freiwillige Unterwerfung unter den Willen der Regierungen vor 2 9 . Eine genauere Analyse kommt indessen zu sehr viel nuancierteren Schlußfolgerungen. Zweifellos ist es richtig, daß der Einfluß, den der Ministerrat auf die Willensbildung i n der Gemeinschaft genommen hat, stärker ist, als es i m ursprünglichen Konzept der Vertragsautoren lag. Die gleiche Feststellung kann übrigens für das Parlament und m i t gewissen Einschränkungen auch für den Gerichtshof getroffen werden. Interessanterweise hat sich also nach dem Ingangsetzen der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Gemeinschaft eine Entwicklung fortgesetzt, die bereits während der Vertragsverhandlungen sichtbar war. Es w i r d oft zu wenig beachtet, daß die Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 keineswegs eine staatsähnliche Verfassungsstruktur vorsah, wie w i r sie heute — gewiß m i t allen Vorbehalten möglicher Analogien — vor uns haben. Man dachte damals (vor allem von französischer Seite) zunächst nur daran, eine „Hohe Behörde" zur Durchführung des Vertrages einzurichten. I m Laufe der Vertragsverhandlungen wurden dann schrittweise die notwendigen Gegengewichte hinzugefügt: ein Gerichtshof zur rechtlichen Kontrolle, ein Parlament zur politischen Überwachung der Hohen Behörde, schließlich der Ministerrat als gerade bei einer Teilintegration notwendiges Verzahnungsorgan zwischen der supranationalen Zen29 Vgl. hierzu neuestens: Schroeter, Montanbehörde u n d E W G - K o m m i s sion, L e i t b i l d u n d Bewährung, Göttingen 1963.

8 Speyer 22

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tralinstanz und Iden gesamtwirtschaftlichen einzelnen Mitgliedstaaten.

Verantwortungen

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3. Diese Gegengewichte haben sich als sehr wirksam erwiesen, übrigens nicht zum Schaden einer gesunden demokratischen Weiterentwicklung der Gemeinschaft selbst. Sie führten die Hohe Behörde dazu, m i t den i m Ministerrat vertretenen Regierungen eher das politische Gespräch zu suchen, anstatt zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit irgendwelche supranationalen Machtbefugnisse hervorzukehren. Freilich handelt es sich hierbei nicht immer nur u m ein Verhalten politischer Klugheit 3 0 . Der mehr und mehr sich entwickelnde Dialog m i t dem Ministerrat ergab sich auch zwangsläufig daraus, daß die Ausübung der Befugnisse der Hohen Behörde gerade i n den wirtschaftlich bedeutenden Fällen, z. B. bei den konjunkturellen Ausnahmelagen (Art. 57 if.), Ausgleichskassen (Art. 53), Handelspolitik (Art. 71 if.), usw., von Rechts wegen an eine M i t w i r k u n g des Ministerrats gebunden war. Vor allem haben auch die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unwesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen. I n dem Maße, i n dem die Tätigkeit der Hohen Behörde wegen der Unzulänglichkeit mancher Vertragsbestimmungen immer mehr i n den normfreien Raum hinausdrängte, war sie auf den Konsens der Staaten angewiesen. Die jahrelangen Bemühungen u m die Bearbeitung einer gemeinsamen Energiepolitik sind hierfür ein treffendes Beispiel 31 . Selbstverständlich geht diese Dualität der Willensbildung auf die Dauer auf Kosten der Effektivität. Die Praxis hat gezeigt, daß hier eine Quelle möglicher Konflikte zwischen der Hohen Behörde und dem Ministerrat liegt. Es ist bekannt, daß i m Jahre 1959 das weitgesteckte Aktionsprogramm der Hohen Behörde zur Steuerung der Kohlenkrise an der notwendigen Zustimmung des Ministerrats scheiterte. Der Zu80 Dieser Gesichtspunkt ist v o n M . René Mayer, dem zweiten Präsidenten der Hohen Behörde, einmal eindrucksvoll vor dem Europ. Parlament v o r getragen worden (EGKS, Gemeinsame Versammlung, Ausf. Sitzungsberichte 1954/55, Sitzung v. 24. 6.1955, S. 642). 31 So f ü h r t die Hohe Behörde i n ihrer A n t w o r t v. 16. 3. 1964 auf die parlamentarische Anfrage Nr. 149 (Amtsblatt v. 9. 4. 1964, S. 905/64) folgendes aus: „(Die neue Energieinitiative) w a r Gegenstand unmittelbarer Fühlungnahmen m i t den Regierungen. Die Hohe Behörde hat diese jedesmal dazu benutzt, die Dringlichkeit einer gemeinsamen Energiepolitik zu betonen. Sie muß aber die Herren Abgeordneten daran erinnern, daß sie, w i e auch die anderen Exekutiven, auf diesem Gebiet keine anderen Befugnisse u n d keinen anderen A u f t r a g hat, als Vorschläge zu machen u n d Untersuchungen vorzunehmen. Zusammen m i t den anderen Exekutiven hat sie, soweit sie konnte, K l a r h e i t über die Möglichkeiten, zwischen denen sich die Regierungen zu entscheiden haben, geschaffen. Sie hat ständig versucht, das Gespräch zwischen den Regierungen zu fördern, u n d hat sich bemüht, die Gegensätze abzubauen. Es liegt nunmehr allein bei den Regierungen, Entscheidungen zu treffen."

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sammenhalt des gemeinsamen Marktes war damals ernsthaft bedroht. Der Konflikt konnte dadurch überwunden werden — und das ist wiederu m symptomatisch für die Methode der Vertragsanwendung —, daß eine sehr allgemein gefaßte Notstandsklausel des Vertrages (Art. 37) zum Zuge gebracht werden konnte 32 . Die Hohe Behörde hat darum wiederholt gefordert, daß sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben eindeutige Befugnisse haben muß und daß der Ausbau der Gemeinschaften nur eine nach vorwärts gerichtete Tendenz i m Sinne der Stärkung der übernationalen Struktur haben kann: i n der Erweiterung ihrer Aktionsmittel für Kohle und Stahl, die m i t der weiteren Entfaltung der Zuständigkeiten der EWG-Kommission Hand i n Hand geht. Diese Entwicklung w i r f t andererseits die Frage nach der parlamentarischen Kontrolle der Europapolitik auf. Die gegenwärtigen Befugnisse des Straßburger Parlaments sind trotz der weitesten Auslegung, die man den Vertragsbestimmungen gegeben hat, zu schwach und stehen i n keinem Verhältnis zu der wachsenden Bedeutung, die den Entscheidungen der anderen Gemeinschaftsorgane zukommt. So werden i m Zusammenhang m i t den Fusionsverhandlungen zur Zeit Pläne diskutiert, u m wenigstens für die Verabschiedung des Haushalts der Gemeinschaften und für die rechtsetzenden Akte der Gemeinschaften eine stärkere Einschaltung des Parlaments vorzusehen. Diese Pläne finden die Unterstützung der Hohen Behörde 83 .



So komme ich am Schluß wieder zum Ausgangspunkt meiner Darlegungen zurück. Die Entwicklungstendenzen des Montanrechts haben ihren kurzfristigen Zielpunkt i n der kommenden Fusion der Exekutiven u n i der Gemeinschaften. Diese Verschmelzung soll eine Festigung der europäischen Integration bewirken: durch eine Vereinfachung und Rationalisierung des institutionellen Apparats und durch eine Harmonisierung unterschiedlicher materieller Regelungen. Nicht kann es sich jedoch bei der Montanunion darum handeln, Erreichtes und Bewährtes ohne Grund aufzugeben. Es war gewiß ein mutiges Experiment, das m i t der Teilintegration von Kohle und Stahl an den Anfang der Europäischen Gemeinschaften gesetzt wurde. Die vergangenen elf Jahre haben ihre Vorzüge, Grenzen und Schwächen deutlich werden lassen. Das Experiment findet aber rückschauend seine Rechtfertigung, wenn die Erfahrungen der Montanunion bei den weiteren Schritten zur w i r t schaftlichen Integration richtig genutzt werden. 32 Vgl. hierzu U r t e i l des Gerichtshofes i n den Rs. 2 u n d 3/60 (Niederrheinische Bergwerks AG) v. 13. 7.1961 (RsprGH Bd. V I I S. 283 f.). 33 Vgl. 12. Gesamtbericht der Hohen Behörde (1964) S. 17.

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Entwicklungstendenzen im Rechtsetzung9verfahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Von Herbert Bruns

Gestern haben die Probleme staatlicher Wirtschaftsverwaltung und Wirtschaftspolitik aus der Sicht des Bundes und einiger Länder der Bundesrepublik i m Mittelpunkt der Diskussion gestanden. Der heutige Tag soll dagegen vorrangig den Fragen übernationaler Wirtschaftsverfassung und -Verwaltung, inbesondere den europäischen Gemeinschaften und ihrem Recht gewidmet sein. Mein Referat i m besondern hat die „Entwicklungstendenzen i m Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" zum Gegenstand. Ich darf zunächst kurz auf die bisherige Entwicklung der EWG eingehen. Die EWG ist erst i m Werden; sie soll nach dem Vertrag zur Gründung der EWG, einem der beiden nach dem Unterzeichnungsort sogenannten „Römischen Verträge", schrittweise verwirklicht werden. Für diesen Prozeß ist eine Ubergangszeit vorgesehen, die grundsätzlich auf 12 Jahre bemessen ist. Wenn alles nach Plan verläuft, wäre der Gemeinsame Markt zu Beginn des Jahres 1970 hergestellt. Der Vertrag unterscheidet während der Ubergangszeit Stufen i m Prinzip vierjähriger Dauer — denen jeweils eine Gesamtheit von Maßnahmen entspricht, die zusammen eingeleitet und durchgeführt werden sollen — „neoliberale Vierjahrespläne", wie sie Herr Professor Bülck einmal treffend bezeichnet hat. Da das Ziel der Stufen bisher jeweils fristgemäß erreicht wurde, stehen w i r heute etwa i n der Mitte der 2. Stufe der insgesamt 3 Stufen der Ubergangszeit. Das Charakteristische der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Gemeinsamen Marktes ist nun der Ubergang von einer stärker rechtlich bestimmten, nämlich durch eine gewisse Vertragsautomatik i m voraus festgelegten ersten, mehr negativ gerichteten Phase des Abbaus der Handelshemmnisse aller A r t zu einer Phase positiven, politisch bestimmten Handelns der Gemeinschaft. Man hat diesen Wandel mit der Feststellung bezeichnet, daß der Gemeinsame M a r k t sich zur Zeit aus einer Zollunion zu einer Wirtschaftsunion entwickele. Diese Feststellung ist nicht wörtlich zu nehmen, ist doch bisher nicht einmal die Zollunion v o l l verwirklicht; sie bezeichnet aber treffend die Tendenz der Gesamtentwicklung.

Entwicklungstendenzen im Rechtsetzungs verfahren der EWG

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I n der ersten Phase hat die Abschaffung der Binnenzölle, die Aufhebung mengenmäßiger Beschränkungen des freien Warenverkehrs, die Beseitigung der Hindernisse für den freien Kapitalverkehr, die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Herstellung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, kurz, der Abbau von Schranken i m Vordergrund gestanden. Hierfür haben der Vertrag selbst oder die i n seinem Vollzug festgelegten Programme Zeitpläne aufgestellt. Die erste Phase ließ deshalb i m wesentlichen nur Bemühungen der Gemeinschaftsorgane u m Beschleunigung der Entwicklung Raum. Die Phase des Aufbaus der Zollunion, nach A r t i k e l 9 des Vertrages Grundlage der Gemeinschaft, ist zur Zeit noch nicht völlig abgeschlossen — die Binnenzölle sind beispielsweise erst zu 60 % abgebaut —, sie ist aber i n ihrer Bedeutung i n den Hintergrund gedrängt durch die Bemühungen u m eine gemeinsame Politik auf den verschiedensten Gebieten wirtschaftlichen Handelns. I n diesen Rahmen gehören die Bemühungen u m eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik, eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs, die Herstellung einer Wettbewerbsordnung m i t gemeinschaftlichem Kartellrecht und weitgehender Harmonisierung der Steuern; schließlich die Bestrebungen nach einer gemeinsamen Sozialpolitik und die Ansätze zu einer gemeinsamen Handelspolitik i m Verhältnis der Gemeinschaft nach außen. I n diesem Zusammenhang sind auch zu erwähnen die umfassenden Arbeiten zur Angleichung des nationalen Rechts überall dort, wo dies für die Herstellung eines wettbewerblich geordneten freien Marktes erforderlich ist. Die Gemeinschaft befindet sich gerade gegenwärtig i n einer fast stürmischen Phase dieses w i r t schaftspolitischen Integrationsprozesses. Die Entwicklung gleicht einem Schwungrad, das, einmal i n Bewegung gesetzt, zunehmend an Geschwindigkeit gewinnt. Ich spiele damit auf die jüngsten Beschlüsse des M i n i sterrats zur Währungs- und Konjunkturpolitik an. Die Herstellung binnenmarktähnlicher Verhältnisse fordert und erzwingt geradezu eine Zusammenarbeit auch auf Gebieten, die bisher als Reservate nationaler Eigenstaatlichkeit galten. Die Beschlüsse des Rates sind zwar gegenwärtig noch in das Wattepaket formell unverbindlicher Empfehlungen gepackt, aber es ist nicht zweifelhaft, daß die Zusammenarbeit i n Zukunft stärkeren Einfluß auf die Haushalts- und Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten gewinnen wird. Die Haushaltspolitik war aber in der Geschichte der Staaten stets ein hart umstrittenes Kernstück binnenstaatlicher Politik. Solange um die sachliche Formung des Gemeinschaftswillens gerungen wird, t r i t t das Recht an Bedeutung zurück. Die hier zu treffenden

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Entscheidungen sind Sache wirtschaftspolitischen Ermessens. I m Gegensatz zum Vertrag über die Gründung der Montanunion oder der Europäischen Atomgemeinschaft begnügt sich der EWG-Vertrag in der Sache vielfach, lediglich den Rahmen vorzuzeichnen, Ziele zu setzen, Aufgaben zu umschreiben, Programme festzustellen, Maßnahmen zu fordern — kurz: die allgemeine Orientierung festzulegen. Man hat deshalb bereits i n dem EWG-Vertrag eine A r t „pactum de contrahendo" sehen wollen, eine Einigung darüber, sich zu einigen. Was es beispielsweise konkret bedeutet, daß die Mitgliëdstaaten die Konjunkturpolit i k als „Angelegenheit gemeinsamen Interesses" betrachten, ist nicht durch juristische Interpretation zu ermitteln. Wo Rechtsprobleme auftauchen, gelten sie zumeist Verfahrensfragen. Ja, es läßt sich sogar sagen: i n dem Maße, i n dem der Vertrag die Konkretisierung der politischen Zielsetzung den Gemeinschaftsinstanzen überläßt, kommt der Frage nach der Zuständigkeit, d. i. der institutionellen Ordnung der Gemeinschaft, den Funktionen der Gemeinschaftsorgane und den von ihnen zu beobachtenden Verfahren verstärktes Gewicht zu. Nicht selten verhüllt der Streit u m Verfahrensfragen oder die Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane, daß um die Sache selbst gerungen wird. Ich beabsichtige deshalb, mich i m folgenden m i t dem Verfahren zu befassen, i n welchem Gemeinschaftsrecht geboren wird. Ich möchte mich dabei auf Formen typischer Rechtsetzung beschränken, bei welchen Gemeinschaftsorgane zusammenwirken. Gedacht ist dabei also i n erster Linie an die Vorbereitung, den Erlaß und die Durchführung von Verordnungen und Richtlinien als Regelfälle gemeinschaftseigener Rechtsschöpfung letztinstanzlich durch den Ministerrat. Ich lasse also unberücksichtigt, daß Kommission und Rat selbständig Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben oder Entscheidungen i n eigener Zuständigkeit treffen können — wie denn überhaupt auf systematisch vollständige Erfassung aller nach dem Vertrag denkbaren Sonderfälle von Verfahren hier kein Wert gelegt zu werden braucht. Dabei w i r d sich auch Gelegenheit geben, hier und da ein Streiflicht auf die institutionelle Ordnung der Gemeinschaft selbst zu werfen. Es ist anzunehmen, daß die Konzeption dieser Ordnung nach dem Vertrag auch die geplante Fusion der drei Exekutiven überdauern wird. Die Verschmelzung der drei Vertragswerke selbst ist ja ohnehin erst für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen. Zunächst vorweg: Der Vertrag kennt als typische Rechtsetzungsakte der Gemeinschaft Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen. Verordnungen haben allgemeine Geltung; sie gelten unmittelbar i n jedem Mitgliedstaat. Aus der Fülle der Verordnungen seien hier nur als Beispiel erwähnt: die Kartellverordnung, die Verordnung über die Frei-

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zügigkeit der Arbeitnehmer, aber auch die so hart umkämpften Verordnungen zur Bewirtschaftung einzelner Erzeugnisse des Agrarmarktes. Richtlinien wenden sich dagegen lediglich an die Mitgliedstaaten, sind für diese verbindlich, soweit sie das m i t der Richtlinie verfolgte Ziel betreffen; Sache der Mitgliedstaaten ist es, die Gebote der Richtlinie i n nationales Recht zu transformieren, damit sie für den einzelnen Staatsbürger verbindlich werden. Die Wahl der Form und des M i t tels, m i t denen das Ziel erreicht wird, bleibt den innerstaatlichen Stellen überlassen. Entscheidungen können, anders als die Richtlinien, sowohl an die Mitgliedstaaten als auch an den einzelnen „Marktbürger" gerichtet werden. I m letzteren Falle handelt es sich um Verwaltungsakte. Soweit eine an einen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung die Änderung m i t gliedstaatlichen Rechts zum Ziel hat, braucht sie nicht, wie die Richtlinie, dem Mitgliedstaat die Wahl von Form und M i t t e l zu überlassen. Es sei m i r erlassen, i m einzelnen aufzuführen, i n welchen Fällen der Vertrag Regelungen durch Verordnungen zuläßt und welche Ziele durch Richtlinien verfolgt werden sollen. Hinweisen möchte ich lediglich auf ein gemeinschaftsrechtliches Novum — eine Neuartigkeit jedenfalls nach den Begriffen deutschen öffentlichen Rechts — nämlich den Begründungszwang für alle Rechtsetzungsakte der Gemeinschaft. Daß Entscheidungen mit Gründen versehen werden, ist auch der deutschen Rechtspraxis geläufig; ebenso, daß Gesetzesentwürfen regelmäßig eine Begründung beigegeben wird, die zusammen mit der Niederschrift über die späteren parlamentarischen Verhandlungen gestatten, den berühmten „Willen des Gesetzgebers" zu erforschen. Für die Gesetzesauslegung haben die Motive, wie Sie wissen, aber nur i m Zweifelsfalle Bedeutung; sie sind sogar unbeachtlich, wenn der Wortlaut des Gesetzes keinerlei Raum für Zweifel läßt. Nach dem E WG-Vertrag sind sie indessen in Form der sog. „Erwägungsgründe" — französisch: „considérants" — Bestandteile des Rechtsetzungsaktes selbst, dazu bestimmt, die richterliche Nachprüfung zu erleichtern; i h r Mangel ist ein Formfehler, der zu richterlicher Feststellung ihrer Nichtigkeit führen kann. Die Formulierung der „considérants" nimmt denn auch häufig einen recht breiten Raum ein; deutsches Sprachgefühl ist oft eigenartig berührt, wenn erst am Schluß einer längeren Aufzählung solcher Erwägungsgründe ersichtlich wird, was denn eigentlich beschlossen worden ist. Hier hat sich über das unmittelbare Vorbild des Montanunion-Vertrages französische Praxis und Denkweise durchgesetzt. Es wäre alles andere als ratsam, der Formulierung dieser für die spätere Auslegung mitentscheidenden präambelähnlichen Motivation nicht die nötige A u f merksamkeit zu schenken.

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Das Verfahren läßt sich nach dem Vertrag auf diese Kurzformel bringen: Die Kommission der EWG schlägt eine Verordnung oder eine Richtlinie vor; erlassen w i r d sie durch den Ministerrat, regelmäßig nach Anhörung des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses. Der Rat entscheidet i n bestimmten Fragen einstimmig; heute bereits, und m i t fortschreitendem Ablauf der Ubergangszeit i n immer weiterem Umfang jedoch vielfach auch mit qualifizierter Mehrheit, seltener mit einfacher Mehrheit. Solange Einstimmigkeitsprinzip besteht, kann jedes einzelne Ratsmitglied, theoretisch also auch der kleinste Mitgliedstaat, Ratsbeschlüsse durch sein Veto hindern. Erst die Möglichkeit der Mehrheitsentscheidung macht deutlich, daß der Rat keine internationale Konferenz, sondern ein echtes Organ der Gemeinschaft ist, dessen Beschlüsse keiner nationalen Ratifizierung bedürfen. W i r lernen hier die erste bedeutsame Rolle der Kommission kennen: Die Kommission ist der Anreger und Initiator. Sie hat die Konzeption zu erarbeiten und vorzuschlagen, sie repräsentiert die motorische und dynamische Kraft, die die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes voranzutreiben und zu sichern hat. Die großen wirtschaftspolitischen Entscheidungen obliegen dagegen dem Rat, dessen Mitglieder den Willen der Regierungen i n Gemeinschaftsangelegenheiten repräsentieren. Der Rat beschließt über die Gemeinschaftspolitik, mithin auch über die politische Orientierung auf den vorhin zitierten Gebieten gemeinschaftlichen Handelns. Hier findet der ständige Ausgleich zwischen den Interessen der Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsinteressen statt. Für das Verhältnis von Kommission und Rat ist nun wichtig, daß der Rat regelmäßig nur auf Vorschlag der Kommission tätig w i r d — von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen —, und daß er Änderungen des Kommissionsvorschlages nur einstimmig beschließen kann. Das bedeutet zweierlei: 1. Das Initiativrecht ist praktisch bei der Kommission monopolisiert. Ist der Rat der Auffassung, daß ein Tätigwerden der Gemeinschaft erwünscht sei, so muß er die Kommission auffordern, ihm einen Vorschlag vorzulegen. Der Rat kann nicht etwa von sich aus — auch nicht einstimmig — beschließen und den erforderlichen Kommissionsvorschlag hierdurch ersetzen. Der Kommissionsvorschlag ist eine unentbehrliche Verfahrensvoraussetzung, die die M i t w i r k u n g der unpolitisch-neutralen, unabhängigen Kommission bei Erlaß der Rechtsetzungsakte sichert. 2. Der Rat ist grundsätzlich an den Kommissionsvorschlag gebunden, soweit er nicht die notwendige Einstimmigkeit für eine Änderung des Vorschlages herzustellen vermag. Auch dann darf es sich lediglich u m die Modifizierung oder Ergänzung von Einzelheiten handeln. Der Rat

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ist nicht befugt, den Vorschlag von Grund auf zu wandeln und durch eine eigene Konzeption zu ersetzen. Der Kommissionsvorschlag ist also etwas wesentlich anderes als der Regierungsentwurf eines Gesetzes i n der parlamentarischen Demokratie. Der Regierungsentwurf steht zur vollen Disposition des Parlaments und stellt nach bundesdeutschem Verfassungsrecht nur eine Form unter mehreren möglichen Formen der Gesetzesinitiative dar. Das vertraglich konzipierte Verhältnis: Vorschlagsrecht der Kommission auf der einen Seite, Beschlußrecht des Rates auf der anderen Seite, hat indessen i n der Praxis durch eine enge Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten und Kommission auf allen Stufen, nicht nur auf Ratsebene, wie dies der Vertrag ausdrücklich als Gebot proklamiert, eine gewisse Nuancierung, u m nicht zu sagen Wandlung erfahren. Die Kommission ist nicht ein abgesonderter Technokratenclub, der sich i n seiner Brüsseler Isolierung damit abquält, lebens- und wirtschaftsfremde Perfektionismen zu basteln, wie manche K r i t i k e r m i t zunehmendem Unmut darüber behaupten, daß die EWG immer noch funktioniert, ja sogar sichtliche Fortschritte macht. Die Zusammenarbeit m i t den Fachressorts der Mitgliedstaaten i n den Arbeitsgruppen der Kommission, den Gremien des Rates und vor allem i n den zahllosen Ausschüssen verschiedenartigster Struktur ist vielmehr so eng, daß schon Befürchtungen laut geworden sind, die beiderseitige Verantwortung von Kommission und Rat könne hierdurch verwischt und verdunkelt werden. I m Jahre 1962 w a r diese Entwicklung sogar Gegenstand einer großen Kontroverse vor dem Parlament. Damals ist jedoch die Notwendigkeit solcher Zusammenarbeit eindrucksvoll begründet worden. Diese Zusammenarbeit möchte ich nun näher skizzieren. Ich beginne mit dem Vorschlag der Kommission. Der Vorschlag der Kommission w i r d i n der Regel i n Verhandlungen der Dienststellen der Kommission mit Sachverständigen der Regierungen der Mitgliedstaaten in sog. Arbeitsgruppen unter Vorsitz der Kommission vorbereitet. Bereits i m Bereich der Kommission w i r d also jener D i a l o g zwischen Kommission und Mitgliedstaaten geführt und gepflegt, den Präsident Hallstein einmal treffend als das grundlegende Prinzip der Gemeinschaftsarbeit bezeichnet hat. Die Vertreter der Fachressorts i n den Mitgliedstaaten haben i n diesen Verhandlungen lediglich beratende Funktion; sie sind Sachverständige, die die Auswirkungen der i n Aussicht genommenen Lösung auf die rechtliche Ordnung i m nationalen Bereich beurteilen sollen. Dies festzuhalten ist wichtig, weil w i r den gleichen Sachverständigen nochmals begegnen, dann aber als weisungs- und interessengebundenen Regierungsvertretern. I n der Praxis w i r d dieser Unterschied zwischen

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Sachverständigenfunktion und Interessenvertretung allerdings häufig verwischt. Mehr als einmal ist es vorgekommen, daß uns i n diesen vorbereitenden Verhandlungen bereits entgegengehalten wurde: man bedaure, die Regierung des vertretenen Mitgliedstaates könne dem nicht zustimmen oder das heimische Parlament habe i n der Frage eine andere Auffassung vertreten. I n der Konsequenz würde die gemeinschaftliche Erörterung damit zum Austausch vorher festgelegter, instruktionsgebundener Stellungnahmen. Die Kommission darf natürlich andererseits auch nicht aus dem Auge verlieren, daß der gleiche Sachverständige später die Stellungnahme seiner Regierung vorbereiten hilft. Selbst i n diesem Stadium spielt daher, wie überall i m Gemeinschaftsleben, der Kompromiß, der Ausgleich widerstreitender Interessen i m Wege gegenseitigen Nachgebens häufig genug bereits eine Rolle. Der Erfolg hängt ja wesentlich von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten ab, der Kommission i n der Ausdeutung des Vertrages, insbesondere ihren Vorstellungen über die Tragweite der Vertragsvorschriften zu folgen. Die Kommission bleibt indessen Herr dieses Stadiums des Verfahrens; sie könnte sich beispielsweise statt oder neben den Regierungsexperten von den Berufs- und Interessenverbänden beraten lassen, die sich i n erstaunlicher Vielzahl, i n faktischer Vorwegnahme der Integration auf europäischer Ebene gebildet haben. Der Anspruch hierauf w i r d ohnehin von den Verbänden erhoben; die Kommission hört sie auch regelmäßig vor definitiver Beschlußfassung an. I h r Rat ist deshalb von besonderem Wert, w e i l die Konstituierung auf europäischer Ebene die Verbände dazu zwingt, eventuell widerstreitende nationale Interessen bereits unter sich abzugleichen. Sie unterstützen die Kommission häufig i n ihrer Rolle als Motor der Liberalisierung. I n der Tendenz ist die Kommission deshalb durchaus geneigt, die Zusammenarbeit m i t den Verbänden zu verstärken, soweit diese als repräsentative Zusammenfassung und Überhöhung der nationalen Interessenorganisationen auf europäischer Ebene gelten können. Uber den so vorbereiteten, zuweilen geradezu ausgehandelten Entwurf, vorgelegt durch den zuständigen Kommissar, entscheidet die Kommission — sei es i m sog. schriftlichen Verfahren, sei es i n mündlicher Diskussion — immer aber als Kollegialorgan. Die ganze Kommission übernimmt die Verantwortung für den Vorschlag. Da die Kommission sich aus Angehörigen aller Mitgliedstaaten zusammensetzt — nach dem Vertrag dürfen nicht mehr als 2 Mitglieder der Kommission dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen —, liegt auch i n der Beschlußfassung durch die Kommission ein bedeutsames Integrationsmoment. Jeder der 9 Kommissare und dementsprechend jedes der ihnen zugeordneten 9 Kabinette befaßt sich m i t der Vorlage und prüft, ob die vorgeschlagene Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung unter dem Sondergesichtspunkt der

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i h m anvertrauten Generaldirektion und ihres Aufgabenbereichs sich i n das Gesamt der Gemeinschaftspolitik einordnet. Die Kommissare handeln dabei als unabhängige, nur dem Gemeinschaftsinteresse verpflichtete Sachverwalter. Sie dürfen weder Instruktionen von den Regierungen oder anderen Stellen anfordern noch entgegennehmen. Ihre Stellung sichert weitestmögliche Objektivität und Unparteilichkeit. Ich trage allerdings gewisse Bedenken, die Kommission m i t Professor Bülck deshalb als einen unabhängig verwaltenden Sachverständigenausschuß zu bezeichnen. Von Sachverständigenausschüssen ist immer dann die Rede, wenn die politische Verantwortung von anderen Stellen getragen wird. Das läßt sich aber hier nicht sagen. M i t dem Vorschlag eines Rechtsetzungsaktes übernimmt die Kommission gemeinschaftsinterne Verantwortung für die Konzeption zumindest bis zur Entscheidung des Rates. Die Kommission ggf. hierfür zur Verantwortung zu ziehen, ist der Sinn der Kontrolle durch das Parlament. Äußerstenfalls kann das Parlament sogar der Kommission das Vertrauen entziehen. Das ist noch nicht aktuell geworden, diese Befugnis w i r k t mehr durch ihr Vorhandensein, doch hat die Kommission ständig ihr Verhalten vor den Ausschüssen des Parlaments zu rechtfertigen. M i t der Annahme durch die Kommission w i r d der Entwurf zum Vorschlag der Kommission erhoben. Er w i r d damit ein Rechtsakt, der m i t Zuleitung an den Ministerrat eigene Rechtswirkungen zu zeitigen vermag: formal, indem er das Konsultationsverfahren durch den M i n i sterrat auslöst, d. i. durch den Ministerrat an das Parlament und — regelmäßig auch — den Wirtschafts- und Sozialausschuß zwecks Anhörung dieser Institutionen weiterzuleiten ist; sachlich, w e i l die i n dem Vorschlag vertretene Konzeption Grundlage der späteren Rechtsentscheidung ist. Die Übersendung an den Ministerrat bezeichnet einen bedeutenden Verfahrensabschnitt. Nunmehr ist der Rat Herr des Verfahrens, führen die Vertreter der Mitgliedsregierungen i n den Verhandlungen in dem ratsüblichen Turnus von 6 Monaten den Vorsitz, erscheinen die Sachverständigen der Fachressorts i n den Mitgliedstaaten als Vertreter ihrer Regierungen. Allerdings bedarf dieses B i l d einer gewissen Korrektur. Es gilt nämlich genau genommen nur für die Schlußphase, das Verfahren vor dem Rat und seinen Gremien. I n den Konsultationsverhandlungen des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses fällt die Aufgabe der Verteidigung des Vorschlages — nach der gegenwärtigen Praxis — wiederum den Vertretern der Kommission zu. Dieser Umstand unterstreicht nochmals, daß Ausgangspunkt und Gegenstand des Rechtsetzungsverfahrens der Gemeinschaft der Vorschlag der Kommission ist.

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I m Ergebnis w i r d hierdurch das Gewicht der Kommission verstärkt; denn damit w i r d die Kommission zum natürlichen Verfechter und A n walt der Wünsche dieser Institutionen gegenüber dem Rat berufen. Es ist nur konsequent, wenn das Parlament i n Ausübung seines Kontrollrechts wiederholt dem Wunsch Ausdruck gegeben hat, von der Kommission zu erfahren, i n welcher Weise die Abänderungs- oder Ergänzungswünsche des Parlaments i m Rat behandelt wurden. Hier entwickelt sich eine A r t natürlicher Bundesgenossenschaft, die dadurch Bedeutung erlangt, daß Parlament und Wirtschafts- und Sozialausschuß sich i n der Sache häufig als Promotoren der europäischen Einigung erweisen. Dem Ministerrat liegen somit bei Aufnahme der eigenen Verhandlungen regelmäßig neben dem Vorschlag der Kommission die Stellungnahmen des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses hierzu vor. Der Rat befaßt sich nun nicht unmittelbar sofort selbst mit dem Vorschlag der Kommission. Es hat sich die Praxis herausgebildet, ihn zunächst dem Ausschuß der Ständigen Vertreter zu überweisen, und dieser beauftragt zumeist die sachlich zuständige Arbeitsgruppe m i t der Vorprüfung, inwieweit der Vorschlag und ggf. die Änderungswünsche von Parlament und Wirtschafts- und Sozialausschuß die Zustimmung der nationalen Delegationen finden. I n den Arbeitsgruppen des Rates begegnen w i r den nationalen Experten wieder, die bereits bei den Verhandlungen i m Bereich der Kommission beratend mitgewirkt haben. Regelmäßig stehen ihnen ständige Mitglieder der Arbeitsgruppen des Rates beiseite, Beamte häufig aus dem Stabe der Ständigen Vertretungen bei den Gemeinschaften, die an allen diesen Verhandlungen mitwirken und daher zumeist hervorragende Vertragskenntnis m i t Erfahrungen aus Parallelverhandlungen auf anderen Gebieten vereinen. Ihre Ansicht hat deshalb i n der Praxis besonderes Gewicht. Selbstverständlich sind auf allen Ebenen — i n den Arbeitsgruppen, i m Ausschuß der Ständigen Vertreter und schließlich i m Ministerrat selbst — auch Vertreter der Kommissionen zugegen. Die Kommission hat nicht nur ihren Vorschlag zu erläutern und zu verteidigen; ihr wächst i n den Verhandlungen des Rates darüber hinaus eine bedeutsame neue Rolle zu: die des ehrlichen Maklers, des schiedsrichterlichen Gehilfen bei der Findung der Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten. Sie erinnern sich sicher, welche Bedeutung die mitternächtliche Vorlage solcher Kompromißvorschläge durch die Kommission in den Agrarverhandlungen des Ministerrats Ende vorigen Jahres für die schließlich erzielte Einigung gehabt hat. Freilich darf diese Funktion nicht mit derjenigen als Wahrer des Gemeinschaftsinteresses i n Widerspruch ge-

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raten. Die Kommission darf ihre Hand nur zu einem Vergleich bieten, der i m Einklang m i t dem Vertrage steht. Der Ministerrat t r i t t längst nicht mehr, wie i n den ersten Jahren der EWG, lediglich zusammen, u m politische Grundsatzentscheidungen zu treffen. Die Sitzungen folgen sich vielmehr i n immer kürzerem Abstand und haben nur zu häufig Detailfragen, Einzelmaßnahmen zweiten Ranges zum Gegenstand. Damit wurde auch der m i t der Vorbereitung der Ratssitzung betraute Ausschuß der Ständigen Vertreter, das sind die Botschafter der Mitgliedstaaten bei den Gemeinschaften, überfordert Der Stab der Vertretungen mußte dementsprechend vergrößert werden. Der Ministerrat verfügte schon seit Tätigkeitsbeginn der Gemeinschaftsorgane über ein eigenes Sekretariat, das sog. Sekretariat der Räte (nämlich der Räte von EWG und Euratom), u m dem Bedürfnis nach Übersetzern, Dolmetschern und Protokollkräften zu genügen. Der besondere Juristische Dienst des Sekretariats gewinnt zunehmend als Rechtsbeistand des Rates, insbesondere als Berater des jeweils den Vorsitz führenden Ratsmitglieds an Bedeutung. Verwaltungsökonomisch mag die Doppelprüfung und -erörterung der Kommissionsvorschläge wenig sinnvoll erscheinen; politisch w i r d sie durch die Entscheidungskompetenz des Ministerrats erforderlich. Die sehr gründliche Diskussion auf den verschiedenen Ebenen des Ministerrats — unter allmählicher Abklärung der Differenzen — kommt daher zweifellos der Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsetzung zugute. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, daß der Rat den Vorschlag der Kommission nur einstimmig abändern kann. Verfahrenstechnisch w i r d die Lösung häufig dadurch vereinfacht und erleichtert, daß der Kommissionsvertreter bei Einverständnis m i t Änderungsvorschlägen der nationalen Delegation die Zustimmung der Kommission auf Ratsebene i n Aussicht stellt; damit w i r d es möglich, bei ein verständlicher Regelung aller Streitfragen den Vorschlag als sog. „ A " - P u n k t auf die Tagesordnung der Ratssitzung zu setzen, d. i. ihn als Tagesordnungspunkt ohne Sachdiskussion zu behandeln. Der Rat entscheidet als Organ der Gemeinschaft. Der Beschluß w i r d also nicht von den „ i m Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten" gefaßt. Auch das kommt vor, besagt dann jedoch etwas anderes. Als Organ der Gemeinschaft kann der Ministerrat Mehrheitsbeschlüsse fassen, die die Mitgliedstaaten auch dann binden, wenn sie i m Einzelfall an der Abstimmung nicht teilgenommen, sich der Stimme enthalten oder dagegen gestimmt haben —, sofern sich nur die erforderliche Mehrheit für den Beschluß gefunden hat. Die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die keiner Ratifikation auf nationaler Ebene bedürfen, unterscheidet den Rat von einer schlichten diplomatischen

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Konferenz, die lediglich dem Ziele intergouvernementaler Zusammenarbeit dient. Als der Rat das erstemal von dieser Möglichkeit Gebrauch machte, Ende 1959, bei der Beschlußfassung über die Steuerverordnung der Gemeinschaft, konnte Präsident Hallstein dies als historische Stunde bezeichnen, da sich der Gemeinschaftswille erstmals als ein von dem Willen der einzelnen Mitgliedstaaten gesonderter Gesamtakt manifestiert hatte. Freilich w i r d i n der Praxis regelmäßig versucht, notfalls i m Wege des Kompromisses, die Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu erreichen und auch nach dem Ubergang zur dritten Stufe ist schlecht vorstellbar, daß ein Mitgliedstaat i n existenzwichtigen Grundsatzfragen i n die Isolierung gedrängt und überstimmt wird, selbst wenn der Vertrag formell das Recht hierzu gibt. Die „ i m Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" handeln dagegen grundsätzlich „ i m Einvernehmen", nach dem Vertrag beispielsweise bei Ernennung der Mitglieder der Kommission oder der Bestimmung des Sitzes der Organe der Gemeinschaft. Außerhalb der i m Vertrag vorgesehenen Fälle w i r d diese Formel häufig gebraucht, u m darzutun und zu unterstreichen, daß die Staaten zu dem beschlossenen Verhalten nicht schon kraft des Vertrages verpflichtet sind. Sie wurde insbesondere bei den Beschleunigungsbeschlüssen angewendet, m i t denen die Mitgliedstaaten sich verpflichteten, die binnenstaatlichen Zölle schneller abzubauen als i m Vertrag vorgesehen. Zum Schluß noch einige Worte über die Durchführung des Gemeinschaftsrechts und die Überwachung seines Vollzugs. Soweit Durchführungsvorschriften erforderlich werden, kann der Rat die Befugnis zu ihrem Erlaß der Kommission übertragen. Es besteht eine gewisse Tendenz, hiervon auch Gebrauch zu machen. Diese Regelung entspricht der Praxis i n rechtsstaatlichen Verfassungen, der Exekutive die Verordnungsgewalt, also die Befugnis zu sachlich begrenzter Ausführungsgesetzgebung i m Ermächtigungswege zu überlassen. I m Gemeinschaftsbereich entfällt jedoch damit noch zugleich die Konsultation von Parlament und Wirtschafts- und Sozialausschuß. Hierin liegt vielfach ein praktisches Motiv für die Delegation, da die Konsultation erfahrungsgemäß längere Zeit dauert und rasche Entscheidungen erschwert. Tendenziell bedeutet die Übertragung der Ausführungsgesetzgebung auf die Kommission eine Stärkung des Gewichts der Kommission i m Verhältnis zu den anderen Gemeinschaftsinstitutionen. Die bedeutsamste Auswirkung ist jedoch mehr psychologischer A r t : nämlich, daß die Ermächtigung der Kommission zu selbstverantwortlichem Vollzug der Rechtsetzungsakte der Gemeinschaft den eigenständigen Charakter des Gemeinschaftsrechts deutlich macht und unterstreicht. Die Durchführung selbst ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Das bedarf keines Kommentars, soweit sich der Gesetzesbefehl der

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Gemeinschaft — in Form von Richtlinien oder an den einzelnen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidungen — ausschließlich die Mitgliedstaaten selbst verpflichtet. Hier sind die Mitgliedstaaten allein zur Ausführung berufen und die spätere Durchführung betrifft die Durchführung nationalen, den Gemeinschaftsgeboten angepaßten Rechts. Anders bei Verordnungen. Aber auch hier tragen die Mitgliedstaaten grundsätzlich die Verantwortung für die Durchführung. Die nationalen Verwaltungen werden i n gewissem Sinne als verlängerter A r m der Gemeinschaftsexekutive tätig; die Gemeinschaftsorgane können ihnen jedoch keine Weisung erteilen. — Es sind allerdings Überlegungen i m Gange, gemeinschaftseigene Verwaltungen für bestimmte Gebiete zu errichten, eine A r t Gemeinschafts-„Oberbehörden", so z.B. i m Bereich der Landwirtschaft, des Kartellwesens, des Patentwesens und auf dem Gebiet der Zölle; eine Lösung, die für den landwirtschaftlichen Sektor i m Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Die Kommission hat schließlich die Aufgabe, die Beachtung des Gemeinschaftsrechts zu überwachen. Sie ist — und das ist ihre dritte bedeutsame Aufgabe — Hüterin des Vertrages. Sie hat einzuschreiten, wenn sie eine Vertragsverletzung feststellt, und dazu gehören auch Verstöße gegen abgeleitetes Gemeinschaftsrecht, also Zuwiderhandlungen gegen Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen, die an die M i t gliedstaaten gerichtet sind. Falls der Mitgliedstaat der sog. Stellungnahme der Kommission nicht fristgemäß nachkommt, kann die Kommission und muß sogar ggf. den Gerichtshof anrufen. Das ist ein sehr schweres Geschütz, dessen Anwendung gemeinschaftspolitisch w o h l bedacht sein w i l l . Die Praxis sucht nach anderen Wegen, u m die Kontrolle zu erleichtern und damit die Probleme zu meistern, die sich aus der weisungsfreien Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten einerseits und der lediglich nachträglichen Kontrolle durch die Kommission andererseits ergeben. Hierzu gehören beispielsweise die i n den Richtlinien üblicherweise auferlegte (und von den Mitgliedstaaten auch anstandslos akzeptierte) Verpflichtung, der Kommission Kenntnis von den Maßnahmen zur Anpassung des nationalen Rechts an die Vorschriften der Richtlinie zu geben; ferner die nunmehr nach hartnäckiger Diskussion i n Form einer „Protokollerklärung" von den Mitgliedstaaten übernommene Verpflichtung, die Kommission von künftigen Gesetzesvorhaben auf koordinierten Rechtsgebieten zu unterrichten. Dazu werden auch die Auskunfts- und Kontrollrechte der Kommission gehören, die der Rat i m Rahmen des Artikels 213 des Vertrages noch festzulegen hat. Vor allem aber ist i n diesem Zusammenhang die Praxis zu erwähnen, i n immer größerem Umfang Ausschüsse zu gemeinschaftlicher Überwachung des Vollzugs von Gemeinschaftsrecht zu errichten.

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Die Zahl der Ausschüsse i m EWG-Bereich ist bereits recht stattlich. Neben den i m Vertrag selbst vorgesehenen Ausschüssen — dem beratenden Währungsausschuß, dem Verkehrsausschuß, dem handelspolitischen Ausschuß, dem Ausschuß für den europäischen Sozialfonds — gibt es eine Unzahl von Ausschüssen m i t verschiedener Benennung: beratende Ausschüsse, Sonderausschüsse, technische Ausschüsse, Verwaltungsausschüsse, Gebietsausschüsse, Verbindungsausschüsse, Büros usw. Ihre Zahl hat i n den Haushaltsdebatten bereits Anlaß zu Diskussionen gegeben. Der jüngsten Entscheidung des Ministerrats verdanken neue Ausschüsse für Währungs- und Konjunkturpolitik das Leben. Struktur und Aufgabenbereich i m einzelnen sind sehr verschieden. Eine Reihe von ihnen bezweckt lediglich, die Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten zu vertiefen, eine Aufgabe, der der Vertrag großes Gewicht beimißt. Andere Ausschüsse haben zur Aufgabe, die Kommission bei der Ausarbeitung von Vorschlägen zu unterstützen. Sie bilden eine weitere Form der Institutionalisierung jenes eingangs erwähnten Dialogs zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. I m Unterschied zu den Arbeitsgruppen, die die Kommission zwecks Vorbereitung ihrer Vorschläge ad hoc einberuft, sind solche Ausschüsse organisierte Einrichtungen von Dauer. Eine eigene Satzung (Statut) regelt Zusammensetzung, Aufgabe und Stimmrecht, eine Geschäftsordnung zumeist die Einberufung, den Verhandlungsvorsitz und die Leitung des Sekretariats. Die Befugnisse reichen von bloß beratender Stellungnahme bis zu „partiell konstitutiver" Beteiligung am Rechtsetzungsverfahren — wie es Wirsing einmal treffend bezeichnet hat. Das letztere trifft beispielsweise für die Verwaltungsausschüsse i m Bereich der Landwirtschaft zu. Ausschüsse dieser A r t werden nunmehr zunehmend auch errichtet, um den Vollzug des Gemeinschaftsrechts zu überwachen. Sie prüfen m i t der Kommission, ob Verstöße gegen verpflichtendes Gemeinschaftsrecht oder das i n seinem Vollzug erlassene nationale Recht vorliegen, beraten die Kommission also i n ihrer Uberwachungsaufgabe. Der Kommission steht es naturgemäß frei, bei Würdigung des Verhaltens eines Mitgliedstaates auch die Ansicht der anderen Mitgliedstaaten hierzu zu hören, und häufig steht der ausdrückliche Wunsch der Mitgliedstaaten selbst bei der Einrichtung derartiger Gremien Pate. Die jüngste Frucht dieser Idee einer M i t w i r k u n g der Mitgliedstaaten bei der Kontrolle des Vollzugs i m nationalen Bereich ist ein beratender Ausschuß für die Überwachung der Handhabung des öffentlichen Auftragswesens. Es läßt sich jedoch schon jetzt absehen, daß diese Praxis i n Zukunft besondere Bedeutung auf Rechtsgebieten erlangen wird, die Gegenstand der Koordinierung auf Gemeinschaftsebene sind; hier fällt den Ausschüssen die Überwachung zu, daß koordiniertes Recht in der mit-

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gliedstaatlichen Gesetzgebung und i m mitgliedstaatlichen Rechtsvollzug auch koordiniert bleibt. Der praktische Wert dieser Ausschüsse besteht dabei darin, daß die Überwachungstätigkeit der Kommission durch die Konkurrenz der Mitgliedstaaten untereinander verstärkt und unterstützt wird; der einzelne Mitgliedstaat sieht sich nicht nur der K r i t i k durch die Kommission, sondern ggf. auch derjenigen durch die anderen Mitgliedstaaten gegenüber. Diese Konstellation hat möglicherweise zum Ergebnis, den inkriminierten Mitgliedstaat zur schnellerer Abstellung begründeter Beschwerden zu veranlassen, ohne daß es der Einleitung des förmlichen Verfahrens wegen Vertragsverstoßes bedarf. Diese Entwicklung hat naturgemäß auch K r i t i k e r gefunden. Ich erwähnte schon, daß die Befürchtung, hier entstände eine dem Vertrag fremde „Mischverwaltung", die die wechselseitige Verantwortung von Kommission und Rat verdunkele, bereits Gegenstand von Parlamentskontroversen gewesen ist. Daß die Gemeinschaftsorgane auf diese Weise den Erfahrungsschatz der nationalen Verwaltungen für sich fruchtbar machen, ist jedoch angesichts ihrer verhältnismäßig jungen Eigenexistenz nur natürlich. Diese Praxis könnte aber vor allem den psychologischen Boden bereiten helfen für den immer stärkeren Aufgabenübergang von der nationalen Verwaltung auf die Gemeinschaftsverwaltung, die sich m i t der Entwicklung zur Wirtschaftsunion zwangsläufig ergeben wird.

Probleme supranationaler Wirtschaftsverwaltung Von Erich Wirsing

I. W i r wollen i m folgenden eine Reihe von Betrachtungen zusammenstellen, die sich m i t den Eigenheiten einer Verwaltung befassen, die i n dem Thema dieses Vortrages als supranationale Wirtschaftsverwaltung bezeichnet ist. Ich möchte als erstes kurz die Frage berühren, welcher A r t eine Organisation ist, deren Verwaltung eine solche Bezeichnung erhält. M i t anderen Worten: ich möchte eine A r t von „Standortbestimmung" vorwegschicken, die den Gegenstand unserer Beobachtung einordnen und abgrenzen soll. Es geht m i r u m den Begriff der supranationalen Wirtschaftsverwaltung, der einmal die „Verwaltung" i m technischen Sinne meint, darüber hinaus aber zwangsläufig die Institution einbegreift, der diese Verwaltung dient. Worin bestehen ihre Kennzeichen? Insbesondere der jetzigen Europäischen Behörden, auf die w i r uns beschränken wollen? Die historische Betrachtung legt es nahe, die drei Gemeinschaften i n der Entwicklungslinie der übernationalen Verwaltung zu sehen, die weit in das vorige Jahrhundert zurückgreift. Bereits seit den Rheinund Donau-Konventionen sowie den Verkehrs- und Nachrichtenunionen spricht man von Verwaltungen, die über den nationalen Bereich hinausragen. Diese Reihe setzt sich fort über die Rohstoffabkommen zum Internationalen Währungsfonds, bis schließlich zum G A T T und zur OECD. Die herrschende Lehre bezeichnet diese Organisationen als „internationale Verwaltungsgemeinschaften". Die Frage ist, ob die drei Europäischen Gemeinschaften noch in den Rahmen dieser Definition hineinpassen. I n der aufgezählten Entwicklungs- und Ahnenreihe ist eine Fortentwicklung sichtbar geworden. Zwei Elemente werden deutlich. Vor allen Dingen seit dem G A T T und der OECD stößt der Aufgabenbereich anstelle der bisher angestrebten üblichen „sekundären" technischen Regelungen auf den Gebieten des Verkehrs-, des Nachrichten- und Gesundheitswesens sachlich i n die Bereiche der Wirtschaftspolitik, d. h. i n das Zentralinteresse der Staaten i n unserem Jahrhundert vor. I m Bereich der Verfahrensordnung ist zudem eine stets zunehmende Tendenz zur Erhaltung der Beschluß-

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fähigkeit der Organisationen auch ohne die Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu erkennen. Verfügen die drei Europäischen Gemeinschaften über diese Beobachtungen hinaus, aber nicht über ein so bedeutsames, neues, weitgehendes Maß von Unabhängigkeit, das hier ein „aluid", ein „Novum" i n der genannten Ahnenreihe geschaffen worden ist? Diese Feststellung ist von mehr als theoretischer Bedeutung. Aus der Unterscheidung folgen nicht nur die Frage nach der Anwendung des Völkerrechts, die hier nicht behandelt werden soll, sondern alle Überlegungen, die uns heute beschäftigen werden. Wie könnte man sonst begreifen, daß i n anderthalb Jahren die Höhe des deutschen Getreidepreises, die anscheinend nach dem Stand der innerdeutschen Diskussion i m Augenblick doch entscheidend auf den Ausgang der nächsten Wahlen einzuwirken scheint, gegen den Willen der Bundesregierung festgelegt werden kann? Ich wiederhole: es geht hier u m zwei Aspekte, die den Unterschied der jetzigen Europäischen Gemeinschaften zu allen früheren Verwaltungsgemeinschaften deutlich machen. I m wesentlichen umfaßt ihr Aufgabenbereich das gesamte Maß öffentlichen Einflusses auf dem Gebiet der Wirtschaft, d.h. es geht hier u m die staatliche Wirtschaftspolitik, also Handels-, Konjunktur-, Währungs-, Landwirtschaftspolitik etc. und nicht mehr u m untergeordnete technische Aspekte, wie die Fragen der Normierung für Kraftfahrzeugschilder. Zum anderen ist ein von allen vorher bestehenden internationalen Gemeinschaften abweichendes System der Willensbildung entwickelt worden, das eben dazu führen kann, bei wichtigsten Fragen, wie der Feststellung des Getreidepreises, den ausdrücklichen Willen eines Mitgliedstaates außer acht zu lassen. Handelt es sich hier also noch u m Verwaltungsgemeinschaften i m herkömmlichen Sinne? Es liegt — gleichfalls i m Rahmen einer überkommenen Betrachtungsweise — nahe, dem entgegenzuhalten, daß zwar die Bedeutung der Wirtschaftspolitik nicht zu unterschätzen sei, ihr auch i m Zeitalter der produktions- und konsumbestimmten Gesellschaft eine hervorragende Bedeutung zukomme, sie aber dennoch nicht i m eigentlichen Zentrum der staatlichen Politik stehe. Vereinfachend gesagt, Wirtschaftspolitik mag Politik sein, sie ist aber keine „hohe Politik". Dieser Einwand ist i m Grunde aus der gefühlsbestimmten Beobachtung der historischen Entwicklung geboren. W i r d er aber der stets angerufenen gegenseitigen Durchdringung von Wirtschaft und Staat, die für die Ausbildung der öffentlichen Gewalt seit dem vergangenen Jahrhundert bedeutsam ist, gerecht? Besehen w i r uns einmal näher, was in der heutigen Zeit eigentlich „Politik" schlechthin ist. Es würde hierhin gehören, den Begriff der Souveränität zu analysieren ν*

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und die fortschreitende Wandlung und Aushöhlung zu beschreiben, die er seit dem Westfälischen Frieden erlitten hat. Entscheidend ist i m Grunde zweierlei: jede Verhaltensweise des Staates i m Verhältnis zu Drittstaaten w i r d heute i m Zeitalter der Ideologien und i n den Grenzen, die die Blockbildung seiner Bewegungsfreiheit läßt, durch zwei Elemente entscheidend bestimmt: einmal die Gegebenheiten und die Entwicklungen der bloßen Weltmachtsituation; zum anderen steht deutlich die Sorge um die Entwicklung des wirtschaftlichen Potentials des Staates i m Vordergrund. Die erste Komponente, darüber dürfte man sich i m Grunde keinem Zweifel mehr hingeben, ist für die meisten Staaten eine gegebene Größe, die von der Leitmacht des jeweiligen Lagers bestimmt wird. Für die freien politischen Entscheidungen bleiben also jedenfalls ohne Zweifel an hervorragender Stelle die Überlegungen u m die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes mitbestimmend. Ohne diesen Gedanken weiter vertiefen zu wollen, scheint er m i r doch des Nachdenkens wert. Man sollte sich darüber befragen, ob die Gemeinschaften, die die Wirtschaftspolitik eines Landes in ihren makro-ökonomischen Aspekten der nationalen Souveränität zunehmend entziehen, auf diese Weise nicht wesentlich i n die nationale Politik eingreifen. I n meinen Augen gibt es nur eine Antwort, die sich am leichtesten i n die Formulierung des Präsidenten der EWG kleiden läßt, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist i n ihrer Existenz politisch. II. Als eines der Elemente, die es deutlich machen, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft m i t den bekannten „Verwaltungsgemeinschaften" nicht vergleichbar ist, haben w i r die Formen der Willensbildung hervorgehoben. Bei der Bewertung dieses Kriteriums wurde die Aufmerksamkeit i n der letzten Zeit häufig auf die amerikanische Schule gelenkt. Deren Überlegung geht dahin, daß für die Qualifikation einer supranationalen Autorität entscheidend ist, ob sie über die Möglichkeit verfügt, autoritär Konfliktsituationen zwischen der Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zu lösen. Das hieße, Supranationalität setzt eine Möglichkeit voraus, ungeachtet der Haltung eines oder mehrerer M i t gliedstaaten eine für alle verbindliche Entscheidung herbeizuführen. Diese Entscheidung müßte also auch gegen die Stimme eines oder mehrerer Mitgliedstaaten getroffen werden können. Bisher war die natürliche Folge der nationalen Souveränität i n allen gemeinsamen Entscheidungen mehrerer Staaten die Respektierung der Haltung jedes einzelnen Beteiligten. Dies führte zwangsläufig dazu, daß die Gemeinschaftslösungen sich auf die Formel des „größten gemein-

Probleme supranationaler Wirtschaftsverwaltung samen Nenners" beschränken mußte. Die Ergebnisse waren dementsprechend häufig sehr begrenzt. Der Vorteil einer supranationalen Institution besteht darin, daß die Annäherung an sachlich gemeinschaftsgerechte Lösungen möglich ist. I m institutionellen Bereich muß sich dieses Erfordernis i n bestimmte Regeln zur Willensbildung der Gemeinschaft übersetzen. Betrachten w i r unter diesem Gesichtspunkt den EWGVertrag. Seine Konzeption stellt den Ministerrat deutlich als Gemeinschaftsorgan heraus, i n dem die Interessen der Mitgliedstaaten vorgetragen werden. I h m gegenüber steht die Kommission als das Gemeinschaftsorgan, das unabhängig von der Interessenlage der Mitgliedstaaten allein die Wahrung des Gemeinschaftsinteresses als Aufgabe hat. Sie kennen das System, nach dem Entscheidungen i n der Gemeinschaft gefällt werden. I n der Regel beschließt der Ministerrat auf Vorschlag der Kommission. Ihr kommt somit gerade auf Grund des monopolartig ausgestalteten Vorschlagrechts eine außergewöhnlich starke Stellung zu 1 . Der Beschluß des Ministerrats, der während der ersten beiden Stufen der Übergangszeit weitgehend Einstimmigkeit voraussetzte, w i r d vom Beginn der dritten Stufe dieser Ubergangszeit an m i t Mehrheit gefaßt. Diese dritte Stufe beginnt i n gut 1 bis 1 V2 Jahren. Das vom Vertrag vorgezeichnete B i l d besteht also darin, daß ein Vorschlag der Kommission vom Rat — jedenfalls grundsätzlich von der 3. Stufe an — mit Mehrheit angenommen wird. Soweit institutionelle Vorschriften ein Ergebnis garantieren können, ist davon auszugehen, daß der Vorschlag der Kommission den Gemeinschaftsinteressen gerecht wird. Die i m Rat überstimmten Mitgliedstaaten haben sich i n diesem Falle zu beugen und die getroffene Entscheidung anzuerkennen und anzuwenden. Nach der erwähnten amerikanischen Schulmeinung ist damit den Erfordernissen der Definition von Supranationalität Genüge getan. Ist die Frage aber wirklich so einfach zu beantworten? Ist das B i l d der Gemeinschaft damit schon vollständig gezeichnet? Ich w i l l nicht darauf eingehen, daß der Rat nicht nur eine Versammlung der Vertreter der Mitgliedstaaten darstellt, sondern ein Gemeinschaftsorgan ist. Zahlreich sind die Beispiele, daß die einer Aufgabe innewohnende K r a f t den Beauftragten über seine hergebrachten Überzeugungen hinausträgt. Ich denke dabei an den ersten deutschen Reichspräsidenten Ebert, der während seiner Amtszeit aus der Sattlergewerkschaft, i n der er seine politische Heimat hatte, ausgeschlossen wurde. M i r scheint eine andere Überlegung noch bedeutsamer. Die Betrachtungen, die allein eine Abstimmungsregelung als K r i t e r i u m der Überwindung nationaler Souveränität genügen läßt, scheint m i r unvoll1

Vgl. Wirsing, Europa Archiv, Folge 3,1964, S. 77 ff.

Erich Wirsing kommen. I m Grunde ist sie blutleer. Zu viele Ansätze, die über die nationale Souveränität hinausreichen sollten, sind gescheitert, wenngleich ihre theoretische Grundlegung der Forderung des Abstimmungsmechanismus entsprochen haben mag. Seien w i r realistisch. Die Technik einer Meinungsbildung allein kann nicht ausreichen. W i l l man die bisher bestehende nationale Souveränität durch die Entscheidung einer übergeordneten Instanz einschränken, dann gehört stets ein zweites Element hinzu, nämlich das des Durchsetzens, des Überwindens von, nennen w i r es, Beharrungsenergie. So zwingend die theoretische Konzeption einer Organisation sein mag, sie w i r d nie Leben gewinnen, wenn nicht zusätzlich dieses Moment hinzukommt. Diese zweite Voraussetzung kann entweder i n einem institutionalisierten Zwang liegen oder sie kann aus der K r a f t der Überzeugung entstehen. Von Zwang, i m Sinne des „Bundeszwang", kann i n der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft keine Rede sein; abgesehen von dem Urteil des Gerichtshofes der Gemeinschaften, gibt es i m EWG-Vertrag kein Element des Zwanges, das erlauben würde, die Entscheidung der Gemeinschaft zwangsweise durchzusetzen. Das entscheidende Element für den bisherigen Erfolg unserer Gemeinschaft sehe ich i n der Überzeugungskraft der von i h r getroffenen Entscheidungen, der von ihr vorgeschlagenen Lösungen. Ich darf es wiederholen, nur w e i l die Gemeinschaftsentscheidungen sachgerecht „richtig" waren, konnten sie überzeugen und ihre Anwendung herbeiführen. Deshalb darf eine realistische Betrachtung sich bei der Beurteilung der Kriterien der Supranationalität nicht auf eine formale Betrachtung des Systems der W i l lensbildung beschränken. Sie muß gleichzeitig danach fragen, ob die Entscheidungen, die auf diese Weise getroffen werden, auch ihre Anwendung finden. Fehlt das Element des Zwanges, dann ist zu fragen, ob die Arbeit der neuen Instanz durch ihre sachliche Qualität zu überzeugen vermag, ob sie zur Umsetzung i n Staats- und Verwaltungswirklichkeit führt. Die Begründung supranationaler Gewalt hat insoweit gemeinsame Züge mit der Revolution: sie kann gelingen oder auch nicht. Der Vertragstext ist eine notwendige Voraussetzung, aber er allein reicht nicht aus. Lassen Sie mich ganz deutlich sein. Als i m Januar 1958 die neun Mitglieder der Kommission sich unter dem Vorsitz von Präsident Hallstein zum ersten M a l i m V a l Duchesse um einen Tisch zusammenfanden, verfügten sie nur über „ein Stück Papier", den Vertrag. Ob sie ihn jedoch jemals zu echtem Leben erwecken würden können, war — fürchte ich — vielen Beobachtern damals nicht unbedingt sicher. Für unsere Gemeinschaft w a r die Konsequenz aus dieser Überlegung bewußt oder vielleicht auch unbewußt: die besten, sachgerechten Lösungen zu finden. Dafür waren zwei Ansatzpunkte bedeutsam. Einmal die hervor-

Probleme supranationaler Wirtschaftsverwaltung ragende Besetzung der Kommission selbst. Außer dem Präsidenten umfaßt sie mehrere ehemalige Minister und Staatssekretäre, alle Persönlichkeiten ersten Ranges. Zum zweiten haben alle Anstrengungen dem Ziel gegolten, eine besonders qualifizierte Verwaltung aufzubauen. Erst viel später kommt zur institutionellen Struktur und zur richtigen Sachentscheidung noch ein drittes Element hinzu für die Vollendung der Supranationalität: man kann es die „Sachlogik" nennen, die aus sich nur eine Weiterentwicklung nach vorn zuläßt. Andere sprechen vom „point of no return". Das beste Beispiel hierfür ist wiederum die Frage des Getreidepreises. I n dem Augenblick, i n dem für den europäischen M a r k t ein einheitlicher Getreidepreis festgesetzt wird, führt er zwangsläufig zur Fixierung der Wechselkurse. Ohne Fixierung der Wechselkurse wäre das für den gemeinsamen Getreidepreis notwendige System der Abschöpfungen gar nicht aufrechtzuerhalten. Die Entscheidung eines Mitgliedstaates, autonom seinen Wechselkurs zu ändern, würde das System des gemeinsamen Getreidepreises sofort aus den Angeln heben. Haben Sie aber fixierte Wechselkurse, so ist die Konsequenz unweigerlich eine gemeinsame Währungspolitik. Ein Beispiel von verblüffender Überzeugungskraft dafür, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft i n den Bereich eintritt, in dem die Entwicklung nicht mehr widerrufen werden kann. Wie übersetzt sich der Wille zur besten sachlichen Lösung i n die Wirklichkeit? Die Suche nach der A n t w o r t auf diese Frage führt uns zu dem überraschenden B i l d einer Entwicklung, die i m Vertragssystem keinesfalls vorgezeichnet ist. Sie besteht darin, daß die Kommission m i t geradezu verblüffender Besorgtheit bemüht ist, die Mitgliedstaaten von Anbeginn i n die Entscheidungen m i t einzubeziehen. Sie hat von Anfang an darauf verzichtet, Entscheidungen oder Vorschläge ausschließlich am grünen Tisch vorzubereiten, die Gefahr liefen, nicht ausreichend der Sachfrage und der Interessenlage i n den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. M i t anderen Worten: bevor die Kommission zu einer Stellungnahme kommt, hat sie sich i n der Vergangenheit stets i n einem erstaunlich engmaschigen System m i t den Vertretungen der Sachinteressen auseinandergesetzt. Das ursprüngliche Schema der Auseinandersetzung zwischen Rat und Kommission — Vorschlag der Kommission, dann Entscheidung des Rates — ist auf Seiten der Kommission umwoben von einem weiten Netz von Konsultationen und Beratungen. I n der ursprünglichen Vertragskonzeption ist die Annahme zu vermuten, daß die Zusammensetzung der Kommissionsverwaltung aus Beamten aller Mitgliedstaaten eine hinreichende Sicherheit für die Berücksichtigung aller Aspekte jeder Entscheidung biete. Die Kommission hat sich damit nicht begnügt, sondern hat auf verschiedenen Ebenen Diskussio-

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nen zur Vorbereitung ihrer Meinungsbildung vorgesehen. So w i r d bereits der Verwaltungsentwurf einer Kommissionsentscheidung i n A r beitsgruppen m i t den Vertretern der Mitgliedstaaten und m i t den Vertretern der wirtschaftlichen Interessengruppen diskutiert. Diese Arbeitsgruppen sind zum geringen Teil durch Ratsbeschluß eingesetzt (ζ. B. der Kartellausschuß), i n der weitaus größeren Zahl auf Initiative der Kommission geschaffen worden. Die zu diesen Besprechungen eingeladenen Experten der Mitgliedstaaten sind hierbei aufgerufen, vorläufige Stellungnahmen für ihre Regierung abzugeben; es w i r d noch nicht gefordert, daß die Haltung der entsprechenden Regierung abschließend festgelegt sei. Diese Arbeitsgruppen finden auf dem Niveau der Referate, der Direktionen oder der Generaldirektionen statt, der Vorsitz liegt stets i n den Händen der Kommission. Darüber hinaus sind zusätzliche Arbeitsgruppen auf der Ebene der Kommissionsmitglieder gebildet worden, die zum Teil in einem zweiten Besprechungsdurchgang Fragen behandeln, zum Teil erstmalig Probleme diskutieren, die ihrer Bedeutung wegen die Beteiligung eines Kommissionsmitgliedes empfehlen. Diese Arbeitsgruppen sind eingesetzt entweder auf Grund des Vertrages (z.B. l i i e r Ausschuß) oder durch Ratsentscheidung (Beispiel Comité Spécial, Konjunkturausschuß), i n sehr vielen Fällen aber auf Einladung der Kommission (Beispiel: Tagungen der Landwirtschaftsminister, der Staatssekretäre für die verschiedenen Bereiche der Wettbewerbspolitik. Ebenfalls hierher gehören die Begegnungen der Finanz- und Verkehrsminister, die aber Sonderfälle darstellen). Diese Diskussionen erfolgen nicht nur, wenn es sich um eine Meinungsbildung der Kommission handelt, die zu einem Vorschlag an den Rat führen soll. Vielmehr — auf diese Beobachtung möchte ich besonderes Gewicht legen — werden i n dem gleichen Verfahren auch alle Fragen behandelt, für die die Kommission i n eigener Zuständigkeit abschließend eine Entscheidung zu treffen hat. Als Beispiele seien hier nur die Beihilfeentscheidungen und die Zollkontingente erwähnt. Das Ziel dieser Diskussionen — d a s muß m i t aller Deutlichkeit herausgestellt werden — begrenzt sich darauf, die Kommission i m weitestmöglichen Maße über den zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu unterrichten. Sie bildet dann ihre Meinung und trifft ihre Entscheidung i n eigener Verantwortung. Ich habe diesen Sachverhalt ausführlich geschildert, weil ich meine Überlegung deutlich machen wollte. Nur die notwendige Vertrautheit m i t der Sach- und Interessenlage hat es der Kommission ermöglicht, gute Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn einzelne Entscheidungen so umstritten waren, wie die der Ablehnung eines Apfelsinenkontingents für die Bundesrepublik, so hat selbst der Gerichtshof i m Ergebnis in

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der Sachfrage ihre Berechtigung offensichtlich anerkannt. I n dieser sachlichen Fundiertheit liegt in meinen Augen der entscheidende Ansatz, die Kompetenzen einer supranationalen Institution erfolgreich auszuüben. III. Es ist interessant, hier die Behandlung eines Vorschlags der Kommission i m Rahmen des Ministerrats zu beschreiben. W i r finden dort i n vielerlei Hinsicht eine A r t Spiegelbild dessen, was w i r kennen. Auch i m Rat ist die Diskussion aufgesplittert worden. Ein Vorschlag der Kommission w i r d zunächst i m Ausschuß der sog. „Ständigen Vertreter", d. h. in einem Gremium von Botschaftern der Mitgliedstaaten, behandelt. Dieser Ausschuß verfügt wiederum über eine Vielzahl von Unter-Arbeitsgruppen, die jeweils für ein Sachgebiet zuständig sind. Sie werden i n ihrer Arbeit unterstützt von den Beamten des Sekretariats des Ministerrates. Diese Sachverständigengruppen des Ausschusses der Ständigen Vertreter bestehen aus Experten der Mitgliedstaaten, die amüsanterweise i n den meisten Fällen mit den Experten personengleich sind, die bereits die Beratungen m i t der Kommission durchgeführt haben. Nur führen i n diesen Ausschüssen wie bei den Ständigen Vertretern und i m Rat nicht die Kommission den Vorsitz, sondern jeweils die Vertreter der — in sechsmonatigem Turnus wechselnden — „Präsidialmacht". Die so durchdiskutierten Kommissionsvorschläge gelangen schließlich i n das Gremium des Ministerrats. Hier kommt es endgültig zum Schwüre. Auf Grund der vielen Beratungen sind jedoch zumeist die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten bekannt, ihre Reaktionen vorherzusehen. Die Behandlung ist in A - und B-Punkte unterteilt. Bei den ersteren unterbleibt die Diskussion, da eine Übereinkunft bereits erreicht ist. Bei den Abstimmungen und Diskussionen i m Rat w i r d das verfahrensmäßige Element der Supranationalität deutlich. Transaktionen werden vorgenommen, Haltungen verändert, u m der Uberstimmung auszuweichen. Bedeutsam ist, daß die Kommission jeweils die Möglichkeit hat, ihren Vorschlag bis zur Abstimmung i m Rat zu ändern (Artikel 149). Mannigfaltige Beispiele zeugen für die Nützlichkeit der Diskussionen und Beratungen; einmal die Geschichte der Kartell VO, zum anderen die Entwicklung, die der Gedanke der wirtschaftlichen Vorausschau, der vielfach so genannten „Planifikation", genommen hat. Immer gibt es Ausnahmen, nämlich Fragen von eminent politischer Bedeutung, die i m Einverständnis zwischen Kommission und Mitgliedstaaten ohne jede vorherige offizielle Abstimmung i n den Rat getragen werden. Ein Beispiel ist die Getreidepreisdiskussion auf der Grundlage des so genannten „Manholt-Planes". Die beschriebene Entlastung des Minister-

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rates, die m i t Rücksicht auf seine naturgemäß begrenzte Arbeitskapazität notwendig wurde, war nicht auf die Vorbereitung der Entscheidungen beschränkt. Der Rat hat i n vielen Fällen eigene Entscheidungsbefugnisse an die Kommission delegiert. Zum anderen hat der Rat auf Vorschlag der Kommission Sonderbehörden geschaffen, die wie die „Comités de Gestion" für die landwirtschaftlichen Produkte, eine Wahrung der Mitgliederinteressen i m Rahmen eines Verfahrens sichern, in dem die Entscheidung an die Kommission delegiert ist. Die sachliche Fundiertheit der Vorschläge der Kommission hat nicht nur i n der hier herausgestellten Verwirklichung der Supranationalität ihre Frucht gezeigt. Eine andere Folge, auf die m i t Nachdruck verwiesen wird, ist die Beteiligung der Kommission an Entscheidungen, für die ihre Mitarbeit nach dem Vertrag nicht vorgesehen war. Das bedeutendste Beispiel stellen die Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens zum Gemeinsamen Markt dar. Die Entscheidung und Verhandlung über den Beitritt eines neuen Mitgliedes zum Gemeinsamen Markt ist nach der Konzeption des Vertrages ausschließlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Sie haben in einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Konferenz darüber mit den Vertretern Großbritanniens beraten. Trotz dieser Rechtslage ist die Kommission einstimmig zur Teilnahme an dieser Konferenz als Berater der Mitgliedstaaten eingeladen worden. Sie hatte das Recht zum eigenen Vortrag. Es ist eine allgemein anerkannte Beobachtung, daß gerade der sachliche Beitrag der Delegation der Kommission während dieser Verhandlungen das entscheidende Element für die vor dem Abbruch erzielten Ergebnisse war. Ich darf i n diesem Zusammenhang auf den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament verweisen. IV. Bisher haben w i r die Kommission und ihre Verwaltung mehr unter dem politischen Aspekt als eine Einheit gesehen. Wenn w i r einmal einen Blick in die Brüsseler Verwaltungsstuben werfen und dabei anschließend einige Fragen aufwerfen, die mehr die Arbeit des Präsidenten Hallstein und seiner acht Kollegen in dem obersten Stockwerk des Gebäudes in der Avenue de la Joyeuse Entrée betreffen, so ist die erste Überlegung: worin besteht dann eigentlich der Unterschied zwischen der nationalen und supranationalen Verwaltung? W i r wollen nicht wiederholen, daß die Zusammensetzung aus Beamten von verschiedener Nationalität und unterschiedlicher Sprache zwangsläufig „technische" Schwierigkeiten verursacht. Sie wissen, daß jede Arbeitseinheit nach Möglichkeit aus Angehörigen verschiedener M i t gliedstaaten besteht und i n der Hierarchie Wert darauf gelegt wurde,

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die Nationalität jeweils von Stufe zu Stufe zu wechseln. Die Notwendigkeit eines Ubersetzer- und Dolmetscherapparates und die Reibungsverluste durch sprachliche Mißverständnisse, die zufällig oder u. U. auch gewollt sein können, sind bekannt. Eine Beobachtung scheint m i r aber wichtig. I n der Sprachenfrage steckt viel mehr. Eine Sprache ist nicht nur Ausdrucksmittel, sie birgt gleichzeitig eine Vorstellungswelt und eigene Denkformen. Es ist nicht sicher, daß nach einer Verhandlung m i t protokollierten Ergebnissen die Teilnehmer sich auch verstanden haben. Deshalb meine ich, sollte man es hervorheben, daß i m Gegensatz zu vielen internationalen Behörden in Brüssel die deutsche Sprache sich neben der französischen als Arbeitssprache durchgesetzt hat. Die Eigenheit der Verwaltungsarbeit ist schwer zu beschreiben. Es gibt keine gemeinsame Tradition, keine gemeinsame Praxis. Sehr unterschiedliche Verwaltungsgewohnheiten sind ziemlich plötzlich aufeinander geprallt. Ein eigener Stil hat sich bisher noch nicht herausgebildet. Methoden und Formen sind einmal der einen, einmal der anderen Praxis entnommen oder ad hoc neu gebildet worden. So ist, um ein Beispiel zu nennen, ein grundsätzlicher Unterschied entwickelt worden i n der Taktik einer Verhandlung i m multilateralen Kreis gegenüber der bilateralen Verhandlung. Während es bei der letzteren darauf ankommt, eine Verhandlungsposition aufzubauen, ist es bei der multilateralen Verhandlung entscheidend, rund um den Verhandlungstisch Verbündete bzw. Freunde zu gewinnen. Interessant ist die Auseinandersetzung um die Frage, auf welcher Stufe die Konzeption einer Politik entwickelt wird. Der deutschen Ministerialpraxis, den Referenten als den Verantwortlichen zu sehen, t r i t t die französische Auffassung entgegen, die den Direktor, also die nächsthöhere Stufe als ausschließlich verantwortlich ansieht. So gibt es in Brüssel einige Bereiche, wo Referatsleiter m i t Aufgaben bedacht werden, die sie selbst stöhnend als Hilfsreferententätigkeit bezeichnen. Dementsprechend, was zuvor gesagt wurde, gibt es auch kein einheitliches „ B i l d " des supranationalen Beamten. Vor kurzem machte eine Bemerkung die Runde, die von dem Europäischen Beamten verlangte, daß er über die Genauigkeit der Italiener, preußischen Charme und französische Bescheidenheit verfüge. Es ist nur festzustellen, daß die Herren, die aus heimatlichen Verwaltungen kommen und über einen Fundus von Verwaltungspraxis und Lösungsmöglichkeiten verfügen, sich fast ausnahmslos besser durchsetzen als Mitarbeiter, die ohne Verwaltungserfahrung nach Brüssel gekommen sind. Man sollte daher — von der Verwaltungserfahrung abgesehen — keine besonderen Voraussetzungen für die Auswahl des Nachwuchses fordern. I m Grunde kommt es darauf an, intelligente Menschen zu finden, die i n der Lage

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sind, Probleme zu erfassen, darzustellen und zu lösen und dabei Größenordnungen und Wertungen nicht verkennen. Eine interessante Erfahrung war gerade der Vergleich mit den Absolventen der französischen „Hohen Schulen", i n denen dieses Ausbildungsziel erfolgreich angestrebt wird. Diese Schulen sind andererseits nicht unproblematisch. Für die Ausbildung des deutschen Nachwuchses für Brüssel sollte es i m übrigen nur eine Besonderheit geben: Sprachen, Sprachen und immer wieder Sprachen. I m psychologischen Bereich wäre manches zu sagen. So vor allem über die Unmöglichkeit, die Beamten der Gemeinschaft i n einen echten Kontakt m i t der belgischen Bevölkerung zu bringen. Dieser Versuch ist gescheitert. Die „Europäer" i n Brüssel leben unter sich. Eine andere Beobachtung scheint wichtiger. Es ist verblüffend, wie sich die Existenz eines Gesetzes beobachten läßt, das m i t der Abnahme der Entfernung nach Brüssel für jeden Beamten das Verständnis für die Fragen der EWG wachsen läßt. M i t anderen Worten: je mehr ein nationaler Beamter m i t „Brüssel" zu tun hat, desto mehr gerät er i n dessen Bannkreis. Der normale Referent an seinem Schreibtisch i n der Hauptstadt eines Mitgliedstaates sieht diese Fragen mit der mangelnden Deutlichkeit und Dringlichkeit, die sich leicht aus der Entfernung erklären. Ist er aber gezwungen, ab und zu bei der EWG an Arbeitssitzungen teilzunehmen, entsteht häufig zur eigenen Überraschung eine gewisse Aufmerksamkeit. W i r d er dann zu der Ständigen Vertretung i n Brüssel abgeordnet, gerät er i n den Augen seiner Kollegen in den Verdacht, m i t der EWG zu sympathisieren, was häufig seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt. T r i t t aber dieser Beamte erst i n die Dienste der EWG, gilt er i n manchen Augen, verzeihen Sie m i r den Ausdruck, schlicht als verloren. Bei der inneren Organisation der Verwaltungseinheiten der Kommission ist ein Ansatz geschaffen worden, für die Verwaltungsarbeit neue Ordnungsprinzipien zu entwickeln. Für einige der Generaldirektionen ist man von der klassischen Sektorenaufteilung abgewichen. So wurde eine Generaldirektion für die Zollunion geschaffen. Ihre Kompetenz umfaßt Zoll- und Kontingentsfragen ebenso wie das Niederlassungsrecht, Berufsrecht und Reste einer Industrieabteilung. Das gleiche gilt für die Wettbewerbsabteilung, die für Kartelle, Dumping, Beihilfen, Steuer- und Rechtsangleichungsfragen zuständig ist. I n beiden Fällen wurden Materien zusammengefaßt, die herkömmlicherweise verschiedenen Ministerien zugeordnet sind. Dieser Ansatz hat sich gerade für die Einheit der Wettbewerbspolitik außergewöhnlich bewährt. Es ist allerdings nicht gelungen, dieses Ordnungsprinzip ausschließlich anzuwenden. Neben den beiden genannten Generaldirektionen bestehen weiterhin andere für Verkehr, soziale Fragen und Landwirtschaft.

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Dieses Nebeneinanderbestehen der Ordnungsprinzipien führte zwangsläufig zu gewissen Kompetenzschwierigkeiten.

V. Landläufig w i r d i n der Struktur der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Kommission als „die Exekutive" bezeichnet. Dieses B i l d ist nicht völlig richtig, zumindest sehr unvollständig. Sie teilt diese Aufgaben in manchen Fällen m i t dem Ministerrat. So werden ζ. B. die Investitionsprojekte i n den afrikanischen Gebieten z.T. vom Ministerrat beschlossen. Andererseits ist die Kommission durch ihr Vorschlagsrecht unabdingbar i n die Gesetzgebungsprozedur der Gemeinschaft eingeschaltet. Ich hatte es schon gesagt: die Struktur unserer Gemeinschaft entspricht i n keiner Weise dem hergebrachten B i l d der Gewaltenteilung. Die Entwicklung jedoch deutet — das kann ich hier nicht näher ausführen, sondern nur als meine Überzeugung aussprechen — auf ihre Entwicklung zu einer echten Exekutive hin. Wenn ich versuchen soll, das tatsächliche B i l d dieser Behörde deutlicher werden zu lassen, erscheinen m i r folgende Beobachtungen wichtig: Auffallend ist für die Entscheidungskompetenz der Kommission die — m i t allen bisher bekannten Beispielen hinsichtlich des Maßes und der Vielfalt schwerlich zu vergleichende—Mischung von Regierungsund Verwaltungsaufgaben. Die Kommission hat die Aufgabe, auf der einen Seite die Konjunktur, Währungs- und Handelspolitik vorzubereiten und zunehmend zu führen, die Steuersysteme zu reformieren und die Rechtsordnungen progressiv anzugleichen. Auf der anderen Seite muß sie — als Neuner-Gremium! — sich damit befassen, über die Berechnung von Einfuhrpreisen für landwirtschaftliche Produkte zu entscheiden, die zwei bis drei D I N - Α 4-Seiten m i t Ziffern füllen, sich aber i m Grunde i n einem simplen arithmetisch-technischen Verfahren praktisch von selbst ergeben und in eine andere Zuständigkeit gehören sollten. Ähnliches gilt für die Genehmigung von Einzelbeihilfen, Zollkontingenten und z.B. für die Entscheidungen auf dem Gebiet der Kartelle. Die Ursache dieser Vermischung heterogener Materien liegt i n der Konzeption des Vertrages, der der Kommission alle Materien übertrug, die die Mitgliedstaaten einer Gemeinschaftsentscheidung unterzuordnen bereit waren. Z u jener Zeit hat man über den Charakter der einzelnen Fragen vermutlich weniger nachgedacht als über den Gewinn einer Gemeinschaftslösung. Hier drängt sich eine organisatorische Entwicklung auf, die, bezeichnen w i r es der Einfachheit halber mit einem deutschen Begriff, „Oberbehörden" schaffen muß, so ζ. B. für die landwirtschaftlichen Marktordnungen, für die Entscheidung i n K a r tellfragen, für den Sozialfonds und möglicherweise noch für das eine

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oder andere weitere Gebiet. Dies führt zu einer weiteren Frage: Wer w i r d tätig, wenn i m Vertrag eine Kompetenz der „Kommission" zukommt? I n nationalen Ministerien zeichnet zumindest jeder Referatsleiter als der „Minister" und faßt Berichte, Verfügungen und Erlasse in der „Ichform" ab. Für die Verwaltung der Kommission besteht eine solche Delegation bisher nicht. Entscheidungen, die der Vertrag der Kommission überträgt, setzen i n der Tat die Beschlußfassung des Gremiums ihrer neun Mitglieder voraus. Das hat zu einer kaum vorstellbaren und unrationellen Belastung der neun Herren geführt. Sie geraten i n Gefahr, über die Vielzahl administrativer Vorlagen die Möglichkeiten zur Beratung von Grundsatzfragen zu beeinträchtigen. Der Anlaß für diese Regel ist darin zu suchen, daß i n der ersten Konzeption aus verständlicher Erwägung man nicht Entscheidungen dorthin delegieren wollte, wo sie möglicherweise dem bestimmenden Einfluß des Angehörigen nur eines Mitgliedstaates ausgesetzt gewesen wären. Dieses anfangs verständliche Mißtrauen ist i n der täglichen Arbeit der Gemeinschaft inzwischen überwunden worden. Delegationen sind aus dem ständigen Wachsen der Zahl der anfallenden Entscheidungen i n Zukunft nicht mehr länger zu vermeiden. Bisher wurde nur eine einzige Ausnahme vorgenommen: Die Übertragung der Ernennung von B-Funktionären an den Ausschuß der Präsidenten. E i n anderer Aspekt desselben Zusammenhanges ist die Nichteinführung des Ressortprinzips für die einzelnen Verwaltungssparten. Die Kommission entscheidet als Neuner-Gremium über jede Frage ihrer Politik auf allen Gebieten der Kommissionszuständigkeit. Die i n den nationalen Verwaltungen übliche Aufteilung i n Sachressorts m i t der Möglichkeit für den an der Spitze des Ressorts befindlichen Minister, i n eigener Zuständigkeit Fragen seines Bereichs zu regeln, die nicht infolge ihrer grundsätzlichen Bedeutung einer Kabinettsentscheidung bedürfen, besteht nicht. Hier finden w i r wieder eine Regelung, die aus der Zeit, i n der sie entstand, nämlich dem Beginn der Arbeiten der Kommission, zu erklären ist. Die Kommission hat nur jeweils die „besondere Verantwortung" eines Kommissionsmitgliedes für eine der neun Generaldirektionen festgelegt. Diese Verantwortung umfaßt aber allein die Vorbereitung der Entscheidungen der Kommission. Eine Zwischenform, die i n etwa die Vorwegnahme der Kommissionsentscheidungen bedeutet haben könnte, die sogenannten „Gruppen", bestehend jeweils aus drei Mitgliedern der Kommission unter dem Vorsitz des für den einzelnen Sachbereich „besonders verantwortlichen" Mitgliedes, ist heute praktisch verkümmert. Die Mitglieder der Kommission sind außerstande, die Zeit für diese zusätzlichen Sitzungen zu finden. I m Ergebnis zeichnet sich ab, daß die Ressortzuständigkeit begründet werden muß.

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Nicht ohne Schwierigkeiten ist die Frage des Verhältnisses der Kommission zu den einzelnen nationalen Verwaltungen. Adressat der Entscheidungen, Vorschläge etc. der Kommission sind in der Regel der Ministerrat bzw. die Mitgliedstaaten. Darüber hinaus in Einzelfällen einzelne Bürger oder Unternehmen der Mitgliedstaaten (z.B. Kartellentscheidungen). Den bereits erwähnten „Ständigen Vertretern" ist praktisch ein Monopol i n der „Kanalisierung" des offiziellen Kontaktes zwischen Brüssel und den nationalen Behörden eingeräumt worden. Hier ist eine eingespielte sichere Verwaltungspraxis gewachsen. Andererseits ist es erwähnenswert, daß ζ. B. bei der landwirtschaftlichen Preisfestsetzung nachgeordnete Behörden der Mitgliedstaaten unmittelbar m i t Kommissionsdienststellen zusammenarbeiten. Handelt es sich hier u m Auftragsverwaltung, oder sind diese Dienststellen insoweit i n nachgeordnete Behörden der Kommissionsverwaltung verwandelt? Für die Bundesrepublik stellt sich weiterhin die Frage, wie das Verhältnis der Kommission zu den Ländern ist, soweit ihnen das Grundgesetz Zuständigkeiten vorbehält. Man denke nur an das Gebiet der Regionalpolitik, i n dem — i n welchen Formen auch immer — ein Austausch von Sachwissen zwischen Kommission und Länderregierungen unerläßlich ist. Offensichtlich bestehen i n diesem Bereich noch Fragen, die ihrer theoretischen Einordnung und Beantwortung bedürfen. VI. Während w i r uns bisher m i t der inneren Organisation der Kommission und dem Verhältnis Kommission und Mitgliedstaaten befaßt haben, haben w i r dabei außer Betracht gelassen, daß neben der hier beispielhaft stets i n den Vordergrund gestellten Wirtschaftsgemeinschaft m i t der „Europäischen Atomgemeinschaft" und der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" weitere supranationale Behörden bestehen. Ich möchte nicht i n die Diskussion über den Vergleich der Stärke der supranationalen Kompetenzen der einzelnen Gemeinschaften eintreten. I n Verkennung der realen Situation i n der Wirtschaftsgemeinschaft räumt mancher, ich möchte fast sagen, zu voreilig der Kohleund Stahlgemeinschaft hier einen Vorteil ein. Unser Interesse gilt vielmehr der Frage, wann eine Abstimmung m i t den beiden anderen Behörden nötig ist und i n welcher Weise sie erfolgt. Bereits bei der Errichtung der beiden neuen Kommissionen sind m i t der Hohen Behörde i n Luxemburg von vornherein mehrere „gemeinsame Dienste" geschaffen worden. Die Verwaltungen der drei Behörden wurden dabei auf Gebieten zusammengefaßt, von denen man annahm, daß eine gemeinsame Verwaltung möglich sei. Es handelte sich u m die Statistik, um die Presse- und Informationsaufgaben und um den juristischen Dienst. Von diesen drei Bereichen ist in der Tat nur in dem Statistischen A m t

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die Fusion der Aufgaben vollständig geglückt. Für die Presse und Information ist es gelungen, die allgemeinen Aufgaben zusammengefaßt zu erhalten. Daneben hat sich für jedes Organ die Notwendigkeit gezeigt, unter der Bezeichnung des „Sprechers", wie die genauere Beobachtung zeigt, eine eigene Gruppe für die kurzfristige Presse- und Informationspolitik zu schaffen. Der Juristische Dienst besteht notwendigerweise, abgesehen von einer Arbeitsgruppe für gemeinsame institutionelle Fragen, aus drei den Bereichen der drei Gemeinschaften entsprechenden Einheiten. Während die vorgenannten „gemeinsamen Dienste" nur H i l f saufgaben i m Verhältnis zu der eigentlichen wirtschaftspolitischen Verwaltung erfüllen, müssen w i r nunmehr fragen, wo sich die Notwendigkeit einer wirklichen Abstimmung der wirtschaftspolitischen Kompetenzen der drei Gemeinschaften zeigt. Hier rücken sofort Kohlenhalden, Raffinerieanlagen und der noch wenig vertraute Anblick von Atommeilern i n unser Blickfeld. I n der Tat, die Zuständigkeit auf dem Gebiete der Energiepolitik, einem zentralen Bereich moderner Wirtschaftspolitik, ist geteilt: die Hohe Behörde ist für die Kohle zuständig, die Atomkommission für die Atomkraft, die EWG-Kommission für Erdöl, Gas, Wasser und Elektrizität. Für die drei Gemeinschaften besteht eine interexekutive Arbeitsgruppe für Energiepolitik, der mehrere Mitglieder der drei Behörden angehören. Diese Gruppe hatte Vorschläge an den EGKS-Ministerrat vorzulegen. Die über Jahre andauernden Beratungen dieser Arbeitsgruppe waren sehr schwierig. Eine Einigung war nur sehr schwer zu erzielen. Zwar ist inzwischen dem Rat ein Vorschlag unterbreitet worden, eine gemeinsame Energiepolitik ist aber bis jetzt nicht erkennbar. A u f wessen Schuldkonto dies zu verbuchen ist, darüber sind die Wertungen bei den Beobachtern unterschiedlich. Bedeutsam und auffallend ist ein Element, das w i r aus unseren Betrachtungen bereits kennen. Für die Abstimmung unter den supranationalen Behörden auf den Gebieten ihrer Kompetenz fehlt verblüffenderweise der Mechanismus zur Schlichtung von Konfliktsituationen. I n Fällen, i n denen die drei supranationalen Gemeinschaften verschiedener Meinung sind, gibt es keine Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen, sondern i n diesem Falle drängt sich wiederum die ältere Formel der Lösung nach dem größten gemeinsamen Nenner auf. Das gilt nicht für die Entscheidungen i n der interexekutiven Arbeitsgruppe. Die Ministerräte der drei Gemeinschaften müssen nach dem gegenwärtigen Stand jeweils isoliert über die Fragen ihrer Kompetenz entscheiden. Ein anderes Element gehört noch hierhin. A u f der Basis eines Protokolls aus dem Jahre 1957 wurde der Hohen Behörde eine „Federführung" für Energiefragen gegeben. Angesichts der wachsenden faktischen Bedeutung der Energieträger, die i n die Kompetenz der anderen Gemein-

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Schäften gehören, ist diese Zuständigkeit nicht unproblematisch. Diese wenigen Überlegungen zeigen bereits, daß i n der derzeitigen Situation eine Lösung nur schwer möglich ist. Der einzige Ausweg aus dieser Situation dürfte zwangsläufig i m Zusammenhang mit der Fusion der Europäischen Gemeinschaften zu suchen sein. VII. I n den Rahmen einer Betrachtung der Probleme einer supranationalen Verwaltung gehört naturgemäß auch ihr Verhältnis zur europäischen Wirtschaft. Dieser Bereich ist bereits vor Ihnen dargestellt worden. Ich brauche deshalb nur darauf hinzuweisen, daß die Entwicklung, die sich i n Bonn seit der Konstituierung der Bundesrepublik hat beobachten lassen, auch für Brüssel m i t aller Deutlichkeit symptomatisch ist: kein Wirtschaftsbereich, der nicht seine „Vertretung" inzwischen i n Brüssel etabliert hat. Das soziologische Phänomen des „Lobbyismus" ist auch für Europa etabliert. Das Interesse der Wirtschaft an der Entwicklung der Gemeinschaft ist i n den vergangenen Jahren ganz deutlich gewachsen und immer stärker erkennbar. Diese Beobachtung soll unsere Überlegungen abschließen. Ich entnehme ihr eine positive Wertung, ein deutliches Indiz für die Bedeutung, die der Ver^ waltung der Kommission i n den Augen der Wirtschaft zukommt. Es geht dabei weniger um die Frage des soziologischen „Vertrauens" i n eine Verwaltung als u m die Schlußfolgerung, daß der Spürsinn der Wirtschaft hier eine neue entscheidungsträchtige Quelle für zukünftige wirtschaftspolitische Entwicklung vermutet. Wenn man von dem Grundsatz realistischer Einschätzung der Dinge ausgeht, der nach allgemeiner Überzeugung die Handlungen der Wirtschaft bestimmt, müßte diese Erscheinung, die nach den Grundsätzen moderner Soziologie ein Wertungselement darstellt, auch den Skeptiker ermutigen.

Diskussion Ministerialrat

Dr. von Meibom, Bundesministerium

des Innern,

Bonn

Herr Dr. Bruns, Sie sprachen i n Ihrem Vortrag über die Beschlüsse der i m Rat vereinigten Vertreter der Regierungen, und Sie stellten die These auf, daß diese Beschlüsse nicht der Ratifizierung unterliegen. Dieser Auffassung muß ich widersprechen. Diese Beschlüsse sind völkerrechtliche Verträge, sie sind Ergänzungen der Vertragsmaterie des EWG-Vertrages, wenn sie auch nicht Teil des Vertrages sind, und sie unterliegen den normalen Inkraftsetzungsregeln des A r t . 59 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Bisher haben sich diese Verträge i m wesentlichen beschränkt auf Fragen, die i n der Kompetenz der Mitgliedsregierungen stehen. Sie haben also den Charakter von internationalen Verwaltungsabkommen, insofern ist keine Ratifizierung erforderlich. Aber i n dem Moment, wo i n diesen Beschlüssen normative Bestimmungen i m Sinne von unmittelbaren Rechten und Pflichten der Staatsbürger auftreten würden, müßten sie ratifiziert werden. Ferner sprachen Sie von der partiellen Beteiligung am Rechtsetzungsverfahren durch die Kommission. Sie erwähnten vor allem die Verwaltungsausschüsse, die ja eine besondere A r t der Ausschüsse der EWG sind, insbesondere jetzt i m Argrarsektor. Es zeigt sich, daß es gewisse Tendenzen gibt, auch andere Sektoren m i t diesen Verwaltungsausschüssen auszustatten. Wenn diese Ausschüsse zu einer Kompetenzverwischung führen, würden sie m i t dem Widerstand der Bundesregierung zu rechnen haben. Denn eine solche Kompetenzverwischung würde das ganze institutionelle System der EWG i n Frage stellen, das auf dem Zusammenspiel und auch Gegenspiel von Rat und Kommission i m Sinne einer gegenseitigen Kontrolle der Macht aufgebaut ist, wie Sie selbst sehr deutlich dargestellt haben. Außerdem schilderten Sie sehr anregend das Beschlußverfahren innerhalb der Kommission. Von der luftigen Höhe der Kommissare sprachen Sie und auch von dem ganzen Verfahren, i n dem die Beschlüsse der Kommission zustande kommen. Dabei wurde deutlich, welche Rolle gewisse Nichtkommissarpositionen i n diesem Zusammenhang spielen. W i r sprechen schon allmählich von einem Schattenkabinett der Kabinettchefs unter Führung des Exekutivsekretärs. Ein Problem, das für uns schwer zu übersehen ist, das aber doch zunehmend die Frage stellt, ob hier nicht Grundsatzüberlegungen, auch i m

Diskussion

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Schöße der Kommission, angestellt werden müssen, u m da nicht i n ein Zwielicht zu geraten. Schließlich noch eine Bemerkung zur Gesetzgebungskompetenz des Parlaments. Wenn Sie die Gegenwart ansehen, dann wissen Sie aus allen Zeitungen, daß die Regierung einen harten Kampf u m die Beschränkung und Eingrenzung des Etats kämpft, während das Parlament, vor allen Dingen dann, wenn die Wahlen näherkommen, einen modifizierten Standpunkt einnimmt. Ich möchte hier nicht so verstanden werden, daß ich gegen eine Verstärkung der Rechte des Europäischen Parlaments spreche. Auch ich bin der Überzeugung, daß diese Rechte verstärkt werden sollten. Aber ich glaube, daß eine Überlegung von Grund auf — und hier könnte uns die Wissenschaft gute Dienste leisten — über die Frage der Gestaltung einer effektiven politischen Kontrolle erforderlich ist. Denn politische Kontrolle ist nicht gleichzusetzen m i t Gesetzgebungsbefugnis. Das gute Verhältnis von Kommission und Parlament beruht wesentlich, Herr Bruns w i r d m i r das wahrscheinlich bestätigen, darauf, daß die Kommission das Parlament sehr eingehend und frühzeitig informiert. Der Rat dagegen nimmt die Entschließungen des Parlaments beinahe als Α-Punkt, d.h. als Punkt, über den nicht diskutiert wird, zur Kenntnis. Er äußert sich auch nicht dazu. Wenn diese Dinge geändert würden, d. h. der Rat sich gründlich und konkret zu den Äußerungen des Parlaments stellen würde, dann würde man es dem Parlament wesentlich erleichtern, aus Sachfragen politische Fragestellungen zu entwickeln, die nicht so global sind, daß ihre W i r k u n g i n der Diskussion verpufft. Ich sehe i n dieser Beziehung eine Möglichkeit, das Europäische Parlament zu stärken. Eine weitere würde darin liegen, daß die Organisationsform, in der die Abgeordneten des Europäischen Parlaments i n den eigenen Parlamenten tätig werden, also i n den Ausschüssen, Fraktionen, Ältestenrat und so weiter, intensiviert würde, d. h. ihre Machtposition innerhalb der Gremien verstärkt würde und sie i n der Lage wären, eine bessere Koordinierung zwischen dem, was i n den Ausschüssen der nationalen Parlamente geschieht, und ihrer Arbeit i m Europäischen Parlament herbeizuführen. Ministerialrat Dr. Lehning, Frankfurt/Main

Bundesbahn-Hauptverwaltung

Es wurde i m Vortrag von Herrn Dr. Bruns darauf hingewiesen, daß die Rechtsetzung der EWG sich zu einem großen Teil durch Richtlinien vollzieht, die hinsichtlich ihres Zieles verbindlich sind, die Wahl der Form und der M i t t e l aber den Mitgliedstaaten überlassen. Nun gewinnt man den Eindruck, daß i n der Praxis diese Grenze nicht immer eingehalten wird, daß die Kommission oder die einzelnen Generaldirektionen vorbereitend sich nicht damit begnügen, nur das Ziel festzulegen, son10·

148

Diskussion

d e m daß sie i m weiten Maß dazu übergehen, auch Einzelregelungen zu treffen, die den Einzelstaaten überlassen bleiben sollen. Es ist behauptet worden, ich weiß nicht, ob das zutrifft, daß diese Praxis vom Juristischen Dienst gebilligt worden sei. Vielleicht könnte diese Frage beantwortet werden und wenn sie bejaht wird, dann würde sich die weitere Frage ergeben, ob diese Auslegung des Vertrages zulässig ist. Die zweite Frage ergibt sich daraus, daß unter den sechs Mitgliedstaaten sich einer befindet, der föderalistisch strukturiert ist, nämlich die Bundesrepublik. Inwieweit sind die Länder auf Gebieten, die nach dem Grundgesetz ihrer eigenen Gesetzgebungszuständigkeit unterliegen, an das EWG-Recht gebunden? Inwieweit lassen sie sich binden? Was ist die Rechtsgrundlage dafür? Zweifel können i n dieser Hinsicht aus vielen Gründen bestehen. Als Stichwort nenne ich das KonkordatsUrteil, das schon einige Jahre zurückliegt und damals von manchen als eine salomonische Lösung empfunden wurde, das aber doch zu einer Reihe von Zweifelsfragen geführt hat, bei denen man sich vor ganz erhebliche praktische Schwierigkeiten gestellt sieht. Regierungsrat Dr. Pfeffer, der Finanzen, München

Bayerisches Staatsministerium

Ich möchte i m Anschluß an die letzte Frage von Herrn Dr. Lehning noch etwas konkreter den Gedanken fortführen. I n der Tat ist das Problem, daß es sich i n Deutschland u m einen föderalistischen Staat handelt, i n zunehmendem Maße von Bedeutung, und zwar vor allem deshalb, w e i l die Entwicklung zur Wirtschaftsunion auf bestimmten Gebieten unmittelbar die Länder berührt. Ich würde als Stichwort hier das Budget-Recht nennen, weniger w o h l die Währungs- und Konjunkturpolitik auf Grund der Organisation des Zentralbankensystems. Aber da nun das Budget-Recht nach unserer Verfassung geteilt ist zwischen Bund und Ländern, möchte ich an Herrn Dr. Bruns die Frage richten, inwieweit die EWG sich überlegt hat, hier die Länder, etwa i m Weg von Konsultationen, zu beteiligen. Unsere Länder i n Deutschland sind eben doch Gebietskörperschaften, die bis zu einem gewissen Grade eigene Wirtschaftspolitik betreiben. Bei uns i n Bayern ist es sehr deutlich, daß die Umlenkung der Handelsströme von erheblicher Bedeutung war. So liegen etwa die Zuwachsraten i m grenzüberschreitenden Handel mit unseren traditionellen Handelspartnern Österreich und der Schweiz weit hinter den Zuwachsraten i m allgemeinen grenzüberschreitenden Handel, und i n einigen Branchen sind sie auch schon gefallen, absolut, meine ich. Letztlich wäre wohl eine Einschaltung der Länder i m Wege der Konsultation auch noch aus dem ganz allgemeinen Gesichtspunkt wünschenswert, den Professor Bülck vorhin erwähnt hat, nämlich der Steigerung des gegenseitigen Vertrauens, eine Aufgabe, die speziell

Diskussion i m Verhältnis der EWG zu den Ländern besteht, denn i n den Länderverwaltungen sind die Vorstellungen darüber, was eigentlich i n der EWG vor sich geht und was es damit auf sich habe, vorläufig noch sehr unterentwickelt. Senatsdirektor

Dr. Springstub,

Bremen

Nachdem ich die Ausführungen von Herrn Dr. Bruns und Herrn Dr. Much gehört habe, muß ich sagen, daß sie nicht mehr i m alten juristischen Stil denken, sondern daß sie bereits beide nach modernen Methoden vorgehen; sie fragen i n erster Linie nach der Machtbefugnis der Institution. Ich möchte nun nochmals die Frage stellen, wie w i r k t sich diese Machtbefugnis i m föderalistischen Staat aus? Kann etwa das Land Bremen oder Bayern sagen, das machen w i r nicht mit? Dazu möchte ich einen Fall aus der Praxis erwähnen. Als w i r die Borgward-Affäre hatten, haben wir, um das Unternehmen noch einmal zu halten, einen Zuschuß von 6,5 Millionen gewährt. Hier hörte ich zum ersten Mal eigentlich unmittelbar von der Machtbefugnis der EWG. Ich bekam nämlich ein Schreiben von Herrn von der Groeben, i n dem er anfragte, wie w i r eigentlich dazu gekommen seien, Borgward 6,5 Millionen zu geben, ohne die EWG zu fragen. Verwaltungsgerichtsrat

Dr. Klein, Verwaltungsgericht,

Frankfurt/

M.

I m Zusammenhang mit der Frage, ob die Rechtsetzung durch die Gemeinschaft als vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren gewertet werden kann, möchte ich Herrn Direktor Bruns fragen, ob seine Ausführungen über die enge Zusammenarbeit von Rat und Kommission so zu verstehen sind, daß hier auch eine institutionelle Abhängigkeit des Rates von der Kommission vorliegt. Ware dies der Fall, so könnte man nicht von dem Rat als föderativem Organ sprechen. Dr. Winter, Justitiar Ludwigshafen/Rhein

der Industrie-

und Handelskammer

für die Pfalz

Herr Direktor Bruns, Sie haben eingangs Ihres Referates erwähnt, daß die EWG i n den ersten Jahren mehr nach rechtlicher Norm gelebt hat. Herr Dr. Much, Sie sagten, das sei bei der Montanunion heute noch so. Ferner haben w i r gehört, daß die EWG immer mehr die Aufgabe auf sich zukommen sieht, nicht mehr nur juristische, sondern vorwiegend wirtschaftspolitische Entscheidungen zu fällen. Für die Montanunion bezeichneten Sie es, Herr Dr. Much, als notwendig, daß es so weit komme. I n der Kommission und i n der Hohen Behörde haben w i r aber, wenn w i r die Personen betrachten, Vertreter aller politischen Richtungen, von der Rechten bis zum Sozialismus. Meine Frage ist nun,

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Diskussion

zeigen sich aus der immer stärkeren Notwendigkeit, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu fällen, Tendenzen, die dahin gehen, i n den Kommissionen zu einem politisch homogeneren Körper zu kommen, und sehen Sie hier eine weitere Entwicklungstendenz, die es i n den kommenden Jahren unumgänglich erscheinen läßt, eine parlamentarische politische Kontrolle gegenüber der i n einer gewissen politischen Richtung ausgebildeten Kommission und Hohen Behörde zu installieren? Diplom-Volkswirt Morbach, rium für Wirtschaft, Bonn

Regierungsassessor im

Bundesministe-

Ich möchte eine Bemerkung anknüpfen an das, was die Vorredner sagten bezüglich der Schwierigkeiten, die sich durch die verfassungsrechtliche Situation bei Verordnungen und Beschlüssen der EWG-Kommission i m innerstaatlichen Bereich ergeben. Ich darf dabei auf das sogenannte Standstill-Abkommen hinweisen, wonach festgelegt worden ist, daß die Umsatzsteuern nicht geändert werden sollen, wenn nicht aus rein steuertechnischen Gründen, wobei sich hier auch i n den letzten Konsultationen, die die Bundesregierung geführt hat, i m Rahmen der Ausgleichsteuererhöhungen gewisse Schwierigkeiten und Probleme ergeben haben. Ist die EWG-Kommission der Meinung, daß sie durch solche Beschlüsse oder Beschlüsse der Regierungsvertreter gleichzeitig auch die innerstaatlichen Parlamente binden kann? Ministerialrat Dr. Boisserée, Arbeits- und Sozialministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf W i r haben i n den beiden Referaten von Dr. Bruns und Dr. Much etwas gehört über das Verhältnis supranationaler Gemeinschaften einerseits und der Mitgliedstaaten andererseits zum Wirtschaftsrecht i m engeren Sinne, also zum Kartellrecht, zum Wettbewerbsrecht, zu steuerrechtlichen Fragen und dergleichen. Es ist richtig, daß die w i r t schaftliche Integration hier i n erster Linie ansetzen muß. Ich b i n allerdings der Meinung, daß auch Rechtsgebiete, die zur Zeit noch zum Vorbehalt der nationalen Gesetzgebungen gehören, die man klassifizieren kann i n das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, über kurz oder lang m i t einbezogen werden müssen, wenn es um Herstellung vergleichbarer, harmonisierter Wirtschaftsbedingungen i m gemeinsamen M a r k t geht. Ich denke an die Fragen der Umwelthygiene, des Schutzes vor Luftverunreinigungen, der Maßnahmen zur Lärmbekämpfung. Verwaltungsmaßnahmen, die zur Eingriffsverwaltung gehören und von eminent wirtschaftlicher Auswirkung sein werden, wobei für mich die Frage auftaucht, ob das gegenwärtig geltende Ver-

Diskussion fassungs- und Organisationsinstrumentarium der supranationalen Gemeinschaften und das Zusammenwirken m i t nationalen Instanzen geeignet ist, diese Probleme zu lösen, oder ob man nicht an Vertragsrevisionen denken müßte, da es sich hier u m Materien nicht i m engeren wirtschaftsrechtlichen Sinne handelt. Vertragsrevisionen, die auch das Zusammenspiel zwischen Wirtschaftsrecht und Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung völlig neu durchdenken. Direktor Dr. Bruns Herr von Meibom hat verschiedene Fragen gestellt. Zunächst ist er auf etwas eingegangen, was ich vorhin erwähnt hatte, nämlich daß es vorkommt und beinahe zu einer stärker werdenden Praxis wird, daß der Ministerrat nicht als solcher entscheidet, sondern i n der Form der „ i m Rat vereinigten Vertreter der Mitglièdsregierungen". Daran hat Herr von Meibom nun gewisse Verfassungsüberlegungen geknüpft. I m Grunde genommen sind w i r dabei gar nicht so sehr weit auseinander. Ich möchte vier Fälle unterscheiden: Wenn der Rat entscheidet und das ist meistens der Fall, wo der Vertrag sagt, der Rat beschließt, entscheidet, bestimmt, setzt fest, handelt er als Gemeinschaftsorgan. Es ist keine Frage, daß seine Beschlüsse hier keiner Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten bedürfen. Der zweite Fall ist der, daß der Rat nicht als solcher entscheidet, sondern die Mitgliedsregierungen i m Einvernehmen gewisse Beschlüsse fassen, die i m Vertrag vorgesehen sind. Ich nannte als Beispiel zunächst den Beschluß, der bis heute noch nicht gefaßt worden ist, nämlich die Bestimmung des Sitzes der Gemeinschaft; hierzu zählt auch der Beschluß über die Ernennung von Kommissionsmitgliedern. Da hier die Konferenz der Mitgliedstaaten, wie ich sie nannte, als Gemeinschaftsorgan tätig wird, bedarf auch ein solcher Beschluß keiner Ratifikation. Der dritte Fall ergibt sich aus dem erwähnten Bestreben der Mitgliedstaaten, sich als die i m Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedsregierungen zu konstituieren und als solche einen Beschluß zu fassen, um darzutun: w i r sind einverstanden, aber verpflichtet sind w i r kraft des Vertrages dazu nicht. Hier ergibt sich das Problem, das Herr von Meibom m i t Recht angeschnitten hat. Dazu hatte ich m i r die vorsichtige Bemerkung erlaubt, die durch die Ausführungen von Herrn von Meibom gewissermaßen unterstrichen wird, daß i n diesem Bereich, i n dem außervertraglichen Bereich, wenn ich ihn so nennen darf, die Vertreter der Mitgliedstaaten allen Anlaß hätten, vorsichtig zu sein und die Rechte ihrer nationalen Parlamente zu respektieren. I m vierten Fall, wenn die Mitgliedstaaten gleichsam i n Wiederaufnahme ihrer früheren Eigenschaft als vertragschließende Parteien den Vertrag ergänzen, ihn revidieren, ist eine Ratifikation selbstverständlich erforderlich.

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Diskussion

Was die Verwaltungsausschüsse angeht, so hat Herr von Meibom m i t Recht darauf hingewiesen, hier bahne sich eine Entwicklung an, die das ursprünglich vertraglich konzipierte Spannungsverhältnis zwischen Kommission einerseits und Ministerrat andererseits — sagen w i r es vorsichtig — verwischen könnte. W i r sehen, wenn auch aus einer anderen Perspektive, von Seiten der Gemeinschaft dieser Entwicklung ebenfalls m i t einer gewissen Sorge entgegen. Und zwar gründet diese Sorge darin, daß die Mitgliedstaaten selbst Wert darauf legen könnten, um der späteren Aufgabenverlagerung auf die Gemeinschaft jetzt schon einen gewissen Riegel vorzuschieben. Denn die Übertragung auf diese Ausschüsse, nennen w i r sie gemischte Gremien, kann bedeuten, daß man sich der definitiven Verlagerung auf die Gemeinschaft auf solche Weise widersetzt. W i r haben also, wenn auch aus anderen Gründen, ebenfalls gewisse Bedenken gegen diese Entwicklung, aber es sind häufig die Mitgliedstaaten, die uns die Errichtung eines solchen Ausschusses auferlegen. Die dritte Bemerkung von Herrn von Meibom galt der Beschlußfassung i n der Kommission. Es ist richtig, auch die Kommission sieht das Bedenken, daß sich eventuell m i t der vorbereitenden Tätigkeit der Kabinette und der M i t w i r k u n g anderer Organe bei der Beschlußfassung der Kommission, ich nannte den Juristischen Dienst, ich nannte den Exekutivsekretär, eine A r t Schattenkabinett neben dem eigentlichen Beschlußorgan bilden könnte. Nun vollzieht sich diese Entwicklung ja unter den Augen der Kommission selbst. Sie wäre also als erste berufen, kraft ihrer Organisationsgewalt an diesem Status etwas zu ändern, wenn sie der Ansicht wäre, hier würden bedenkliche Entwicklungen eingeleitet. Freilich verstehe ich, daß aus der Distanz des M i t gliedstaates solche Entwicklungen u. U. mit gewissem Unbehagen verfolgt werden. Aber Sie werden m i r andererseits zugeben, daß dies eine Sache ist, die der Organisationsgewalt der Kommission zuständigkeitsmäßig überlassen bleiben muss. Hinsichtlich der Verstärkung der Rechte des Parlaments ist folgendes zu sagen: Das Parlament übt keinerlei Kontrolle über den Ministerrat aus. Das Parlament übt dagegen gewisse Kontrollrechte i n Richtung auf die Kommission aus, äußerstenfalls kann es der Kommission das Vertrauen entziehen. Das ist ein sehr schweres Geschütz, und man kann sagen, daß dieses Kontrollrecht mehr seine Wirkung äußert durch sein tatsächliches Vorhandensein; denn aktuell geworden ist es noch nicht und es läßt sich auch schwer vorstellen, daß dies bald der Fall sein könnte. Die Kommission t r i t t jedoch für eine Verstärkung der Parlamentsrechte ein. Das geschieht nicht deshalb, weil etwa die Kommission als Nur-Vorschlagsberechtigte und darum vielleicht schwache Instanz sich mit anderen schwachen Instanzen verbünden wollte gegen den

Diskussion Ministerrat. Die Kommission ist vielmehr aus grundsätzlichen Erwägungen an stärkerer demokratischer Kontrolle und Legitimation der Gemeinschafts-Rechtsetzung interessiert. Auch i n den Haushaltsberatungen i m Bereich der Gemeinschaft findet man das Parlament häufig an der Seite der Kommission, sie streiten gemeinsam. Ich habe nun Zweifel, ob das Unbehagen über diesen gegenwärtigen Zustand allein dadurch ausgeräumt werden könnte — wie Herr von Meibom meint —, daß man das Parlament von seiten des Ministerrats besser behandelt, ihm also Erkenntnismaterial früher zuleitet usw. Ganz sicher wäre das ein Weg, um das Verhältnis Parlament — Ministerrat zu bessern. Die Probleme reichen aber weiter. Sie sind verbunden mit der Frage der Wahl des Parlaments, d. i. der Frage der unmittelbaren Wahl und stoßen dort auf politische Schwierigkeiten, so daß man alle Bestrebungen nach einer Verstärkung der Rechte des Parlaments heute auf dem Boden der hochpolitischen Auseinandersetzung sehen muß um die Stärkung der Gemeinschaft. Die Kommission hat alles Interesse daran, die Parlamentsrechte zu verstärken, obwohl es normalerweise wunder nehmen könnte, daß eine Exekutive mit i n das Horn stößt, wenn der Ruf nach größerer Kontrolle laut wird. Dann sind zwei Fragen aus dem Bereich der Bundesbahn von Herrn Lehning gestellt worden. Die erste Frage ging dahin, ob man bei Richtlinien immer genügend beachte, daß die Wahl der Form und der M i t t e l den Mitgliedstaaten überlassen bleiben muß. Es ist ein Problem, ob die Richtlinie, wie sie als Instrument i m Vertrag vorgesehen ist, den vertragsgemäß vorgesehenen Zwecken stets voll gerecht werden kann. Ich denke dabei an folgendes. Sie ist namentlich auch auf Gebieten vorgesehen, die eine Rechtsangleichung zum Ziele haben. Nun ist es häufig schwierig vorzustellen, daß die Mitgliedstaaten zu einer Abstimmung ihrer nationalen Rechte kommen, wenn die Richtlinie nur das Ziel vorschreibt, aber die konkrete Formulierung den Staaten überläßt. Auf diesen Gebieten scheint m i r ihre Brauchbarkeit fraglich. Das ist aber, wie gesagt, ein Problem, das deshalb noch nicht reif ist, weil die ersten Richtlinien zur Rechtsangleichung gerade eben erst den Weg der Konsultation passieren. Die Richtlinie, die der Vertreter der Bundesbahn i m Auge hatte, betraf wahrscheinlich die Harmonisierung der Vergabeverfahren auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, gegen die gewisse Bedenken erhoben worden sind. Die zweite Frage von Herrn Lehning galt der Föderalstruktur der Bundesrepublik. Inwieweit sind Länder an EWG-Recht gebunden? Das ist eine Frage, die mehrfach hier angeklungen ist. Es ist ganz sicher dort, wo der Ministerrat durch Verordnungen tätig wird, es sich also um Recht handelt, das die Staaten bindet, ganz gleich, welche innerverfassungsmäßigen Schwierigkeiten eventuell der Durchsetzung entgegenstehen. Es ist eine Sache des natio-

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Diskussion

nalen Verfassungsgebers, dafür zu sorgen, daß Gemeinschaftsrecht vollzogen wird. Jedenfalls macht das EWG-Gemeinschaftsrecht nicht an den Grenzen etwa der Länder eines Staates halt. Sonst könnte sich ein Mitgliedstaat, wenn er über entsprechende Strukturen verfügte, den Verpflichtungen entziehen. Bei den Richtlinien taucht das Problem weniger auf; sie überlassen ohnehin Form und Mittel dem Mitgliedstaat. Die Frage von Herrn Pfeffer, ob man der EWG nicht nahelegen sollte, die Länder i n Haushaltsfragen zu beteiligen, ist eine Frage der ferneren Zukunft. Zur Zeit ist die Haushaltspolitik noch ein Reservat der M i t gliedstaaten und erst recht natürlich der Länder innerhalb eines M i t gliedstaates. Was jetzt beschlossen wurde, ist zunächst nur eine gegenseitige Konsultierung der Mitgliedstaaten, eine Abstimmung unter sich, und diese Abstimmung ist institutionalisiert worden durch die Einrichtung eines Haushaltsausschusses. Zur Frage von Herrn Springstub möchte ich noch ein weiteres Beispiel erwähnen. W i r haben zur Zeit eine heftige Diskussion auf dem Gebiet der Filmwirtschaft. Zwei Mitgliedstaaten, Italien und Frankreich, stützen die Filmindustrie ihres Landes durch Beihilfen, während die Bundesrepublik bisher als einziges Schutzmittel die Kontingentierung der Filmeinfuhr anwendet. Diese Kontingentierung muß die Bundesrepublik jetzt beseitigen. Sie wehrt sich jedoch dagegen, solange der Wettbewerb i n anderen Ländern durch Beihilfen verfälscht wird. Ein deutliches Beispiel dafür, daß die Beihilfen einer Regulierung durch die Gemeinschaft bedürfen, so wie es i m Vertrag vorgesehen ist. Dabei darf ich zur Machtbefugnis der Gemeinschaft noch bemerken, daß die Frage der innerstaatlichen Geltung von Gemeinschaftsrecht offenbar noch nicht genügend i n das allgemeine Rechtsbewußtsein gedrungen ist; nicht selten stellen w i r eine gewisse Verwunderung über die Verbindlichkeit von Gemeinschaftsmaßnahmen auch dem nationalen Gesetzgeber gegenüber fest. Herr Klein fragte nach dem Rat als föderativem Organ. Man kann nicht sagen, daß der Rat, wegen des Vorschlagsrechts der Kommission, von der Kommission institutionell abhängig ist. Für das Verhältnis von Rat und Kommission kommt es letztlich auf die Entscheidungsbefugnis an, die eindeutig beim Rat liegt. Herr Winter hatte seine Frage gestellt i m Anschluß an die Bemerkung von mir, i n den ersten Jahren habe die EWG mehr nach rechtlichen Normen gehandelt, während sie nunmehr zur Konkretisierung politischer Zielsetzung übergegangen sei. Ich möchte das ein wenig berichtigen. Ich habe gesagt, i n der ersten Phase der Gemeinschaft hat das Vertragsrecht insofern etwas stärker i m Vordergrund gestanden, als die i m Vertrag selbst i m voraus festgelegte Automatik lief, nämlich der Zeitplan für den Abbau der Handelshemmnisse usw., und ich habe das

Diskussion gegenübergestellt der zweiten Phase, die sich mehr m i t der politischen Orientierung gemeinschaftlichen Handelns befaßt. Es ist nicht so, daß i n dieser zweiten Phase das Recht keine Rolle spielte, daß es also lediglich um politische Fragen ginge, wohl aber ist es so, daß die Blankettnormen des EWG-Vertrages die Konkretisierung der politischen Entscheidungen den zuständigen Gemeinschaftsorganen überlassen. Insofern hat das Recht i n der ersten Phase eine gewisse andere Rolle gespielt als in der zweiten Phase. Herr Boisserée hat die Frage gestellt, ob das Instrumentarium der EWG ausreichen würde, u m auf Gebieten der Eingriffsverwaltung, wie er es nannte, Probleme zu lösen, die i m Bereich der Wirtschaftsgemeinschaft gelöst werden müßten. Er sagte m i t Recht, wahrscheinlich dürfe der Gemeinsame Markt auch nicht haltmachen vor Gebieten des inneren Rechts, des Polizeirechts. Dazu brachte er spezielle Beispiele wie L u f t reinhaltung usw. Der EWG-Vertrag kennt zunächst einmal die Generalklausel, die die Möglichkeit bietet, das Recht aller Mitgliedstaaten anzugleichen, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist. Was i m einzelnen zum Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist, w i r d erst i m Laufe der Entwicklung deutlich werden. Die Möglichkeit, die Bestimmungen, insbesondere also die administrativen und die polizeilichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zu koordinieren, wie es i m Vertrag heißt, ist natürlich immer gegeben. Insofern bedürfte es keines Instrumentariums, es sei denn man forderte eine unmittelbare hoheitliche Entscheidungsbefugnis für diese Dinge, damit die Kommission als Oberpolizei eingreifen könnte. Aber solange das nicht erforderlich ist, kann diese Frage nicht akut werden. Ich w i l l nur als Beispiel darauf hinweisen, daß die Gemeinschaft i n der Tat sehr viele andere Dinge bereits i n ihre Tätigkeit einbezogen hat, gerade aus dem Bereich der inneren Verwaltung, so i n einer Richtlinie über die Koordinierung des Fremdenpolizeirechts. Es sind Direktiven erlassen worden, die künftig wahrscheinlich Zusammenkünfte der Polizeibehörden der Länder notwendig machen werden, u m den Vollzug vorzubereiten. Dies nur als Beispiel, daß die EWG bereits über den wirtschaftlichen Bereich i m engeren Sinne längst hinausgegangen ist. Ein anderes Beispiel ist der kulturelle Bereich. Hier taucht auch noch einmal die Frage der Länderkompetenzen auf. So sieht der Vertrag beispielsweise die Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung und Ausübung freier Berufe vor. Probleme, die zweifellos i n den Kulturbereich fallen und nun durch den föderalen Aufbau der Bundesrepublik das Problem aufwerfen, ob nicht bei diesen Verhandlungen mindestens auf Seiten der Bundesrepublik jeweils Ländervertreter dabei sein müßten. Eine Frage, die man vorläufig pragmatisch tatsächlich in diesem Sinne löst.

156 Direktor

Diskussion Dr. Much

ί Sie haben aus den beiden Vorträgen — ich darf insoweit wohl auch für Herrn Dr. Bruns sprechen — sicher entnommen, daß sich i m Recht der Europäischen Gemeinschaften vieles anders darstellt, als es i n den Verträgen steht. Das ist besonders auffällig i m institutionellen, verfassμngsrechtlichen Bereich. Ich habe allerdings Bedenken, ob man bei der EWG überhaupt von einem System der Gewaltenteilung i m Sinne Montesquieus sprechen kann. Die Gewichte sind i n der EWG derartig vertauscht und verschoben, daß das B i l d nur schwer verwendbar ist; darum scheinen mir auch alle Vergleiche mit dem nationalen Verfassungsrecht sehr bedenklich. Bei der Montanunion ist das System immerhin i n etwa gewahrt. Das Gesetz, das materielle Wirtschaftsrecht, ist i m Vertrage selbst festgelegt worden. Der Ministerrat hat darum auch keine Rechtsetzungsgewalt und die Staaten können das Recht nur durch den Abschluß neuer völkerrechtlicher Verträge fortentwickeln. Das allerdings ist mit Hilfe der mehrfach erwähnten Abkommen der i m „Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedsregierungen" geschehen. Die Entstehungsgeschichte dieser interessanten Formel ist w o h l weitgehend unbekannt. Sie hängt mit der Sprachenfrage zusammen. Der Montanvertrag ist — wie Sie wissen — allein i n Französisch als der authentischen Sprache abgef aßt worden. I n diesem Vertrag sind nun gewisse Ausführungsabkommen der Mitgliedstaaten vorgesehen, so das Abkommen über die Einführung internationaler direkter Tarife, über die Freizügigkeit der Montanarbeiter u. a. mehr. Als man diese Abkommen i m Rahmen des Ministerrates und unter Mithilfe der Hohen Behörde vorbereitete, fragte man sich, welche Sprachen nehmen wir? Die eine Meinung ging dahin, Französisch allein zu nehmen, weil dies die Vertragssprache ist, während andere die Abfassung i n den vier Amtssprachen der Gemeinschaftsorgane verlangten. U m die Viersprachigkeit der Abkommenstexte zu retten, kam es zu dem Vorschlag der Formel der i m „Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedsregierungen". Damit hatte man zwei Dinge vereint: man unterstrich, daß es sich um Staatenoder Regierungsabkommen handelte; dadurch aber, daß man den Rat vorschaltete, war ein Gemeinschaftsorgan zitiert und damit die Rechtfertigung für die Verwendung der vier Amtssprachen geschaffen. I n der Sache selbst, da stimme ich Herrn von Meibom durchaus zu, sind dies nicht Rechtsetzungsakte der Gemeinschaftsorgane, sondern Verträge internationalrechtlicher Art, gleichviel, ob man sie als Verwaltungsabkommen, als Regierungsabkommen oder als Staatsverträge besonderer A r t qualifiziert. Was die Frage der politischen Kontrolle der Gemeinschaftsorgane angeht, so muß sie sicher neu überlegt werden, besonders für die EWG. Die Rechtsetzungsbefugnisse liegen dort i m wesentlichen bei dem M i -

Diskussion nisterrat. Dieser ist aber parlamentarisch niemandem verantwortlich, weder den nationalen Parlamenten noch dem Straßburger Parlament, so daß sich hier in der Tat die Frage stellt, wie für das neue europäische Recht, das innerhalb der EWG i n zunehmendem Maße gesetzt wird, eine ausreichende parlamentarische M i t w i r k u n g und Kontrolle vorgesehen werden kann. I n der Montanunion sind die Dinge etwas anders gelaufen. I n der Hochstimmung des Jahres 1950 für ein supranationales Europa legte man vor allem der Hohen Behörde eine große Bedeutung bei. Der M i nisterrat konnte bisweilen als eine quantité négligeable erscheinen. Man mußte^aber bald feststellen, daß es so nicht geht. So hat gerade die Hohe Behörde, die ja politisch vom Parlament kontrolliert wird, den Einfluß des Parlaments bewußt gefördert. Dieses erwies sich auch bald als starker Motor, u m Sachprobleme aus der europäischen Ebene voranzutreiben und die Hohe Behörde zur A k t i v i t ä t zu ermuntern. Ich erinnere hier vor allem an einige Probleme auf dem Sozialsektor, die wesentlich durch die Impulse des Europäischen Parlaments verwirklicht werden konnten. Ein Regime der Kabinettchefs, von dem für die EWG die Rede war, kennt man i n Luxemburg nicht, auch nicht ein solches des Exekutivsekretärs. Eher sind es dort die Juristen, die von Einfluß sind. Je mehr sich jedoch der gegenwärtige Vertragstext als unzureichend erweist, sieht sich die Hohe Behörde veranlaßt — oft vom Parlament unterstützt —, die Dinge auf der politischen Ebene voranzutreiben. So war es unlängst mit Fragen einer gemeinsamen Energiepolitik und bei der Erhöhung der Stahlzölle an den Außengrenzen der Gemeinschaft. Insgesamt darf man das Verhältnis der Exekutiven zum Ministerrat nicht zu schematisch nach den alleinigen Vertragsvorschriften sehen. Herr Dr. Bruns hat das sehr treffend dargelegt. Wie immer i m verfassungsrechtlichen Bereich ist die Frage nach der Verfassungswirklichkeit auch eine solche nach den Persönlichkeiten, die jeweils am Werke sind.

Staat und Wirtschaftsverbände im nationalen und übernationalen Bereich Von Hans Ryffel

Die Wirtschaftsverbände, die sich zwischen die Wirtschaftssubjekte und den Staat sowie neuerdings die Staatenverbindungen schieben und die neben den weltanschaulich-religiösen und den politischen Organisationen, den Parteien, eine der drei hauptsächlichen Erscheinungsformen des modernen Verbandswesens 1 darstellen, sind für das heutige Verhältnis von Staat und Wirtschaft so bestimmend wie andere Züge, die sich aus den übrigen Beiträgen zu unserem Gesamtthema ergeben. Die Realität der Wirtschaftsverände vermittelt zusammen m i t jenen Zügen ein einheitliches Gesamtbild, das vornehmlich durch die Vermischung traditioneller Kategorien, wie ζ. B. von Staatlichem und Privatem sowie von Nationalem und Übernationalem, gekennzeichnet zu sein scheint. Aus der Fülle der vielgestaltigen Funktionen und Aufgaben der W i r t schaftsverbände möchte ich hier die wirtschaftspolitische Zielsetzung herausgreifen, die das Gewicht auf die Beeinflussung der staatlichen und zwischenstaatlichen Instanzen legt. Daß die Wirtschaftsverbände i n großem Ausmaß fachliche Aufgaben erfüllen und so primäre Funktionen ihrer Mitglieder verstärken, ergänzen oder gar übernehmen, wie Rationalisierung, Marktbeobachtung, Werbung, Information über die staatliche Wirtschaftspolitik und ähnliches, soll i m folgenden nicht näher erörtert werden. Auch auf die mehr oder weniger autonomen Ordnungsfunktionen der Wirtschaftsverbände sei nicht eingegangen. Diese sind zwar i n mehrfacher Hinsicht nicht unproblematisch, haben 1 Z u r Verbandsproblematik i m allgemeinen ist i m deutschen Schrifttum m. E. i m m e r noch a m ergiebigsten das Buch von Joseph H. Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, B e r l i n 1956, dem ich meinerseits viele Anregungen verdanke; über den Verbandsbegriff, m i t nützlichen bibliographischen Hinweisen, Rupert Breitling, Die zentralen Begriffe der Verbandsforschung, i n Politische Vierteljahresschrift, 1960, 47 ff.; über die Wirtschaftsverbände v o r allem Josua Werner, Die Wirtschaftsverbände i n der M a r k t wirtschaft, Zürich u n d St. Gallen 1957; betreffend die Bundesrepublik vgl. Rupert Breitling, Die Verbände i n der Bundesrepublik (Ihre A r t e n u n d ihre politische Wirkungsweise), Meisenheim (Glan) 1955 (Parteien, Fraktionen, Regierungen, 8); eine internationale Übersicht bei H e n r y W. Ehrmann, (Ed.), Interest Groups on Four Continents, Pittsburgh 1958.

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Hans Ryff el

sich aber i m Rahmen der rechtlich-staatlichen Gesamtordnung westlicher Länder weitgehend einbalanciert. Der Staat hat insbesondere das Tarifwesen geregelt, einen autonomen, wenn auch selbstverständlich delegierten Bereich der Sozialpartner anerkannt und Bestimmungen zum Schutz der individuellen Freiheit aufgestellt, und überdies hat er die Kartelle, d. i. die privaten Markt- und Machtordnungen, beschnitten oder grundsätzlich unterbunden. Auch die Selbstverwaltung der Wirtschaft durch die aus besonderen historischen Wurzeln erwachsenen Kammern ist kaum kontrovers, obwohl die hier vorhandene Verflechtung von Staatlichem und Privatem ebenfalls nicht problemlos sein dürfte. Dagegen entzündet sich die Diskussion um die Verbände bei deren Einflußnahme auf die staatliche Wirtschaftspolitik, und i n der Tat gibt dies Anlaß zu einer Reihe grundsätzlicher Überlegungen, die in der Erörterung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft nicht fehlen dürfen. I. Zahlreiche Wirtschaftsverbände, namentlich die umfassenden und bedeutsamen, die sog. Spitzenorganisationen, bezwecken i n erheblichem Ausmaß, die Wirtschaftspolitik des Staates sowie der internationalen und supranationalen Instanzen zu beeinflussen. Meiner kurzen Skizze dieser Einflußnahme und dem Versuch einer kritischen Einschätzung möchte ich eine Feststellung vorausschicken, die unbestritten sein dürfte, von der man sich aber oft nicht ausreichend Rechenschaft gibt. Die Einflußnahme der Verbände — wie übrigens auch der großen Unternehmungen 2 , die vielfach recht eigentlich i n die öffentliche Sphäre hineinragen — ist das natürliche Gegenstück zur modernen staatlichen und zur neuerdings immer bedeutsameren zwischenstaatlichen und selbst überstaatlichen Wirtschaftspolitik. Der Staat betreibt heute nun einmal andauernd m i t den verschiedensten Mitteln W i r t schaftspolitik. Er muß dies tun, wenn die fraglosen — und w o h l auch i n tieferen Schichten legitimierbaren — Postulate heutiger westlicher Gesellschaften verwirklicht werden sollen, wie Vollbeschäftigung, Hebung des Lebensstandards, „gerechte" Verteilung des Sozialproduktes, „menschenwürdige" Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und sonstigen Daseinsbedingungen sowie soziale Sicherheit. Also alles das, was 2 I n s t r u k t i v über den Einfluß großer nordamerikanischer Firmen, f ü r die die Verbände nicht w i r k s a m genug sind: Paul W. Charington u n d Ralph L . Gillen, The Business Representative i n Washington, The Brookings I n stitution 1962, insbes. 86 ff., 109 f.

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die modernen Großdemokratien heute kennzeichnet und was man wegen der pejorativen und der an vergangenen Vorstellungen orientierten Konnotationen endlich nicht mehr m i t Etiketten wie „wohlfahrtsstaatliche Massendemokratie" oder ähnlichem versehen sollte. Da der Staat demnach i n die Interessen der Wirtschaft fortlaufend eingreift, selbst dann, wenn er untätig bleibt, da er in allen Hinsichten potentieller Interventionsstaat ist, intervenieren die Wirtschaftsverbände ihrerseits. Sie tun dies — auch wenn sie durch ihre kaum vermeidbaren Oligarchien zuweilen ein machtbetontes Eigeninteresse verfolgen — i m Namen ihrer Mitglieder, deren jeweilige Interessen i m Verband integriert, organisiert und m i t Hebeln der A k t i o n ausgestattet sind. Die Verbände setzen, nicht selten m i t dem verlängerten A r m besonderer Büros und Verbindungstellen, dort an, wo staatliche Wirtschaftspolitik maßgebend vorbereitet oder über sie entschieden wird. So wenden sie sich an die ihnen nahestehenden Parlamentarier, an Parteien, an die Parlamente selbst, und je wichtiger die Exekutive w i r d — wie das für unsere Zeit, ohne Zweifel auch i n der Bundesrepublik, zutrifft —, um so mehr suchen sie den Zugang zur Regierung und zur Verwaltung, u m sich bei der vorparlamentarischen Gesetzesvorbereitung und bei der Durchführung und Anwendung von Gesetzen einzuschalten. Auch indirekte Wege werden beschritten, wie die Beeinflussung anderer Verbände, die geneigtere Ohren finden, oder der öffentlichen Meinung, zu der sich die staatlichen Instanzen in aller Regel nicht i n Gegensatz stellen möchten. Die Verbände wollen auch heute noch i n großem Ausmaß Eingriffe abwenden, um private Wirtschaftspolitik auf eigene Faust zu betreiben und sich vertraglich zu „verständigen". Sie wirken aber ebensosehr darauf hin, daß unvermeidliche oder akzeptable Eingriffe i n bestimmter Weise ausgestaltet und daß andere für sie günstige, die sich auf Tatbestände außerhalb ihres privaten Machtkreises beziehen, eigens vorgenommen werden. Auch i m übernationalen Bereich macht sich solche Einflußnahme der Wirtschaftsverbände, nunmehr auch von solchen übernationalen Charakters 3 , geltend. Dabei können sich, je nach den zwischenstaatlichen 3 Vgl. über die internationalen Wirtschafts verbände jetzt v o r allem Jean Meynaud, Les groupes de pression internationaux, Lausanne 1961 (Etudes de science politique, 3), der alle „Interessengruppen" einbezieht sowie reichhaltiges Material ausbreitet u n d umfangreiche Literaturangaben vermittelt. — Über die internationalen Verbände enthält das von der „ U n i o n des Associations internationales" i n Bruxelles (auch das gibt es!) herausgegebene A n n u aire des organisations internationales (Yearbook of international organizations) nützliche, w e n n auch knappe Angaben (Entstehung, Ziele, Mitglieder, Organisation, leitende Organe, Beziehungen zu den staatlichen internationalen Organisationen, Tätigkeit u n d Publikationen).

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Formen und den Möglichkeiten einer Zusammenfassung der Interessen über die Landesgrenzen hinweg i n internationalen Verbänden, sehr verschiedene Konstellationen ergeben. Bei lockeren Staatenverbindungen, wie der Organisation für w i r t schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dem Europarat und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), i n denen die Entscheidungsmacht bei Gremien von Regierungsvertretern liegt und die bestenfalls so etwas wie ständige Rgierungskonferenizen darstellen, weshalb ihre Beschlüsse grundsätzlich Einstimmigkeit voraussetzen und vornehmlich i n Empfehlungen bestehen, bleibt das Hauptgewicht der Einflußnahme bei den nationalen Verbänden. Diese wenden sich an ihre Regierungen, u m genehme Instruktionen an die Regierungsdelegationen zu erwirken. Wenn dagegen die übernationale Willensbildung nicht mehr vorwiegend die Resultante der i n nationalen Regierungsdelegationen investierten Kräfte ist, sondern zunehmend eigenständigen Charakter erhält, muß auf diese Willensbildung eigens und unmittelbar eingewirkt werden. Neben den nationalen Wirtschaftsverbänden schalten sich i n dem Maße internationale ein, als die zwischenstaatlichen wirtschaftspolitischen Beziehungen institutionellen Charakter annehmen und gar das entsteht, was man als „supranationale Organisationen" bezeichnet, d. h. i n dem Maße, als sich zwischenstaatliche Gebilde von einer gewissen Konsistenz, m i t eigenen Befugnissen und m i t besonderen gemeinsamen Organen ergeben. Ansatzpunkte für internationale Verbände können aber auch schon internationale Bürokratien sein, die eine eigenständige, von nationalen Gesichtspunkten unabhängige Mentalität entwickeln, was nach meinen Wahrnehmungen z. B. selbst i m Fall der OECD zutreffen dürfte. Die Einflußnahme durch internationale Verbände setzt allerdings voraus, daß es eine übernationale Gemeinsamkeit der Interessen gebe und diese sich organisieren und repräsentieren lasse. Eine solche übernationale Gemeinsamkeit der Interessen ergibt sich heute i n großem Umfang aus gleichläufigen Sozial- und Wirtschaftstrukturen. Die Voraussetzungen für die Bildung internationaler Wirtschaftsverbände sind deshalb i n hohem Maße bei den Gewerkschaften erfüllt (abgesehen von den politischen und weltanschaulich-konfessionellen Spaltungen), ferner weitgehend ebenfalls bei den Arbeitgebern und bei den Unternehmern, sofern nicht starke spezifische Brancheninteressen zum Zuge kommen, während der wirksame internationale Zusammenschluß der Agrarverbände, die überall besonderen nationalstaatlichen Schutz genießen, i n der Regel auf größere Hindernisse stößt.

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Die Gemeinsamkeit des zu organisierenden übernationalen Interesses kann auch durch neue zwischenstaatliche Gebilde gefördert oder erst geschaffen werden. Internationale Verbände entstehen dann i n Entsprechung zu den zwischenstaatlichen Organisationen, werden gegebenenfalls eigens ins Leben gerufen, oder innerhalb bestehender internationaler Verbände werden entsprechende regionale Ausschüsse und Büros geschaffen. Dies konnte namentlich bei der Entstehung der europäischen Staatenverbindungen und der europäischen Gemeinschaften beobachtet werden 4 . Die dadurch geschaffenen neuen Interessenlagen führten zu einer entsprechenden Organisation der Interessen, was nur ein Aspekt der notwendig gewordenen Neuorientierung der Wirtschaft i m ganzen war. Freilich dürfen w i r nicht übersehen, daß auch bei der Ausbildung von Zentren selbst supranationaler Willensbildung den nationalen Verbänden ein erhebliches Gewicht verbleibt. So stehen denn diese z.B. i m Rahmen der europäischen Gemeinschaften nicht nur i n Verbindung mit dem Ministerrat, sondern auch m i t der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) und der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie den europäischen Verwaltungsstellen, weshalb es i n Luxemburg und in Brüssel zahlreiche Verbindungstellen auch von nationalen Verbänden gibt. Die i m nationalen Bereich bestehenden Konstellationen der Verbandseinflüsse, für die z.B. die Koalition verschiedener Verbände bedeutsam sein kann, werden vervielfältigt. Es können sich so i m übernationalen Rahmen komplizierte Einflußverhältnisse ergeben. Dies namentlich dann, wenn besondere Institutionalisierungen der Verbände hinzukommen, wie die Internationale Arbeitskonferenz, der Beratende Ausschuß der Montanunion und der Wirtschafts- und Sozialausschuß der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), auf die ich i n anderem Zusammenhang noch eingehen werde, und wenn überdies Vertreter der Verbände als technische Delegierte oder als Berater, auch i n Sonderausschüssen, beigezogen oder als Beobachter zugelassen werden, die für i h r Land sprechen oder hinter dem (hoffentlich nicht allzu krummen) Rücken der Regierungsvertreter ihre Zensuren machen oder die Taktik zurechtlegen. I m internationalen und insbesondere i m supranationalen Raum lassen sich deshalb kaum einheitliche Modelle

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Betreffend die europäischen Gemeinschaften vgl. Gerda Zellentin, Der Wirtschafts- u n d Sozialausschuß der E W G u n d E U R A T O M (Interessenrepräsentation auf übernationaler Ebene), Leiden 1962 (Europäische Aspekte, Reihe C, No. 11), 149 ff.; ferner Meynaud, a. a. O., 270. Über einen konkreten Fall, die Verbandsbildung i n der Schuhindustrie, berichtet L . Caze, Vie d'un comité syndical de liaisons et d'études dans le cadre d u marché commun, Revue d u Marché Commun, 1959, 409 ff.

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für die vorkommenden Einflußverhältnisse konstruieren. So ist z.B. die Konstellation des Verbandseinflusses innerhalb der Montanunion von der i n der EWG wesentlich verschieden. Monographische Darstellungen solcher Konstellationen von Verbandseinflüssen, an denen es z. Z. noch gebricht, wären ohne Zweifel sehr aufschlußreich 5. Ich neige auf Grund meiner eigenen Wahrnehmungen und der freilich nicht sonderlich ergiebigen, deshalb auch nicht schlüssigen Literat u r der Auffassung zu, daß i m internationalen Bereich die Verbände — und zwar unabhängig von den noch zu betrachtenden Institutionalisierungen und der Plastizität zahlreicher zwischenstaatlicher Gebilde — i m allgemeinen recht große Wirkungsmöglichkeiten besitzen. Mehrere nationale und entsprechende internationale Verbände können ihren Einfluß koordinieren und steigern. Da es i m übernationalen Bereich nur unvollkommene Ansätze zur parlamentarischen Vertretung gibt, fällt den internationalen Verbänden insofern auch weitgehend die „faktische Repräsentation" der übernationalen, freilich durch ihre partikulären Interessen bestimmten Gesamtheiten zu, ein Tatbestand, den namentlich die Gewerkschaften eigens wahrnehmen. Demgegenüber ist die Interessenrepräsentation i m nationalen Rahmen i n erheblichem Ausmaß i n die parlamentarisch-demokratisch strukturierte politische Gesamtrepräsentation der Nation eingefügt.

Π. Die Wirtschaftsverbände, wie übrigens alle Verbände — u m damit zur Einschätzung der skizzierten Situation überzugehen —, entlasten hinsichtlich aller ihrer Funktionen die einzelnen und die Gesellschaft, damit natürlich vor allem auch den Staat i n einer Zeit, i n der die Gewährleistung eines „menschenwürdigen" Daseins für die sich emanzipierenden, aus bisherigen festen Ordnungen heraustretenden, an Zahl unübersehbaren Menschen zu den fraglosen Postulaten gehört. Denn die Verwirklichung dieses Postulates fällt i n dem Maße dem Staat sowie den zwischenstaatlichen Gebilden zu, als nicht die Verbände eintreten; vorausgesetzt, daß der einzelne nicht selbst tätig werden kann. Dies gilt nicht nur für die Selbstverwaltung und die autonomen Regelungen der Sozialpartner, sondern gerade auch für die Verfolgung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen. Aufschlußreicherweise zieht denn auch der Staat seinerseits die Verbände zur M i t w i r k u n g heran, gleichviel, ob dies offiziell oder mehr apokryph erfolge. 5 F ü r den Bereich der europäischen Gemeinschaften interessante weise vor allem bei Zellentin, a. a. O.

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Die Verbände stellen dem Staat und den zwischenstaatlichen Stellen Sachverstand zur Verfügung, und zwar oft sehr spezifischen und kaum zu ersetzenden, vermitteln eine mehrfache Optik der stets komplexen Probleme und präsentieren die Desiderate der verschiedenen Interessengruppen i n aufbereiteter Form (zugegeben: zuweilen mehr oder minder „aufbereitet"). Sie sind das Sprachrohr der gesellschaftlichwirtschaftlichen Realitäten. Die verschiedenen, je gleichlaufenden, aber selten identischen, oft auch vagen und unklaren Interessen werden i n den Verbänden integriert, d. h. bewußt gemacht, vereindeutigt, aufeinander abgestimmt, filtriert, ausgerichtet und zusammengefaßt. Auf die so repräsentierten Interessen muß sich aber alle Wirtschaftspolit i k stützen, die man als eine sachgerechte und an bestimmten allgemeinen Zielen orientierte Gestaltung von wirtschaftlichen Interessen ansprechen kann. Schon deshalb sind die Verbände keineswegs bloße „pressure groups". M i t der Konsultation der Verbände soll ferner die Aufnahme staatlicher und zwischenstaatlicher Maßnahmen durch die Betroffenen erleichtert werden, was ζ. B. i m Rahmen der europäischen Gemeinschaften von ganz besonderer Bedeutung ist. Die europäischen Behörden sind, wie ich annehmen möchte, auf die Unterstützung ihrer Politik durch die Verbände gegenüber dem Ministerrat, den nationalen Regierungen und der öffentlichen Meinung i n höherem Maße angewiesen als die beteiligten Landesregierungen auf den „good w i l l " der nationalen Verbände. Auch der Konsultativausschuß der EFTA soll deren Politik Resonanz verschaffen. Und die Regeln des Europarates über die Beziehungen zu den Verbänden formulieren diese Absicht i n aller Ausdrücklichkeit 6 . Es ist gar nicht abzusehen, was der Staat an personellen und sachlichen Mitteln aufwenden müßte, wenn er nicht auf die Verbände zurückgreifen könnte, und zwar gerade und vor allem i m wirtschaftspolitischen Bereich. Nicht davon zu reden, daß m i t der Ersetzung der Verbandsleistungen durch solche des Staates tiefgreifende Umgestaltungen der Gesellschaft verbunden wären und die Freiheit des einzelnen und der Zusammenschlüsse dieser einzelnen unerträglich beschränkt und andauernd gefährdet würde. Andererseits setzt hier, namentlich auch i n der Bundesrepublik, eine heftige, in den letzten Jahren und bei einer jüngeren Generation immerhin abflauende K r i t i k ein, während i n den angelsächsischen Ländern und auch i m übernationalen Bereich den Verbänden positiver 6 Relations entre le Conseil de l'Europe et les organisations non-gouvernementales (octobre 1960), 4 (a).

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begegnet wird 7 . Die K r i t i k bewegt sich vor allem i n zwei Richtungen. Man w i r f t den Verbänden die Knebelung des einzelnen und die Ausbildung von Oligarchien vor, was teilweise i n Großorganisationen natürlich beinahe unvermeidlich ist und i m vorliegenden Zusammenhang nicht weiter verfolgt werden soll. Es sei bloß angemerkt, daß der Rechtsschutz des einzelnen hier i n der Tat noch des Ausbaus bedarf; dann hat die mögliche A k t i v i t ä t des einzelnen zumindest grundsätzlich freien Raum. Ferner w i r d den Verbänden vor allem die Entmachtung und Denaturierung des Staates zur Last gelegt, wobei auch Vorstellungen von Staatlichkeit maßgebend sind, die sich heute nicht mehr lebendig machen lassen. Ob und inwieweit die Verbände das Staatliche i m nationalen und übernationalen Bereich aushöhlen und dessen legitime Autorität abbauen, ist von zahlreichen und sehr vielgestaltigen Faktoren abhängig, und zwar erstens vom tatsächlichen Einfluß der Verbände, namentlich vom Vorkommen von Mißbräuchen und Auswüchsen; überdies zweitens vom Ort und Stellenwert der Verbände i m ganzen der Gesellschaft und der rechtlich-staatlichen Ordnung, die die Gesellschaft i n wirklich-maßgeblicher Weise konturiert, kurz: vom Zusammenspiel der gesellschaftlich-politischen Kräfte; sowie schließlich drittens vom tragenden Sinn, der diesem Zusammenspiel der gesellschaftlich-politischen Kräfte von den Beteiligten verliehen wird. Das bedeutet, daß es auf verschiedene Betrachtungsebenen und Blickwinkel ankommt; soziologische und politikwissenschaftliche Feststellungen sind zwar unerläßlich, bedürfen aber der Einfügung i n weitere staatsrechtliche und auch staatsphilosophische und sozialethische Überlegungen. Ich glaube, daß die Verbandsproblematik deshalb so kontrovers ist und daß sich aus diesem Grunde bei den namhaftesten Autoren zu unserer Frage eine auffallende Ambivalenz geltend macht 8 . Hinsichtlich des tatsächlichen Einflusses der Verbände ist festzuhalten, daß kaum für ein Land oder eine Staatenverbindung zuverlässige Angaben i n ausreichendem Maße verfügbar sind, die allgemeine Aussagen zu stützen vermöchten. Zwar gibt es einzelne Monographien, und es ist möglich, typische Formen der Einflußnahme zu beschreiben 7

Bemerkenswert ausgewogene Darlegungen bei Egon Tuchtfeldt, i n Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaft, Bd. 13 (1962), 79 if. — Über die englische Beurteilung vgl. Samuel E. Finer, Anonymous Empire, London 1958 (deutsch: Die anonyme Macht, Opladen 1960) u n d John D. Stewart, B r i t i s h Pressure Groups, Oxford 1958; dazu ferner Jean Meynaud, i n Revue française de science politique, 1959, 466 if. 8

„Unsere H a l t u n g gegenüber den Verbänden ist i m m e r wieder ambivalent, befürchtend u n d anerkennend." (Hans Huber, Staat u n d Verbände, T ü bingen 1958, Recht u n d Staat, H. 218, S. 31).

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und m i t zahlreichen Einzelfällen zu illustrieren 9 . Man kann auch eine Pathologie der Verbandseinwirkungen entwerfen 10 . So gibt es natürlich Drohung, Zwang und Erpressung, ζ. B. i n der Form des politischen Streiks, die verschiedenen Hintertreppen der verschleiernden und geheimen Taktik, das trojanische Pferd der Ämterpatronage, mit dem nicht bloß eigentliche Interessenvertreter, sondern auch beliebig knetbare Wachsfiguren i n den Staatsapparat eingeschleust werden, die von Verbandsinteressen diktierte Errichtung von Sonderbeamtungen und Beauftragten sowie die Aushöhlung und Aufrollung des Parlaments durch die Infiltration und Verbandsinteressen, etwa auf dem Wege der Personalunion von Abgeordnetem und prononciertem Verbandsfunktionär oder der finanziellen Abhängigkeit, — um an diese bekannten Tatbestände nur eben zu erinnern. Doch welches Gewicht auch immer dem tatsächlichen Einfluß und den abwegigen Praktiken von Wirtschaftsverbänden auf Grund von noch weitgehend fehlenden tatsächlichen Feststellungen zukommen mag, viel wichtiger ist es, die Stellung der Verbände i m Ganzen der Gesellschaft und der rechtlich-staatlichen Ordnung derselben ins Auge zu fassen und die möglichen Einschätzungen weiter zu erwägen. Sensationelle Alternativen zum Status quo lassen sich dabei nicht formulieren. Solche werden von den dramatisierenden K r i t i k e r n einer vermeintlich bereits eingetretenen „Herrschaft der Verbände" aufschlußreicherweise auch nicht angeboten. III. Das jeweilige Gewicht von Verbandseinflüssen und die Geneigtheit der Veifaände zu Mißbräuchen und Auswüchsen sind von der gesellschaftlich-politischen Gesamtkonstellation und innerhalb dieser von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Die Gesamtkonstellation müßte so beschaffen sein, daß die Wirtschaftsverbände ihre ebenso unvermeidliche, nicht mehr rückgängig zu machende wie nützliche Funktion optimal erfüllen können und daß negative Auswirkungen erschwert oder doch nicht begünstigt werden. Alle hier in Betracht fallenden Faktoren und ihr komplexer Gesamtzusammenhang sind freilich auch immer m i t der sozialen und politischen, ja der gesamtkul9 A n neuesten Untersuchungen, die die Bundesrepublik betreffen, seien genannt: Viola Gräfin v o n Bethusy-Huc, Demokratie u n d Interessenpolitik, Wiesbaden 1962 (betrifft die E i n w i r k u n g der Verbände auf die Entstehung des Landwirtschaftsgesetzes, des Kartellgesetzes u n d des Bundesbankgesetzes), sowie Gerard Braunthal, Wirtschaft u n d P o l i t i k (Der Bundesverband der Deutschen Industrie), i n Politische Vierteljahresschrift, 1963, 369 ff. 10 Vgl. meinen Aufsatz: Staat u n d Gesellschaft i m Zeichen des Pluralismus, i n Wirtschaft u n d Recht, 14. Jg. (1962), 184 ff.

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turellen Tradition verbunden und deshalb nur schwer zu beeinflussen. Wesentliche Unterschiede zwischen der Verbandssituation i n der angelsächsischen Welt und derjenigen i n den europäischen Ländern, unter denen die Bundesrepublik ihrerseits eine Sonderstellung einnimmt, sind i n den nicht leicht zugänglichen Tiefen der Tradition verwurzelt 1 1 . Ich müßte, wenn ich vollständig sein wollte, auf die i n bestimmten Grenzen beeinflußbaren Hauptaspekte eingehen, von denen ich einige anführe: das Verhältnis der Verbände zu den Parteien, auf das z.B. durch die Offenlegung der Parteifinanzen, wie es das Grundgesetz der Bundesrepublik i n A r t i k e l 21 (1) verlangt, günstig eingewirkt werden könnte; die Stellung der Regierung gegenüber einem unter Interessendruck stehenden Parlament (Stichwort: konstruktives MißtrauensVotum); eine angemessene Beamtenordnung, die gegen unerfreuliche Verbandseinwirkungen abschirmt und z.B. auch das Hinüberwechseln von Beamten als künftigen „pressure boys" i n die Verbände nicht gerade begünstigt; die Festlegung von materiellen Interventionskriterien (wie i n der Schweizerischen Bundesverfassung, Art. 31 bis, Abs. 3 bis 5), womit die Pression i n gewissem Ausmaß „abgefiltert" werden kann 1 2 ; und vor allem die Funktionsfähigkeit des Parlaments, das über die wirtschaftlichen Interessen hinweg eine gesamtpolitische Integration zu leisten hat, was heute funktionsfähige Parteien voraussetzt, die weder die Interessendivergenzen i n einer entsprechenden Parteiensplitterung widerspiegeln noch bloße Sammelbecken unausgeglichener Interessen sein dürfen, auch weil sonst eine sich plebiszitär legitimierende Regierung die politische Gesamtintegration übernehmen könnte, was für die heutigen Großdemokration (Glücksfälle abgerechnet) todbringend sein könnte. Eine angemessene Ausgestaltung aller dieser Momente ist für ein gutes Funktionieren der Wirtschaftsverbände von großer Bedeutung. Doch darf ich mich hier hinsichtlich dieser Momente mit den Hinweisen begnügen, um zu einer i n unserem Zusammenhang besonders interessanten Frage überzugehen, die uns überdies

11 Über die Unterschiede zwischen dem kontinentaleuropäischen u n d dem angelsächsischen Bereich z. B. Otto Heinrich von der Gablentz, Staat u n d Gesellschaft, Politische Viertel Jahresschrift, 1961, 2 ff. I n der Bundesrepublik w i r k e n frühere Vorstellungen von Staatlichkeit nach, die z. B. i n der Schweiz begreiflicherweise n u r eine geringe Rolle spielen. Vielleicht w i r d deshalb, m. E. zu Unrecht, f ü r die Schweiz eine besonders w e i t gediehene „gegenseitige Verfilzung von Staat u n d Verbänden" behauptet (so Rupert B r e i t l i n g i n Neue Politische Literatur, 1961,122), während es sich i n W i r k l i c h k e i t u m ein i m demokratischen K l i m a eingespieltes Zusammenwirken von Staat u n d V e r bänden handelt, i n dem dem Staat n u r eine demokratisch legitimierte V o r rangstellung, nicht aber „Obrigkeits"charakter zukommt (was natürlich Auswüchse u n d Übergriffe nicht ausschließt).

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Dazu Tuchtfeldt, a. a. O., 91 f.

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zu recht aufschlußreichen Unterschieden i m nationalen und übernationalen Bereich führt. Es stellt sich nämlich i n unserer heutigen Situation m i t einiger Dringlichkeit die Frage nach einer allfälligen Regelung der Verbände oder doch des Verbandseinflusses, nach einer irgendwie gearteten Institutionalisierung der Verbände i m Rahmen der i m weitesten, materiellen Sinn zu verstehenden Verfassungsordnung, welche die Verbände heute zu sprengen drohen. Für die westlichen Länder kann nämlich die eingangs geschilderte Einflußnahme der Verbände vom verfassungsrechtlichen Standort aus wie folgt gekennzeichnet werden: Insofern die Verbände, wie dies überall der Fall ist, maßgebend an der Formung der Wirtschaftspolitik des Staates mitwirken, die einen immer breiteren Raum des Staatlichen ausfüllt, und insofern sie somit nicht nur in den öffentlichen, sondern faktisch recht eigentlich i n den staatlichen Bereich hineinragen, rücken sie i n die Stellung von Quasi-Staatsorganen auf. Dies trifft insbesondere für die vorparlamentarische Gesetzesvorbereitung zu, aber auch für die Durchführung der heute notwendigerweise vielfach allgemeinen und ausfüllungsbedürftigen Gesetzesbestimmungen. I n diesem Tatbestand wurzeln zahlreiche und sehr verschiedenartige Versuche einer Institutionalisierung der Verbände und ihres Einflusses, m i t denen Regelungen zur direkten Repression von Auswüchsen verbunden sein können (wie i n der amerikanischen Lobby-Gesetzgebung). M i t solchen Institutionalisierungen soll die K l u f t zwischen dem faktischen Einfluß und dem Fehlen einer formell anerkannten und fixierten Stellung der Verbände überbrückt werden. So wurden i m nationalen und übernationalen Bereich zentrale Wirtschafts- und Sozialräte und beratende Ausschüsse m i t Verbandsvertretern geschaffen, des weiteren wurde vielfach das Anhörungsverfahren geregelt (in der Schweiz sogar durch Verfassungsbestimmung: B V Art. 32 Abs. 3), und schließlich ist die große Zahl von ständigen und Ad-hoc-Beiräten, von Kommissionen und Sonderausschüssen zu nennen, i n die vor allem audi Wirtschaftsverbände ihre Vertreter abordnen. I n Aufsichtsorganen von öffentlichen Betrieben sitzen ebenfalls oft Vertreter der Verbände. U m daran nur eben zu erinnern; denn es kann nicht Aufgabe der gegenwärtigen Ausführungen sein, diese Regelungen i m nationalen und übernationalen Bereich auch nur summarisch darzustellen 13 . Ich möchte viel13 Über die wichtigsten nationalen Regelungen vgl. Κ . I. Uthmann, i n Der Staat u n d die Verbände, hrsg. v o m Bundesverband der Deutschen Industrie, Heidelberg 1957; ferner Rodolphe Rubattel, Die Beziehungen zwischen B u n d u n d Wirtschaftsverbänden, Bern 1957; zahlreiche Hinweise auch bei Kaiser, a. a. O. Eine Übersicht über die Beiräte i n der Bundesverwaltung i n der Heidelberger Dissertation von Lorenz Schomerus, Die organisatorische

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mehr die grundsätzliche Tragweite der Institutionalisierung beleuchten. Was die zentralen Wirtschaftsräte, korporativen Organe und Beratungsgremien anbelangt, so ist diesen nach überwiegender Auffassung der Kenner kein Erfolg beschieden, jedenfalls i m nationalen Bereich, während die Wirksamkeit i m übernationalen Raum, auf die noch einzugehen ist, anders beurteilt werden muß 14 . Abgesehen von den fast unüberwindlichen Vertretungsschwierigkeiten sind Wirtschaftsräte entweder weitgehend wirkungslos oder sie bedürften dann der autoritativen Stützung, m i t allen damit verbundenen Nachteilen. Wollte man diesen Organen Entscheidungsbefugnisse einräumen, so würden sie das für die politische Gesamtintegration und die Berücksichtigung umfassender, auch nicht-wirtschaftlicher Belange unerläßliche Parlament aushöhlen. Die Wirtschaftsräte haben i m übrigen kaum irgendwo die Verbandseinflüsse zu kanalisieren vermocht. Dies dürfte letztlich darin begründet sein, daß die Verbände die Vermittler fluktuierender, immer neu zu integrierender und zu organisierender Interessen der Gesellschaft sind, was sich m i t zu starrer Institutionalisierung schlechterdings nicht verträgt. Aus diesen Gründen dürfte die Regelung der Anhörung der Verbände sowie die Bestellung von Beiräten und Kommissionen i m allgemeinen empfehlenswerter sein. Dies sollte sich aber i n förmlichen Normen niederschlagen, i n denen eine Anerkennung und Legitimierung der Verbände zum Ausdruck kommt. Jedenfalls gilt dies für kontinentale Verhältnisse, während i m angelsächsischen Bereich der ausdrücklichen Normierung nicht dieselbe Bedeutung zukommt. Man kann deshalb sagen, daß i n England der Verbandseinfluß in der auf eine lange Tradition zurückblickenden Praxis der Royal Commissions, der Departmental Comittees und der Consultative Comittees in hohem Maße institutionalisiert worden ist. Dagegen muß man sich, um einen Blick auf die Regelung i n der Bundesrepublik zu werfen, fragen, ob das in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehene Konsultationsverfahren eine optimale Offizialisierung darstelle. Die Heranziehung der „Fachkreise" „zur Beschaffung von Unterlagen", wie es hier bezeichnenderweise heißt (GO § 23) und womit das Wesen der Eingliederung der Interessenverbände i n die Bundesverwaltung, 1959. E i n Versuch der Systematisierung der verschiedenen A r t e n von Institutionalisier u n g bei Tuchtfeldt, a. a. O., 89 ff. — Über den französischen Conseil économique vgl. die Mainzer Dissertation v o n Rolf Geberth, Bundeswirtschaftsrat u n d Conseil économique, 1961. 14 Daraus k a n n aber (entgegen Zellentin, a. a. O., V I ) kein Argument für die Einrichtung von Sozial- und Wirtschaftsräten i m nationalen Bereich abgeleitet werden.

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Spitzenverände, wie m i r scheint, nicht getroffen wird, ist dem Ermessen der Ministerien und des Kabinetts anheimgestellt, und das Ergebnis der Anhörung bleibt geheim, so daß man den Regierungsentwürfen, die dem Bundestag zugeleitet werden, in der Regel nicht entnehmen kann, was an Verbandsdesideraten in die Entwürfe schon eingebaut ist. So sèhr diese mangelnde Öffentlichkeit zum Vorteil der Verbände ausschlagen kann, so dürfte dies doch nicht die Absicht sein. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Regelung auf Abwehr, nicht aber auf volle Anerkennung und Heranziehung der Verbände abgestellt ist 15 . Es ist i n diesem Zusammenhang vielleicht von Interesse zu notieren, daß die Schaffung des Wirtschafts- und Sozialausschusses i n der EWG und Euratom auf harten Widerstand der Bundesregierung gestoßen ist, während die übrigen fünf Länder ihn begrüßten und auch gerne m i t vermehrten Kompetenzen ausgestattet hätten 16 . Die Institutionalisierung des Verbandseinflusses durch ein förmliches Anhörungsverfahren, das den Verbänden ein Anhörungsrecht einräumt, sie damit anerkennt und dadurch die Verantwortung profiliert und überdies bei geeigneter Ausgestaltung auch die Publizität und demnach die Kontrolle durch die öffentliche Meinung fördert, soll gewiß nicht überschätzt werden. Vielleicht ist es empfehlenswerter, nicht von einer Institutionalisierung, sondern von einer Offizialisierung oder Formalisierung zu reden, die freilich i n Rechtsnormen zu erfolgen hat. Doch würde ich annehmen, daß ein solches Verfahren viele Vorteile und praktisch kaum Nachteile aufweist 17 . Umgekehrt ist das Fehlen einer ausreichend geregelten Anhörung mit unbestreitbaren Nachteilen verbunden. A u f einige Punkte sei i m folgenden hingewiesen. Rein tatsächliches Einflußnehmen der Verbände, auch solches von größter Tragweite, und rechtlich geordnetes Handeln des Staates können beim Fehlen einer Regelung eher ineinander verfließen. Damit werden Übergriffe der Verbände und das Zurückweichen der staatlichen Organe vor dem Verbandsdruck begünstigt. Die Einwirkung der Ver15 So auch Tuchtfeldt, a. a. O., 89. Vgl. ferner die K r i t i k von W i l h e l m H e n nis, Verfassungsordnung u n d Verbandseinfluß (Bemerkungen zu ihrem Z u sammenhang i m politischen System der Bundesrepublik), i n Politische V i e r tel jahresschrift, 1961, 23 ff. — Über die verfassungsrechtliche Stellung der Verbände i n der Bundesrepublik i m allgemeinen orientiert Gerhard W. W i t t kämper, Grundgesetz u n d Interessenverbände, K ö l n u n d Opladen 1963 (Staat u n d Politik, 5); betreffend „das Legalgewicht der Interessenverbände" vgl. dort 47 ff.; wobei jedoch die Regelung der A n h ö r u n g zu kurz kommt. 16 Vgl. Zellentin, a. a. O., 17, 21, 23. 17 Die nicht selten anzutreffende Ablehnung oder Verkennung einer formalisierten Anhörung scheint m i r „altliberalen" u n d „obrigkeitsstaatlichen" Grundvorstellungen zu entspringen, denen die Realität der Dinge u n d die ethisch-politischen Überzeugungen heute den Boden entzogen haben.

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bände kann auch leichter verdächtigt, grundsätzlich abgelehnt und verketzert werden. Der Kollusion von Staat und Verbänden sowie der feindlichen Spannung zwischen beiden w i r d so i n gleicher Weise Vorschub geleistet. Ganz allgemein kann ein solcher Zustand dazu beitragen, daß der da und dort, auch bei höchsten staatlichen Organen, ohnehin schwindende Sinn für die rechtlich-staatliche Ordnung, für die unerläßliche politische Konturierung der Gesellschaft, i m besondern auch der Wirtschaft, geschwächt wird. A n der Prägnanz und Wirksamkeit der politischen Konturierung der Gesellschaft durch die Aufrichtung einer stehenden und wirklich-maßgeblichen Ordnung hängen aber die Freiheit und die Entfaltung des einzelnen und der freien Gruppierungen aller Art, also auch der Wirtschaftsverbände. Andererseits kommen die Festlegung eines Anhörungsrechts und die förmliche Regelung des Verfahrens (mit Umschreibung der Gegenstände, Fristsetzung, öffentlicher Bekanntgabe der Stellungnahmen u. ä.) der notwendigen politischen Konturierung zugute. Die formlose Einflußnahme und M i t w i r k u n g werden aus dem Halbdunkel und Dunkel ans Licht gehoben. Der vagierende Umgang zwischen Behörden und Verbänden w i r d kanalisiert und diszipliniert. Die Hintertreppe w i r d eo ipso als solche stigmatisiert und damit zum Teil ausgeschaltet. Auch den Behörden ist das Verfahren dienlich, weil sie i n den vorkommenden Fällen darauf verweisen und andere Kontaktnahmen, außerhalb des Verfahrens oder i n früheren oder späteren Verfahrensstadien, ablehnen können. I n diesem Zusammenhang sei auf eine besondere Möglichkeit der Institutionalisierung von Verbandseinwirkungen i n Beiräten und Kommissionen für die Vorbereitung von Gesetzen hingewiesen. Man hat in England und, wie ich selbst i n der Praxis erfahren habe, auch i n der Schweiz gute Ergebnisse m i t sog. gemischten Expertenkommissionen erzielt, i n denen neben Verbandsfunktionären als Experten Wissenschaftler und Behördenvertreter sitzen. Durch die Einsetzung solcher Kommissionen, auch wenn sie Ad-hoc-Einrichtungen sind, w i r d die Verantwortung gerade auch der Verbandsvertreter formalisiert und gestärkt. Ferner haben solche gemischten Kommissionen gegenüber reinen Sachverständigengremien bei Materien, die stark von Interessen durchzogen sind, große Vorteile. Wenn die Interessen so oder anders ohnehin nun einmal zum Zuge kommen müssen, indem eben kontroverse Interessenlagen zu gestalten sind, erscheinen die Lösungen rein wissenschaftlicher Kommissionen, die frei von Interessen sozusagen i m Stile von „Glasperlenspielen" ausgearbeitet werden, i n hohem Maße gefährdet. Sie werden nachträglich nur zu leicht von handfesten Interessen, die auch noch i n die Lösung eingehen müssen, überrannt. Wenn dagegen von vornherein Sacherfordernisse und Interessen miteinander ver-

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schmolzen und die verschiedenen Interessen miteinander kombiniert werden können, durch objektivierende und neutralisierende Läuterung der Interessen und durch Sättigung der Sacherfordernisse m i t Interessen, können sich ausgewogene und stabile Lösungen ergeben. Diese haben die Chance, die parlamentarische Zerreißprobe und den Verriß i n der Öffentlichkeit zu überstehen 18 . Die gemischten Expertenkommissionen vermögen i n gewissem Ausmaß die den zentralen W i r t schaftsräten zugedachten Aufgaben zu erfüllen, aber ohne deren Nachteile, weil sie als Ad-hoc-Kommissionen viel flexibler sind. Ich übersehe nicht, daß durch solche Expertenlösungen den Parlamenten die Substanz entzogen werden könnte 19 . Dies hängt aber weitgehend auch von den Parlamenten ab und ist nicht schon dann der Fall, wenn das Parlament jenen Lösungen i m allgemeinen zustimmt. Warum sollte das Parlament sich aufdrängende und von den Beteiligten vorbereitete Lösungen, die auch für kritische Augen vielfach nur geringfügiger Modifikationen bedürfen, nicht übernehmen? Diese Fälle, so zahlreich sie sein mögen, besagen keineswegs, daß das Parlament i m ganzen zum „Notar" außerparlamentarischer Instanzen abgesunken sei, wie vielfach geltend gemacht w i r d ; ganz abgesehen davon, daß heute nun einmal vieles von Sachverständigen, d. h. vor allem auch von „Interessenvertretern" außerhalb des Parlaments vorbereitet werden muß. Denn es gibt auch heute noch zentrale Fragen, die i m außerparlamentarischen Raum zu offenbleibenden Divergenzen oder zu faulen Kompromissen führen; an der parlamentarischen Lösung solcher zentraler Fragen kann abgelesen werden, ob das Parlament seine Aufgabe der gesamtstaatlichen Integration noch erfüllt. Daß diese unerläßliche Aufgabe i n die ausschließliche Zuständigkeit des Parlaments und somit auch der Parteien fällt, kann keinem Zweifel unterliegen. IV. Werfen w i r jetzt einen Blick auf die Institutionalisierung der Verbände i m übernationalen Bereich, wo sich bedeutsame Unterschiede zeigen. M i t der zögernden Haltung einzelner Länder gegenüber der förmlichen Anerkennung der Verbände auf Grund entgegenstehender Traditionen kontrastiert nämlich die Zulassung der Verbände i m inter18 Das letztere ist i m geglückten F a l l n u r die Folge eines aus anderen Gründen zu empfehlenden Verfahrens. M a n w i r d dem Sachverhalt der gemischten Expertenkommissionen i n der Schweiz m. E. nicht gerecht, w e n n m a n sie vorwiegend unter den Gesichtspunkt der Macht (Abtastung der Referendumschancen u n d Operieren m i t Referendumsdrohung) rückt (so ζ. B. Hans Huber, Die Umwälzungen i m Staatsgefüge durch die Verbände, Ordo, Jahrbuch f ü r die Ordnung von Wirtschaft u n d Gesellschaft, 7. Bd., 1955,190).

19

Vgl. Huber, a. a. O.

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nationalen Bereich, der dem modernen Trend auf Anerkennung und Heranziehung der Verbände offener ist als vielfach der nationale. Die internationalen und insbesondere die supranationalen Ordnungen mit wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen sind i n einem Zeitpunkt ausgeformt worden, i n dem der Verbandseinfluß schon weitgehende Anerkennung gefunden hatte. Die M i t w i r k u n g der Verbände ist deshalb von Anfang an i n die zwischenstaatlichen Gebilde eingebaut worden. Eine Institutionalisierung der Verbände ist i m übernationalen Bereich aus den gleichen Gründen gerechtfertigt und empfehlenswert wie i m nationalen, wenn sie i n angemessenen Formen erfolgt. Während sie nun i m nationalen Raum vielfach post factum einsetzte, deshalb auf den schon mächtig gewordenen Verbandseinfluß wohl da und dort eher mäßigend und zügelnd einwirkte und die bereits wirksamen Kräfte der Verbände i n geordnete Bahnen zu lenken vermochte, scheint sie m i r i m übernationalen Bereich, zum Teil wenigstens, dem faktischen Einfluß der Verbände vorausgeeilt zu sein. Der Einfluß wurde begünstigt, was die Verbände stärkte, ja teilweise erst formierte und ihnen den Weg ebnete. Uno actu sind damit freilich auch die günstigen Wirkungen einer Formalisierung des Verbandseinflusses zu verzeichnen. Soweit sich die internationalen Regelungen auf ein bloßes Anhörungsverfahren beschränken, w i r d der Verbandseinfluß kaum verstärkt. U m so mehr können sich dabei die heilsamen Wirkungen der Formalisierung auswirken, die i n der Anerkennung und der damit verbundenen Profilierung der Verantwortung und i n der Publizität liegen. Von besonderem Interesse ist die Regelung i m Rahmen der Vereinten Nationen. Die bevorzugte Stellung, die den Verbänden und i m besonderen auch den Wirtschaftsverbänden i n der modernen Gesellschaft zuerkannt wird, erhellt daraus, daß die Charta selbst i m A r t i kel 71, der i n der Völkerbundsatzung keine Entsprechung hat, die Konsultation der Verbände regelt 20 . Danach kann der Wirtschafts- und Sozialrat „geeignete Abmachungen zwecks Konsultation m i t nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich m i t Angelegenheiten seiner Zuständigkeit befassen". Gestützt darauf ist, gemäß einem ausführlichen Reglement, über dreihundert internationalen Verbänden, darunter auch allen wichtigen internationalen 20 Die entsprechenden Texte z. B. abgedruckt i n J. J. Lador-Lederer, I n ternational Non-governmental Organizations and Economic Entities (A Study i n Autonomous Organization and Jus Gentium), Leyden 1963, 385 ff. — Vgl. ferner L . A . C. White: Les organisations intergouvernementales et les relations avec les Nations Unies, i n Revue générale de droit publique international, 1952, 61 ff.

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wirtschafts- und sozialpolitischen Organisationen, der „konsultative Status" verliehen worden, wobei nach Maßgabe der Bedeutung des Verbandes drei Kategorien gebildet worden sind 21 . Der „konsultative Status" berechtigt, je nach der Kategorie, zur Entsendung von Beobachtern, zum Verkehr m i t dem Sekretariat, zur Vorlage schriftlicher Eingaben für die offizielle Zirkulation, zum mündlichen Vortrag in den Sitzungen und selbst zur Unterbreitung von Vorschlägen für die Tagesordnung. Ähnliche Regelungen wurden für andere zwischenstaatliche Organisationen getroffen, so für die Spezialorganisationen der Vereinten Nationen, ζ. B. die Internationale Arbeitsorganisation, ferner für den Europarat, der besondere Richtlinien erlassen hat, und die OECD. Auch der Vertrag über die Montanunion, nicht aber der über die EWG, sieht die Anhörung der Verbände vor (Art. 46, 48, 58 § 2 [1], 61 [1]; Übergangsbestimmungen § 1 Ziff. 3) 22 . Natürlich behauptet sich daneben auch der formlose Verkehr. Auch wollen w i r nicht übersehen, daß die allzu weit getriebene Anerkennung von konsultationswürdigen Verbänden zu einer „Proliferation" der Verbandstätigkeit führen kann 2 3 . Es sei nicht übergangen, daß es auch eine besondere Konferenz der m i t „konsultativem Status" bei den Vereinten Nationen akkreditierten Verbände gibt 2 4 . So w i r d denn auch viel Stroh gedroschen, was aber nicht ganz zu vermeiden ist, übrigens i n aller Öffentlichkeit, und ein neues Phänomen t r i t t i n Erscheinung: der „gehobene Sozialtourismus der Funktionäre" privater und staatlicher Provenienz. Man mag darin ein menschliches Gegengewicht zur etwa beklagten „Funktionalisierung" des internationalen Konferenzund Verhandlungsbetriebes erblicken. I n soziologischer Sicht könnte man dieses Phänomen, den informellen Gruppen i n Industriebetrieben und Bürokratien vergleichbar, als eine besondere Form von primären Sozialkontakten i m Rahmen von übergreifenden sekundären Sozialstrukturen zwischenstaatlichen Charakters auffassen, weshalb eine all21 1) Kategorie A : „Non-governmental Organizations w h i c h have a basic interest i n most of the activities of the Council", 10 Organisationen, nach Yearbook of the United Nations (1962), 383; 2) Kategorie Β : „Non-governmental Organizations w h i c h have a special competence b u t are concerned w i t h only a few of the Council's activities", 124 Organisationen; 3) „those w i t h a significant contribution to make to the Council's w o r k which are placed on a Register for ad hoc consultations", 198 Organisationen. 22 Vgl. Y. P. Soulé, Comparaison entre les dispositions institutionelles d u traité C. E. C. A . et d u traité C. Ε. E., Revue d u Marché Commun 1958, 212 ff. — Dagegen kennt der E W G - V e r t r a g eine ganze Reihe von besonderen Ausschüssen, i n denen auch Verbands Vertreter u n d „Sachverständige" m i t w i r k e n (z. B. A r t . 83, 105, 111) u n d insbesondere A r t . 124 betreffend den Ausschuß zur Unterstützung der Kommission i n der V e r w a l t u n g des Europäischen Sozialfonds). 23 Vgl. Meynaud, Les groupes de pression internationaux, 386 f. 24 a. a. Ο., 190, 254.

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zu rigide Haltung von Finanzkontrollen und Rechnungshöfen unrealistisch wäre. Wenn sich die Institutionalisierung des Verbandseinflusses i m internationalen Raum nicht auf die Anhörung der Verbände beschränkt, sondern wenn zwischenstaatliche Organe unter Beteiligung der Verbände (wie i n der Internationalen Arbeitsorganisation) oder i n Anlehnung an nationale zentrale Wirtschaftsräte geschaffen werden (wie der Beratende Ausschuß i n der Montanunion und der Wirtschafts- und Sozialausschuß der EWG und der Euratom), ist damit eine erhebliche Stärkung der Verbände verbunden. Von geringerer Bedeutung dürfte der konsultative Ausschuß der EFTA sein, schon wegen der besonderen Zielsetzung dieser Organisation 25 . M i t der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ist die bis heute am weitesten vorstoßende Institutionalisierung der Verbände i m internationalen Bereich erfolgt, und zwar, wie ich anzunehmen geneigt bin, i n einer vielleicht i n verschiedener Hinsicht nicht völlig unbedenklichen und i n einer heute übrigens revisionsbedürftigen, wohl aber z. Z. nicht revisionsfähigen Weise 28 . Die Gründung der I A O nach dem ersten Weltkrieg entsprach verbreiteten und i m damaligen K l i m a auch einflußreichen Verbandspostulaten, namentlich der Gewerkschaften, und an der Ausarbeitung der Verfassung war der amerikanische Gewerkschaftsführer Samuel Gompers maßgebend beteiligt 2 7 . Das Hauptorgan, die Internationale Arbeitskonferenz (IAK), die insbesondere auch internationale Normen beschließt und als oberste 25 Das durch Entscheid des Ministerrats v o m 14./16. Februar 1961 errichtete „Consultative Comittee", i n dem die „ m a i n sectors of economic life, including labour" vertreten sind, w i r d übrigens interessanterweise v o m jeweiligen V o r sitzenden des Ministerrats präsidiert. Daneben hat sich Anfang 1961 aufschlußreicherweise ein privates „International E F T A A c t i o n Committee" gebildet. 26 Der der freien Wirtschaftsordnung der westlichen Länder entsprechende „Tripartismus" verträgt sich weder m i t dem kommunistischen System noch m i t der präponderierenden Staatswirtschaft der Entwicklungsländer u n d ist übrigens auch m i t dem Anwachsen der öffentlichen Wirtschaftssektoren i n westlichen Ländern nicht mehr vereinbar; ganz abgesehen von den tief gehenden politischen Spannungen, die die A r b e i t der I A O seit Jahren behindern. Die neueste Standortbestimmung i m Bericht des Generaldirektors (Programm u n d A u f b a u der IAO), der der I A K 1963 u n d 1964 unterbreitet wurde, behandelt diese Probleme, die zu einer schweren Krise führen könnten, m i t bemerkenswerter diplomatischer Behutsamkeit (Bericht I , T e i l I, S. 2 f., 137 f., 157 ff.). 27 Über die Organisation der I A O vgl. i m deutschen Schrifttum H a r t w i g Bülck, Die neue Verfassung der I A O , i n Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 107 (1951), wobei zu berücksichtigen ist, daß die Verfassung der I A O seither einige Änderungen erfahren hat, die insbesondere die Z u sammensetzung des Verwaltungsrates betreffen (dessen Mitgliederzahl von ursprünglich 24 ist auf das Doppelte angewachsen).

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Instanz über deren Durchführung wacht, w i r d aus Landesvertretungen bestellt, die aus je zwei Regierungsvertretern und je einem Vertreter der maßgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zusammengesetzt sind. I m Sinne eines streng durchgeführten „Tripartismus" bilden die Regierungs-, die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerdelegierten drei gesonderte Blöcke. Auch der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes, d. i. die Exekutive, und alle sonstigen Gremien sind grundsätzlich gleich strukturiert. Hier sind also die Verbandsvertreter den Vertretern der Regierungen gleichgeordnet und unmittelbar an der Willensbildung einer internationalen Legislative beteiligt, eine Einrichtung, die ihresgleichen sucht. Faktisch mag man freilich i n den internationalen Arbeitsübereinkommen bloße Vorschläge erblicken und die I A K , mutatis mutandis, den bloß beratenden Ausschüssen zur Seite stellen, insofern die Übereinkommen der Ratifikation durch die souveränen Mitgliedstaaten bedürfen, worüber diese in freiem Ermessen befinden. Doch ist das moralische Prestige der I A K so groß, daß die Konventionen und übrigens auch die Empfehlungen weithin als internationale Standards betrachtet w e r d e n . . . und einzelne Staaten die Übereinkommen auch etwa ratifizieren, obwohl sie zu deren Durchführung nicht imstande sind. Eine IAO, die nach klassischem Muster lediglich aus Regierungsdelegierten bestünde, auf die die Verbände primär einzuwirken hätten und denen vielleicht technische Berater beigegeben werden dürften, hätte namentlich den Gewerkschaften eine weit geringere Einwirkungsmöglichkeit eingeräumt. Der universale „Code du Travail" wäre dann wohl weniger „progressivistisch" — was ζ. B. i m Hinblick auf die Entwicklungsländer, welche die den fortgeschrittenen Industrieländern in Fleisch und B l u t übergegangenen Arbeitseinstellungen und -haltungen erst noch einüben müssen, m. E. kein Unglück wäre. Andererseits ist durch die I A O auch der internationale Zusammenschluß der Arbeitgeber gestärkt worden, womit ein gewisses Gegengewicht entstand. Auch die Schaffung der beratenden Ausschüsse i m Rahmen der europäischen Gemeinschaften hat die Verbände gestärkt. Beim Beratenden Ausschuß der Montanunion (BA) war dies anscheinend am Anfang der Fall, während diese Wirkung beim Wirtschafts- und Sozialausschuß der EWG und der Euratom (WSA) noch anzudauern scheint. A n diesen Ausschüssen waren die Gewerkschaften von Anfang an besonders interessiert, und deren Bildung ist vor allem auf ihre Initiativen zurückzuführen 28 . 28 Zellentin, a. a. Ο., ζ. B. 18, 25. — Ich stütze mich i m folgenden w e i t gehend auf diese Darstellung, unter Verwertung offizieller Dokumentation (Berichte der Europäischen Gemeinschaften, Jahrbuch des W S A u n d M i t teilungen des W S A 1961 ff.).

12 Speyer 22

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Der B A besteht zu gleichen Teilen aus „Vertretern der Erzeuger, der Arbeitnehmer sowie der Verbraucher und Händler" (Montan-Vertrag Art. 18), und der WSA, der i m Hinblick auf das weitere Aufgabengebiet der EWG einer breiteren Basis bedurfte, aus „Vertretern der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, insbesondere der Erzeuger, der Landwirte, der Verkehrsunternehmer, der Arbeitnehmer, der Kaufleute und Handwerker, der freien Berufe und der Allgemeinheit" (EWG-Vertrag A r t . 193). Ohne auf Einzelheiten, insbesondere der Bestellung des WSA, eingehen zu wollen, darf festgestellt werden, daß sowohl der B A als auch der WSA trotz des Ausschlusses imperativer Mandate (Art. 18 [4], bzw. Art. 194 Abs. 3) vor allem aus Vertretern der entsprechenden Verbände zusammengesetzt sind. Wie bei der I A O werden Vertreter der nationalen, nicht der internationalen Verbände (was an sich ja auch möglich wäre) benannt. Doch haben sich auch hier die nationalen Verbandsvertreter nach ihren übernationalen Interessen ausgerichtet. So scheint es jedenfalls i m WSA i n der Regel keine prononcierten nationalen Gruppierungen zu geben. Die drei Hauptgruppen des WSA — die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Gruppe der übrigen, natürlich nicht ebenso homogenen Ausschußmitglieder — sind sogar i n der Geschäftsordnung institutionell verfestigt worden. Der WSA, der ohne Zweifel bedeutsamer als der B A ist, kann als eine Repräsentation der je verschiedenen wirtschaftlichen Interessen i m einheitlichen Raum der EWG angesprochen werden. Nach der aufschlußreichen Monographie von Gerda Zellentin soll der WSA eine gewisse Expansionspolitik mit einigem Erfolg betrieben und eine recht starke Stellung errungen haben. Dabei w i r k t er anscheinend vor allem m i t der Kommission zusammen, während die Beziehung zum Ministerrat (vorsichtig formuliert) weniger eng sein dürfte. Durch diese Ausschüsse w i r d den Verbänden eine Einflußmöglichkeit eingeräumt, die namentlich auch angesichts der Aufgabe, neue W i r t schaftsstrukturen aufzubauen, größer sein dürfte, als dies i n einem grundsätzlich schon strukturierten nationalen Wirtschaftsgebilde der Fall ist. Diese Einflußmöglichkeit sahen vor allem die Gewerkschaften, die i m Fall von nichtsozialistischen Regierungen der Mitgliedstaaten i m nationalen Raum nur beschränkten Einfluß auf die Integrationsvorgänge nehmen konnten. Darüber hinaus begünstigten und ermöglichten diese Ausschüsse die Integration der Verbandsinteressen auf der Ebene der sechs Staaten. Ein bloßes Anhörungsverfahren, das auf die zuständigen europäischen Verbände abstellen müßte, hätte den Verbänden wohl weniger Einfluß eingeräumt, jedenfalls am Anfang, als der Zusammenschluß der Verbände i m Rahmen der europäischen Gemeinschaften noch nicht i n ausreichendem Maß erfolgt war, während

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anscheinend jetzt die supranationalen Verbände die Meinungen der Fraktionen auch i m WSA mitbestimmen. I m übrigen haben sich der B A und der WSA verschieden entwickelt. Anfangs, als sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer i m Rahmen der Montanunion noch nicht organisiert hatten, w i r k t e n sie durch den B A auf die Hohe Behörde ein, während später die Verbands-Lobbies wichtiger wurden. Dagegen sollen die supranationalen Verbände und die Gruppen und „Fraktionen" des WSA eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig stützen. Auch sollen verschiedene Gruppen gar den Zugang zu den europäischen Behörden über den WSA suchen, so daß dieser so etwas wie eine Antichambre für Verbände und Interessengruppen aller A r t wäre. Die Regelung des Verbandseinflusses durch die Schaffung besonderer Organe, wie die I A K und die Ausschüsse der europäischen Gemeinschaften, setzen so die Verbände instand, ihre Kräfte i n internationaler Konzentration ins Feld zu führen. Andererseits w i r d freilich der Verbandseinfluß auch neutralisiert und i n einem weiteren Rahmen integriert, weil die Vertreter der verschiedenen Interessen zu einer gemeinsamen Stellungnahme kommen müssen. W i r d aber eine solche Stellungnahme erzielt, dürften die Verbände wiederum erhebliche Stoßkraft entfalten. Dieses ist gerade i m Rahmen der EWG von besonderer Bedeutung, wenn man unterstellt, daß die Verbände rein wirtschaftliche und versorgungstechnische Gesichtspunkte voranstellen, demnach supranationale Zweckmäßigkeitslösungen bevorzugen. So scheinen die Gewerkschaften davon auszugehen, daß ihre sozialpolitischen Zielsetzungen i m supranationalen Raum besser aufgehoben seien als i m nationalen. Demgegenüber dürften diejenigen Überlegungen zurücktreten, die ζ. B. auf die Wahrung historisch gewachsener nationaler Eigenständigkeiten und eine mehr föderale und i m nationalen Raum demokratisch legitimierte zwischenstaatliche Ordnung abzielen. Wirtschaftsverbände sind schon i m nationalen Raum von Haus aus zentralistisch und geborene Feinde des Föderalismus. Die Notwendigkeit des umfassenden Zusammenschlusses der jeweiligen Interessen entzieht auch dem ernstgemeinten föderalistischen Bekenntnis von Verbänden den Boden. Dies gilt vor allem für den internationalen und supranationalen Raum. Daß die Gewerkschaften i m Rahmen der I A O alles zu sehr über einen Leisten zu schlagen geneigt sind, scheint m i r auf Grund eigener Wahrnehmungen unzweifelhaft. Da dem WSA keine politisch repräsentative Legislative gegenübersteht, wie nationalen zentralen Wirtschaftsräten, könnte man vielleicht sagen, er rücke trotz seines bloß konsultativen Charakters i n die Stellung eines quasi-parlamentarischen Repräsentationsorgans 29 . Es besteht 29

12*

I n diesem Sinne Zellentin, a. a. O., 184 fi.

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schon äußerlich eine gewisse Gleichordnung von ebenfalls bloß konsultativer Europäischer Versammlung und WSA, und die wirkliche Gewichtsverteilung könnte durch den Umstand verdeckt werden, daß die Verhandlungen i m WSA i m Gegensatz zu denjenigen des Europäischen Parlaments nicht öffentlich sind. Diese Situation ist aber nicht unbedenklich, namentlich wenn man die Schaffung einer wirklichen politisch repräsentativen Legislative i n absehbarer Zeit für höchst unwahrscheinlich (und vielleicht auch für unerwünscht) halten muß. V. I m Ubergang zu einigen abschließenden Betrachtungen möchte ich daran erinnern, daß die Institutionalisierung oder Formalisierung des Verbandseinflusses nicht überschätzt werden darf. Wenn w i r diesen Umstand und die Kontingenz der sozialen und politischen Gesamtsituation nüchtern i n Rechnung stellen, kommt es letztlich entscheidend auf das Verhalten der Beteiligten und auf die i n ihnen lebendigen Direktiven an. Also gerade eine nüchterne Einschätzung der Realverhältnisse, die i n unserem Problembereich nicht eindringlich genug gefordert werden kann, verhilft dem oft von vermeintlich realistischer Seite diffamierten sog. idealen Moment zu seinem spezifischen Gewicht. Die Regierungen und die Beamten aller Stufen (auch der zwischenstaatlichen Stellen) müssen sich das kräftige und mutvolle Nachziehen der politischen Konturen i n den Einzelstaaten und i n den zwischenstaatlichen Organisationen, die demokratisch-rechtsstaatliche sein sollten, angelegen sein lassen. Dabei w i r d man dem Beamtentum keinen selbstmörderischen Heroismus ansinnen wollen, wenn die obersten Spitzen nicht das Beispiel geben 30 . Die Last liegt aber nicht einseitig auf den Schultern der Amtsträger. Wenn w i r uns vor den recht verbreiteten Dramatisierungen hüten, sehen w i r noch andere mögliche Korrektive. Diese sind vor allem bei den Verbänden selbst zu suchen. Die Druck ausübenden Verbände stehen selbst unter Druck, und zwar unter dem gegenseitig ausgeübten Druck aller Verbände, und i m wachsenden Maße unter demjenigen der Öffentlichkeit, was letztlich darauf beruht, daß eine ausreichend große Zahl von einzelnen über Wachsamkeit und kritisches Verständnis verfügt und i n einer freien verantwortlichen Presse, aber auch i n ebenso unabhängigen Rundfunk- und Fernsehanstalten sich geltend machen kann. Die Öffentlichkeit als Raum möglicher kritischer Auseinandersetzung u m das „Richtige" ist ständige potentielle Kontrolle des Verbandseinflusses. Der heutigen Verbandsrealität wohnt stets die Chance mählicher 30 Eine wohltuend nüchterne Beurteilung, ohne i n den hier Zynismus zu verfallen, bei v o n der Gablentz, a. a. O., 17 ff.

lauernden

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Ausbalancierung allzu einseitiger Ausschläge inne. Ferner ist die geforderte und i n gewissem Ausmaß auch immer gegebene Ausrichtung auf das „Gesamtinteresse", das bei aller Problematik jedenfalls nicht m i t einem bestimmten Partikulärinteresse zusammenfällt und also zumindest negativ abgegrenzt werden kann, i n Rechnung zu stellen. Natürlich handelt es sich dabei immer u m eine mögliche, mehr oder weniger prononcierte Interpretation des „Gesamtinteresses". Aber auch „Verbandsideologien" sind — bei angemessenem Selbstverständnis — mehr als bloße Ideologien, insofern sie „Richtiges" anstreben 31 . Des weiteren macht sich der zwar m i t Interessen verquickte, zugleich aber objektivierende, für alle Wirtschaftspolitik unerläßliche Sachverstand geltend, namentlich wenn er i n zunehmendem Maße von wissenschaftlich geschulten Funktionären verwaltet wird. Außer der Indienstnahme der Wissenschaft durch die Partikulärinteressen, die kein aufmerksamer Beobachter i n Abrede stellen wird, ist auch die Kehrseite zu sehen: die dadurch i n irgendeinem Ausmaß erzwungene Indienstnahme der Partikulärinteressen durch die Wissenschaft. Die Knechtschaft der Wissenschaft beginnt dann in deren Herrschaft umzuschlagen, auch wenn selbstverständlich nicht alle Fragen wissenschaftlich beantwortet werden können. Die wissenschaftlich fundierte Ausbildung der Funktionäre ist dazu angetan, einen gemeinsamen Raum geistiger Auseinandersetzung auch m i t den staatlichen Stellen zu eröffnen. Und schließlich können die Verbände, wenn sie ihre Aufgabe richtig erfüllen, sogar ein heilsames Gegengewicht und selbst eine Kontrolle überbordender und schlecht funktionierender staatlicher Bürokratien sein (auch dies gibt es). Es wäre heute unrealistisch, das i m gesamten sozialen und politischen Feld vorhandene charakterliche und intellektuelle Potential auf Staat und Verbände zugunsten des Staates aufteilen zu wollen. Damit würde der Beamte überfordert, was zu Anmaßung, Verkrampfung und Unsicherheit führen könnte; umgekehrt würde der Verbandsfunktionär diskreditiert und eine allfällige Agressivität begünstigt. Auch wenn w i r uns hüten, i n den entgegengesetzten Fehler der Dramatiseure zu verfallen, so können w i r doch jene Korrektive als reale Chancen i n Rechnung stellen. Die Praxis zeigt neben bedauerlichen Auswüchsen der Wirtschaftsverbände auch die erfreuliche Wirksamkeit dieser Korrektive. Das heißt aber, daß man der Realität der Wirtschafts31 Das „Richtige" k a n n selbstverständlich auch i n einer Änderung bestehender Verhältnisse erblickt werden. Unter „Ideologie" k a n n m a n die apodiktische, verabsolutierte Stellungnahme verstehen, auch i n der F o r m einer v e r meintlichen Herleitung aus unabänderlichen empirischen Gegebenheiten. Vgl. dazu auch: K a r l Otto Hondrich, Die Ideologien v o n Interessen-Verbänden (Eine strukturell-funktionale Analyse öffentlicher Äußerungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände u n d des Deutschen Gewerkschaftsbundes), B e r l i n 1963.

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verbände, wie übrigens aller Verbände, m i t dem verbreiteten, dem Journalismus entstammenden Begriff der „Pression", nicht gerecht werden kann 3 2 . M i r scheint, daß w i r dem wirklichen Tatbestand näherkommen, wenn w i r das, was als „Pression" angesprochen wird, eher als eine recht zu verstehende und näher zu kennzeichnende Form der (rechtlich-staatlich konturierten) Zusammenarbeit bezeichnen oder doch als etwas, das darauf angelegt ist 3 3 . Damit möchte ich zum eingangs angeführten einheitlichen Gesamtb i l d zurückkehren, das uns das heutige Verhältnis von Staat und W i r t schaft zu vermitteln scheint. W i r stellen eine immer engere Verflechtung von Staat und Wirtschaft und damit von Staatlichem i m nationalen und übernationalen Bereich oder (wie w i r auch sagen können) von Politischem einerseits und von Privatem andererseits fest. Bisherige Gestalten i m sozialen und politischen Feld verlieren ihre Prägnanz, und traditionelle, insbesondere juristische Kategorien, vermischen sich. Diesen Strukturen ist die heutige Verbandsrealität durchaus konform. Indem sie zwischen der Gesellschaft der einzelnen, bezogen auf ihre primär privaten, je spezifischen Interessenrichtungen, und dem übergreifenden Ganzen des Staates vermittelt, verschränkt sie i m Bereich der Wirtschaftsverbände Wirtschaft und Staat, vermischt sie Privates und öffentliches. Auch trägt sie dazu bei, die nationalen Schranken zu sprengen, w e i l die gemeinsamen Interessen i n der modernen Gesellschaft keine Ländergrenzen mehr kennen. I n diesem Betracht zeichnen sich immer deutlicher die Konturen gesellschaftlicher Strukturen ab, die den ganzen Erdball umspannen (von den durch die moderne Kriegstechnik diktierten vitalen Existenzinteressen über die wirtschaftlichen Interessen bis zu den gemeinsamen Interessen i m Bereich des Verkehrs, der Information und der kulturellen Kommunikation, aus denen der82 Wie sehr diese i m deutschen Sprachgebrauch fast durchweg negativ getönte Kategorie die Szene heute beherrscht, ergibt sich daraus, daß „pressure groups" zum sozialwissenschaftlichen u n d politologischen Stichwort für Hauptartikel aufgerückt ist (z. B. i m neuen Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, i m Wörterbuch der Soziologie von Bernsdorf u n d B ü l o w u n d i m Fischer Lexikon, Bd. 2, „Staat u n d P o l i t i k " , während das Staats-Lexikon der Görres-Gesellschaft eine rühmliche, w i e w o h l nach meinem Dafürhalten nicht ideologiefreie Ausnahme darstellt). 33 Deshalb scheint m i r der Begriff der „faktischen Repräsentation" (Kaiser, a. a. O., insbes. 354 ff.), der Teilnahme u n d M i t w i r k u n g nicht einschließt, die moderne Verbandsrealität nicht ganz zu treffen. U n d die „Öffentlichkeit", bei Kaiser „die letzte nicht organisierte Instanz u n d auf lange Sicht der Schiedsrichter aller Interessenkonflikte" sowie „der Adressat der Repräsentation organisierter Interessen" (356 f.), dürfte nicht ganz i n den Verflechtungen der sozialen Realität aufgehen, w o m i t der normative Aspekt verschwinden würde (wie doch w o h l i m Ergebnis bei Kaiser, vgl. 357), sondern müßte als offener (!) geistiger Raum kritischer Auseinandersetzung u m das Richtige (!) begriffen werden.

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einst eine homogene Menschheitskultur erwächst — die eine reiche Vielfalt nicht ausschließt). Dieses sich abzeichnende B i l d einer zunehmend homogenen, obzwar i n sich zerspaltenen, „pluralisierten", anscheinend wenig zentrierten oder doch „polyzentrischen" und schwach gestalteten Wirklichkeit des sozialen und politischen Feldes, i n die auch die Verbände i n konsonanter Weise eingelagert sind, gibt zu verschiedenen Deutungen Anlaß. Diese sind keine bloß sog. akademische Angelegenheit, denn sie bestimmen Tun und Lassen der Menschen. So glaubt man einerseits etwa Züge einer immer starrer und komplizierter werdenden „Organisationswelt" festzustellen, die für die heutige „Industriegesellschaft" charakteristisch sei. Man glaubt eine zunehmende opake Kompaktheit, die Bildung von „Machtblöcken", eine „Verapparatung", eine eigengesetzliche „Funktionalisierung" wahrzunehmen, was alles vornehmlich auch i n den Verbänden und i n ihrem Einfluß zur Geltung komme. Andererseits beklagt man oft i m gleichen Atemzug die „anarchische" Machtstrukturierung, die zu einer „Feudalisierung" der öffentlichen Gewalt führe. U m nur diese kurzen Hinweise anzubringen. Die Diskussion dieser und anderer Deutungen würde uns in weitergreifende sozialphilosophische Überlegungen hineinführen, die sich m i t den fundamentalen Triebkräften der modernen Gesellschaft befassen müßten, d. h., wie ich annehmen möchte, m i t der allseitigen Emanzipation des neuzeitlichen Menschen sowie m i t seiner gleichzeitigen Verstrickung in die von i h m geschaffenen Gebilde, die i h m wie erstarrte Lava i m Wege stehen, und mit der ebenfalls sich nunmehr einstellenden Gefahr einer Auflösung der menschlichen Emanzipation i m gestaltlosen Prozeß. Ich beschränke mich auf den schon angedeuteten Zug, der uns i n diesem heutigen B i l d entgegentritt und m i r vor allem für die Einschätzung der Verbände entscheidend zu sein scheint. Darin kommt nämlich, wie ich glaube, vor allem auch eine allseitig sich anbahnende Zusammenarbeit i m gesamten sozialen und politischen Feld zur Geltung. Gewiß, ein sehr schlichter und wenig spektakulärer Tatbestand, der aber gerade deshalb real und sinnvoll sein kann. Die leitende Grundvorstellung ist hierbei das fundamentale neuzeitliche Postulat der tendenziellen Selbstbestimmung, das alle Bereiche zu durchdringen beginnt, freilich weithin auch i n der durch die Notwendigkeit kollektiver Organisation bedingten Brechung. Es liegt auf der Hand, daß Zusammenarbeit je nach dem Gesichtswinkel und den Konstellationen einerseits als anarchischer Zustand und Auflösung aller Gestaltungen i n bloß Prozeßhaftes und andererseits angesichts der großen Räume und der großen Zahl von Interessenträgern sowie der dabei unvermeidlichen Behelfe einer organisierenden und aktivierenden Integration, wodurch die Zusammenarbeit gekennzeichnet ist, als „Verapparatung" und

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„Funktionalisierung" erscheint. Versuchen w i r , diesen Aspekt allseitiger Zusammenarbeit näher zu kennzeichnen. Staatliche Instanzen, m i t Einschluß des supranationalen Bereichs, können heute auch i n Kontinentaleuropa nicht mehr einseitig ihre Maßnahmen oktroyieren. Ich halte dafür, daß eine Vorstellung vom Staat als einer „Stätte hoheitlichen Waltens" 3 4 heute innerlich nicht mehr vollzogen werden kann. Jeder Bürger ist Interessenträger, der zur Geltung kommen und sich durch die Interessenwahrung letztlich auch menschlich entfalten möchte. I m Interessenpluralismus, vornehmlich der Wirtschaftsverbände, kommen nun i n der Tat alle sich aufklärenden und sich regenden Bürger zu Wort und Tat; wenn auch durch die Organe ihrer Verbände, denn anders könnten sie gar nicht zur Wirkung kommen 35 . Auch der altliberale Staat, das geheime Wunschbild vieler Heutiger, war von handfesten Interessen bestimmt, und zwar so sehr, daß besondere Interessen unbesehen mit dem Gesamtinteresse gleichgesetzt werden konnten. Zahlreiche heute i m allseitigen Pluralismus der Interessen zur Geltung kommende Interessen waren damals noch nicht manifest. Auch hat sich i n schmerzlicher Erfahrung ergeben, daß die Interessen keiner verborgenen Harmonie gehorchen, sondern i m Widerstreit stehen. Jedenfalls i n der jeweiligen Gegenwart, i n der sich die Interessen i m engen Raum stoßen und unter der ständigen Drohung stehen, daß bestimmte partikuläre Interessen anderen geopfert werden. Staatliche Akte, auch Gesetze, rücken so unvermeidlicherweise i n die Nähe von Verständigungen, von quasi-vertraglichen Einigungen, natürlich nicht ohne peinlichen Erdenrest 88 . Diesem Vorgang ist utopischer Illusionismus ebenso unangemessen wie vermeintlich realistischer Zynismus. Vom Standpunkt früherer festgefügter und obrigkeitlich profilierter Staatlichkeit mag man heutiges staatliches Handeln als grundsatzloses Arrangement beklagen. Doch w i r d gerade damit verhindert, daß 84 Werner Weber, Das Kräftesystem i n der wohlfahrtsstaatlichen Massendemokratie, Bonn 1956 (Schriftenreihe des Deutschen Industrie- u n d H a n delstages, 39), 54. 35 „Das Gewicht der Interessen", i n dem Kaiser „das konstitutionelle M e r k m a l unserer gegenwärtigen Weltstunde" erblicken möchte (a. a. O. 363), wäre deshalb m. E. ein Aspekt des fundamental-demokratischen neuzeitlichen Emanzipationsprozesses. Es könnte insofern der „Ehre" u n d der „ T u gend" (ebd. 363) als vergleichbare Grundvorstellung nicht entgegengestellt werden; abgesehen von der Fragwürdigkeit der tiefenpsychologischen K a t e gorie „Archetyp", die Kaiser auf „Ehre", „Tugend" u n d „Interesse" anwendet. 36 Vgl. dazu aus sozialökonomischer Sicht Georg Weippert, „Vereinbarung" als drittes Ordnungsprinzip, i n Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaft, Bd. 14 (1963), 167 ff.

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Ordnungen i m Dienst bestimmter Partikulärinteressen geschaffen werden oder daß gar staatliche und zwischenstaatliche Stellen selbstherrlich sich zu vermeintlich ausschließlichen Sachwaltern des wahren und wohlverstandenen Interesses aufwerfen, womit diese Stellen überfordert sind und was überdies zur tödlichen Bedrohung der Freiheit führen kann. Sachliche Richtigkeit w i r d i n solchem Verfahren allerdings nicht ohne weiteres gewährleistet; doch ist nicht zu übersehen, daß es eine wirklichmaßgebliche, d. h. i n rechtlich-staatlicher Form erfolgende Gewährleistung von sachlicher Richtigkeit überhaupt nicht gibt. Auch wenn es „den mit Einsicht königlichen Mann" Piatos gäbe, wären w i r nie sicher, ob i h m nicht morgen ein skrupelloser Diktator folgt. Heute muß man, hart formuliert, selbst Dummköpfe zu überzeugen versuchen. Deshalb muß man zuweilen sachliche Richtigkeit — die freilich immer m i t bestimmten Wertungen und Einstellungen vermischt und selten völlig unkontrovers ist — zugunsten des Konsenses, auch i n der Form des Kompromisses, opfern 37 . Das bedeutet aber, daß eine beschränkte spezifische Richtigkeit der Sachen einer menschlichen Richtigkeit nachgestellt wird. Die angedeutete, immer mehr zur Geltung kommende Zusammenarbeit vollzieht sich vornehmlich auch i n den Verbänden und durch diese, und so ergibt sich so etwas wie „genossenschaftliche Zusammenarbeit", was die „Demokratie als Lebensform" ausmacht (Carl J. Friedrich). Die Verbände fassen die jeweiligen Interessen zusammen und bringen sie i n allseitiger gesellschaftlicher und politischer Kooperation zur Geltung. Schon die Tätigkeit der Verbände zur unmittelbaren Entlastung ihrer Mitglieder ist solche Zusammenarbeit, son insbesondere die Selbstverwaltung, die quasi-autonome Ordnungsfunktion, z.B. i m Tarifwesen. Das gleiche gilt aber auch für die Einflußnahme der Verbände auf den Staat, die vielfach zugleich vom Staat geforderte M i t w i r k u n g und Unterstützung ist. Was, für sich gesehen, als Kampf und „Pression" erscheint und subjektiv auch weitgehend so empfunden werden mag, ist i m Gesamtzusammenhang ein Moment allseitiger Zusammenarbeit. Den Beteiligten kommt dies meist erst i n der Situation akuten und vielleicht gefährlichen Konfliktes zum Bewußtsein. Auch darf man natürliche Ventile des emotionalen Haushaltes von Verbänden, die energiegeladene Kollektive sind, nicht sofort als Erpressung denunzieren. Erst recht sollte man an die Zusammenarbeit i m demokratischen Rahmen nicht die Maßstäbe eines zimperlichen Moralismus 37 Vgl. dazu Walter A d o l f Jöhr, Der Kompromiß als Problem der Gesellschafts-, Wirtschafts- u n d Staatsethik (Hecht u n d Staat, 208/209), Tübingen 1958.

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legen. Und den guten Willen, den w i r dem Träger amtlicher Funktionen ex officio, aber auch nur auf Kredit, zubilligen, dürfen w i r den Vertretern der Verbände nicht leichthin absprechen. Dieser moderne Grundzug allseitiger Zusammenarbeit, der sich unter dem Anschein „feudalistischer" Anarchie, „Vermachtung" und „Verapparatung" bemerkbar macht und vor allem i m übernationalen Bereich deutlich i n Erscheinung tritt, bedarf aber immer der politischen Konturierung, der rechtlich-staatlichen Ordnung, die Anspruch auf w i r k lich-maßgebliche Richtigkeit erhebt. Diese Ordnung kann jeweils verschieden ausgestaltet sein, aber so wie sie jeweils steht, sollte sie gewahrt werden. Ein solcher Anspruch darf deshalb erhoben werden, w e i l die Ordnung i n demokratisch-rechtsstaatlichen Formen geschaffen, bewahrt und nötigenfalls geändert wird. Solchen Ordnungstypen, mögen sie auch hinsichtlich ihres „demokratischen" Charakters noch so vermittelt sein, sind heute erst die westlichen Länder verpflichtet. Doch ist es von unserer gegenwärtigen Bewußtseinslage aus schwer vorstellbar, daß sie sich i m Zuge des weiterlaufenden Emanzipationsprozesses nicht über den ganzen Erdball verbreiten würden; vorausgesetzt, daß sich vorher keine Katastrophe ereignet. Ich glaube, daß eine umfassende philosophisch-politische Besinnung solche Ordnungstypen als den heute nicht mehr zu überholenden Zielpunkt aller bisherigen Bemühungen u m eine politische Ordnung erweisen würde. Ohne die wirklich-maßgeblichen Konturen einer rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung würde die heutige, dann bloß vermeintliche Zusammenarbeit i n der Tat entweder zur Anarchie entarten oder i n autoritären Apparaturen erstickt. Die Notwendigkeit der politischen Konturierung der Gesellschaft — die übrigens unabhängig von der heute geforderten besonderen rechtsstaatlich-demokratischen Form schlichten, für alle Zeiten gültigen anthropologischen Gegebenheiten entspricht 38 — w i r d nicht selten übersehen. Die staatsphilosophische Besinnung auf die Notwendigkeit einer unserer heutigen Lage entsprechenden politischen Konturierung der Gesellschaft ist aber der einzig verläßliche Kompaß i m Beziehungsgeflecht von Staat, Wirtschaft und Verbänden. M i t drei Feststellungen soll dies zum Schluß erläutert werden. Das erste: Natürlich ist die rechtlich-staatliche Ordnung i m nationalen und übernationalen Bereich auch immer das Ergebnis von gesellschaftlichen Kräften, und i n sie sollen gerade heute — wiewohl i n den gemäßen Formen des demokratischen Rechtsstaates — auch die i n den Verbänden liegenden Kräfte einströmen. Diese Ordnung hat aber i n der jeweiligen Kristallisation, die sie i n Verfassung, Gesetzen, Verord88 Dazu m e i n Aufsatz: Der Mensch als politisches Wesen, i n Der Staat, 2. Bd. (1963), 25 ff.

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nungen, Instruktionen und staatlichen Behörden und Einrichtungen annimmt, ihr Eigengewicht als die auf Richtigkeit angelegte stehende, demokratisch geschaffene Ordnung, die deshalb Anspruch auf rechtsstaatliche Beachtung erhebt; oder zumindest als die zu respektierende Ordnung demokratischer Spielregeln, wobei nicht übersehen werden darf, daß auch Spielregeln auf ein Richtiges verweisen und dieses voraussetzen, auch wenn es nur annähernd und vorläufig, d. h. insofern nur als ein Relatives formuliert werden kann. I n solcher Ordnung vollzieht sich heute durch die Parteien, das Parlament und die Regierung eine politische Gesamtintegration, welche die Verbände für sich allein nie zu leisten vermöchten. Der Staat und die zwischenstaatlichen Gebilde sind zweitens keine „pressure groups" 39 — selbst wenn die Verbände i n ihrer Entartung ausschließlich als solche i n Erscheinung treten sollten; sonst würde die politische Auseinandersetzung u m ihren Sinn gebracht. Andererseits sind die staatlichen Behörden keine „Obrigkeiten" mehr, die über echt originäre Kompetenzen verfügen würden. Ihre alleinige Macht besteht i n gesetzlicher Herrschaft, d. h. i n den demokratisch-rechtsstaatlich delegierten Befugnissen und i n den Verfahren und Formen, i n denen sie vom Gesetz bis zum Verwaltungsakt tätig werden. Davon ist getreuer und strikter Gebrauch zu machen, und gezogene Schranken sind einzuhalten. Die rechtlich-staatliche Ordnung ist schließlich drittens kein ein für allemal fixiertes Gebilde. Dies war sie schon bisher nicht und kann sie heute in einer rasch sich wandelnden Welt erst recht nicht sein. Als eine i n Bewegung befindliche Ordnung muß sie immer auch neu gestaltet werden. Dahin drängt vor allem die Dynamik organisierter Interessen, der immer neue Erlasse und Verwaltungsakte auf dem Fuße folgen, um das Dasein aller menschenwürdig zu gestalten. Aber alle Änderungen der rechtlich-staatlichen Ordnung müssen auch i n der sich überstürzenden Interessendynamik i n den nun einmal vorgesehenen demokratisch-rechtsstaatlichen Formen vor sich gehen. I n Abweichung vom Geist und Buchstaben dieser Ordnung können deshalb auch höchste Regierungsstellen m i t den Verbänden nicht paktieren. Die rechtlich-staatliche Ordnung t r i t t dort, wo sie gewahrt wird, als Herrschaft an die Stelle bloßer Macht. Sie ist der eigentliche Hort der Freiheit des einzelnen und seiner Personalität, auch gegen die Verbände, und damit zugleich der Hort freier Verbandsbildung und -gestaltung. I n dem Maße als diese Ordnung zurückgedrängt, aufgegeben, 30 Dies räumt, w i e w o h l zögernd u n d trotz der zentralen Stellung der einseitigen Kategorie „groupe de pression", auch Meynaud ein, a. a. O., 158 („jusqu'à nouvel ordre"!), 213 („Mais i l n'en résulte pas l'obligation de considérer les Etats comme des groupes de pression".), 336.

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aufgeweicht und verwischt wird, t r i t t bloße Macht wieder an ihre Stelle: Macht der jetzt nicht mehr legitimierten Behörden und Macht von einflußreichen einzelnen und vornehmlich von Verbänden. Die politisch konturierte gesellschaftliche Auseinandersetzung und Zusammenarbeit i m demokratisch-rechtsstaatlichen Rahmen w i r d dann zum Mechanismus von kruder Pression und Gegenpression. Dieser Entartung von Staat und Gesellschaft kann, wie w i r sahen, nur i n beschränktem Umfang m i t Institutionellem gesteuert werden, ihr ist vielmehr i n erster Linie durch das Tun und Lassen der Beteiligten und deren staatspolitische Gesinnung zu begegnen. Staatspolitische Gesinnung ist heute Selbstdisziplin aller i m Geist demokratisch-rechtsstaatlicher Ordnung. Dann würde das böse Wort von Frédéric Bastiat Lügen gestraft, das heute vielen so vertraut i n die Ohren klingt: „L'Etat, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde 40 ".

40 Zit. bei W i l h e l m Röpke, Maß u n d Mitte, Erlenbach-Zürich u n d S t u t t gart 1950, 250.

Diskussionsreferate Dr. H. J. Korselt, Hauptgeschäftsführer der Fédération des Syndicats des Fabricants de Panneaux et de Fibres, Brüssel Nach den Ausführungen von Herrn Professor Ryffel obliegt es m i r nun, zur Ergänzung einen Beitrag aus der praktischen Verbandsarbeit zu geben. Ich leite einen Industrieverband, i n dem sich die Landesverbände einer Branche von neun Ländern zusammengeschlossen haben. Es gehören dazu die EWG-Länder und auch einige EFTA-Länder, aber nicht die drei nordischen Staaten. 1. Zur Frage des Mandats eines internationalen Verbandes: Ich darf zur Frage der Interessenbildung und -Vertretung i n einem Verband einige Beispiele geben. Sie wissen, es laufen jetzt die Verhandlungen der Kennedy-Runde i n Genf an. Es wurde auf unserer Generalversammlung die Frage erörtert, welche Stellungnahme w i r dazu abgeben sollen. Die EFTA-Länder sagten, w i r sind selbstverständlich für eine Herabsetzung der Zölle, die EWG-Länder plädierten dagegen für eine Beibehaltung der Zollhöhe. Damit war klar, daß unser europäischer Verband kein Mandat hatte, i n dieser Frage tätig zu werden. Es war ferner klar, daß die EFTA-Gruppe und die EWGGruppe jeweils für sich intervenieren. Das Sekretariat des europäischen Verbandes i n Brüssel hat i n solchen Fällen lediglich die Aufgabe, die Verbindung zwischen den beiden Gruppen aufrechtzuerhalten. Man spielt also i n dem europäischen Verband auch einmal i n einzelnen Gruppen gegeneinander. Während i n diesem Fall ein gemeinsames Interesse nicht gefunden werden konnte, kommt es vor, daß durch eine Erörterung i m internationalen Rahmen eine Veränderung der Auffassung von dem, was als eigenes Interesse erscheint, eintritt und sich daraufhin ein gemeinsames Interesse an Stelle früherer Gegensätze bildet. Das Mandat eines Verbandes reicht grundsätzlich so weit, wie die gemeinsamen Interessen der Mitglieder. Gemeinsame Interessen einer Gruppe können aber auch erst dadurch entstehen, daß eine andere Gruppe sich zusammengeschlossen hat oder gemeinsam vorgeht, so daß unter Umständen die Existenz eines Zusammenschlusses den Grund abgibt für die Bildung eines anderen Verbandes, der den Einfluß des ersten ausgleichen soll.

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2. Zur Koordination: Internationale Verbände der Wirtschaft des Westens scheinen m i r geradezu eine Notwendigkeit zu sein zum Ausgleich gegenüber dem geschlossenen Vorgehen der Länder des Ostens. Hierzu sei ein kleines Beispiel von einer Konferenz i m Rahmen der ECE i n Genf mitgeteilt. Dieses Beispiel hat keinen vertraulichen Charakter, wie die meisten bedeutenderen Fälle dieser A r t . A u f der Konferenz waren auf der Seite der Ostländer vertreten: zwei Sowjetrepubliken, Polen, Ungarn, Rumänien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien. Die Ostländer hatten als Regierungsvertreter die Leiter der interessierten Industriegruppe oder der Werke entsandt. Wenn also z.B. der Vertreter der Sowjetrepublik Ukraine sprach, dann sprach er über die Produktionskapazität dieser Industriegruppe i n der Ukraine. Die Koordination des Vorgehens der Ostländer war vor der Sitzung erfolgt und wurde während der Sitzung von einem der ständigen diplomatischen Vertreter der Sowjetunion i n Genf besorgt. Die meisten Länder des Westens waren durch Beamte der zuständigen Ministerien vertreten. Nur zwei Länder des Westens hatten Persönlichkeiten aus der interessierten Industrie m i t der Vertretung beauftragt. I m Laufe der Konferenz stellten die Vertreter der Ostländer geschlossen den Antrag, einen Erfahrungsaustausch für Herstellungsverfahren einzuleiten. Das Sekretariat der ECE hatte den westeuropäischen Verband zu der Tagung eingeladen, und als die Forderung der Ostländer akut wurde, schickten einige Vertreter der Regierungen des Westens Fragezettel an die Vertretung des westeuropäischen Verbandes. Nach der Beantwortung dieser Fragen ergab sich, daß die Delegierten des Westens die Forderungen des Ostens ablehnten. Das war vorher nicht sicher gewesen. I n diesem Falle war dank der Einsicht der Regierungsvertreter einiger großer Länder des Westens und der Anwesenheit des westeuropäischen Verbandes noch i m letzten Augenblick eine Koordination der Haltung der westlichen Länder erfolgt. Es bleibt zu fragen, ob das auch gelungen wäre, wenn die gute Koordination auf der Seite der Ostländer weniger offensichtlich gewesen wäre. 3. Zur Einstellung der Staaten zu den Verbänden: Als Ergänzung zum Thema Staat und Verbände ist hervorzuheben, daß die Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Regierung i n den einzelnen Ländern des Westens sehr verschieden ist. So ergab es sich, daß bei einer Konferenz i m Rahmen der OECD als Regierungsvertreter einiger Länder die Geschäftsführer der interessierten Industrieverbände erschienen, während die anderen Länder durch die zuständigen Beamten der Ministerien vertreten waren. Das kann unter Umständen zu leichten Siegen der Industrievertreter, die als Regierungsvertreter auftreten, über die beamteten Regierungsvertreter führen und damit i m

Diskussionsreferate Ergebnis zu Vorteilen derjenigen nationalen Industrie, die zur Vertretung ihrer Interessen die Autorität der Regierung geliehen erhielt. Da es schwer ist, solche Vorteile wieder wettzumachen, wenn die Verhandlung abgeschlossen ist, w i r d häufig versucht, i m Wandelgang vor dem Konferenzraum dem beamteten Regierungsvertreter gewisse Sachkenntnisse zur Verfügung zu stellen oder i n letzter Minute zu erklären, was nur den unmittelbar Beteiligten bekannt sein kann. Diese Versorgung mit Kenntnissen i n letzter Minute setzt dreierlei voraus: 1. den guten Willen des beamteten Regierungsvertreters, 2. einen Verlauf der Verhandlung, der Gelegenheit zur kurzfristigen Verbindung i m Wandelgang bietet und 3. daß der Sachkundige es hinnimmt, vom Wandelgang aus zu wirken. Für diese A r t der Einflußnahme i m Wandelgang sind ganz offenbar nicht die Gruppen verantwortlich, die sich i m Wandelgang vertreten lassen müssen, sondern die Staaten, die ihre Autorität direkt ihren Interessengruppen leihen. Es mag sein, daß es einen Lobbyismus gibt, der keine Berechtigung hat oder nur schädlich ist. Diese negativen Formen der Einflußnahme sind m i r in meiner Praxis bisher nicht begegnet, und ich kann m i r auch nicht vorstellen, i n welchem Falle sie m i t einiger Aussicht auf Erfolg angewandt werden könnten. Es liegt meines Erachtens i m Interesse des Staates wie der Verbände, daß die Zusammenarbeit i n klaren Formen und i n ausreichendem Maße erfolgt. Deshalb dürfte w o h l immer häufiger eine Institutionalisierung oder Normierung der Zusammenarbeit von Staat und Verbänden gefordert werden. Es kommt hierbei nicht so sehr darauf an, den Verbänden Brief und Siegel für ihre Existenz zu verleihen als darauf, die Sachkenntnis der Verbände und die Autorität der Regierung rechtzeitig zusammenzuführen, d.h. eine Konsultation der Verbände seitens der Regierung als das Normale zu erreichen. Die Regierungen und besonders die Ministerialbeamten sollen m i t den Verbänden nicht erst i n Verbindung treten, wenn eine Entscheidung getroffen ist, sondern wenn überlegt wird, ob eine Entscheidung oder Maßnahme getroffen werden soll. Eine Konsultation der Verbände, wenn die Überlegungen der Behörde noch nicht abgeschlossen sind, hat unter anderem den Vorteil, Irrtümer seitens der Behörden zu vermeiden. Eine Behörde verglich einmal für eine bestimmte Industrie die Herstellungskosten i n den verschiedenen Ländern der EWG und stellte dabei fest, daß diese Industrie i n Deutschland offenbar etwas höhere Herstellungskosten hatte als i n einigen anderen EWG-Ländern. Es lag die Vermutung nahe, daß diese Industrie i n Deutschland weniger rationell arbeitete oder ungünstigere Bedingungen hatte. I n Wirklichkeit war weder das eine noch das andere der Fall. Es handelte sich u m eine Industrie, bei der der Anteil der Energiekosten an den Herstellungskosten 25—30 % beträgt.

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Der Unterschied i n den Herstellungskosten, den die Behörde gefunden hatte, war ausschließlich auf die wesentlich höhere Steuer zurückzuführen, m i t der die Bundesrepublik eine bestimmte Energieart besteuerte. M i t der Angleichung der Steuern i m EWG-Raum sollte dieser Unterschied verschwinden, und deshalb war die Behörde auch weiteren Überlegungen grundsätzlicher A r t zum Thema Standortprobleme i m Gemeinsamen M a r k t enthoben. Wie unangenehm wäre es für alle Beteiligten gewesen, wenn die Ursächlichkeit der hohen Steuer für die höheren Herstellungskosten i n der Bundesrepublik der Behörde erst hätte entdeckt werden können, nachdem eine behördliche Ausarbeitung zum Thema Standortprobleme — womöglich m i t Empfehlungen — erschienen wäre. 4. Zur Arbeit innerhalb der Verbände: Die Arbeit innerhalb der Verbände hat für das Verhältnis der Verbände zum Staat keine unmittelbare Bedeutung, aber der Staat muß i m Zeitalter der Industriegesellschaft ein Interesse daran haben, daß diese Arbeit erfolgreich getan wird. I n den Verbänden werden Informationen ausgetauscht, die dazu beitragen, daß die Unternehmer sich wirtschaftlich richtig verhalten. Eine dieser Informationen ist die Statistik, m i t der das Verhältnis von Angebot und Nachfrage aufgezeigt wird. Es ist vorgekommen, daß durch einen Mangel an Ubersicht über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu große Produktionskapazitäten geschaffen wurden. Volkswirtschaftlich gesehen sind das Fehlinformationen, und es ist eine wesentliche Aufgabe der internationalen Branchenverbände, die Lage der eigenen und konkurrierenden Branchen so weit aufzuklären, daß das Anlage suchende Kapital erkennen kann, wo Investitionen sinnvoll sind. Darüber hinaus werden Analysen benötigt, die z.B. die Lage einer Branche i m Verhältnis zur Entwicklung der Gesamtwirtschaft eines Landes, der EWG, der OECD usw. erkennen lassen. Die Großunternehmen haben für diese Analysen ihre volkswirtschaftlichen Abteilungen, bei der mittelständischen I n dustrie müssen derartige Aufgaben häufig von den Verbänden erledigt werden. Der Verband stellt i n unserem Falle wie i n vielen anderen auch das Forum dar, i n dem man bespricht, wie man durch gemeinsame Aktionen verhältnismäßig neue Produkte dem Verbraucher i n ihren vielen Anwendungsmöglichkeiten vorstellt und wie man die Produkte weiterentwickelt. Durch das Bemühen u m bessere und schönere Erzeugnisse und die Werbung ist es bis jetzt gelungen, die Masse der Haushalte i n Europa zu veranlassen, jeden Monat etwas mehr auszugeben und zu verbrauchen. Darin liegt — vereinfacht ausgedrückt — der wesentliche Faktor der positiven Konjunktur. Würde die Masse der Haushalte anfangen, weniger auszugeben, dann würde die Wirtschaft i n Europa bereits nach einem Jahr i n eine ernste Krise geraten.

Diskussionsreferate W i r haben in Deutschland i m Jahre 1933 erlebt, wie eine Wirtschaftskrise zum Verlust der politischen Ordnung führen kann, w i r sollten deshalb erkennen, daß i n unserer Zeit das Wohlergehen des Staates vom Wohlergehen der Wirtschaft abhängt. I n Frankreich wurde aus dieser Erkenntnis die richtige Folgerung gezogen. Die französische Regierung unterstützt mit finanziellen und steuerlichen Mitteln die Rationalisierung der französischen Wirtschaft und fördert insbesondere i n der Industrie eine Zusammenarbeit, wie sie sich die Verbände nicht besser hätten wünschen können.

Diplomvolkswirt O. Kersten, Sekretär des Europäischen Gewerkschaftssekretariats (SBFG), Geschäftsführer des Kontaktausschusses der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft, Brüssel Gestatten Sie m i r einige Vorbemerkungen. Ich möchte näher eingehen auf die Einflußmöglichkeiten, die Verbände i m Rahmen der Institutionen der EWG haben. Wenn Herr Professor Ryffel gerade auch i n dieser Frage der Rolle des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) einige kritische Bemerkungen gewidmet hat, so kann ich dazu zunächst folgendes ausführen. Sie wissen, daß Ausschüsse dieser A r t nicht i n allen Ländern der EWG bestehen. Sie wissen darüber hinaus, daß die Einflußmöglichkeiten, die Organisationsformen der einzelnen Verbände und die entsprechenden Organe nicht i n allen Ländern gleich sind. Genau wie i n anderen Bereichen, so kann also auch hier das europäische Werden der sog. Nichtregierungsorganisationen und der Formen ihrer Mitarbeit in der EWG nicht eine bloße Addition der nationalen Gereimtheiten oder Ungereimtheiten sein. Noch eine zweite Vorbemerkung zu der Stellung des WSA. Bitte, sehen Sie — und das ist besonders die Stellungnahme der Freien Europäischen Gewerkschaften — den WSA nicht nur als einen bloßen Interessenverband. Es gibt politische Willensbekundungen der Mehrheit der Mitglieder dieses Ausschusses und der darin vertretenen Organisationen, die zum Ausdruck bringen, daß der Ausschuß auch eine gewisse europäisch-politische Bedeutung hat, insbesondere solange wie einem europäischen Parlament nicht die i h m zustehenden Entscheidungsbefugnisse gegeben werden. Aus diesem Grunde haben besonders die Arbeitnehmer innerhalb des Ausschusses nachdrücklich hervorgehoben, daß sie den WSA auch als ein europäisch-politisches Sprachrohr der politisch beachteten, politisch relevanten Organisation betrachten. Was wollen die Organisationen, die i m WSA vertreten sind, und was wollen insbesondere die Gewerkschaften? Hier ist so etwa angeklungen, daß vielleicht doch Tendenzen zu verzeichnen sind, die einen Schritt weg von der Demokratie bedeuten. Einen Schritt weg von der Demo13

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kratie deshalb, w e i l man den Stellungnahmen eines solchen Ausschusses vielleicht mehr Bedeutung beimißt als der Stellungnahme des Europäischen Parlaments. Ich sage Ihnen mit Nachdruck, daß — jedenfalls von Gewerkschaftsseite — der WSA hinsichtlich seiner Funktion einer gewichtigen „Interessenvertretungsinstanz" lediglich als ein beratendes, und dabei liegt die Betonung auf beratendes, Organ anerkannt wird. Sie wissen sicherlich, daß i n den Stellungnahmen der europäischen Gewerkschaften immer wieder sehr nachhaltig gefordert worden ist, dem Europäischen Parlament durch Übertragung von echten Entscheidungsbefugnissen eine politische Stärkung widerfahren zu lassen. Eine letzte Vorbemerkung. Es werden i n Brüssel, besonders bei der Kommission der EWG, i m wesentlichen nur europäische Organisationen als „anhörungsberechtigt" anerkannt, die i m Rahmen der Sechs gebildet sind. Selbstverständlich können auch nationale Kontaktstellen von irgendwelchen Interessengruppen i n Brüssel ein Büro einrichten oder auch internationale Verbände sowie Organisationen auf der Ebene eines anderen europäischen Niveaus. Ich denke da ζ. B. gerade an verschiedene Organisationen, denen ebenfalls die Interessenvertretung von Verbänden aus EFTA-Ländern übertragen wurde. Den Unterschied zwischen Interessenverbänden auf der supranationalen Ebene — also der EWG-Ebene — und den Verbänden auf der nationalen Ebene haben Sie vielleicht teilweise auch schon aus den Worten meines Vorredners erkennen können. I n den übernationalen Interessengruppen gibt es eine gewisse Filterung der Interessen durch ganz bestimmte ökonomische und gesellschaftliche nationale Unterschiedlichkeiten. Verschiedenheiten i n der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur bewirken oft unterschiedliche materielle Interessen, unmittelbare Interessen, die i n dem Zusammenwirken dieser nationalen Verbände innerhalb eines europäischen Verbandes doch zu einer gewissen Filterung, oftmals sogar Neutralisierung der unmittelbar wirkenden Interessen führen. Ich glaube, w i r brauchen uns nur einmal die Stellungnahmen des COPA (Organisation der bäuerlichen Betriebe innerhalb der EWG) anzusehen. Diese Organisation kann keineswegs derartig klare Stellungnahmen abgeben, wie sie beispielsweise vom deutschen oder vom französischen Bauernverband abgegeben werden. Dazu sind einfach die Interessenlagen, beispielsweise italienischer Reisbauer, deutscher Getreidebauer oder französischer Weinbauer und deutscher Weinbauer, zu verschieden. Der Kompromiß schwächt den Gehalt der europäischen Stellungnahme. Die freie europäische Gewerkschaftsbewegung ist nicht nur aus ökonomischen oder sozial-ökonomischen Gründen gebildet worden, sondern, wie Sie wissen, haben sich die freien Gewerkschaften die politische

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Integration Europas als ein vordringlich zu lösendes Ziel gestellt. Dies w i r d auch aus dem Tatbestand ersichtlich, daß neben den demokratischen politischen Parteien auch die demokratischen Gewerkschaften Mitglieder des Monnet-Ausschusses sind, der die wirtschaftliche Vereinigung Europas lediglich als ein Vorstadium der europäischen politischen Integration betrachtet. Ich habe Ihnen nunmehr die Möglichkeiten und Grenzen der Einflußnahme zu erläutern. Ich darf zunächst kurz von der europäischen Gewerkschaftsarbeit berichten und danach einige Ausführungen über die Verbrauchervertretung hinzufügen. Die Gewerkschaften sind seit 1958 i n Brüssel, d.h. sogleich nach Bildung des Gemeinsamen Marktes vertreten. Sie haben dort ein ständiges Sekretariat. I n diesem Sekretariat sind vereinigt die sieben freien Gewerkschaften Europas, also nicht die kommunistischen oder kommunistisch beeinflußten Gewerkschaften Frankreichs und Italiens. Wer macht also wie, was, dort i n Brüssel? Da gibt es zunächst das vorgenannte Sekretariat. Dieses Sekretariat ist vorwiegend erst einmal für die Betreuung der Arbeitnehmergruppe innerhalb des WSA zuständig. Weiterhin ist es verantwortlich für die vielfältigen Kontakte m i t allen gemeinschaftlichen Institutionen. Wie geschieht das? Zunächst erst einmal — wie es schon angedeutet wurde — auf der institutionalisierten Ebene, wenn man diese Wortbildung gebrauchen darf. Dabei ist vor allem die Mitarbeit i m Wirtschafts- und Sozialauschuß zu erwähnen. Davon ist bereits ausführlich i m Vortrag von Herrn Professor Dr. Ryffel berichtet worden. Aber neben dem WSA gibt es auf einer anderen, mehr technischen Ebene, i m Rahmen des Vertrages, beziehungsweise i m Rahmen der Beschlüsse des Ministerrates, weitere institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit von Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften. So gibt es z.B. einen i m Vertrag vorgesehenen beratenden Ausschuß für den Sozialfonds, in dem Regierungsvertreter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind, aufgebaut nach dem Prinzip, wie es i n der Internationalen Arbeitsorganisation angewandt wird. Es gibt weiterhin einen beratenden Ausschuß für die Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, der Gastarbeiter, wie sie auch genannt werden, i n dem auch Regierungen und Sozialpartner zusammenarbeiten. I n Kürze w i r d noch ein dreigliedriger beratender Ausschuß für die gemeinsame europäische Berufsausbildungspolitik gebildet werden. Diese institutionalisierte Einflußnahme erfolgt auf der Grundlage von Beschlüssen, Verordnungen oder Vertragsbestimmungen des Rom-Vertrages. Ich muß natürlich erwähnen, daß neben diesen sammengesetzt sind, bestehen. Diese Ausschüsse haben i m allgemeinen beratenden Ausschüssen i n dem Sozialbereich selbstverständlich auch noch Verwaltungsausschüsse, die nur aus Regierungsvertretern zu13*

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mehr Einfluß auf die Gestaltung und die Durchführung der einzelnen Verordnungen. I m Bereich der Wirtschaft, der Finanzen und der Währung, des Verkehrs, der Energiepolitik, der Kartellpolitik gibt es keine permanenten Ausschüsse, i n denen Verbände vertreten sind. Hier besteht lediglich die Möglichkeit, durch „ad-hoc-Hearings" Einflußnahme auszuüben. I m landwirtschaftlichen Bereich jedoch findet man wieder die institutionalisierte Interessenvertretung. Davon werde ich nachher noch zu sprechen haben. Ein zweiter Kreis der Einflußnahme besteht i n den sog. „ad-hoc"Beratungen. Das sind also jene Sitzungen, die einberufen werden für die Erörterung genau bezeichneter Probleme. Diese Besprechungen sind praktisch als „Anhörungen" der Auffassungen der Sozialpartner bzw. der daran interessierten Organisationen anzusehen. Hierzu gehören vornehmlich die für die Gewerkschaften wichtigen übrigen Teilgebiete des Sozialbereiches. So werden z.B. Sitzungen über Sozialen Wohnungsbau, soziale Sicherheit, Arbeitszeit u. a. einberufen; dort werden Stellungnahmen, die die Kommission abzugeben gedenkt, diskutiert und die Auffassungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu diesen Fragen vorgetragen, dort werden die Grenzen abgesteckt, inwieweit eine soziale Harmonisierung i n Europa Platz greifen kann. A u f dem Gebiet des Wettbewerbs gibt es auch derartige ad-hoc-Verbindungen m i t den zuständigen Dienststellen der EWG-Kommission. Hierbei werden insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsangleichung, wie sie i m Rom-Vertrag i n den A r t i k e l n 100 if. festgelegt ist, die Auffassungen des Kontaktausschusses der Verbraucher auf europäischer Ebene eingeholt. Die Kommission veranstaltet Informationsbesprechungen m i t den Sachverständigen der an den jeweiligen Fragen interessierten Organisationen und Verbände. I n diesen Sitzungen treten alle Verbände gleichzeitig auf, wodurch ein gewisses Gleichgewicht der unterschiedlichen Auffassungen geschaffen wird. Wenn beispielsweise bei der Erörterung von Richtlinien über den Vertrieb pharmazeutischer Produkte sowohl die Vertreter des europäischen Fachverbandes der pharmazeutischen Industrie und der industriellen Dachverbände als auch die Meinungen der europäischen Ärzte- und Apothekervereinigungen, der Gewerkschaften sowie der Verbraucherorganisationen vertreten sind, kann die Kommission auf der Grundlage einer kritischen Gegenüberstellung der meist erheblich voneinander abweichenden Argumente eine Synthese erarbeiten, die i m wohlverstandenen Allgemeininteresse liegt. Derartige Informationsbesprechungen werden daher von den Gewerkschaften und den Verbraucherorganisationen ständig gefordert, u m einseitige Beeinflussungen auf bestimmte EWG-Vorhaben zu vermeiden.

Diskssionsreferate Auf Grund der Konzeption des Vertrages w i r d jedoch bereits bei der Ausarbeitung der europäischen Rechtsregelungen sehr eng m i t den Sachverständigen der nationalstaatlichen Verwaltungen Kontakt aufgenommen. Diese Kontaktaufnahme, zu der die Kommission keineswegs i m mer verpflichtet ist, ist jedoch i n der Praxis so nachhaltig, daß die endgültigen Vorlagen der Kommission i n der Regel von dem Kompromiß der unterschiedlichen Regierungsexpertenauffassungen (gekennzeichnet sind. W i r haben dazu stets kritisch vermerkt, daß unsere Vorschläge i n den Dokumenten, die dem Ministerrat zur Entscheidung vorliegen, i n den wenigsten Fällen noch aufzuspüren sind. Das gleiche ist auch i m allgemeinen über das Schicksal von Stellungnahmen des WSA zu sagen. Die endgültigen Beschlüsse des Ministerrats tragen unserer A u f fassung nach zu sehr den Charakter eines Kompromisses zwischen den unmittelbaren ökonomischen Interessen der Mitgliedstaaten. Eine Einschätzung dieser „unmittelbaren Interessen" würde sicherlich ergeben, daß diese nicht immer m i t den „nationalen Interessen" in ihrer Gesamtheit vereinbar sind. Auch auf der Ebene mehr technischer Vorschläge, wie ζ. B. für fachgerechte Ubersetzungen, folgt man nicht immer den Vorstellungen der Sachverständigen des Wirtschafts- und Soziallebens. Dazu möge folgendes — für Außenstehende unerhebliches — Beispiel etwas aussagen: I m WSA wurde die Ubersetzung des französischen Wortes „effet" behandelt. „Effet" entspricht dem deutschen Wort „Wirkung" und nicht „Wirksamkeit", wie es i n der deutschen Fassung des Kommissionsvorschlages heißt. Zwischen therapeutischer Wirksamkeit und therapeutischer Wirkung besteht zumindest ein gradueller Unterschied. Hin^ sichtlich der juristisch fundierten Festlegung von Kriterien zu diesem Begriff gab es dann auch erhebliche Schwierigkeiten. Hier wären bei der Berücksichtigung unserer Vorschläge manche unnötigen Schwierigkeiten vermieden worden. Unsere Einflußnahme auf der Ebene von ad hoc anberaumten Sitzungen und Besprechungen ist ebenfalls i n gewissen Grundfragen i n allen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichen der Europäischen Gemeinschaften zu verzeichnen. So gibt es Rundtischgespräche m i t hohen Beamten der EWG auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftspolitik und der Verkehrspolitik. Die gewerkschaftliche K r i t i k richtet sich dabei insbesondere dagegen, daß diese Dienststellen der EWG nahezu ausschließlich m i t den Regierungen zusammenarbeiten, auf der anderen Seite jedoch i m Konjunkturbereich Einkommensfragen ansprechen, die zu einem großen Teil i n das ausschließliche Aufgabengebiet der autonomen Tarifparteien fallen. Die Gewerkschaften haben unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie i m Rahmen der Durchführung einer mittelfristigen Wirtschaftspolitik innerhalb der Gemeinschaft

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keine Verantwortung für etwas übernehmen können, woran sie nicht initiativ mitgewirkt haben. Eine über den WSA hinausgehende institutionalisierte Konsultation ist eine Vorbedingung für das gewerkschaftliche „Ja" zur mittelfristigen Wirtschaftspolitik der EWG. Gestatten Sie mir, noch einiges zur Verbraucherarbeit auszuführen. Die Verbraucher haben sich leider erst i m A p r i l 1962 auf der europäischen Ebene i n einer Dachorganisation, dem Kontaktausschuß der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft, zusammengefunden. Ich darf hinzufügen, daß dieser Zusammenschluß auch auf Grund eines leichten Drucks der Kommission geschah. Es gibt Hunderte von Organisationen, die sich m i t Verbraucherfragen befassen. Jede erhebt den Anspruch, allein berechtigter Vertreter der Verbraucher zu sein. Die Kommission hatte allen Organisationen geraten, sich i n einer schlagkräftigen Organisation auf der europäischen Ebene zusammenzufinden, damit der Marktpartner Verbraucher auch i n organisierter Form bei der Bildung des Gemeinsamen Marktes Einfluß nehmen kann. Dies geschah auch i m Hinblick auf die Auffassungen der Produzentenverbände, die unbedeutende und wenig repräsentative Organisationen nicht als Gesprächspartner akzeptieren wollten. Der vorgenannte Kontaktausschuß der Verbraucher, i n dem alle Verbraucherverbände, Hausfrauenorganisationen, Familienverbände, demokratische Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften vertreten sind, wurde vom Präsidenten der EWG, Herrn Professor Hallstein, und auch von den anderen Exekutiven als der für Verbraucherfragen repräsentative Ausschuß anerkannt. Es liegt nahe, daß i n der Verbraucherarbeit besonders die landwirtschaftlichen Fragen der Durchführung der gemeinschaftlichen Agrarpolitik erhebliche Bedeutung haben. Nicht nur weil sie i m Vertrag unmittelbar angesprochen sind, sondern auch w e i l der Warenkorb der mittleren Verbrauchergruppe i m EWG-Durchschnitt noch zu fast 40 °/o aus Nahrungs- und Genußmitteln zusammengesetzt ist. Die EWG-Kommission hat auf unser Verlangen den Verbrauchern 16 Sitze i n den bei der Generaldirektion für Landwirtschaft gebildeten beratenden Ausschüssen für gewisse landwirtschaftliche Produkte zugestanden. I n diesen Ausschüssen sind auch die Sachverständigen der landwirtschaftlichen Erzeuger, der industriellen Verarbeitung und des Handels vertreten. Die Fragen, die i n diesen Ausschüssen behandelt werden, sind zumeist technischer Natur. Es muß eingestanden werden, daß der Verbrauchereinfluß dort geringer als der der anderen Verbände ist. Auch auf landwirtschaftlichem Gebiet ist die Kommission auf dem Gebiet der Rechtsangleichung tätig. Hierbei geht es vor allem um die Förderung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs m i t landwirtschaftlichen Produkten. Die A r t und Weise, wie hierbei vom Kontaktausschuß der Verbraucher Einfluß ausgeübt wird, unterscheidet sich hinsichtlich des

Diskssionsreferte angewandten Verfahrens von den Praktiken, die i n der Generäldirektion Wettbewerb geübt werden. Die Kommission bittet uns, bevor sie ihren Vorschlag dem Ministerrat weiterleitet, u m die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu einem Arbeitsdokument der zuständigen EWGDienststellen. Ein gleiches Konsultationsverfahren gilt auch für die an diesen Fragen interessierten landwirtschaftlichen und industriellen Verbände sowie für die Handelsverbände. W i r dürfen sagen, daß auf diesem Gebiet unsere Auffassungen gebührend berücksichtigt werden, insbesondere bei der Rechtsangleichung nationaler Vorschriften für Lebensmittel. Dennoch haben w i r des öfteren grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Konzeption dieser Rechtsangleichung vorgetragen. Dem Wortlaut der A r t i k e l 100 if. ist zu entnehmen, daß diese Rechtsangleichung primär unter dem Wettbewerbsgesichtspunkt zur Verminderung von Störungen beim guten Funktionieren des Gemeinsamen Marktes aufzufassen ist. Dabei können solch wichtige Fragen wie die Gewährleistung der Volksgesundheit und Vermeidung von Täuschungen der Verbraucher bei der Festlegung der Richtlinienbestimmungen zu kurz kommen. Keineswegs teilen w i r die Auffassung, daß mittels derartiger Richtlinien für den Verbraucher gute lebensmittelrechtliche Regelungen i n einzelnen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden dürfen. Es dürfen auch nicht nur vertikale Lösungen — darunter sind Richtlinien für einzelne Produkte zu verstehen — vorgeschlagen werden. Horizontale Maßnahmen, zum Beispiel die Kennzeichnungspflicht für alle Lebensmittel, müssen mehr und mehr von der EWG-Kommission dem Ministerrat unterbreitet werden. W i r stehen auf dem Standpunkt, daß neben dem Art. 100 noch andere A r t i k e l zu berücksichtigen sind, Artikel, die deutlich erkennen lassen, daß die Verfasser dieses Vertrages die Hebung des Lebenstandards der Bevölkerung als vordringlich zu lösende Aufgabe anerkannt haben. So haben w i r z.B. eindeutig dagegen Stellung genommen, daß m i t der ζ. Z. dem Ministerrat vorliegenden Schokoladenrichtlinie die deutsche Kennzeichnungspflicht für Schokoladenprodukte abgeschwächt wird. W i r haben diese Vorstellungen auch den uns nahestehenden Mitgliedern i m Europäischen Parlament und i m WSA vorgelegt. Auch diese Gremien haben bei der Abgabe ihrer Stellungnahme unsere Auffassung gebilligt. Sicherlich sind w i r bereits auf diesem Gebiet als eine politisch beachtete „Interessengruppe" anerkannt. Hinsichtlich des Einflusses auf die gemeinsame Wettbewerbs- und Kartellpolitik der Gemeinschaft ist zu sagen, daß der Kontaktausschuß der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft durch die Abgabe von Stellungnahmen an die EWG-Kommission einige Erfolge aufzuweisen hat. Hierbei fehlt es jedoch an institutionellen Formen, u m einen per-

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manenten und nachhaltigen Einfluß auszuüben. Zur Zeit beschränkt sich unsere Einflußnahme darauf, daß w i r i n der europäischen Öffentlichkeit unsere K r i t i k vortragen und die modernen Kommunikationsmittel, wie Zeitung, Rundfunk und Fernsehen, dafür Sorge tragen, daß alle daran interessierten Stellen diesen von uns ausgeübten Druck spüren. Seit langem ist unsererseits bereits die Bildung eines beratenden Kartellausschusses vorgeschlagen worden, i n dem auch die Sachverständigen des Wirtschafts- und Soziallebens vertreten sein sollen. Leider zögern hier die Kommission und die Regierungen, unseren Vorschlag anzunehmen. Abschließend seien m i r auch i m Hinblick auf die Ausführungen meines Herrn Vorredners noch einige grundsätzliche Bemerkungen zur Tätigkeit von Verbänden und Organisationen auf der übernationalen Ebene gestattet. Aus einem von der EWG-Kommission aufgestellten Verzeichnis über die bei der EWG-Kommission akkreditierten W i r t schafts» und Berufsverbände geht hervor, daß i m Jahre 1963 nahezu 300 derartige Organisationen registriert waren. Ich gestatte m i r jedoch, darauf hinzuweisen, daß hier Unterschiede hinsichtlich der Zielsetzung dieser vielen Verbände und Vertretungen bestehen. Zwei große Gruppen schälen sich heraus: 1. Verbände, die unmittelbare, materielle Interessen bei der Gestaltung des Gemeinsamen Marktes zu vertreten haben, und 2. Organisationen, deren Zielsetzungen unter Berücksichtigung der i m EWG-Vertrag enthaltenen Bestimmungen deutlich erkennen lassen, daß ihre Interessenvertretung ausdrücklich mittelbarer Natur ist. Z u der erstgenannten Gruppe gehören bestimmt die industriellen Fachverbände auf der Ebene der Branchen, zur zweiten sicherlich der Zusammenschluß der Gewerkschaftsbünde und der Verbraucher. Die Erfahrung zeigt auch, daß die Abstimmung und die Meinungsbildung derjenigen Gruppen, die m i t unmittelbar wirkenden Interessenlagen zu tun haben, wesentlich schwieriger ist. Doch gibt es auch manchmal Probleme hinsichtlich der Bildung einer gemeinsamen europäischen Auffassung bei Gewerkschaften und Verbrauchern. Dafür sei als Beispiel angeführt, daß anläßlich der Beratungen für die gemeinsame Energiepolitik i m WSA die Arbeitnehmergruppe keine einheitliche Auffassung vertreten konnte. I n derartigen Fällen w i r d jedoch meist sichtbar, daß verständlicherweise unmittelbare Interessen überwiegen. I n diesem Fall oszillierten die Interessen um Kohle und ö l . I m großen und ganzen ist aber zu sagen, daß bei der Abstimmimg der Auffassungen innerhalb der Arbeitnehmergruppe i m WSA weniger Schwierig-

Diskssionsreferte keiten auftraten als i n den Gruppen der Industrie, des Handels und der Landwirtschaft. Ähnliches ist von Verbraucherseite zu berichten. I m ganzen ist eine größere Homogenität der Auffassungen zu verzeichnen. Dennoch gibt es bei der gemeinschaftlichen Meinungsbildung dann Schwierigkeiten, wenn unterschiedliche Gebrauchsgewohnheiten oder darauf aufbauende Verbrauchsphilosophien die Diskussion u m Einzelprobleme erschweren. Hierbei ist beispielsweise nur die Diskussion u m die festzulegenden Kriterien für Qualitätsweine zu erwähnen: sind Anbaugebiete wichtiger als Reinheitskriterien, sind subjektive Geschmacksurteile bestimmbar, oder ist Naßzuckerung verwerflicher als Anreicherung m i t Säuren usw.? Darauf gibt es nicht immer eindeutige „europäische Antworten". A u f Grund des Gesagten und unter besonderer Berücksichtigung der vorher notwendigen Abstimmungen zwischen den einzelnen nationalen und regionalen Vertretungen i n den Verbänden kann allgemein festgestellt werden, daß der Einfluß übernationaler Verbände i m Vergleich zur Wirksamkeit nationaler Gruppen schwächer sein muß.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und seine Rechtsprechung Von Walter Strauß

I. Eine überraschende Folge des zweiten großen Krieges unseres Jahrhunderts, die i n dieser Intensität nicht erwartet werden konnte, ist die Zunahme der internationalen Verflechtungen jeder Art. Sie drückt sich naturgemäß auch i n der starken Vermehrung der internationalen Vertragspraxis aus und stellt neue Probleme der zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen und der Interpretation zwischenstaatlichen Rechts. Unter den vielfältigen Erscheinungen internationaler Zusammenarbeit, die nach 1945 entwickelt wurden, gebührt den drei Europäischen Gemeinschaften — der Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Atomgemeinschaft (Euratom) — ein besonderer Rang. Bezweckte die 1952 errichtete EGKS nur die Vergemeinschaftung eines Teilbereiches der Wirtschaft der Vertragsstaaten, so ist Ziel der EWG die Herstellung eines „Gemeinsamen Marktes" (Art. 2 EWG-Vertrag), also eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes der sechs Mitgliedstaaten. Die einzige vergleichbare Erscheinung i m Staatenleben, der Deutsche Zollverein des 19. Jahrhunderts, erfolgte unter viel einfacheren Wirtschaftsverhältnissen und gab daher auch keinen Anlaß, Rechtsfragen in der Weise und dem Umfang zu behandeln oder zu stellen, wie das die Europäischen Gemeinschaften erfordern. Daher ein kurzes Wort zu ihrer rechtlichen Qualifikation. M i r scheint es nicht sehr zweckvoll, darüber zu streiten, ob sie etwa mehr staatenbündische oder bundesstaatliche Elemente aufweisen. Sie sind ihrem Wesen nach eine Neuschöpfung der Vertragspartner, die übernationale Gemeinschaften m i t eigenen handlungsfähigen Organen und der Befugnis zu selbständigen, der Zustimmung oder der Weisungen der Mitgliedstaaten nicht bedürftigen Entscheidungen zu errichten willens waren. Sinnvoll war, daß der Ausdruck „supranational" i n bewußter Unterscheidung von „international" sich schon i m Gründungsstadium

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der EGKS darbot. Es sind „übernationale", nicht gewöhnliche „internationale" Gemeinschaften. Ehe man zu dauerhaften Begriffsformulierungen gelangt, sollte man die weitere praktische Entwicklung der Gemeinschaften abwarten, zumal w i r die Hoffnung hegen, daß sie sich i n absehbarer Zeitspanne zu einer einheitlichen „Europäischen Gemeinschaft" zusammenfügen werden. U m aber nicht als Verächter juristischer Begriffsfreudigkeit zu erscheinen, möchte ich eine Stelle aus den Goldadern des Werkes Otto von Gierkes anführen 1 . Gierke geht von seiner Zeitlage aus, zu der das Völkerrecht die rechtliche Möglichkeit einer selbständigen Gesamtheit unter souveränen Staaten überhaupt nicht kannte und fährt fort, daß aber Anfänge einer „Associationsbewegung" sichtbar seien, „die i n näherer oder fernerer Zukunft zu genossenschaftlicher Staaten- und Völkervereinigung und zuletzt zu einer organisierten, rechtlich als Gesamtpersönlichkeit anzuerkennenden Allgemeinheit über den Völkerindividuen führen w i r d " . Füllen nicht die Europäischen Gemeinschaften diesen von Gierke vorausgesehenen Rahmen nunmehr aus?

II. Die Gemeinschaften — ich sehe künftig von dem Stadium 1952—1958, während dessen nur die EGKS bestand, ab — besitzen als verfassungsmäßige Organe jede für sich einen Ministerrat und eine Kommission, bei der EGKS als „Hohe Behörde" bezeichnet; allen gemeinsam ist eine Versammlung (das Europäische Parlament) und der Gerichtshof (auf Grund des Abkommens vom 25. März 1957 über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften). Bereits bei den Vorbesprechungen über die Bildung der EGKS war man sich bewußt, daß ein so weit reichender Zusammenschluß von Staaten eines eigenen Rechtsschutzes und autonomer Gerichtsbarkeit bedurfte, u m nochmals Gierke anzuführen, einer „Selbstgerichtsbarkeit". Die Verträge haben dem weitgehend Rechnung getragen. Die Einzelbestimmungen über den „Gerichtshof" (so der Wortlaut, gemeint ist zugleich „die Gerichtsbarkeit") sind aneinander angeglichen und daher weitgehend übereinstimmend. Wortgleich in allen drei Verträgen ist die Generalbestimmung: „Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages 2 ." Nach 1 f

Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1,1868, S. 481 ff. A r t . 31 EGKS, 164 EWG, 136 Euratom.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

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dem Willen der Vertragspartner ist diese Aufgabe allein dem Gerichtshof vorbehalten. Da die Bestimmungen der Verträge und ihrer Durchführungsvorschriften, aber auch Entscheidungen der Organe der Gemeinschaften i n den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht darstellen, ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofes durch besondere Vorschriften sichergestellt 3 : w i r d i n einem Rechtsstreit vor einem nationalen Gericht eine Frage über die Auslegung eines der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung von Handlungen der Organe einer Gemeinschaft gestellt, so ist die Frage dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. III. Nach der gegenwärtigen, seit 1952 geltenden Regelung besteht der Gerichtshof aus 7 Richtern, d. h. daß ein Mitgliedstaat zwei Richter stellt, die übrigen je einen. Die Richter müssen i n ihrem Heimatstaat die Befähigung für die höchsten richterlichen Ämter besitzen, werden von den Regierungen vorgeschlagen und i m gegenseitigen Einvernehmen, d. h., es bedarf der Zustimmung aller Regierungen, ernannt. Ihre Amtsdauer beträgt sechs Jahre, Wiederernennung ist zulässig. Ihre Rangstellung ist derjenigen der Mitglieder der Hohen Behörde, der EWG- und Euratom-Kommission gleich. Ihre Unabhängigkeit w i r d u. a. dadurch gesichert, daß sie Immunität genießen und nur durch einstimmiges Urteil des Gerichtshofes ihres Amtes enthoben werden können. Bei der Errichtung des Gerichtshofs 1952 wurde sein Präsident von den Regierungen bestimmt. Danach wurde und w i r d der Präsident von den Richtern aus ihrer Mitte für die Dauer von drei Jahren gewählt; Wiederwahl ist zulässig. Dem Gerichtshof gehören ferner zwei Generalanwälte an, für welche die soeben erwähnten Voraussetzungen und Vorschriften i n gleicher Weise gelten. Diese Einrichtung, die sich sehr bewährt hat, ist dem französischen Conseil d'Etat nachgebildet. Die Aufgabe der Generalanwälte besteht darin, i n jeder Streitsache nach Schluß der Parteivorträge i n völliger Unabhängigkeit ihre Auffassung der Rechtslage darzulegen und Schlußanträge zu stellen. Ihre Ausführungen werden in der Amtlichen Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinter dem Urteil vollständig abgedruckt. Sie haben wesentlich zur Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung beigetragen. Die meisten Einzelheiten der Organisation und des Verfahrens sind i n der Satzung des Gerichtshofs und der vom Gerichtshof selbst erlassenen Verfahrensordnung geregelt. Zur Organisation des Gerichtshofs 3

A r t . 41 EGKS, 177 EWG, 150 Euratom.

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ist hier noch zu erwähnen, daß der Gerichtshof befugt ist, für bestimmte vorbereitende Aufgaben oder bestimmte Gruppen von Rechtssachen Kammern mit je drei oder fünf Richtern zu bilden. Gegenwärtig bestehen zwei Kammern zu drei Richtern für die Durchführung von Beweisaufnahmen (häufig finden sie jedoch vor dem Plenum statt), vor allem aber für die Entscheidung über die Klagen von Bediensteten der Gemeinschaften; die Kammern können jedoch diese Fälle vor das Plenum verweisen, wenn ihnen das wegen der Bedeutung der Sache zweckmäßig erscheint. Die Verwaltung des Gerichts unterscheidet sich von dem uns Gewohnten. Sie w i r d — unter Aufsicht des Präsidenten — von einem Kanzler geführt, der vom Gericht für sechs Jahre ernannt wird. Er besorgt auch i m wesentlichen den Geschäftsverkehr des Gerichts nach außen.

IV. Für das Verfahren des Gerichtshofs ist die Regelung der Sprachenfrage sehr erheblich. Amtssprachen sind die vier Sprachen der sechs Vertragsstaaten: deutsch, französisch, italienisch und niederländisch. Dem Kläger ist es überlassen, die Verfahrenssprache zu wählen, es sei denn, daß die Klage gegen einen Mitgliedstaat oder gegen eine natürliche oder juristische Person gerichtet ist, die einem Mitgliedstaat angehört; i n diesem Falle ist dessen Amtssprache Verfahrenssprache. Ein umfangreicher Sprachendienst des Gerichtshofs sorgt für die notwendigen Ubersetzungen i m Verlauf des Verfahrens bis einschließlich des Urteils. Die interne Sprache des Gerichtshofs, insbesondere die Beratungssprache, ist französisch. Zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses ist eine andere Lösung, etwa das Hinzuziehen von Dolmetschern, nicht möglich. Ein gewisser Vorzug für diejenigen Richter, deren Muttersprache, oder zweite Muttersprache, französisch ist, läßt sich nicht vermeiden. Das Verfahren selbst beginnt m i t einem schriftlichen Teil. Auf die Klage hat der Beklagte eine Klagebeantwortung einzureichen; es folgen, falls von den Parteien gewünscht, die Replik des Klägers und die Duplik des Beklagten. Die Frist zur Stellungnahme beträgt jeweils einen Monat, kann aber auf begründeten Antrag verlängert werden. Nach Abschluß dieses schriftlichen Verfahrens erstattet der Berichterstatter dem Gericht und dem zuständigen Generalanwalt einen Sachbericht m i t einem Vorschlag für das weitere Verfahren: Beweiserhebung durch Einfordern von Urkunden, Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmungen usw. oder Anberaumung der mündlichen Verhandlung. Falls Zeugenvernehmungen erforderlich sind, werden sie im

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allgemeinen m i t der mündlichen Verhandlung verbunden. Meist werden ausführliche Plädoyers der Anwälte mit Erwiderung und Gegenerwiderung gehalten. Danach bereitet der Generalanwalt seine Schlußanträge (conclusions) vor, um sie in einer besonders anberaumten öffentlichen Sitzung vorzutragen und zu begründen. Es folgt das Stadium der sehr sorgfältig gehandhabten und daher häufig langfristigen Beratung. Sie w i r d i m allgemeinen durch Notenaustausch vorbereitet, an dem sich — außer i n einfachen Fällen — sämtliche Richter beteiligen. Mündliche — mitunter oft wiederholte — Beratungen folgen. Die Verkündung des Urteils geschieht durch Verlesen der Entscheidungsgründe und des Urteilsspruchs i n öffentlicher Sitzung. Soweit die Urteile vollstreckbar sind, erfolgt die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften des nationalen Zivilprozeßrechts. Die Vollstreckungsklausel w i r d i n Deutschland vom Bundesjustizministerium erteilt; hierbei kann nur die Echtheit des Titels geprüft werden. Der Gerichtshof oder sein Präsident kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen einstweilige Anordnungen treffen; unter ähnlichen Voraussetzungen wie i m deutschen Recht kann einer Partei das Armenrecht bewilligt werden. Bis zur Eröffnung der mündlichen Verhandlung können Anträge auf Zulassung als Streithelfer gestellt werden, über die der Gerichtshof nach Anhörung der Parteien des Hauptverfahrens durch Beschluß entscheidet. Antragsberechtigt sind die Mitgliedstaaten und die Organe der Gemeinschaften sowie Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen, außer bei Verfahren zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Organen einer Gemeinschaft oder zwischen Mitgliedstaaten und Organen einer Gemeinschaft. Zu erwähnen ist noch, daß für Privatparteien A n waltszwang besteht. Hochschullehrer sind vertretungsberechtigt nach Maßgabe ihres Heimatrechts. Die Staaten und die Organe der Gemeinschaften müssen sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Häufig bedienen sie sich der Hilfe eines Anwalts. Anwälte müssen i n einem Mitgliedstaat zugelassen sein.

V. Ich habe versucht, Ihnen in einem zwangsläufig nur summarischen Überblick eine Anschauung von Organisation und Verfahren des Gerichtshofs zu vermitteln. Unter Verwertung von Vorbildern und Erfahrungen der Gerichtsbarkeiten der sechs Mitgliedstaaten ist, wie ich dargelegt zu haben glaube, eine in sich geschlossene, neuartige Form einer Selbstgerichtsbarkeit der europäischen Gemeinschaften entstanden. Das w i r d noch deutlicher werden, wenn ich nunmehr, so gerafft wie möglich, die Zuständigkeiten des Gerichtshofes zu schildern versuche,

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wobei ich einige bisher nicht aktualisierte und voraussichtlich auch künftig kaum eintretende Zuständigkeiten außer acht lasse. Ich beginne mit einer Gruppe von Zuständigkeiten, die ich als staatsoder verfassungsgerichtliche bezeichnen möchte. Macht eine Kommission oder die Hohe Behörde von dem Recht der Vertragsaufsicht (nach dem Grundgesetz würden w i r sagen: Bundesaufsicht) gegen einen M i t gliedstaat Gebrauch und beseitigt der Mitgliedstaat den Mangel nicht, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen. Ebenso kann jeder Mitgliedstaat verfahren, wenn er einem anderen Mitgliedstaat vorwirft, gegen den Vertrag verstoßen zu haben. Der Staat, dem gegenüber der Gerichtshof einen Vertragsverstoß festgestellt hat, muß die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen ergreifen. Nur i m Falle der EGKS kann der Gerichtshof auf Klage eines Mitgliedstaates oder der Hohen Behörde die Beschlüsse der Versammlung bzw. des Europäischen Parlaments oder des Ministerrats wegen Unzuständigkeit oder Verletzung wesentlicher Formvorschriften aufheben. Die Vertragsauslegungs- und Normenkontrollfunktion des Gerichtshofs i m Verhältnis zu den nationalen Gerichten habe ich schon früher erwähnt. Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, die m i t den Verträgen i n Zusammenhang stehen, können auf Grund eines Schiedsvertrages vor dem Gerichtshof anhängig gemacht werden. Mitglieder der Kommissionen, ebenso der Hohen Behörde, können unter i n den Verträgen näher geregelten Voraussetzungen nur durch Spruch des Gerichtshofs ihres Amtes enthoben werden. EWG- und Euratomvertrag enthalten gewisse Vorbehalte für nationale Maßnahmen zur Wahrung von Sicherheitsinteressen und i n Fällen einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung. I n Fällen dieser A r t kann die Kommission oder ein Mitgliedstaat den Gerichtshof anrufen, wenn ein Mißbrauch dieser Befugnisse behauptet w i r d ; der Gerichtshof entscheidet dann unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Hervorheben möchte ich i n diesem Bereich noch zwei gutachtliche Zuständigkeiten des Gerichtshofs: er hat gutachtlich zu prüfen, ob eine beabsichtigte sog. Kleine Revision des EGKS-Vertrages (Art. 95) sich i m Rahmen des nach dem Vertrage Zulässigen hält, und (nach Art. 228 EWG-Vertrag) ob ein zwischen der EWG und einem oder mehreren Staaten oder einer internationalen Organisation beabsichtigtes Abkommen m i t dem EWG-Vertrag vereinbar ist. Die für die Wirtschaft der Europäischen Gemeinschaften und auch die Gerichtspraxis bedeutsamste Zuständigkeit des Gerichtshofs ist die verwaltungsgerichtliche. Er ist für Klagen zuständig, die ein Mitgliedstaat, ein Ministerrat, eine Kommission (bzw. die Hohe Behörde) oder

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— unter später zu erwähnenden Voraussetzungen — eine natürliche oder juristische Person gegen eine Kommission oder einen Rat aus einem oder mehreren der folgenden vier Gründe erhebt: — Unzuständigkeit, — Verletzung wesentlicher Formvorschriften, — Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm, — Ermessensmißbrauch. Die Klage ist auf Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung zu richten. Enthält diese Klageform Elemente des französischen Rechts, so ist die weitere der Untätigkeitsklage deutschrechtlichen Ursprungs. Sie ist als Feststellungsklage nach Ablauf von zwei Monaten nach erfolgter Aufforderung zum Tätigwerden gegen das Gemeinschaftsorgan (Rat oder Kommission) zu richten, das zum Handeln verpflichtet wäre. Auf dem Gebiet des Zivilrechts i m deutschrechtlichen Sinne ist der Gerichtshof für Schadensersatzklagen zuständig, die aus außervertraglicher Haftung (Amtshaftung) gegen eine der Gemeinschaften gerichtet werden. Eine erhebliche Bedeutung hat die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit des Gerichtshofs gewonnen. Er ist für alle Streitsachen zwischen einer der Gemeinschaften und deren Bediensteten nach Maßgabe der näheren Regelungen der Personalstatute zuständig. Endlich besitzt der Gerichtshof ordnungsstrafgerichtliche Befugnisse, indem er Klagen wegen verhängter Geldbußen und Zwangsgelder i m sogenannten Verfahren der „pleine juridiction" zu entscheiden hat; auf dieses Verfahren werde ich noch näher eingehen. VI. Aus meiner Skizze der Organisation, des Verfahrens und der Zuständigkeiten des Gerichtshofs ist ersichtlich, daß die vertragschließenden Staaten bewußt eine neuartige Gerichtsbarkeit schaffen und gestalten wollten. Und zwar i n mehrfacher Hinsicht: Der Gerichtshof ist ein einstufiges Gericht. Vertreter der Wirtschaft haben das Fehlen einer ersten Instanz gerügt. Demgegenüber sei daran erinnert, daß das Reichswirtschaftsgericht m i t seinen zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeiten von 1915 bis 1941 m i t unbezweifeltem Erfolg als einstufiges Gericht gewirkt hat. Für das Beibehalten der gegenwärtigen Regelung ist auch anzuführen, daß w o h l alle Tatbestände, die bisher Gegenstand des Verfahrens bilden, eine Entscheidung binnen angemessener Zeit verlangen. Für eine Gruppe von Fällen 14 Speyer 22

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erscheint jedoch erwünscht, eine erste Instanz vorzuschalten: für die sog. Personalklagen. Hier wäre die Errichtung eines Verwaltungsgerichts 1. Instanz m i t Kassationsbeschwerde an den Gerichtshof geboten, zumal die 1. Instanz auch als Schiedsinstanz wirken könnte. Der Gerichtshof ist ein allzuständiges Einheitsgericht, gegenüber der Aufsplitterung der Gerichtsbarkeiten namentlich i n Deutschland ein interessantes und, wie m i r scheint, geglücktes Experiment. Die Repräsentation und das Gewicht der rechtsprechenden Gewalt innerhalb der Europäischen Gemeinschaften ist dadurch wesentlich betont und verstärkt worden. Die Vielfalt der Zuständigkeiten läßt auch die richterliche Tätigkeit am Gerichtshof besonders anziehend erscheinen und erweitert das richterliche Blickfeld. Der Gerichtshof ist ein supranationales Gericht; er übt die Selbstgerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaften aus. Dadurch unterscheidet er sich von internationalen Gerichten bisheriger A r t , die auf Grund besonderer Vereinbarung unter Anwendung von Völkerrecht oder internationalem Vertragsrecht Streitfälle zwischen Staaten ohne unmittelbare Rechtswirkung für das innerstaatliche Recht zu entscheiden berufen sind. Er ist aber auch von anderer Qualifikation als gewisse internationale Verwaltungsgerichte neuerer Zeit wie z. B. die der Internationalen Arbeitsorganisation und der OECD für die Entscheidung über dienstrechtliche Streitfälle. Der Gerichtshof wendet nicht Völkerrecht und auch nicht internationales Recht üblicher A r t an, sondern europäisches Gemeinschaftsrecht, also das eigene Recht der „organisierten Gesamtpersönlichkeit" i. S. Gierkes, die nicht zwischen (inter) den, sondern oberhalb (supra) der einzelnen Mitgliedstaaten steht. Für deutschrechtliche Betrachtung gründet sich der supranationale Charakter des Gerichts auch auf die Norm des Art. 24 GG. Insofern sind staatliche Hoheitsrechte der Ausübung rechtsprechender Gewalt auf die zwischenstaatliche Einrichtung der Europäischen Gemeinschaften übertragen worden. Die Dokumentation einer neuen Gesinnung, die 1949 ihren Ausdruck i n diesem Art. 24 fand, wurde, was ihre Schöpfer nicht ahnen konnten, bereits 1952 bei der Gründung der EGKS verwirklicht. Auch die unmittelbare, von nationalen Gerichten nicht nachprüfbare Vollstreckbarkeit seiner Urteile unterstreicht den supranationalen Charakter des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Ich hoffe, Ihnen, soweit das i n gedrängter Kürze möglich war, eine Anschauung vom Wesen und den Aufgaben dieses Gerichtshofes entwickelt zu haben, und wende mich nunmehr einigen i n der Rechtsprechung des Gerichtshofs behandelten Problemen zu.

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VI. Die Auswahl kann nur subjektiv und selbst unter diesem Gesichtspunkt nicht auch nur annähernd vollständig sein, hatte doch der Gerichtshof seit seinem Bestehen weit mehr als 200 Rechtssachen zu entscheiden. So w i r d es hoffentlich I h r Einverständnis finden, wenn ich nicht streng systematisch vorgehe, sondern einige Schwerpunkte zu bilden versuche. 1. Fragen der Nichtigkeitsklage Die Nichtigkeitsklage gegen Handlungen der Hohen Behörde der EGKS sowie der Kommissionen und Räte von EWG und Euratom nimmt i n der Praxis des Gerichtshofes einen führenden Platz ein. I m wesentlichen steht sie Mitgliedstaaten, anderen Gemeinschaftsorganen und besonders betroffenen Privatpersonen zu. Lassen Sie mich i n diesem Zusammenhang vier Themen herausgreifen. a) Der Begriff des „Ermessensmißbrauchs" Ich erwähnte bereits, daß nach Art. 33 EGKS, A r t . 173 EWG-Vertrag (den Euratom-Vertrag, dessen Regelung derjenigen der Wirtschaftsgemeinschaft gleicht, lasse ich der Einfachheit halber unberücksichtigt) Nichtigkeitsklagen auf folgende vier Rügen gestützt werden können: Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften (praktischer Hauptanwendungsfall ist fehlende oder unzulängliche Begründung), Verletzung des Vertrages oder der Durchführungsvorschriften, Ermessensmißbrauch. Dieser kasuistischen Technik liegt nicht die Konzeption zugrunde, etwaige sonstige Tatbestände fehlerhaften Verwaltungshandelns seien der Anfechtung entzogen. Sie soll vielmehr den allgemeinen Begriff der Rechtswidrigkeit aufgliedern und hierdurch verdeutlichen. Die Abgrenzung der Tatbestände, insbesondere der Vertragsverletzung und des Ermessensmißbrauchs (détournement de pouvoir), scheint som i t ein Anliegen mehr der Theorie als der Praxis zu sein. Dieser Eindruck trifft für das Recht der Verträge von Rom zu, nicht jedoch für den EGKS-Vertrag, der an den Begriff des „détournement de pouvoir" besondere Rechtsfolgen knüpft, von denen ich hier nur eine nennen w i l l . I m Gegensatz zu Staaten und Gemeinschaftsorganen können Private sogenannte „allgemeine Entscheidungen" nur angreifen, wenn sie „nach ihrer Ansicht einen Ermessensmißbrauch ihnen gegenüber" darstellen 4 , wobei es die Rechtsprechung für die Zulässigkeit aller-

* Vgl. RsprGH I I 226. 14»

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dings genügen läßt, daß ein derartiger Mangel schlüssig behauptet wird 5 . Hiernach ist es kaum verwunderlich, daß die Unternehmen immer wieder versuchten, alle denkbaren Arten der Rechtswidrigkeit unter den Begriff des Ermessenmißbrauchs zu subsumieren, so daß der Gerichtshof genötigt war, sich m i t der Definition dieses Begriffs zu beschäftigen. Gleich zu Beginn der Rechtsprechung des Gerichtshofs kam Generalanwalt Lagrange 6 nach einer tiefschürfenden rechtsvergleichenden Ubersicht zu dem Ergebnis, Ermessensmißbrauch liege nur dann vor, wenn die Behörde ihre Befugnisse zu einem anderen als dem gesetzlichen Zweck gebrauche. Der Gerichtshof ist grundsätzlich von der gleichen Auffassung ausgegangen7, hat aber anerkannt, daß ein „détournement de pouvoir" auch dann vorliegen könne, wenn die Verwaltung „objektiv, infolge schwerwiegenden Mangels an Voraussicht oder Umsicht, was einer Verkennung des gesetzlichen Zweckes gleichkäme", andere als die i n concreto zulässigen Ziele verfolgt habe 8 ; hier t r i t t also die Wirkung an die Stelle des Zieles. Allerdings ist hervorzuheben, daß der Gerichtshof bisher in keinem Falle, jedenfalls ausdrücklich, die Aufhebung einer Entscheidung auf Ermessensmißbrauch gestützt hat. b) Das Klagerecht der Privaten Ich erwähnte, daß der EGKS-Vertrag das Klagerecht der Privaten gegen sog. „allgemeine Entscheidungen" auf einen sehr kleinen Bereich zusammendrängt. Eine Parallele finden w i r i m EWG-Vertrag, der die „Verordnungen" dem unmittelbaren Zugriff anderer Personen als der Hoheitsträger praktisch völlig entzieht, wie auch der Gerichtshof kürzlich festgestellt hat 9 . Es ist daher ergiebiger, sich m i t der Anfechtungsbefugnis gegenüber echten Verwaltungsakten i m Sinne des deutschen Rechts zu befassen. Die Terminologie ist auch hier unterschiedlich. I m Montanrecht stehen den „allgemeinen" die „individuellen" Entscheidungen gegenüber; das EWG-Recht kennt nur „Entscheidungen" schlechthin. I m Montanrecht können „Unternehmen und Verbände" — d . h. i m wesentlichen Produzenten, gelegentlich auch Großhändler — diejenigen „individuellen Entscheidungen" angreifen, die „sie betreffen"; das EWG-Recht gewährt „natürlichen und juristischen Personen" eine Klage gegen Entscheidun8 8 7 8 β

Vgl. R s p r G H I I 225. RsprGH I 1 5 8 ft. Vgl. etwa RsprGH I I 313 f. RsprGH I I 317 f. RsprGH V I I I 977 f.

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gen, die nicht „an sie ergangen" sind, nur, wenn sie den Kläger „unmittelbar und individuell betreffen". Dem flüchtigen Betrachter mag der Unterschied gering erscheinen; die Rechtsprechung erweist jedoch seine Erheblichkeit. Nach dem Montanvertrag konnte der Gerichtshof z.B. die Klage eines Kohlengroßhändlers wegen der Genehmigung eines Produzentenkartells (Fall Nold) 1 0 oder einer Gruppe von Stahlerzeugern wegen der Zubilligung von Ausnahmetarifen an die Mitbewerber (Fall Chambre Syndicale de la Sidérurgie Française) 11 zulassen. I n beiden Fällen handelte es sich nach Auffassung des Gerichtshofes u m individuelle Entscheidungen, weil die Adressaten namentlich bezeichnet waren. Die Individualität der im Wege der Reflexwirkung betroffenen Dritten wurde nicht gefordert; es war also, anders ausgedrückt, unschädlich, daß die Kläger i n gleicherweise berührt waren wie die anderen — durchaus zahlreichen — Angehörigen des betroffenen Kreises von Wirtschaftsträgern, Der EWG-Vertrag gestattet dagegen nach Auffassung des Gerichtshofes eine solche Großzügigkeit nicht. I m Plaumann-Fall 1 2 wandte sich ein deutscher Importeur gegen eine Entscheidung, m i t welcher die Kommission den Antrag der deutschen Regierung abgelehnt hatte, ihr für die Einfuhr von Clementinen aus dritten Ländern einen niedrigeren Zollsatz als den des Gemeinschaftstarifs zu gewähren. Der Gerichtshof verneinte die Zulässigkeit m i t folgender Begründung: „Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung i h n wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und daher i n ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten. I m vorliegenden Fall war die K l ä g e r i n . . . i n ihrer Eigenschaft als Importeur von Clementinen betroffen, also i m Hinblick auf eine kaufmännische Tätigkeit, die jederzeit durch jedermann ausgeübt werden k a n n . . . Wie bereits angedeutet, bezeichnet diese Rechtsprechung keinen Bruch mit der bisherigen Entwicklung, sondern die i m Prinzip folgerichtige Reaktion auf einen bewußt vom EGKS-Vertrag abweichenden Vertragstext. De lege ferenda erscheint die EWG-Regelung allerdings verbesserungsbedürftig. So richtig es sein mag, Verordnungen m i t Rücksicht auf ihre große Breitenwirkung dem Zugriff der unabsehbaren Zahl privater Betroffener zu entziehen, so wenig trifft diese ratio auf Entscheidungen zu, die ja nach der Definition des Art. 189 EWG-Vertrag 10 11

"

RsprGH V 112 f. R s p r G H V I 615. RsprGH I X 238 f.

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Einzelfallcharakter haben, wenn auch ihre räumliche Tragweite nicht selten erheblich ist. I m Grunde scheint die Regelung des EWG-Vertrages auf der anfechtbaren Erwägung zu beruhen, daß geteiltes Leid halbes Leid sei. c) Die Lehre vom Verwaltungsakt I m Stadium der Zulässigkeitsprüfung einer Klage hatte der Gerichtshof — aus Gründen, die schon i n meinen bisherigen Ausführungen deutlich geworden sind — häufig die Rechtsnatur der angefochtenen Maßnahmen zu untersuchen. Eine Abgrenzung war hierbei nach zwei Richtungen notwendig: einmal mußten echte Rechtsakte von unverbindlichen Verlautbarungen geschieden werden, zum anderen war die Trennungslinie zwischen „individuellen Entscheidungen" oder „Entscheidungen" einerseits, „allgemeinen Entscheidungen" oder „Verordnungen" andererseits zu ziehen. Der Gerichtshof hat stets hervorgehoben, daß „die rechtliche Qualifizierung einer Maßnahme vor allem von ihrem Gegenstand und Inhalt (abhängt)" 13 ; i n der Tat kann es nicht dem Urheber überlassen werden, seine Verlautbarung durch eine dem Inhalt widersprechende Qualifizierung womöglich dem Anfechtungsrecht zu entziehen. Keinesfalls kann jedoch der Rechtsprechung entnommen werden, daß der Wille der erlassenden Stelle schlechthin unerheblich sei. Insbesondere wenn es darum ging, ob ein verbindlicher Rechtsakt vorlag oder nicht, hat der Gerichtshof allen Indizien, die einen Schluß auf die Absichten jener Stelle zuließen, große Bedeutung beigemessen14; es wäre i n der Tat sinnw i d r i g und m i t den Interessen weder der Verwaltung noch der Verwalteten vereinbar, wollte der Richter eine Verbindlichkeit konstruieren, wo keine solche beabsichtigt war. Eine, wie m i r scheint, richtungweisende Feststellung zur Abgrenzung verbindlicher von unverbindlichen Akten hat der Gerichtshof i n dem Urteil Lemmerz-Werke u. a. gegen Hohe Behörde getroffen. Die Kläger hatten Zahlungsaufforderungen angefochten, die i n sehr bestimmtem Ton gehalten waren, jedoch offensichtlich nur die Dienststellen der Hohen Behörde, nicht das Kollegium selbst zum Urheber hatten. Der Entscheidungscharakter und damit die Zulässigkeit der Klage wurden verneint: „Eine Entscheidung (ist) nur gegeben, wenn die betreffende Verlautbarung erkennbar vom Kollegium der Hohen Behörde beschlossen wurde, Rechtswirkungen hervorzurufen bestimmt ist und das interne Verfahren abschließt, i n dem die Hohe Behörde ihren Willen gebildet hat; ferner muß sie einen endgültigen Beschluß darstellen, dessen Form 18 14

Vgl. etwa R s p r G H V 183, V I I I 9 7 8 . Vgl. etwa RsprGH V 315.

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dem Adressaten die Feststellung gestattet, daß eine Entscheidung vorliegt. Daher kann eine Verlautbarung insbesondere dann nicht als Entscheidung angesehen werden, wenn nicht zu erkennen ist, daß sie von der Hohen Behörde beraten und beschlossen wurde, und wenn sie nicht durch die Unterschrift eines Mitglieds der Behörde beglaubigt ist 1 4 a ." Auch zur Abgrenzung der inviduellen von den allgemeinen Rechtsakten liegen eindeutige Äußerungen vor. I n Vorwegnahme der späteren Legaldefinition des Art. 189 E WG-Vertrag hat der Gerichtshof der EGKS das wesentliche Merkmal der individuellen Entscheidung in der namentlichen Bestimmtheit des Adressatenkreises gesehen. So hat er die Individualität bejaht für eine Entscheidung, die „einzig und allein für eine besondere Tätigkeit einer namentlich bezeichneten öffentlichen Stelle... g i l t " 1 5 oder durch die „über konkrete Beschlüsse" — seil. K a r tellabreden — „bestimmter einzelner Unternehmen befunden" w u r de1®. Bedeutungsvoll an diesem Urteil war übrigens, daß die verhältnismäßig große Zahl der Adressaten — drei Gruppen von Ruhrkohleerzeugern — nicht zur Annahme einer allgemeinen Entscheidung führte und daß der Gerichtshof ausdrücklich feststellte, „eine Entscheidung, die i m Verhältnis zu den Unternehmen, an die sie sich richtet, individueller Natur ist", könne „nicht gleichzeitig i m Verhältnis zu Dritten als allgemeine Entscheidung angesehen werden"; diese These sollte ein Argument widerlegen, das aus der Unbestimmtheit des Kreises der betroffenen Dritten abgeleitet worden war. Umgekehrt sah es der Gerichtshof als wesentliches Merkmal der „allgemeinen Entscheidungen" an, daß sie „ein normatives Prinzip (aufstellen), . . . i n abstrakter Form die Voraussetzungen für ihre A n wendung (festlegen) und . . . die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen (bestimmen)" 17 . Ähnlich definierte er die — von Generalanwalt Lagrange 18 sogar als „echte sekundäre Gesetzgebung" bezeichneten — EWG-Verordnungen: sie hätten „wesentlich normativen Charakter" und seien „nicht auf eine begrenzte Zahl namentlich bezeichneter oder doch bestimmbarer Adressaten anwendbar..., sondern auf i n ihrer Gesamtheit und abstrakt umrissene Personenkreise" 19 . d) Die Klagen „de pleine juridiction" Zu den Grundbegriffen des französischen Verwaltungsrechts, dessen Einfluß auf die Gestaltung der europäischen Verträge ein erheblicher 14f t 15 18 17 10 19

Rspr. G H I X 538 f. R s p r G H I I 87. R s p r G H V 112. R s p r G H I V 297. R s p r G H V I I I 990. RsprGH V I I I 979.

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gewesen ist, gehört die Unterscheidung zwischen dem „contentieux de l'annulation" und dem „contentieux de pleine juridiction". Der Sache nach ist diese Differenzierung auch dem deutschen Recht bekannt. Das grundsätzlich rein kassatorische Urteil etwa, das auf eine erfolgreiche Anfechtungsklage ergeht, entspricht dem „contentieux de l'annulation"; die Verpflichtungs- und Feststellungsklage oder die Klage auf Herabsetzung einer Geldbuße (vgl. §§42(1) zweite Alternative, 43, 113 (2) VwGO) wären nach französischem Recht „pleine juridiction". Hauptanwendungsfälle der „pleine juridiction" i m Gemeinschaftsrecht sind die schon erwähnte Änderung von Geldbußen und sonstigen Zwangsmaßnahmen (vgl. Art. 36 EGKS-, 172 EWG-Vertrag) sowie, ganz allgemein, die beamtenrechtlichen Streitigkeiten. Der Gerichtshof hat hier dem Begriff „pleine juridiction" seinen vollen Wortsinn beigemessen und sich z. B. für befugt angesehen, i m Tenor auszusprechen: „Die Klägerin leistet als Übersetzerin beim Sprachendienst der Hohen Behörde eine Probezeit von sechs Monaten ab" 2 0 , oder anzuordnen, daß der Dienstherr die Klägerin an einem Auswahlverfahren für die Besetzung einer Planstelle teilnehmen zu lassen habe, wobei er bestimmte frühere Vorfälle nicht zum Nachteil der Betroffenen berücksichtigen dürfe 21 . Ja, er hat sogar für diese A r t von Streitigkeiten den Grundsatz „ne eat judex ultra petita partium" insofern eingeschränkt, als er sich „auch bei Fehlen eines ordnungsgemäßen Antrags" für befugt ansah, anstatt der begehrten Nichtigerklärung eine Verpflichtung zu Schadenersatz auszusprechen 22. Irreführend scheint m i r allerdings die i n den Verträgen anzutreffende Wiedergabe unseres Begriffes m i t den Worten „unbeschränkte Ermessensnachprüfung" zu sein. Die aus der Natur der Sache sich ergebenden Grenzen richterlicher Kontrollbefugnis sollten niemals verwischt werden. So hat es der EGKS-Gerichtshof auch abgelehnt, das Urteil der Verwaltung über die Befähigung eines Bediensteten einer weitergehenden Kontrolle zu unterziehen als derjenigen der „ M i t t e l und Wege, die zu dieser Beurteilung geführt haben" 23 . 2. Auslegungsgrundsätze

des Gerichtshofes

Das Thema ist zwar verlockend, jedoch geeignet, den Bearbeiter etwas zu enttäuschen. Anders als früher der Ständige Internationale Gerichtshof und heute der Internationale Gerichtshof hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht oft Neigung gezeigt, lapidare Interpretationsmaximen i n seine Entscheidungsgründe einzubauen. 20 21 22 28

RsprGH RsprGH RsprGH RsprGH

I I 407. X 210. V I 1133. I I 402.

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a) Immerhin finden w i r etwa den beherzigenswerten Satz, daß „eine Vorschrift, die Rechtsschutz gewährt, i m Zweifelsfall nicht zuungunsten des Rechtsunterworfenen einschränkend ausgelegt werden darf" 2 4 ; hierdurch wurde i m konkreten Fall der Weg für die Zulässigkeit der Klage eines Gemeinschaftsbediensteten gegen seinen Heimatstaat gebahnt, dessen Finanzverwaltung gegen den Grundsatz der Befreiung dieser Bediensteten von nationalen Steuern verstoßen hatte — wie man sieht, eine vor internationalen Gerichten höchst ungewöhnliche Parteikonstellation. b) Z u der vielumstrittenen Frage, ob und inwieweit die historischen Materialien zur Auslegung herangezogen werden dürfen, finden w i r wenig Anhaltspunkte; dies aus dem einfachen Grunde, daß solche Materialien i n der Regel fehlen oder jedenfalls nicht ausreichend publiziert wurden. Daß der Gerichtshof sie nicht verschmähen würde, läßt sich aber einem seiner Urteile entnehmen, das übrigens kurioserweise i n einem Rechtsstreit gegen den Gerichtshof selbst — als Dienstherrn — erging: „ I n Ermangelung von Materialien, aus denen der Wille der Urheber der Vorschriften zweifelsfrei hervorginge, muß der Gerichtshof von dem Text i n seiner vorliegenden Fassung ausgehen und i h m den Sinn entnehmen, der sich bei wörtlicher und logischer Auslegung ergibt" 2 5 . c) Wesentlicher erscheint ein Ausspruch, m i t dem der Gerichtshof eine i m Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehene Befugnis der Hohen Behörde zum Erlaß von Entscheidungen bejahte: „Die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages... enthalten zugleich diejenigen Vorschriften, bei deren Fehlen jene sinnlos wären oder nicht i n vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten" 2 6 . Diese Rechtsprechung ist zu begrüßen, weil sie der gerade i m wirtschaftlichen Bereich bestehenden Notwendigkeit Raum gibt, organische Zusammenhänge nicht zu zerreißen. Sie erinnert an die Lehre von den „implied powers". Daß der Gerichtshof ganz allgemein nicht der Auffassung zuneigt, die Verträge seien i m Zweifel i m Sinne uneingeschränkter staatlicher Souveränität zu interpretieren, folgt m i t aller Deutlichkeit aus dem Urteil i n der Sache van Gend en Loos, das auf den Vorlagebeschluß eines niederländischen Gerichts ergangen ist 2 7 und vom völkerrechtlichen Standpunkt aus w o h l als die bedeutsamste Entscheidung bezeichnet werden kann, die der Gerichtshof gefällt hat. Der nationale Richter 24

» 28 27

RsprGH V I 1189. RsprGH V I I 262. RsprGH I I 299 (Leitsatz 1). R s p r G H I X 24 ff.

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hatte die Frage aufgeworfen, ob der einzelne Staatsbürger geltend machen könne, ein Mitgliedstaat habe gegen das i n A r t . 12 EWG-Vertrag ausgesprochene Verbot verstoßen, die Zölle über den Stand vom 1. Januar 1958 hinaus anzuheben. Entgegen den Stellungnahmen dreier Regierungen bejahte der Gerichtshof die Frage. Ziel des Vertrages sei „die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, dessen Funktionieren die der Gemeinschaft angehörenden Einzelnen unmittelbar betrifft"; hinzu kämen der institutionelle Charakter der EWG und der Umstand, daß die Angehörigen der Mitgliedstaaten berufen seien, über das Parlament sowie den Wirtschafts- und Sozialausschuß zum Funktionieren der Gemeinschaft beizutragen. „Aus alledem ist zu schließen, daß die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt, zu deren Gunsten die Staaten, wenn auch i n begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben, eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind . . . Die Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle d a r . . . " . d) Interessant könnte ferner die Haltung des Gerichtshofes zur interpretativen Bedeutung der Mehrsprachigkeit des EWG-Vertrages erscheinen; doch liegt hierzu noch keine Judikatur vor. Hervorzuheben ist dagegen, daß es der Gerichtshof auch bei der Auslegung des Montanvertrages, dessen französische Fassung an sich allein maßgeblich ist, nicht abgelehnt hat, Argumente aus den anderen Texten heranzuziehen: so z. B. den Umstand, daß die deutsche und holländische Entsprechung des Wortes „privilège" (Vorrechte, voorrechten) den Begriff „Recht" enthält 28 . e) Daß Fragen, „für deren Lösung der V e r t r a g . . . keine Vorschriften enthält", „unter Berücksichtigung der i n Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung der Mitgliedstaaten anerkannten Regeln zu entscheiden" sind, hat der Gerichtshof i n einem Fall ausdrücklich ausgesprochen 29 und i n vielen Fällen unsichtbar praktiziert. Vorliegend ging es u m die Frage des Widerrufs rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte. f) Die bisherigen Streiflichter haben wesentliche Auslegungsfragen offengelassen, über die gerade der Wirtschaftsverwaltungsrechtler sicherlich etwas zu hören wünscht, etwa: hält sich der Gerichtshof streng an den Wortlaut oder schreitet er zugunsten der ökonomischen ratio über diesen hinweg? Wie ist die europäische Rechtsprechung m i t den unbestimmten wirtschaftspolitischen Wendungen und Begriffen der Verträge zurechtgekommen usw? Hierüber ließe sich eine umfangreiche 18 29

RsprGH V I 1189. RsprGH I I I 118.

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Analyse aufstellen, für die jedoch die Zeit nicht ausreichen würde. Gestatten Sie m i r also bitte, wie bisher punktuell vorzugehen. Das erste vom EGKS-Gerichtshof erlassene Urteil 3 0 scheint vor allem auf dem unbedingten Respekt vor dem Wortlaut zu gründen. Gemäß A r t . 60 EGKS-Vertrag „müssen die von den Unternehmen... angewandten Preistafeln... veröffentlicht werden", was den Umkehrschluß nahelegt, daß dem Abnehmer grundsätzlich nur die dergestalt publizierten Preise abverlangt werden dürfen. Die Hohe Behörde wollte jedoch den Stahlerzeugern gestatten, i n rechnerisch begrenztem Umfang nach oben oder unten von den Listenpreisen abzuweichen, u m auf diese Weise elastischer auf Marktveränderungen reagieren zu können. Der Gerichtshof hielt dieses Vorgehen für vertragswidrig; der Wortlaut fordere die absolute Identität zwischen veröffentlichten und angewandten Preisen. Immerhin prüfte das Urteil außerdem (S. 31), „ob dieses aus dem Wortlaut des Gesetzes sowie aus der ratio legis gewonnene Ergebnis nicht zu anderen Zielen des Vertrages i n Widerspruch steht, oder ob es nicht durch andere Erwägungen entkräftet werden kann"; dies sei jedoch nicht der Fall. Ein anderes Beispiel wortgetreuer Interpretation bietet die Entscheidung i n einem Prozeß, i n dem die EWG-Kommission geltend machte, Italien habe vertragswidrige Zollerhöhungen vorgenommen 31 . Die beklagte Regierung behauptete, Vergleichsbasis seien die seinerzeit in Italien geltenden gesetzlichen Zollbestimmungen. Der Gerichtshof war dagegen m i t der Kommission der Auffassung, wenn der Vertrag von dem „am 1. Januar 1957 angewandten Zollsätzen" spreche, so sei zu folgern, daß er die tatsächlich angewandten Sätze meine. Selbstverständlich ist dies an sich nicht; das Rechtsgefühl mag sich dagegen sträuben, daß der Richter eine rechtswidrige Praxis gleichsam sanktioniert. Das bekannte Bergmannsprämien-Urteil 32 könnte als Beispiel für eine freiere Rechtsfindung angesehen werden. Sie entsinnen sich vielleicht, daß die deutsche Regierung seinerzeit den unter Tage arbeitenden Bergleuten eine lohnsteuerfreie sog. „Schichtprämie" aus öffentlichen Mitteln gewährt hatte und daß die Hohe Behörde zu dem Ergebnis gekommen war, es handele sich hierbei nicht u m eine verbotene Subvention, so daß sie nicht einzuschreiten brauche. Eine Gruppe holländischer Kohlenproduzenten hielt diese Unterlassung für rechtsw i d r i g und erhob gegen die Hohe Behörde die Untätigkeitsklage. Die deutsche Regierung intervenierte an der Seite der Hohen Behörde; sie 30 31 32

RsprGH 120 ff. R s p r G H V I I I 20 ff. RsprGH V I I 44 ff.

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trug u.a. vor, das Subventionsverbot des A r t . 4 c gelte nur „dans les conditions prévues au présent Traité", also vorbehaltlich etwa i n anderen Vorschriften ausgesprochener Einschränkungen; eine solche Vorschrift sei Art. 67, wonach Maßnahmen eines Staates, die „den Kohle- oder Stahlunternehmen... i m Vergleich zu den anderen Industrien desselben Landes einen besonderen Vorteil (bringen)", nicht schlechthin verboten seien. Der Wortlaut gab der deutschen Regierung sicherlich recht; der Gerichtshof deduzierte jedoch aus dem Gesamtzusammenhang des Vertrages, daß Art. 67 andere Sachverhalte meine, nämlich ein Tätigwerden der Staaten auf den ihrer alleinigen Souveränität vorbehaltenen Gebieten, wie z. B. der Steuerpolitik. Häufiger als auf die Alternative zwischen Wortlaut und Sinn stößt der Richter jedoch auf die Frage, bis zu welchem Punkt unbestimmte Begriffe insbesondere wirtschaftlicher A r t rechtlich erfaßt werden können, anders gewendet: wo die Grenzen zwischen richterlicher Nachprüfung und behördlichem Ermessen liegen. Es ist dies eine Kompetenzfrage i m doppelten Wortsinn, geht es doch nicht nur u m verfassungsrechtliche Schranken, sondern zugleich u m die gerade den verantwortungsbewußten Juristen bedrängende Sorge, durch allzu kühnes Vordringen i n den Bereich nationalökonomischer Kausalitäten und Prognosen den sicheren Boden unter den Füßen zu verlieren. Als Musterbeispiel derartiger Problematik läßt sich ein Urteil vom 18. Mai 1962 anführen 33 , m i t dem der Gerichtshof die Entscheidung der Hohen Behörde aufrechterhielt, ein Einheitskartell der Ruhrkohleproduzenten w i derstreite A r t . 65 EGKS-Vertrag. W i r finden hier tiefschürfende Analysen des Begriffes der Preisbestimmungsmacht; lassen Sie mich ein beliebiges Zitat (S. 223) herausgreifen: „Es hieße . . . die Augen vor der Wirklichkeit verschließen, wollte man i m Kohlenmarkt oder i m Energiemarkt einen atomistischen Markt m i t vollständiger Konkurrenz sehen. Dieser M a r k t umfaßt nicht eine Unzahl von Produzenten, die unfähig wären, die Marktlage durch das Gewicht ihrer Angebote zu verändern, sondern eine begrenzte Zahl von Unternehmen, deren Produktion fast durchweg bedeutend ist; es liegt i n der Natur der Sache, daß sich auf dem Energiemarkt nur große Einheiten gegenüberstehen. A u f einem solchen M a r k t sind die Produzenten der Konkurrenz ihrer Rivalen nicht entzogen, sie üben aber infolge ihrer Größe auch selbst einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf die Marktpreise aus und werden hierdurch zu einer echten Absatzpolitik veranlaßt". Die Diktion dieser und ähnlicher Sätze, denen man das Feuer des von seinem Gegenstand gepackten Wissenschaftlers anmerkt — Berichterstatter war der bekannte französische Nationalökonom Jacques Rueff —, ist inner33

R s p r G H V I I I 212 ff.

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halb der Judikatur des Gerichtshofes eher ungewöhnlich. Ich möchte alle interessierten Zuhörer ermuntern, das Urteil daraufhin durchzuarbeiten, ob dieser Versuch einer Synthese ökonomischer Theorie und praktisch-juristischer Bedürfnisse geglückt ist; ich selbst muß m i r aus zeitlichen und anderen Gründen eine solche Würdigung versagen. Als letzte Kostprobe aus unserem wirtschaftlichen case-law w i l l ich Ihnen ein 1963 ergangenes Urteil vorsetzen, m i t dem über die Klage Italiens gegen eine der französischen Regierung erteilte Genehmigung entschieden wurde, vorübergehend zum Schutz der heimischen K ü h l schrankindustrie die italienischen Konkurrenzimporte m i t einer Abgabe zu belegen 34 . Die Klägerin warf der EWG-Kommission u. a. Diskriminierung vor: warum — so fragte sie — wurden die Schutzmaßnahmen nicht wenigstens auf die Importe aus anderen Staaten ausgedehnt? Der Gerichtshof gab der Rüge kein Gehör. Er prüfte i m einzelnen, ob die Ungleichbehandlung nach Lage der Dinge gerechtfertigt war. Die Maßstäbe hierfür entnahm er — abgesehen natürlich von den zugrundeliegenden Tatsachen — zunächst den Prinzipien der Ermächtigungsnorm, auf Grund derer die angefochtene Entscheidung ergangen war, nämlich Art. 226 EWG-Vertrag. Danach kann die Kommission „während der Ubergangszeit bei Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen", auf Antrag eines M i t gliedstaates Schutzmaßnahmen bestimmen und hierbei von den Vorschriften des Vertrages abweichen. I n diesem Zusammenhang führt das Urteil aus, daß A r t . 226 derartige Maßnahmen auf das „unbedingt Erforderliche" beschränkt wissen wolle. Weiterhin greifen die Entscheidungsgründe aber auch auf die Idee des „Gemeinsamen Marktes" selbst zurück, indem sie betonen, die Kommission müsse i m Zweifel davon ausgehen, „daß die ,Gemeinsamkeit 4 des Marktes weniger beeinträchtigt wird, wenn die Regeln des Vertrages ,lediglich im Verhältnis zwischen zwei Mitgliedstaaten außer Kraft gesetzt werden".

3. Schwerpunkte

der richterlichen

Tätigkeit

Der Außenstehende w i r d sich unseren Aufgabenbereich vermutlich so vorstellen, daß stets zentrale wirtschaftliche Fragen i m Vordergrund stünden. Dies ist — leider — nur bedingt richtig. Seit einer Reihe von Jahren haben andere Sachkomplexe einen sehr großen Teil der Arbeitskraft des Gerichtshofes beansprucht, nämlich einmal die sogenannten Schrottklagen, zum anderen Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten. M

R s p r G H I X 384 ff.

222

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Unter „Schrottklagen" verstehe ich die Rechtssachen, i n denen sich stahlerzeugende Unternehmen der EGKS gegen die Zahlungsbescheide der Hohen Behörde i m Rahmen der Ausgleichseinrichtung für Einfuhrschrott wandten. Von 97 Urteilen, die seit 1958 ergangen sind, betrafen nicht weniger als 42 derartige Fälle. Zieht man von der Zahl 97 alle EWG-Sachen und Beamtenprozesse ab, so kommt man zu dem frappierenden Ergebnis, daß die größere Zahl der EGKS-Klagen i n erster Linie nicht Kohle oder Stahl, sondern . . . Schrott betrafen. Der vierte Band unserer Entscheidungssammlung enthält sozusagen ausnahmslos „Schrott", was ich freilich nicht als Anspielung auf die Qualität der Urteile anzusehen bitte. Nachdem am 1. Januar 1962 — für EWG und Euratom erstmalig — ein „Beamtenstatut" i n K r a f t getreten w a r und die Gemeinschaftsbehörden darüber zu befinden hatten, welche Bediensteten in das Beamtenverhältnis zu übernehmen waren, häuften sich die dienstrechtlichen Klagen fast beängstigend. 62 °/o der am 15. März dieses Jahres (1964) anhängigen Prozesse waren dienstrechtlicher Natur. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß w i r über diese Schwerpunktverlagerung nicht ganz glücklich sind. Nicht selten geht es u m Materien, die zu Würde und Bedeutung eines internationalen Gerichtshofes nicht recht passen wollen, so um Kostenabrechnungen für Dienstreisen oder u m die Ermittlung, ob ein entlassener Angestellter tatsächlich, wie behauptet, i n heiterem Zustand Whiskygläser auf die Straße geworfen habe. Damit w i l l ich jedoch weder die Notwendigkeit eines angemessenen Rechtsschutzes für unsere Bediensteten anzweifeln noch behaupten, daß diese Rechtssachen uns stets verdrießlich stimmten. Gerade ein kürzlich ergangenes Beamtenurteil hat m i r große Freude gemacht, w e i l w i r hier eine offensichtlich ungerechtfertigte Entlassung rückgängig machen konnten. Überdies sind auch manche Beamtensachen von grundsätzlicher Bedeutung, so etwa der folgende jüngst entschiedene Fall 3 5 : ein Beamter des Europäischen Parlaments, Angehöriger des Staates X , hatte eine Stellenausschreibung angefochten, die für die Bewerber die vollständige Beherrschung der Sprache des Staates Y forderte und somit, wie das Parlament übrigens loyalerweise einräumte, nur auf Angehörige von Y zugeschnitten war. Der Gerichtshof gab dem Kläger recht; er bestritt nicht, daß für viele europäische Ämter die Beherrschung bestimmter Sprachen notwendig und daß bei der Einstellung von Bediensteten ein angemessenes nationales Gleichgewicht zu wahren sei, stellte aber darauf ab, daß i n concreto die Besetzung der Stelle gerade m i t einem Anhörigen von Y nicht erforderlich gewesen sei. « RsprGH X 77 ff.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

223

VIII. Der Gerichtshof — um es zu wiederholen —, i m Dezember 1952 als solcher der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl errichtet, seit 1958 i n seiner Zuständigkeit auf die römischen Verträge erweitert und seither als „Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften" bezeichnet, steht i m 12. Jahr seiner Tätigkeit. Seine arbeitsmäßige Belastung war lange Zeit gering. Das hat sich erst m i t der Zunahme der Klagen aus dem EWG-Bereich und der starken Zunahme der Beamtenklagen geändert. Je mehr die Herstellung des Gemeinsamen Marktes, wie sie der EWG-Vertrag vorsieht, fortschreitet, desto mehr w i r d die Inanspruchnahme des Gerichtshofes steigen. Das kann künftig vor allem für die vielfältigen Gebiete der Wettbewerbsregeln (Art. 85 ff. des Vertrages) und der Landwirtschaft sowie des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Art. 38 ff., insbes. 40 u. 42) gelten, die den Gerichtshof bisher kaum beschäftigt haben. U m eine zweifellos abträgliche Aufspaltung der Gerichtsbarkeit zu vermeiden, ist es geboten, dem Gerichtshof auch den Rechtsschutz für solche Verträge zu übertragen, die etwa von den Vertragspartnern des Gemeinsamen Marktes zu seiner Durchführung gesondert abgeschlossen werden. Für die Gebiete des Patentrechts, des Warenzeichenrechts, der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und von Schiedssprüchen (Art. 220 EWG) sowie einzelner Fragen des Konkursrechts werden entsprechende Verhandlungen bereits geführt. I n Zukunft ist daher zu erwarten, daß sich die Zahl der Klagen vor dem Gerichtshof vermehren wird. Ich habe heute nicht zu untersuchen, welche Folgerungen daraus zu ziehen wären. Nur einem Wunsch möchte ich Ausdruck geben: sollte es zur Fusion nicht nur der „Exekutiven", sondern dereinst auch der Gemeinschaften kommen, dann möge man die Gelegenheit der textlichen Vertragsänderungen auch dazu benutzen, um gewisse noch vorhandene Unvollkommenheiten des Rechtsschutzes zu beheben, von denen ich einige i n meinen Darlegungen gestreift habe. Als Mitglied des Gerichtshofes kommt es m i r nicht zu, Wertungen auszusprechen. Man w i r d m i r aber die Feststellung gestatten, daß die große Konzeption der Selbstgerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaften sich i n ihrer Verwirklichung bewährt hat.

Staat und Wirtschaft in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Von Hans Kutscher

I. 1. Das Thema des Referats lautete zunächst: „Staat und Wirtschaft i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland". Damit war ein weites, ein allzu weites Feld für ein zeitlich begrenztes Referat abgesteckt worden. Der Bericht beschränkt sich deshalb auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, obwohl die Bedeutung der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Thema „Staat und Wirtschaft" kaum überschätzt werden kann. Sie muß dennoch außer Betracht bleiben. Auch i n dieser Beschränkung bleibt das Thema für einen Richter „heikel-anziehend" 1 . „Anziehend" deshalb, w e i l jeder Richter die Versuchung kennt, über die Rechtsprechung seines Gerichts außerhalb des Kollegiums zu räsonieren. „Heikel" deshalb, w e i l es der Tradition entspricht, daß der Richter die Entscheidungen seines Gerichts nicht kritisch würdigt — es sei denn i n der Form einer „abweichenden Meinung", deren Publikation aber bei uns nicht zugelassen ist 2 . I m Widerstreit zwischen „heikel" und „anziehend" habe ich mich dahin entschieden, der guten Übung treu zu bleiben. Ich werde also die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder kritisieren noch verteidigen. Damit gerate ich i n die Gefahr, einen mehr oder weniger langweiligen Bericht über diese Rechtsprechung zu geben. Ich werde versuchen, diese Gefahr zu bannen, indem ich weniger über Fragen des materiellen Verfassungsrechts als über die Frage berichte, wie das Verfassungsgericht den Umfang seines Prüfungsrechts — genauer: seiner Prüfungs- und Verwerfungskompetenz — gegenüber gesetzlichen Regelungen w i r t schaftspolitischen Inhalts begrenzt hat. I m Anschluß an den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch w i r d dabei unter „richterlichem Prüfungsrecht" die Befugnis des Richters verstanden, Gesetze am Maßstab der 1

Die Wortprägung stammt von Thomas M a n n : Briefe 1937—1947, S. 18. Z u dieser Frage vgl. etwa Nadelmann, Das Minderheitsvotum i m K o l legialgericht — Bekanntgabe oder Geheimhaltung? A ö R Bd. 86 (1961), S. 39. 2

Staat und Wirtschaft in der Rechtsprechung des BVerfG

225

höherrangigen Verfassungsnorm zu messen, also die Befugnis zur Normenkontrolle 3 . Es mag ungewohnt sein, bei einem Bericht über die Rechtsprechung eines Gerichts nicht Fragen des materiellen Rechts und seiner Auslegung i n den Vordergrund zu stellen. Für die Verfassungsgerichtsbarkeit dürfte jedoch die Frage nach dem Umfang der Prüfungsbefugnis — i n gewisser Hinsicht und jedenfalls für gewisse Bereiche — selbständige Bedeutung haben neben der Frage nach dem rechten Verständnis des materiellen Rechts. Häufig allerdings w i r d sich der Umfang der Prüfungsbefugnis ohne weiteres aus der Auslegung der einzelnen Verfassungsnorm ergeben. Beide Fragen — die nach dem Inhalt der Norm und die nach dem Umfang der Prüfungsbefugnis — sind eng miteinander verschränkt. Die hiermit angedeutete Problematik soll jedoch i n diesem Referat außer Betracht bleiben und die Frage nach dem Umfang des richterlichen Prüfungsrechts i n den Vordergrund gestellt werden. Diese Frage zielt auf das Verhältnis von Verfassungsgericht und Gesetzgeber. Das Referat handelt also von dem Rahmen, den die Verfassung dem Gesetzgeber zieht, wenn er Gesetze wirtschaftspolitischen Inhalts erläßt, und vor allem davon, wie die verfassungsgerichtliche Prüfungsbefugnis solchen Gesetzen gegenüber begrenzt wird. 2. Damit ist implizite die Frage angeschnitten, ob das Grundgesetz der Wirtschaft eine Verfassung gegeben hat, ob eine besondere W i r t schaftsverfassung gilt. Insbesondere der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Professor Nipperdey, hat diese Frage bejaht und die Ansicht vertreten, daß nach dem Grundgesetz die „soziale M a r k t w i r t schaft" nicht nur möglich, sondern institutionell garantiert sei. Uber diese Frage ist sehr viel geschrieben worden. I n Nipperdeys hervorragender Monographie über das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 4 nehmen die Literaturangaben zum Stichwort „Wirtschafts3 Z u m richterlichen Prüfungsrecht vgl. etwa Morstein M a r x , Variationen über richterliche Zuständigkeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gesetzes, B e r l i n - G r u n e w a l d 1927; E. v. Hippel, Das richterliche Prüfungsrecht, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2 (1932), S. 546; Loewenstein, V e r fassungsrecht u n d Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten, 1959, S. 418 ff.; Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, 2. Auflage, 1962, S. 186 ff.; McWhinney, Judicial Review i n the English-Speaking World, 2. Auflage, T o ronto 1960; Engelhardt, Das richterliche Prüfungsrecht i m modernen Verfassungsstaat, JöR Bd. 8 (1959), S. 101; Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenw a r t , Länderberichte u n d Rechtsvergleichung, Internationales Kolloquium, veranstaltet v o m M a x - P l a n c k - I n s t i t u t f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht 1961, insbesondere S. 727 ff., u n d Friesenhahn, ebenda S. 96 ff.; Hans G. Rupp, Judicial Review i n the Federal Republic of Germany, The American Journal of Comparative L a w 9 (1960), S. 29 ff. 4

I n dem Sammelwerk „Die Grundrechte", jetzt herausgegeben von B e t termann u n d Nipperdey, Bd. IV/2, S. 741 (861 ff.). 1

Speyer 22

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Verfassung" mehr als drei eng bedruckte Seiten ein. Zum Streit um die Wirtschaftsverfassung 5 sei i n aller Kürze nur auf folgendes hingewiesen: Der Parlamentarische Rat hat bewußt davon abgesehen, wirtschaftspolitische und wirtschaftsrechtliche Grundsatzregelungen i n die Verfassung aufzunehmen, wie sie i n der Weimarer Reichsverfassung enthalten waren. Der Parlamentarische Rat ist damit dem Rat seines M i t glieds und jetzigen Richters am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Dr. Walter Strauß, gefolgt 6 . Hieran hat sich das Bundesverfassungsgericht gehalten, als es i m Investitionshilfe-Urteil schon 1954 feststellte 7 : „Das Grundgesetz garantiert weder die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungs- u n d Gesetzgebungsgewalt noch eine n u r m i t marktkonformen M i t t e l n zu steuernde ,soziale Marktwirtschaft'."

Die „wirtschaftspolitische Neutralität" des Grundgesetzes bestehe lediglich darin, daß sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden habe. Dies ermögliche dem Gesetzgeber, die i h m jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet. Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung sei zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche. A n dieser Auffassung hat das Gericht festgehalten 8 . Das Gericht hat festgestellt, es sei dem Gesetzgeber möglich, die i h m jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Es hat aber hinzugefügt: „sofern er dabei das Grundgesetz beachtet" 9. Es ist offensichtlich, daß i n diesem Nachsatz die Probleme angedeutet sind, die auftreten, wenn ein Gesetz wirtschaftspolitischen Inhalts am Maßstab der Verfassung geprüft werden muß. Es ist sicherlich richtig, daß dem Gesetzgeber die Verwirklichung bestimmter Wirtschaftssysteme oder — m i t anderen Worten — bestimmter Grund- oder Modellformen der Ordnung des Wirtschaftslebens eben dadurch verschlossen ist, daß er das Grundgesetz beachten muß. So würde etwa einerseits die reine, liberalistische Marktwirtschaft und der sie kennzeichnende Grundsatz staatlicher Nichtintervention schon am 5 Vgl. hierzu etwa w e i t e r h i n Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, i n : Die Grundrechte, Bd. I I I / l S. 1;E. R. Huber, Der Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, DÖV 1956, 97, 135, 172, 200; Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 7 ff. ® Vgl. Walter Strauß, Wirtschaftsverfassung u n d Staatsverfassung, 1952, S. 12, sowie Entwicklung u n d Probleme des heutigen Wirtschaftsrechts, 1957, S. 19. 7 BVerfGE 4, 7 (17 f.). 8 Vgl. z. B. BVerfGE 7, 377 (400); 12, 354 (363); 14, 263 (275). • BVerfGE 4, 7 (18).

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Sozialstaatsprinzip scheitern. Andererseits würde sich eine Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft schon deshalb nicht verwirklichen lassen, weil die Grundrechte der Freizügigkeit, der Berufsfreiheit und das Verbot, jemanden zu einer bestimmten Arbeit zu zwingen (Art. 11 und 12 GG), entgegenstehen würden. Es fragt sich jedoch, ob das Grundgesetz über diesen Ausschluß bestimmter Wirtschaftsysteme hinaus positiv die Verwirklichung eines anderen Wirtschaftssystems vorschreibt oder — anders gewendet — ob das, was dem Gesetzgeber i m Rahmen des Grundgesetzes an wirtschaftspolitischen Maßnahmen möglich ist, eine bestimmte Wirtschaftsordnung ergibt. Diese Anmerkungen zum „Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht" sollen m i t einem Hinweis auf die w o h l jüngste Äußerung zu dieser Frage abgeschlossen werden. Herbert Krüger hat i n seiner soeben erschienenen „Allgemeinen Staatslehre" dargelegt 10 : Wenn man den Verfassungssätzen und vor allem den Grundrechten eine spezifisch w i r t schaftsverfassungsrechtliche Rolle zuweisen würde, so würde das letzten Endes darauf hinauslaufen, die Wirtschaft gegen den Staat zu formieren. Man tue daher gut daran, gegenüber dem Herauslesen einer Wirtschaftsverfassung aus einer politischen Verfassimg — genauer: dem Hineinlesen einer Wirtschaftsverfassung i n eine Staatsverf assung — äußerste Zurückhaltung zu bewahren. Man solle die Ordnung der W i r t schaft der Gesetzgebung, die Wirtschaftspolitik der Regierung überlassen, die dadurch i n die Lage versetzt seien, i m Rahmen der Staatsverfassung nach den jeweiligen Erfordernissen zu handeln. II. Nach diesen einführenden Bemerkungen soll i n einem zweiten A b schnitt des Referats über einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berichtet werden, die i n den letzten Jahren ergangen sind. Vor etwa drei Jahren hat der Präsident des Gerichts, Dr. Gebhard Müller, vor den Hörern der Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer über das Thema „Bundesverfassungsgericht und Wirtschaftsverfassungsrecht" gesprochen und dabei ausführlicher über die Rechtsprechung des Gerichts zu A r t i k e l 2 Absatz 1, A r t i k e l 12 und A r t i k e l 14 und 15 GG berichtet 11 . Es muß genügen, auf diese Darstellung zu verweisen und sie durch Hinweise auf einige wichtigere Entscheidungen des Gerichts zu ergänzen, die seit M a i 1961 ergangen sind. Diese Hinweise sollen 10

S. 578. Gebhard Müller, Bundesverfassungsgericht und Wirtschaftsverfassungsrecht, Vortrag v o m 29. M a i 1961, abgedruckt i n : Juristen-Jahrbuch, 2. Bd. (1961/62), S. 17 ff.; vgl. auch Echterhölter, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Wirtschafts- u n d Sozialrecht, Der Betriebsberater 1962, S. 265 ff. 11

15·

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zugleich verdeutlichen, wie mannigfaltig die Aspekte sind, unter denen sich das Gericht mit Regelungen, die die Wirtschaft betreffen, beschäftigen muß — Wirtschaft hier und künftig i n einem weiten Sinn verstanden. 1. Zum Grundrecht der Berufsfreiheit — A r t i k e l 12 Absatz 1 GG — erging i m J u l i 1961 ein bedeutsamer Beschluß, der die Verfassungsmäßigkeit des sogenannten großen Befähigungsnachweises der Handwerksordnung bejahte 12 . Weitere Entscheidungen stellten fest, daß die Pflichtzugehörigkeit zu den Industrie- und Handelskammern A r t i k e l 12 Absatz 1 GG nicht berührt und m i t A r t i k e l 9 Absatz 1 und A r t i k e l 2 Absatz 1 GG vereinbar ist 1 3 , daß § 3 des Ladenschlußgesetzes, der die allgemeinen Ladenschlußzeiten festsetzt, mit A r t i k e l 12 Absatz 1 und mit dem Grundgesetz überhaupt vereinbar ist 1 4 , daß aber die ebenfalls i m Ladenschlußgesetz geregelte sogenannte Residenzpflicht der Warenautomaten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht i n Einklang steht 15 , daß die leitenden Krankenhausärzte (also die Chefärzte) aus A r t i kel 12 Absatz 1 GG einen Anspruch auf Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung nicht herleiten können1®, daß das Verbot des Mehrbetriebs i m Apothekenrecht eine Regelung der Berufsausübung enthält und m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG vereinbar ist 1 7 , daß eine landesrechtliche Bestimmung, nach der der Beruf des Anwalts und der des Notars i n bestimmten Fällen unvereinbar waren, m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG vereinbar ist 1 8 , daß die Festsetzung des sogenannten Überbrandabzugs i m Rahmen des Branntweinmonopols nicht gegen A r t i k e l 12 Absatz 1 GG verstößt 19 ; i n dieser interessanten Entscheidung finden sich auch grundsätzliche Ausführungen zu den Finanzmonopolen überhaupt. Drei wichtige neuere Entscheidungen betreffen die Frage des Verhältnisses von Steuer und Berufsfreiheit. A u f ihre Vereinbarkeit m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG wurden geprüft die Schankerlaubnissteuer 20 12 18 14 15 18 17 18 19 20

BVerfGE 13, 97. BVerfGE 15, 235. BVerfGE 13, 237 u n d 13, 230. BVerfGE 14, 19. BVerfGE 16, 286. U r t e i l v o m 13. Februar 1964, JZ 1964, 418. BVerfGE 16, 6. BVerfGE 14, 105. BVerfGE 13, 181.

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sowie nordrhein-westfälische Vorschriften über die Vergnügungsteuer auf Gewinnapparate oder Spielautomaten; hier erging aber nur ein Teilurteil, das landesrechtliche Vorschriften aus dem Jahre 1956 und deren Gültigkeit bis Ende 1957 betraf 21 . Die dritte Entscheidung betraf die Beförderungssteuer für den Werkfernverkehr 22 . Das Gericht hat festgestellt, daß auch Steuernormen i n die Freiheit der beruflichen Betätigung eingreifen können, wenn sie infolge ihrer Gestaltung i n einem engen Zusammenhang m i t der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen 23 . I n allen drei Fällen wurde die Vereinbarkeit der Steuervorschrift mit dem Grundgesetz bejaht. 2. Vorschriften des Steuerrechts waren auch sonst häufiger Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit „rückwirkender" belastender Steuergesetze wurde grundsätzlich geklärt. Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit wurde der Verfassungsrechtssatz abgeleitet, daß belastende Steuergesetze ihre Wirksamkeit nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürfen, was jedoch nur grundsätzlich und also nicht ausnahmslos gilt 2 4 . Eine Gerichtsvorlage zum Hessischen Gesetz über die Getränke- und Speiseeissteuer von 1951 zwang dazu, den Begriff der Steuern m i t örtlich bedingtem Wirkungskreis (Artikel 105 Absatz 2 Nummer 1 GG) i m Bereich der Gemeindesteuern näher zu umreißen, was sich als schwierig erwies 25 . Zu der komplizierten Frage der steuerlichen Behandlung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen i m Gewerbesteuerrecht wurde festgestellt, daß sie wegen Besonderheiten, die nicht auf wirtschaftlichem Gebiet liegen, steuerrechtlich nicht ungünstiger behandelt werden dürfen als vergleichbare Arbeitsverhältnisse sonstiger Personen 26 . Prüfungsmaßstab war hier der allgemeine Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 GG) sowie A r t i k e l 6 Absatz 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. 3. Das Gericht entschied ferner, daß das Kreditwesengesetz von 1961 und also auch die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen in Berlin mit dem Grundgesetz und insbesondere mit A r t i kel 87 GG vereinbar sind 27 . Diese Entscheidung hat nicht nur für die 21

BVerfGE 14, 76.

22

BVerfGE 16, 147.

28

BVerfGE 13, 181 (186); 16, 147 (162).

24

BVerfGE 13, 261 (271 f.).

25

BVerfGE 16, 306. BVerfGE 13, 290.

26 27

BVerfGE 14, 197.

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Frage Bedeutung, wie die Verwaltungskompetenzen i m Bundesstaat nach dem Grundgesetz aufgeteilt sind. Es ist auch für das Kreditwesen selbst wichtig, daß die Bankaufsicht nunmehr bei einer Bundesoberbehörde und nicht mehr bei elf Länderbehörden liegt. 4. Heftig umstrittene gesellschaftsrechtliche Vorschriften des Umwandlungsgesetzes waren Gegenstand des Feldmühle-Urteils 2 8 . Das Gericht hielt es für vertretbar, daß der Gesetzgeber das durch A r t i k e l 14 Absatz 1 GG geschützte Anlageinteresse der Kleinaktionäre zurücktreten ließ hinter das durch A r t i k e l 2 Absatz 1 GG geschützte unternehmerische Interesse der Konzernleitung bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft auf eine andere Aktiengesellschaft 29 . Das Feldmühle-Urteil ist dann nicht weniger heftig kritisiert worden als die Bestimmung, deren Verfassungsmäßigkeit es feststellte. 5. Eine besatzungsrechtliche Vorschrift der Höfeordnung für die ehemals britische Besatzungszone, die den Vorrang des männlichen Geschlechts bei der Erbfolge vorsieht, wurde zwar durch ein i n mancher Hinsicht wichtiges und interessantes Urteil für unvereinbar m i t A r t i kel 3 Absatz 2 und 3 GG, aber dennoch nicht für nichtig erachtet 30 .

III. Nach diesem allgemeinen Überblick soll eingehender dargestellt werden die Rechtsprechung des Gerichts zum Grundrecht der Berufsfreiheit. 1. Zunächst einige Angaben über die Zahl der gesetzlichen Vorschriften, die als unvereinbar m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG angesehen und deren Nichtigkeit festgestellt wurde. Die Rechtsprechung des Gerichts zum einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit setzt ein mit dem Apotheken-Urteil 3 1 . Das Urteil stellt fest, daß für Apotheken nur die Niederlassungsfreiheit dem A r t i k e l 12 Absatz 1 GG entspreche — Niederlassungsfreiheit verstanden als das Fehlen objektiver Beschränkungen der Zulassung einer Apotheke. Eine m i t diesem Grundsatz nicht zu vereinbarende Vorschrift des bayerischen Gesetzes über das Apothekenwesen von 1952/1955 wurde für nichtig erachtet. Das Apotheken-Urteil erging i m Juni 1958. Seitdem hat das Gericht i n einer nicht geringen Anzahl von Entscheidungen bundes- und landesrechtliche Normen auf ihre Vereinbarkeit m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG 18

" 80 81

BVerfGE 14, 263. BVerfGE 14, 263 (283). BVerfGE 15, 337. BVerfGE 7, 377.

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geprüft. Es hat bis Ende März 1964 — also i n einem Zeitraum von nahezu sechs Jahren — fünf bundesrechtliche, aber keine weitere landesrechtliche Norm als unvereinbar m i t A r t i k e l 12 Absatz 1 GG angesehen. Von den fünf bundesrechtlichen Vorschriften, deren Nichtigkeit festgestellt wurde, sind drei von geringer Bedeutung. Daß eine Mindestumsatzmenge als Voraussetzung für die Erlaubnis zum Handel mit „loser" Milch 3 2 , daß die sogenannte Residenzpflicht der Warenautomaten 33 und daß schließlich das Verbot, zur Aufnahme von Bestellungen auf frei verkäufliche Tierarzneimittel die Bauern aufzusuchen 34 , weggefallen sind, w i r d niemand als bedeutsam für das wirtschaftliche Leben insgesamt bezeichnen wollen, so wichtig der Fortfall der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften für die unmittelbar Betroffenen sicherlich gewesen ist. Es bleibt die Entscheidung zu § 9 Absatz 1 des Personenbeförderungsgesetzes i n der Fassung von 1937 und zu § 9 Absatz 2 dieses Gesetzes i n der Fassung von 195535, die aber unmittelbar nur den Gelegenheitsverkehr mit Droschken und Mietwagen betraf, sowie die beiden Entscheidungen zum Kassenarzt- und Kassenzahnarztrecht 36 , durch die die teilweise Nichtigkeit von § 368a Absatz 1 Satz 1 RVO festgestellt wurde. Diese Vorschrift setzte die Zahl der Ärzte mit Kassenpraxis in ein bestimmtes Verhältnis zur Zahl der Kassenpatienten. Wenigstens an dieser Stelle muß nachdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu A r t i k e l 12 Absatz 1 GG hingewiesen werden, die zeitlich und i n mancher Hinsicht auch i n der Auslegung des Artikels 12 Absatz 1 GG der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorangegangen ist. Hinzuweisen ist insbesondere auf die umfangreiche Rechtsprechimg des Bundesverwaltungsgerichts zur sogenannten Bedürfnisprüfung, durch die schon Jahre vor dem Apotheken-Urteil etliche gesetzliche Regelungen für unvereinbar mit A r t i k e l 12 Absatz 1 GG erachtet wurden 3 7 . Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betraf allerdings — wegen des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts für nachkonstitutionelle Gesetze — nur das sogenannte vorkonstitutionelle Recht. 2. Soviel zum „Ergebnis" der Rechtsprechung zu A r t i k e l 12 Absatz 1 GG. Zahl und Bedeutung der gesetzlichen Regelungen, die als 82

BVerfGE 9, 39. BVerfGE 14, 19. 84 U r t e i l v o m 4. März 1964, M D R 1964, 38 S. 85 BVerfGE 11, 168. 88 BVerfGE 11, 30 u n d 12,144. 87 Nachweisungen hierzu etwa bei Reuß, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 1963, S. 22 ff., sowie bei Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht i n der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 1963, S. 23 ff. und S. 142 ff. 88

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unvereinbar m i t dem Grundrecht der Berufsfreiheit erachtet wurden, erlauben nicht die Feststellung, daß das Bundesverfassungsgericht seine Prüfungsbefugnis ungebührlich ausgedehnt und i n den Bereich des Gesetzgebers übergegriffen habe. Welche Auffassung vom Umfang der verfassungsgerichtlichen Prüfungsbefugnis liegt diesem „Ergebnis" zugrunde? U m diese Frage einer Klärung näherzubringen, muß kurz dargelegt werden, wie das Gericht A r t i k e l 12 Absatz 1 GG ausgelegt hat. I m Apotheken-Urteil hat das Gericht ausgeführt, das Grundrecht der Berufsfreiheit solle die Freiheit des Individuums schützen, der Regelungsvorbehalt (Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 GG) solle ausreichenden Schutz der Gemeinschaftsinteressen sicherstellen. Die Schwierigkeit liege darin, das grundsätzlich freie wirtschaftspolitische, sozialpolitische und berufspolitische Ermessen, das dem Gesetzgeber gewahrt bleiben müsse, mit dem Freiheitsschutz zu vereinen, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch habe 38 . M i t diesem Satz ist ganz allgemein die Schwierigkeit gekennzeichnet, vor der das Gericht immer dann steht, wenn es Gesetze wirtschaftspolitischen Inhalts auf ihre Vereinbarkeit m i t den Grundrechten zu prüfen hat. Für das Grundrecht der Berufsfreiheit hat das Gericht, um beiden Forderungen — Schutz der Freiheit des Bürgers und Schutz der Gemeinschaftsinteressen — gerecht zu werden, die sogenannte „Stufentheorie" entwickelt, die zwischen Ausübung und Wahl des Berufs sowie bei der Berufswahl zwischen subjektiven und objektiven Voraussetzungen für die Berufsaufnahme differenziert. Die Grenzen, die A r t i k e l 12 Absatz 1 GG der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers setzt, sind weit gezogen für Regelungen der Berufsausübung (1. Stufe), enger für die Festlegung subjektiver und noch enger für die Festlegung objektiver Voraussetzungen für die Berufsaufnahme (2. und 3. Stufe). Eingriffe in die Berufsfreiheit sind jeweils nur auf der „Stufe" gerechtfertigt, die die geringste Beschränkung der Berufsfreiheit des einzelnen m i t sich bringt. Die Einzelheiten dieser „Stufentheorie" müssen hier außer Betracht bleiben 39 . Das Gericht hat sie seit dem Apotheken-Urteil seiner Rechtsprechung zu A r t i k e l 12 Absatz 1 GG ständig zugrunde gelegt. Sie hat weitgehend Zustimmung gefunden. Wichtig für das speziellere Thema dieses Referats ist die Frage, wie das Gericht i m Apotheken-Urteil und i n seiner späteren Rechtsprechimg den Umfang seiner Prüfungsbefugnis i m Bereich des Artikels 12 Ab88

BVerfGE 7, 377 (400). Eine vorzügliche Übersicht über die Rechtsprechung zu A r t . 12 GG findet sich bei Engler, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundrechten, i n : Das Bundesverfassungsgericht, 1963, S. 87 (149—166). 89

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satz 1 GG umschrieben hat. I m Apotheken-Urteil w i r d dargelegt, das Gericht habe zu prüfen, ob der Gesetzgeber die sich aus der „Stufentheorie" ergebenden Beschränkungen seiner Regelungsbefugnis eingehalten habe, ob also eine Regelung der Berufsausübung sich durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen lasse, und ob Beschränkungen der Berufswahl zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend geboten seien. Beim Apotheken-Urteil ging es um objektive Zulassungsvoraussetzungen. Bei ihnen lag demzufolge der Schwerpunkt der Argumentation. Etwa drei Jahre nach dem Apotheken-Urteil hat das Gericht entschieden, daß die Regelung der Handwerksordnung, nach der der selbständige Betrieb eines Handwerks — von Ausnahmen abgesehen — nur den Handwerksmeistern gestattet ist (sogenannter „Großer Befähigungsnachweis"), mit A r t i k e l 12 Absatz 1 GG vereinbar sei 40 . Diese Regelung betrifft die Berufswahl und statuiert — was unbestritten ist — eine subjektive Zulassungsvoraussetzung. Solche Zulassungsvoraussetzungen sind nach der „Stufentheorie" nur dann gerechtfertigt, wenn sie zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes erforderlich sind. Hierzu legt das Gericht nunmehr dar, daß nicht nur „absolute", d. h. allgemein anerkannte und von der jeweiligen Politik des Gemeinwesens unabhängige Gemeinschaftswerte — wie zum Beispiel die Volksgesundheit — schutzwürdig seien. Der Gesetzgeber könne auch Gemeinschaftsinteressen zum Anlaß von Berufsregelungen nehmen, die ihm nicht i n diesem Sinne „vorgegeben" seien, die sich vielmehr erst aus seinen besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen ergeben, die er also erst selbst i n den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erhebe. I n solchen Fällen sei das Gericht auf die Prüfung beschränkt, ob die öffentlichen Interessen, deren Schutz die gesetzliche Regelung diene, überhaupt Gemeinschaftswerte von hohem Rang darstellen könnten. Den Anschauungen des Gesetzgebers hierüber dürfe das Gericht die Anerkennung nur dann versagen, wenn sie offensichtlich fehlsam oder m i t der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar seien 41 . Der Bundesgesetzgeiber habe das Handwerk als einen volkswirtschaftlich unentbehrlichen Zweig der gewerblichen W i r t schaft und einen besonders wichtigen Teil des Mittelstandes angesehen. Er habe sich die Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und die Sicherung eines qualifizierten Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft zum Ziel gesetzt. Diese Erwägungen hielten sich i m Rahmen einer nach dem Grundgesetz möglichen und daher allein vom gesetzgeberischen Ermessen bestimmten 40 41

BVerfGE 13, 97. a. a. O., S. 107.

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Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik 42 . Auch bei der Prüfung der weiteren Frage, ob das Gemeinschaftsinteresse am Schutz des Handwerks gegenüber dem Freiheitsrecht des einzelnen Vorrang beanspruchen könne und ob die Handwerksordnung i n der Beschränkung des Grundrechts nicht zu weit gegangen sei, erkennt das Gericht — allgemein gesprochen — einen weiten Bereich gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit an 43 . Die Entscheidung zur Handwerksordnung ergänzt oder modifiziert also die Thesen des Apotheken-Urteils, und zwar insbesondere insofern, als sie — für den Bereich der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen — davon ausgeht, daß der Gesetzgeber in gewissen Grenzen bestimmen kann, was als wichtiges Gemeinschaftsinteresse anzusehen ist. Sie modifiziert die Thesen des Apotheken-Urteils i m Sinne einer Einschränkung der verfassungsgerichtlichen Prüfungsbefugnis. Insgesamt gesehen ist die Rechtsprechung zu A r t i k e l 12 Absatz 1 GG also durch große Zurückhaltung bei der Ausübung des richterlichen Prüfungsrechts gekennzeichnet. Wenn diese Rechtsprechung m i t dem Apotheken-Urteil auch fortissimo eingesetzt hat, so ist doch die Melodie der Berufsfreiheit vom Gericht seitdem nur mezzoforte und piano gespielt worden. IV. I m letzten Abschnitt des Berichts w i r d von den Grenzen des verfassungsgerichtlichen Prüfungsrechts gegenüber Gesetzen wirtschaftspolitischen Inhalts unter allgemeineren Aspekten die Rede sein. 1. Es gibt kein prozessuales Institut, das dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit einräumt, generell oder wenigstens bei den Verfassungsbeschwerden dann von einer Sachentscheidung abzusehen, wenn eine solche Entscheidung nach verantwortungsbewußter Prüfung entbehrlich erscheint. Das Gericht hat schon vor vielen Jahren angeregt, es seinem Ermessen zu überlassen, ob eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen wird. Dieser Vorschlag hatte das Zulassungsverfahren (Certiorari-Verfahren) des Supreme Court der Vereinigten Staaten zum Vorbild 4 4 . Der Vorschlag sollte vor allem — wenn nicht "

a. a. O., S. 108,110. a. a. O., S. 113 ff. Siehe zum Beschluß über die Handwerksordnung ausführlich u n d kritisch vor allem Reuß, DVB1.1961, 865. 44 Z u diesem Verfahren vgl. etwa Vollkommer, Die Rechtsmittel zum U. S. Supreme Court — Beispiele f ü r eine Grundsatzrevision? — JZ 1964, 152 — m i t Nachweisungen. Die Tatsache, daß der Supreme Court auch V e r fassungsgerichtsbarkeit ausübt, bleibt bei Vollkommer i m Hintergrund. 48

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ausschließlich — der unbedingt notwendigen Entlastung des Gerichts dienen, das wegen der großen und wachsenden Zahl unbegründeter Verfassungsbeschwerden i n die Gefahr geraten kann, wichtige Fragen zu spät zu entscheiden. Die Befugnis, die Annahme von Verfassungsbeschwerden ohne eingehende Prüfung abzulehnen, würde dem Gericht die Möglichkeit geben, seinem Prozeßregister die Minima fernzuhalten, sein Prüfungsrecht und seine Prüfungspflicht also auf die wichtigen Fragen zu konzentrieren und i n dieser Weise zu beschränken. Der Gesetzgeber hat sich nicht entschließen können, den Vorschlägen des Gerichts zu folgen. Nach der seit August 1963 geltenden Regelung kann zwar die Annahme einer Verfassungsbeschwerde durch einstimmigen Beschluß eines aus drei Richtern bestehenden Ausschusses abgelehnt werden, aber nur dann, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist; das macht eine sorgfältige und deshalb zeitraubende rechtliche Prüfung jeder Verfassungsbeschwerde notwendig 45 . 2. Eine weitere dem Supreme Court der Vereinigten Staaten offenstehende Möglichkeit, Zurückhaltung hinsichtlich des richterlichen Prüfungsrechts zu üben, ist dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls verschlossen. Das Gericht hat nach unserer Verfassungsordnung nicht die Befugnis, unter Berufung auf den politischen Charakter eines Aktes seiner verfassungsrechtlichen Prüfung auszuweichen oder diese Prüfung der vorauszusehenden politischen Wirkung seines Urteils wegen zu unterlassen. Die hiermit angedeuteten schwierigen Fragen können i m Rahmen dieses Berichts nicht näher untersucht werden 46 . Fragen aus diesem Bereich spielen aber auch i n der Rechtsprechung des Gerichts eine gewisse Rolle. Hierfür nur ein Beispiel: Nach A r t i k e l 72 Absatz 2 GG ist der Bund i m Bereich seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zur Gesetzgebung nur befugt, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht. I n der schon erwähnten Entscheidung zum Ladenschlußgesetz hat das Gericht dargelegt, die Entscheidung, ob ein

45

§ 93 a BVerfGG, eingefügt durch Gesetz v o m 3. August 1963, BGBl. I S. 589. 46 Die Frage, ob es „gerichtsfreie Hoheitsakte" gibt (siehe etwa [Maunz-] Dürig, Grundgesetz, R d n r n 23 ff. zu A r t . 19 Abs. 4 GG), bezeichnet n u r einen Ausschnitt aus dem Fragenkomplex. Z u der „political-question"-Doktrin des Supreme Court vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, i n : Das Bundesverfassungsgericht, 1963, S. 61 (67 f.). Der Unterschied zwischen „politischen Rechtsstreitigkeiten" u n d „politischen Streitigkeiten" (nur diese sind der Gerichtsbarkeit entzogen) w i r d schon i m Bericht über den Status des Bundesverfassungsgerichts (JöR Bd. 6 [1957], S. 120 [125]) hervorgehoben. Vgl. hierzu Friesenhahn, Wesen u n d Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, Zeitschrift f ü r schweizerisches Recht, Bd. 73 (1954), S.129 (152 ff.) sowie Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, W D S t R L Heft 20 (1963), S.53 (75 f.).

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solches Bedürfnis vorliege, habe derjenige zu treffen, der zu handeln habe, also der Bundesgesetzgeber. Es könne dem Gesetzgeber nicht versagt sein, auf das i h m erwünscht erscheinende Maß an Einheitlichkeit i m Sozialleben hinzustreben. Hierin liege eine politische Vorentscheidung, die das Gericht grundsätzlich zu respektieren habe, weil es die Aufgabe jedes Gesetzgebers sei, Lebensverhältnisse — insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft — gestaltend zu ordnen. Das Gericht sei deshalb auf die Prüfung beschränkt, ob der Bundesgesetzgeber die Begriffe „Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit" und „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" (Artikel 72 Absatz 2 GG) i m Prinzip zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten habe. Für das Ladenschlußgesetz hat das Gericht nicht feststellen können, daß der Bundesgesetzgeber seinen Ermessensbereich überschritten habe 47 . 3. Beschränkung bei der Ausübung des richterlichen Prüfungsrechts hat sich das Gericht vor allem dadurch auferlegt, daß es i n ständiger Rechtsprechung den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung anwendet, den es vom Supreme Court der Vereinigten Staaten übernommen hat 4 8 . Der Grundsatz besagt, daß bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige den Vorzug verdient, bei der das Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist, und daß die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nur dann festgestellt werden kann, wenn eine Auslegung, bei der das Gesetz m i t der Verfassung vereinbar wäre, nicht möglich ist. Der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung hängt eng zusammen mit dem Grundsatz der „Rechtsbeständigkeit" der Gesetze, den das Gericht i n einer frühen Entscheidung etwas mißverständlich dahin formuliert hat, es spreche eine Vermutung dafür, daß ein Gesetz m i t dem Grundgesetz vereinbar ist 49 . Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Prof. Werner, hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es bei der verfassungskonformen Auslegung der Gesetze nicht nur u m das Problem der Gesetzesauslegung, sondern auch um das Verhältnis von Richter und Verfassung geht 50 . 47

BVerfGE 13, 230 (233 f.); vgl. auch BVerfGE 10, 234 (245). Vgl. die v o n Justice Brandeis zusammengefaßten Grundsätze des Supreme Court f ü r die Handhabung des richterlichen Prüfungsrechts i n seiner concurring opinion i m F a l l Ashwander v. Tennessee Valley A u t h o r i t y , 297 US 288, 346—348 (1936), insbesondere den Grundsatz Nr. 7; Übersetzung der Grundsätze i n der Untersuchung von Fraenkel, Das richterliche Prüf ungerecht i n den Vereinigten Staaten von Amerika, JöR 2 (1953), S. 35. Vgl. ferner Hans G. Rupp, Some Remarks on Judicial Self-Restraint, Ohio State L a w Journal 21 (1960) S. 503. 49 BVerfGE 2, 266 (282); i n dieser Entscheidung zum Notaufnahmegesetz v o m 22. August 1950 (BGBl. S. 367) w u r d e der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung erstmals formuliert u n d angewandt. 50 N J W 1964, 26. 48

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Vor allem geht es hierbei u m das Verhältnis von Richter und Gesetzgeber 51 . Das Gericht hat den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung i n ständiger Rechtsprechung angewandt. Nur eine seiner Entscheidungen soll als Beispiel angeführt werden: I n der Entscheidung zum Preisgesetz, die i m Jahre 1958 erging, hat das Gericht eine Vorschrift, die den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt, Rechtsverordnungen zu erlassen, durch die Preise festgesetzt werden oder durch die der Preisstand aufrechterhalten werden soll, einschränkend ausgelegt. Es hat entschieden, daß die gesetzliche Ermächtigung nur bei dieser einschränkenden Auslegung m i t A r t i k e l 80 Absatz 1 Satz 2 GG vereinbar ist, der fordert, daß Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein müssen 52 . 4. Für die Frage, welche Grenzen sich das Gericht bei der Ausübung seiner Prüfungszuständigkeit gezogen hat, ist schließlich die schon erwähnte Entscheidung über die Beförderungssteuer für den Werkfernverkehr von Interesse 53 . Die hohe Besteuerung des Werkfernverkehrs soll dazu dienen, den aus verkehrspolitischen Gründen unerwünschten Werkfernverkehr zugunsten der Bundesbahn einzuschränken. Der Erste Senat des Gerichts schließt seine ausführliche Prüfung der entsprechenden Vorschrift des Beförderungsteuergesetzes m i t einem Hinweis darauf, daß die harte Besteuerung des Werkfernverkehrs an der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen liege. Gleichwohl vermöge das Gericht nicht die Unzumutbarkeit und damit die Verfassungswidrigkeit des Eingriffs festzustellen, da die Auswirkungen der Maßnahme noch nicht i n jeder Hinsicht m i t der Klarheit übersehen werden könnten, die den Richter befähigen würde, die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Norm auszusprechen. Bei dieser Sachlage müsse die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung aufrechterhalten bleiben 54 . Angesichts der besonderen Schwierigkeiten, denen eine rechtliche Ordnung des modernen Verkehrswesens begegne, müsse auch dem Gesetzgeber eine 51

Siehe Leibholz, a. a. O. (Anmerkung 46), S. 77. BVerfGE 8, 274 (313 f., 324). Z u dieser Entscheidung Ridder, AöR Bd. 87 (1962), S. 311, sowie Bachof, Der Verfassungsrichter zwischen Recht u n d P o l i t i k , i n : Summum ius summa iniuria, 1963, S. 41 (44 ff.). — K r i t i s c h zur „ v e r fassungskonformen Auslegung" durch das Bundesverfassungsgericht: E h m ke, a. a. O. (Anmerkung 46), S. 74 f. 53 Siehe A n m e r k u n g 22. 54 Diese Ausführungen u n d ähnliche Formulierungen i n zahlreichen anderen Entscheidungen können als Ausdruck des Grundsatzes verstanden w e r den, daß die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes n u r dann festgestellt w e r den kann, w e n n sie — nach Ansicht des Gerichts — eindeutig ist. Es dürfte sich u m die A n w e n d u n g des Grundsatzes der „Rechtsbeständigkeit" der Gesetze handeln. 52

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längere Frist zugebilligt werden, innerhalb deren er die Wirkung einzelner von i h m versuchsweise getroffenen Anordnungen beobachten und für seine weiteren Entschließungen auswerten dürfe. Das Urteil schließt m i t folgendem Satz: „Sollte allerdings die Eindämmung des Werkfernverkehrs auf die Dauer i m wesentlichen n u r dem Güterfernverkehr zugute kommen . . . , wäre erneut zu prüfen, ob die steuerliche Sonderbelastung des Werkfernverkehrs — zumindest i n der jetzigen Höhe — noch weiter aufrechterhalten werden kann, oder ob der Gesetzgeber seine Ziele m i t anderen M i t t e l n verfolgen muß, bei denen die Ausgewogenheit des Eingriffs nach allen Seiten sichergestellt ist."

Man kann — stark vereinfachend — sagen, daß die Ermächtigungsnorm i m Preisgesetz die Prüfung am Grundgesetz m i t der Note „bei verfassungskonformer Auslegung gerade noch mit dem Grundgesetz vereinbar" bestanden hat. Ähnlich vereinfachend könnte man formulieren, daß die Beförderungssteuer für den Werkfernverkehr die Prüfung mit der Note „zur Zeit gerade noch m i t dem Grundgesetz vereinbar" absolviert hat 5 5 . Die Entscheidung zur Beförderungsteuer i m Werkfernverkehr ist auch deshalb interessant, weil sie — was die Ausübung des verfassungsrichterlichen Prüfungsrechts angeht — Parallelen aufweist zu zwei anderen Entscheidungen. Die bereits erwähnte Entscheidung zur Höfeordnung 56 für die britische Zone stellte zwar die Unvereinbarkeit einer Bestimmimg der Höfeordnung m i t dem Grundgesetz, aber nicht die Nichtigkeit dieser Bestimmung fest, sprach vielmehr aus, daß der Gesetzgeber binnen einer angemessenen, noch nicht abgelaufenen Frist verpflichtet sei, das Besatzungsrecht dem Grundgesetz anzupassen. Beide Entscheidungen gelangen also, wenn auch m i t sehr verschiedener Begründung, zu dem Ergebnis, die zu prüfende Norm sei nicht nichtig. Aber das „noch nicht nichtig" ist unüberhörbar. Die dritte Entscheidung liegt außerhalb des Bereichs der Wirtschaft. Sie hatte das Bundeswahlgesetz, die Wahlkreiseinteilung, die sogenannten Uberhangmandate und die Bundestagswahl vom September 1961 zum Gegenstand 57 . I n dieser Entscheidung heißt es, der Verstoß der Wahlkreiseinteilung gegen den Grundsatz der gleichen Wahl — wegen der allzu stark differierenden Bevölkerungszahl i n den Wahlkreisen — sei i m Zeitpunkt der Bundestagswahl vom September 1961 noch nicht so evident gewesen, daß er die Verfassungsmäßigkeit der Wahlkreiseinteilung zu jenem Zeitpunkt i n Frage zu stellen vermocht hätte. Für die 55 Die Beförderungsteuer f ü r den Werkfernverkehr ist inzwischen herabgesetzt worden: Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes v o m 13. August 1964, BGBl. I S. 621. M Siehe A n m e r k u n g 30. " BVerfGE 16, 130.

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nächste Bundestagswahl dürfe aber diese Wahlkreiseinteilung nicht mehr zugrunde gelegt werden; sie sei verfassungswidrig geworden, w e i l offenkundig sei, daß sie m i t der gegenwärtigen Bevölkerungsverteilung nicht mehr i n Einklang stehe und nicht mehr erwartet werden könne, daß die jetzige Diskrepanz zwischen den Bevölkerungszahlen der Wahlkreise sich wieder ausgleiche58. Alle drei Entscheidungen 59 zeichnen sich durch Zurückhaltung bei der Ausübung des richterlichen Prüfungsrechts aus und praktizieren diese Zurückhaltung mittels einer neuen Methode. Hierin liegt ihr gemeinsamer Nenner, so verschieden auch Gegenstand und Argumentation bei der Begründung des Ergebnisses sein mögen 80 . 5. Ein gründlicher Kenner des richterlichen Prüfungsrechts, der kanadische Professor McWhinney, hat i n einer 1962 erschienenen Schrift die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer interessanten Analyse unterzogen 61 . Er kommt zu dem Ergebnis, daß sich das Gericht zunächst der Konsolidierung seiner Stellung gewidmet und großer Zurückhaltung befleißigt habe, daß aber nach einer Zeit des Experimentierens das Gericht etwa seit 1959 i n eine Phase größerer „ A k t i v i t ä t " bei der Ausübung des Prüfungsrechts eingetreten sei; mit den Worten McWhinneys: das Gericht sei vom judicial self-restraint zum judicial activism übergegangen. Ich vermag dieser Charakterisierung der Rechtsprechung des Gerichts nicht zuzustimmen. Für den Bereich der Wirtschaftspolitik glaube ich gezeigt zu haben, daß das Gericht seit dem Investitionshilfe-Urteil m i t nur geringen Schwankungen auf der Linie großer Zurückhaltung judiziert hat. 58

Die Wahlkreiseinteilung ist inzwischen durch Gesetz v o m 14. Februar 1964, BGBl. I S. 61, geändert worden. 59 Z u diesen drei Entscheidungen vgl. Hans Heinrich Rupp, Juristische Schulung 1963, 469. 60 Es ist nicht zu verkennen, daß m a n gegen den v o m Gericht eingeschlagenen Weg eine Reihe von Einwendungen erheben kann. K a n n das Gericht i m Zuge der Normenkontrolle überhaupt feststellen, ein Gesetz sei verfassungsw i d r i g u n d also nichtig „geworden"? Oder bleibt ein Gesetz, das bei seinem Erlaß verfassungsgemäß war, gültig, bis der Gesetzgeber es ändert? K a n n das Gericht i n solchen Fällen (in allen oder n u r bei Vorliegen bestimmter V o r aussetzungen?) wenigstens feststellen, der Gesetzgeber sei verpflichtet, die gesetzliche Regelung dem Grundgesetz anzupassen? Diesen u n d anderen systematischen Fragen, die durch die drei angeführten Entscheidungen aufgeworfen worden sind, k a n n an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. H i e r muß der Hinweis genügen, daß der v o m Gericht eingeschlagene Weg als Versuch verstanden werden kann, Zurückhaltung bei der Ausübung seines Prüfungsrechts zu üben. 61 E d w a r d McWhinney, Constitutionalism i n Germany and the Federal Constitutional Court, Leyden 1962; siehe auch derselbe, Föderalismus u n d Bundesverfassungsrecht, Heidelberg 1962; beide Schriften m i t einer Einleitung von Leibholz.

240

Hans Kutscher

Nun liegen allerdings die Beispiele, die McWhinney als Beleg für die gesteigerte „ A k t i v i t ä t " des Gerichts angeführt hat, nicht i m Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, sondern i m Bereich der politischen Meinungs- und Willensbildung. McWhinney führt die umfangreiche Rechtsprechung zur Wahlrechtsgleichheit und die zum Recht der freien Meinungsäußerung an. Er beruft sich vor allem auf das Fernseh-Urteil 62 und die Feststellungen des Gerichts zur Rundfunkfreiheit. Die Analyse McWhinneys kann zu der Frage anregen, ob sich aus der Rechtsprechung des Gerichts belegen ließe, daß es seine Prüfungsbefugnis i m Bereich wirtschaftspolitischer Regelungen relativ eng begrenzt und also dem Gesetzgeber weitreichende Gestaltungsfreiheit belassen hat, während es i m Bereich des demokratischen Prozesses der politischen Meinungs- und Willensbildung einen entsprechend weiten Raum gesetzgeberischer Freiheit nicht anerkennt. Es sei hingewiesen auf die Rechtsprechung zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung, die festgehalten hat, daß dieses Grundrecht für die freiheitliche und demokratische Grundordnung „schlechthin konstituierend" sei, „denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der i h r Lebenselement ist" 6 3 . Ferner sei hingewiesen auf die Rechtsprechung zur formalisierten Wahlrechtsgleichheit und zur Chancengleichheit der Parteien, nach der nur besondere Gründe Differenzierungen rechtfertigen, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers also eng begrenzt ist, während der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitreichende Freiheit läßt und sich quasi i m Willkürverbot erschöpft 64 . Wenn die Frage gestellt wird, ob die Grenzen des richterlichen Prüfungsrechts für den Sachbereich „Wirtschaftspolitik" anders gezogen sind als für den Bereich der politischen Meinungs- und Willensbildung, so soll das nicht bedeuten, daß damit die Übernahme der sogenannten „preferred-freedoms"-Doktrin angeregt wird, die der Supreme Court der Vereinigten Staaten entwickelt hat. Nach dieser Doktrin, auf die Ehmke empfehlend hingewiesen hat 6 5 — dessen Darstellung dieser Doktrin dieser Bericht folgt —, können Gesetze i m wirtschaftlichen 62

BVerfGE 12, 205.

63

L ü t h - U r t e i l , BVerfGE 7, 198 (208); Schmid/Spiegel-Beschluß, BVerfGE 12, 113 (125). 64 Vgl. H.-J. Rinck, Die höchstrichterliche Rechtsprechung z u m Gleichheitssatz i n der Bundesrepublik, der Schweiz, Österreich, Italien, den U S A u n d I n dien, JöR Bd. 10 (1961), S. 269; Kutscher-Pritchett, Judicial Review of Supreme Courts and the Principle of Equality under the L a w , JöR Bd. 9 (1960), S. 197. 65

Ehmke, a. a, Ο. (Anmerkung 46), S. 76 f.; derselbe, Wirtschaft u n d V e r fassung, insbesondere S. 437 ff.

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Bereich nur auf W i l l k ü r nachgeprüft werden; die Änderung oder A u f hebung schlechter Gesetze müssen der demokratischen Auseinandersetzung überlassen bleiben. Diesen demokratischen Prozeß offenzuhalten, gehöre zu den wichtigsten Aufgaben des Supreme Court. Deshalb reiche seine Prüfungszuständigkeit i n diesem Bereich weiter als i m Bereich der Wirtschaftspolitik. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Doktrin der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zugrunde liegt — ganz abgesehen davon, daß sie wohl aus einer Reihe von Gründen jedenfalls nicht ohne wesentliche Modifikation übernommen werden könnte. U m so interessanter wäre allerdings eine gründlichere Untersuchung, wie das Gericht seine Prüfungsbefugnis i m Bereich der Wirtschaftspolit i k einerseits und i m Bereich der politischen Meinungs- und Willensbildung andererseits begrenzt hat6®. 6. Das Gericht hat, von einzelnen Bestimmungen des Grundgesetzes ausgehend, für diese Bestimmungen und für einige zusammenhängende Bereiche den Umfang seiner Prüfungsbefugnis umrissen. Von einem Gericht, das erst seit etwa zwölf Jahren besteht und das i n keinem nennenswerten Ausmaß an die Rechtsprechung anderer Gerichte anknüpfen konnte, kann nicht erwartet werden, daß es zu dieser Frage bereits umfassendere, i n jeder Hinsicht ausgeformte Auffassungen entwickelt hat. Es kann nur i n der Weise vorgehen, daß es sich an die Probleme herantastet. Das gilt für die Probleme des materiellen Verfassungsrechts ebenso wie für die eng m i t ihnen verknüpften Fragen des Umfangs der verfassungsgerichtlichen Prüfungsbefugnis. Hier wie dort ist es auch unvermeidbar und von der Sache her bedingt, daß das Gericht sich gelegentlich genötigt sieht und sehen wird, seine Auffassungen auf Grund besserer Einsicht zu korrigieren. Was den Bereich wirtschaftspolitischer Regelungen angeht, w i r d man feststellen können, daß das Gericht die Grenzen seiner Prüfungszuständigkeit relativ eng gezogen und für den Gesetzgeber also weitreichende Gestaltungsfreiheit anerkannt hat. Diese Zurückhaltung beruht nicht auf „institutionellem Selbsterhaltungstrieb", also auf der Sorge u m die Bewahrung der Autorität des Gerichts, die nur so weit reicht, wie die seiner Gerichtsbarkeit Unterworfenen willens sind, sich i h r zu beugen. Der „institutionelle Selbsterhaltungstrieb", dem Otto Kirchheimer für die Rechtsprechung des Supreme Court der Vereinigten ββ Vgl. zu dieser Frage schon den Bericht über den Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR Bd. 6 (1957), S. 120 (125—127), sowie Leibholz, a. a. O. (Anmerkung 46), S. 67 f. u n d die Einleitung v o n Leibholz zu der i n A n m e r k u n g 61 genannten Schrift v o n McWhinney, C o n s t i t u t i o n a l i s m . . .

16 Speyer 22

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Hans Kutscher

Staaten eine gewisse Bedeutung beigemessen hat 8 7 , hat für das Bundesverfassungsgericht ebensowenig eine Rolle gespielt wie die Rücksichtnahme auf die „politische Durchsetzbarkeit" der Entscheidungen, für die kürzlich Bachof die Frage gestellt, wenn auch nicht beantwortet hat, ob sie für die Verfassungsgerichte als ein legitimes Rechtsprinzip angesehen werden könne 68 . Der Zurückhaltung, die das Gericht bei der Ausübung seines Prüfungsrechts i m wirtschaftspolitischen Bereich geübt hat, liegt vielmehr das Bemühen zugrunde, der Stellung Rechnung zu tragen, die die Ordnung des Grundgesetzes dem Verfassungsgericht neben den übrigen obersten Verfassungsorganen des Bundes zugewiesen hat. Diese Zurückhaltung läßt insbesondere die Selbstbeschränkung erkennen, die ein Verf assungsgericht i n einer Demokratie dem Gesetzgeber gegenüber zu wahren hat.

• 7 Otto Kirchheimer, Prinzipien der Verfassungsinterpretation i n den V e r einigten Staaten, JöR Bd. 11 (1962), S. 93 (98,109). 68 Bachof, a. a. O. (Anmerkung 52), S. 53.

Diskussion Ministerialrat

Dr . von Meibom, Bundesministerium

des Innern,

Bonn

Ich habe eine Frage zu Art. 177 EWG-Vertrag. Es ist die Frage, ob sich die Vorlageverpflichtung der letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedstaaten auch auf das Bundesverfassungsgericht erstreckt, wenn die Verfassungsmäßigkeit eines deutschen Rechtssatzes angefochten wird, dessen angefochtene Vorschrift auf einer Entscheidung oder Richtlinie der EWG beruht. Ich darf als meine persönliche Auffassung sagen, meines Erachtens w i r d die Vorlageverpflichtung nicht zu umgehen sein, wenn man erreichen w i l l , daß die EWG einer einheitlichen Rechtsprechung unterliegt. I n dem Ausschuß der Juristen bei den Vertragsverhandlungen war die Frage der Einheitlichkeit des Rechts der wichtigste und der gravierendste Gesichtspunkt. A u f i h m beruht dieser A r t . 177 und beruht auch die Rechtsposition der Verordnung, die Herr Staatssekretär Strauß als Gesetz fixierte. Ministerialrat Dr . Lehning, Frankfurt/Main

Bundesbahn-Hauptverwaltung

Wenn ich recht orientiert bin, stimmt über die einzelnen entscheidungserheblichen Fragen das Bundesverfassungsgericht getrennt ab, so daß sich wechselnde Mehrheiten bei der Entscheidung über die einzelnen Fragen ergeben können. Gelegentlich kommt einem eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Gesicht, von der man vielleicht sagen könnte, daß das denkbare Höchstmaß an Harmonie zwischen den einzelnen Teilen nicht erreicht sei. Man ist versucht, sich das so zu erklären, daß es sich u m wechselnde Mehrheiten bei der Entscheidung um die Einzelfragen gehandelt hat. Wenn dem so ist, dann würde sich die Frage ergeben, ob dieses Prinzip der Abstimmung über Einzelfragen, bei denen sich wechselnde Mehrheiten ergeben können, nicht doch etwas störend ist und ob da nicht eine harmonischere Lösung vorstellbar wäre. Zum ersten Vortrag darf ich eine Frage zu A r t . 189 des EWG-Vertrages stellen, nach dem bei EWG-Richtlinien nur der Zweck festgelegt werden darf, die Wahrimg der Form und der M i t t e l aber den innerstaatlichen Stellen zu überlassen ist. Hier scheint es so, und das klang gestern schon einmal an, daß aus der Sicht der Kommission vielleicht ein praktisches Bedürfnis besteht, die Befugnis der 16*

244

Diskussion

EWG etwas weit auszulegen, insbesondere dort, wo es sich um Koordinierungs- und Harmonisierungsmaßnahmen auf Grund des A r t . 100 handelt. Das Bedürfnis nach einer weiten Auslegung mag vielleicht legitim sein, aber irgendwo sind wohl auch einer reichen Auslegung Grenzen gesetzt. Die Frage wäre die, ob der Gerichtshof schon einmal Gelegenheit hatte, sich m i t dem Problem der Kompetenzgrenzen, die der A r t . 189 gibt, zu befassen. Professor

Dr. Rinck, Universität

Göttingen

Vorträge, wie w i r sie hier gehört haben, Vorträge von einer sehr hohen Ebene, sind gebunden, auf das Vergangene und auf den augenblicklichen Zustand zu sehen. Sie müssen sich vielleicht davon fernhalten, die kommenden Probleme und die Unsicherheiten, die noch bestehen, zu skizzieren. Uberspitzt gesagt, neigen solche Vorträge vielleicht zu einer Harmonisierung, zu einer etwas zu harmonischen Darstellung. Dieser Gedanke kam m i r bei dem Vortrag von Herrn Bundesverfassungsrichter Dr. Kutscher. Das Bundesverfassungsgericht m i t seiner Rechtsprechung zum Wirtschaftsrecht hat einstimmigen Beifall und fast unbedingte Gefolgschaft gefunden, und zwar aus dem Grunde, wie m i r scheint, weil es dem Gesetzgeber eine große Freiheit i n der Wahl seiner M i t t e l und seiner Ziele eingeräumt hat. Aufgefallen ist m i r das Handwerksurteil. Welche höheren Güter der Gemeinschaft gebieten es, daß ein Blumenbindermeister eine Ausbildung von drei Jahren durchmacht, eine Prüfung, drei Jahre Gesellenzeit und eine zweite Prüfung? Ich für meine Person war überrascht, das zu lesen. Es ist vielleicht das einzige Urteil i n diesem Bereich, das mich überrascht hat. Und nun kommt das Beunruhigende, was wohl noch auf uns zukommt, welche Folgen hat der Art. 12 GG für unser geltendes Rechtssystem konkret. Wie ist es mit dem numerus clausus i m Fernverkehr? Was ist das für ein Zustand, daß eine Konzession i m Güterfernverkehr angeblich um 45 000,— D M gehandelt w i r d ; es gibt einen Bericht darüber. Das Bundesverwaltungsgericht hat uns jetzt entwickelt und überzeugend entwickelt, daß eine Prioritätsliste, eine Warteliste, ein angemessenes M i t tel ist, um überhaupt Maßstäbe zu finden, wer zugelassen werden soll. Ich frage mich aber, wie sich der numerus clausus verträgt m i t der Auffassung, daß der Zugang zu Beruf und Gewerbe frei sein muß. Dabei darf ich Sie an etwas erinnern, was w i r vor zwei Tagen gehört haben, als Ministerialdirigent Dr. Beine uns über die Verkehrspolitik unterrichtete. Wie er uns sagte, daß alles aufeinander abgestimmt sei, daß die Interessen der Bundesbahn, die Interessen des Güterfernverkehrs hintereinander angeglichen würden, und das Ergebnis, das so harmonisch klang, das sieht nun hier so aus, daß Bundesverfassungsbeschwerden vorliegen, die sagen, dieser numerus clausus, dieses War-

Diskussion tenmüssen, w e i l schon zu viele i m Beruf sind, das verstößt gegen das Grundgesetz. I m übrigen ist das Erstaunen, das ja schon bei dem Urteil zur Handwerksordnung anfing, vielleicht auch noch juristisch m i t einer Zukunft ausgestattet. Ich könnte m i r denken, daß diese Frage auch einmal von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu entscheiden sein wird. Wenn nämlich die Zulassungsfreiheit wirklich durchgeführt w i r d und wenn dann die deutschen Behörden sagen: Zulassungsfreiheit nur, falls sie sich m i t den deutschen Gesetzen i n Einklang hält. Wenn diese These verfochten wird, dann w i r d auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften untersuchen müssen, wie es denn m i t der Handwerksordnung steht und ob da nicht so etwas wie ein détournement de pouvoir, aber wohl des Gesetzesgebers vorliegt, der seine Befugnisse nach Art. 12 hier i n einer Weise verstanden hat, die m i t dem Grundgedanken, darf ich sagen m i t dem Ziel des A r t . 12, sehr schwer vereinbar sein wird. Da scheinen m i r Spannungen aufzutreten und ich wollte eigentlich nur sagen, daß das ganze Gebiet viel lebhafter ist als die etwas harmonisierenden Beiträge uns vermuten ließen. Professor

Dr. Bülck

Herr Dr. Strauß, ich darf an den von McWhinney beschworenen judicial activism anknüpfen und auch i m Hinblick auf die Entscheidung 26/62 fragen, wie sich der Gerichtshof hierzu stellt. Bundesverfassungsrichter

Dr. Kutscher

Die Tätigkeit des Richters besteht weitgehend darin zu harmonisieren. Ich bitte um Verständnis und Nachsicht, wenn die Gewöhnung an diese Tätigkeit über den Bereich des Judizierens hinaus auch i n mein Referat hinein gewirkt haben sollte. Zu der Frage von Herrn Rinck möchte ich auf folgendes hinweisen: Es ist nicht so, daß Art. 12 Absatz 1 GG den großen Befähigungsnachweis fordert. Der Bundestag könnte jederzeit den großen und sogar den kleinen Befähigungsnachweis abschaffen und Berufsfreiheit i m weitesten Sinn einführen. Es ist auch nicht so, daß schlechte Gesetze nur deshalb, weil sie schlecht sind, auch schon verfassungswidrig sind. Ich habe manchmal den Eindruck, daß der Verfassungsgerichtsbarkeit zuviel zugemutet wird. Man verkennt, daß die Beseitigung unzweckmäßiger, schlechter Gesetze nicht nur über das Verfassungsgericht erreicht werden kann. Der Überschätzung oder Überforderung der Verfassungsgerichtsbarkeit kann eine Unterschätzung der eigenen Initiativmöglichkeiten oder gar der eigenen staatsbürgerlichen Initiativpflichten zugrunde liegen. Man mutet gelegentlich der Verfassungsgerichtsbarkeit zuviel zu, weil man den demokratischen Prozeß der politischen Willensbildung zuwenig i n Betracht zieht

246

Diskussion

und i h m und sich selbst zuwenig zumutet. Der Verfassungsgerichtsbarkeit erweist man auf die Dauer gesehen keinen guten Dienst, wenn man sie überfordert. Das ist vielleicht keine direkte Antwort auf die Bemerkungen von Herrn Rinck; ich glaube aber, die Antwort ergibt sich aus dem, was ich gesagt habe. Dr. Strauß, Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Herr von Meibom, i n Situationen, wie solchen, i n die Sie mich gestellt haben, antworte ich gern m i t dem Duke of Wellington: ich überschreite keine Brücke, bevor ich auf ihr stehe. Nicht, daß der Inhalt Ihrer Frage m i r neu wäre. A n Hand gewisser Vorlagebeschlüsse deutscher Gerichte, oder sagen w i r eines deutschen Finanzgerichts, ist m i r diese Frage nicht ganz neu. Sie ist interessant, aber ich glaube, daß ich darauf antworten kann, es kommt sehr auf die Einzelumstände an. Es kommt auf das gute Zusammenspiel nationaler und supranationaler Gerichtsbarkeit an. Es wäre erwünscht, wenn derartige Vorlagen nicht vorkommen. Ich halte es aber gar nicht für ausgeschlossen, daß einmal Fälle eintreten, wo derartige Vorlagen nicht zu umgehen sind. Herr Dr. Lehning, Sie wissen, daß zur Zeit gerade ein Richtlinienentwurf der Kommission sehr umstritten ist, der zu Beratungen auch i m Ausschuß des Bundestages geführt hat, nämlich Richtlinien zur Koordinierung gewisser Vorschriften des Handelsgesellschaftsrechts. Richtlinien, die sich außerdem noch stützen auf die allgemeine Klausel des A r t . 189 und auf eine besondere Vorschrift des EWG-Vertrages. Natürlich kann etwa ein Mitgliedstaat den Gerichtshof i n einem solchen Fall anrufen m i t der Behauptung, hier sei ultra vires gehandelt. Ich glaube aber, daß der Gerichtshof, ähnlich wie w i r es aus der Praxis von Herrn Kutscher gehört haben, an die Beurteilung dieser Frage m i t großer Vorsicht herantreten würde; nur bei offenbarem Mißbrauch wäre hier ein Eingreifen zulässig. Herr Professor Rinck, Sie haben darauf hingewiesen, daß unter Umständen einmal i m Zusammenhang m i t der Herstellung einer vollständigen Zulassungsfreiheit i m Gemeinsamen M a r k t die Fragen der Vereinbarkeit gewisser deutscher gesetzlicher Vorschriften m i t den Prinzipien des Gemeinsamen Marktes auftauchen könnten. Zugegeben, daß das einmal der Fall sein könnte. Ich glaube aber, daß dies i n einer sehr fernen Zukunft liegt. Ich darf das zum Anlaß nehmen, einmal auf die Probleme der Rechtsangleichung einzugehen, die sich aus der weiteren Entwicklung des Gemeinsamen Marktes ergeben. Sie sind unendlich viel umfassender und weitreichender als sich das die vertragsschließenden Staaten vorgestellt haben und als w i r uns das i n den Anfangsstadien, also 1958 und den folgenden Jahren, gedacht haben.

Diskussion Es ergibt sich nämlich so vieles, was an Harmonisierung und Koordinierung notwendig wäre, wenn man das i n dem Vertragstext ausgesprochene Ziel des Vertrages erreichen w i l l , nämlich die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, daß gerade auf dem Gebiet der A n gleichung der nationalen Gesetze bis i n die feinsten Verästelungen hinein ein ungeheueres Arbeitsfeld vor uns liegt. Das gilt nicht nur für die i m Vordergrund stehenden Fragen des Landwirtschaftsrechts und der landwirtschaftlichen Marktordnungen, wobei die Frage der landwirtschaftlichen Handelsregelungen eine große Rolle spielen wird, das gilt i n eminentem Maße auch für das umfassende Gebiet des Sozialrechts. Die sozialrechtlichen Unterschiede sind so groß, daß Wettbewerbsverzerrungen schlimmer A r t entstanden sind. Bereits jetzt ist auf einem Sondergebiet, nämlich dem der Wanderarbeitnehmer, das durch eine Verordnung geregelt ist, eine solche Fülle von Fragen aufgetaucht, daß der Gerichtshof eine Reihe von Rechtssachen hat, die nur der Auslegung dieser Verordnung Nr. 3 hinsichtlich der Rentenansprüche und der Zusammenrechnung der Sozialversicherungszeiten der Wanderarbeitnehmer gelten. Wenn ich zu Beginn meines Vortrages sagte, das historische Beispiel des Deutschen Zollvereins gibt für die Rechtsfragen wenig her, so ersehen Sie an diesen Beispielen, wie ungeheuer kompliziert die Dinge inzwischen geworden sind. Das Ziel, 1970 den Gemeinsamen Markt vollständig herzustellen, w i r d vielleicht gerade auf diesen Randgebieten kaum erreicht werden, aber es gibt A u f gaben, die namentlich für Juristen i n dieser Hinsicht sehr reizvoll sind. Herr Professor Bülck, die Frage des activism des Luxemburger Gerichts ist ja i n einigen Entscheidungen schon hervorgetreten, namentlich i n der von Ihnen genannten Entscheidung. Ich glaube, daß man i n dieser Richtung weitergehen wird. Der Gerichtshof ist aber außerordentlich vorsichtig. Ich möchte sogar sagen, es gibt bei uns eine fast übertriebene Sorge vor präjudiziellen Wirkungen. W i r versuchen möglichst am Tatbestand haften zu bleiben. Ich habe das ja auch i n meinem Vortrag erwähnt. Anders als der Internationale Gerichtshof stellen w i r keine Leitsätze auf, die zu weit gehen können, sondern w i r versuchen, ein case law zu entwickeln. Wie weit das gehen wird, hängt von den Tatbeständen ab, die an uns gelangen. W i r haben mitunter Urteile gefällt, über die w i r unglücklich waren, namentlich was die Zulässigkeit der Klagen von Einzelunternehmen anging, w e i l w i r durch den Text der Verträge daran gehindert waren, die Klage für zulässig zu erachten. W i r sind vorsichtig hinsichtlich einer zu extensiven Auslegung. Es ist noch ein Experiment. Genauso wie Sie, Herr Kutscher, von dem Experimentalstadium des Bundesverfassungsgerichts gesprochen haben. Die supranationale Gerichtsbarkeit ist vielleicht i n einem noch höheren Maße ein Experiment und sie muß versuchen, ihren Weg zu finden.

Ausgewählte Bibliographie zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft im nationalen und übernationalen Recht Von Georg Roth Diese kurz gefaßte Bibliographie soll eine Literaturhilfe geben zum weiteren Studium der Themen des 32. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule Speyer. I n dem damit gesetzten Rahmen mußte die Bibliographie auf eine Auswahl aus dem neueren Schrifttum — überwiegend vom Jahre 1960 an — beschränkt werden, namentlich aus dem schwerer zugänglichen Schrifttum zum übernationalen Bereich. I m nationalen Bereich konnte die Literatur zum ausländischen Recht und zur Rechtsvergleichung nur vereinzelt berücksichtigt werden. Nähere Nachweise hierzu enthalten, außer den nationalen Bibliographien, die Bibliographie der Zeitschrift des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, die jährlich durch ein Sachverzeichnis aufgeschlüsselt wird, die von der Harvard Law School Library herausgegebene Annual Legal Bibliography, Cambridge (Mass.) 1961 ff. und der Index to Foreign Legal Periodicals, herausgegeben vom Institute of Advanced Legal Studies, University of London, in Zusammenarbeit m i t der American Association of L a w Libraries, London 1960 ff., der i n Sammelbänden zusammengefaßt w i r d (Cumulation I, Volumes 1—3, 1960 bis 1962, London 1964). Die deutschen Dissertationen zum ausländischen Staats- und Verwaltungsrecht verzeichnet jetzt Rutz i n seiner Bibliographie der Dissertationen i m Staats- und Verwaltungsrecht 1945—1960, Berlin 1964, die für die folgende Zeit weitergeführt werden soll. Weitere Nachweise zum völkerrechtlichen Schrifttum, besonders zu den internationalen Wirtschafts-Verwaltungsgemeinschaften, die den modernen Wirtschaftsgemeinschaften systematisch vorangehen, geben Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., 3 Bde., Berlin 1960 ff., die bereits genannte Bibliographie i n der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, der Catalogue de la Bibliothèque du Palais de la Paix, Leiden 1916 ff., m i t Suppléments, zuletzt 1960, und die von der Bibliothek der Vereinten Nationen i n Genf herausgegebenen Bibliographien Liste Mensuelle d'Ouvrages Catalogués à la Bibliothèque des Nations Unies und Liste Mensuelle d'Arti-

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Bibliographie

cles Séléctionnés. Die völkerrechtlichen Dissertationen von 1945—1957 verzeichnet Menzel i n den Berichten der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 2, Karlsruhe 1958. Eine regelmäßige Zusammenstellung w i r d i m Jahrbuch für internationales Recht erscheinen. Für das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften ist vor allem die vom Dokumentationsdienst des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften besorgte Bibliographie: Publications Juridiques concernant l'Intégration Européenne, Luxemburg 1960 ff., m i t den Suppléments 1—4 zu nennen, ferner die periodischen Bibliographien i m Annuaire Européen, Den Haag 1958 ff., und i m Annuaire Français de Droit International, Paris 1955 ff. Literaturangaben enthalten auch die Kommentare zum EWG-Vertrag von Wohlfarth-Everling-GlaesnerSprung, Berlin 1960, und von der Groeben / von Boeckh, 2 Bde., Baden-Baden 1958 und 1960. Einen periodisch angelegten Fundstellennachweis für das Recht der Europäischen Gemeinschaften bearbeiten Bülow und Langner (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 146 vom 9. 8. 1963). Ferner sind hier die annotierte Bibliographie zur Europäischen Integration, herausgegeben vom Bildungswerk Europäische Politik, Düsseldorf 1962, die Dokumentation: Europa, Dokumente zur Frage der europäischen Einigung, 3 Bde., München 1962 (Dokumente und Berichte des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Bd. 17), sowie die Dokumentation der Europäischen Integration, 2 Bde., Bonn 1961 und 1964, zusammengestellt von Siegler, anzuführen. Zeitschriften zum Europa-Recht sind insbesondere: Common Market L a w Review und Rivista di Diritto Europeo. Das Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik, enthält jeweils einen besonderen Dokumentationsteil. Außerdem sei auf die einschlägige Literatur ökonomischer, soziologischer und sozialphilosophischer A r t hingewiesen, deren Studium für ein Verständnis der Rechtsentwicklung i m Verhältnis von Staat und Wirtschaft unerläßlich ist. Sie konnte hier ebenfalls nur vereinzelt angeführt werden. Umfangreiche Literaturnachweise dazu bieten das Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Stuttgart 1956 ff., das nunmehr nahezu vollständig erschienen ist, und die periodische Bibliographie der Sozialwissenschaften, die i n Verbindung m i t dem Jahrbuch für Sozialwissenschaft erscheint. Für die Europäischen Gemeinschaften gibt das Europäische Parlament (Generaldirektion Parlamentarische Dokumentation und Information) den Katalog: Gemeinsamer Markt, 4 Bde., Luxemburg 1960 ff. (bereits abgeschlossen) und die Vierteljährliche methodische Bibliographie, Luxemburg 1956 ff., heraus. Als periodische Veröffentlichungen über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften erscheinen vor allem die monatlichen Bulletins und die jährlichen Gesamtberichte der einzelnen Gemeinschaften sowie das

Bibliographie Jahrbuch des Europäischen Parlaments. Den jeweiligen Stand der Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften kann man dem jährlichen Verzeichnis entnehmen, das der Presse- und Informationsdienst der Europäischen Gemeinschaften herausgibt. Die Bibliographie ist i n fünf Abschnitte gegliedert: I. Staat und Wirtschaft, insbesondere nach dem Grundgesetz II. Internationale Wirtschafts-Verwaltungsgemeinschaften I I I . Übernationale Wirtschaftsgemeinschaften: Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften 1. Grundsätze und Ziele 2. Rechtsetzung 3. Rechtsprechung 4. Die einzelnen Gemeinschaften: EWG — EGKS — Euratom IV. Konvergierende Rechtsentwicklungen i m nationalen und übernationalen Bereich 1. am Beispiel von Raum und Zeit: Regionen — Vorschau und Programme 2. am Beispiel der Sektoren Landwirtschaft und Verkehr V. Staat und Wirtschaftsverbände 1. i m nationalen Bereich 2. i m internationalen und übernationalen Bereich. I n der Gliederung der Bibliographie sind die Themen der Tagung besonders berücksichtigt worden. So ist ζ. B. i m Hinblick auf das Einleitungsreferat Literatur zu den konvergierenden Rechtsentwicklungen i m nationalen und übernationalen Bereich angeführt. Ferner enthält die Bibliographie einen Abschnitt über Staat und Wirtschaftsverbände m i t überwiegend soziologischer Literatur, die Herr Pater Alban M ü l ler bearbeitet hat.

I . Staat und Wirtschaft insbesondere nach dem Grundgesetz Bachof, Otto: Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, i n Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 12, Berl i n 1954, S. 37—79. — Freiheit des Berufs, i n Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 3, 1. Halbbd., B e r l i n 1958, S. 155—265.

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