Staat und Unterricht: Die Festlegung didaktischer Inhalte durch den Staat im öffentlichen Schulwesen [1 ed.] 9783428425938, 9783428025930


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Staat und Unterricht: Die Festlegung didaktischer Inhalte durch den Staat im öffentlichen Schulwesen [1 ed.]
 9783428425938, 9783428025930

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 179

Staat und Unterricht Die Festlegung didaktischer Inhalte durch den Staat im öffentlichen Schulwesen

Von

Frank Hennecke

Duncker & Humblot · Berlin

Frank Hennecke / Staat und Unterricht

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 179

Recht

Staat und Unterricht Die Festlegung didaktischer Inhalte durch den Staat im öffentlichen Schulwesen

Von D r . Frank Hennecke

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Hechte vorbehalten © 1972 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1972 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany I S B N 3 428 02593 8

Vorwort Die Entstehung der vorliegenden Arbeit hat ihren Anfang bei einem Punkte genommen, dem am Ende nur eine periphere und insofern doch wohl auch angemessene Stellung hat zugewiesen werden können. Es ist dies der A r t i k e l 38 der Verfassung von Rheinland-Pfalz, der den Bestand des Humanistischen Gymnasiums i m Höheren Schulwesen dieses Landes garantiert. Die theoretische Begründung wie die empirische Überprüfung der Wirklichkeit einer solchen Verfassungsnorm wäre gewiß eine reizvolle Aufgabe gewesen, zumal da der Verfasser die Diskussion des altsprachlichen Gymnasialtyps durchaus nicht ohne Anteilnahme verfolgt; indes erwiesen sich die Prolegomena, die einer solchen Darstellung hätten vorangestellt werden müssen — insbesondere Erörterungen über das Verhältnis von Staat und Bildung — als derart gewichtig, daß sie die ursprüngliche Intention verdrängten. Dies ist kein Verlust; indem der erwähnte A r t i k e l 38 als Modellfall einer verfassungsrechtlichen Fixierung von konkreten Unterrichtsinhalten und die Diskussion u m das Humanistische Gymnasium als Exempel der schulpolitischen Auseinandersetzung herangezogen wird, ist dem ursprünglich verfolgten Ansatz voll Genüge getan. Der infolgedessen allgemeinere und grundsätzlichere Zuschnitt der Arbeit hat es dem Verfasser überdies erleichtert, die Brücke zu einem Seminar über Lorenz von Stein zu schlagen, das Herr Professor Dr. Dr. Ernst-Wolf gang Böckenförde i m Wintersemester 1965/66 an der Universität Heidelberg abhielt und i n dem der Verfasser die Gelegenheit hatte, sich mit der Stellung des Bildungswesens i n Steins Staats- und Gesellschaftstheorie zu befassen. Darüber hinaus ist der Verfasser dem Doktoranden-Seminar von Herrn Professor Böckenförde an der Universität Heidelberg i m Wintersemester 1968/69 verpflichtet, wo er wichtige Anregungen empfing und insbesondere veranlaßt wurde, das Arbeitsthema präzise zu formulieren. Das Manuskript der Arbeit ist am 1. Oktober 1970 abgeschlossen worden. Der Verfasser war bemüht, die bis zu diesem Zeitpunkt erschienene Literatur zu verarbeiten, wobei allerdings neuesten Publikationen, vornehmlich solchen aus dem erziehungswissenschaftlichen Bereich, nicht

6

Vorwort

immer der ihnen an sich zustehende Platz zukommen konnte. Später erschienene Literatur hat nur noch vereinzelt und nur i n den Fußnoten berücksichtigt werden können. Ludwigshafen am Rhein i m Juni 1971 Frank Hennecke

Inhaltsverzeichnis Z u r Methode

15

Z u m Gegenstand

16

Erstes Kapitel Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens I. Schule als „Veranstaltung

des Staates"

19 19

II. Was heißt „Schule-halten"?

21

1. Schule-halten als Gestalten der „inneren Schulangelegenheiten"

21

2. Unterricht — Erziehung — B i l d u n g als die essentiellen „inneren Angelegenheiten" der Schule

22

3. Schule-halten als Entscheidung über die Inhalte

27

4. Entscheidung als A u s w a h l

29

5. Der L e h r - oder Bildungsplan als Entscheidungsgefüge

30

6. Der gesellschaftliche Bezug des Lehrplans

32

7. Der „Staat" als Träger der Entscheidung

32

III. Merkmale

staatlichen

Schule-haltens

33

1. Selbstdarstellung des Staates i m L e h r p l a n

34

2. Die Staatsschule i m Spannungsfeld von Individualinteresse u n d Allgemeininteresse

34

3. Die Schule als „Gemeinschaftskompromiß"

37

IV. Die Effizienz

inhaltlicher

Entscheidungen

in der Staatsschule

1. Die Effizienz staatlicher Schulentscheidungen

39 39

a) M i t t e l S. 39 — aa) Das Prüfungs- u n d Berechtigungswesen S. 39 — bb) Koppelung von Unterrichtsinhalten S. 40 — cc) Allgemeine Schulpflicht S. 40 — dd) Die Schulbuchgenehmigungen S. 40 — ee) Der Beamtenstatus der Lehrer S. 40 — b) Das staatliche Schulmonopol u n d die Schule als „Zuteilungsapparatur von Lebenschancen" S. 41 — c) Durchbrechungen der Uniformität S. 41 2. Staat u n d Erziehung

42

3. Staat u n d B i l d u n g

44

Der Bildungsplan als Instrument a) der Bildungspolitik S. 44 — b) der Gesellschaftspolitik S. 46 — c) der Berufspolitik S. 47 — d) der Außenpolitik S. 48

Inhaltsverzeichnis

8

4. Mißbrauchstatbestände

48

a) Ideologie i m L e h r p l a n S. 48 — b) L e h r p l a n als Herrschaftsm i t t e l S. 48 — c) Totalitäre I n d o k t r i n a t i o n S. 50 V. Erfassung materieller lichen Schulwesens

Normen

über

die innere

Gestalt

des staat-

50

1. Das Grundgesetz

51

2. Die Landesverfassungen

51

a) Baden-Württemberg S. 52 - b) Bayern S. 53 — c) B e r l i n S. 54 d) Bremen S. 54 — e) H a m b u r g S. 55 — f) Hessen S. 55 - g) Niedersachsen S. 56 — h) Nordrhein-Westfalen S. 57 — i) Saarland S. 58 — j) Schleswig-Holstein S. 59 — k) Rheinland-Pfalz — Exkurs über A r t . 38 Verf. Rhld.-Pf. S. 59 3. Die Landesschulgesetze

71

a) Baden-Württemberg S. 71 - b) Bayern S. 71 - c) B e r l i n S. 73 — d) Bremen S. 74 — e) H a m b u r g S. 75 — f) Hessen S. 75 — g) Niedersachsen S. 76 — h) Nordrhein-Westfalen S. 76 — i) Rheinland-Pfalz S. 77 — j) Saarland S. 78 — k) Schleswig-Holstein S. 79 4. Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz

79

5. Die Lehrplanrichtlinien

79

a) Lehrpläne einzelner Bundesländer S. 80 — aa) B a d e n - W ü r t temberg S. 80 - bb) Bayern S. 80 - cc) Bremen S. 81 — dd) H a m burg S. 81 — ee) Hessen S. 81 — ff) Niedersachsen S. 81 — gg) Rheinland-Pfalz S. 82 - hh) Saarland S. 82 — ii) SchleswigHolstein S. 82 — b) Der L e h r p l a n als pädagogische Abhandlung u n d seine rechtliche Verbindlichkeit S. 83 — c) Das Zustandekommen der Lehrpläne S. 84 — d) Der L e h r p l a n als politische Entscheidung des Kultusministeriums S. 85 V I . Die reine Tatsächlichkeit

staatlichen Zweites

Schule-haltens

86

Kapitel

Die Legitimation des Staates zur Regelung der „inneren Schulangelegenheiten" I . Das Problem Staat I I . Die

inhaltlicher

Fixierung

im weltanschaulich

88 neutralen

„Legitimationsinstanz"

88 89

1. Die V e r n u n f t

89

2. Die „pluralistische Gesellschaft" u n d das Gebot der Neutralität des Staates

89

3. Die Verfassung als Niederschrift dieses Gebotes

90

4. Das Typenschema hoheitlichen Handelns als Ausformung der Verfassung u n d seine Abhängigkeit v o m Verwaltungsobjekt

90

I I I . Die Rück-Frage:

Der Beruf

I V . Beispiele antietatistischer

des Staates zum Schule-halten

Kritik

1. W i l h e l m v o n H u m b o l d t

91 91 91

Inhaltsverzeichnis 2. Friedrich Justus Knecht

93

3. Ernst von H i p p e l u n d Otto Dibelius

94

4. Neuere Autoren

96

5. K r i t i k der K r i t i k am Staatsschulwesen

97

V. Ansätze zur Begründung

der staatlichen

Schulträgerschaft

98

1. Die Faktizität

98

2. Die Affinität von Staat u n d Schule

98

3. Das Bildungswesen als Gemeinschaftsaufgabe i n der modernen Industriegesellschaft

99

4. Lorenz von Steins staatstheoretische Grundlegung

100

5. Georg Kerschensteiner

100

VI. Ansätze zur Begründung

der inhaltlichen

Fixierung

101

1. Das tradierte Staatsschulsystem als Aufgabe des Verfassungsgebers 101 2. Untrennbarkeit von Schulträgerschaft u n d Bestimmungsmacht . . 102 3. Der Staat als Garant der Einheit des Bildungswesens als einer Existenzbedingung der Gesellschaft 102 4. Der Rechtsstaat als Garant eines freiheitlich-pluralistischen B i l dungswesens 103 5. Der Mangel an demokratischer Legitimation Instanzen VII. Die Bedingung

außerstaatlicher

der Legitimation Drittes

104 Kapitel

Die Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung an Gesetzgeber und Verwaltung im Schulbereich I. Ausklammerung I I . Differenzierung

103

105

der Judikative

105

des Schule-haltens

105

1. V e r w a l t u n g S. 106 — 2. Gesetzgebung S. 106 — 3. Normsetzende V e r w a l t u n g S. 106 I I I . Hieraus

resultierende

Fragen

106

1. Die Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g S. 106 — 2. Landesgesetzgebung u n d Grundgesetz S. 106 — 3. Exekutivkompetenz zur N o r m setzung S. 106 I V . Der Aussagegehalt zuweisung

des Schulaufsichtsbegriffes

für

die

Kompetenz-

1. Z u r Auslegung des A r t . 7 Abs. I GG a) Die Entstehungsgeschichte S. 108 — b) Die Weimarer Reichsverfassung S. 108 — c) Die herrschende Meinung S. 109 — d) Die restriktive Interpretation S. 110 — e) Variante: Beschränkung der „Schulaufsicht" auf nichtstaatliche Schulträger S. 112

107 107

Inhaltsverzeichnis

10

2. Die „inneren" u n d „äußeren" Schulangelegenheiten als Z u w e i sungskriterien f ü r die Kompetenz von Staat u n d Gemeinden 113 3. Die „Schulaufsicht" als Zugriffskompetenz f ü r den Staat

114

4. Die Doppelbedeutung des Schulaufsichtsbegriffes: als Z u g r i f f u n d als Schulträgerschaft

115

Schulaufsicht

5. A r t . 7 Abs. I GG als Grundlage der Schulträgerschaft u n d der Aufsicht 115 6. A r t . 7 Abs. I GG als „gesetzliche Grundlage" f ü r die Schulträgerschaft der V e r w a l t u n g 116 7. A r t . 7 Abs. I GG als Kompetenzzuweisung an den gewaltengegliederten Staat schlechthin 116 8. A r t . 7 Abs. I G G als Ermächtigung der V e r w a l t u n g zur N o r m setzung? 118 9. A r t . 7 Abs. I GG u n d Landesrecht V. Zugriffsmacht

und Zugriffsrecht

des Gesetzgebers

119 119

V I . Der Gesetzesvorbehalt im Schulwesen 120 1. Das Zugriffsrecht des Gesetzgebers S. 120 — 2. A r t . 7 Abs. I GG u n d die Landesschulgesetze als „gesetzliche Grundlage" der Schulv e r w a l t u n g S. 121 — 3. Totalvorbehalt des Gesetzes oder Eigenständigkeit der Exekutive? S. 121

Viertes

Kapitel

Insbesondere: Die Legitimation der inneren Normsetzung seitens der Verwaltung im Sdiulbereich I. Die Rechtsnatur

der Lehrplanrichtlinien

122 122

1. Die Lehrplanrichtlinien („Lehrplan") als verwaltungsinterner normativer Z u g r i f f auf die Unterrichtstätigkeit 122 2. Spezifikation dieser inhaltlichen Bestimmungsnormen

122

3. Ortsbestimmung des Lehrplanes

123

a) I n der Schulorganisation S. 123 — b) I m Beamtenverhältnis des Lehrers S. 124 — c) I m Anstaltsverhältnis des Schülers S. 125 — d) Die Unzulänglichkeit dieser Zuordnungen u n d die L o k a l i sierung des Lehrplanes i n einem umfassenden „SchulVerhältnis" S. 126 4. Der L e h r p l a n als Rechtsnorm

127

a) Der L e h r p l a n als Regelung eines besonderen Gewaltverhältnisses S. 127 — b) Z u r Diskussion des besonderen Gewaltverhältnisses S. 127 — c) Die Qualifizierung verwaltungsinterner N o r men als Rechtssätze S. 128 — d) Die Exekutivkompetenz zur Rechtsetzung S. 130 — e) Typologie verwaltungsinterner Rechtssätze S. 131 II. Der Gesetzesvorbehalt

im Schulverhältnis

132

1. Die Bedingungen der Geltung des Gesetzes Vorbehaltes i m besonderen Gewalt Verhältnis 132

Inhaltsverzeichnis 2. Unfruchtbarkeit der bisherigen Staatsfunktionenlehre f ü r Begründung eines Gesetzesvorbehaltes i m Schulverhältnis

die

3. Schule-halten als Leistung u n d Eingriff

134 136

a) Eingriffsverwaltung u n d Gesetzesvorbehalt S. 136 — b) L e i stungsverwaltung u n d Gesetzes vorbehält S. 137 — c) Die I n t e r dependenz von Leistung u n d Eingriff S. 137 — d) Versuch der Einordnung des Schule-haltens i n das Typenschema von L e i stungs- u n d Eingriffsverwaltung S. 139 — aa) Das staatliche Schulwesen als Leistungsverwaltung S. 139 — bb) Die fehlende F r e i w i l l i g k e i t bei Begründung des Schulverhältnisses S. 140 — cc) Schule-halten als E i n g r i f f S. 141 — (1) Der L e h r p l a n als E i n griffsgrundlage S. 141 — (2) Die Geltendmachung des objektiven Allgemeininteresses i n der Schule als Eingriff S. 141 — (3) Der O k t r o i einer Grundordnung der „pädagogischen Begegnung" als Eingriff S. 142 - (4) „Erziehung" u n d „ B i l d u n g " als Eingriff S. 142 — (5) Verbindliche Einführung von Schulfächern als E i n griff S. 142 — (6) Bestimmung des Leistungsniveaus als Eingriff S. 143 — (7) Der L e h r p l a n als Einschränkung des A r t . 12 Abs. 1 GG S. 143 — dd) Die Allgemeinerheblichkeit schulinterner E n t scheidungen S. 144 — ee) Begriffserweiterung der „Freiheits- u n d Eigentums-"Klausel S. 144 4. Der Eingriffsbegriff i n seiner Erweiterung als Grundlage der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber 145 5. Die Dogmatik der Eingriffsverwaltung i n ihrer allgemeinsten F o r m als Begründung des Gesetzes Vorbehalts 147 6. Die Tragweite des Gesetzesvorbehaltes III. Das Erfordernis

formell-gesetzlicher

Regelung

1. Das Fehlen der Ermächtigungsgrundlage

147 148 148

a) Die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage S. 148 — b) Problemlosigkeit vorhandener gesetzlicher Fixierungen von d i d a k tischen I n h a l t e n S. 148 - c) A r t . 80 GG u n d Landesrecht S. 149 d) Die Unzulänglichkeit der Landesgesetze als Ermächtigungsgrundlage S. 149 — e) Das Fehlen sonstiger Ermächtigungsgrundlagen S. 150 — f) Das Fehlen einer gewohnheitsrechtlichen E r mächtigungsnorm S. 150 — aa) Die K o n s t r u k t i o n einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigungsnorm unter der Prämisse fehlender Rechtssatzeigenschaft der Anstaltsordnungen S. 151 — bb) Die K o n s t r u k t i o n einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigungsnorm unter der Prämisse der Identität von Rechtsetzung u n d Gesetzgebung S. 151 — cc) Die systematisch richtige Fragestellung nach einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigungsnorm für echte Rechtsverordnungen u n d die Ablehnung einer solchen Ermächtigungsnorm S. 152 2. Das Postulat: Die Zuständigkeit des Gesetzgebers zur F i x i e r u n g der didaktischen Inhalte 153 3. Parlamentarische Willensbildung als E r f ü l l u n g der Bedingung der Legitimation staatlichen Schule-haltens 154 4. Die Schließung der „Lücke i m Rechtsstaat"

155

5. Literaturmeinungen

155

a) Die Vertreter eines umfassenden Gesetzesvorbehaltes S. 155 — b) Walter M a l l m a n n S. 155 — c) Die Befürworter der Verrecht-

12

Inhaltsverzeichnis lichung des Schulverhältnisses S. 155 — d) Ernst-Werner Fuß S. 156 - e) Hans Heckel S. 156 - f) Theodor Maunz S. 157 g) Raimund W i m m e r S. 157 — h) A b w e h r kritischer Stimmen S. 157 6. Verfassungswidrigkeit der bisherigen Praxis? a) Verfassungswidrigkeit

als Rechtsschutzproblem

159 S. 159 —

b) Sorgfältiger Übergang an Stelle von Rigorismus S. 160 7. Das Normsubstrat des Lehrplans als solchen

161

8. Gesetz oder Rechtsverordnung?

162

Fünftes

Kapitel

Vorgegebenheiten und Grenzen einer materiellen Schillgesetzgebung I. Das Recht und die Sachlogik II. Die jugendpsychologischen I I I . Die Eigengesetzlichkeit

164

des Regelungsobjektes

164

Eigengesetzlichkeiten

des Lehrplans

165

als solchen

166

I V . Die Qualifikationsstandards

167

V. „Autonomie" im Bildungswesen

168

1. Die Eigenständigkeit der Erziehungswissenschaft

. 168

2. „Freiheit des Lehrers" u n d „Autonomie der Pädagogik" als p o l i tische Forderungen 169 3. Die A x i o m e des Bildungsprozesses 170 a) Georg Kerschensteiner S. 170 — b) Eduard Spranger S. 171 4. Der pädagogische Eigenwert der Schule V I . Bildungswesen

und Sozialwissenschaft

V I I . Die Unabdingbarkeit

VIII.

der politischen

173 174

Dezision

176

1. Die Offenheit des Schulwesens zur Entscheidung

176

2. Die politische Verantwortlichkeit des Gesetzgebers

177

Die konstitutionellen

177

Normen

I: Der Pluralismus

1. P l u r i f o r m i t ä t des Schulwesens

177

2. Die Suche nach einem M i n i m a l l e h r p l a n

179

3. P l u r i f o r m i t ä t u n d „ E i n g r i f f "

179

a) P l u r i f o r m i t ä t als „Gemeinschaftskompromiß" S. 179 — b) Das Allgemeininteresse i m Schulwesen S. 180 — c) Der Erziehungsgedanke i m Schulwesen S. 180 I X . Die konstitutionellen

Normen II: Das „Recht auf Bildung"

1. „Autonomie" als I m p l i k a t i o n des „Rechtes auf B i l d u n g "

180 181

Inhaltsverzeichnis 2. Der I n h a l t des „Rechtes auf B i l d u n g "

182

a) Freiheitsrecht S. 182 - b) Sozialrecht S. 182 X . Die konstitutionellen

Normen

III:

Das Elternrecht

183

1. Das Elternrecht als Teilnahmerecht an der Staatswillensbildung 183 2. Wahlfreiheit u n d Recht zur Erziehung als Inhalte des E l t e r n rechts 183 3. Die Elternbeiratsgesetze XI. Die konstitutionellen

Normen

184 IV: Der Föderalismus

185

Sechstes Kapitel Modelle einer Schulgesetzgebung I. Staatliche mung

Schulfinanzierung

und

gesellschaftliche

186 Inhaltsbestim-

186

1. Bestimmung der Inhalte durch gesellschaftliche K r ä f t e

186

2. Die Problematik

187

a) Das Erfordernis der B i l d u n g von Bestimmungsinstanzen S. 187 — b) Die „Pädagogik" als Bestimmungsinstanz S. 188 — aa) U n tragbarkeit einer „Freiheit des Lehrers" S. 188 — bb) Der Mangel an demokratischer Legitimation eines erziehungswissenschaftlichen Sachverständigengremiums S. 189 II. Das Bildungswesen

als Selbstverwaltungskörperschaft

191

1. Der E n t w u r f einer Selbstverwaltung des Bildungswesens

191

2. Offene Fragen

192

a) Der regionale Umfang S. 192 — b) A u f b a u u n d Gliederung der Körperschaft S. 192 3. Die verfassungsrechtliche Problematik: Ständische Auflösung des Verfassungssystems 193 III. Die gesetzliche Detailnormierung

194

1. Die Möglichkeit gesetzlicher Regelung didaktischer Inhalte

194

2. Die Verrechtlichung der Schule

195

a) Einbuße an F l e x i b i l i t ä t S. 195 — b) Rechtliche Definition der „Freiheit des Lehrers" S. 195 3. Politisierung der Schule?

197

4. Die Integration des Unvereinbaren als Paradox des modernen Staates 197 IV. Das Parlament

198

Literaturverzeichnis

200

Abkürzungsverzeichnis ABl. ALR a. M .

Amtsblatt

AöR BayVBl.

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten anderer Meinung Archiv des öffentlichen Rechts Bayerische Verwaltungsblätter

BVerfG BVerwG DÖV DRZ

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DVB1. E GG GBl. GVB1. HBdDStR ibid. i. d. F. v. JZ MDR m. w . N w . NJW o. O. Prot. RdJ RWS Verf. Ba.-Wü. Verf. Bay. Verf. H H . Verf. Hess. Verf. Nds. Verf. NW. Verf. Rhld.-Pf. Verf. Saar. WDStRL

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„Es sind zwei Zweige der Staatsverwaltung, f ü r deren gute Einrichtung die Völker am erkenntlichsten zu seyn pflegen, gute Gerechtigkeitspflege u n d gute E r ziehungsanstalten; denn v o n keinem übersieht u n d f ü h l t der P r i v a t m a n n die Vortheile u n d Wirkungen so unmittelbar, nah u n d einzeln, als v o n jenen Zweigen, deren der eine sein Privat-Eigenthum überhaupt, der andere aber sein liebstes Eigenthum, seine Kinder, betrifft." Georg Wilhelm Friedrich Hegel*

Zur Methode Das Hegel-Zitat zu Beginn ist nicht so sehr eine Reverenz an den Geist der Zeit und noch weniger eine an die Hegeische Philosophie als vielmehr der sachliche Ausdruck dessen, womit sich die vorliegende Arbeit befaßt. Denn zwischen der „Gerechtigkeitspflege" als der rechtsförmigsten aller staatlichen Tätigkeiten und den staatlichen Erziehungsanstalten stellt Hegel eine Analogie her, und so steht hinter seinen Worten die Frage, wie diese Analogie näher charakterisiert werden kann und ob sich hieraus irgendwelche Folgen ergeben. I n der Tat w i r d i n vorliegender Arbeit der Versuch gemacht, das rechtliche Typenschema hoheitlichen Handelns, wie es von der Staats- und Verwaltungsrechtslehre entwickelt worden ist, auch v o l l auf das staatliche Schulwesen zu übertragen. Es geht u m Notwendigkeit und Möglichkeit der Juridifizierung des staatlichen Schule-haltens. Nicht, als ob sich das Recht bislang der Schule noch nicht angenommen hätte — die Verrechtlichung des Schulverhältnisses seit Geltung des Grundgesetzes ist gewiß eine der großen Leistungen von Rechtsprechung und Wissenschaft ~ , aber jede rechtliche Zuordnung und jedes hoheitliche Handeln muß sich wiederum juristisch i n Frage stellen lassen, und das Verfassungsgebot zur Verwirklichung des Rechtsstaates erfordert die permanente rechtliche Überprüfung aller Formen staatlichen Wirkens. Die Fragestellung der vorliegenden Abhandlung ist daher i n erster Linie eine verfassungsdogmatische. Die Verfassungsdogmatik impliziert nun spezielle Sollensnormen, die das Handeln der Hoheisträger bestimmen oder aber, wenn die Wirklichkeit m i t ihnen nicht konform geht, dieser Wirklichkeit als Postulat und Anspruch entgegentreten. * Gymnasialrede v o m 29. September 1809; Studienausgabe Bd. I, S. 29.

16

Z u m Gegenstand

Nach zwei Seiten h i n aber bedarf die verfassungsdogmatische Betrachtung der Abgrenzung. Zunächst steht jedem Normensystem eine W i r k lichkeit gegenüber, die es zu gestalten sucht und auf die es bezogen ist. Die Beschreibung dieser Realität ist von der rechtlichen Betrachtung methodisch zu trennen. Dies ist denn auch i m 1. Kapitel, das eine A r t Bestandsaufnahme des staatlichen Schule-haltens enthält, nach Möglichkeit geschehen, so daß dem Verfasser nicht das Sakrileg nachgewiesen werden kann, die Grenze vom Sein zum Sollen unreflektiert überschritten zu haben. Diese Bestandsaufnahme versteht sich i m übrigen nicht als umfassende, empirisch begründete Darstellung der Wirklichkeit der Schule — dies wäre eine Aufgabe der Verwaltungswissenschaft und der Soziologie —, sondern eher nur als reflektierende Sichtung von Normen rechtlicher A r t , die das innere Leben der Schule beherrschen. Bei der mehr theoretischen Zielsetzung der Arbeit mag es hiermit sein Bewenden haben. Zum anderen aber sind von den systemimmanenten verfassungsdogmatischen Postulaten die rechtspolitischen Forderungen zu unterscheiden. Der Verfasser war bemüht, diesen Unterschied insbesondere i n den letzten beiden Kapiteln hervortreten zu lassen. Die juristische Interpretation führt oftmals zu einem Punkt, an dem gerade m i t Hilfe rechtswissenschaftlicher M i t t e l die Entscheidung nicht mehr determiniert werden kann, sondern kraft eines Willensaktes herbeigeführt wird. Dieser Wille ist aber von der Rechtsdogmatik her nicht mehr ableitbar. Er ist i m Grunde immer ein politischer. I n der Auseinandersetzung u m das B i l dungswesen aber scheint sich politischer Wille hin und wieder als Verfassungsauslegung auszugeben. Man sollte hier eine Trennung vollziehen und die Diskussion auf der Ebene führen, wo sie ihren Ort hat, nämlich auf der politischen, auch wenn dies bei der schwer durchschaubaren Verzahnung von Recht und Politik nicht immer leicht sein mag.

Zum Gegenstand Die lebhafte bildungspolitische Diskussion dieser Tage w i r d von einer stilleren, doch nicht minder effektiven Arbeit der Juristen am Schulrecht begleitet. Dem Posaunenruf von der Bildungskatastrophe 1 war sogar der Ruf nach „mehr Schulrecht" 2 lange vorausgegangen, während allerdings der Mißton der Klage über die „verwaltete Schule" 3 immer hörbarer wurde. 1 2 3

Georg Picht, 1964. Vgl. etwa Manfred Mielke, Es fehlt an „Schulrecht", R d J 1956, S. 113 f. Hellmut Becker, K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 33 ff.

Z u m Gegenstand

Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes hat sich die Rechtsprechung zunehmend des Schulverhältnisses angenommen 4 und so ein Schulverwaltungsrecht gewohnheitsrechtlich begründet. Die rechtswissenschaftliche Literatur geht m i t dieser Rechtsprechung konform 5 . I n jüngster Zeit ist nun auch die Frage des Verhältnisses von Schule, Recht und Staat ins Grundsätzliche vorangetrieben und problematisiert worden 6 . Insbesondere ist das Schulverhältnis aber auch von der staatsrechtlichen Auseindersetzung über Gesetzesvorbehalt und „besonderes Gewaltverhältnis" erfaßt worden 7 , die u m grundsätzliche Fragen ringt und noch keineswegs abgeschlossen ist. Mitten i n diese Diskussion w i l l die vorliegende Arbeit das staatliche Schulwesen hineinstellen. Es ist aber nicht die Gesamtheit der staatlichen Schule, die hier i m Blickpunkt steht. Es geht vielmehr nur u m jenen Bereich, der von der rechtlichen Betrachtung merkwürdigerweise fast völlig ausgespart worden ist, der aber doch gerade das Eigentliche der Schule ausmacht: das Angebot an Bildungsgütern i m öffentlichen Schulwesen 8 . Die Dispositionsgewalt des Staates über die didaktischen Inhalte i n ihren Formen, Möglichkeiten und Grenzen ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Hierbei soll nun nicht das Verhältnis des Staates zur Bildung oder gar zur Erziehung primär ins Blickfeld geraten — derartige Ansätze bleiben nur allzu leicht dem unverbindlich Allgemeinen oder aber der Sonderproblematik des Elternrechtes und der Konfessionsschule verhaftet —, sondern vielmehr der Bereich, i n dem der Kampf der Bildungsmächte sich tagtäglich konkretisiert: die konkreten Unterrichtsgegenstände, die vom Lehrplan festgelegt werden. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, daß das „eigentliche" Schul- und Anstaltsrecht aus der Betrachtung herausfällt. Aber auch innerhalb des abgesteckten Rahmens werden die Fragen u m Elternrecht und Konfessionsschule ausgeklammert. Sie sind fast die einzigen, die aus dem 4 Vgl. die Nachweise bei Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957; Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. Auflage 1969; Günther Mampe, Rechtsprobleme i m Schulwesen, 1965; Hermann Hummel, Gerichtsschutz gegen Prüfungsbewertungen, 1969. 5 Vgl. Heckel-Seipp, a.a.O.; Mampe, a.a.O.; Rehmert, a.a.O.; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schulu n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960; Siegfried Lang, Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, Diss. München 1969; Horst Tilch, Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte i m Schulverhältnis, Diss. München 1961. 6 Vgl. Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967; Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, 5. 57 ff., 159 ff., 248 ff.; Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967. 7 Vgl. Hans Ulrich Evers u n d Ernst-Werner Fuss, V e r w a l t u n g u n d Schule, i n : W D S t R L 23,1966. 8 Auch i n der Erziehungswissenschaft treten erst neuerdings gegenüber den Organisationsplänen die Inhalte der Schule mehr i n den Vordergrund; vgl. Hartmut von Hentig, Systemzwang u n d Selbstbestimmung, 1968, S. 13.

2 Hennecke

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Z u m Gegenstand

Komplex der „inneren Schulangelegenheiten" juristisch diskutiert werden. Dies ist denn auch bereits um so ausführlicher geschehen. Da diese Problematik aber mehr den Geist als den Gegenstand des Unterrichts betrifft und m i t der Frage der Gewissensfreiheit i n unabsehbare Bereiche vorstößt 9 , darf sie hier unerörtert bleiben. Desgleichen beschränkt sich die Darstellung auf das sogenannte „allgemeinbildende" Schulwesen und läßt die Sonderfragen des Berufsschulwesens, das i n wenig glücklicher Weise ein Eigendasein führt, großenteils außer Betracht. A m Rande nur kann die Frage der staatlichen Schulträgerschaft behandelt werden. Gänzlich verzichtet werden muß auf eine geschichtliche Darstellung 1 0 . Abgesehen hiervon könnten Ansatz wie schließliches Ergebnis der Arbeit aus zwei Gründen nicht voll zufriedenstellen. Es w i r d zum einen eine rechtliche Verfestigung der Schule am Ende stehen und dies i n einer Zeit, da das Bildungswesen i n einem grundlegenden Wandel begriffen ist und auf Grund der sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse und des sich überstürzenden wissenschaftlichen Fortschrittes einem permanenten Reformierungsprozeß w i r d unterliegen müssen. Die Normtypik des modernen Rechtsstaates indes, der Schule hält, gebietet diese rechtliche Verfestigung und offenbart insoweit seine innerste Problematik. Es w i r d insbesondere auch bei dem bewußt ausführlichen Versuch, das Schulwesen i n den Kategorien der Eingriffs- und Leistungsverwaltung zu erfassen (4. Kapitel, II, 3), deutlich werden, wie wenig das herkömmliche Verwaltungsrecht auf das Schulwesen hin konzipiert ist. Es müßten i m Grunde ganz neue Wege gesucht werden. Und so ist zum zweiten der Widerspruch zwischen den Sachgesetzlichkeiten des Bildungswesens und der rechtsstaatlichen Normtypik ebenso wie die Ausklammerung der oben genannten Teilbereiche Ausdruck des Mangels an einer umfassenden Schulverwaltungslehre, die die Erkenntnisse der Erziehungs- und der Sozialwissenschaften umgreift und ein ebenso sachadäquates wie rechtsstaatliches Schulverwaltungsrecht formuliert. Eine solche müßte geschrieben werden; doch dies ist eine Aufgabe, die hier nicht erfüllt werden kann. 9 Hierzu Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 48 ff., 73 ff. 10 Z u r Geschichte des — insbesondere auch staatlichen — Schulwesens: Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, 5. T e i l 1868, 6. T e i l 2. A u f l . 1883, 8. T e i l 1884; Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, 2 Bde., 3. A u f l . 1919/21; Arno Eisenhuth, Die E n t w i c k l u n g der Schulgewalt u n d ihre Stellung i m Verwaltungsrecht i n Deutschland, 1932; Wilhelm Roessler, Die Entstehung des modernen Erziehungswesens i n Deutschland, 1961; Theodor Wilhelm, Pädagogik der Gegenwart, 3 A u f l . 1963; Dokumentation: Leonhard Froese Werner Krawietz (Hrsg.), Deutsche Schulgesetzgebung, Bd. 1,1968.

Erstes Kapitel

Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens I. Schule als „Veranstaltung des Staates" „ S c h u l e n . . . sind Veranstaltungen des Staates . . . " — dieser lapidare Satz aus dem „Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten" von 17941 ist einer der profiliertesten Marksteine auf dem Entwicklungsgang jenes komplexen Spannungsfeldes zwischen Staat und Schule. Ist er einerseits Triumph der erstarkten Staatsgewalt, ist er zum anderen seit eh und je Stein des Anstoßes gewesen. Die K r i t i k , die an dem normativen Gehalt dieses Satzes2 und dessen Auslegung 3 geübt worden ist und geübt wird, hat jedoch nichts daran zu ändern vermocht, daß die faktische Aussage, die i n diesem Satze getroffen wird, sich i m Laufe der Entwicklung immer mehr bestätigt hat und heute stärker zutrifft denn je. Die Schulen i n der Bundesrepublik Deutschland sind i n der Tat Veranstaltungen des Staates. Und nicht nur das: Sie sind überdies „Anstalten" i m technischen Sinne 4 . Die Schüler sind „Anstaltsbenutzer" und stehen i n einem „besonderen Gewaltverhältnis" 5 . Die Lehrer sind Beamte und die Erteilung von Unterricht ist Ausübung öffentlicher Gewalt 6 . Der schulische Erfolg 1 A L E Neue Ausgabe, 2. Teil, 2. Band, B e r l i n 1806, § 1, S. 181 (zitiert nach: Leonhard Froese - Werner Kravoietz (Hrsg.), Deutsche Schulgesetzgebung, Bd. 1, 1968, S. 127). 2 V o r allem Wilhelm Geiger , Staat u n d Schule i m Verfassungsrecht, BayVBl. 1959, S. 101 ff. (103); ders., die verfassungsrechtlichen Grundlagen des V e r hältnisses von Schule u n d Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 13 ff. (31). 3 So sucht z . B . Jürgen Willich (Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955, S. 47 f.) nachzuweisen, daß m a n dem § 1 erst i m Laufe des 19. Jahrhunderts einen normativen Sinn beigelegt habe u n d daß daher der Ausdruck „Veranstaltungen des Staates" n u r i n „sehr eingeschränktem u n d uneigentlichem Sinne zu nehmen" sei. 4 Hierzu ausführlich: Vinzenz Weinfurtner, Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1959; ders., Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, RWS 1961, S. 377 ff.; Siegfried Lang, Das Schulverhältnis als Anstaltsverhältnis, Diss. München 1969; ferner Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 48 ff. 5 Podlech (a.a.O., S. 48) hat gerade die Schule das „Leitgebilde des Ausdrucks ,bes. Gewaltverhältnis 4 " genannt. 0 So ausdrücklich: Weinfurtner , a.a.O. (Diss.), S. 48; Hans Peters , Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 403; Mayerhoff-Pünder-Schäfer-Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1968, S. 77.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

eines Schülers, der i n den Zeugnissen verbrieft und i n den Versetzungsentscheidungen bestätigt wird, ist justiziabel gemacht worden, indem man die Versetzungsentscheidung als Verwaltungsakt qualifiziert hat, und beschäftigt seither die Verwaltungsgerichte 7 . Alle Forderungen an das Bildungswesen werden gerade an die staatlichen Kultusministerien adressiert. I n toto: Die Schule ist ganz i n den staatlichen Verwaltungsaufbau integriert; sie ist Verwaltungsbehörde und Verwaltungsinstanz und unterliegt dem Typenschema hoheitlichen Handelns 8 . Die gesamte öffentlich-rechtliche Begrifflichkeit, die gleichsam wie ein Netz über die Schule geworfen ist, ist die Konsequenz des einfachen Satzes: Der Staat hält Schule. Diese „verwaltete Schule" 9 ist Gegenstand lebhafter K r i t i k 1 0 . Die K r i t i k soll an ihrem Ort zu ihrem Recht kommen. A n dieser Stelle interessiert vorerst nur der objektive Sachverhalt, und gerade das böse Wort vom „Terror der Schulverwaltung" 1 1 ist Anlaß genug, den einfachen Sachverhalt festzustellen. Gegenüber dem staatlichen nimmt das nichtstaatliche Schulwesen einen verschwindend geringen Raum ein 1 2 . Es kann gewiß nicht von einem rechtlichen Monopol des Staates i m Schulwesen gesprochen werden; dies verbietet sich schon i m Hinblick auf die Privatschulgarantie i n A r t . 7 7 Hierzu: Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957, m i t umfangreichen Nachweisen; ders., Die gerichtliche Nachprüfung der Handhabung schulischer Verwaltungsverordnungen, N J W 1957, S. 575 f.; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960; Horst Tilch, Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte i m Schulverhältnis, Diss. München 1961; Hermann Hummel, Gerichtsschutz gegen Prüfungsbewertungen, 1969; Ralf Holland, Verwaltungsrechtsschutz i m Schulverhältnis, DVB1. 1968, S. 245ff.; Herbert Hochstetter - Paul Seipp - Eberhard Weismann, Schüler — Richter — Lehrer, 1957. 8 Z u r Frage allgemein: Peters, a.a.O., S. 402 ff.; Kurt Egon von Turegg Erwin Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. A u f l . 1962, S. 669 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , 3. A u f l . 1970, S. 358 ff.; Heckel-Seipp, Schulrechtskunde, 4. Aufl. 1969, S. 85 ff. 9 Hellmut Becker, K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 33 ff.; ders., Quantität u n d Qualität, 1962, S. 147 ff. 10 Horst Rumpf, Die administrative Verstörung der Schule, 1966; ClausWilhelm Hoff mann, Freiheit u n d Erziehung, RWS 1962, S. 325 ff.; Wilhelm Geiger, Staat u n d Schule i m Verfassungsrecht, BayVBl. 1959, S. 103: „Die Schule als Objekt staatlicher V e r w a l t u n g u n d als Stätte staatlicher V e r w a l t u n g w i e Polizeidirektion, Rathaus oder Regierungspräsidium, der Lehrer als beamtetes Verwaltungsorgan des Staates — die so formulierte Vorstellung ist absurd." Franz Pöggeler, Der pädagogische Fortschritt u n d die verwaltete Schule, 1960, S. 9 f. 11 Horst Rumpf, Die Misere der Höheren Schule, 1966, S. 27. 12 Z u m Privatschulrecht vgl. Hans Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955; Egon Plümer, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Privatschulverhältnisse, Diss. Würzburg 1968.

I I . Was heißt „Schule-halten"?

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Abs. 4 und 5 GG und w i r d auch von Arndt 13 und anderen nachdrücklich betont. Immerhin aber zeigen die Schulgesetze der Länder und auch A r t . 7 GG, daß der Gesetzgeber vom Staatsschulwesen als dem Normalfall ausgeht. Wenn auch rechtlich nur eine Dominanz des staatlichen Schulwesens verfassungsgemäß ist, kann doch ein faktisches Schulmonopol des Staates kaum i n Abrede gestellt werden 1 4 , so daß nach wie vor gilt: Schulträger ist der Staat. I I . Was heißt „Schule-halten"? Indes: „Das Bildungswesen ist auch ohne den Staat da 1 5 ." Das w i l l heißen, daß das Schulwesen nicht eine genuin hoheitliche Aufgabe ist, wie etwa das Militärwesen, das überhaupt nur von einem Träger hoheitlicher Gewalt unterhalten werden kann. Gäbe es keinen Staat, gäbe es gleichwohl Schulen, i n denen die Gesellschaft ihre geistigen Überlieferungen tradiert und brauchbare Mitglieder nach ihrem Bilde formt. Jahrhundertelang lag das Bildungswesen nicht i n der Hand eines Trägers staatlicher Gewalt. Eine Reflexion darüber, i n welchen Formen ein rechtsstaatliches Schule-halten stattzufinden hat, muß daher notwendigerweise eine Besinnung darüber vorausgehen, was das Veranstalten von Schule insbesondere i n der heutigen Zeit bedeutet. 1. Schule-halten als Gestalten der „inneren Schulangelegenheiten"

Dieser Überlegung kommt der herkömmliche schulrechtliche Begriff der „inneren Schulangelegenheiten" zu Hilfe. Seinen Ort hat er i n der Diskussion des Schulaufsichtsbegriffes und dient dort i m Verein m i t dem Gegenbegriff der „äußeren Schulangelegenheiten" als Abgrenzungskriter i u m für die Kompetenzen von Staat und Gemeinde i m Schulwesen; davon w i r d noch die Rede sein. Dem Inhalte nach werden die „inneren Schulangelegenheiten" bestimmt als das, „was sich auf die Gegenstände und Formen des Unterrichts (Lehrplan, Lehrziel, Lehrmittel, Methode, Schulzucht) bezieht" 1 6 ; „äußere Schulangelegenheiten" hingegen sind die 18 Adolf Arndt, Aufgaben u n d Grenzen der Staatsgewalt i m Bereich der Schulbildung, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 71 f.; so auch Willi Geiger, V o r schlag zu einer Neufassung des A r t . 7 GG, i n : Festschrift f ü r Gebhard Müller, 1970, S. 107 ff. 14 Vgl. Ernst-Werner Fuss, V e r w a l t u n g u n d Schule, i n : W D S t R L 23, 1966, S. 199 ff. (202). 15 Lorenz von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, T e i l I I , 3. A u f l . 1888, S. 123. 16 Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches v o m 11. August 1919, 14. Aufl. 1933 (Neudr. 1960), A n m . 2 zu A r t . 142, S. 668; vgl. Heckel-Seipp, a.a.O., S. 85; Peters, a.a.O., S. 404; Thomas Oppermann, Bildung, i n : Ingo von Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. A u f l . 1970, S. 546.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

„Einrichtungen und Tätigkeiten, welche die Vorbedingungen und M i t t e l für die innere Schularbeit schaffen" 17 , nämlich Schulfinanzierung, Schulunterhaltung, Anstellung der Lehrer u. a. Es ist deutlich, daß die eigentliche Bildungsarbeit der Schule dem Begriff der „inneren Schulangelegenheiten" unterfällt und daß die Inhalte des Schulwesens, die nach der eingangs vorgenommenen Eingrenzung des Themas alleiniger Gegenstand der Erörterung sein sollen, diesem Begriff zugeordnet werden müssen. So läßt sich an dieser Stelle bereits die formale Definition gewinnen: Schule-halten ist wesenhaft Gestaltung der inneren Angelegenheiten der Schule. 2. Unterricht — Erziehung — Bildung als die essentiellen „inneren Angelegenheiten" der Schule

M i t dieser Definition ist jedoch wenig gewonnen. Vielmehr sind jetzt nur die Fragen erst gestellt, auf die es ankommt: Nach welchen Leitbildern orientiert sich die Gestaltung, und wie sehen die „inneren A n gelegenheiten" i n concreto aus? Das abendländische Bildungswesen hat i n seiner zweieinhalbtausendjährigen Geschichte mannigfache Gestalten angenommen; aber immer hatte es „Unterricht" zum Inhalt und stand von Anfang an 1 8 unter dem gewaltigen Anspruch jenes grundlegenden Begriffspaares „Erziehung" und „Bildung". Es wäre an dieser Stelle ein hoffnungsloses Unterfangen, die Begriffstrias Unterricht - Erziehung - Bildung diskutieren oder untereinander abgrenzen zu wollen. Ist hiermit doch einer der umfassendsten und tradi17

Heckel-Seipp, a.a.O., S. 85; vgl. auch die i n A n m . 16 genannten Autoren. Die umschreibende Definition der „inneren" u n d „äußeren" Schulangelegenheiten ist unbestrittenes Allgemeingut der schulrechtlichen L i t e r a t u r ; vgl. Gerhard Anschütz, Die Verfassungsurkunde f ü r den Preußischen Staat v o m 31. Januar 1850,1. Bd., 1912, S. 441; Walter Lande, Die staatsrechtlichen G r u n d lagen des deutschen Unterrichtswesens, i n : HBdDStR, Bd. I I , 1932, S. 690 ff. (708/709); Hans Heckel, Schulverwaltung, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis, 2. Bd., 1957, S. 110 ff. (135); Hermann von Mangoldt Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. A u f l . 1957, S. 281; Hermann Meyerhoff, Leitfaden zum Schulrecht, 1950, S. 29; Hans Albert Berkenhoff, Kommunalisierung der Schulaufsicht?, DVB1. 1952, S. 141 ff. (142); Alfred Bochalli, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. A u f l . 1963, S. 149; Jürgen Willich, Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955, S. 80 ff. Gleichwohl w i r d die Brauchbarkeit der Unterscheidung i n Frage gestellt; vgl. statt aller Meyerhoff-Pünder-Schäfer-Hintzen, a.a.O. (Anm. 6), S. 59 u n d Heckel-Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 8: „Es gibt k a u m eine schulische Tätigkeit oder Einrichtung, die nicht eine äußere oder innere Seite zugleich hat." Das ist gewiß richtig, ändert aber nichts an der Tatsache, daß Schule zwei durchaus unterscheidbare Aspekte hat, deren einer — w i e hier der „innere" — gesonderter Betrachtung durchaus zugänglich ist. Daher k a n n die Frage hier auf sich beruhen. 18 Vgl. hierzu grundlegend: Werner Jaeger, Paideia, 3 Bde., 1933/1944/1947.

I I . Was heißt „Schule-halten"?

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tionsreichsten Bereiche der Geistesgeschichte angesprochen, der hier auch nicht andeutungsweise durchdrungen, geschweige denn dargestellt werden kann. Hier ist nur unter Verzicht auf jegliches Quellenstudium und auf Auseinandersetzung m i t der unübersehbaren pädagogischen Literatur eine vorsichtige Orientierung 1 0 und ein andeutendes Aufzeigen von Momenten aus dem Komplexbereich möglich, aber auch ausreichend. A m eindeutigsten ist wohl noch der Begriff des Unterrichts bestimmbar. Unterricht hat die systematische und planmäßige Übermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten zum Inhalt; Unterricht und „Stoff" sind aufeinander zugeordnet. Die Begriffe „Erziehung" und „Bildung" gehören zu den schillerndsten der Geistesgeschichte überhaupt; die Verwirrung i n der pädagogischen, didaktischen und philosophischen Literatur ist allgemein. Wenn hier auch eine Begriffsbestimmung nicht versucht werden kann, so muß aber immerhin der Identifikation und der unreflektierten summarischen A n einanderreihung der Begriffe — beides sind die Schwächen der juristischen Literatur und der Gesetzgebung auf diesem Gebiet — m i t Skepsis begegnet werden. Denn es lassen sich sowohl der „Erziehung" als auch der „Bildung" jeweils spezifische Momente m i t einiger Evidenz zuordnen, wobei allerdings offenbleibt, ob nicht das eine das andere m i t umfaßt. Von solchen Zuordnungsversuchen ist gewiß derjenige der schwächste, der „Erziehung" auf die „Seele", „Bildung" auf den „Geist" des Menschen bezieht; denn es werden hier neue Unbekannte, die überdies zur Mythologie und Metaphysik h i n offen sind, eingeführt, wobei Rhetorik die Logik ersetzt. Trotzdem w i r d auch hieran deutlich, daß „Erziehung" einen affinen Bezug zu „Gewissen" und „Glauben" hat, der dem Begriff der Bildung fehlt. Die gesamte Auseinandersetzung u m die Konfessionsschule w i r d i m Zeichen der „Erziehung" geführt, die Sache des christlichen Gewissens sei. 19 Z u r Orientierung: Martin Keilhacker - Franz Klein, Stichwort „Erziehung" i n : Staatslexikon, Bd. I I I , 6. A u f l . 1959, Sp. 39 ff.; Max Müller, „ B i l d u n g " , ibid., Bd. I I , 1958, Sp. 23 ff.; Hans Hermann Groothoff, „ B i l d u n g " , i n : Pädagogik, Fischer-Lexikon Bd. 26, 3. A u f l . 1966, S. 32 ff.; ders., „Erziehung", ibid., S. 74 ff.; Franz Xaver Eggersdorfer, „ B i l d u n g " , i n : L e x i k o n der Pädagogik, I. Bd., Freib u r g (Br.) 1952, Sp. 476 ff.; ders., „Erziehung", ibid., Sp. 1029 ff.; Hugo Reirig, „Unterricht", ibid., I V . Bd., 1955, Sp. 717 ff.; Paul Häberlin, „ B i l d u n g " , i n : L e x i k o n der Pädagogik, 1. Bd., Bern 1950, S. 198 ff.; ders., „Erziehung", ibid., S. 364 ff.; Martin Simmen, „Unterricht u n d Lehrverfahren", ibid., 2. Bd., 1951, S. 815 ff. Z u r Geschichte des deutschen Bildungsbegriffes grundlegend: Günther Dohmen, B i l d u n g u n d Schule, Bd. 1, 1964, Bd. 2, 1965 (Bd. 3 steht noch aus); aus Bd. 1, S. 15: „Der Begriff .Bildung' ist heute einer der unklarsten u n d v e r schwommensten Grundbegriffe der deutschen Pädagogik. Es gibt i m allgemeinen Sprachgebrauch keinen anerkannten Konsensus darüber, was m a n eigentlich darunter zu verstehen habe. Auch die wissenschaftliche Pädagogik ist dieses Begriffes noch nicht H e r r geworden."

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

M i t der erstgenannten Formel ist eine andere, vielleicht präzisere verwandt, nämlich daß Bildung Freiheit, Erziehung aber Bindung bewirke. Es dürfte nun allerdings nicht von der Hand zu weisen sein, daß Bildung auf die größtmögliche Entwicklung der individuellen Persönlichkeit tendiert, Erziehung aber eben diese Persönlichkeit i n einen Sozialbezug stellen w i l l . Der Erziehung wohnt immer ein adaptatives Element inne, gleichviel, ob man hierunter Anpassung an soziale Verhaltensweisen oder aber das Überzeugtsein von metaphysischen Ordnungen und Bindungen versteht. Demgegenüber vollzieht sich die Befreiung der Persönlichkeit i m B i l dungsprozeß durch intellektuelle Erfassung und Durchdringung der Welt, wodurch Beherrschung zuvor unerkannter Zusammenhänge und demzufolge Orientierung und Selbstbestimmung ermöglicht werden. Bildung hat inneren Bezug zur Erkenntnis und Wissen; das aber heißt: es besteht ein Zusammenhang zwischen Bildung und Unterricht. Soll Bildung i n der Schule verwirklicht werden, setzt dies Unterricht voraus. Dies läßt sich von „Erziehung" nur i n viel beschränkterem Maße aussagen, wiewohl Weissenrieder 20 gerade die Kohärenz von Unterricht und Erziehung betont. Es w i r d an dieser Stelle deutlich, daß das Verhältnis von Staat und Schule, i n der ja Unterricht i n konkreten Fächern erteilt wird, immer nur i m Blick auf den Bildungsbegriff diskutiert werden kann; und wenn Bildung und Unterricht an einem Konnex stehen, dann bedeutet das für eine Abhandlung, die die Festlegung von Unterrichtsinhalten durch den Staat zum Inhalt hat, daß Bildungsfragen i n ungleich stärkerem Maße als Erziehungsprobleme Gegenstand der Erörterung sein werden. Unversehens ist der Versuch, Begrenzungen zwischen den Begriffen Erziehung - Bildung - Unterricht abzustecken, dazu übergegangen, Bezüge und Bedingtheiten dieser Begriffe untereinander aufzuzeigen. Und wie ein Zusammenhang zwischen Unterricht und Bildung hat konstatiert werden können, lassen sich Beziehungen zwischen Erziehung und B i l dung herstellen, etwa i n dem Sinne, daß Erziehung der Weg zur Bildung oder umgekehrt Bildung das M i t t e l der Erziehung sei. Diese Bedingtheiten werden um so komplexer, aber auch als solche um so evidenter, wenn man sich nicht nur auf eine formale Begriffsbestimmung 2 1 beschränkt, sondern etwa „Erziehung" und „Bildung" inhaltlich aufzufüllen versucht. Die inhaltliche Bestimmung dessen, was Bildung 20

Benedikt Weissenrieder, Die Schulhoheit, 1953, S. 32; vgl. auch HeckelSeipp, Schulrechtskunde, 3. A u f l . 1965, S. 5, wo umgekehrt auf die Rückwirkung des Unterrichts auf die Erziehung hingewiesen w i r d : „ . . . bloßer Unterricht ohne Erziehung ist fast undenkbar, da jeder Unterricht i n irgendeiner F o r m erzieherisch w i r k t . " 21 Hans Peters (Elternrecht — Erziehung — B i l d u n g — Schule, i n : Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbbd., 1960, S. 369 ff.)

I I . Was heißt „Schule-halten"?

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oder E r z i e h u n g sei, ist die S e t z u n g eines B i l d u n g s - oder E r z i e h u n g s ideals. Jedes B i l d u n g s i d e a l v e r l a n g t spezifische U n t e r r i c h t s i n h a l t e , die es seinerseits m i t seinen I d e e n d u r c h d r i n g t . Das m a r k a n t e s t e B e i s p i e l i s t die sogenannte H u m a n i s t i s c h e B i l d u n g , die die a l t e n S p r a c h e n als i h r M e d i u m i m d o p p e l t e n S i n n e — als Z u g a n g u n d als G e s t a l t u n g s m i t t e l zugleich — i m U n t e r r i c h t voraussetzen zu müssen g l a u b t . Es s i n d andererseits auch E r z i e h u n g s v o r s t e l l u n g e n d e n k b a r , die d e n Bildungsbegriff überhaupt eliminieren, w i e e t w a der bemerkenswerte A n s a t z v o n Carl-Heinz Evers 22, d e r d a n n w o h l auch i m B e r l i n e r S c h u l 23 r e c h t seinen N i e d e r s c h l a g g e f u n d e n h a t . Jedes E r z i e h u n g s - u n d jedes B i l d u n g s i d e a l sucht e i n B i l d des M e n schen zu v e r w i r k l i c h e n 2 4 . Es h a t s o m i t z w a n g s l ä u f i g w e l t a n s c h a u l i c h e n I n h a l t . Dieser w e l t a n s c h a u l i c h e , philosophische oder g a r religiöse I n h a l t t e i l t sich d e m gesamten v o n d e m B i l d u n g s i d e a l h e r g e l e i t e t e n U n t e r richtssystem m i t , das w i e d e r u m a u f das I d e a l h i n k o n z i p i e r t ist. Es ist d a h e r e i n I r r t u m , z u g l a u b e n 2 5 , es gebe e i n e n v o n B i l d u n g s v o r s t e l l u n g e n f r e i e n U n t e r r i c h t ; u n d es i s t eine u n h a l t b a r e , w e n n n i c h t demagogische S i m p l i f i k a t i o n , w e n n m i t t e l s s p o t t e n d e r F o r m u l i e r u n g e n v o n „ k a t h o l i s c h e r O r t h o g r a p h i e u n d M a t h e m a t i k " die B e k e n n t n i s s c h u l e führt zu Recht aus (S. 399), daß i n der heutigen Gesellschaft ein consensus omn i u m über das Ziel der Erziehung n u r formal erzielt werden kann. Z u scheiden hiervon ist die neuere Tendenz, die Bildungsinhalte selbst n u r fioch als formale aufzustellen; vgl. hierzu den Versuch von Hartmut von Hentig, Systemzwang u n d Selbstbestimmung, 1968, S. 69 ff., 111 ff. 22 RWS 1961, S. 10 ff. (10): „ I c h möchte die Aufgabe der Schule nicht »Bildung 4 nennen, sondern Erziehung und Unterricht." 23 Vgl. die „AusführungsVorschriften über Unterricht u n d Erziehung i n der Berliner Schule" v o m 10.2.1969, A B l . 1969, S. 189 (zitiert nach: Paul Seipp - Carl Artur Werner, Schulrecht-Ergänzbare Sammlung der Vorschriften über Schule und Schulverwaltung i n Berlin, Bd. 2, Abt. I I I A I I ) : „Unterricht u n d Erziehung i n der Berliner Schule richten sich nach den ,Rahmenplänen f ü r Unterricht u n d Erziehung'..." C. H. Evers w a r jahrelang Senator für Schulwesen i n Berlin. 24 Theodor Litt, Das Bildungsideal der deutschen Klassik u n d die moderne Arbeitswelt, 4. A u f l . 1957, Vorspruch: „Jeder Bildungslehre liegt . . . eine bestimmte Auffassung v o m Wesen des Menschen zugrunde. I n begrifflicher F o r m entwickelt heißt sie: philosophische Anthropologie." Vgl. auch Theodor von den Driesch, i n : Die Stellung der Schule i n der Öffentlichkeit, 1962, S. 15 ff. (16): „ . . . daß jeder Lehrende weltbildbestimmend, weltanschaulich beeinflussend w i r k t . " Paul Oswald, Grundzüge einer Theorie der Schule, i n : Theorie der Schule, hrsg. von Hermann Röhrs, 1968, S. 9 ff.: M i t der unausweichlichen A u s richtung der Schule auf ein Menschenbild h i n ist nach Oswald (S. 11) „gleichsam ein Sprengsatz i n i h r Fundament eingebaut worden". Demgegenüber sucht Werner Heldmann (Bemerkungen zum I n h a l t u n d A u f b a u des Bildungswesens, RWS 1961, S. 1 ff.) die B i l d u n g dem Anspruch „allgemeinverpflichtender, weltanschaulicher Leitbilder" zu entziehen, was m. E. jedoch nicht möglich ist. 25 So anscheinend Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, S. 29.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

lächerlich gemacht werden soll. Jedes Unterrichtssystem tangiert den Menschen und den Geist i n seiner Gesamtheit. So schreibt denn auch Thielicke: „Reine Wissensvermittlung, die weltanschaulich neutral wäre, gibt es ebenso wenig, wie es sonst weltanschaulich neutrale Räume gibt 2 8 ." Es ist an dieser Stelle ebenso verlockend wie uferlos, die Variationsbreite möglicher, philosophisch entworfener und historisch verwirklichter Bildungsideale aufzuzeigen; aber etwa das Schicksal der enzyklopädisch verstandenen „Allgemeinbildung" zu verfolgen, die schon Goethe 27 und Kerschensteiner 28 bekämpft haben, die neuerdings Hartmut von Heutig 29 aus der Schule verbannen möchte und die angesichts der ungeheuren Informationsflut zu hoffnungslosem Scheitern verurteilt ist, wäre selbst nur von enzyklopädischem Interesse; i m übrigen sei nur exemplarisch hingewiesen auf Wilhelm von Humboldt und sein anthropozentrisches Humanitätsideal, das Theodor Litt dahingehend charakterisiert hat 3 0 , daß „hier der Mensch wirklich zum Maß aller Dinge geworden" sei, oder i n neuester Zeit auf Helmut Schelsky, der i m „Intellektuellen" das moderne Bildungsideal sieht 31 . Es mag m i t diesen Andeutungen genug sein; jede weitere Erwähnung etwa eines christlichen oder marxistischen Erziehungs- oder Bildungszieles wie auch der Versuch des Verfassers, etwa i n Anlehnung an Heinrich Weinstock 32 den Inhalt der Bildung als Bewußtsein der Brüchigkeit menschlicher Existenz zu formulieren 3 3 , würde nur eines aufzeigen: nämlich die unendliche Offenheit aller Diskussion über Erziehung, Bildung und Unterricht. Doch gerade das soll festgehalten werden. 26 Helmut Thielicke, Staat u n d Erziehung, i n : Universitas, 1950, S. 7 ff. (15); ebenso Karl Rothenbücher, Aufgaben u n d Grenzen des Staates i m Bereich des Bildungswesens, i n : Aufgaben u n d Grenzen der Staatstätigkeit i m B i l dungswesen der Gegenwart, hrsg. v o n Georg Ried, 1931, S. 13 ff., 141 ff. (142). 27 Johann Wolf gang von Goethe, W i l h e l m Meisters Wanderjahre, 2,11: „ N a r renpossen . . . sind eure allgemeine B i l d u n g u n d alle Anstalten dazu." (Hamburger Ausgabe, Bd. 8, S. 282) 28 Georg Kerschensteiner, Grundfragen der Schulorganisation, 7. A u f l . 1954, S. 188: „Die verhängnisvollste Forderung, die jemals an die höhere Schule gestellt worden ist, ist die Forderung der allseitigen Bildung." 29 Universität u n d Höhere Schule, 1967, Abschnitt A passim, S. 10 ff. 30 Das Bildungsideal der deutschen Klassik u n d die moderne Arbeitswelt, 4. A u f l . 1957, S. 14. 31 Anpassung oder Widerstand?, 1961, S. 78 f. 32 Die Tragödie des Humanismus, 1953, S. 326: „ . . . w e n n der Geist unserer B i l d u n g u n d ihrer Anstalten . . . sich m i t dem Bewußtsein der Gebrechlichkeit u n d der Gebrochenheit des Menschen u n d seiner Welt d u r c h d r i n g t . . . " 33 A u f eine E x p l i k a t i o n dieser Vorstellung muß hier verzichtet werden; sie ginge etwa dahin, daß diese „Brüchigkeit" i n besonderem Maße an den tradierten Objektivationen des Geistes erfahren werden k a n n u n d daß einer so v e r standenen „ B i l d u n g " auch die K r a f t innewohnen soll, das „Bewußtsein der Brüchigkeit" auszuhalten.

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3. Schule-halten als Entscheidung über die Inhalte

Jede Verwirklichung w i r d erkauft m i t der Preisgabe der Möglichkeit; jedes So-Sein schließt das Anders-Sein aus. Ein organisiertes Schulsystem hat konkrete Gestalt. I n i h m w i r d aus der Fülle der Möglichkeiten an Erziehungs- und Bildungsinhalten eine Wirklichkeit. Das aber heißt: Jeder Organisation des Schulsystems geht eine grundlegende Entscheidung für oder gegen mögliche Inhalte voraus. Die Entscheidung ist offen; sie ist jedoch unabdingbar. Vor sie ist jeder Schulträger gestellt, der ein Schulsystem organisiert. Für diese Feststellung ist es an sich unerheblich, ob die Entscheidung bewußt oder unbewußt getroffen wird. Frühere Zeiten griffen schlicht auf einen traditionellen, für sakrosankt gehaltenen Bildungskanon zurück und gaben so der Schule eine bestimmte historische Gestalt, die als solche einer kritischen Reflexion nicht unterlag noch auch unterliegen konnte. Dies gilt wohl auch für das Gymnasium Humboldts, i n dem man die verbindliche Summe der abendländischen Bildungsidee verwirklicht fand. Dies hat sich heute grundsätzlich gewandelt. Es gibt kaum noch einen Bereich, i n dem einem überlieferten Gehalt als Überlieferung derart Geltung zuerkannt wird, daß er einem kritischen Bewußtsein nicht unterworfen ist. So ist auch i m Bildungsbereich jeder Inhalt i n Frage gestellt und somit dispositiv. Es gibt kein allgemein anerkanntes Bildungsideal, keinen verbindlichen Bildungskanon 3 4 . U m so dringlicher w i r d die Entscheidung. Eine Entscheidung, die auf der Höhe ihrer Zeit zu stehen beansprucht, muß von dem Bewußtsein ihres eigenen Dezisionscharakters getragen sein. Nur eine solche vom Bewußtsein der Dispositivität aller Inhalte durchdrungene Entscheidung ist befähigt, sich nach allen Richtungen h i n zu verantworten. Die Bewußtmachung w i r d so zu einem normativen Anspruch. Daß eine Schulorganisation oder Schulreform grundlegende inhaltliche Entscheidungen erfordert, dessen scheint man sich i n der derzeitigen Bildungspolitik wohl bewußt; aber gerade dies scheint der Grund zu sein, warum man sie nicht fällt. Versucht man gegenständlich einzugrenzen, was — unter dem hier allein interessierenden Aspekt — zur Entscheidung steht, so ergibt sich dies zum Teil schon aus den vorhergehenden Ausführungen und sei hier nochmals wiederholt, nämlich die Erziehungsziele, die Bildungsziele, die 34

Felix Messerschmid: „ W i r wissen doch w a h r h a f t i g seit langem, w i e wenig sakrosankt der gegenwärtige Bildungskanon i s t . . . " , i n : Demokratisierung der Schule, 1969, S. 17. Vgl. auch Theodor Wilhelm, Theorie der Schule, 2. A u f l . 1969, S. 219 f.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Unterrichtsgegenstände und die pädagogische Methode. Wenn hier von „Bildungszielen" i m Plural gesprochen wird, so ist das eine rein sprachliche Verlegenheit und kein Präjudiz; denn allein schon die Frage, ob man von „dem" Bildungsziel oder von „den" Bildungszielen sprechen soll, impliziert die gesamte Problematik, die hier nicht gelöst werden kann. Es ist nun aber keineswegs so, daß m i t der Setzung grundlegender Ziele nun auch schon die einzelnen Unterrichtsfächer, ihre Verteilung auf die Schuljahre und ihre Wochenstundenzahl und innerhalb der Fächer die konkreten Stoffe implicite schon festliegen. Vielmehr steht es u m die Bildungsziele nicht anders als um die sonstigen allgemeinen Begriffe, die zum Beispiel aus dem Verfassungsrecht nur zu gut bekannt sind: Sie bedürfen der Konkretisierung, der detaillierten Ausformung; sie müssen erst zu „kleiner Münze" 3 5 geschlagen werden. Die Konkretisierung etwa des „Humanistischen Bildungsideals" von dieser seiner allgemeinen Idee bis h i n zur Platon-Lektüre i n der Oberprima montags i n der dritten Stunde vollzieht sich i n einer zahllosen Kette voluntativer Akte. Aus der Idee ist die Anzahl der Griechisch-Schulen nicht abzulesen; „naturwissenschaftliche Bildung" sagt nichts darüber aus, ob die anorganische oder die organische Chemie i m Mittelpunkt des Chemie-Unterrichts stehen soll; ein Gymnasium ist auch „neusprachlich", wenn i n i h m statt Englisch und Französisch Spanisch oder Russisch gelehrt werden. Bis i n die letzten Details hinein ist somit der Dezision nicht auszuweichen; die Dezision muß sich allerdings immer an dem vorgestellten Ziele orientieren, und es dürfte leichter feststellbar sein, welche Konkretisierung nicht mehr dem Ziele entspricht, als aus einem Allgemeinbegriff konkrete Inhalte positiv zu deduzieren 36 » 37 . Das Ringen u m die konkrete Ausgestaltung allgemeiner Bildungsziele beschreibt Bohlen 38, indem er ausführt, „daß hinter den Auseinander35 Günter Dürig, i n : Theodor Maunz - Günther Dürig - Roman Herzog, Grundgesetz (Stand 1970), A n m . 16 dd) zu A r t . 1. 38 Vgl. Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 214 (Studienausgabe Bd. I I , S. 213), wonach i n der „Zuspitzung des Allgemeinen nicht n u r zum Besonderen, sondern zur Vereinzelung, d. i. zur unmittelbaren A n w e n d u n g " sich die Konkretisierung nicht „vernünftig bestimmen, noch durch die Anwendung einer aus dem Begriffe herkommenden Bestimmtheit entscheiden" lasse. 37 Vgl. auch die K r i t i k von Blankertz an der normativen D i d a k t i k , die aus obersten vorpädagogischen Sinn-Normen i m Wege einer geschlossenen Deduktionskette Aussagen darüber machen zu können glaubt, w i e die konkrete U n terrichtswirklichkeit auszusehen habe (Herwig Blankertz, Theorien u n d M o delle der D i d a k t i k , 1969, S. 19 f., 26, 27: „Eine Didaktik, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen w i l l , k a n n darum keine normative sein."). Vgl. ferner Theodor Wilhelm, Theorie der Schule, 2. A u f l . 1969, S. 263 ff. 38 Adolf Bohlen, Moderner Humanismus, 1957, S. 63; vgl. auch Erich Weniger, D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1: Theorie der Bildungsinhalte u n d des L e h r plans, 4. Aufl. 1962, S. 23: „Schon i n einer ganz einfachen, scheinbar n u r aus methodischen Gründen vorgenommenen Änderung der Stoffanordnung k ö n -

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Setzungen, die sich m e i s t u m eine einzige S t u n d e drehen, die i n n e r s t e Überzeugung v o n F a c h l e u t e n steht, die sich d a r ü b e r k l a r sind, daß h i e r b e i Schicksalsfragen entschieden w e r d e n " . E i n e solche Schicksalsfrage sahen insbesondere die V e r t r e t e r des „ H u m a n i s t i s c h e n G y m n a s i u m s " gestellt, als sie a u f d i e d u r c h die „ N e u f a s s u n g des A b k o m m e n s zwischen d e n L ä n d e r n d e r B u n d e s r e p u b l i k zur V e r e i n h e i t l i c h u n g a u f d e m Gebiete des S c h u l w e s e n s " 8 9 v e r f ü g t e K ü r z u n g des G r i e c h i s c h - U n t e r r i c h t s 4 0 m i t e i n e m S t u r m d e r E n t r ü s t u n g r e a g i e r t e n 4 1 . I m m e r h i n i s t es diesbezüglich u. a. zu e i n e r G r o ß e n A n f r a g e i m L a n d t a g v o n R h e i n l a n d - P f a l z 4 2 gek o m m e n . H i e r v o n w i r d noch i n a n d e r e m Z u s a m m e n h a n g die Rede sein. Es i s t aber offensichtlich, daß E i n z e l e n t s c h e i d u n g e n i m innerschulischen B e r e i c h auch a u f a l l g e m e i n e r p o l i t i s c h e r Ebene b r i s a n t w e r d e n k ö n n e n . 4. Entscheidung als Auswahl E n t s c h e i d u n g e n i m Schulbereich k o m m t u m so größeres G e w i c h t zu, als i n e i n e m U n t e r r i c h t s s y s t e m n u r e i n m i n i m a l e r B r u c h t e i l aus d e r u n ü b e r s e h b a r e n F ü l l e „ c o d i e r t e r " 4 3 menschlicher W e l t e r f a h r u n g d a r g e b o t e n nen sich Veränderungen i n den Kräfteverhältnissen der geistigen Mächte u n d schwerwiegende geistige Entscheidungen ausdrücken, so etwa, w e n n i m G y m nasiallehrplan die Geschichte der A n t i k e aus der Prima verschwand u n d i n die Sekunda verlegt wurde, w e n n der lateinische Aufsatz entfiel, w e n n der n a t u r wissenschaftliche Unterricht durch alle Stufen hindurchgeführt w i r d u n d so fort." 39 V o m 24.10. 1964, sog. „Hamburger A b k o m m e n " ; das A b k o m m e n ist m e h r fach abgedruckt, so i n den Amtsblättern der Kultusministerien — vgl. A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n Rheinland-Pfalz, 1965, S. 113 ff. — u n d i n : Sammlung der Beschlüsse der Städigen Konferenz der K u l t u s m i n i ster der Länder i n der Bundesrepublik Deutschland, Loseblatt-Ausgabe,. Gruppe I I , Leitzahl 101; Leonhard Froese - Viktor von Blumenthal (Hrsg.), B i l dungspolitik u n d Bildungsreform, 1969, S. 327 ff.; K u l t u r p o l i t i k der Länder 1963 u n d 1964,1965, S. 44 ff. 40 I n § 13 c des Hamburger Abkommens heißt es: „Frühestens v o n der 9. Klasse ab k a n n eine dritte Fremdsprache gelehrt werden. F ü r Schüler, die das Reifezeugnis des altsprachlichen Schultyps erwerben wollen, beginnt der pflichtmäßige Griechisch-Unterricht i n der 9. Klasse." Dies bedeutet gegenüber der Regelung des § 10 Abs. 1 des „Abkommens zwischen den Ländern der B u n desrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens" v o m 17. 2. 1955 (sog. „Düsseldorfer Abkommen", T e x t i n : Sammlung . . . , Leitzahl 100; Froese-Blumenthal, Bildungspolitik, S. 307 ff.; u n d öfter) eine Verkürzung des Griechisch-Unterrichts u m 1 Jahr. I n § 10 Abs. 1 heißt es: „Das altsprachliche Gymnasium b e g i n n t . . . i m 8. Schuljahr m i t Griechisch." 41 Vgl. die Dokumentation „ E i n Jahr Griechisch weniger?", 1965 42 „Große Anfrage der F r a k t i o n der FDP betr. die neue Situation des Griechisch-Unterrichts an den altsprachlichen Gymnasien" v o m 31. 3. 1965, L a n d tag Rheinland-Pfalz, V. Wahlperiode, Drucksache I I , 404; vgl. die hieran sich anschließende Landtagsdebatte, Landtag Rheinland-Pfalz, V. Wahlperiode, Stenographischer Bericht über die 43. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am 1.6.1965, S. 1479 ff. 43 Kybernetischer Terminus aus: Karl Steinbuch, Falsch programmiert, Neudruck 1969, S. 40.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

werden kann, der sich überdies proportional den ständig wachsenden Informationsmassen verringert. Entscheidung kann daher nichts anderes sein als strengste Auswahl. (Wie eine derartige Entscheidung aussehen kann, zeigt ein — allerdings von der Sache her problematisches — Postulat Weinstocks u: „Also: Goethes Iphigenie und nicht Kleists Penthesilea, und nicht Wagner, Kant und nicht Nietzsche.") Die Didaktik rückt denn auch immer mehr vom Enzyklopädismus i m Unterrichtssystem ab und fordert die Reduktion der Unterrichtsgehalte auf das „Fundamentale, Elementare, Exemplarische" 45 . Ob hiermit einer rein pädagogischen Intention gefolgt oder mehr eine unumgängliche Notlösung angesichts der Informationsflut geschaffen w i r d und ob das Ideal wirklich „die unvoreingenommene Übermittlung des gesamten geistigen Erbgutes der Menschheit" wäre, wie Eckehart Stein 46 annimmt, mag hier dahinstehen; jedenfalls ist eines deutlich: je stärker die Tendenz oder der Zwang wird, schulische Gehalte auf das „Exemplarische" zu reduzieren, desto unabweisbarer und folgenreicher w i r d die selektive Entscheidung und desto anfälliger w i r d das Schulwesen für weltanschauliche Beeinflussung. 5. Der Lehr- oder Bildungsplan als Entscheidungsgefüge

Das Entscheidungssystem, das vom allgemein formulierten Bildungsziel über eine Fülle von Einzeldezisionen bis h i n zur Verteilung des konkretven Unterrichtsstoffes auf Wochenstunden führt, findet seine äußere 44 Heinrich Weinstock, Die abendländische Ordnung der deutschen Bildungsanstalten, 1947, S. 30. 45 Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, v o n der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (96). Vgl. auch Heinrich Weinstock, Realer Humanismus, 1955, S. 108: „ . . . so braucht die B i l d u n g der höheren Schule Gegenstände fundamentaler u n d radikaler, exemplarischer u n d repräsentativer sowie elementarer A r t . " u n d S. 115: „ . . . K a n o n der Sprachmeisterwerke v o n beispielhafter Bildungsmacht." Vgl. ferner Josef Derbolav, Das Exemplarische i m Bildungsraum des Gymnasiums, 1957. I n diesem Sinne auch die „Empfehlungen an die Unterrichtsverwaltungen der Länder zur didaktischen u n d methodischen Gestaltung der Oberstufe der Gymnasien i m Sinne der Saarbrücker Rahmenvereinbarung", Beschluß der Kultusministerkonferenz v o m 28./29. 9. 1961, Text i n : Sammlung . . . , Leitzahl 175.1; Froese-Blumenthal, Bildungspolitik, S. 322 ff. Wie sehr hierbei allerdings die Gefahr besteht, daß die Bildungsgüter zu bloßen Medien, zu „Anlässen" verflachen, w i r d deutlich bei Hartmut von Hentig, Systemzwang u n d Selbstbestimmung, 1968, S. 103 ff., 109. 46 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 50; ähnlich ders., Weltanschauung u n d Religion i m Schulunterricht, RdJ/RWS 1967, S. 31.

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M a n i f e s t a t i o n i m L e h r p l a n 4 7 . Je n a c h d e m G r a d des B e w u ß t s e i n s u n d d e r I n t e n t i o n , m i t der m a n Schule h ä l t , w i r d m a n s t a t t v o n „ L e h r p l a n " auch v o n „ B i l d u n g s p l a n " 4 8 sprechen. D e r L e h r p l a n ist nach Weniger 49 d i e „ K o d i f i k a t i o n des L e h r g e f ü g e s " ; seine A u f g a b e „ i s t die F e s t l e g u n g d e r B i l dungsziele u n d A u s w a h l u n d K o n z e n t r a t i o n , f r ü h e r sagte m a n des U n t e r richtsstoffes, h e u t e d e r B i l d u n g s g ü t e r oder der B i l d u n g s w e r t e " 5 0 . D e r L e h r p l a n als Entscheidungsgefüge i s t das z u „ k l e i n e r M ü n z e " ausgeprägte Bildungsideal. D e m B e g r i f f des L e h r p l a n s w o h n t eine F i n a l i t ä t i n n e : Es i s t d e r d i d a k tische W e g z u r E r r e i c h u n g des vorgesetzten pädagogischen Zieles, d e r B i l d u n g des Menschen, die z i e l b e w u ß t e s B e m ü h e n e r f o r d e r t . I n i h m s i n d die a u s g e w ä h l t e n B i l d u n g s g ü t e r i n e i n e n systematischen Z u s a m m e n h a n g g e t r e t e n u n d a u f e i n Z i e l h i n s t r u k t u r i e r t 5 1 . I m L e h r p l a n h a t sich die pädagogische Idee der Schule die O b j e k t i v a t i o n e n des Geistes d i e n s t b a r gemacht. So n i m m t es n i c h t w u n d e r , daß gerade die i m L e h r p l a n sich m a n i f e s t i e r e n d e p l a n m ä ß i g e T ä t i g k e i t z u r D e f i n i t i o n d e r Schule selbst herangezogen w o r d e n i s t : „ S c h u l e n . . . s i n d B i l d u n g s s t ä t t e n , i n d e n e n U n t e r r i c h t u n a b h ä n g i g v o m Wechsel der L e h r e r u n d Schüler nach e i n e m v o n d e r Schulaufsichtsbehörde . . . festgelegten L e h r p l a n e r t e i l t w i r d 5 2 . "

47 Z u m Lehrplan allgemein: Erich Weniger, D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1: Theorie der Bildungsinhalte u n d des Lehrplans, 4. A u f l . 1962; Josef Dolch, Lehrplan des Abendlandes, 2. A u f l . 1965; Georg Kerschensteiner, Betrachtungen zur Theorie des Lehrplans, 1899; Theodor Wilhelm, Theorie der Schule, 2. A u f l . 1969, S. 309 ff. 48 Hierzu kritisch: Dolch, a.a.O., S. 357; Ernst Topitsch, Zeitgenössische B i l dungspläne i n sprachkritischer Betrachtung, i n : Schule u n d Erziehung, 1960, S. 126. 49 a.a.O., S. 22; zu Weniger kritisch: Herwig Blankertz, Theorien u n d Modelle der D i d a k t i k , 1969, S. 117 ff.; Wolfgang Klafki, Erziehungswissenschaft 2, 1970, S. 74 ff. 50 Vgl. auch Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 24: „Die Aufgabe des Lehrplans liegt i n der Festlegung der Bildungsziele u n d der Stoffauswahl. Er gibt an, was i m U n t e r richt gelten soll u n d was nicht. E r dient der Kontrolle u n d der Erhaltung der Einheit der Schule u n d des Berechtigungswesens." 51 Vgl. Weniger, a.a.O., S. 66: „ I m Lehrplan liegt immer eine Entscheidung f ü r bestimmte Lösungen vor, die gegenüber der Vielseitigkeit der Aufgaben u n d Lösungsversuche, die auch dann bleiben müssen, ein überhöhendes Gemeinsames angibt. Der Ausdruck dieser Entscheidung f ü r ein Gemeinsames ist das Bildungsideal, das die Einheit angibt, unter der alle Gehalte begriffen w e r den. V o n diesem Ideal aus w i r d der Zusammenhang der K r ä f t e i n der B i l dungsarbeit ständig geregelt. Die Gliederung der Bildungsmächte u n d als i h r äußeres Zeichen die Ordnung der Fächer u n d Stoffe i m Unterricht erfolgt v o n diesem Ideal aus, das auf die Aufgabe bezogen ist, nach rückwärts." 52 § 1 des Schulverwaltungsgesetzes Nordrhein-Westfalen v o m 3. 6. 1958, GVB1. Nordrhein-Westfalen 1958, S. 241: ähnlich M . von Brauchitsch - Bill Drews - Gerhard Lassar, Verwaltungsgesetze f ü r Preußen, Bd. 6, 1. Hbbd., 1933, S. 6: „Schule ist jede . . . Einrichtung zu planmäßiger Unterweisung i n bestimmten überlieferten Formen v o n Organisation, Lehrmethode u n d Ziel-

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens 6. Der gesellschaftliche Bezug des Lehrplans

Der Lehrplan führt nun allerdings kein isoliertes pädagogisches Eigendasein. Er hat vielmehr seinen Ort auch i n Staat und Gesellschaft. Da seine Inhalte i m Prinzip zur Disposition stehen und zur Entscheidung h i n offen sind, und da er aber bestimmt, was i m Unterricht gelten soll, „muß jeder Faktor des geistigen Lebens, jede Gruppe der Gesellschaft, jede Anschauung, die dauernd und i n der Breite auf die Jugend innerhalb von Lehre und Schule wirken w i l l , versuchen, Anerkennung und Stellung i n den geltenden Lehrplänen zu erhalten . . . Der Kampf u m den Lehrplan i s t . . . ein Kampf geistiger Mächte, und wie es heute i m Geistigen keine einseitigen Machtentscheidungen mehr geben kann, so ist das Ringen u m den Lehrplan ein Ringen u m die Lagerung der Kräfte i n Schule und Lehre, die den jeweiligen Machtverhältnissen der an der Schule beteiligten Faktoren entspricht. Ist ein Lehrplan ,richtig', so drückt er nach der Seite der Welt die Lagerung der Kräfte bei den an der Bildung beteiligten Faktoren aus und zugleich nach der Seite der Unterrichtspraxis den Grad von institutioneller und rationaler Verfügbarkeit von Bildungsinhalten durch vorschreibende und anleitende Ordnungen" 5 3 . Diesen Ausführungen Wenigers ist nichts hinzuzufügen. 7. Der „Staat" als Träger der Entscheidung

Als Ergebnis der bisherigen Überlegungen läßt sich formulieren: Schule-halten ist wesentlich Entscheidung über die Bildungsinhalte. Es ist nun an der Zeit, nach diesem zwar sporadischen, aber doch insoweit fruchtbaren Exkurs i n die Erziehungswissenschaft zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dort war konstatiert worden: Der Staat hält Schule. Das kann jetzt präzisiert werden: Es ist der Staat, dem die Entscheidungsmacht über die schulischen Inhalte zufällt. Die Entscheidungsmacht fällt dem Staate insoweit zu, als er selbst als Schulträger fungiert. So ist denn auch die umgekehrte Formulierung möglich, die Flindt 54 zur Definition der öffentlichen Schule überhaupt heranzieht, nämlich „daß unter öffentlicher Schule diejenige zu verstehen ist, bei welcher die Unterrichtsangelegenheiten zur Disposition des Staasetzung." A u f „planmäßige" Tätigkeit stellen ferner ab: Erich Weniger, Stichw o r t „Schule", i n : L e x i k o n der Pädagogik, I V . Bd. Freiburg (Br.) 1955, Sp. 71 ff. (72); Franz Xaver Eggersdorf er, „Lehrplan", ibid., I I I . Bd., 1954, Sp. 266 ff. (266); Hans Heckel, Schulverwaltung, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis, I I . Bd., 1957, S. 110 ff. (114); u. a. 53 Erich Weniger, a.a.O., S. 22/23; z. T. w ö r t l i c h übernommen von Campenhausen, a.a.O., S. 25. 54 Günther Flindt, Uber die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, DÖV 1960, S. 885 ff. (1886).

I I I . Merkmale staatlichen Schule-haltens

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tes (der Schulaufsicht) stehen, d. h., bei welcher dem Staat (der Schulaufsicht) das Recht zusteht, i n Unterrichtsangelegenheiten wie i n eigenen Angelegenheiten zu bestimmen". Da das Schulwesen i n der Hand des Staates nahezu monopolisiert ist, hat diese Tatsache weitreichende Bedeutung. Sie ist der eigentliche Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit. Die schulinternen Entscheidungen t r i f f t nun nicht ein abstraktes A n onymon „Staat", sondern sie werden i n concreto getroffen von indivualisierbaren Menschen, wie denn überhaupt „Staat" nur durch konkret tätige Menschen w i r k t 5 5 . Denn ohne daß hier eine Begriffsbestimmung von „Staat" auch nur versucht werden kann, läßt sich „Staat" immerhin begreifen als Organisationsprinzip menschlicher Tätigkeit für umgreifende Gemeinschaftsaufgaben und als Zuordnungssubjekt für eben diese Tätigkeit; dem „Staate" w i r d zugeordnet, was bestimmte hierzu i n förmlichem und d. h. rechtlichem Verfahren berufene Menschen i n einem wiederum förmlich definierten Verfahren beschließen und tun. Diese Verfahrensformen und Organisationszusammenhänge haben sich zu verfassungsrechtlichen Institutionen wie „Gesetzgebung" und „Verwaltung" verdichtet. I h r Verfahren ist Bedingung und ausschließlicher Zuordnungsgrund dafür, daß Willensakte individueller Menschen dem Staate zugerechnet werden. Weniger theoretisch heißt dies für das Unterrichtswesen: Die dem Schule-halten immanenten Entscheidungen werden i m Rahmen der Verwaltung von den Beamten der Kultusministerien und den Lehrern, i m Rahmen der Gesetzgebung von den Abgeordneten gefällt, und eben dadurch werden sie zu Entscheidungen des Staates. I I I . Merkmale staatlichen Schule-haltens M i t den soeben gemachten Formulierungen könnte der Weg zu einer staatswissenschaftlichen Betrachtung einerseits und zu einer soziologischen Betrachtung andererseits eingeschlagen sein. Er soll und kann jedoch hier nicht weiter verfolgt werden. Eine juristische Betrachtung darf sich — wenigstens vorerst noch — m i t dem „Staat" als abstraktem Zuordnungssubjekt und juristischer Person begnügen; es w i r d daher auch i m folgenden nur vom „Staat" die Rede sein. Gleichwohl soll die mehr empirische — wenn auch kritisch reflektierende — Bestandsaufnahme noch fortgesetzt werden. Denn bislang war nur von der pädagogischen Seite des Schulwesens die Rede, die ja durch die Staatlichkeit des Schulwesens nicht konstituiert wird. Denn wer auch 55 Vgl. Ernst-Wolfgang 1958, S. 247.

3 Hennecke

Böckenförde,

Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt,

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

immer Schule hält, stößt auf das Problem der Bildung und kann einer Entscheidung nicht ausweichen. Es bleibt aber zu untersuchen, welche spezifischen Merkmale das Schulwesen gerade deswegen annimmt, weil es vom Staate veranstaltet, i n seinen Inhalten bestimmt und umfassend organisiert wird. 1. Selbstdarstellung des Staates im Lehrplan

Ein erstes dieser Merkmale hat Erich Weniger herausgearbeitet: Ist bei einem nichtstaatlichen Schulsystem der Staat eine Bildungsmacht neben anderen, so w i r d das staatliche Schulwesen darüber hinaus zu einem Medium der Selbstdarstellung des Staates selbst: „Der Staat ist sich i n der Schule gleichsam zweimal gegeben: einmal als Macht neben anderen Mächten, die u m Wirkung und Nachwuchs r i n g e n . . . Zugleich ist er als Erziehungsstaat die Schule selbst und diese eigentümliche Ordnung der Bildungszusammenhänge: diese sind die Form der Existenz des Staates i m Felde der Erziehung 5 6 ." Und: „Der Staat versucht also seine innere Form innerhalb des Kultursystems von Schule und Bildung zur Darstellung zu bringen, und der begriffliche Niederschlag davon, Ausdruck und Anweisung zugleich, ist der Lehrplan 5 7 ." 2. Die Staatsschule im Spannungsfeld von Individualinteresse und Allgemeininteresse

Die Schule als Staatsschule steht i m Spannungsfeld der Antinomie von Individualinteresse und Allgemeininteresse. Die Staatsschule ist der Ort, wo diese Antinomie ausgetragen w i r d und versöhnt werden kann. I n ihr w i r d das Besondere zum Allgemeinen h i n geöffnet und das Allgemeine zum Besonderen hin konkretisiert. Denn die Schule w i r d von einer unbegrenzten Zahl von Individuen besucht, die alle bestimmte Vorstellungen davon mitbringen, was die Schule ihnen zu bieten habe, und die so die verschiedensten Bildungsbedürfnisse repräsentieren. A u f diese Summe der Bildungsbedürfnisse muß die Staatsschule eine A n t w o r t finden. Diese Antwort kann sie nur — und hier liegt das Spezifikum des Staatsschulwesens — aus dem Staatszweck entnehmen: Die Staatsschule ist dem Staatszweck unterworfen. Der Staat aber verfolgt das objektive Allgemeininteresse; i m Staatszweck ist das Allgemeine präsent. Je inhaltlicher ein Staatszweck definiert ist, desto mehr sucht er sich i m Bildungswesen zur Geltung zu bringen. Dies geschieht dadurch, daß das 56 D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1: Theorie der Bildungsinhalte u n d des Lehrplans, 4. A u f l . 1962, S. 62/63. 57 a.a.O., S. 34.

I I I . Merkmale staatlichen Schule-haltens

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„Allgemeininteresse" die nur als Summe präsenten Individualinteressen i n der Schule durch Fixierung von Unterrichtsinhalten, die seinem B i l d entsprechen, verdrängt und beschneidet und auf das Allgemeine h i n umformt. Je formaler aber der Staatszweck verstanden wird, desto „freier" w i r d das Schulwesen sein: Die Chance der Erfüllung individueller Wünsche und Bedürfnisse erhöht sich. Die Schule w i r d zu einer umfassenden Organisation zur Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse. Es ist deutlich, daß die erste Alternative zum Totalitarismus, die zweite zum Liberalismus tendiert. Es wäre nun aber etwas voreilig, sich m i t dem Postulat zufrieden zu geben, daß das Schulwesen i n einem freiheitlichdemokratischen Staat, dessen Zweck gewiß inhaltlich nur i n geringem Umfange definiert ist, zur zweiten Alternative hinneigen müßte. Denn auch der freiheitlich-demokratische Staat trägt i n sich eben das Prinzip des Staates, nämlich die Tendenz zur Verwirklichung des objektiven A l l gemeinwohles, zu dessen Erkenntnis und Realisierung die verfassungsmäßigen Organe berufen sind. Auch der Staat des Grundgesetzes ist nicht ausschließlich Funktion gesellschaftlicher Wünsche und Bedürfnisse; er bringt vielmehr das i m Wege demokratischer Willensbildung „erkannte" objektive Interesse durch unzählige Steuerbescheide, Polizeiverfügungen, Gestellungsbefehle und auch durch die allgemeine Schulpflicht tagtäglich zur Geltung. Daher braucht auch das Schulwesen i m freiheitlich-demokratischen Staat nicht nur Funktion eines gesellschaftlichen Bedürfnisses, nicht nur Erfüllung gesellschaftlicher Nachfrage zu sein; vielmehr sind die verfassungsmäßigen Organe kraft ihrer politischen Verantwortung sogar berufen, das objektive Interesse der Gesamtgesellschaft i n der Schule — sei es durch ein bestimmtes Bildungsideal, sei es durch spezifische volkswirtschaftlich für erforderlich befundene Unterrichtsfächer und Prüfungsordnungen — zur Geltung zu bringen. Diese Antinomie zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft und dem Prinzip des Staates 58 , i n die die Schule mitten hineingestellt ist, scheint i n der Literatur und auch i n der Bildungspolitik kaum reflektiert zu werden 5 9 , und am wenigsten von denjenigen bildungspolitischen Äuße68 Es soll hier nicht der w o h l überwundene Dualismus v o n „Staat" u n d „Gesellschaft" wieder zu neuem Leben erweckt werden; jedenfalls nicht i n dem Sinne, als ob dieser Dualismus wie etwa i m 19. Jahrhundert noch i n historischer V e r w i r k l i c h u n g bestünde. Das ändert aber nichts daran, daß dieser Dualismus immanent immer vorhanden ist u n d idealtypisch dargestellt w e r den kann. 59 Otto Woodtli (Bildung u n d Zeitgeist, 1959) macht den analogen Versuch, das Bildungswesen als i n einem Antagonismus stehend systematisch darzustellen; er spricht v o n einem Antagonismus zwischen der „adaptativen" u n d der „humanistischen" Pädagogik u n d erweist aber eben hierdurch, daß sich

3*

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

rungen, die ein Schulsystem allein vom gesellschaftlichen Bedürfnis her konzipieren wollen 6 0 . Denn derartige Auffassungen lassen die oft beschworene Verantwortung des Staates gerade auf dem entscheidensten Gebiete außer Betracht und huldigen einer aus marktwirtschaftlichem Denken entlehnten, aber i m Bildungswesen keineswegs erwiesenen prästabilisierten Harmonie zwischen dem objektiven Allgemeinwohl und der Summe gesellschaftlichen Tuns. U m dies am konkreten Beispiel zu zeigen: Die Nachfrage nach einem Angebot an Soziologie, Politologie und verwandten Fächern (es könnten auch beliebige andere sein) an den Hochschulen ist derzeit groß; andererseits aber entspricht dieser Nachfrage nach einem speziellen Bildungsangebot eine i m Verhältnis hierzu nur geringe volkswirtschaftliche Nachfrage nach entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften. Soll nun der Staat die Lehrstühle, Studienplätze etc. i n den genannten Fachgebieten vermehren, u m die gesellschaftliche Bildungsnachfrage zu erfüllen, i m Vertrauen darauf, daß eine autonome Gesellschaft die gestörte Harmonie wieder herstellen wird, oder aber wäre es illegitim, wenn eine Regierung i m Bewußtsein ihrer Verantwortung von der Gesamtgesellschaft die spezielle Bildungsnachfrage zu steuern versuchte 61 ? Daß eine Regierung für ihre Entscheidungen immer das Allgemeininteresse i n Anspruch nehmen wird, ändert nichts an der hier aufgezeigten prinzipiellen Antinomie. Denn indem die Regierungsentscheidung sich i n der politischen Auseinandersetzung behaupten und verantworten muß, beweist dies nur, wie u m die Ortsbestimmung der Schule innerhalb dieses antinomischen Spannungsfeldes permanent gerungen werden muß.

diese seine A n t i n o m i e n u r i m innerpädagogischen Bereich abspielt u n d m i t der hier beschriebenen nichts zu t u n hat. Eckehart Stein (Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967) spricht allerdings v o n einem „autonomen" u n d einem „heteronomen" Schulsystem, sieht hierin aber lediglich Alternativen, diese aber w o h l nicht als Ausdruck der m i t dem Staatsschulwesen gegebenen antagonistischen Spannung (S. 51). 60 Hierzu ebenfalls kritisch: Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 26 u n d 58; Werner Heldmann, Bemerkungen zu I n h a l t u n d A u f b a u des B i l dungswesens, RWS 1961, S. 1 ff. (2); beide sehen das Problem jedoch unter anderem Aspekt, indem sie f ü r die Schule einen pädagogischen Autonomiebereich gegenüber gesellschaftlichen Ansprüchen retten wollen. 61 Vgl. auch Gabriele Wülker, Sozialgesetzgebung u n d Bildungsanspruch, i n : B i l d u n g u n d Sozialordnung, 1959, S. 37 ff. (40): „ . . . ist zu bedenken, daß der einzelne Jugendliche sein Recht auf B i l d u n g n u r i m Rahmen des Gesamtwohles aller Bürger v e r w i r k l i c h t erhalten kann. V o n daher u n d nicht allein v o n seiner persönlichen Situation aus bestimmt sich das Maß der bereitstehenden Mittel, u n d v o n daher müßte letztlich auch Einhalt geboten werden, w e n n eine zu große Z a h l v o n Jugendlichen — auf öffentliche Kosten — i n Berufe drängte, die nicht i n den Rahmen unserer Wirtschafts- u n d Sozialstruktur passen."

I I I . Merkmale staatlichen Schule-haltens

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Daß dies nicht ohne politische Auseinandersetzungen abgehen kann, liegt auf der Hand. Zwei abschließende Beispiele mögen dies veranschaulichen. Erwähnt worden ist bereits das „Hamburger Abkommen" 6 2 , das eine Reduzierung des herkömmlichen altsprachlichen Gymnasiums zum Inhalt hat, die damit begründet wird, i m Interesse einer allgemeinen Durchlässigkeit aller Gymnasialtypen könne der Griechisch-Unterricht erst i m neunten Schuljahr beginnen. Dieses „Hamburger Abkommen" ist insbesondere i n Rheinland-Pfalz auf heftigen Widerstand seitens gesellschaftlicher Kräfte gestoßen 63 . Von einem ähnlichen Fall i n Hessen berichtet ausführlich Friedrich Minssen 64. Hier hatte die Elternschaft auf Grund von A r t . 56 Abs. 6 Verf. Hessen eine Verfassungsklage angestrengt 65 . I n Baden-Württemberg hat sich das Kultusministerium jüngst den Zorn der Elternschaft zugezogen, als es i n der Oberstufe wiederum der altsprachlichen Gymnasien — es scheint, als entwickelte sich dieser Gymnasialtyp zum Modellfall der schulpolitischen Diskussion — i m Interesse der Naturwissenschaften den Englisch-Unterricht strich 66 . 3. Die Schule als „Gemeinschaftskompromiß"

Bislang war von der theoretischen Antithese Staat—Gesellschaft und von der Stellung der Schule i n diesem Spannungsfeld die Rede. Ein anderes Spezifikum staatlichen Schule-haltens ist i m Verhältnis der Schulbesucher untereinander begründet. Es ist allerdings einzuräumen, daß das jetzt zu beschreibende Problem dem Staatsschulwesen nicht essentiell innewohnt, sondern nur akzidentiell hinzutritt: Es hat seinen Grund i n der umfassenden Großorganisation des Schulwesens i n einer pluralistischen Gesellschaft, einer Großorganisation, die allerdings nur der Staat i n vollem Umfange zu leisten vermag. Die Einheit und relative Einheitlichkeit des Schulwesens ist i n der modernen Leistungsgesellschaft unerläßlich; sie scheint i n der Bundesrepublik Deutschland wenigstens auf Landesebene einigermaßen ver62

s. o. A n m . 39. Vgl. die Dokumentation „ E i n Jahr Griechisch weniger?", 1965, S. 18 f.; vgl. auch oben A n m . 42. 64 Schulbehörden, Lehrerschaft u n d Elternbeiräte v o r dem Problem der Schulreform, i n : Frankfurter Hefte, 1959, S. 483 ff. 65 Vgl. das hierauf ergangene U r t e i l des Hessischen Staatsgerichtshofes v o m 8. 3. 1958, i n : Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, S. 311 ff. ( = DÖV 1958, S. 462 ff.). 66 Die Lokalpresse hat hierüber berichtet; vgl. f ü r die Stadt Mannheim die Tageszeitung „Mannheimer Morgen", v o m 14. 7. 1969, S. 5, v o m 19. 7. 1969 u n d v o m 23. 7.1969, S. 5. 63

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

wirklicht. Einheitlichkeit aber bedeutet, daß die Bevölkerung eines bestimmten Gebietes, zum Beispiel eines Bundeslandes, von einem einheitlichen Schulsystem erfaßt wird. Die konkrete Organisation eines Unterrichtssystems erfordert, wie ausgeführt, materielle Entscheidungen über die Bildungsinhalte. A l l e diese Entscheidungen wurzeln letztlich i n weltanschaulichen Überzeugungen und orientieren sich, je konkreter sie sich i n Lehrplänen vereinzeln, auch an politischen Vorstellungen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. N u n ist aber die Gesamtzahl der „Schulbenutzer" weder i n ihrer weltanschaulichen Haltung noch ihrer politischen Einstellung noch i n ihren individuellen Wunschvorstellungen homogen. Andererseits müssen sich alle Gruppen i n einem Schulsystem zusammenfinden. Diese Integration aller gesellschaftlichen Gruppen i n einer Organisation kann nur i m gegenseitigen Nachgeben und i n gegenseitiger Toleranz, d. h. durch den Kompromiß, gelöst werden. (Wer zu diesem Kompromiß nicht bereit ist, ist auf die Privatschule verwiesen; i m übrigen können unbefriedigende Härten eines Kompromisses durch eine Vielfalt der Schultypen und Fächerangebote aufgefangen werden.) Indem aber eine Grundordnung einer alle Bevölkerungsgruppen umfassenden Schule und deren Lehrplan nur i m Wege des Kompromisses geschaffen werden kann, erhebt sich die Frage, i n welcher Weise dieser Kompromiß zustandekommt und zustande kommen soll. M i t anderen Worten: Es ergibt sich das Problem der Willensbildung i n der Schulorganisation. Daß eine derartige Willensbildung nur i n demokratischen Formen vonstatten gehen darf, steht außer Zweifel. Es w i r d hieran deutlich, wie die crux des modernen Staates, nur durch inhaltliche Entscheidungen überhaupt da sein zu können, aber immer weltanschaulich neutral bleiben zu müssen, i m Schulwesen ihre genaue Parallele findet 67. Wie die i n Verfassung und Recht manifeste Grundordnung des Staates, i n dem alle divergierenden gesellschaftlichen Gruppen integriert werden müssen, i m Wege des demokratischen Verfahrens zur Willensbildung jeweils erneut bestätigt, aktualisiert und bestimmt wird, so ist die Schule ebenfalls Stätte demokratischer Begegnung 68 und ein Kampfplatz, auf dem die Geistesmächte sich messen können 6 9 . Das Schul67 Vgl. Karl Rothenbücher, Aufgaben u n d Grenzen des Staates i m Bereich des Bildungswesens, i n : Aufgaben u n d Grenzen der Staatstätigkeit i m Bildungswesen der Gegenwart, hrsg. v o n Georg Ried, 1931, S. 3 ff. (25): „ A u f der einen Seite der Satz, daß die Inhaber der Staatsgewalt nicht berechtigt sind, die V e r fügung über staatliche M i t t e l zur privilegierten Verbreitung ihrer W e l t anschauung zu benutzen — u n d auf der anderen Seite die Tatsache, daß i n den Bildungseinrichtungen . . . eine Stellungnahme zu W e l t - u n d Wertanschauungen nicht umgangen werden kann." 68 Ä h n l i c h auch Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage, 1966, S. 228. 69 Fritz Blättner, Das Gymnasium, 1960, S. 301.

I V . Die Effizienz inhaltlicher Entscheidungen i n der Staatsschule

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wesen w i r d sich dem Modell des demokratischen Staates nicht entziehen können. Denn innerhalb des Staates ist der Sozialkörper „Schule" die bedeutendste Form des „Gemeinschaftskompromisses". IV. Die Effizienz inhaltlicher Entscheidungen in der Staatsschule M i t den letzten Äußerungen drohte der augenblickliche systematische Stand der Erörterung verlassen zu werden; es gilt daher, zu der Bestandsaufnahme über das Staatsschulwesen zurückzukehren. 1. Die Effizienz staatlicher Schulentscheidungen

Fragt man nach der Effizienz inhaltlicher Schulentscheidungen des Staates, so läßt sich vorerst ebenso allgemein wie schlicht formulieren: Die festgelegten Inhalte gewinnen Geltung. a) U m die verordneten Inhalte wirksam werden zu lassen, stehen der staatlichen Schule verschiedene M i t t e l zu Gebote. aa) Unter diesen Mitteln zur Durchsetzung inhaltlicher Entscheidungen steht das Prüfungswesen an hervorragender Stelle. Denn Prüfungen vermitteln Berechtigungen; ihr Bestehen ist Voraussetzung vorerst zum weiterführenden Besuch der Bildungsanstalten und letztlich zur Berufsausübung. I n der Prüfung stellt der Proband unter Beweis, daß er den Stoff, der i n der vorhergehenden Schulzeit angeboten worden ist, i n sich aufgenommen hat. Das Stoffangebot selbst aber w i r d wie die Prüfungsanforderungen vom Staate bestimmt. Das Prüfungswesen stellt sich, indem es qualifizierte Bildungsabschlüsse vermittelt, die zur Berufsausübung berechtigen, von der gesellschaftlichen Seite her gesehen als Berechtigungswesen dar. Die qualifizierten Bildungsabschlüsse gewinnen für ihren Absolventen i n der Industriegesellschaft den Charakter einer „verkehrswesentlichen Eigenschaft" und einen Handelswert. A u f die mannigfache K r i t i k am Berechtigungswesen 70 braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden; denn diese K r i t i k leugnet die hier 70 Vgl. etwa Helmut Schelsky, Anpassung oder Widerstand?, 1961, S. 80 f.; Gerhard Priesemann, Unsere Schulen, 1966, S. 12 f.; die K r i t i k v o n Günther Böhmen (Bildung u n d Prüfung, RWS 1961, S. 134 ff., 176 ff. (176)), der die U n möglichkeit, „ B i l d u n g " abzufragen, herausstellt, k o m m t aus dem pädagogischen Bereich; ebenso diejenige von Horst Rumpf, Die Misere der Höheren Schule, 1966, S. 45 f. Rumpf spricht v o n der „Kommerzialisierung des Schülerbewußtseins" (S. 45), das den Bildungswillen korrumpiere; als Beispiel f ü h r t er folgende Äußerung eines Schülers an: „ I c h w i l l n i x lernen, ich w i l l ' s A b i t u r . " (S. 45); vgl. auch ders., Die administrative Verstörung der Schule, 1966, S. 21.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

allein relevanten Tatsachen nicht, sondern setzt sie umgekehrt als A n griffsziel voraus, das es zu bekämpfen gilt. Hier jedenfalls kann festgestellt werden: Das Berechtigungswesen ist die Grundsäule staatlicher Macht i m Bildungswesen. bb) Das Prüfungswesen bedient sich, u m bestimmte schulische Inhalte zur Geltung zu bringen, eines einfachen technischen Kunstgriffes: der Koppelung verschiedener Unterrichtsfächer. Wer das Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums erwerben w i l l , kommt keinesfalls umhin, sich m i t den Fächern Deutsch, Mathematik und Geschichte zu befassen. Wer sich für grundständiges Latein ab Sexta entschieden hatte, befand sich bislang i n der Einbahnstraße des altsprachlichen Gymnasiums und konnte daher zwei weiteren Pflichtfremdsprachen nicht ausweichen. Wer das eine Fach w i l l oder den einen Schultyp besucht, muß andere Fächer zusätzlich i n Kauf nehmen, u m die Schule m i t Erfolg absolvieren zu können. (Im Hochschulbereich liegt es i m übrigen ähnlich; die akademischen Prüfungsordnungen schreiben i n den jeweiligen Fachgebieten für gut befundene Inhalte — wie etwa das Philosophicum oder das Hebraicum oder die Digestenexegese — vor, die der Examinand sich erarbeitet haben muß.) cc) Die staatlich verordneten Inhalte werden um so unausweichlicher, als eine acht- bis zehnjährige allgemeine Schulpflicht und eine Pflicht zum anschließenden Besuch der Berufsschule besteht. Ob darüber hinaus der Besuch weiterführender Schulen noch als „freiwillig" qualifiziert werden kann, ist mehr als fraglich, soll aber an anderer Stelle noch zur Sprache kommen. dd) Ein spezieller Fall der staatlichen Einwirkung ist auch die Genehmigung von Schulbüchern, die sich die Kultusministerien, soweit die Bücher zum Gebrauch i n den Schulen i n Betracht kommen, vorbehalten haben. ee) Ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung materieller Entscheidungen, die das Kultusministerium gefällt hat, ist der Beamtenstatus der Lehrer und ihre Weisungsgebundenheit 71 , i n der nach dem positiven Recht keine „pädagogische Freiheit" 7 2 — etwa analog der des Richters 73 — ausgegrenzt ist. 71

Vgl. hierzu Günther Flindt, Uber die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, DÖV 1960, S. 885 ff. (889). 72 die vielfach gefordert w i r d ; vgl. vorerst Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, v o n der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (141); Claus-Wilhelm Hoffmann, Freiheit u n d Erziehung, RWS 1961, S. 325 ff.; kritisch: Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 193 ff.; ders. Pädagogische Freiheit u n d Gehorsamspflicht des Lehrers, Z B R 1957, S. 217 ff.; Theodor Maunz, Die Freiheit des Lehrers, i n : Freiheit i n Erziehung, 1956, S. 125 ff. 73 Vgl. hierzu etwa Fritz Werner, Die Schule, ein Sorgenkind der Juristen —

I V . Die Effizienz inhaltlicher Entscheidungen i n der Staatsschule

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b) Alle staatlichen Bemühungen aber, Bildungswerte zu vermitteln, würden sich als Schlag ins Wasser erweisen, gäbe es nicht zwei Gründe, die es dem Staatsbürger unmöglich machen, sich dem staatlichen Schulwesen zu entziehen. Da ist zum einen das bereits beschriebene staatliche Schulmonopol, und zum anderen w i l l und kann der Staatsbürger gerade i n der mobilen und offenen Leistungsgesellschaft auf die i n eben diesem Schulwesen erworbenen Leistungsnachweise und Qualifikationen nicht verzichten. Denn das Schulwesen ist das entscheidende M i t t e l für die Selbstdarstellung und Selbstenfaltung des Individuums und für seine soziale Chance und Stellung. I n einer schichtenunspezifischen und hochmobilen Gesellschaft erfolgt nach Schelsky 74 die „einzige soziale Zuweisungs-Chance durch Berufsqualifikationen", und „ i n einer solchen Gesellschaft w i r d die Schule sehr leicht zur ersten und damit entscheidenden zentralen sozialen Dirigierungsstelle für die künftige soziale Sicherheit, für den künftigen sozialen Rang und für das Ausmaß k ü n f t i ger Konsummöglichkeiten, w e i l sowohl die Wünsche des sozialen A u f stiegs wie der Bewahrung eines sozialen Ranges primär über die durch die Schulausbildung vermittelte Chance jeweils höherer Berufsausbildung und Berufseintritte gehen". Indem so der staatlichen Schule die „Rolle einer bürokratischen Zuteilungsapparatur von Lebenschancen" 75 zukommt, w i l l und kann es sich niemand entgehen lassen, bei dieser Güterverteilung sein Glück zu suchen. Daß das staatliche Schulwesen hierbei wie eine „soziale Siebtrommel" 7 6 w i r k t und manchen unverhofft i n die unteren Ränge verweist, zeigt auch für den an dieser Stelle an sich noch nicht interessierenden Individualbereich, welch ungeheure Macht i m staatlichen Schulwesen verkörpert ist. c) Es gibt indes i n neuerer Zeit Durchbrechungen der strikten Geltung staatlich verordneter Inhalte. Derartige Durchbrechungen bestehen darin, daß man das Fächerangebot verbreitert und individuelle Ausweichmöglichkeiten aus dem bisherigen Systemzwang eröffnet. Alle Bemühungen, das herkömmliche Typenschema des Gymnasiums (altsprachliches, neusprachliches, mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium) zu erweitern, aufzulockern und durchlässig zu machen, zielen i n diese Richdas Schulrecht, ein Sorgenkind der Lehrer, i n : Schulverwaltungsblatt f ü r Niedersachsen, 1960, S. 17 ff. (18). 74 Helmut Schelsky, Schule u n d Erziehung i n der industriellen Gesellschaft, 6. A u f l . 1967, S. 17; vgl. auch Hans-Heinrich Plickat, Die Schule als Instrument des sozialen Aufstiegs, 1959; Hans Wenke, Die Schule vor den Anforderungen unserer Zeit, i n : Ruperto Carola, 1960, S. 74 ff.; Manfred Abelein, Recht auf Bildung, DÖV 1967, S. 375 ff.; Fritz Werner, Z u r Lage des Schulverwaltungsrechts, D Ö V 1958, S. 433 f.; Urs Jaeggi, Macht u n d Herrschaft i n der Bundesrepublik, 3. A u f l . 1970, S. 158 ff. 75 Schelsky, a.a.O., S. 18. 76 Plickat, a.a.O., S. 79.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

tung. Auch die Fülle der Schulversuche, die Schaffung neuer Schultypen u n d die Ermöglichung freier Fächerkombinationen i n der Oberstufe der Höheren Schulen w i r k e n sich als Durchbrechungen der Geltungsmacht engumgrenzter Gehalte aus. A n dieser Stelle m i t konkreten Beispielen aufzuwarten, würde angesichts der gegenwärtig aktuellen Diskussion, auf die insoweit verwiesen werden kann, ins Uferlose führen. Es sei lediglich für das L a n d Hessen auf einen Bericht von Walter Fröhder 77 hingewiesen, wonach „mehr als tausend Fächergruppen für hessische Schüler" frei stünden. Besonderer Erwähnung bedarf auch eine zwar etwas am Rande liegende, aber doch sehr bemerkenswerte Regelung i n der Reifeprüfungsordnung der Freien u n d Hansestadt H a m b u r g 7 8 . Es heißt dort: „3.61. Schüler, die sich über den Unterricht der beiden letzten Klassen hinaus besondere Kenntnisse i n einem speziellen Fachgebiet erworben haben, können sich zu einer Prüfung i m Wahlgebiet melden." „3.62. A l s Wahlgebiete können Spezialgebiete wissenschaftlicher, künstlerischer oder technischer Disziplinen gewählt werden. Die Beschäftigung m i t solchen Gebieten k a n n i n freiwilligen Arbeitsgemeinschaften oder auch selbständig erfolgt sein." „3.66. Das Prüfungsergebnis i m Wahlgebiet w i r d i m Reifezeugnis... m i t einer Note eingetragen. Es kann zum Ausgleich herangezogen w e r den." Eine derartigen Hereinnahme privater I n i t i a t i v e i n eine staatliche Prüfungsordnung dürfte unter den Prüfungsordnungen der Bundesländer der Ruhm zukommen, einmalig zu sein. 2. Staat und Erziehung

A u f keinem Gebiet ist die W i r k u n g staatlichen Schule-haltens so einschneidend w i e auf dem Gebiet der Erziehung. Denn Erziehung geht den ganzen Menschen an u n d berührt letztlich die religiösen Überzeugungen. Aus diesem Grunde ist die staatliche Schule, insofern sie erzieherisch w i r k t , Gegenstand heftigster u n d noch unabsehbarer Auseinandersetzungen. Denn w o es u m den Menschen schlechthin geht, sind die Kirchen u n d die Eltern auf den Plan gerufen. „Erziehung durch den Staat" kann i n concreto n u r bedeuten, daß die beamteten Erzieher als Staatsdiener i n einem bestimmten „Geiste" w i r 77 Mehr als tausend Fächergruppen f ü r hessische Schüler, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.7.1969, S. 6. 78 Mitteilungsblatt der Schulbehörde der Freien u n d Hansestadt Hamburg, 1969, S. 41 ff.

I V . Die Effizienz inhaltlicher Entscheidungen i n der Staatsschule

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k e n . E i n d e r a r t i g e r Geist aber ist i n F o r m k o n k r e t e r U n t e r r i c h t s g e h a l t e k a u m f a ß b a r ; er u m g r e i f t u n d gestaltet die G e s a m t h e i t des U n t e r r i c h t s , ohne sich i n k o n k r e t e n G e h a l t e n zu v e r e i n z e l n . Dies h a b e n die k a t h o lischen K u l t u r p o l i t i k e r u n d die V e r f e c h t e r des E l t e r n r e c h t e s durchaus z u t r e f f e n d e r k a n n t , i n d e m sie a n der Konfessionsschule f e s t h a l t e n 7 9 oder — b e i d e r e n p o l i t i s c h e r U n h a l t b a r k e i t — z u r P r i v a t i s i e r u n g des S c h u l wesens t e n d i e r e n 8 0 . A m ehesten i s t E r z i e h u n g d u r c h d e n S t a a t i n d e m Schulfach „ P o l i t i s c h e G e m e i n s c h a f t s k u n d e " oder „ S t a a t s b ü r g e r l i c h e E r z i e h u n g " 8 1 z u fassen, w i e d e n n auch Pöggeler 62 m e i n t : „ W e n n es i r g e n d e i n G e b i e t g i b t , w o m a n d e n S t a a t i m B i l d e als ,Erzieher' ansprechen k ö n n t e , so ist es dasj e n i g e der p o l i t i s c h - s t a a t s b ü r g e r l i c h e n E r z i e h u n g . " D a ß es h i e r i n der H a n d des Staates u n d das h e i ß t i n concreto d e r R e g i e r u n g u n d d e r sie t r a g e n d e n p o l i t i s c h e n P a r t e i l i e g t , die J u g e n d zu k r i t i s c h e m S o z i a l v e r h a l t e n i n f r e i h e i t l i c h - d e m o k r a t i s c h e m Geiste zu erziehen oder aber zu O p p o r t u n i s m u s u n d A u t o r i t ä t s h ö r i g k e i t , i s t offensichtlich. D i e F e s t s t e l l u n g , daß E r z i e h u n g d e r k o n k r e t e n U n t e r r i c h t s i n h a l t e als i h r e s U n t e r b a u e s e n t b e h r e n k a n n , e r l a u b t es i m ü b r i g e n , u n t e r H i n w e i s a u f d i e u n ü b e r s e h b a r e L i t e r a t u r 8 3 a u f eine E r ö r t e r u n g des P r o b l e m s 79 Vgl. Wilhelm Geiger, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des V e r hältnisses v o n Schule u n d Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 13 ff. (42); Wilhelm Surwald, Das Erziehungsrecht der Eltern u n d des Kindes nach dem Grundgesetz, Diss. Tübingen 1961, S. 218; Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, passim. 80 Statt aller: Willi Geiger, Konsequenzen f ü r das Schulwesen aus der S t r u k t u r unserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (647): „Unser Schulwesen muß wieder stärker v o m Staat abgesetzt werden." Ders., Über die verfassungsrechtlichen Grundsätze, nach denen i n der Bundesrepub l i k Deutschland die rechtliche Ordnung i m Bereich des Bildungswesens zu gestalten ist, i n : Schulreform u n d Recht, 1967, S. 9 ff. (19): „Das Unabstimmbare, das dem Mehrheitswillen Entzogene fällt aus der Zuständigkeit des Staates zur Reglementierung heraus u n d w i r d der eigenverantwortlichen Gestaltung durch die Minderheiten überlassen." 81 Hierzu statt aller: Heinrich Weinstock, Die politische Verantwortung der Erziehung i n der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters, 5. A u f l . 1966, S. 77 ff.: „Die Einheitsfront von P o l i t i k u n d Pädagogik." Gerhard Leibholz, Demokratie u n d Erziehung, 1967. 82 Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, v o n der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (119). 83 Aus der L i t e r a t u r : Geiger, a.a.O. (Anm. 79 u n d 80); Surwald, a.a.O. (Anm. 79); Fleig, a.a.O. (Anm. 79); Pöggeler, a.a.O. (Anm. 82); Ottmar Friedrich, Die Erziehungsrechte der Eltern, des Staates u n d der Kirche i n der Volksschule, Diss. M a r b u r g 1958; Theodor Maunz, i n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, 1970, Rdnr. 40 ff. zu A r t . 7; Helmut Thielicke, Staat u n d Erziehung, i n : Universitas 1950, S. 7 ff., 163 ff.; Axel von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967; Ingeborg Röbbelen, Z u m Problem des Elternrechts, 1966; grundlegend: Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen G r u n d lagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, i n : Abhandlungen der Preu-

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

„Staat und Erziehung" an dieser Stelle zu verzichten. Hervorgehoben sei nur, daß der K e r n des Problems i n der Frage liegt, ob der „Staat" überhaupt erziehen könne — und wer es dann tut, wenn das Abstraktum „Staat" es nicht kann — und ferner darin, daß sich jede A r t staatlich organisierter Erziehung m i t der Gewissensfreiheit konfrontiert sehen muß. 3. Staat und Bildung

Die Auswirkungen staatlichen Schule-haltens werden nicht minder i m Verhältnis von „Staat und Bildung" deutlich. Dieses Verhältnis ist insofern konkret greifbar, als es i n Bildungsplänen seinen Niederschlag gefunden hat. Der Bildungsplan ist, wie Camperihausen 84 zu Recht ausführt, „ i n Wahrheit ein unentbehrliches Werkzeug staatlicher Schulpolitik". Das bedeutet i m einzelnen: a) Der Lehrplan ist Instrument der Bildungspolitik i m engeren Sinne, die die geistige Struktur des Volkes zu gestalten sucht. Je nach ihrer Zielsetzung w i r d diese Bildungspolitik „Humanisten" oder „Realisten" zu bilden bemüht sein; sie w i r d deutsche, abendländische oder sonstige Bildungsgüter und -werte vermitteln wollen i m Bestreben, daß die Menschen hierin den Inhalt ihres Daseins finden sollen. Die staatliche „Schule ist Mitgestalterin des Weltbildes für unser V o l k " 8 5 . Die Dinge werden alle recht plastisch, wenn man sich vorstellt, daß etwa durch die Sprachenfolge an den Gymnasien oder durch den Lektürekanon des Deutschunterrichts 86 der Bildungshorizont weiter Bevölßischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1927, Phil.-hist. Klasse, 1928, S. 3 ff.; aus der historischen L i t e r a t u r : Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, 2 Bde., 3. A u f l . 1919/1921 (Neudr. 1960); ders., Das deutsche B i l dungswesen i n seiner geschichtlichen Entwicklung, 5. A u f l . 1924; Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, 5. Teil, 1868, 6. Teil, 2. A u f l . 1883, 8. Teil, 1884; ders., Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Teil, 3. A u f l . 1888, S. 118 ff.; Wilhelm Roessler, Die Entstehung des modernen Erziehungswesens i n Deutschland, 1961; Franz Schnabel, Deutsche Geschichte i m neunzehnten Jahrhundert, Neudruck 1964 ff., Bd. 2, S. 163 ff., Bd. 4, S. 166 ff. I m übrigen muß auf eine weitere Bezugnahme auf die historische u n d die pädagogische L i t e r a t u r hier verzichtet werden. A m Rande sei lediglich vermerkt, daß sich Karl Marx gegen die Staatserziehung gewandt hat: „Ganz verwerflich ist die »Volkserziehung durch den Staat*." ( K r i t i k des Gothaer Programms, i n : Karl Marx - Friedrich Engels, Uber Erziehung u n d Bildung, 1968, S. 206). Allerdings dürfte Marx f ü r diese Ablehnung spezielle historisch bedingte Gründe gehabt haben. 84 Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, S. 24. 85 Theodor von den Driesch, i n : Die Stellung der Schule i n der Öffentlichkeit, 1962, S. 15 ff. (15). Derzeit sehr aktuell geworden ist die Formel v o n Willy Brandt: „Die Schule der Nation ist die Schule." (Regierungserklärung v o r dem Deutschen Bundestag am 28. 10. 1969, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.1969, S. 6 f. (7)). 86 Werner Ross stellt fest: „ M a n k a n n . . . w i e bei der Erdgeschichte die w e l t anschaulichen Schichten des Deutschunterrichts abheben: die B i n d i n g - u n d

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kerungskreise über Generationen hinweg abgesteckt wird. A m historischen Beispiel deutet dies Oppermann 87 an: „So wurde gerade derjenige Teil der deutschen Jugend, aus dem sich später die jeweils führenden Schichten rekrutieren, ein Jahrhundert lang (und weit darüber hinaus) auf einem Typ von Lehranstalten geformt, der seinen Bildungsinhalt wesentlich aus der engen Verbundenheit m i t dem machtvoll wiedererstarkten konstitutionellen Staat bismarckscher Prägung schöpfte. Die Folgen dieser Entwicklung bis i n die Gegenwart hinein können nur erahnt werden." Ebensowenig sind die Folgen des traditionell geisteswissenschaftlich ausgerichteten deutschen Schulwesens 88 absehbar 89 . Eine Bildungspolitik kann u m so gezielter wirken, je mehr die Unterrichtsinhalte Gegenstand selektiver Entscheidung werden. Es kommt nicht nur darauf an, was positiv angeboten wird, sondern auch darauf, was i m Lehrplan keinen Platz findet oder den Schülern vorenthalten wird; und das kann immer nur der größere Teil sein 90 . Dies ist auch der Ansatzpunkt der Ausführungen von Eckehart Stein 91: Nach i h m „führt die Vermittlung einseitiger Ansichten und tendenziös ausgewählten Wissens notwendig zu einer einseitigen Entfaltung des Kindes, wie die Vorenthaltung ganzer Erfahrungsbereiche die Verkümmerung der entsprechenden Teile seiner Anlagen zur Folge hat. Wegen der Offenheit des jungen Menschen hat es die Schule weitgehend i n der Hand, ihre Schüler durch Auswahl der vermittelten geistigen Strömungen zu formen. Damit sind die Menschen zugleich für ihr ganzes Leben i n gewisser Weise fixiert, da sie nach Durchlaufen der Schule nicht mehr leer und offen, sondern m i t mannigfachen Verhaltensmustern ausgestattet sind Carossa-Zeit, die Andres- u n d Bergengruen-Zeit, Die Benn-Epoche u n d als vorläufig letzte die Ä r a Brecht." (Germanistik u n d Deutschunterricht, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 8.1969, S. 20). 87 Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 60/61. 88 Vgl. hierzu Fritz Blättner, Das Gymnasium, 1960, wo ausgeführt w i r d (S. 132), daß i n dem Maße, wie das Humanistische Gymnasium Humboldts an Substanz verlor, der humanistische Gedanke den ideologischen Sieg über das gesamte deutsche Schulwesen davongetragen habe. Vgl. auch Fritz Blättner, Der Humanismus i m deutschen Bildungswesen, i n : Die Erziehung, 1937, S. 193 ff, 249 ff. 89 Steinbuch allerdings weiß diese Folgen beim Namen zu nennen: „Die V o r herrschaft der literarischen K u l t u r unseres Landes zerstört die Existenzgrundlagen unserer Gesellschaft." (Karl Steinbuch, Falsch programmiert, Neudr. 1969, S. 67). Daß Steinbuchs einseitiger Wissenschaftspositivismus „literarische K u l t u r " u n d „geisteswissenschaftliches Denken" n u r einer „ H i n t e r w e l t " zuzuordnen imstande ist (S. 68,72), liegt auf der Hand. 90 Die vielbeklagte „Rechtsfremdheit" der Deutschen mag auch darin ihren Grund haben, daß ein Fach w i e „Rechtskunde" aus dem L e h r p l a n der Schule bislang v ö l l i g ausgeklammert ist. 91 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 44; vgl. auch ders. Weltanschauung u n d Religion i m Schulunterricht, RdJ/RWS 1967, S. 29 ff.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

und sich innerlich nur noch i n begrenztem Umfang zu wandeln vermögen". b) Der Bildungsplan ist Instrument der Gesellschaftspolitik 92 . Denn Bildung schafft Freiheit. Sie ist Ausdruck der voll entfalteten Persönlichkeit, die ihr Bedingtsein durch die Umwelt beherrscht und sich autonom bestimmt. Und wenn „das Maß der Entwicklung aller Einzelnen zum Maß der Entwicklung des Staates selber" 9 3 w i r d und wenn hieraus folgt, daß „das Prinzip des Staates die Erhebung aller Einzelnen zur vollsten Freiheit, zur vollsten persönlichen Entwicklung ist" 9 4 , dann gilt für das staatliche Bildungswesen, daß eben hierin dem Einzelnen die „Bedingungen der persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, welche der Einzelne sich nicht selbst zu schaffen vermag" 9 5 , gesetzt werden. E i n staatliches Bildungswesen setzt somit einen gezielten Emanzipationsprozeß 96 i n Gang. Nach Dahrendorf 7 ist „Bildungspolitik i n der Bundesrepublik . . . vielfach noch immer ein Instrument, u m Menschen die Teilnahme am Leben der Gesellschaft überhaupt erst zu ermöglichen". Dies gilt u m so mehr, als das Schulwesen zur Stufenleiter des sozialen Aufstiegs schlechthin geworden ist. Der Prozeß der Emanzipation nimmt den Verlauf, der i m Lehr- oder Bildungsplan vorgezeichnet ist und erfaßt diejenigen Bevölkerungskreise, die für die angebotenen Inhalte disponiert sind: Je nachdem, welche Angebote offeriert werden, interessieren sich spezifische Volksschichten für spezifische Schulen 98 . 92 Z u m Verhältnis von Bildung, Staat u n d Gesellschaft u n d zur Gestaltung der Gesellschaft durch das staatliche Bildungswesen vgl. die theoretische Grundlegung v o n Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, 8 Teile, 1866 ff.; ders., Handbuch der Verwaltungslehre, 3 Teile, 3. Aufl. 1887/1888. 93 Lorenz von Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 1,1850 (Neudr. 1921) S. 35 u n d passim. 94 Lorenz von Stein, wie zuvor, S. 45 95 Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, T e i l 2,1866, S. 59. 96 Vgl. hierzu die sehr bemerkenswerten Ausführungen von Carl-Ludwig Furck, Das unzeitgemäße Gymnasium, 1965, S. 39/40: Furck stellt dar, w i e die Freisetzung des Individuums durch B i l d u n g i n der modernen Gesellschaft Gefahr läuft, „zur Verhaltens- u n d Statusunsicherheit" u n d daher „zur Flucht i n gruppenkonformes Verhalten u n d zur Übernahme v o n Vorurteilen, also zum Verzicht auf Personalität" zu führen. Emanzipation der I n d i v i d u e n habe die Auflösung überkommener Ordnungen zur Folge, was wiederum eine „ v e r stärkte Reglementierung der Schule" bedinge. „Der Bewegung zunehmender Demokratisierung der Erziehung u n d B i l d u n g w i r k t so der Prozeß stetiger Indienstnahme der Schule f ü r die Zwecke des Staates entgegen." 97 Ralf Dahrendorf, B i l d u n g ist Bürgerrecht, durchges. A u f l . 1966, S. 25. 98 Vgl. Hans Peter Widmaier, Bildung u n d Wirtschaftswachstum, 1966, S. 34: Hier werden als Voraussetzung einer Planung auf dem Gebiet der Lehrpläne etc. bei der Zielsetzung „ V e r w i r k l i c h u n g der Bürgerrechte" Informationen über „den Einfluß der Lehrpläne, Fächerkombinationen u n d Lehrmethoden auf die Sozialstruktur der Schüler u n d Studenten" gefordert: ein erster Ansatz, die-

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„Soziale Emanzipation" setzt i m übrigen keine starre Klassenstruktur der Gesellschaft voraus, wie Lorenz von Stein sie i m 19. Jahrhundert noch vorfand. Es kann i n der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung nur darum gehen, recht heterogene soziale Gruppen zu emanzipieren, wobei die Mädchenbildung eine dominierende Rolle spielt und gerade durch ihre Abhängigkeit von spezifischen Unterrichtsgehalten, die das soziale Rollenbild der Frau widerspiegeln, die Wirkmöglichkeit der Lehrpläne illustriert. So schreibt denn auch Dahrendorf 99: „ A k t i v e Bildungspolitik i n der Bundesrepublik muß ihre Aufmerksamkeit zunächst drei oder vier sozialen Gruppen widmen: Landkindern, Arbeiterkindern, Mädchen und, m i t erheblichen Einschränkungen, katholischen Kindern 1 0 0 ." Recht umstritten ist noch das Problem der Elitebildung 1 0 1 durch spezielle Fächerangebote und hohes Leistungsniveau auf besonderen Schulen. c) Einen Unterfall der Sozialpolitik stellt die Berufspolitik dar. I h r Sinn ist es, individuelle W i l l k ü r , die an sich durch A r t . 12 GG garantiert ist, und volkswirtschaftliche Notwendigkeiten auszugleichen. Denn eine apriorische Kongruenz zwischen individueller W i l l k ü r und volkswirtschaftlichen Erfordernissen scheint bislang nicht bewiesen. Individuelle Berufsentscheidungen sind durch spezifische Fächerangebote an den Schulen zu steuern. Ein M i t t e l hierzu wäre die Kopplung bestimmter Bildungsstoffe i n einer Berechtigung; hierdurch oder durch die Einrichtung bestimmter Schultypen können Berufsentscheidungen präjudiziert werden. Es ist zum Beispiel nicht sehr wahrscheinlich, daß der Absolvent eines altsprachlichen Gymnasiums sich entschließt, Physik oder Chemie zu studieren (nach der bislang dort noch herrschenden Humanismus-Ideologie 102 würde er sich i n diesem Falle geradezu als Apostat fühlen). sen Bereich der empirischen Forschung zu unterwerfen. Vgl. auch Jürgen Raschert, Die Bestimmung gesellschaftlicher Zielvorstellungen f ü r die B i l dungsarbeit, i n : Reform von Bildungsplänen, 1969, S. 54 ff. (55): „ . . . daß die V e r w i r k l i c h u n g der sozialen Chancengleichheit i n unserem Bildungswesen mehr noch als von der Veränderung der Strukturen von der Revision des C u r r i culum abhängt." 99 a.a.O., S. 65; vgl. ders., Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland, Neudruck 1971, S. 79 f.; Widmaier, a.a.O., S. 54/55. 100 v g l hierzu Hansgert Peisert, Soziale Lage u n d Bildungschancen i n Deutschland, 1967; Helge Pross, Über die Bildungschancen von Mädchen i n der Bundesrepublik, 3. A u f l . 1970; Wolf gang Klafki, Soziale Lage u n d Bildungschancen, i n : Erziehungswissenschaft 1, Funk-Kolleg, hrsg. v o n Wolf gang Klafki, 1970, S. 166 ff.; Doris Knab, Mädchenbildung, i n : Handbuch pädagogischer Grundbegriffe, Bd. I I , 1970, S. 57 ff.; Hansgert Peisert - Ralf Dahrendorf (Hrsg.), Der vorzeitige Abgang v o m Gymnasium, 1967, passim. 101

Z u m Problem der Elitebildung vgl. Walter Tröger, Elitebildung, 1968. E t w a Wolf gang Schadewaldt, Sinn u n d Wert der humanistischen B i l d u n g i m Leben unserer Zeit, 1956. 102

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

I n diesem Zusammenhang ist auch die staatliche Festlegung der „Berufsbilder" i m Berufsbildungswesen von Bedeutung. d) Der Lehr- oder Bildungsplan kann auch der Außenpolitik dienstbar gemacht werden. Verwiesen sei hier nur auf den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1961, der u. a. eine besondere Pflege der französischen Sprache i n den deutschen Schulen vorsieht. Oder man vergegenwärtige sich die Umwälzungen, die hervorgerufen würden, wenn statt des allgemein angeordneten Englisch-Unterrichts der Pflichtunterricht i n der russischen Sprache eingeführt würde. 4. Mißbrauchstatbestände

Die weitreichenden Gefahren, die sich daraus ergeben, daß die B i l dungsinhalte Funktion der Politik werden und vom Staate i n Dienst genommen werden, sind offensichtlich. a) Es braucht vorerst gar nicht an einen totalitären Machtmißbrauch gedacht zu werden. Auch i m derzeitigen Bildungssystem i n der Bundesrepublik Deutschland, die sich als demokratischer Rechtsstaat begreift, ist Raum genug, daß sich Ideologien einnisten können. Hildegard HammBrücher 103 hat vor nicht allzu langer Zeit allgemeines Aufsehen erregt, als sie Ideologien i n bayerischen Schulbüchern aufdeckte. Ein etwas entlegenes aber nicht minder bezeichnendes Beispiel aus dem — inzwischen allerdings außer K r a f t getretenen — Lehrplan für das Fach Russisch i n Rheinland-Pfalz 1 0 4 , wo noch i n der Formulierung „Zustände i n der Sowjetunion" und „Mentalität des russischen Volkes" jener alte Mythos von der „russischen Seele" spukt, w i r f t ein weiteres Schlaglicht auf diesen Sachverhalt. Eckehart Stein 105 hat dies allgemein formuliert: „Es w i r d aber zu einer Gefahr für die Freiheit der Bildung, wenn die Jugend eines ganzen Landes das K u l t u r g u t der Menschheit nur i n der Auswahl und m i t der Tendenz vermittelt erhält, die das Kultusministerium für gut hält." b) Wie nun das Bildungswesen emanzipierende Wirkung hat, wenn man es für sozial benachteiligte Gruppen oder Klassen öffnet, so kann es umgekehrt, indem man es den benachteiligten Klassen gerade verschließt, dazu gebraucht werden, Herrschaftsstrukturen zu perpetuieren. Dies 103 Anmerkungen zu bayerischen Schulbüchern, i n : Frankfurter Hefte, 1963, S. 825 ff.; ergänzend Rolf Gutte, ibid., S. 833 ff. 104 Richtlinien f ü r Russisch (Zusatzfach) an den höheren Schulen, A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n Rheinland-Pfalz, 1957, S. 151; der neue Lehrplan: Nachtrag zu den Lehrplänen f ü r die höheren Schulen des Landes Rheinland-Pfalz über Russisch als dritte — fakultative — Fremdsprache, 1968; vgl. A B l . 1968, S. 179. 105 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 45.

I V . Die Effizienz inhaltlicher Entscheidungen i n der Staatsschule

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braucht nicht unbedingt dadurch zu geschehen, daß man Zulassungsbeschränkungen einführt oder hohes Schulgeld erhebt. Vielmehr ist gerade auch das Bildungsangebot an den weiterführenden Schulen geeignet, bestimmte Gruppen anzuziehen oder abzustoßen. So waren zum Beispiel die esoterischen Bildungsinhalte des Humanistischen Gymnasiums i m 19. Jahrhundert vom Denken der Arbeiter u m Welten getrennt 1 0 6 . Aber die Führungsschicht von Staat und Gesellschaft rekrutierte sich ausschließlich aus diesem Schultyp, der allein die „Berechtigungen" vergab. „Wie heftig auch der Streit u m den Bildungsbegriff tobte — daß das humanistische Gymnasium die alleinige Vorbereitungsstätte zum Studium an Universitäten war, wurde von niemandem i n Zweifel gezogen 107 ." Die Frage, wieweit gerade die spezifischen Bildungsinhalte des H u manistischen Gymnasiums zur Stabilisierung der Herrschaftsverhältnisse und zur geistigen und gesellschaftlichen Isolierung des Arbeiterstandes i m 19. Jahrhundert beigetragen haben, wäre einer eigenen Untersuchung wert, auf die hier verzichtet werden muß. Immerhin räumt auch Schadewaldt 109 ein, daß „das humanistische Bildungsideal zu einem bloßen bürgerlichen Standesideal verflachte, dem das Gymnasium m i t seinen ,Berechtigungen' diente" 1 0 9 , und James P. Warburg 110 sieht i m deutschen Bildungswesen bis 1945 ein Spiegelbild der Klassenunterschiede und einen Ausdruck von Autoritatismus und Weltferne, was alles für das deutsche Unglück mitverantwortlich gemacht werden könne. Die Zusammenhänge zwischen Bildungsinhalten und der modernen Gesellschaftsstruktur scheinen noch weitgehend unerforscht; sie können hier nicht aufgedeckt werden. Selbst Hellmut Becker 111 vermag hierfür auch nur einen ersten Anstoß zu geben: „Auch die Lernmotivation und damit der Unterrichtserfolg erwiesen sich als schichtenspezifisch bedingt. Unser Auslesesystem, auf dem die Berechtigungen für weiterführende Studien und Berufe aufbauen, arbeitet also nach Maßstäben, die wissenschaftlich nicht begründet sind. Es dient praktisch dazu, die bestehende loe vgl. hierzu auch Urs Jaeggi t Macht u n d Herrschaft i n der Bundesrepublik, 3. A u f l . 1970, S. 168. 107 Franz Schnabel, Deutsche Geschichte i m neunzehnten Jahrhundert, Neudruck 1964 f., Bd. 4, S. 187. 108 Wolfgang Schadewaldt, Das Humanistische Bildungsideal u n d die Forderungen unserer Zeit, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 167 ff. (171). 109 v g l . auch Peter Roeder, Soziologie der Erziehung, i n : Pädagogik, FischerL e x i k o n Bd. 26,3. A u f l . 1966, S. 317. 110 Deutschland — Brücke oder Schlachtfeld, 1949; vgl. auch: Der gegenwärtige Stand der Erziehung i n Deutschland, Bericht der amerikanischen E r ziehungskommission, o. J. (1946), S. 22 ff. 111 Bildungsforschung u n d Bildungsplanung, i n : Wirtschaft u n d Wissenschaft, M a i / J u n i 1969, S. 33 ff. (35).

4 Hennecke

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

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Gesellschaftsgliederung i m wesentlichen zu reproduzieren. Man klagt heute über den Mangel an Mathematikern und Naturwissenschaftlern, und zwar m i t Recht. Einer der Hauptgründe liegt darin, daß unser B i l dungswesen auf Grund seiner traditionellen philologischen Orientierung den verbal Begabten noch immer begünstigt." c) Dem gegenwärtigen Erfahrungsbereich und Bewußtsein liegt der eklatanteste Fall des Mißbrauchs der Schule noch wesentlich näher: Die staatliche Schule w i r d zum Sprachrohr und Schulungssystem des Totalitarismus, wenn er sich des Staates bemächtigt hat 1 1 2 . „Erziehung" w i r d zur „Schulung" pervertiert, „Bildung" der Theorie oder der Sache nach abgeschafft; aus dem Unterricht w i r d ideologische Indoktrination. Das gesamte Bildungswesen w i r d i n den Prozeß der Revolutionierung der Gesellschaft eingespannt. Aus einer freiheitlichen Berufspolitik w i r d ökonomische Zwangswirtschaft. Alles i n allem: Die Manipulierung des Menschen durch ein totalitäres Bildungssystem nimmt ungeheuerliche Ausmaße an. Dies w i r d u m so mehr der Fall sein, je verfeinerter die Methoden der Indoktrination werden, je mehr die wissenschaftliche Erkenntnis über den Zusammenhang von Bildungsinhalt und Sozialverhalten zunimmt und je skrupelloser die prinzipielle Offenheit des jungen Menschen totalitärer Herrschaft dienstbar gemacht wird. Vestigia terrent. V . Erfassung materieller N o r m e n über die innere Gestalt des staatlichen Schulwesens

Die Bestandsaufnahme über das staatliche Schule-halten war bislang auf die Frage eingegrenzt worden, was es eigentlich bedeute, wenn der Staat Schule hält. U m nicht dem rein Theoretischen verhaftet zu bleiben und u m den Weg zu spezifisch juristischer Betrachtung zu eröffnen, bedarf die Bestandsaufnahme einer Ergänzung. Sie muß erweitert werden u m die Erfassung materieller Normen, die das staatliche Schulwesen inhaltlich gestalten. Erst an diesen konkreten inhaltlichen Normen w i r d sichtbar, welch innige Verbindung Pädagogik und Recht i m Staatsschulwesen eingegangen sind. Denn durch die Hereinnahme pädagogischer Gehalte i n materielle Gesetze werden pädagogische Begriffe zu Tatbe112

Vgl. Hans Buchheim, Totalitäre Herrschaft, 5. A u f l . 1967, S. 17 u n d passim; Carl Joachim Friedrich, Totalitäre D i k t a t u r , 1957, S. 112 ff.; Karl Dietrich Bracher, Totalitarismus, i n : Staat u n d Politik, hrsg. v o n Ernst Fraenkel - Karl Dietrich Bracher, 3. A u f l . 1958, S. 294 f.; Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 21; Fritz Werner, Z u r Lage des Schulverwaltungsrechts, DÖV, 1958, S. 433 f. (434); Willi Geiger, Konsequenzen f ü r das Schulwesen aus der S t r u k t u r unserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (648); Otto Dibelius, Grenzen des Staates, 1949, passim. Gerhard Leibholz, Demokratie u n d Erziehung, 1967, S. 10 f.

V . Materielle Normen

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standsmerkmalen von Rechtsnormen und können jetzt als solche der juristischen Betrachtungsweise unterworfen werden. I m folgenden werden auch die Regelungen i n Berlin i n die Betrachtung einbezogen, wobei die Lösung des staats- und völkerrechtlichen Sonderproblems „Berlin" i n keiner Weise präjudiziert werden soll. 1. Das Grundgesetz

Oberste schulrechtliche Norm i m Geltungsbereich des Grundgesetzes ist A r t . 7 des Grundgesetzes selbst. I m Gegensatz zu den Schularltikeln der Weimarer Reichsverfassung 113 , verzichtet das Grundgesetz auf eine materielle Festlegung von Bildungsinhalten. Immerhin aber versucht Heckel 114 — wohl zu Recht — das diesbezügliche Vakuum i m Grundgesetz durch Hereinnahme der i n den übrigen Grundrechtsartikeln enthaltenen Grundgedanken des A r t . 148 der Weimarer Reichsverfassung 115 aufzufüllen. Lediglich der Religionsunterricht als konkretes Unterrichtsfach ist i n Art. 7 Abs. 3 GG garantiert. Die Fragen des Religionsunterrichts gehören zu den umstrittensten rechtlichen und schulpolitischen Problemen; sie scheiden hier jedoch aus der Betrachtung aus. I m übrigen aber hat das Grundgesetz auf inhaltliche Festlegungen verzichtet, u m die Organisation des Schulwesens den Bundesländern v o l l anheimzugeben. 2. Die Landesverfassungen

Die Länder haben denn auch bei der Festlegung materieller schulischer Gehalte i n ihren Verfassungen 116 ein übriges getan. Die Variationen sind vielfältig. Ein abschließendes Resümee ist erst nach detaillierter Bestandsaufnahme möglich. Eine erschöpfende Kommentierung der Verfassungsartikel kann hier allerdings nicht geleistet werden, wiewohl eine umfassende Interpretation und die Überprüfung auf die jeweilige Vereinbarkeit m i t dem Grundgesetz an sich wünschenswert wäre. 113

Insbesondere A r t . 146,148,149 WV. Hans Heckel, Grundgesetz u n d Schule, D Ö V 1950, S. 1 ff. (2). 115 A r t . 148 W V i m Wortlaut: „ I n allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche u n d berufliche Tüchtigkeit i m Geiste des deutschen Volkstums u n d der Völkerversöhnung zu erstreben. Beim Unterricht i n öffentlichen Schulen ist Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verletzt werden. Staatsbürgerkunde u n d Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen . . . " 116 Die Texte sind — unbeschadet der Einzelnachweise — leicht zugänglich i n : Die Verfassungen der deutschen Bundesländer, hrsg. v o n Dieter Kakies, 1966. 114

4*

52

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

a) Baden-Württemberg Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 117 enthält folgende inhaltliche Normen über das Schulwesen: A r t . 11 Abs. 1: „Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf H e r k u n f t oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung u n d Ausbildung."

Der Kommentar von Spreng-Birn-Feuchte 118 weist besonders darauf hin, daß ein Recht auf „Bildung" nicht i n die Verfassung aufgenommen worden sei, da bei den Abgeordneten die Meinung überwogen habe, „daß »Bildung4 nicht i m Wege eines Anspruches und überhaupt nicht durch staatliche Maßnahmen vermittelt werden kann". Anders stand es noch i n der Verfassung von Württemberg-Baden vom 24. 10. 1946 119 : Hier war ein „Recht auf Bildung" statuiert worden. A r t . 12 Abs. 1: „Die Jugend ist i n Ehrfurcht v o r Gott, i m Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen u n d zur Friedensliebe, i n der Liebe zu V o l k u n d Heimat, zu sittlicher u n d politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher u n d sozialer Bewährung u n d zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen."

Bei Spreng-Birn-Feuchte 120 heißt es zu Recht, daß hier eine „bunte Mischung" der Erziehungsziele aneinandergereiht sei. Bemerkenswert ist auch, daß „das Verhältnis der christlichen Nächstenliebe zur Brüderlichkeit aller Menschen Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen war, die dazu führten, daß schließlich die beiden Begriffe ohne Beziehung nebeneinander gestellt wurden" 1 2 1 . Die recht problematische Fixierung „auf Ehrfurcht vor Gott", die sich auch i n dem etwa gleichlautenden A r t . 36 Abs. 1 der Verfassung für Württemberg-Baden findet, hat immerhin schon Nebinger 122 zu der allerdings auch nicht glücklichen restriktiven (oder extensiven, je nach dem) Interpretation veranlaßt, „Ehrfurcht vor Gott" sei nicht unbedingt i n christlichem, sondern w o h l auch i m Goetheschen Sinne zu verstehen. Ähnliches gilt von der „christlichen Nächstenliebe", die Göbel 1 2 3 restrikt i v zurücknehmen zu müssen glaubt. 117

GBl. 1953, S. 173. Rudolf Spreng - Willi Bim - Paul Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, S. 69. 119 Text u n d K o m m e n t a r : R. Nebinger, K o m m e n t a r zur Verfassung f ü r Württemberg-Baden, 1948, A r t . 33. 120 a.a.O., S. 70. 121 Spreng-Birn-Feuchte, a.a.O., S. 70/71. 122 a.a.O., S. 122. 128 Kurt Göbel, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1953, S. 38: „ K e i n e Festlegung i n dogmatischen Sinn." 118

V. Materielle Normen

53

A r t . 16 Abs. 1: „ I n christlichen Gemeinschaftsschulen werden die K i n d e r auf der Grundlage christlicher u n d abendländischer Bildungs- u n d K u l t u r w e r t e erzogen.. A r t . 17 Abs. 1: „ I n allen Schulen waltet der Geist der Duldsamkeit u n d der sozialen E t h i k . " A r t . 18S.1: „ D e r Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen ordentliches L e h r fach." A r t . 21: „Die Jugend ist i n den Schulen zu freien u n d verantwortungsfreudigen B ü r gern zu erziehen u n d an der Gestaltung des Schullebens zu beteiligen. I n allen Schulen ist Gemeinschaftskunde ordentliches Lehrfach." b)

Bayern

D i e V e r f a s s u n g des Freistaates B a y e r n v o m 2. 12. 1 9 4 6 1 2 4 » 1 2 6 fixiert Schulwesen i n h a l t l i c h w i e folgt:

das

A r t . 128 Abs. 1: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch darauf, eine seinen erkennbaren Fähigkeiten u n d seiner inneren Berufung entsprechende Ausbildung zu erhalten." A r t . 131: „Schulen sollen nicht n u r Wissen u n d Können vermitteln, sondern auch Herz u n d Charakter bilden. Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht v o r Gott, Achtung v o r religiöser Überzeugung u n d v o r der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl u n d Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft u n d Aufgeschlossenheit f ü r alles Wahre, Gute u n d Schöne. Die Schüler sind i m Geiste der Demokratie, i n der Liebe zur bayerischen Heimat u n d zum deutschen V o l k u n d i m Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen. Die Mädchen sind außerdem i n der Säuglingspflege, Kindererziehung u n d Hauswirtschaft besonders zu unterweisen. H i e r z u sei a n g e m e r k t , daß es sich i n A b s . 2 des A r t . 131 g e w i ß n i c h t u m „Bildungsziele", sondern u m Erziehungsziele handelt. I m ü b r i g e n k a n n das fehlende B e k e n n t n i s z u e i n e m e i n h e i t l i c h e n E r z i e h u n g s z i e l n u r s c h w e r l i c h d u r c h e i n A g g l o m e r a t recht h e t e r o g e n e r I d e a l e k o m p e n s i e r t 124

GVB1.1946, S. 333. Die Kommentierungen zu den A r t i k e l n sind knapp u n d deskriptiv; vgl. Wilhelm Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, 1949, S. 161 ff.; Max Wenzel, Schulrechtsfragen, 1949; Hans Nawiasky - Claus Leusser, Die V e r fassung des Freistaates Bayern v o m 2. Dez. 1946, 1948, S. 209 ff.; die Neuauflage des letztgenannten Werkes (Hans Nawiasky - Claus Leusser - Erich Gerner-Karl Schweiger - Hans Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1967) enthält noch keine Kommentierung der Schulartikel. 125

54

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

w e r d e n . D i e W i e d e r k e h r der a l t e n p l a t o n i s c h e n T r i a s des „ W a h r e n , G u ten, Schönen" i s t recht b e m e r k e n s w e r t 1 2 6 . A r t . 132: „ F ü r den Ausbau des Schulwesens ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, f ü r die Aufnahme eines Kindes i n eine bestimmte Schule sind seine Anlagen, seine Neigung, seine Leistung u n d seine innere Berufung maßgebend, nicht aber die wirtschaftliche u n d gesellschaftliche Stellung der Eltern." A r t . 136 Abs. 1 u n d 2: „ A n allen Schulen sind beim Unterricht die religiösen Empfindungen aller zu achten. Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach aller Volksschulen, Berufsschulen, m i t t l e r e n u n d höheren L e h r a n s t a l t e n . . . " c)

Berlin

D i e V e r f a s s u n g v o n B e r l i n v o m 1. S e p t e m b e r 1950 1 2 7 e n t h ä l t k e i n e speziellen S c h u l a r t i k e l . D a m i t i s t jedoch n i c h t ausgeschlossen, daß sich aus d e m G r u n d r e c h t s t e i l d e r V e r f a s s u n g , d e n A r t i k e l n 6 - 24, m ö g l i c h e r weise m a t e r i e l l e s Schulrecht g e w i n n e n l ä ß t 1 2 8 . d)

Bremen

D i e V e r f a s s u n g d e r F r e i e n H a n s e s t a d t B r e m e n v o m 21. O k t o b e r 1947 1 2 9 e n t h ä l t u. a. folgende S c h u l a r t i k e l 1 3 0 : A r t . 26: „Die Erziehung u n d B i l d u n g der Jugend hat i m wesentlichen folgende A u f gaben: 1. Die Erziehung zu einer Gemeinschaftsgesinnung, die auf der Achtung v o r der Würde jedes Menschen u n d auf dem W i l l e n zu sozialer Gerechtigkeit u n d politischer Verantwortung beruht, zur Sachlichkeit u n d Duldsamkeit gegenüber den Meinungen anderer f ü h r t u n d zur friedlichen Zusammenarbeit m i t anderen Menschen u n d V ö l k e r n aufruft. 2. Die Erziehung zu einem Arbeitswillen, der sich dem allgemeinen W o h l einordnet, sowie die Ausrüstung m i t den f ü r den E i n t r i t t ins Berufsleben erforderlichen Kenntnissen u n d Fähigkeiten. 3. Die Erziehung zum eigenen Denken, zur Achtung v o r der Wahrheit, zum M u t , sie zu bekennen u n d das als richtig u n d notwendig Erkannte zu tun. 126 Nach Nawiasky-Leusser, a.a.O., S. 211, stellt A r t . 131 eine „bindende A n weisung f ü r die Aufstellung der Lehrpläne u n d die Gestaltung des Unterrichts dar". 127 Verordnungsblatt 1950, S. 433. 128 Z u r Verfassung selbst: Kurt Landsberg - Harry Goetz, Die Verfassung v o n Berlin, 1951. 129 GBl. 1947, S. 251. 130 Theodor Spitta (Kommentar zur Bremischen Verfassung v o n 1947, 1960) gibt keinen weiterführenden Kommentar zu den Schulartikeln.

V. Materielle Normen

55

4. Die Erziehung zur Teilnahme am kulturellen Leben des eigenen Volkes u n d fremder Völker." A r t . 27 Abs. 1: „Jeder hat nach Maßgabe seiner Begabung das gleiche Recht auf Bildung." A r t . 32 Abs. 1: „Die allgemein bildenden öffentlichen Schulen sind Gemeinschaftsschulen m i t bekenntnismäßig nicht gebundenem Unterricht i n Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage." A r t . 33: „ I n allen Schulen herrscht der Grundsatz der Duldsamkeit. Der Lehrer hat i n jedem Fach auf die religiösen u n d weltanschaulichen Empfindungen aller Schüler Rücksicht zu nehmen." e)

Hamburg

D i e V e r f a s s u n g d e r F r e i e n u n d H a n s e s t a d t H a m b u r g v o m 6. J u n i 1952 1 3 1 v e r z i c h t e t z w a r n i c h t a u f eine u m f a n g r e i c h e P r ä a m b e l , aber a u f eine N o r m i e r u n g d e r G r u n d r e c h t e (die V e r f a s s u n g i s t erst nach I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes beschlossen w o r d e n ) u n d des S c h u l w e s e n s 1 3 2 . /)

Hessen

D i e V e r f a s s u n g des L a n d e s Hessen v o m 1. D e z e m b e r 194'6 133 befaßt sich i n f o l g e n d e n A r t i k e l n m i t d e r i n n e r e n G e s t a l t des S c h u l w e s e n s 1 3 4 : A r t . 56 Abs. 3 bis 5 u n d 7: „(3) Grundsatz eines jedes Unterrichts muß die Duldsamkeit sein. Der Lehrer hat i n jedem Fach auf die religiösen u n d weltanschaulichen Empfindungen aller Schüler Rücksicht zu nehmen u n d die religiösen u n d weltanschaulichen Auffassungen sachlich darzulegen. (4) Z i e l der Erzielung ist, den jungen Menschen zur sittlichen Persönlichkeit zu bilden, seine berufliche Tüchtigkeit u n d die politische Verantwortung v o r zubereiten zum selbständigen u n d verantwortlichen Dienst am V o l k u n d der Menschheit durch Ehrfurcht u n d Nächstenliebe, Achtung u n d Duldsamkeit, Rechtlichkeit u n d Wahrhaftigkeit. (5) Der Geschichtsunterricht muß auf getreue, unverfälschte Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein. Dabei sind i n den Vordergrund zu stellen die großen Wohltäter der Menschheit, die E n t w i c k l u n g v o n Staat, Wirtschaft, Z i v i lisation u n d K u l t u r , nicht aber Feldherren, Kriege u n d Schlachten. Nicht zu 181

GVB1.1952, S. 117. Z u r Verfassung selbst: Hans Peter Ipsen, Hamburgs Verfassung u n d V e r waltung, 1956; Wilhelm Drexelius - Renatus Weber, Die Verfassung der Freien u n d Hansestadt Hamburg v o m 6. J u n i 1952,1953. 188 GVB1.1946, S. 229. 184 Vgl. hierzu Georg August Zinn - Erwin Stein, Die Verfassung des L a n des Hessen, 1. Bd. 1954, S. 271 ff.; Alfons Warlo, Neues Hessisches Schulrecht, 1953. 182

56

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

dulden sind Auffassungen, welche die Grundlagen des demokratischen Staates gefährden. (6)... (7) Das Nähere regelt das Gesetz. Es muß Vorkehrungen dagegen treffen, daß i n der Schule die religiösen u n d weltanschaulichen Grundsätze verletzt werden, nach denen die Erziehungsberechtigten ihre K i n d e r erzogen haben wollen." A r t . 57 Abs. 1 S. 1: „Der Religionsunterricht ist ein ordentliches Lehrfach."

Erwin Stein 135 ist sich i n seiner Kommentierung zu A r t . 56 Abs. 4 durchaus bewußt, daß hier nur Teilziele aufgestellt werden; es w i r k t jedoch nicht überzeugend, wenn er die schlichte Addition i n A r t . 56 Abs. 4 zu einer „Synthese" überhöht. A r t . 56 Abs. 5 ist i n seiner A r t einmalig. I n i h m ist noch der Schrecken der Verfassungsgeber vor der nationalsozialistischen Zeit spürbar; war doch gerade der Geschichtsunterricht das Einfallstor rassistischer und kriegsverherrlichender Ideologie. Wenn i m übrigen auch Oppermann die Frage stellen mag, „ob solche Einzelheiten auch nur Sache der einfachen Gesetzgebung sein sollten" 1 3 6 , so zeigt sich doch i n Art. 56 Abs. 5, wie die Erkenntnisse und Tendenzen der neueren historischen Wissenschaft, die von der Kriegsgeschichte i m speziellen und der herkömmlichen „politischen Geschichte" i m allgemeinen immer mehr abrückt, durch einen Rechtssetzungsakt i n die Didaktik des Geschichtsunterrichtes an den Schulen einfließen können. Dieser Effekt ist eine — wenn auch verfassungsrechtliche — Detailregelung wert. Die Regelung w i r k t u m so nachhaltiger, als sie „nicht nur Anweisungen an die Unterrichtsverwaltung, sondern unmittelbar Dienstpflichten des Lehrers" 1 3 7 begründet. g) Niedersachsen Die Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. A p r i l 1951 138 enthält keine Schulartikel. Dies ist, wie Hans Hesse 139 ausführt, dadurch bedingt, daß man dem historischen Eigenleben der früher selbständigen Landesteile Hannover, Oldenburg etc. 1 4 0 keine Gewalt hat antun wollen. Gleichwohl, meint Hesse 141 , scheine heute die Frage gerechtfertigt, ob die Verfassung nicht um grundlegende Schulartikel ergänzt werden solle. 135

i n : Zinn-Stein, a.a.O., S. 284. Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 170. 137 Zinn-Stein, a.a.O., S. 283. 138 GVB1.1951, S. 103. 139 Die Vorläufige Niedersächsische Verfassung i n schulrechtlicher RWS 1961, S. 203 ff. 140 Vgl. A r t . 1 Abs. 1 u n d A r t . 56 Verf. NdS. 141 a.a.O., S. 208. 138

Sicht,

V. Materielle Normen

57

h) Nordrhein-Westfalen Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 142 legt die Schule wie folgt inhaltlich fest: A r t . 7 Abs. 1: „Ehrfurcht v o r Gott, Achtung v o r der Würde des Menschen u n d Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Z i e l der Erziehung. Die Jugend soll erzogen werden i m Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie u n d der Freiheit, zur Duldsamkeit u n d zur Achtung v o r der Überzeugung des anderen, i n Liebe zu V o l k u n d Heimat, zur Völkergemeinschaft u n d Friedensgesinnung."

Nach Geller-Kleinrahm-Fleck 143 stellt dieser A r t i k e l nicht „nur einen unverbindlichen Appell an den Erzieher dar, sondern ist unmittelbar verbindliche Rechtsnorm für den Gesetzgeber, die Verwaltung und den einzelnen Erzieher, insbesondere auch für die Gestaltung der Lehrpläne und Schulbücher". Hierdurch wächst das Unbehagen über die Formel „Ehrfurcht vor Gott". Bei Geller-Kleinrahm-Fleck ist denn auch ausgef ü h r t 1 4 4 , daß die Formel i m Verfassungsausschuß Diskussionen entfacht habe; i m übrigen w i r d sie auf einen gleichwohl nicht befriedigenden Formelkompromiß reduziert: Sie schließe „das Gottesverständnis nichtchristlicher Religionen ebenso ein wie deistische Vorstellungen" 1 4 5 . Die Formel w i r d vollends zurückgenommen, indem zugegeben wird, daß „ihre rechtliche Tragweite nicht leicht zu erfassen" sei. Möglicherweise kommt der Formel eine Rechtswirkung überhaupt nicht zu. A r t . 8 Abs. 1: „Jedes K i n d hat Anspruch auf Erziehung u n d Bildung . . . Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, daß das Schulwesen den k u l t u r e l l e n u n d sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht."

Die beiden Sätze sind Ausdruck der oben (S. 34 f.) beschriebenen Antonomie des Individualinteresses und des Allgemeininteresses i m Schulwesen. Die individuelle W i l l k ü r bei autonomer Bestimmung des Bildungsinhaltes, die i n Satz 1 freigesetzt wird, w i r d i n Satz 2 wieder eingeschränkt und gebunden. Hierbei w i r d der Staat zu dieser Einschränkung ermächtigt. I m übrigen führen Geller-Kleinrahm-Fleck 146 aus: „Die Begriffe »Erziehung 4 und ,Bildung' lassen sich rechtlich nicht trennscharf bestimmen. 142

GVB1.1950, S. 127. Gregor Geller - Kurt Kleinrahm - Hans-Joachim Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1963, S. 65. 144 a.a.O., S. 67; vgl. auch Alois Vogels, Die Verfassung f ü r das L a n d N o r d rhein-Westfalen, 1951, Kommentar zu A r t . 7. 145 Geller-Kleinrahm-Fleck, a.a.O., S. 67; vgl. auch schon die Vorauflage: Gregor Geller - Kurt Kleinrahm, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1950, S. 95. 146 a.a.O., S. 70/71. 143

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

I n einer weltanschaulich differenzierten Gesellschaft ohne einheitliches Bildungsideal kann der Staat den Inhalt der Bildung nicht weiter festlegen, als er noch als geistiges Allgemeingut anerkannt w i r d . . . (vgl. A r t . 7); i m übrigen muß er sich darauf beschränken, jedermann die Chance zur Bildung entsprechend seinen Vorstellungen und Fähigkeiten zu eröffnen. Nur i n diesem sehr ,dynamischen4 Sinne, nicht als inhaltlich feststehendes Ziel ist das Wort,Bildung' i n A r t . 8 Abs. 1 zu verstehen." A r t . 10 Abs. 1 S. 1: „Das Schulwesen des Landes baut sich auf einer f ü r alle K i n d e r verbindlichen Grundschule auf, die T e i l der Volksschule ist. Die Gliederung des Schulwesens w i r d durch die Mannigfaltigkeit der Lebens- u n d Berufsaufgaben bestimmt." A r t . 11: „ I n allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand u n d staatsbürgerliche Erziehung verpflichtende Aufgabe."

M i t letzterem A r t i k e l nimmt die Verfassung die Tradition des A r t i kel 148 W V wieder auf. Die Vorschrift hat sowohl den Sinn, Staatsbürgerkunde als konkretes Lehrfach zu konstituieren 1 4 7 als auch die Intention, daß Staatsbürgerkunde den gesamten Unterricht „durchfluten und durchbluten" 1 4 8 solle. Der A r t i k e l und seine Auslegung ist ein deutliches Beispiel dafür, daß abstrakte Erziehungsziele sich sowohl i n konkreten Unterrichtsfächern manifestieren als auch ohne umgrenzte Unterrichtsstunden das gesamte Schulwesen umgreifen und so selbständiges Gewicht erlangen können. A r t . 14 Abs. 1 S. 1: „Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, m i t Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreie Schulen)."

i) Saarland I n der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 149 finden sich folgende inhaltliche Gestaltungsnormen über das Schulwesen: 147 Geller-Kleinrahm-Fleck, a.a.O., S. 95; Geller-Kleinrahm, a.a.O., S. 105; Walter Lande (Die Schule i n der Reichsverfassung, 1929) weist f ü r A r t i k e l 148 W V besonders darauf h i n (S. 177), daß hier ein konkretes Lehrfach gefordert werde. 148 So Alois Vogels, a.a.O., unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte (Kommentar zu A r t . 11); vgl. Geller-Kleinrahm-Fleck, a.a.O., S. 95; GellerKleinrahm, a.a.O., S. 105. Auffallend ist die Akzentverlagerung gegenüber Lande (wie zuvor): Wurde dort das „Lehrfach" besonders erwähnt, so glaubt m a n hier, den „Lehrgegenstand" als allgemeine Unterrichtstendenz betonen zu müssen. Anscheinend hat die Konkretisierung der staatsbürgerlichen Erziehung auf ein Unterrichtsfach h i n zum gegenteiligen Erfolg, nämlich gerade zur Eingrenzung der staatsbürgerlichen Erziehung, geführt, die i n einer oder zwei Wochenstunden als Pflichtübung isoliert wurde. 149 A B l . 1947, S. 1077.

V. Materielle Normen

59

A r t . 26 Abs. 1: „Unterricht u n d Erziehung haben das Ziel, den jungen Menschen so heranzubilden, daß er seine Aufgabe i n Familie u n d Gemeinschaft erfüllen kann."

Daß hier nicht von „Bildung" die Rede ist, scheint redaktioneller Zufall zu sein, denn i n Abs. 2 w i r d das Recht der Eltern normiert, „Bildung und Erziehung" ihrer Kinder zu bestimmen. I m übrigen enthält A r t . 26 Abs. 1 reine Leerformeln, die allerdings durch A r t . 30 aufgefüllt werden sollen: A r t . 30: „ D i e Jugend ist i n der Ehrfurcht v o r Gott, i m Geiste der christlichen Nächstenliebe u n d der Völkerversöhnung, i n der Liebe zu Heimat, V o l k u n d Vaterland, zu sittlicher u n d politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher u n d sozialer Bewährung u n d zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen."

Auch hier stellt sich die bereits bei A r t . 12 Verf. Ba.-Wü. und A r t . 7 Verf. NW. aufgeworfene Frage, ob nicht „Ehrfurcht vor Gott" und „christliche Nächstenliebe" mindestens restriktiv zu interpretieren seien. A r t . 29: „Der Religionsunterricht ist an allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren u n d höheren S c h u l e n . . . ordentliches Lehrfach."

j) Schleswig-Holstein Die Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 150 verzichtet auf eine Festlegung von Bildungszielen und Unterrichtsinhalten. Allerdings verbirgt sich hinter A r t . 6 Abs. 4 eine schulinterne Entscheidung, die anderer A r t ist als die bisher erwähnten: Es heißt dort, daß „die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob ihre Kinder die Schule einer nationalen Minderheit besuchen sollen". Möglicherweise ist hier eine dänische Minderheitsschule institutionell garantiert, die dann auch die ihr gemäßen Bildungsinhalte vermittelt. k) Rheinland-Pfalz Die Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 151 setzt i n mehreren A r t i k e l n oberste Normen für die innere Gestalt des staatlichen Schulwesens. Zu A r t . 29, i n dem von „Erziehung und Unterricht" an den Bekenntnisschulen die Rede ist, versucht der Kommentar von Süsterhenn-Schäfer 162 150

GVB1.1950, S. 3. ist Verordnungsblatt 1947, S. 209.

152 Adolf Süsterhenn - Hans Schäfer , Kommentar der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz, 1950, S. 153.

60

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

diesen Begriffen Momente zuzuordnen und führt i m übrigen zu Hecht aus, „daß Erziehung und Unterricht sich i n weitem Umfange gegenseitig bedingen und durchdringen". A r t . 32: „ B e i m A u f b a u des Schulwesens ist der Eigenart der männlichen u n d w e i b lichen Jugend Rechnung zu tragen." A r t . 33: „Die Schule hat die Jugend zur Gottesfurcht u n d Nächstenliebe, Achtung u n d Duldsamkeit, Rechtlichkeit u n d Wahrhaftigkeit, zur Liebe zu V o l k u n d Heimat, zu sittlicher H a l t u n g u n d beruflicher Tüchtigkeit u n d i n freier, demokratischer Gesinnung i m Geiste der Völkerversöhnung zu erziehen." A r t . 34S.1: „ D e r Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren u n d höheren Lehranstalten." A r t . 38: „ B e i der Gestaltung des höheren Schulwesens ist das klassisch-humanistische Bildungsideal neben anderen Bildungszielen gleichberechtigt zu berücksichtigen."

Der letztgenannte Verfassungsartikel hat trotz seiner Einzigartigkeit i m gesamten deutschen Verfassungsrecht i n der Literatur kaum Beachtung gefunden. Immerhin aber bedauert Haugg 153, daß eine derartige Vorschrift i n das Schulrecht von Nordrhein-Westfalen keinen Eingang gefunden habe, und Schätzel 154, vermerkt am Rande, daß aus den Kultusbestimmungen der Verfassung u. a. A r t i k e l 38 interessieren könne. Seinem Inhalte nach enthält A r t i k e l 38 eine institutionelle Garantie des herkömmlichen Humanistischen — oder wie es seit dem Düsseldorfer Abkommen 1 5 5 offiziell heißt — altsprachlichen Gymnasiums. „Die Schulverwaltung i s t . . . verpflichtet, i m Rahmen des finanziell Möglichen und sachlich Notwendigen für die Erhaltung und Ausbreitung des humanistischen Gymnasiums neben den anderen Schultypen zu sorgen. Eine »Schulreform 4, die das humanistische Gymnasium beseitigen oder aushöhlen würde, wäre verfassungswidrig 156 ." Zu dem essentiellen Bestand 153 Werner Haugg, Kommentar zum Schulordnungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1962, S. 73. 154 Walter Schätzel, Die neue Rheinland-Pfälzische Verfassung, i n : Deutsche Rechtszeitschrift, 1947, S. 245 ff. (248). 155 A b k o m m e n zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens, Entschließung der Ministerpräsidentenkonferenz i n Düsseldorf v o m 17. 2. 1955, § 9 Abs. 1 Nr. a; T e x t i n : Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder i n der Bundesrepublik Deutschland, Loseblatt-Sammlung, Leitzahl 100; Leonhard Froese - Viktor von Blumenthal, Bildungspolitik u n d Bildungsreform, 1969, S. 307 ff.; A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s von Rheinland-Pfalz, 1955, S. 55 ff. 156 Süsterhenn-Schäfer, a.a.O., S. 178.

V. Materielle Normen

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dieses humanistischen Gymnasiums gehört die Unterrichtung der Schüler i n den beiden alten Sprachen Lateinisch und Griechisch. Letzteres Fach ist das ausgesprochene Spezifikum dies Schultyps. A r t . 38 enthält somit eine Festlegung und Garantie der Fächer Lateinisch und Griechisch am System der höheren Schulen von Rheinland-Pfalz. Daß A r t . 38 i n die Verfassung von Rheinland-Pfalz Aufnahme gefunden hat, ist das persönliche Verdienst von Adolf Süsterhenn. Diese Aussage w i r d man angesichts der Entstehungsgeschichte der Verfassung von Rheinland-Pfalz getrost treffen können 1 5 7 . Als der Verfassungsausschuß der Beratenden Landesversammlung 158 am 18. Dezember 1946 i n Koblenz zu seiner ersten Sitzung zusammentrat, lag i h m bereits ein Verfassungsentwurf vor. Dieser Entwurf enthält i n A r t . 41 eine dem jetzigen A r t . 38 gleichlautende Regelung 159 . Zu dem Entw u r f heißt es i m Protokoll der 1. Sitzung 1 6 0 : „Dr. Süsterhenn gab dann einen umfassenden Bericht über die Vorgeschichte des Verfassungsentwurfs." Diese Vorgeschichte läßt sich wie folgt rekonstruieren: Der französische Oberkommandierende i n Deutschland hat m i t der Verordnung Nr. 57 vom 30. August 1946 161 zur Bildung einer „Assemblée Consultative" und einer „Commission mixte" den Anstoß gegeben. Diese Commission mixte sollte die Arbeit der Assemblée Consultative vorbereiten, die ihrerseits eine Verfassung für Rheinland-Pfalz ausarbeiten sollte. „Noch vor der Bildung der BeratLVers. wurde von der gemischten Kommission am 21. September 1946 ein vorberatender Verfassungsausschuß einberufen, 157 Verf. befindet sich i n diesem P u n k t i n Übereinstimmung m i t Mitgliedern des Verfassungsausschusses der Beratenden Landesversammlung. 158 Z u diesen Institutionen, w i e überhaupt zur Vorgeschichte des Landes Rheinland-Pfalz u n d seiner Verfassung: Süsterhenn-Schäfer, a.a.O., S. 24 ff.; Friedrich Klein, Neues deutsches Verfassungsrecht, 1949, S. 141 ff.; Georg Kratz, Mittelrhein-Saar, 1954 (für den Zeitraum nach der K a p i t u l a t i o n u n d v o r der französischen Besatzung); Rheinland-Pfalz 1947-1962, Dokumente der Zeit, 2. A u f l . 1962, S. 7 ff.; Wolf gang Götz, i n : Rheinland-Pfalz, Heute u n d morgen, S. 25 ff.; Schunck, Die Verfassung v o n Rheinland-Pfalz, i n : RheinischPfälzisches Verwaltungsblatt, 1948, S. 177 ff.; Adolf Süsterhenn, Z u m Verfassungsentwurf Rheinland-Pfalz, i n : Kölnische Rundschau, 10. 1. 1947, S. 5 u n d 14.1.1947, S. 3; ders., Dr. Peter A l t m e i e r 20 Jahre Ministerpräsident, i n : Staatszeitung, Staatsanzeiger f ü r Rheinland-Pfalz, 29. 7. 1967, S. l f . ; Karl Schultes, Die süddeutschen Länderverfassungen, 1948, S. 43 ff.; Fritz Duppré, Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz, i n : Franz Maier - Carl Hermann Ule - Fritz Duppré Rudolf Stich, Staats- u n d Verwaltungsrecht i n Rheinland-Pfalz, 1969, S. 22 ff. 159 T e x t des Entwurfes: Drucksache Nr. 11 der Beratenden Landesversamml u n g Rheinland-Pfalz, linke Seite, linke Spalte (wie alle i m folgenden angeführten Materialien einzusehen i n der Bibliothek des Landtages v o n Rheinland-Pfalz i n Mainz). 160 Protokoll über die Sitzung des Verfassungsausschusses der Beratenden Landesversammlung, 18.12.1946. 161 Journal officiel d u commandement en chef Français en Allemagne Nr. 35, 30 A o û t 1946, p. 292.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

der sich aus Vertretern der damals bestehenden Parteien zusammensetzte. I h m gehörten an: Dr. Süsterhenn als Vorsitzender . . . Dem vorberatenden Verfassungsausschuß lag als Arbeitsgrundlage ein von Dr. Süsterhenn i n Zusammenarbeit m i t Dr. Biesten aufgestellter Vorentwurf zu Grunde, aus dem i n mehreren Sitzungen bis zum 25. Oktober der amtliche Vorentwurf entstand, der dann von der gemischten Kommission der BerLVers. als Material für die Aufnahme ihrer Arbeiten vorgelegt wurde 1 6 2 ." Über die Arbeit des vorberatenden Verfassungsausschusses selbst scheinen schriftliche Unterlagen nicht oder nicht mehr vorzuliegen 1 6 3 . Der dem Verfassungsausschuß der Beratenden Landesversammlung vorgelegte Verfassungsentwurf wurde als CDU-Entwurf diskutiert. Wiew o h l mannigfache Regelungen des Entwurfes Gegenstand der Auseinandersetzung waren, stieß A r t . 41 (der spätere A r t . 38) auf keinerlei Interesse. Immerhin aber heißt es i n dem von der SPD vorgelegten A l t e r nativ-Entwurf 1 6 4 , daß A r t . 41 „entfällt". Der Alternativ-Entwurf der K P D 1 6 5 enthält eine dem A r t . 38 entsprechende Regelung ebenfalls nicht. Die Autoren des sozialdemokratischen Gegenentwurfes 166 erklärten dem Verf. allerdings auf Befragen, die SPD habe i n keiner Weise das Humanistische Gymnasium zu bekämpfen versucht, vielmehr würden seine Inhalte auch von der SPD bejaht. Indes sei die besondere Hervorhebung des Humanistischen Gymnasiums geeignet gewesen, diesen Schultyp wieder zur Standesschule werden zu lassen, und die Streichung des Artikels sei möglicherweise deswegen erfolgt 1 6 7 ; auch habe man dem CDU-Entwurf, der möglicherweise versteckte Zielsetzungen enthalten habe, i n keiner Weise entgegenkommen wollen 1 6 8 . 162

Süsterhenn i n : Süsterhenn-Schäfer, a.a.O., S. 24. Staatsminister a. D. Professor Dr. Adolf Süsterhenn hat dem Verf. m i t Schreiben v o m 8. 12. 1967 mitgeteilt, daß er keine Unterlagen über die A r b e i t des vorberatenden Verfassungsausschusses mehr i m Besitz habe. Derartige Unterlagen sind ferner i m Kultusministerium, i m Justizministerium, i n der Staatskanzlei u n d beim Landtag, alle Mainz, u n d i m Staatsarchiv Koblenz (Schreiben an den Verf. v o m 2.6.1969) nicht vorhanden. 164 p r o t . v o m 7. 2. 1947; T e x t : Drucksache Nr. 11 der Beratenden Landesversammlung, rechte Seite, l i n k e Spalte. 165 Prot, v o m 4. 3. 1947; T e x t : Drucksache Nr. 11 der Beratenden Landesversammlung, rechte Seite, rechte Spalte. 166 Schulrat Justus Cronenbold, Worms; Schulrat August Schäfer, L u d w i g s hafen am Rhein (die Namen der Mitglieder des Verfassungsausschusses u n d des Kulturpolitischen Ausschusses der Beratenten Landesversammlung ergeben sich aus dem Anhang zur Drucksache Nr. 4 der Beratenden Landesversammlung Rheinland-,Pf alz). 167 So Schäfer i m Gespräch m i t dem Verf. i n Ludwigshafen am Rhein am 6. 4. 1968. Verf. möchte allerdings diese Aussage gleichsam als ein v a t i c i n i u m ex eventu werten. 168 So Cronenbold i m Gespräch m i t dem Verf. i n Worms am 30.6.1968. 163

V. Materielle Normen

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Ohne näher beachtet, geschweige denn diskutiert zu werden 1 6 9 , passierte A r t . 41 alle Lesungen des Verfassungsausschusses, stand dann als A r t . 38 i m „Entwurf einer Verfassung für Rheinland-Pfalz nach dem Stand am Schluß der 2. Lesung des Verfassungsausschusses der Beratenden Landesversammlung" 1 7 0 , der als CDU-Entwurf m i t einer Stimmenmehrheit von 8 gegen 6 Stimmen i m Verfassungsausschuß angenommen worden w a r 1 7 1 , wurde als Bestandteil dieses Entwurfs der Beratenden Landesversammlung vorgelegt, die i n ihrer Sitzung vom 23. bis 25. A p r i l 1947 172 zwar viel über Elternrecht und Bekenntnisschule debattierte, aber über das Humanistische Gymnasium kein Wort verlor, wurde durch die Volksabstimmung vom 18. Mai 1947 173 geltendes Recht und steht so bis heute i n der Verfassung von Rheinland-Pfalz. Eine Einflußnahme der französischen Besatzungsmacht auf die verfassungsrechtliche Normierung des Höheren Schulwesens, insbesondere auf A r t . 38 ist kaum nachzuweisen; wie überhaupt die Alliierten trotz mancher kritischen Äußerung 1 7 4 den überlieferten Bestand der deutschen Schule nicht angetastet haben 1 7 5 . Die alliierte Bildungspolitik i n den Jahren nach 1945 176 stand ganz i m Zeichen der Entnazifizierung und der Erziehung zur Demokratie 1 7 7 . Immerhin aber waren die Besatzungs169 Dies haben dem Verf. ferner mündlich bestätigt die Abgeordneten: Frau Oberstudienrätin Dr. Ella Weiss, Ludwigshafen a. Rh., am 1. 4. 1968; Oberbürgermeister a. D. Valentin Bauer, Ludwigshafen a. Rh., am 4. 7. 1968; B ü r germeister a. D. Jacob Ziegler, Weyher (Pfalz), am 8.11.1969. 170 Drucksache Nr. 12 der Beratenden Landesversammlung. 171 Prot, v o m 15. - 17. A p r i l 1947. 172 Prot, über die 8. Sitzung der Beratenden Landesversammlung RheinlandPfalz v o m 23. - 25. A p r i l 1947 ( = Drucksache Nr. 16 der Beratenden Landesversammlung). 173 Schätzel (DRZ 1947, S. 245) rechnet aus, daß n u r 37,2 %> der Stimmberechtigten f ü r die Verfassung gestimmt haben. Über die Schulartikel w u r d e i m übrigen gesondert abgestimmt; vgl. die 2 Rubriken auf dem Stimmzettel, i n : Rheinland-Pfalz 1947 - 1962, Dokumente der Zeit, 2. A u f l . 1962, S. 14. 174 James P. Warburg, Deutschland — Brücke oder Schlachtfeld, 1949, S. 150 ff.; Lucius D. Clay, Entscheidung i n Deutschland, S. 315 ff.; Der gegenwärtige Stand der Erziehung i n Deutschland, Bericht der Amerikanischen Erziehungskommission, o. J. (1946). 175 James Bryant Conant befürwortet die „Weiterführung der freien u n d humanistischen Überlieferung", i n : H a r v a r d Committee, Allgemeinbildung i n einem freien Volk, 1949, S. 8. 176 Vgl. hierzu neben den i n A n m . 174, 175 genannten Autoren: Erich Weniger, Die Epoche der Umerziehung 1945 - 1949, i n : Westermanns Pädagogische Beiträge, 1959, S. 403 ff., 517 ff.; Theodor Wilhelm, Pädagogik der Gegenwart, 3. A u f l . 1963, S. 461; Leonhard Froese, M o t i v a t i o n u n d Genese der Bildungsreformpolitik i n Deutschland seit 1945, i n : B i l d u n g u n d Bildungsreform, hrsg. v o n Leonhard Froese - Viktor von Blumenthal, 1969, S. 13 ff. 177 v g L etwa das Amtsblatt des Kontrollrates i n Deutschland, 31. 5. 1946, S. 151 f., 1. 7. 1946, S. 162; Ergänzungsblatt Nr. 1, 1946, S. 15; weitere D o k u mente i n : Froese-Blumenthal (Hrsg.), Bildungspolitik u n d Bildungsreform, S. 75 ff.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

mächte bemüht, ihrer jeweiligen Landessprache i m deutschen Bildungswesen einen Ort zu geben 178 , wie es denn auch i n der Direktive Nr. 54 der Alliierten Kontrollbehörde 1 7 9 heißt, daß „dem Studium der modernen Sprachen i n den Lehrplänen besondere Aufmerksamkeit" zu widmen sei. Frankreich hat denn auch von dieser Gelegenheit regen Gebrauch gemacht, und das Projekt des Humanistischen Gmynasiums wäre nach Süsterhenn 180 beinahe daran gescheitert, daß die französische M i l i t ä r regierung „grundsätzlich Französisch an Stelle des Lateinischen als erste Fremdsprache an den höheren Lehranstalten verlangte". Auch nach I n krafttreten der Verfassung von Rheinland-Pfalz war Französisch lange Jahre Pflichtfremdsprache und schriftliches und mündliches Reifeprüfungsfach an allen Höheren Schulen 181 . Von einer sehr bemerkenswerten Erfahrung m i t der französischen B i l dungspolitik i n Deutschland nach 1945 berichtet Carlo Schmid: „Als die Franzosen bei uns i n Süddeutschland den Versuch machten, uns Demokratie zu lehren, da sagte einer ihrer Bildungsleute, die zu uns gekommen waren: Wenn man aus den Deutschen Demokraten machen wolle, müsse man eine Reihe von Dingen abschaffen, u. a. den Berufsbeamten einer bestimmten A r t , das Offizierskorps und das humanistische Gymnasium. Denn, sagte er, die Teilung dieses Volkes i n Leute, die Lateinisch können, und solche, die es nicht können, schaffe einen politischen Graben, der es unmöglich mache, daß i n diesem Volke wirklich eine echte Demokratie entstehen könne. Meine A n t w o r t darauf war, daß ich als eine der ersten Regierungsmaßnahmen sämtliche württembergischen Gymnasien wiederherstellte 1 8 2 ." Soweit Süsterhenn ähnliche Tendenzen zu überwinden hatte, war i h m m i t A r t . 38 der Verfassung von Rheinland-Pfalz ein noch nachhaltigerer Erfolg beschieden. Eine Einflußnahme der Kirchen auf die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Höheren Schulwesens läßt sich nicht nachweisen. Der Protestantische Landeskirchenrat der Pfalz und das bischöfliche Ordinariat 178 179

S. 102.

Vgl. Weniger, a.a.O., (Anm. 176), S. 410. i n : Froese-Blumenthal (Hrsg.), Bildungspolitik

und

Bildungsreform,

180 i n : Süsterhenn-Schäfer, Kommentar der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz, 1950, S. 178. 181 Vgl. A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n Rheinland-Pfalz, 1949, S. 82,1960, S. 55. 182 Das humanistische Bildungsideal, o. J. (nach 1956), S. 23/24. Diese Bemerkungen werden aufgegriffen bei Max Krüger - Georg Hornig, Methodik des altsprachlichen Unterrichts, 1959, S. 15. I m übrigen hat Bundesminister a. D. Professor Dr. Carlo Schmid dem Verf. m i t Schreiben v o m 6. 10. 1967 mitteilen lassen, daß es über die erwähnte Begebenheit keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt.

V. Materielle Normen

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S p e y e r h a b e n 1946 d e m V e r f a s s u n g s e n t w u r f l e d i g l i c h i h r Plazet gegeb e n 1 8 3 ; letzteres h a t a l l e r d i n g s z u d e m A b s c h n i t t „ B i l d u n g , Schule u n d K u l t u r p f l e g e " e i n e n eigenen E n t w u r f e r a r b e i t e t 1 8 4 , d e r jedoch v o n d e m V e r f a s s u n g s e n t w u r f n i c h t w e s e n t l i c h a b w e i c h t , aber k e i n e d e m A r t . 38 entsprechende N o r m e n t h ä l t 1 8 5 . G l e i c h w o h l s t e h t die i n A r t . 38 z u g e l t e n d e m Recht g e w o r d e n e I n t e n t i o n i n d e n J a h r e n n a c h 1945 n i c h t i s o l i e r t da. A n a l o g z u d e m W i e d e r a u f b l ü h e n d e r N a t u r r e c h t s l e h r e 1 8 6 herrschte auch i m B i l d u n g s b e r e i c h nach der beispiellosen K a t a s t r o p h e v o n 1945 die Ü b e r z e u g u n g , daß n u r d u r c h e i n e n R e k u r s a u f die i m H u m a n i s t i s c h e n G y m n a s i u m v e r k ö r p e r t e a b e n d ländische B i l d u n g s t r a d i t i o n d e r u n t e r d e m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s e r f o l g t e n P e r v e r s i o n a l l e r W e r t e e n t g e g e n g e w i r k t u n d eine N e u b e s i n n u n g des Menschen e r m ö g l i c h t w e r d e n k ö n n e . Was m a n i m B e r e i c h des Rechtes als „Renaissance des N a t u r r e c h t s " bezeichnet h a t , scheint i m B i l d u n g s b e r e i c h m i t d e m A u f l e b e n des H u m a n i s m u s seine P a r a l l e l e g e f u n d e n z u haben. G e l e h r t e w i e Heinrich Weinstock 187, Otto Regenbogen 188 u n d Karl Jaspers 189 setzten sich f ü r das H u m a n i s t i s c h e G y m n a s i u m e i n ; i h n e n s t a n d eine R e i h e w e i t e r e r m e i s t gerade schulpolitischer P u b l i k a t i o n e n 1 9 0 , d a r u n t e r eine D e n k s c h r i f t d e r U n i v e r s i t ä t H a m b u r g 1 9 1 , z u r Seite. I n d e r 183 I n die entsprechenden Dokumente hat Bürgermeister a. D. Jakob Ziegler, Weyher (Pfalz), dem Verf. am 8.11.1969 großzügig Einblick gewährt. 184 w i e zuvor. 185 D a m i t dürfte sich eine — wissenschaftlich ohnehin nicht verifizierbare — Vermutung als gänzlich unbegründet erweisen, als habe m i t A r t . 38 der Priesternachwuchs garantiert werden sollen. 186 Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A u f l . 1967, S. 586 ff., 603 ff.; Hans Welzel, Naturrecht u n d materiale Gerechtigkeit, 4. A u f l . 1962, S. 219 ff.; jeweils m. w . N w . 187 Realer Humanismus — Die Wiederkehr des Tragischen, 1949; Weinstock läßt den „Humanismus" allerdings n u r als „gebrochenen" gelten (S. 30); vgl. die späteren Werke, wo dies expliziert w i r d : Die Tragödie des Humanismus, 1953; Realer Humanismus, 1955; ders., Die abendländische Ordnung der deutschen Bildungsanstalten, 1947. 188 Humanismus heute, 1947. 189 Über Bedingungen u n d Möglichkeiten eines neuen Humanismus, 1951 (Neudr. 1962). 190 Helmut Prang, Der Humanismus — Sein Wesen u n d Wandel i n Deutschland, 1947; Walter Schönbrunn, Das Humanistische Gymnasium — eine Erziehungsstätte der Demokratie, Rudolstadt (SBZ!) 1947); Erwin Stein, Vorschläge zur Schulgesetzgebung i n Hessen, 1950; Abendländisches Bildungsideal, 1948; Denkschrift des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen über die Reform der Schulorganisation, 1947, S. 6: „ A u c h i n der Frage des humanistischen G y m nasiums waren alle Referenten entgegen den gegen das M i n i s t e r i u m i n der Öffentlichkeit wiederholt ausgesprochenen u n d propagandistisch vertretenen Verdächtigungen v o n vornherein zu seiner Erhaltung entschlossen, w e n n neben i h m das neusprachliche u n d das mathematisch-naturwissenschaftliche G y m nasium m i t Englisch als erster Fremdsprache geschaffen würde." Franz Fendt, A u f r i ß eines deutsen Bildungsplanes, 1946. 191 Die Schule i n unserer Zeit — Z u r Frage der Neuordnung des Hamburger Schulwesens, 1949.

5 Hennecke

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Verfassung von Rheinland-Pfalz aber haben Humanismus und Naturrecht ihre Synthese gefunden. Süsterhenn schreibt 1 9 2 : „Die Verfassungsgeber legten entscheidenden Wert darauf, die auf der Antike aufbauende humanistische Bildung als Grundlage der christlich-abendländischen K u l t u r und gemeinsames Erbgut der europäischen Völker i m höheren Schulwesen wieder stärker zur Geltung zu bringen, u m so i n der studierenden Jugend das europäische Gemeinschaftsbewußtsein zum Tragen zu bringen." Das Humanistische Gymnasium w i r d hier zum Hort des christlichen Abendlandes kreiert; und da eine Bedrohung durch den Kommunismus vor aller Augen stand, dürfte als weitere Motivation der Wille mitgewirkt haben, dem kommunistischen Totalitarismus und seinem bildungspolitischen Utilitarismus 1 9 8 die abendländische Bildungstradition entgegenzustellen. Die Restauration des christlichen Abendlandes findet auch i n den naturrechtlichen Bestimmungen i n der Verfassung von RheinlandPfalz 1 9 4 beredten Ausdruck. A r t . 38 gerät i n dieser Umgebung allerdings i n den Verdacht, als solle hier ein „christlicher Humanismus" aufgerichtet werden. „Christlicher Humanismus" ist aber nur dann keine contradictio i n adiecto, wenn man wie Weinstock 195 i n entschiedener Abkehr von Winckelmann und Humboldt den Humanismus nur als „tragischen" oder „gebrochenen" begreift. Aber es scheint, als sei die i n A r t . 38 zu Tage getretene Anschauung zwar durch das Fegefeuer des zweiten Weltkrie192

I n : Süsterhenn-Schäfer, Kommentar der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz, 1950, S. 178. 193 Georg von Rauch, Geschichte des bolschewistischen Rußland, 3. A u f l . 1965, S. 193, über die sowjetische Bildungspolitik nach der Revolution: „ A u c h der Lehrplan stand i m Zeichen der Befreiung v o n überflüssigem Ballast. H i e r zu wurden sowohl die alten als auch die neuen Fremdsprachen gerechnet." Hervorzuheben ist allerdings eine dem Verf. gegenüber i n der CSSR 1967 gemachte Bemerkung, daß m a n i m Bildungswesen auf die alten Sprachen zurückkommen müsse. Vgl. neuerdings auch den sehr bemerkenswerten Bericht v o n Bernhard Kytzler über eine Rede des rumänischen Ministerpräsidenten Maurer anläßlich eines Kongresses zur Förderung der lateinischen Sprache i n Bukarest (Ein Staatschef lobt Latein, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 9. 1970, S. 2). H i e r gewinnt das Latein sogar eine aktuelle politische Brisanz! 194 Präambel; A r t . 1 Abs. 1 u n d 3; A r t . 23 Abs. 1; A r t . 35 S. 2; A r t . 60 Abs. 1 S. 1; vgl. hierzu Hellmut Georg Isele, Naturrechtsgedanken i n der Verfassung f ü r Rheinland-Pfalz, i n : K u l t u r u n d Wirtschaft i m Rheinischen Raum, 1949, S. 181 ff.; Süsterhenn-Schäfer, a.a.O.; kritisch: Wilhelm Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen, 1947, S. 49 f. 195 Heinrich Weinstock, Realer Humanismus, 1955, S. 16: Indem das 19. Jahrhundert „ein Griechentum, das v o n den Schrecken des Tragischen, m i t einem Christentum, das v o n Ärgernis u n d Torheit gereinigt ist, zusammentut, k o m m t das Zwittergebilde eines sogenannten christlichen Humanismus zustande, die durch die Säulen v o n T h r o n u n d A l t a r getragene Bildungsreligion einer selbstsicheren bürgerlichen Welt". Vgl. ders., Die Tragödie des Humanismus, 1953, S. 350 f.

V. Materielle Normen

ges, nicht aber durch die Katharsis etwa von Bultmanns und Weinstocks Humanismus-Kritik hindurchgegangen.

67

Jesus-Buch 196

Es versteht sich, daß A r t . 38 Konfliktstoff birgt. I m Laufe seiner Geltung ist es zu mindestens zwei Auseinandersetzungen gekommen. Als i m Jahre 1959 der Deutsche Ausschuß für Erziehungs- und B i l dungswesen den daraufhin vieldiskutierten Rahmenplan 1 9 7 vorlegte, der u. a. die Schaffung einer das herkömmliche Humanistische Gymnasium ablösenden „Studienschule" vorsah (die von der K r i t i k durchweg Ablehnung erfahren hat), trat das rheinland-pfälzische Kultusministerium unter Kultusminister Dr. Eduard Orth 198 m i t einem Alternativentwurf hervor 1 9 9 . M i t diesem Entwurf wurde u. a. die Tendenz verfolgt, die i n der Studienschule des Rahmenplans befürchtete Isolierung der humanistischen Bildungsgehalte zu verhindern. Der Entwurf wurde aber als „Mainzer Gegenplan" Objekt der K r i t i k 2 0 0 . Es kam zu einer Großen Anfrage der Fraktion der SPD i m Landtag Rheinland-Pfalz 2 0 1 . Dort mußte sich der Kultusminister der Auseinandersetzung stellen. Er hat den Gegenplan umfassend gerechtfertigt 202 . Zu einem zweiten Kristallisationspunkt des Kampfes u m das Humanistische Gymnasium wurde das sogenannte „Hamburger Abkommen". 196

Rudolf Bultmann, Jesus, 1926 (Neudr. 3. A u f l . 1967). Empfehlungen u n d Gutachten des Deutschen Ausschusses f ü r Erziehungsu n d Bildungswesen, Folge 3: Rahmenplan zur Umgestaltung u n d Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens, 1964; Folge 5: Z u r Diskussion des Rahmenplans, K r i t i k u n d A n t w o r t , 1965; beides i n : Empfehlungen u n d Gutachten des Deutschen Ausschusses f ü r das Erziehungs- u n d B i l dungswesen 1953 - 1965, Gesamtausgabe, 1966; auszugsweise i n : Froese-Blumenthal (Hrsg.), Bildungspolitik u n d Bildungsreform, 1969, S. 313 ff.; zur Diskussion vgl. die umfassende Dokumentation „ F ü r u n d Wider den Rahmenplan", hrsg. von Alfons Otto Schorb, 1960. 198 der das Humanistische Gymnasium sehr befürwortet hat; vgl. seinen V o r trag „Der Bildungsauftrag des Gymnasiums", i n : K u l t u r p o l i t i k i n RheinlandPfalz, Schriftenreihe des Ministeriums für Unterricht u n d Kultus, Heft 1, 1968; vgl. auch den Nachruf auf Eduard Orth, i n : Staatszeitung, Staatsanzeiger f ü r Rheinland-Pfalz, 7.4.1968, S. 5. 199 T e x t i n : Schorb (Hrsg.), F ü r u n d Wider den Rahmenplan, S. 34 f. u n d i n : Staatszeitung, 19. 7. 1959, S. 1 f.; vgl. Walter Thum, Sinnvolle Schulreform, i n : Staatszeitung, 19. 7.1959, S. 1/2. 200 y g i Walter Dirks, Der sicherste Weg zum Bundeskultusministerium oder: Jedem L a n d sein eigener Rahmenplan, i n : Frankfurter Hefte, 1959, S. 543 ff.; hierauf Eduard Orth, Begründete Bedenken u n d Einwände als Beitrag zur E r örterung, i n : Frankfurter Hefte, 1959, S. 812 f.; wiederum Dirks, ibid., S. 815 f. 197

201

Landtag Rheinland-Pflaz, I V . Wahlperiode, Drucksache 11/46. Die Debatte: Landtag Rheinland-Pfalz, I V . Wahlperiode, Stenographischer Bericht über die 8. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am 10. 12. 1959, Sp. 189 ff.; hierzu Josef Gutberiet, Eine permanente Aufgabe, i n : Staatszeitung, 13.12.1959, S. 1/2. 202

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68

1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Hiervon war bereits kurz die Rede (s. o. S. 29, 37). Was die Entstehungsgeschichte des Hamburger Abkommens betrifft, berichtet der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Altmeier, i n seiner Regierungserklärung am 5. 11. 1964 203 , daß sich die Länder Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein bis zum Schluß entschieden gegen das Projekt gestellt hätten, dann aber von den übrigen Bundesländern majorisiert worden seien 204 . Es wäre nicht angegangen, das Abkommen durch einen Alleingang des Landes Rheinland-Pfalz überhaupt zu Fall zu bringen. Altmeier berichtet weiter davon, daß sich zahlreiche Eingaben und Resolutionen von privater, universitärer 2 0 5 und kirchlicher Seite an i h n gewandt hätten m i t dem Anliegen, das Abkommen zu verhindern 2 0 6 . Von lokalen A k t i v i täten berichtet die örtliche Presse 207 ; das Argument des A r t . 38 wurde hierbei ins Spiel gebracht und das Hamburger Abkommen rundweg als verfassungswidrig bezeichnet. Es kam daraufhin zu einer großen Anfrage der FDP-Fraktion i m Landtag Rheinland-Pfalz 2 0 8 . Die ausführliche Landtagsdebatte brachte jedoch keine abschließende Klärung 2 0 9 . Der Unterrichtbeginn für Griechisch wurde erstmals m i t dem Schuljahr 1968/1969 auf das 9. Schuljahr verlegt 2 1 0 » 2 1 1 . Das Kultusministerium hat das Problem durch Heraufsetzung der Stundenzahl i n den verbliebe203 Landtag Rheinland-Pfalz, V. Wahlperiode, Stenographischer Bericht über die 34. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am 5. 11. 1964, S. 1119 f.; hierzu Josef Gutberiet, E i n reichhaltiges Arbeitspensum, i n : Staatszeitung, 8.11. 1964, S. 1/2. 204 z u r Entstehungsgeschichte des Hamburger Abkommens vgl. die nicht veröffentlichten Protokolle der Kultusministerkonferenz u n d des Schulausschusses der Kultusministerkonferenz, die hier nicht referiert werden können. 205 v g l auch das Memorandum der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, i n : E i n Jahr Griechisch weniger?, 1965, S. 39 f. 206 Petitionen v o n Verfechtern des Humanistischen Gymnasiums sind i m übrigen nicht neu; vgl. die Petition an die Verfassunggebende Nationalversammlung Deutschlands, Weimar, i n : Das Gymnasium u n d die neue Zeit, 1919, Anlage. 207 F ü r d e n Raum Ludwigshafen am Rhein: Die Rheinpfalz, Tageszeitung, 15. 2. 1965; Mannheimer Morgen, Tageszeitung, Ausgabe Ludwigshafen, 15. 2. 1965. 208

Landtag Rheinland-Pfalz, V. Wahlperiode, Drucksache 11/404. Landtag Rheinland-Pfalz, V. Wahlperiode, Stenographischer Bericht über die 43. Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am 1.6.1965, S. 1479 ff. 210 Vgl. A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n Rheinland-Pfalz, 1968, S. 179. 211 Hierbei ereignete sich i n einer Stadt i n der Pfalz folgende Groteske: Schüler, die wegen unzureichender Leistungen i n Griechisch i n der 8. Klasse nach dem Wortlaut des § 5 der Versetzungordnung (ABl. 1967, S. 275) nicht haben versetzt werden können, müssen die 8. Klasse wiederholen, obwohl das Fach Griechisch i n dieser Klasse jetzt nicht mehr gelehrt w i r d , sondern i n der 9. Klasse neu beginnt. E i n Beispiel dafür, w i e durch wörtliche Auslegung eine N o r m entgegen ihrem Sinn u n d Zweck ad absurdum geführt werden kann! 209

V. Materielle Normen

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nen Unterrichtsjahren entschärft 212 . Einem möglichen Verfassungsprozeß hat es hierdurch vorgebeugt; soweit ersichtlich, ist ein solcher Verfassungsprozeß, der grundsätzliche Fragen wie das Verhältnis zwischenstaatlicher Abkommen der Bundesländer untereinander zum Landesverfassungsrecht, die Konkretisierung eines abstrakten Bildungszieles bis i n die Zahl der Unterrichtsstunden hinein und den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung eines bestimmten Unterrichtsstoffes hätte aufrollen müssen, nicht angestrengt worden 2 1 3 . Eine letzte Entscheidung über das künftige Schicksal des Humanistischen Gymnasiums steht noch aus. Ein Gericht w i r d sie jedoch nicht fällen können, mag es auch eines Tages hiermit befaßt werden. Andererseits w i r d es zu dieser Entscheidung wohl auch kaum kommen: Denn der langsame Prozeß der Auszehrung, der das Humanistische Gymnasium erfaßt hat, w i r d diesen Schultyp möglicherweise zu völliger Bedeutungslosigkeit herabsinken lassen. Ob die Landesregierung von RheinlandPfalz auf Grund des i n A r t . 38 enthaltenen Verfassungsauftrages gehalten ist, diesem Prozeß etwa durch gezielte Werbung entgegenzuwirken, sollte immerhin anzunehmen sein. A u f jeden Fall aber verbietet sich eine gezielte Aushöhlung oder gar Abschaffung, zumal da die gesellschaftliche Nachfrage nach dem Humanistischen Gymnasium, wie oben hat gezeigt werden können, derzeit wenigstens noch einige Bedeutung besitzt. Hierbei w i r d i m übrigen wiederum jener oben beschriebene Antagonismus zwischen dem bildungspolitischen Anspruch des Staates und der gesellschaftlichen Nachfrage sichtbar, wobei A r t . 38 einen interessanten Funktionswandel erfahren hat, indem er ursprünglich den Anspruch des Staates an das Bildungswesen gegen die Gesellschaft, dann aber nach einem Wandel der politischen Verhältnisse geradezu den status positivus des Staatsbürgers gegen den Staat garantiert. Wenn der Exkurs über A r t . 38 der Verfassung von Rheinland-Pfalz diese Erkenntnis vermittelt, ist er nicht vergeblich gewesen. — 212 Vgl. die Lehrpläne f ü r die höheren Schulen des Landes Rheinland-Pfalz, Nachträge J u n i 1968, 1968; Paul Seipp - Ernst Schäck (Hrsg.), Schulrecht, E r gänzbare Sammlung der Vorschriften f ü r Schule u n d Schulverwaltung i n Rheinland-Pfalz, Loseblatt-Ausgabe, Bd. 2, B I V . 213 I n Hessen hat auf G r u n d v o n A r t . 56 Abs. 6 ein solcher Prozeß stattgefunden. Auch hierbei ging es u m das Humanistische Gymnasium; vgl. das U r t e i l des Hessischen Staatsgerichtshofes v o m 8. 3. 1958, i n : Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, i n : Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, S. 311 f. ( = DÖV, 1958, S. 462 f.). I n ironischer Weise ( Gruppen, die ein Defensivbewußtsein pflegen — insbesondere kirchliche Kreise u n d Altphilologen . . . " ) berichtet hiervon Friedrich Minssen , Schulbehörden, Lehrerschaft u n d Elternbeiräte v o r dem Problem der Schulreform, i n : Frankfurter Hefte, 1959, S. 483 ff. (492); auch Minssen bedauert, daß der Staatsgerichtshof „zu den von den K l ä gern vorgebrachten Sachfragen: Stufenabitur u n d Stundenzahlen des Griechisch-Unterrichts am altsprachlichen Gymnasium" (S. 495) keinerlei Stellung nimmt.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Der Überblick über die i n den Landesverfassungen festgelegten Inhalte des Bildungswesens hat gezeigt, daß die jeweils genannten obersten B i l dungs- und Erziehungsziele nicht allzusehr divergieren. Das ist auch angesichts der Nachkriegssituation, aus der heraus die Verfassungen entstanden sind, nicht allzu verwunderlich. Eine formale Konvergenz w i r d i m übrigen u m so größer, je allgemeiner die Erziehungs- und Bildungsziele formuliert sind. I n der Tat sind die meisten „Inhalte" doch nur Leerformeln, die der Ausfüllung bedürfen. Peters bemerkt zu Recht 2 1 4 , daß die meisten „Bildungsziele" i n den Verfassungen i n Wahrheit „Erziehungsziele" seien. Es ist gewiß festzustellen, daß die Verfassungen m i t der Unterscheidung beider Begriffe recht großzügig umgehen; andererseits darf man nicht erwarten, i n Verfassungen eines der Grundprobleme der Pädagogik gelöst zu finden. Überdies hängt hiervon nichts ab. Die Normierung schulischer Inhalte i n Landesverfassungen ist verschiedentlich auf K r i t i k gestoßen 215 . Es ist aber nicht einzusehen, warum das Schulwesen, das nun doch vom Staate veranstaltet wird, gerade deswegen keine oberste Grundnorm i n der Verfassung finden soll. Allerdings ist Pöggeler 216 zuzugeben, daß der Staat die Ziele und Ideale nicht schaffe: „Es wäre naiv zu glauben, ein Machen von Erziehungszielen seitens des Staates könne pädagogisches Leben erzeugen. Wohl aber ist die Schule dem Staat dankbar, daß er bestimmte Ziele und Aufgaben als die i n einem Gemeinwesen übergreifenden und allgemeinen anerkannt und gutheißt." A n konkreten Unterrichtsgegenständen gehen die Verfassungen über die vereinzelte Festlegung von Staatsbürgerlicher Erziehung, die i n der Literatur allgemein anerkannt und auch gefordert w i r d 2 1 7 , von Religion, Geschichte, Lateinisch und Griechisch kaum hinaus. Eines der großen Probleme der Festlegung von Bildungs- und Erziehungszielen, an dessen Lösung sich der Wert dieser Normierung erweisen muß, bleibt daher offen: die Konkretisierung. Eine Verfassung muß dieses Problem offen lassen. Zur Ausgestaltung sind Gesetzgeber und Verwaltung, speziell aber auch der Lehrer berufen. 214 Hans Peters, Elternrecht - Erziehung - B i l d u n g - Schule, i n : Karl August Bettermann - Hans Carl Nipperdey - Ulrich Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbbd., 1960, S. 399/400. 215 Etwa Hans Heckel, Eine Grundordnung der deutschen Schule, 1968, S. 17: „ . . . stets verunglückte Rechts-, insbesondere Verfassungsbestimmungen, i n denen der Versuch gemacht w i r d , pädagogische Inhalte gesetzlich zu fixieren." Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m M e n schen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 126/127. 216 a.a.O., S. 127. 217 Vgl. etwa Georg Kerschensteiner, Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 100; Arnold Bergstraesser, P o l i t i k i n Wissenschaft u n d Bildung, 1961, S. 247 ff.

V. Materielle Normen

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3. Die Landesschulgesetze D i e Landesschulgesetze h a b e n diese A u f g a b e , w e n n ü b e r h a u p t , n u r sehr u n v o l l k o m m e n e r f ü l l t . Dies d ü r f t e d a r i n seine Ursache haben, daß die A u s g e s t a l t u n g verfassungsrechtlich n o r m i e r t e r B i l d u n g s z i e l e b i s l a n g n i c h t als A u f g a b e des Gesetzgebers b e t r a c h t e t w o r d e n ist. E i n Ü b e r b l i c k ü b e r d i e gesetzlichen R e g e l u n g e n i n d e n B u n d e s l ä n d e r n w i r d dies v e r d e u t l i c h e n . a)

Baden-Württemberg

Das „Gesetz z u r V e r e i n h e i t l i c h u n g u n d O r d n u n g des Schulwesens" v o m 5. M a i 1 9 6 4 2 1 8 » 2 1 9 b e s c h r ä n k t sich a u f organisatorische R e g e l u n g e n des Schulwesens; B i l d u n g s z i e l e u n d U n t e r r i c h t s i n h a l t e w e r d e n n i c h t e r wähnt220. I m m e r h i n aber h e i ß t es — a l l e r d i n g s recht s u m m a r i s c h — i n § 1: „(1) Das Schulwesen des Landes gliedert sich, unbeschadet seiner i m gemeinsamen Erziehungs- u n d Bildungsauftrag begründeten Einheit i n verschiedene Schularten, die jedem jungen Menschen eine seiner Begabung entsprechende Ausbildung ermöglichen. (2) Bei der Gestaltung, Ordnung u n d Gliederung des Schulwesens ist sowohl auf die verschiedenartigen Begabungsrichtungen u n d die Mannigfaltigkeit der Lebens- u n d Berufsaufgaben als auch auf die Einheit des deutschen Schulwesens, den organischen A u f b a u des Schulwesens... Bedacht zu nehmen." M i t Gesetz v o m 24. M a i 1 9 6 7 2 2 1 h a t d e r L a n d t a g das „ H a m b u r g e r A b kommen" ratifiziert. b)

Bayern

Das „Gesetz ü b e r das E r z i e h u n g s - u n d U n t e r r i c h t s w e s e n " v o m 9. M ä r z i 9 6 0 2 2 2 » 2 2 3 e n t h ä l t i n A r t . 4 n u r a l l g e m e i n e B e s t i m m u n g e n , die ü b e r d i e V e r f a s s u n g s a r t i k e l n i c h t hinausgehen. 218

GBl. 1964, S. 235. Vgl. hierzu den K o m m e n t a r v o n Herbert Hochstetter, Gesetz zur V e r einheitlichung u n d Ordnung des Schulwesens i n Baden-Württemberg, 7. A u f l . 1970. 220 Dies verwundert, da doch Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger i n seiner Regierungserklärung v o m 25. 6. 1964 folgendes ausführt: „Das Wichtigste aber ist u n d bleibt, daß die Erziehung i m Elternhaus u n d i n der Schule ihnen" (d. i. den Kindern) „die geistige u n d seelische K r a f t zur Bewältigung der an sie gestellten Anforderungen, w o nötig zum Widerstand gegen die gefährlichen verkümmernden Tendenzen dieser Welt verleiht. I n den meisten veröffentlichten Bildungs- u n d Erziehungsprogrammen lese ich bestürzend wenig über dieses wichtigste Bildungs- u n d Erziehungsziel." (Verhandlungen des L a n d tages von Baden-Württemberg, 4. Wahlperiode 1964 - 1968, Stenographischer Bericht über die 4. Sitzung v o m 25. 6.1964, S. 20). 221 GBl. 1967, S. 74. 222 GVB1.1960, S. 19. 219

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

A r t . 4: „(1) A l l e Schulen haben i m Rahmen der i n der Verfassung des Freistaates Bayern festgelegten Bildungsziele die Aufgabe, Wissen u n d Können zu v e r mitteln, Geist, Körper u n d Charakter zu bilden, i m Geiste der Demokratie, i n der Liebe zur Heimat u n d zum deutschen V o l k u n d i m Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen. (2) öffentliche Schulen haben die Aufgabe, den Schülern das überkommene u n d bewährte Bildungsgut weiterzugeben, neues f ü r die Schüler lebendig zu machen u n d die zur E r f ü l l u n g ihres Bildungs- u n d Erziehungsauftrages geeigneten Wege zu beschreiten. (3).. I n A r t . 5 A b s . 2 w i r d das K u l t u s m i n i s t e r i u m z u m E r l a ß v o n A n s t a l t s o r d n u n g e n e r m ä c h t i g t , die insbesondere B e s t i m m u n g e n ü b e r die V e r t e i l u n g des U n t e r r i c h t s s t o f f e s , d e n U n t e r r i c h t selbst u n d die P r ü f u n g e n e n t h a l t e n sollen. D i e d a r a u f h i n ergangene „ S c h u l o r d n u n g f ü r d i e H ö h e r e n S c h u l e n i n B a y e r n " v o m 22. A u g u s t 196 1 2 2 4 d e l e g i e r t w i e d e r u m i n §§ 9, 10 d e n E r l a ß v o n L e h r p l ä n e n etc. a n das S t a a t s m i n i s t e r i u m f ü r U n terricht u n d Kultus. T r o t z d e m h e i ß t es i n § 1 A b s . 1: „ I n E r f ü l l u n g ihres verfassungsmäßigen Auftrages haben die Gymnasien die geistigen u n d seelischen K r ä f t e der ihnen anvertrauten Jugend zu wecken und zu pflegen. A u f der Grundlage der christlich-abendländischen K u l t u r werden ihre Schüler zu weltaufgeschlossenen u n d urteilsfähigen Menschen herangebildet u n d i n Gottesfurcht u n d sozialer Gesinnung zur Verantwortung f ü r den Mitmenschen u n d die Gemeinschaft erzogen. I m Unterricht w i r d den Schülern das Wissen u n d Können vermittelt, das sie zu selbständiger Geistesarbeit fähig macht; auch die Schulung des Körpers ist i n die Gesamtaufgabe eingeschlossen. Die Erziehungsarbeit soll den ganzen Menschen erfassen." I n § 2 d e r S c h u l o r d n u n g w e r d e n die A r t e n der G y m n a s i e n (insgesamt 6) a u f g e z ä h l t ; i h n e n w e r d e n die j e w e i l s t y p i s c h e n G e h a l t e zugeordnet. D i e a l l g e m e i n e A u f g a b e der G y m n a s i e n w i r d i n § 2 A b s . 2 S. 1 u. 2 f o r m u l i e r t : „Die Gymnasien jeder A r t suchen i m sprachlich-historischen u n d i m mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Der religiösen Erziehung, der politischen Bildung, der musischen B i l dung u n d der Leibeserziehung w i r d genügend Raum gegeben. I m M i t t e l p u n k t des Unterrichts steht die Pflege der Deutschen Sprache." Das Volksschulgesetz v o m 17. N o v e m b e r 1966 2 2 5 n o r m i e r t i n A r t . 3 die A u f g a b e n d e r V o l k s s c h u l e : „(1) Die Grundschule vereinigt v i e r Jahre hindurch alle S c h ü l e r . . . Sie legt den Grund f ü r jede weitere Bildung. 223

Hierzu deskriptiv: Anton Reuter, Z u m Gesetz über das Erziehungs- u n d Unterrichtswesen, BayVBl. 1960, S. 138 f. 224 GVB1. 1961, S. 217; i. d. F. v. 27. 1. 1964 (GVB1. 1964, S. 82) u n d v. 4. 5. 1965 (GVB1.1965, S.89). 225 GVB1.1966, S. 402; i. d. F. v. 13.12.1968, GVB1.1968, S. 402.

V. Materielle Normen

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(2) I n der Hauptschule werden die Schüler zu eigenem Denken, Werten u n d Handeln befähigt u n d zu Fertigkeiten, Kenntnissen u n d Einsichten geführt, die f ü r das Erlernen eines Berufes u n d f ü r die Aufgaben i n Gesellschaft u n d Familie notwendig sind." c)

Berlin

I m Schulgesetz f ü r B e r l i n v o m 5. A u g u s t 1952 2 2 6 h e i ß t es: §1: „Aufgabe der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der K i n d e r u n d Jugendlichen zur vollen Entfaltung zu bringen u n d ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründlichem Wissen u n d Können zu vermitteln. Ziel muß die Heranbildung v o n Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, die vollständige Umgestaltung der deutschen Lebensweise auf demokratischer u n d friedlicher Grundlage zustande zu bringen, u n d welche der nazistischen Ideologie unerbittlich entgegenstehen sowie auch v o n dem Gefühl ihrer Verpflichtung der Menschheit gegenüber durchdrungen sind. Diese Persönlichkeiten müssen sich der Verantw o r t u n g gegenüber der Allgemeinheit bewußt sein, u n d ihre Wirksamkeit muß bestimmt werden v o n der Anerkennung einer grundsätzlichen Gleichberechtigung aller Menschen, v o n der Achtung v o r jeder ehrlichen Überzeugung u n d v o n der Anerkennung der Notwendigkeit einer fortschrittlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker. Dabei sollen die A n t i k e , das Christentum u n d die f ü r die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit u n d zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen, d. h. das ganze k u l t u r e l l e Erbgut der Menschheit, einschließlich des deutschen Erbgutes, ihren Platz finden." Das F e h l e n verfassungsrechtlicher B e s t i m m u n g e n s o l l d u r c h d e n ausführlichen u n d anspruchsvollen § 1 offensichtlich kompensiert werden. A u c h § 1 des Schulgesetzes v o n B e r l i n i s t a k t u e l l geltendes Recht, „ n i c h t etwa bloß ein programmatischer Vorspruch. Die i n i h m enthaltenen V o r s c h r i f t e n s i n d m i t h i n f ü r j e d e n L e h r e r der B e r l i n e r Schule v e r b i n d l i c h ; Verstöße dagegen s i n d D i e n s t p f l i c h t v e r l e t z u n g e n " 2 2 7 . D i e a l l g e m e i n e n N o r m e n des § 1 w e r d e n i n w e i t e r e n V o r s c h r i f t e n p r ä zisiert: §20: „(1) Die Berliner Schule gliedert sich i n die Grundschule u n d die Oberschule. Die Oberschule umfaßt die Zweige Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Fachoberschule, Berufsschule u n d Berufsfachschule. F ü r Schüler der Klassenstufen 7 bis 10 können Gesamtschulen eingerichtet werden, i n denen der U n t e r richt der Oberschulzweige Hauptschule, Realschule u n d Gymnasium m i t dem Ziel integriert w i r d , daß eine Entscheidung über die am Ende der 10. Klasse erreichte Schulbildung aufgrund der Leistungen des Schülers erfolgt. V o n K l a s senstufe 11 soll schrittweise an einzelnen Schulen der Unterricht verschiedener Oberschulzweige m i t dem Ziel integriert werden, daß der Bildungsgang an diesen Schulen sowohl den Erwerb einer Studienbefähigung vermittelt als auch auf eine Berufstätigkeit vorbereitet. 226 GVB1. 1952, S. 957; zuletzt i n der Fassung v. 22. 1. 1970 (GVB1. 1970, S. 306). 227 Carl Artur Werner , Das Schulgesetz f ü r Berlin, 1954, S. 43.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

(2) I n den ersten vier Klassen w i r d der Unterricht i m wesentlichen ohne fachliche Gliederung als ein v o n der Heimatkunde ausgehender Gesamtunterricht erteilt. V o n der fünften Klasse an findet eine Fächerung des Unterrichts statt. Außerdem beginnt hier der Unterricht i n einer lebenden Fremdsprache oder Latein nach freier W a h l 2 2 8 . (3) M i t der Versetzung v o n der sechsten zur siebten Klasse gehen alle Schüler i n die Oberschule über. I n der siebenten Klasse beginnt i m praktischen u n d technischen Zweig eine Gliederung des Unterrichts i n einen verbindlichen Kernunterricht u n d i n wahlfreie Kurse, die einen Übergang v o n Zweig zu Zweig ermöglichen sollen.

(4)... §21: „(1) Diejenigen Schüler, die i n einen wissenschaftlichen Beruf übergehen, werden v o m siebenten Schuljahr an i m wissenschaftlichen Zweig der Berliner Schule zusammengefaßt. U m eine Ausbildung i n naturwissenschaftlicher, neusprachlicher, humanistischer u n d musischer Richtung zu ermöglichen, gliedert sich der Unterricht i n der Regel i n Kernunterricht u n d Kurse. (2)...

(3).. §22: „(1) I m Unterricht derjenigen Schüler, die i n einen praktischen Beruf übergehen, w i r d i m neunten Schuljahr neben der allgemeinen Menschenbildung die Aufgabe der Berufsfindung besonders betont. (2) A n dieses Schuljahr schließt sich der dreijährige Besuch einer Berufsschule an, die als Ergänzung einer praktischen Lehre oder Berufsausbildung ihren Unterricht f ü r die kaufmännischen u n d artverwandten Berufsausbildungen i n der Regel an zwei Tagen jeder Wochen m i t je sechs Stunden, f ü r die gewerblichen u n d handwerklichen Berufsbildungen i n der Regel an einem Tag m i t acht Stunden e r t e i l t . . . Das Nähere regeln die Durchführungsbestimmungen. A n die Stelle der praktischen Lehre m i t Berufsschulunterricht k a n n f ü r die ganze oder einen T e i l der Zeit der Besuch einer Berufsfachschule ( W i r t schaftsschule, Haushaltsschule usw.) treten, die gleichzeitig die theoretische w i e die praktische Ausbildung übernimmt u n d keine nebenhergehende Lehre erfordert. (3) Neben den beruflichen Kenntnissen u n d Anleitungen v e r m i t t e l n Berufsu n d Berufsfachschulen auch eine Erweiterung der Allgemeinbildung i n A n knüpfung an die beruflich erworbenen Einsichten u n d Erfahrungen 2 2 9 . (4)..."

d) Bremen Das „Gesetz über das Schulwesen der Freien Hansestadt Bremen" in der Fassung vom 1. Juni 1967 230 verweist i n § 1 auf die Schulartikel der Verfassung, aus denen sich die Bildungsaufgaben der Schule ergeben. 228 Nach Werner, a.a.O., S. 141, stehen zur Wahl: Englisch, Französisch oder Lateinisch. 229 Vgl. hierzu Werner, a.a.O., S. 165, der die Beziehungen zu § 1 aufzeigt.

V. Materielle Normen

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I n § 14 Abs. 4 und 5 w i r d der Englisch-Unterricht geregelt: „(4) Der Unterricht i n der englischen Sprache beginnt i m fünften Schuljahr. Den Erziehungsberechtigten steht das Hecht zu, ihre K i n d e r f ü r diesen U n t e r richt anzumelden. Die Teilnahme ist Voraussetzung f ü r den Übergang nach dem sechsten Schuljahr auf die Mittelschule u n d das Gymnasium. (5) I n den Schulen der Stadt Bremerhaven ist der Unterricht i n der englischen Sprache Pflichtfach."

I m übrigen enthält das Schulgesetz nur allgemein umschreibende Bestimmungen über die Aufgaben der jeweiligen Schultypen. I n § 2 Abs. 2 w i r d das Gymnasium i n 4 Typen (altsprachlich, neusprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich, wirtschaftswissenschaftlich) differenziert. e) Hamburg Das „Schulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg" vom 9. Dezemeber 1966 231 geht i m wesentlichen über organisatorische Regelungen nicht hinaus, bestimmt aber in § 11 Abs. 3, daß i n Klasse 5 der Unterricht i n einer Fremdsprache beginnt. f) Hessen Das „Gesetz über die Unterhaltung und Verwaltung der öffentlichen Schulen und die Schulaufsicht" vom 28. Juni 1961 232 verweist auf die Verfassungsbestimmungen: §1: „(1) Die Schulen i m Lande Hessen erfüllen i n ihren verschiedenen Formen und Stufen den ihnen i n A r t . 56 der hessischen Verfassung erteilten gemeinsamen Erziehungsauftrag. (2) Die Gliederung des Schulwesens w i r d durch die Besonderheiten der A l tersstufen, die Vielfalt der Anlagen u n d Fähigkeit u n d die Mannigfaltigkeit der Lebens- u n d Beruf sauf gaben bestimmt. Eine gemeinsame Erziehung der Geschlechter ist anzustreben. (3) A u f die Einheit des deutschen Schulwesens ist Bedacht zu nehmen."

Eine weitergehende inhaltliche Festlegung des Schulwesens enthalten die hessischen Schulgesetze nicht. Dies verwundert, zumal da schon die Verfassung ins Detail geht und der ehemalige hessische Kultusminister Dr. Erwin Stein sich ehedem für staatsbürgerkundlichen 233 und altsprach230

GBl. 1967, S. 65. GVB1.1966, S. 257. 232 GVB1. 1961, S. 87; vgl. hierzu Hans Hechel, Das neue Schulverwaltungsgesetz i n Hessen, RWS 1961, S. 289 f.; Erich Pfeil-Hans-Vihtor Bach, Das Schulrecht i n Hessen, 1961. 233 j n : Politische Erziehung u n d B i l d u n g i n Deutschland, 1950, S. 51. 231

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

l i e h e n 2 3 4 U n t e r r i c h t eingesetzt h a t . Seine V o r s t e l l u n g e n s i n d j e d e n f a l l s n i c h t i n die Schulgesetze eingegangen, w i e d e n n auch sein Schulgesetze n t w u r f 2 3 5 m i t A u s n a h m e des § 18, d e r eine G l i e d e r u n g d e r Schule i n verschiedene Z w e i g e v o r s i e h t , a u f i n h a l t l i c h e F e s t l e g u n g e n v e r z i c h t e t . g)

Niedersachsen

Das „Gesetz ü b e r das ö f f e n t l i c h e Schulwesen i n Niedersachsen" i n der Fassung v o m 27. J u n i 1 9 6 6 2 3 6 ' 2 3 7 befaßt sich i n § 3 m i t d e r i n n e r e n G e s t a l t des Schulwesens: „Die Schulen haben die Aufgabe, die ihnen anvertrauten jungen Menschen f ü r Leben u n d Beruf vorzubereiten u n d sie auf der Grundlage des Christentums, des abendländischen Kulturgutes u n d des deutschen Bildungserbes zu selbständig denkenden u n d verantwortungsbewußt handelnden Bürgern eines demokratischen u n d sozialen Rechtsstaates zu bilden u n d zu erziehen." h)

Nordrhein-Westfalen

Das „ E r s t e Gesetz z u r O r d n u n g des Schulwesens i m L a n d e N o r d r h e i n W e s t f a l e n " v o m 8. A p r i l 1952 238 > 2 3 9 b e s t i m m t i n § 1: „(1) Schulen sind Stätten der Erziehung u n d des Unterrichts. (2) Ehrfurcht v o r Gott, Achtung v o r der Würde des Menschen u n d Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmlichstes Z i e l der Erziehung. Die Jugend soll erzogen werden i m Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie u n d der Freiheit, zur Duldsamkeit u n d zur Achtung v o r der Überzeugung des anderen, i n Liebe zu V o l k u n d Heimat, zur Völkergemeinschaft u n d Friedensgesinnung (Art. 7 L V ) . (3) Die Schule hat die Aufgabe, die Jugend auf der Grundlage des abendländischen Kulturgutes u n d deutschen Bildungserbes i n lebendiger Beziehung zu der wirtschaftlichen u n d sozialen W i r k l i c h k e i t sittlich, geistig u n d körperlich zu bilden u n d i h r das f ü r Leben u n d A r b e i t erforderliche Wissen u n d Können zu vermitteln. (4) Die Jugend soll fähig u n d bereit werden, sich i m Dienste an der Gemeinschaft, i n Familie u n d Beruf, i n V o l k u n d Staat zu bewähren. I n allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand u n d staatsbürgerliche Erziehung v e r pflichtende Aufgabe. Unterricht u n d Gemeinschaftsleben der Schule sind so zu 234

Erwin Stein, Vorschläge zur Schulgesetzgebung i n Hessen, 1950. Wie zuvor, S. 17 ff. 236 GVB1.1966, S. 127. 237 Kommentierungen zu früheren Fassungen des Gesetzes: Heinrich Körte, Verfassung u n d V e r w a l t u n g des Landes Niedersachsen, 1962, S. 242 f.; Hans Hesse, Gesetz über die V e r w a l t u n g öffentlicher Schulen, 1960. 238 GVB1. 1952, S. 61; zuletzt i n der Fassung v o m 5. 3. 1968, GVB1. 1968, S. 36. 239 Hierzu: Hubert Görg, Schulrecht u n d Kulturpflege, i n : Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. v o n Wilhelm Loschelder - Jürgen Salzwedel, 1964, S. 305 ff.; Werner Haugg, Die E n t w i c k l u n g des Schulrechts i n Nordrhein-Westfalen, RWS 1960, S. 9 f. 235

V. Materielle Normen

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gestalten, daß sie zu tätiger u n d verständnisvoller Anteilnahme am öffentlichen Leben vorbereiten.

(5)... (6)..

Abs. 2 ist verfassungsrechtlich bedenklich, da er die grundgesetzlich gebotene Neutralität des Staates i n Weltanschauungsdingen verletzt. Es läge daher nahe, wie auch i n den gleich gelagerten Fällen des A r t . 12 Verf. Ba.-Wü. und des A r t . 30 Verf. Saarl., die Vorschrift sehr zurückhaltend, vielleicht auch nur als Programmsatz zu interpretieren. Nicht so aber Haugg 240. „Ehrfurcht vor Gott" bedeutet i h m nicht „Ehrfurcht vor dem, was über uns ist" etwa i m Sinne Goethes 241; vielmehr sei hier der christliche Gottesbegriff gemeint, dann aber — nicht ganz folgericht i g — „ i m weiteren Sinne jeder allgemein anerkannte Gottesbegriff". Hier könnte weit ausgeholt werden. Unter Verzicht hierauf sei nur darauf hingewiesen, daß Haugg auch des weiteren den § 1 Abs. 1 i m Sinne anscheinend katholischer Theologie interpretiert, während Geller Kleinrahm-Fleck 242 i n der Auslegung des gleichlautenden A r t i k e l 7 Verf. NW. verfassungskonforme Zurückhaltung geübt haben. Die übrigen Erziehungs- und Bildungsziele werden von Haugg i n nichtsdestoweniger anschaulicher Weise expliziert. Auch kehrt bei i h m die bereits beschriebene Auseinandersetzung u m Staatsbürgerkunde als „Lehrfach" oder „Lehrgegenstand" wieder 2 4 3 . Wesentlich geringer ist der Aussagegehalt des Schulverwaltungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 1958244» 2 4 5 . Es heißt dort lediglich i n § 4 Abs. 1: „Die Gliederung des Schulwesens w i r d durch die Mannigfaltigkeit der L e bens» u n d Berufsaufgaben bestimmt."

i) Rheinland-Pfalz Das Schulwesen i n Rheinland-Pfalz ist Gegenstand mehrerer gesetzlicher Regelungen 246 . Doch nur das „Landesgesetz über die öffentlichen 240 Werner Haugg , Kommentar zum Schulordnungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1962, S. 47 ff. 241 Haugg stellt sich i n diesem P u n k t anscheinend gegen R. Nebinger , K o m mentar zur Verfassung f ü r Württemberg-Baden, 1948, S. 122 (s. o. S. 52). 242 Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1963, S. 65 (s.o. S. 57). 243 a.a.O., S. 58/59; vgl. oben A n m . 140,141. 244 GVB1.1958, S. 241; zuletzt i. d. F. v. 5.3.1968, GVB1.1968, S. 37. 245 Hierzu: Werner Haugg , Kommentar zum Schulverwaltungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1966; Siegfried Tiebel , Schulverwaltungsgesetz-Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen 1960; Hubert Görg , a.a.O. (Anm. 232), S. 325 ff.;

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

G r u n d - , H a u p t - u n d S o n d e r s c h u l e n " 2 4 7 v o m 9. M a i 1968 e n t h ä l t i n § 2 eine F e s t l e g u n g des E r z i e h u n g s a u f t r a g e s : „ G r u n d - , H a u p t - u n d Sonderschulen erziehen nach dem A u f t r a g der V e r fassung zur Ehrfurcht v o r Gott u n d zur Liebe zum Nächsten, zur Toleranz, zur Verbundenheit m i t Heimat u n d Volk, zu demokratischer, sozialer u n d rechtsstaatlicher Gesinnung u n d zu der verpflichtenden Idee der Völkergemeinschaft." § 57 e r m ä c h t i g t d e n M i n i s t e r f ü r U n t e r r i c h t u n d K u l t u s u. a. z u m Erlaß von Lehrplanrichtlinien. j)

Saarland

I n A n l e h n u n g a n d i e A r t . 26 u n d 30 V e r f . Saarl. n o r m i e r t das „Gesetz N r . 812 z u r O r d n u n g des Schulwesens i m S a a r l a n d " 2 4 8 die E r z i e h u n g s ziele w i e f o l g t : 81: „(1) Die Schule hat die Aufgabe, die Jugend i n Ehrfurcht v o r Gott, i m Geiste der Nächstenliebe u n d Völkerverständigung, der Liebe zur Heimat, V o l k u n d Vaterland, zur Duldsamkeit u n d zur Achtung v o r der Überzeugung des anderen, zu sittlicher u n d politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher u n d sozialer Bewährung u n d zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen. (2) Unterricht u n d Erziehung haben das Ziel, die Jugend so heranzubilden, daß sie ihre Pflichten i n Familie u n d Gemeinschaft erfüllen kann." § 2 e n t h ä l t i n A b s . 1 eine h ä u f i g w i e d e r k e h r e n d e F o r m e l , i n A b s . 2 aber eine sehr beachtenswerte Regelung, die k e i n e ü b e r l i e f e r t e n F o r m e n p e r p e t u i e r e n , s o n d e r n die O r g a n i s a t i o n des B i l d u n g s w e s e n s f ü r w i s s e n schaftliche E r k e n n t n i s s e h i n ö f f n e n w i l l : „(1) Die Gliederung des Schulwesens w i r d insbesondere durch die Besonderheiten der Altersstufen, die Vielfalt der Anlagen u n d Fähigkeiten u n d die M a n nigfaltigkeit der Lebens- u n d Beruf saufgaben b e s t i m m t . . . (2) Bei der Gestaltung u n d Gliederung des Schulwesens ist den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaften Rechnung zu tragen u n d darauf zu achten, daß die Einheit des deutschen Schulwesens gewahrt w i r d . " Hermann Meyerhoff - Tilmann Pünder - Hans-Joachim Schäfer - Hans Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1968, S. 45 ff. 246 Landesgesetz über die öffentlichen Mittelschulen (Realschulgesetz) v o m 8. 3. 1963, GVB1. 1963, S. 87; Landesgesetz über die öffentlichen Höheren Schulen v o m 25.11.1958, GVB1.1958, S. 197. Z u m Schulrecht i n Rheinland-Pfalz vgl. Rudolf Stich, Schul- u n d Hochschulrecht, i n : Franz Mayer - Carl Hermann Ule - Fritz Duppre - Rudolf Stich, Staats- u n d Verwaltungsrecht i n Rheinland-Pfalz, 1969, S. 708 ff.; Anton Hammer-Rudolf Becht, Schulrechtliche Vorschriften Rheinland-Pfalz, 5. A u f l . 1968, Einführung. 247 GVB1.1968, S. 73. 248 Amtsblatt des Saarlandes, 1965, S. 385.

V. Materielle Normen

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k) Schleswig-Holstein Das Land Schleswig-Holstein nimmt ebensowenig wie i n seiner Verfassung auch i m „Gesetz über die Unterhaltung und Verwaltung der öffentlichen Schulen" 2 4 9 » 2 5 0 nicht die Gelegenheit wahr, Bildungsziele oder Unterrichtsgehalte zu fixieren. 4. Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz

Für die innere Gestalt des Schulwesens haben i n den letzten Jahren die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz 2 5 1 zunehmend Bedeutung gewonnen. Eine Betrachtung der Rechtsnatur der Beschlüsse und A b kommen mag hier unter Verweis auf Knoke 252 dahinstehen. Denn jedenfalls bedürfen alle Übereinkünfte der Transformation i n das Recht der Länder, zumindest eines Umsetzungsaktes, der den Beschlüssen der Konferenz jeweils i m Lande Geltung verschafft. Dies gilt auch für Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz. A u f eine detaillierte Betrachtung der Beschlüsse darf daher verzichtet werden. 5. Die Lehrplanrichtlinien

Der Überblick über die gesetzlichen Normen des Schulwesens hat gezeigt, daß aus ihnen kein B i l d über die Fülle dessen gewonnen werden kann, was an Fächern und Unterrichtsinhalten an der staatlichen Schule angeboten wird. A m weitesten geht noch das Schulgesetz von Berlin; i m übrigen aber gehen die Schulgesetze über grundsätzliche Normen kaum hinaus. Die Einzelausgestaltung ist vielmehr nicht formell-gesetzlicher Regelungen anheimgegeben. Die Konkretisierung grundsätzlicher Bildungsziele erfolgt i m Lehrplan. Kein einziger dieser Lehrpläne aber hat i n den Bundesländern formell-gesetzlichen Charakter. Es sind aber nicht nur die Lehrpläne i m engeren Sinne, meist „Richtlinien" genannt, die die inneren Schulangelegenheiten gestalten. Sedes 249

Zuletzt i. d. F. v. 14.12.1965, GVB1.1965, S. 173. Deskriptiv zum E n t w u r f dieses Gesetzes: Hermann Sellschopp, Der schleswig-holsteinische E n t w u r f eines Schulunterhaltungs- u n d -Verwaltungsgesetzes, DÖV 1956, S. 613 f. 251 v g l die „Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der K u l t u s minister der Länder i n der Bundesrepublik Deutschland", Loseblatt-Ausgabe; vgl. ferner „ K u l t u r p o l i t i k der Länder", zuletzt den Bericht über die Jahre 1967/ 1968. 250

252

Hans-Thomas Knoke, Die Kultusministerkonferenz u n d die M i n i s t e r präsidentenkonferenz, Diss. H a m b u r g 1966, S. 49 ff. Vgl. auch Pichts I n v e k t i v e gegen die Kultusministerkonferenz (Georg Picht, Die deutsche Bildungskatastrophe, Neudr. 1965, S. 36).

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

materiae inhaltlicher Normierung sind daneben i n nicht zu unterschätzender Weise die Prüfungsordnungen — soweit ihnen nicht wie der Reifeprüfungsordnung i n Bayern der Charakter einer förmlichen Rechtsverordnung zukommt — und die Stundentafeln. Letztere werden oft unabhängig vom eigentlichen Lehrplan veröffentlicht. Das Gewicht eines Faches ergibt sich aus der i h m i n der Stundentafel zugedachten Wochenstundenzahl. Die oft verwirrende Fülle interner Anordnungen erfolgt i n Form von Ministerialerlassen, die verschiedentlich kurz beschrieben worden sind 2 5 3 . Bisweilen begnügen sich derartige Ministerialerlasse m i t dem Hinweis auf Lehrpläne, die i m Auftrage des jeweiligen Ministeriums i m Verlagswesen erschienen sind. a) Eine Bestandsaufnahme derartiger interner Anordnungen liefe auf eine Bibliographie der Lehrpläne, Richtlinien, Ministerialerlasse etc. hinaus. Eine derartige Bibliographie wäre angesichts der relativ schweren Zugänglichkeit des Materials und der zumeist unzulänglichen Veröffentlichungspraxis der Länder an sich verdienstvoll, liefe aber Gefahr, von der permanent fortschreitenden Entwicklung laufend überholt zu werden. Es t u t daher der mehr theoretischen Zielsetzung der vorliegenden Arbeit keinen Abbruch, wenn zur Stützung der bisherigen und noch folgenden Ausführungen auf die Richtlinien einiger Länder nur exemplarisch hingewiesen wird. aa) Baden-Württemberg: Die Lehrpläne und Stundentafeln für sämtliche Schulen von BadenWürttemberg sind i n der Sammlung von Seipp-Hochstetter 254 veröffentlicht. Das Amtsblatt des Kultusministeriums selbst beschränkt sich zum Teil auf Einführungen. Die „Lehrpläne für die Gymnasien Baden-Württembergs" 2 5 5 und der „Bildungsplan für die Volksschulen i n BadenWürttemberg" 2 5 6 liegen als selbständige Veröffentlichungen v o r 2 5 7 . bb) Bayern: Die Lehrpläne für die Höheren Schulen i n Bayern sind i m Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus publi253 Vgl. Hermann Meyerhop, Leitfaden zum Schulrecht, 1950, S. 13 f.; Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 85 f.; Hans Hechel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 14. Vgl. auch das V o r w o r t i n : Paul Seipp - Herbert Hochstetter - Hermann Franz, Schulrecht, Ergänzbare Sammlung der Vorschriften f ü r Schule u n d Schulverwaltung i n Baden-Württemberg, Loseblatt-Ausgabe: „ . . . schwer durchdringbares G e s t r ü p p . . . " 254 w i e A n m 253. 255

1957. 1958. 257 Z u m Schulwesen i n Baden-Württemberg allgemein: Bildungswege i n Baden-Württemberg, herausgegeben v o m K u l t u s m i n i s t e r i u m Baden-Württemberg, 1967. 256

V. Materielle Normen

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ziert 2 5 8 . Für die Volksschulen gelten die „Richtlinien für die bayerischen Volksschulen" 2 5 9 . cc) Bremen: Der Senator für das Bildungswesen der Freien Hansestadt Bremen hat dem Verf. jeweils i n mechanischer Vervielfältigung die „Lehrpläne der Gymnasien i m Lande Bremen" 2 6 0 , den „Lehrplan für die Grundschule i m Lande Bremen" 2 6 1 , den „Lehrplan für die Hauptschule i m Lande Bremen" 2 6 2 und den „Lehrplan für die Realschule i m Lande Bremen" 2 6 3 dankenswerterweise zur Verfügung gestellt und i h m gleichzeitig mitget e i l t 2 6 4 , daß die Lehrpläne für die berufsbildenden Schulen nicht veröffentlicht werden. dd) Hamburg: Die Stundentafeln der Gymnasien Hamburgs ergeben sich aus dem Mitteilungsblatt der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamb u r g 2 6 5 ; die Lehrpläne selbst liegen als selbständige Veröffentlichung v o r 2 6 6 ; i m Mitteilungsblatt heißt es bei der Einführung der Stundentafeln: „Die L e h r p l ä n e . . . werden den Schulen nachgereicht 267 ." ee) Hessen: Die Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen i m Lande Hessen" sind i m Amtsblatt des Hessischen Kultusministers veröffentlicht 2 6 8 . ff) Niedersachsen: Das Niedersächsische Kultusministerium läßt die „Richtlinien für die Volksschulen des Landes Niedersachsen" 269 und die „Richtlinien für den 258

1964, S. 341 ff. M i t einer Einführung v o n Wilhelmine Böhn, 6. A u f l . 1969. 260 1959 ff., Stand: 1969. 261 1968. 262 1969. 263 1969. 264 Schreiben v o m 19.6.1969. 265 1967, S. 22 u n d 58. 266 Freie u n d Hansestadt Hamburg, Schulbehörde: Lehrpläne f ü r das G y m nasium, 1968; ferner: Andrew Grapengeter - Otto von Zerssen - Erna Miething, Kultusrecht, I. Bd., Schulwesen Hamburg. 259

267

1967, S. 22. Sondernummern 1 - 4 , 1957; vgl. hierzu: Eugen Lemberg, Z u m bildungstheoretischen Ansatz der hessischen Bildungspläne 1956/1957, i n : Reform v o n Bildungsplänen, 1969, S. 5 ff.; Hans W. Nicklas, Die Revision der hessischen Bildungspläne, i n : bildungspolitische Informationen, hrsg. v o m Hessischen Kultusminister, Nr. 1,1969. 269 Bearbeitet von A. Dumke u n d B. Schaar, 1964. 268

6 Hennecke

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Unterricht an den Gymnasien des Landes Niedersachsen" 270 durch einen Verlag publizieren und beschränkt sich i m Schulverwaltungsblatt von Niedersachsen 271 auf einen Hinweis auf diesen Verlag 2 7 2 . gg) Rheinland-Pfalz: I m Amtsblatt des Ministeriums für Unterricht und Kultus von Rheinland-Pfalz heißt es schlicht 2 7 3 : „Die neuen Lehrpläne und die darin enthaltenen Stundentafeln treten m i t Wirkung von Schuljahr 1960/1961 i n K r a f t . . . Die neuen Lehrpläne sind durch den Verlag . . . zu beziehen." Die Lehrpläne für die Höheren Schulen und für die Hauptschule sind unter dem Titel „Lehrpläne für die Höheren Schulen i n RheinlandPfalz" 2 7 4 und „Lehrplan für die Hauptschule i n Rheinland-Pfalz" 2 7 5 erschienen 276 . hh) Saarland: Der Minister für Kultus, Unterricht und Volksbildung hat dem Verf. mitteilen lassen 277 , daß die Bildungspläne für die Gymnasien nur i n hektographierten Umdrucken vorhanden, aber vergriffen seien. Neue B i l dungspläne seien i n Bearbeitung. Die (hektographierten) Bildungspläne für die kaufmännischen Berufs- und Berufsfachschulen wurden dem Verf. dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. ii) Schleswig-Holstein: Von Schleswig-Holstein sind derzeit nur die „Richtlinien für die Lehrpläne der Grundschulen des Landes Schleswig-Holstein" 278 , die „Richtlinien für die Lehrpläne der Hauptschulen des Landes Schleswig-Holstein" 2 7 9 und die „Richtlinien für die Lehrpläne der Realschulen des Landes Schleswig-Holstein" 280 greifbar.

270

Band 1 - 8,1965 ff. Etwa Schulverwaltungsblatt 1965, S. 320; 1967, S. 234. 272 Z u den Richtlinien v o n Niedersachsen vgl. Kurt Fackiner, Müssen Richtl i n i e n so sein?, i n : Neue Sammlung, 1966, S. 434 f., u n d Hartmut von Hentig, V o m Umgang m i t Richtlinien, ibid., S. 425 ff. 273 1960, S. 47. 274 3. A u f l . 1960; Nachträge 1966,1967,1968. 275 1968. 276 Z u m Schulwesen i n Rheinland-Pfalz allgemein: Bildungswege i n Rheinland-Pfalz, hrsg. v o m M i n i s t e r i u m f ü r Unterricht u n d Kultus, 1966; Gerd Schmitz, Bildungs- u n d Erziehungswesen, i n : Rheinland-Pfalz, Heute u n d morgen, 1970, S. 297 ff. 277 Schreiben v o m 26.6.1969. 278 4. A u f l . 1961. 279 1966. 280 1968. 271

V. Materielle Normen

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b) Die Lehrpläne oder Richtlinien unterscheiden sich i n äußerer Form und Diktion erheblich von den förmlichen Schulgesetzen 281 . Sie beschränken sich nicht darauf, i n typischer Gesetzesdiktion anzuordnen, was i n welchem Schuljahre i n irgendeinem Fach an Stoff anzubieten sei. Vielmehr sind diesen eigentlichen Lehrplänen oft umfangreiche methodische und didaktische Erörterungen vorangestellt, deren Inhalt und Umfang freilich je nach Bundesland schwankt. Jeder Lehrplan für ein spezielles Fach w i r d wiederum von didaktischen und methodischen Empfehlungen begleitet, die zum Teil auch je nach der Altersstufe differenziert werden, und w i r d i n den Rahmen grundsätzlicher Reflexionen über Bildungsund Erziehungsziel des Faches wie der Schule überhaupt hineingestellt. Ein Lehrplan liest sich wie eine pädagogisch-didaktische Abhandlung 2 8 2 . Bei näherem Zusehen aber zeigt sich, daß den Richtlinien die innere Geschlossenheit einer didaktischen Abhandlung zumeist fehlt. I n ihnen kehrt die gleiche Vielfalt und Heterogenität der Bildungsziele wieder, die für die jeweiligen Verfassungsartikel und Schulgesetze der Länder charakteristisch war. Das kann auch nicht anders sein. Denn einem Lehrplan i n einer pluralistischen Gesellschaft, die eine einheitliche Bildungsidee nicht besitzt, muß, wie auch Campenhausen 283 zu Recht bemerkt, Kompromißcharakter zukommen. Der Lehrplan ist der Filter gesellschaftlicher und staatlicher Ansprüche an das Bildungswesen 284 . Indem nun aber die von der Sache her unumgängliche und von den Landesverfassungen her gebotene Konkretisierung allgemeiner Bildungsvorstellungen zu einem Kompendium pädagogischer und didaktischer 281 Einzelnachweise mögen sich unter Hinweis auf den oben gegebenen Überblick über die Lehrpläne der Bundesländer erübrigen. 282 Z u r Charakteristik der Richtlinien: Thomas Ellwein , Was geschieht i n der Volksschule?, 1960, S. 24 ff.; kritisch: Bernhard Bergmann , Volksschulrichtlinien u n d i h r Sinn, i n : Volksschule heute, hrsg. von Bernhard Bergmann, 1956, S. 7 ff. (10/11); Ernst Topitsch, Zeitgenössische Bildungspläne i n sprachkritischer Betrachtung, i n : Schule u n d Erziehung, 1960, S. 124 ff.; Horst Rumpf, Erlaßsprache u n d Schultatsachen, i n : Die Höhere Schule, 1968, S. 197 f.; Heinrich Roth, Stimmen die deutschen Lehrpläne noch?, i n : Die Deutsche Schule, 1968, S. 69 ff.; Hartmut von Hentig, V o m Umgang m i t Richtlinien, i n : Neue Sammlung, 1966, S. 425 ff.; Kurt Fackiner, Müssen Richtlinien so sein?, ibid., S. 434 f.; Hans W. Nicklas, C u r r i c u l u m — Reform als T e i l der Schulreform, i n : Johannes Beck - Lothar Schmidt (Hrsg.), Schulreform, 1970, S. 108 ff. Herwig Blankertz (Theorien u n d Modelle der D i d a k t i k , 1969) versucht i n einem E x k u r s über die Sprache der Lehrpläne (S. 138 ff.) an H a n d zahlreicher Beispiele die „Unfähigkeit der geisteswissenschaftlichen Bildungstheorie" zu demonstrieren. Pointiert äußert sich Harmut von Hentig (Systemzwang u n d Selbstbestimmung, 1968, S. 132) über die derzeit geltenden Lehrpläne als „einer sich i m m e r weiter perfektionierenden Gattung v o n pädagogischer T r i v i a l l i t e r a t u r ohne praktischen Wert m i t zugleich unabsehbarer Macht". 283 Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 25; so auch Topitsch, a.a.O., S. 125. 284 Ä h n l i c h auch Carl-Heinz Evers, RWS 1961, S. 10 ff. (10).

6*

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Kunstregeln geworden ist, droht der rechtliche Normativcharakter des Lehrplanes dem juristischen Blick zu entschwinden. Es wäre Aufgabe einer juristischen Betrachtung der Lehrpläne, die i n ihnen implizierten rechtlich relevanten Normen herauszuarbeiten und so den Anordnungsgehalt der Richtlinien gleichsam herauszudestillieren. Die Diktion der Lehrpläne läßt über den Grad ihrer Verbindlichkeit für den Lehrer oft Zweifel; andererseits aber erleichtern die Richtlinien selbst die Erschließung ihres Anordnungsgehaltes, indem sie bestimmte Inhalte für verbindlich, andere wiederum für dispositiv erklären. Der Disziplinarhof von Rheinland-Pfalz 2 8 5 besteht auf strikter Verbindlichkeit der Lehrpläne und dürfte damit die Rechtslage noch am ehesten zutreffend würdigen; u m so mehr aber w i r d die „Verbindlichkeit" des Lehrplanes zum Angriffsziel der Verfechter der „pädagogischen Freiheit" des Lehrers 2 8 6 . c) I n Kreisen der Pädagogen w i r d außerdem darüber geklagt 2 8 7 , daß die Entstehung der Lehrpläne „ i n Dunkel g e h ü l l t " 2 8 8 sei. Nicht selten zeigen sich auch Ablehnung und Ressentiments gegenüber den Anordnungen „von oben" 2 8 9 . Indes, so dunkel ist die Entstehung der Lehrpläne bisweilen durchaus nicht. I n den „Richtlinien für die Volksschulen des Landes Niedersachsen" 290 w i r d ein umfassender Bericht über die Entstehung eben dieser Richtlinien gegeben. Das bayerische Kultusministerium gibt bei der Einführung seiner Lehrpläne Rechenschaft über deren Zustandekommen 2 9 1 , und für das Land Rheinland-Pfalz hat der Verf. erfahren können 2 9 2 , daß die Richtlinien von Lehrplankommissionen erarbeitet werden, die sich aus Fachpädagogen zusammensetzen und die i n Lehrplankonferenzen die Richtlinien beraten, bis sie dann vom Ministerium publiziert und i n K r a f t gesetzt werden. Dies entspricht dem niedersäch285 Beschluß v o m 15. 11. 1963, i n : RWS 1964, S. 147 f. ( = Z B R 1964, S. 92f.); vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluß v o m 20. 9. 1962, i n : RWS/RdJ 1966, S. 18 f. (19). 288 Hierzu abwägend: Hans Hechel, Die pädagogische Freiheit i n der Sicht des Schulrechts, i n : Pädagogische Forschung u n d pädagogische Praxis, 1958, S. 99 ff. (103); derselbe, Pädagogische Freiheit u n d Gehorsamspflicht des L e h rers, ZBR, S. 217 ff.; Thomas Maunz, Die Freiheit des Lehrers, i n : Freiheit i n Erziehung, 1956, S. 125 ff. (126/127). 287 Vgl. das Dokument bei Hartmut von Hentig (Hrsg.), Analysen u n d M o delle zur Schulreform, 1966, S. 74. 288 Campenhausen, a.a.O., S. 25, A n m . 31. Allerdings ist Campenhausen zuzugeben, daß es ein festgelegtes Verfahren nicht zu geben scheint. 289 Vgl. Horst Rumpf, Die administrative Verstörung der Schule, 1966, S. 26. 290 Bearbeitet v o n A. Dumke - B. Schaar, 1964, S. 11 ff. 291 A B l . des Bayerischen Staatsministeriums f ü r Unterricht u n d Kultus, 1964, S. 341. 292 v g l a u c h A B l . des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n RheinlandPfalz, 1957, S. 71.

V. Materielle Normen

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sischen und bayerischen Vorbild und dürfte auch für die anderen Bundesländer zutreffen 2 9 3 . Allerdings hat die Arbeit der Lehrplankommissionen keinesfalls den Charakter einer irgendwie gearteten „Mitbestimmung" seitens der Lehrerschaft; die Lehrer sind i n den verhältnismäßig kleinen Kommissionen nur unzureichend repräsentiert. Daran ändert auch nichts, daß zum Beispiel das Kultusministerium von Rheinland-Pfalz für private Initiativen aufgeschlossen ist und privat erarbeiteten Lehrplänen von Pädagogen die gebührende Beachtung schenkt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Arbeit der Kommissionen die Verantwortlichkeit fehlt: Die Lehrpläne gewinnen erst und ausschließlich durch einen konstitutiven A k t des M i nisteriums Geltung; die Geltung beruht „auf der subjektiven Einstellung der anordnenden Instanzen" 2 9 4 . Eine institutionelle M i t w i r k u n g anderer Instanzen ist nicht Wirksamkeitsbedingung 2 9 5 . Eine derartige zur Institution verfestigte M i t w i r k u n g etwa der Eltern, der Schüler, der Pädagogen wäre an sich möglich; und sie ist nur möglich, wenn und w e i l der Lehrplan den Charakter eines Ministerialerlasses hat. Müßte er i m Wege des Gesetzgebungsverfahrens beschlossen werden, wäre eine institutionalisierte und konstitutive M i t w i r k u n g außerparlamentarischer Instanzen verfassungswidrig. Aber auch so w i r d sich ein Kultusministerium der Fülle gesellschaftlicher Ansprüche an das Schulwesen zu erwehren haben. Von Seiten der Wirtschaft, der Lehrer, der Eltern, der Kirchen und neuerdings der Schüler selbst w i r d der Versuch unternommen, auf die Gestaltung der Lehrpläne Einfluß zu gewinnen. Von diesem von Weniger 296, Dohmen297 298 und Froese beschriebenen „ r u n " u m den Lehrplan war bereits die Rede. d) Das Ministerium ist daher vor die politische Entscheidung gestellt. Der Lehrplan ist Ausdruck der politischen Entscheidung der Exekutive.

298 Vgl. Bildungsauftrag u n d Bildungspläne der Gymnasien, vorgelegt v o n der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Höhere Schule, 1958, S. V I ; Franz Hilker, Die Schulen i n Deutschland, 1954, S. 36. 294 B i l d u n g s a u f t r a g . . . (Anm. 293), S. V I . 295 Anders aber i n Hessen auf G r u n d v o n A r t . 56 Abs. 6 Verf. Hess. W e i l das Ministerium die Elternschaft bei der Aufstellung eines Lehrplanes nicht herangezogen hatte, ist der L e h r p l a n v o m Hessischen Staatsgerichtshof i n dem bereits erwähnten U r t e i l v o m 8. 3. 1958 aufgehoben worden (Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, S. 311 f. = DÖV1958, S. 462 f.). 296 Erich Weniger, D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1, Theorie der Bildungsinhalte u n d des Lehrplans, 4. A u f l . 1962, S. 22/23. 297 Günther Dohmen, Ist unsere Schule reformbedürftig?, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 7 ff. (10). 298 Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 53 f.

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1. Kap.: Bestandsaufnahme staatlichen Schule-haltens

Der Erlaß eines Lehrplanes ergeht ohne formell-gesetzliche Ermächtigung. Daß es jedenfalls zumeist an einer solchen Ermächtigung fehlt, hat der Überblick über das Landesschulrecht zu zeigen versucht 299 . Soweit aber Ermächtigungen ausgesprochen sind, entsprechen sie durchaus nicht immer den Erfordernissen eines „Ermächtigungsgesetzes" etwa i m Sinne des A r t . 80 GG. Wie weit dies allerdings erforderlich ist, mag an dieser Stelle vorerst dahinstehen. Das Fehlen solcher Ermächtigungen und die nicht formgebundene Publizierung der Lehrplanrichtlinien hat hin und wieder die Ansicht aufkommen lassen 300 , als sei der Innenraum der Schule bislang rechtsfrei geblieben. So ist auch dem Verf. gegenüber i n einem Kultusministerium geäußert worden, den Lehrplanrichtlinien komme überhaupt ein Rechtscharakter nicht zu. Es mag vorerst noch offen bleiben, ob und inwiefern diese Ansicht zutrifft. Jedenfalls aber ist unbestritten, daß die Richtlinien verbindliche Anordnungen darüber enthalten, was der Lehrer i n den einzelnen Schultypen und Jahrgangsklassen an Unterrichtsstoff durchzunehmen habe. Generelle Anordnungen i m innerstaatlichen Bereich aber, denen der formelle Gesetzescharakter abgeht, pflegt man allgemein als „Verwaltungsvorschriften" zu bezeichnen. Ob man den Lehrplanrichtlinien nicht wenigstens die Eigenschaft, Verwaltungsvorschrift zu sein, w i r d zuerkennen müssen, mag allerdings an dieser Stelle noch unentschieden bleiben 3 0 1 . VI. Die reine Tatsächlichkeit staatlichen Schule-haltens Eine Erfassung geschriebener Normen über die innere Gestalt des staatlichen Schulwesens kann keinen vollständigen Überblick darüber vermitteln, was an der Schule tatsächlich geschieht. Fragt man, was an verbindlichen Anordnungen gilt, so enthält die A n t w o r t keine Aussage über das, was von den verbindlichen Anordnungen ausgespart wird.

299 Einzelheiten i n : Hans Hechel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 89, 95; Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, i n : DVB1.1966, S. 846 ff. ( = RdJ/RWS 1967, S. 258 ff.). 300 Vgl. etwa Hans Hechel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 4; Hubert Görg, Schulrecht u n d Kulturpflege, i n : Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. v o n Wilhelm Loschelder - Jürgen Salzwedel, 1964, S. 305 ff. (318). I n gewissem Widerspruch hierzu stehen die Klagen über die „verwaltete Schule" oder über das „die Schule tyrannisierende juristische Denken" (Horst Rumpf, 40 Schultage — Tagebuch eines Studienrats, 2. A u f l . 1966, S. 33). 301 Erstaunlich ist immerhin, daß Fritz Ossenbühl i n seinem so umfassenden Werk „Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz", 1968, die Lehrplanrichtlinien — soweit ersichtlich — m i t keinem W o r t erwähnt.

V I . Die reine Tatsächlichkeit staatlichen Schule-haltens

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Ausgespart w i r d i m Grunde die Schule selbst. Denn alle Normen treten nur gleichsam von außen, exogen, an die Schule heran, die zuvor schon vom Staate organisiert ist. Die Normen suchen einem Organismus, der schon besteht, eine bestimmte Prägung zu verleihen. Was an der Schule gelehrt werden soll, welchem Ziele sie zu dienen hat, das erst ist Inhalt der materiellen Gestaltungsnormen. Indes: Die Schule kann dieser von außen, vom Gesetzgeber und dem Kultusministerium, an sie herangetragenen Normen entbehren. Nicht, als ob die Erkenntnis, Schule-halten sei Entscheidung und Plan, aufgegeben würde; aber Entscheidung und Lehrplan sind eine der Schule immanente Struktur, ein endogenes Prinzip. Der Lehrplan ist seinem Begriffe nach nicht eine von außen erst heranzutragende Sollensnorm, die einem amorphen Unterrichtsbetrieb erst das Leben einhauchen würde; nur wird, wenn der Lehrplan zur exogenen Norm gemacht, von staatlichen Instanzen gleichsam aus der Schule herausgenommen und wieder förmlich hineinverordnet wird, die Schule heteronom bestimmt. Hierdurch aber gewinnt der Lehrplan einen merkwürdigen Doppelcharakter: I m verordneten Lehrplan der staatlichen Schule koinzidieren exogene Norm und endogenes Prinzip. I n der Tat enthalten denn auch die publizierten Lehrpläne mehr U m schreibungen dessen, was tatsächlich geschieht, als ausdrückliche Anordnungen. Der Umstand, daß aus den Lehrplanrichtlinien der Anordnungsgehalt erst herauskristallisiert werden muß, hat hierin seinen Grund. Das alles aber heißt: Die staatliche SchulVerwaltung könnte darauf verzichten, i n rechtssatzmäßigen Anordnungen Organisation und Gestalt ihrer Schulen gleichsam von außen zu bestimmen. Sie könnte etwa den Unterrichtenden alle Entscheidungsmacht anheimgeben und sich auf rein tatsächliche Einrichtungen beschränken, ohne daß es erst isolierter und selbständiger Normen darüber bedürfte, wie dieses tatsächliche Schulehalten auszusehen habe. Solche Einrichtungen tragen dann das Gesetz ihres Handelns als Struktur und Organisationsprinzip i n sich selbst; der Lehrplan wäre A b b i l d dieser Struktur, seine schriftliche Fixierung reine Deskription. Wie weit in den Bundesländern auf diese Weise Schule gehalten wird, kann hier ohne umfassende empirische Nachforschung nicht festgestellt werden. Es scheint aber, als spiele sich ein großer Teil des staatlichen Schule-haltens — etwa die Einrichtung von Schultypen oder von Versuchsschulen — i n diesem Bereich des rein Tatsächlichen ab, der normativ noch nicht durchdrungen und exogenen (Rechts-)Normen noch nicht unterworfen ist.

Zweites

Kapitel

Die Legitimation des Staates zur Regelung der „inneren Schulangelegenheiten" I. Das Problem inhaltlicher Fixierung im weltanschaulich neutralen Staat Das 1. Kapitel hat zweierlei gezeigt: Zum einen, daß Schule nicht frei sein kann von weltanschaulichen Färbungen, und zum anderen, daß der „Staat", repräsentiert durch die Bundesländer, sich i m Schulwesen nicht nur u m weltanschauliche Neutralität nicht bemüht, sondern die Schule zum Teil sogar auf eine dezidiert christliche Grundlage stellt. Soweit der Staat aber nicht als Gesetzgeber tätig geworden ist, sondern sich auf „Schulverwaltung" beschränkt, schöpft er i n Lehrplänen und Richtlinien alle Möglichkeiten aus, die für wertvoll erachteten Bildungsgehalte und Unterrichtsgegenstände zur Geltung zu bringen. A l l e diese Bildungsgehalte sind i n gleicher Weise dispositiv wie die Entscheidung über sie unabdingbar ist; alle Entscheidungsgewalt aber ist i n den Kultusministerien, deren Handeln dem Staate zugerechnet wird, als „Dispositionszentren" konzentriert. Durch diese Dispositionsbefugnis der Ministerien verläßt der Staat i m Schulwesen den i h m auferlegten Status weltanschaulicher Neutralität, er bezieht Stellung und gewinnt als Versuchung die Möglichkeit „zur ausschließlichen oder privilegierten Verbreitung von Anschauungen und Lehren metaphysischer Art"1. Indem nun Rothenbücher 2 fortfährt, daß hierzu den i n einem Staatswesen Regierenden die innere Legitimation fehle, ist der K e r n des Problems, wenn auch nur teilweise, angesprochen. Denn die Legitimationsfrage stellt sich nicht nur bei der Verbreitung „metaphysischer Lehren" — wann geht es je i n der Schule u m Christologie oder Metempsychose —, sie umfaßt vielmehr den gesamten Komplex staatlicher Schulträgerschaft und staatlichen Schule-haltens überhaupt: Woher n i m m t der Staat, der 1 Karl Rothenbücher, Aufgaben u n d Grenzen des Staates i m Bereich des Bildungswesens, i n : Aufgaben u n d Grenzen der Staatstätigkeit i m Bildungswesen der Gegenwart, hrsg. v o n Georg Ried, 1931, S. 3 ff., 141 ff. (141). 2 a.a.O.

I I . Die „Legitimationsinstanz"

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nach dem geistesgeschichtlichen Bewußtseinsstand der Gegenwart und nach dem Gebot der Verfassung weltanschauliche Neutralität 3 zu üben hat, das Recht, aus der unübersehbaren Fülle der Weltanschauungen, Glaubensüberzeugungen, Sinndeutungen menschlicher Existenz, der Menschenbilder, Erziehungsziele und Bildungsideale, die i n einer „pluralistischen Gesellschaft" oft hart genug aufeinanderstoßen, darüber hinaus aus der unermeßlichen Tradition des Geistes, aber auch aus den Bedarfsvorstellungen der modernen Wirtschaft und Leistungsgesellschaft bestimmte Inhalte auszuwählen und i n den Schulen verbindlich zu machen und hierdurch den Wünschen und Bedürfnissen der einen Gruppe entgegenzukommen, die anderen aber zu verdrängen? Diese Frage geht an die Wurzel des staatlichen Schule-haltens. Sie kann hier nicht umfassend beantwortet und abgehandelt werden. Wie auch schon bei der Diskussion des Bildungsbegriffes können dem K o m plex i m folgenden bestenfalls Momente zugeordnet werden. Allerdings ist es nicht damit getan, über die inhaltliche Fixierung des Schulwesens durch den Staat ein voreiliges generelles Verdikt zu sprechen 4. I I . Die „Legitimationsinstanz" Der Legitimationsfrage kommen jedoch verschiedene Aspekte zu; sie bedarf der Differenzierung. Denn wer sich legitimieren soll, kann dies nur vor einer Instanz. Die Frage heißt daher: Legitimation vor wem? Es gilt, das Tribunal zu bestimmen, vor dem der Staat, der Schule hält und daher inhaltlich bestimmt, Rechenschaft abzulegen hat. 1. Die Vernunft

Oberstes K r i t e r i u m ist die Vernunft. Was seine Existenz vernunftgemäß begründen kann, hat eine Präsumtion für sein Legitimiertsein. Ein Staatsschulwesen aber ist jedenfalls nicht von vorneherein widervernünftig. 2. Die „pluralistische Gesellschaft" und das Gebot der Neutralität des Staates

I m übrigen aber ist diese Instanz ganz allgemein die „pluralistische Gesellschaft". Sie hat dem Staat ein Gebot gegeben, das zugleich die 3 Z u r Neutralität des Staates, insbesondere i n der Schule, eingehend: Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 83 ff. 4 So aber Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, S. 47, der die Bestimmung der Grundform der Schule durch Gesetz oder Regierung rundweg als verfassungswidrig bezeichnet.

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Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

Bedingung ihrer Existenz ist: die Neutralität. Neutralität bedeutet hier Nichtidentifizierung m i t einer Gruppe der Gesellschaft. Je kleiner die allen gemeinsame Überzeugungsbasis wird, je weiter die Grundanschauungen auseinanderstreben, je nachhaltiger sich die Ansprüche einzelner Gruppen verstärken, je unversöhnter die Kräfte gegeneinanderstehen, desto lauter w i r d der Ruf nach der Neutralität des Staates, der sich m i t keiner Gruppe identifizieren darf und nur dadurch diesen Wettstreit garantieren und eine Grundordnung für alle Gruppen darstellen und schaffen kann. Da nun aber jede Verwirklichung des Staates — auch und gerade i m Schulwesen — eo ipso nur Wertverwirklichung sein kann, diese Werte wiederum aus gesellschaftlichen Quellen entspringen, t r i t t die V e r w i r k lichung des Staates i m Schulwesen zum Postulat der Neutralität i n Widerspruch. Dieser Widerspruch w i r d unerträglich, wenn es einer einzigen Gruppe der Gesellschaft gelungen ist, i n das Vakuum der Neutralität einzudringen, sich durch den Staat auf die Dauer zu verwirklichen und i n der Verwirklichung des Staates sich selbst zur Geltung zu bringen, wodurch sie das Gesetz, wonach sie angetreten ist, selbst aufhebt. Dieser Widerspruch ist es, den es vor der pluralistischen Gesellschaft zu ihrer Gesamtheit zu rechtfertigen gilt. 3. Die Verfassung als Niederschrift dieses Gebotes

Diese Gesellschaft hat ihr Gebot dem Staate schriftlich gegeben. Das Gebot heißt Verfassung. Das Grundgesetz ist i n den A r t i k e l n 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 oberster Richter über all das, was der Staat auf dem Gebiet der Schule tut. Die Kontrolle allen Staatshandelns — von der Normsetzung bis zum Schulhausneubau — am Maßstab des Grundgesetzes ist der juristische Ausdruck der Legitimation staatlichen Schule-haltens vor der Gesellschaft. 4. Das Typenschema hoheitlichen Handelns als Ausformung der Verfassung und seine Abhängigkeit vom Verwaltungsobjekt

Die Ausformungen staatlichen Schule-haltens stehen vor einer weiteren, vom Grundgesetz selbst hergeleiteten Instanz: Es ist dies das Typenschema hoheitlichen Handelns oder die Normtypik des Staats- und Verwaltungsrechts. Doch gilt dies nicht m i t voller Absolutheit. Gewiß muß Schule-halten zu den einzelnen Staatsfunktionen i n Bezug gesetzt werden; die verschiedenen Momente des Schule-haltens müssen denjenigen Staatsfunktionen zugeordnet werden, i n deren Tätigkeitsbereich sie typischerweise fallen. Indes kann das Typenschema insbesondere des her-

I V . Beispiele antietatistischer K r i t i k

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kömmlichen Verwaltungsrechts nicht unbesehen als Richtmaß für das Schule-halten herangezogen werden; man täte der Schule hierbei möglicherweise Gewalt an. Denn man übersähe hierbei, daß die speziellen Ausformungen des Verwaltungsrechts auch gerade i m Hinblick auf das Verwaltungsobjekt entwickelt worden sind, daß somit eine Interdependenz zwischen der Rechtsform der Verwaltung und ihrem Gegenstand besteht. Man darf daher gerade i m Schulrecht die Formen des Verwaltungsrechts nicht absolut setzen und so etwa den Weg für die Entwicklung eines spezifischen Schulverwaltungsrechts verbauen.

I I I . Die Rück-Frage: Der Beruf des Staates zum Schule-halten Die Frage nach der Legitimation der Staatstätigkeit i m Bildungswesen nimmt die A n t w o r t noch nicht vorweg. Die A n t w o r t kann negativ ausfallen, indem der Beruf des Staates zum Schule-halten überhaupt verneint wird. I n diesem Falle w i r d die Frage nach der Rechtfertigung inhaltlicher Regelungen gegenstandslos. Eine Erörterung des letztgenannten Problems setzt daher die positive Beantwortung der vorrangigen und allgemeinen Rückfrage nach der staatlichen Schulträgerschaft voraus. Die Frage nach der staatlichen Schulträgerschaft ist Gegenstand der Arbeit von Campenhausen 5; er hat sie positiv beantwortet. Hierauf kann für die folgenden Ausführungen ganz allgemein Bezug genommen werden. I V . Beispiele antietatistischer Kritik Vorerst jedoch soll an wenigen Beispielen aufgezeigt werden, daß dem Staate der Beruf zum Schule-halten i n der Vergangenheit bereits mehrfach abgesprochen worden ist. Scheint doch der Stein der Weisen darin gefunden worden zu sein, daß man dem Staat ganz einfach aus der Schule verweist und so das Problem der inhaltlichen Fixierung durch den Staat eliminiert. Die Verfechter dieser Auffassung konnten aber niemals eine Wirklichkeit beschreiben; ihr Anliegen mußte sich i n K r i t i k und i n dem rechtspolitischen Postulat nach Entlassung des Staates aus der Schule erschöpfen. 1. Wilhelm von Humboldt

Es scheint paradox, daß gerade Wilhelm von Humboldt, der spätere Begründer des preußischen Gymnasialsystems und des Humanistischen Gymnasiums, i n seiner 1792 entstandenen (aber erst 1851 erschienenen) 5 Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967.

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. Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen" die „öffentliche Erziehung" verwirft. Humboldt geht hierbei von seinem Ideal der Persönlichkeit und der Gesellschaft aus: „Das höchste Ideal des Zusammenexistierens menschlicher Wesen wäre m i r dasjenige, i n dem jedes nur aus sich selbst, und u m seiner selbst willen sich entwickelte 6 ." Diesem Ideal der autonomen Gesellschaft und besonders der autonomen Persönlichkeit, das dann später i n Humboldts Idee des Humanistischen Gymnasiums Triumphe feiert, korrespondiert eine entsprechend eingegrenzte Aufgabenstellung des Staates: „Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde nothwendig ist; zu keinem anderen Endzweck beschränke er ihre Freiheit 7 ." Jede positive Sorge des Staates für das Wohl der Bürger schmälert ihre Tatkraft und Eigeninitiative; sie stört die entelechiale allseitige Entwicklung der autonomen Persönlichkeit. Dies gilt insbesondere für das Erziehungswesen. Denn es „kommt schlechterdings alles auf die Ausbildung des Menschen i n der höchsten Mannigfaltigkeit an; öffentliche Erziehung aber muß . . . immer eine bestimmte Form begünstigen" 8 . Diese Form besteht darin, daß „der Mensch dem Bürger geopfert w i r d " 9 ; denn „jede öffentliche E r z i e h u n g . . . , da immer der Geist der Regierung i n ihr herrscht, gibt dem Menschen eine gewisse bürgerliche F o r m " 1 0 . „Bürger" ab bedeutet für Humboldt: willfähriger Untertan. Nicht, als ob Humboldt etwas gegen einen gesetzestreuen Untertan einzuwenden hätte oder etwa gar als Sozialrevolutionär aufträte; es geht i h m nur darum, zu verhindern, daß die Entwicklung der Persönlichkeit durch die Fixierung auf eine „bürgerliche Form" beschnitten und eingeengt wird, „da, was Einheit der Anordnung hat, auch allemal eine gewisse Einförmigkeit der W i r kung hervorbringt" 1 1 . Daher bedeutet für Humboldt „öffentliche Erziehung" nicht Ausbildung, sondern Einschränkung der Persönlichkeit; ihre volle Entfaltung ist nur durch Privaterziehung gewährleistet, und er schließt daher m i t dem Satz: „öffentliche Erziehung scheint m i r daher ganz außerhalb der Schranken zu liegen, i n welchen der Staat seine W i r k samkeit halten muß 1 2 ." Wer nun aber Humboldt als Kronzeugen für die Forderung nach Entlassung des Staates aus der Schule benennt, sollte bedenken, daß hier ein 6

S. 13. S. 39. 8 S. 56. 9 S. 57. 10 S. 57. 11 S. 58/59. 12 S. 60. 7

I V . Beispiele antietatistischer K r i t i k

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Persönlichkeitsideal formuliert wird, das selbst zur Zeit Humboldts — der Goethe-Zeit! — wie so vieles mehr nur für eine privilegierte Schicht — wenn überhaupt je — gelten konnte und das nur auf diese Schicht h i n konzipiert ist; daß ferner hier die Utopie einer harmonischen und autonomen Gesellschaft vorausgesetzt w i r d und daß zum dritten der monarchisch verfaßte Staat, dessen Verwirklichungen gewiß keine demokratische Willensbildung vorausging und dessen Schulwesen i n der Tat Untertanengeist erzeugen mochte, noch als unerschütterliche Größe dastand. Dies aber sind Humboldts Prämissen. Da sie teils ihre Überzeugungskraft eingebüßt haben, teils historisch weggefallen sind, verbietet es sich, die Folgerungen ohne weiteres zu übernehmen. 2. Friedrich Justus Knecht

Aus dem Geiste des Kulturkampfes heraus schreibt Friedrich Justus Knecht. Seine Schrift „Die Staatserziehung ist i n ihren Folgen verderblich" 1 3 ist eine einzige Philippika gegen den Bürokratismus und den Absolutismus i m damaligen Staatsschulsystem wie gegen das Staatsschulwesen überhaupt. Das ist verständlich, denn die Schrift ist „den Freunden der christlichen Jugendbildung gewidmet", der Staat aber „hat den Einfluß der Kirche auf die Schule m i t neidischer Eifersucht untergraben", „den berufenen Vertretern der höchsten Ideale, den Priestern, den Zugang zur Schule verschlossen" und die „erziehenden Ordensleute . . . m i t rücksichtsloser Grausamkeit aus dem Vaterlande vertrieben" 1 4 . Es wäre indes ungerecht, Knechts Äußerungen lediglich als ressentimentgeladenen Ausdruck eines frustrierten Ultramontanismus zu werten. Denn indem er sich bitter darüber beklagt, daß die Staatsschule zur „Entchristlichung" 1 5 und i n deren Gefolge zum Materialismus und zur Auflösung aller Werte führt, spricht er das bis heute noch nicht befriedigend gelöste Problem an, daß nämlich eine „christliche" Schule i n der Tat von Staats wegen nicht veranstaltet werden kann und darf und daß gerade deswegen christliche oder kirchliche Schulen als Privatschulen garantiert sein müssen. Indem Knecht die „Herzlosigkeit der Staatserzieh u n g " 1 6 und didaktische Fehlentscheidungen 17 anprangert und meint, „der Staat, die weltliche Macht, kann nicht erziehen" 18 , öffnet er die Augen für die Frage, wer denn nun i n der Staatsschule tatsächlich erzieht und wer es m i t welchem Erziehungsziel t u n soll. Knechts Worte 18 14 15 16 17 18

1880; vgl. auch ders., Die Staatserziehung ist i m Prinzip verwerflich, 1880. S. 10. S. 71 ff. S. 11 f. S. 58 ff.; gemeint ist die enzyklopädistische Überbürdung der Schule. S. 7.

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Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

von der „Staatsschule als P o l i t i k u m " 1 9 und ihrer Preisgabe an die jeweils herrschende Partei 2 0 sind heute noch zu hören — die Schule w i r d immer Gegenstand der politischen Diskussion sein — und seine Invektive gegen die staatliche Schulverwaltung 2 1 ist gegenüber der heutigen K r i t i k an der „verwalteten Schule" nicht minder temperamentvoll. 3. Ernst von Hippel und Otto Dibelius

Das Trauma des NS-Regimes und der Eindruck der Katastrophe von 1945 haben die engagierten Äußerungen von Ernst von Hippel und Otto Dibelius bestimmt. von Hippel beschwört i n seinem Aufsatz „Schulverfassung und Demok r a t i e " 2 2 noch einmal das Schreckensbild der totalen Manipulation des Menschen i m staatlichen Erziehungswesen, zu der i m Gefolge einer von Hobbes und Rousseau entwickelten positivistischen Philosophie die „Auslieferung des Kulturbereichs an die politische Macht und deren Tagesinteressen" 23 führe. U m aber der Parteipolitik „das Unterrichtswesen als eine A r t M i t t e l zur Gewinnung politischer Rekruten" 2 4 zu nehmen und dem Erziehungsbereich die Möglichkeit zu garantieren, ganz aus der i h m zugeordneten „Wahrheitswelt" zu leben, bedarf es der Befreiung des Unterrichtswesens aus staatlicher Bevormundung, „kann man doch nicht ohne Grund meinen, daß die Befreiung des Schulwesens aus den Tagesinteressen der Politik eine Grundvoraussetzung schlechthin bedeutet für die Gesundung der modernen W e l t " 2 5 . Diese Befreiung aber heißt Selbstverwaltung des Schulbereichs 26 . Umfangreicher und differenzierter, aber noch stärker traumatisch fixiert sind die Ausführungen von Otto Dibelius i n „Grenzen des Staates" 2 7 . Von leidvoller Erfahrung betroffen, kennzeichnet er den „Staat"

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S. 23. S. 7. 21 S. 14 f. u n d passim; S. 8: „ I m Staatsschulwesen aber w i r d k r a f t des Monopols jede einmal angenommene Thorheit überall m i t Gewalt durchgeführt, so daß das Verderbnis ein allgemeines werden muß. Auch k a n n es gar leicht v o r kommen, daß der pädagogische Unverstand das staatliche Schulmonopol handhabt, denn i m Staatsschulwesen haben die Juristen das entscheidende Wort u n d diese verstehen i n der Regel von der Pädagogik wenig oder gar nichts." 22 DÖV 1950, S. 601 ff. 23 S. 601. 24 S. 603; ähnlich auch Knecht, a.a.O., S. 12. 25 S. 603. 26 Die Selbstverwaltung des Schulwesens w i r d unter den gleichen Zeitbedingungen auch gefordert v o n Heinz Kloss, Lehrer-Eltern-Schulgemeinden 1949. 27 1949. 20

I V . Beispiele antietatistischer K r i t i k

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als „wesenhaft totalitär", als „dämonische Macht" und als „Vernichter des Wohlstandes, des Hechtes und der Sittlichkeit" 2 8 . Von diesem Ausgangspunkt aus verstehen sich alle weiteren Folgerungen von selbst: „Die Staatsschule, der niemand sich entziehen darf, ist der erste, und zwar der entscheidende Schritt i n den totalen Staat hinein, der den Menschen bis i n die letzten Falten seiner Seele für sich i n Anspruch n i m m t 2 9 . " Es ist daher unumgänglich, daß das „christliche Gewissen die kategorische Forderung erhebt, daß der Macht des Staates auf dem Gebiet der Erziehung endlich, endlich die Grenze gesetzt w i r d " 3 0 ! Dibelius schlägt eine differenzierte Form der Schulverwaltung durch die Eltern vor. Allerdings mag hierbei dem Staate die „Schulhoheit" überlassen bleiben 3 1 , was etwa m i t der Sorge für die „äußeren Schulangelegenheiten" zusammenfiele. Dibelius fährt aber fort: „Mögen die Eltern als unzuständig gelten, wenn es sich u m die Methode des Unterrichts und um den Lehrplan handelt — für das innerste Leben der Schule, für die sittlichen Grundsätze der Erziehung und für alles, was das Gewissen angeht, sind sie die allein Zuständigen 32 ." I m Hinblick auf den Lehrplan t r i t t hier eine merkwürdige Verkennung der Wirklichkeit, das heißt des Konnexes von Erziehung, Bildung und Lehrplan, zu Tage. Es wäre konsequent gewesen, auch die Gestaltung der Lehrpläne der als Selbstverwaltungskörperschaft geforderten „Erziehungskammer" 33 anheimzugeben. Es w i r d aber die Möglichkeit vorgeschlagen, „wenigstens alle Schulgesetze an das Votum dieser obersten Erziehungskammer (zu) binden" 3 4 . Spätestens an dieser Stelle w i r d der entscheidende Mangel deutlich, der den Ausführungen von Dibelius , aber auch denen von von Hippel, anhaftet: Ganz abgesehen davon, daß sich die Staatsvorstellung zu Unrecht an den Perversionen orientiert, scheint ihnen das Modell der parlamentarischen Demokratie und des Rechtsstaates unbekannt. Jedenfalls w i r d es nicht für den Aufbau des Erziehungswesens fruchtbar gemacht, und anders könnte nicht der Fehlgriff unterlaufen, die Zustimmung nichtparlamentarischer Gremien zur Gültigkeitsbedingung für förmliche Gesetze zu machen. 28 S. 14 ff.; i n der Bemerkung (S. 24) „Es ist nichts Positiv-Metaphysisches am modernen Staat, nichts Heiliges, w i r k l i c h gar nichts!" offenbart sich i m ü b r i gen typisch die protestantische Provenienz der Schrift. 29 S. 94. 30 S. 99. 31 S. 99. 32 S. 100. 33 S. 101. 34 S. 101.

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. Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

Von dem weiteren grundlegenden I r r t u m beider Autoren, denen man allerdings die Erfahrungen dieses Jahrhunderts und den leidenschaftlichen Willen zu einem Neuaufbau zugute halten muß, soll unten noch die Rede sein. 4. Neuere Autoren

I n der Tradition der Staatsgegner i m Schulwesen stehen, allerdings frei von antietatistischen Affekten, einige neuere Autoren. Geiger 35 geht davon aus, daß eine „verstaatlichte Schule der Gegenwart ein überaus geeignetes Instrument i n der Hand eines künftigen totalitären Regimes wäre", und zieht daraus die präventive Folgerung, daß „unser Schulwesen wieder stärker vom Staat abgesetzt werden muß" 3 6 . A n anderer Stelle führt Geiger aus 37 , daß es i m Erziehungswesen u m Gewissensangelegenheiten gehe, u m das „Unabstimmbare", das aus der Zuständigkeit des Staates zur Reglementierung herausfalle und „ i n den Bereich des Gesellschaftlichen verwiesen" werden müsse. Ob Geiger hiermit wirklich eine Privatisierung des Erziehungswesens meint oder ob er eine Selbstverwaltung der Schule i m Auge hat, bleibt allerdings offen. Für eine Selbstverwaltung plädieren dezidiert Eckehart Stein 88 und Franz Pöggeler 39. Stein befürchtet eine tendenziöse Auswahl der Unterrichtsgehalte und eine ideologische Beeinflussung der Schüler an der staatlichen Schule und w i l l daher „alle Entscheidungen, die m i t der inhaltlichen Gestaltung des Unterrichtes zusammenhängen" 40 , aus der staatlichen Verwaltung herausnehmen und zu Selbstverwaltungsangelegenheiten machen. Pöggeler argumentiert mehr vom Pädagogischen her, verwirft die das pädagogische Eigenleben ausschließende „verwaltete Schule" und fordert die „Herauslösung aus der Staatsverwaltung zugunsten der Unterstellung unter eine oberste Selbstverwaltung" 4 1 . Auch Rumpf 42 hat die „verwaltete Schule" anschaulich beschrieben und weiß keinen Ausweg als die Autonomie der einzelnen Lehranstalt. 35

Willi Geiger, Konsequenzen f ü r das Schulwesen aus der S t r u k t u r unserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (648). 36 a.a.O., S. 647. 37 Willi Geiger, Über die verfassungsrechtlichen Grundsätze, nach denen i n der Bundesrepublik Deutschland die rechtliche Ordnung i m Bereich des B i l dungswesens zu gestalten ist, i n : Schulreform u n d Recht, 1967, S. 9 ff. (19). 38 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967. 39 Der pädagogische Fortschritt u n d die verwaltete Schule, 1960. 40 a.a.O., S. 58. 41 a.a.O., S. 47.

I V . Beispiele antietatistischer K r i t i k

Offenbar hat Hellmut Hörer gefunden.

Beckers

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Klageruf über die „verwaltete Schule"

5. Kritik der Kritik am Staatsschulwesen

A l l e K r i t i k e r des Staatsschulwesens stimmen i n zwei Punkten überein: E i n m a l negativ darin, daß die Alternativmodelle, auch soweit sie als „Selbstverwaltung" formuliert werden, nie konsequent u n d detailliert ausgearbeitet werden, u n d zum anderen positiv darin, daß es ein Übel sei, w e n n der Staat die inneren Schulangelegenheiten bestimme, u n d daß m a n diesem Übel dadurch zu Leibe rücken könne, daß m a n die Entscheidungsgewalt auf nichtstaatliche Gremien verlagert. I m m e r ist es der „Staat", i n dem m a n eine totalitäre Gefahrenquelle sieht. Es ist indes i n keiner Weise erwiesen, daß die gesellschaftlichen Kräfte, den m a n die Schule überantworten möchte u n d die i n den postulierten außerstaatlichen Entscheidungsgremien repräsentiert wären, sich demokratischer u n d freiheitlicher verhielten oder gegen jede Ideologie u n d jeden Totalitarismus gefeit seien. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist nicht der Staat, der den Totalitarismus gebiert, sondern die i n der Gesellschaft erwachsenen totalitären Bewegungen verschlingen den Staat. Sie o k k u pieren das staatliche Instrumentarium zur Durchsetzung ihrer Macht. Sie werden sich auch alle staatsfreien Selbstverwaltungskörperschaften u n terwerfen, wenn dies ihrer Selbstdurchsetzung dient. Ja, es w i r d ihnen noch v i e l leichter fallen, nichtstaatliche Gremien zu durchsetzen, u n d diese Gremien werden u m so mehr i h r Angriffsziel w i e ihre P l a t t f o r m sein, als diese das Schulwesen bestimmen. E i n bestürzendes Beispiel hierf ü r ist, wie gegenwärtig die marxistische Ideologie den staatsfreien Selbstverwaltungsraum der Universität unterwandert 4 4 . Dieser Sachverhalt w i r d von der gesamten antietatistischen K r i t i k verkannt. Typisch hierfür sind die Ausführungen von Eckehart Stein 4 5 : „Das wichtigste Instrument zur inhaltlichen Beeinflussung des Unterrichts sind die Bildungspläne . . . Wer die Bildungspläne u n d Prüfungsrichtlinien erläßt, beherrscht damit die gesamte Schule. Deshalb 46 müssen vor allem diese Aufgaben aus der staatlichen V e r w a l t u n g herausgenommen ...

42 Horst Rumpf , Die Misere der Höheren Schule, 1966, S. 163 f.; vgl. ders. Die administrative Verstörung der Schule, 1966. 48 K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 33 ff. 44 Vgl. Günther Gillessen, Unterwanderung einer Fakultät, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. 12. 1969, S. 2; Erich Loos, Noch einmal: Die U n t e r wanderung einer Fakultät, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. 1. 1970, S. 2. 45 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 59. 46 Hervorhebung v o m Verf.

7 Hennecke

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Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

werden." I n diesem „deshalb" liegt der Trugschluß: Denn gerade „deshalb" werden Ideologien aller A r t den Bildungsplan unter allen Umständen i n die Hand zu bekommen suchen, wobei es gerade keine Rolle spielen wird, ob i m Staat oder außerhalb des Staates. Es ist daher nicht damit getan, die Macht des Staates i m Schulwesen zu schmälern. Man verschiebt nur das Problem. Das Medusenhaupt des totalen Staates hat die Augen der K r i t i k versteinert; sie hat sich auf den Staat fixiert, aber übersehen, daß eben dieser totale Staat nur Schlußpunkt einer langen gesellschaftlichen Entwicklung ist. Die Vorstellung aber von der harmonischen und liberalen Gesellschaft, i n der das Schulwesen wohlgeborgen ist, ist bestenfalls hoffnungsvolle Utopie 4 7 .

V. Ansätze zur Begründung der staatlichen Schulträgerschaft Der vorhergehende Abschnitt hat bereits erkennen lassen, daß der K r i t i k am Staatsschulwesen nicht gefolgt werden soll. Dies aber nötigt dazu, wenigstens i n Ansätzen aufzuzeigen, wie das Staatsschulwesen begründet und gerechtfertigt werden kann. 1. Die Faktizität

Ein gewiß etwas vordergründiges Argument ist der Verweis auf die Tatsache, daß die Schule schon seit langem als Staatsschule organisiert ist: Was immer schon so war, ist schwer zu ändern, und man weiß nicht, ob Änderung auch Besserung bringt. Diesem Argument haftet die Merkwürdigkeit an, daß gerade das, woran die K r i t i k sich entzündet, ihr selbst als Gegenargument entgegengehalten w i r d ; auch ist es methodisch anfechtbar, da aus der Tatsache, daß etwas ist, noch nicht abgeleitet werden kann, daß es auch sein soll. Es ist aber doch zu bedenken, ob nicht das Gewicht der von der K r i t i k vorgebrachten Argumente durch die Schwere der schier unabänderlichen Faktizität aufgewogen wird. 2. Die Affinität von Staat und Schule

Der Präokkupation der Schule durch den Staat kommt ein der Idee der Schule ohnehin immanenten Moment entgegen. Denn Schule versteht sich von sich aus schon nicht nur als Erfüllung individueller Wunschvorstellungen, sondern sie weiß sich seit jeher einem objektiven Inter47 Auch Thomas Oppermann (Kulturverwaltungsrecht, 1969) w e h r t die K r i t i k am Staatsschulwesen ab (S. 189): „ W e n n hier die freie, d. h. i n der Hand der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppenbildungen befindliche Schule . . . gefordert w i r d , liegen solchem Mißtrauen gegenüber dem Gedanken öffent-

V. Ansätze zur Begründung der staatlichen Schulträgerschaft

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esse, sei es dem des Individuums, sei es dem der Gesellschaft, verpflichtet. Die Schule reproduziert das i n einer Gesellschaft lebendige B i l d der Erfüllung individueller Existenz i n einem objektiven Bildungsideal, ebenso wie sie durch Vermittlung des jeweiligen Wissenstandes die ökonomische Grundlage der Gesellschaft garantiert. Insofern steht Schule an sich schon immer auch i m Dienste des Allgemeinen und hat von daher eine natürliche Affinität zum Staate hin. 3. Das Bildungswesen als Gemeinschaftsaufgabe in der modernen Industriegesellschaft

Die Bedeutung des Bildungswesens ist i n der Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts ins Ungemessene gestiegen. Das Bildungswesen w i r d für diese Gesellschaft i n zunehmendem Maße Bedingung ihrer Existenz. Alle Tätigkeit, die der Existenzsicherung der Gesamtgesellschaft dient, kann nur Gesamt- oder Gemeinschaftsaufgabe sein und nicht individuellem Belieben und privater Initiative anheimgestellt werden. Subjekt wie Organisationsform dieser umfassenden Gemeinschaftstätigkeit aber ist der Staat. Nur der Staat ist kraft seiner Organisationsgewalt, Finanzkraft und allseitiger räumlicher Präsenz befähigt, die Organisation des Schulwesens zu leisten, eines Schulwesens, das i n der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer Organisation größten Stiles bedarf. Es ist die einfache Notwendigkeit der Existenzsicherung, die das Staatsschulwesen erzwingt. Reprivatisierung wäre Vollendung der „Bildungskatastrophe". Sie würde das Schulwesen dem Zufall, aber der Kommerzialisierung und dem Partikularinteresse ausliefern. Auch sind, wie Campenhausen 48 nachgewiesen hat, die i n Betracht kommenden Schulträger — Kommunen, Eltern, Kirchen und allgemein Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften — außerstande, die anstehenden Aufgaben zu lösen. So haben denn auch Autoren wie Herbert Krüger 49, Thomas Oppermann 5 0 , Adolf Arndt 51 und Benedikt Weissenrieder 52 das Staatsschullicher Erziehung letztlich — zeitgeschichtlich verständliche — A n t i - A f f e k t e gegenüber einem Staat zugrunde, der an einem B i l d v o n gestern gemessen wird." 48 Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967, passim. 49 Allgemeine Staatslehre, 2. A u f l . 1966, S. 228: „Es ist daher eine hervorragende Maßnahme der Existenzbegründung u n d der Existenzsicherung, w e n n der moderne Staat nicht n u r eine allgemeine Schulpflicht schafft, sondern auch das Unterrichtswesen zu einer Veranstaltung des Staates erhebt." 50 Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 188/189. 51 Aufgaben u n d Grenzen der Staatsgewalt i m Bereich der Schulbildung, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 71. 52 Die Schulhoheit, 1953, S. 180 f. 7*

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2. Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

wesen bejaht. Selbst Pöggeler 53 räumt ein, daß eine gewisse Affinität zwischen Staat und Schule bestehe. 4. Lorenz von Steins staatstheoretische Grundlegung

Lorenz von Steins 54 theoretische Grundlegung für das Staatsschulwesen kann hier i m einzelnen nicht referiert werden. Sie scheint heute noch gültig. Der Grundgedanke ist der, daß das „Maß der Entwicklung aller Einzelnen zum Maß der Entwicklung des Staates selber w i r d " 5 5 und daß daher das Prinzip des Staates darin bestehe, dem Einzelnen alle Bedingungen für seine volle Entwicklung setzen. Diese Bedingungen werden insbesondere aber m i t dem staatlichen Schulwesen geschaffen 56 . 5. Georg Kerschensteiner

Einen „sittlichen Anspruch des Staates auf das Bildungswesen" hat Georg Kerschensteiner 57 systematisch entwickelt, wobei er sich relativ eingehend m i t dem Urteil deutscher Pädagogen und Philosophen über die Staatsschule auseinandersetzt 58 . Sein Ausgangspunkt ist die staatsbürgerliche Erziehung: „Jedes Staatsgebilde, das i n seinem souveränen Rechtssystem der sittlichen Staatsidee Rechnung trägt, hat i m Interesse der Pflege der sittlichen Staatsgesinnung einen Anspruch auf die Gestaltung der Bildungsorganisationen der Staatsgemeinschaft wie ihrer Unterverbände 59 ." Die i m Staate verkörperte sittliche Idee w i r d i m Schulwesen zum normativen Anspruch. Die dem Staate primär zufallende Erziehungsaufgabe, nämlich die Erziehung zur „sittlichen Staatsgesinnung", rechtfertigt den „sittlichen Anspruch des Staates an die Bildungsorganisationen 53 Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, v o n der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 99 f. 64 Die Verwaltungslehre, 8 Teile, 1865 ff.; Handbuch der Verwaltungslehre, 3 Teile, 3. A u f l . 1887/88. 55 Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich, Bd. I, 1850, Neudr. 1921, S. 35 u n d passim. Ä h n l i c h auch Georg Kerchensteiner, Das einheitliche deutsche Schulsystem, 2. A u f l . 1922, S. 125: „Die Staatsinteressen sind nichts anderes als die ausgeglichenen berechtigten Interessen der Einzelnen u n d ihrer besonderen Zweckverbände." 56 Es ist allerdings der Staat, der darüber befindet, welche konkreten Bedingungen das objektive W o h l des Individuums verwirklichen sollen. I m B i l dungswesen ist nach Stein die „Klassische B i l d u n g " eine solche Bedingung, deren Eignung f ü r das objektive W o h l er noch f ü r evident halten kann. Je dispositiver aber alle diese Bedingungen werden, desto aporetischer w i r d das System. 57 Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 23,98 f. 58 a.a.O., S. 109 f. 69 a.a.O., S. 98.

V I . Ansätze zur Begründung der inhaltlichen F i x i e r u n g

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der Staatsgemeinschaft" 60 ; diesen Anspruch expliziert und begrenzt Kerschensteiner unter Wahrung der Rechte der neben dem Staate bestehenden „Wertgemeinschaften" i n Postulaten wie Subsidiarität der staatlichen Bildungseinrichtungen, Plurif ormität des Bildungswesens und Teilhabe der Wetgemeinschaften an dessen Gestaltung.

VI. Ansätze zur Begründung der inhaltlichen Fixierung Wie auch am Beispiel Kerschensteiner sichtbar geworden ist, reicht das Verwiesensein des Staates auf die Schule für sich allein noch nicht aus, auch die umfassende Herrschaft des Staates über die Schule i m Sinne von deren inhaltlicher Fixierung zu legitimieren. Staatliche Schulträgerschaft ist noch nicht identisch m i t Bestimmungsgewalt. Denn es sind Modelle denkbar, daß der Staat Schulen organisiert und finanziert, die Bestimmung des Bildungsangebotes aber außerstaatlichen Instanzen überläßt. Die Frage der Legitimation inhaltlicher Fixierung muß daher erneut gestellt werden. 1. Das tradierte Staatsschulsystem als Aufgabe des Verfassungsgebers

Auch hier kehrt das Argument der historisch so gewordenen Faktizität wieder. Es ist, wenn überhaupt, noch am ehesten geeignet, die Verfassungsgeber der deutschen Nachkriegsverfassungen zu „entlasten". Die Erschütterung des Umbruches von 1945 hat das Bewußtsein geschaffen, daß man beim Aufbau einer staatlichen Gemeinschaft von Grund auf neu beginnen müsse und daß dieser Neubeginn nur auf eine sittliche Grundlage gestellt werden könne, die man aus den besten Traditionen des christlichen Abendlandes gewinnen zu müssen glaubte. Dem A n spruch dieser ethischen Grundnormen dürfte keine öffentliche Einrichtung entzogen werden. Da man nun das Schulwesen als traditionell staatliche Einrichtung vorfand, aber die Erfahrung gemacht hatte, daß es zum Einfallstor des Totalitarismus geworden war, galt i h m das besondere Interesse der Verfassungsgeber. Man hat daher sittliche Ideale i n den Schulartikeln der Verfassungen konzentriert, da gerade das Schulwesen auf ein ethisches Fundament gegründet werden mußte, eine Privatisierung des Schulwesens aber außerhalb der Vorstellung der Verfassungsgeber gelegen haben dürfte. Es darf hierbei auch nicht übersehen werden, daß die Bildungs- und Erziehungsziele i n den Länderverfassungen zum Teil auch das nichtstaatliche Schulwesen betreffen.

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a.a.O., S. 100.

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. Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna 2. Untrennbarkeit von Schulträgerschaft und Bestimmungsmacht

I n der Trennung von Schulträgerschaft und inhaltlicher Bestimmungsgewalt kehrt die problematische Unterscheidung von „inneren" und „äußeren" Schulangelegenheiten wieder. Die Unterscheidung ist idealtypisch möglich; i n der konkreten Schulorganisation aber läßt sich der Trennungsstrich kaum ziehen. Das heißt: Der Staat kann kein Bildungssystem organisieren, ohne zugleich auf dessen innere Gestalt Einfluß zu nehmen. Schulträgerschaft impliziert i n gewissem Umfange Bestimmungsgewalt. Der Umfang der i n der Schulträgerschaft implizierten Gestaltungsmacht kann abstrakt kaum abgegrenzt werden; er wäre w o h l auch nur empirisch zu ermitteln. Er deckt sich allerdings gewiß nicht m i t der Fülle der tatsächlich geübten Bestimmungsgewalt, so daß zu deren voller Begründung gleichwohl nicht auf die Begründung der Schulträgerschaft verwiesen werden kann, sondern nach weiterer Legitimation Ausschau gehalten werden muß. 3. Der Staat als Garant der Einheit des Bildungswesens als einer Existenzbedingung der Gesellschaft

Das Argument, das hier eingreift, steht demjenigen methodisch gleich, das oben schon die staatliche Schulträgerschaft begründen half. Es sind wiederum die Sachzwänge der modernen Leistungs- und Industriegesellschaft, die jetzt auch die umfassende Bestimmungsgewalt des Staates über die inneren Schulangelegenheiten bedingen. So wie diese Gesellschaft eine umfassende Organisation ihres Bildungswesens vom Staate fordert und zu ihrer Existenzsicherung fordern muß, so wenig kommt sie ohne ein Berechtigungswesen aus, so sehr lebt sie von dem Leistungsniveau, der Einheitlichkeit, dem Standard dieser Bildungseinrichtungen. Ein Bildungswesen kann i n einer hochmobilen Gesellschaft seine Funktion nur erfüllen, wenn den Qualifikationen, die es vergibt, ein Kurswert zukommt. Was h i l f t ein Abgangszeugnis, wenn niemand weiß, was es bescheinigt? Dieser Kurs- oder Handelswert der Berechtigung setzt eine objektive Bewertungsskala, diese die Transparenz und Einheitlichkeit des Bildungswesens voraus. Da ferner das Bildungswesen als Stufenleiter zum sozialen Aufstieg fungiert, die Mobilität der Industriegesellschaft aber i n einer Binnenwanderung der Bevölkerung ihren Ausdruck findet, könnte die Uneinheitlichkeit des Bildungssystems zu der unerträglichen Konsequenz führen, daß zum Beispiel ein Wohnungswechsel das soziale Schicksal des Betreffenden bestimmt, ihn aufsteigen oder scheitern läßt. Einheitlichkeit des Bildungswesens und Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse sind aber nicht dadurch zu erreichen, daß man das Bildungswesen dem Ungeordnetsein, dem Zufall und dem Belieben gesellschaft-

V I . Ansätze zur Begründung der inhaltlichen F i x i e r u n g

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licher Initiative preisgibt, sondern nur dadurch, daß der Staat das von i h m organisierte Schulsystem durch Standardisierung auch inhaltlich bestimmt 6 1 . 4. Der Rechtsstaat als Garant eines freiheitlich-pluralistischen Bildungswesens

Von gänzlich anderer Provenienz ist der Versuch, die Idee des demokratischen Rechtsstaates selbst zur Legitimation staatlicher Schulherrschaft fruchtbar zu machen. Denn es ist der Staat, der i n allen seinen Verwirklichungen an das Recht gebunden ist. Der Idee des Rechts aber ist die Idee der Gleichheit immanent. Aus diesem Grunde bietet der ausgeformte Rechtsstaat die große Chance für ein freiheitlich-pluralistisches Bildungswesen, das nicht von einer einzigen Ideologie beherrscht wird, sondern i n dem sich alle gesellschaftlichen Gruppen, Wertverbände, Interessen repräsentiert finden. Der Staat ist die Integrationsform der auseinanderstrebenden pluralistischen Gesellschaft; die staatliche Schule aber kann ein Modellfall für diese Integration werden, indem sie auf Recht und Gleichheit gegründet wird, i n sich die Kräfte ringen läßt und zum Ausgleich bringt und so zum verkleinerten Spiegelbild der Gesamtgesellschaft wird. Da nun aber jede Manifestation des Staates — auch und insbesondere i m Schulwesen — nur Wertverwirklichung sein kann, diese Werte aber gesellschaftlichen Quellen entstammen, w i r d sich das Urteil darüber, wie weit der Staat dem oben beschriebenen Gebot der Neutralität als der Existenzbedingung einer freien Gesellschaft Folge geleistet hat, danach bemessen, ob er bei der Willensbildung, die seiner Verwirklichung vorausgeht, die Chancengleichheit für alle gesellschaftlichen Kräfte gewahrt und alle Gruppen proportional zu ihrer Bedeutung beteiligt hat. Das Verfahren bei dieser Willensbildung aber heißt Demokratie. 5. Der Mangel an demokratischer Legitimation außerstaatlicher Instanzen

Aus diesem Grund scheint es verfehlt, die Entlassung des Staates aus der Schule zu fordern, ohne daß man die Chance demokratischer Willensbildung, die i n der Staatsorganisation präformiert ist, auch für das Schulwesen durchdacht und ausgeschöpft hat. Noch verfehlter erscheint es, die inhaltliche Bestimmungsgewalt über den Sozialkörper „Schule" auf außerstaatliche Instanzen zu übertragen, deren demokratische Legitimation nicht garantiert ist und die keine Gewähr dafür bieten, alle gesellschaftlichen Wertverbände proportional zu repräsentieren. 61 I n diesem Sinne auch Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 256/257; Günter Dürig, (zustimmender) Diskussionsbeitrag zu Ernst-Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23,1966, S. 261/262.

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Kap.: Die Legitimation zur Regelung der Interna

V I I . Die Bedingung der Legitimation Diese Überlegungen, die an die Charakterisierung des Staatsschulwesens als „Gemeinschaftskompromiß" i m 1. Kapitel anknüpfen, erlauben es, die Bedingung der Legitimation staatlichen Schule-haltens — Schulträgerschaft wie Bestimmungsgewalt — zu formulieren: Der Staat ist legitimiert, das gesamte Schulwesen inhaltlich zu bestimmen, wenn die dieser Bestimmung vorangehende Willensbildung sich i n demokratischen Formen vollzieht und diese Bestimmung die Normtypik des Rechtsstaates wahrt.

Drittes Kapitel

Die Frage der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung an Gesetzgeber und Verwaltung im Schulbereich I m vorhergehenden Kapitel ist der Beruf des Staates zum Schule-halten i n vollem Umfange bejaht worden. Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, wie dieses Schule-halten i n das Gewaltengliederungsschema des modernen Rechtsstaates einzuordnen ist. Der gewiß zutreffende allgemeine Hinweis, daß Schule-halten der i n einem materiellen Sinne verstandenen „Verwaltung" unterfalle, gibt für die Lösung des Problems noch wenig her. I. Ausklammerung der Judikative Eines indes kann i m vorab festgestellt werden: Bei der Zuordnung der Befugnis, Schule zu halten, an die drei Staatsgewalten muß die Judikative leer ausgehen. Wiewohl auch die „inneren Schulangelegenheiten" zum Teil wenigstens dem Richterspruch unterworfen worden sind 1 , kommt die rechtsprechende Gewalt naturgemäß weder als Schulveranstalter noch als Bestimmungsinstanz i n Betracht. I I . Differenzierung des Schule-haltens Das Problem der Kompetenzzuweisung stellt sich deswegen, w e i l das Veranstalten von Schule durch eine Fülle verschiedenartiger Tätigkeiten konstituiert w i r d : Schule-halten ist eine Synthese aus Unterrichtstätigkeit, aus grundlegender Entscheidung und Normsetzung über die Inhalte 1 Vgl. Hans Heckel, Die Bedeutung der Verwaltungsrechtsprechung f ü r die Entwicklung des deutschen Schulrechts, DÖV 1963, S. 442ff.; ders., Schule u n d Schulverwaltung als Aufgabe der Verwaltungspolitik, D Ö V 1968, S. 371 ff. (372); ders., Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 215 ff.; Wolf gang Pittermann , Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960; Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957; Horst Tilch , Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte i m Schulverhältnis, Diss. München 1961; Hermann Hummel , Gerichtsschutz gegen Prüfungsbewertungen, 1969; jeweils m i t umfangreichen Nachweisen.

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

dieses Unterrichts, aus Planung, Organisation und personeller, technischer und finanzieller Verwaltung. Ordnet man die Merkmale dieser Schularbeit dem Typenschema hoheitlichen Handelns zu und unternimmt man das Wagnis, die Unterrichtstätigkeit des Lehrers, die ja unbestrittenermaßen Ausübung hoheitlicher Gewalt ist, als „Leistungsverwaltung" zu begreifen, dann läßt sich für die derzeitige Schulwirklichkeit abstrakt konstatieren 2 : Schule-halten ist 1. Verwaltung i m staatsrechtlichen Sinne, die sich aus der Arbeit des beamteten Lehrers, der Schulverwaltung i m engeren Sinne und der gesamten Schulorganisation konstituiert, wobei es auf sich beruhen kann, ob der Verwaltungsbegriff i m Substraktionswege gewonnen oder aber positiv etwa i n Anlehnung an Forsthoff 3 als kontinuierliche Sozialgestaltung begriffen w i r d 4 ; 2. formelle Rechtsetzung als der juristische Ausdruck der für das Schule-halten unabdingbaren Dezisionen und inneren Normsetzungen, wobei diese Rechtsetzung i n den Landesverfassungen und Schulgesetzen geleistet w i r d ; 3. normsetzende Verwaltung, die das von den formellen Rechtsquellen ausgesparte Vakuum an innerer Normsetzung durch Lehrpläne, Richtlinien etc. ausfüllt. I I I . Hieraus resultierende Fragen Aus diesen Feststellungen resultieren wiederum drei Fragen. 1. Die Verwaltung ist an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden, wobei der Umfang dieser Bindung und des Gesetzesvorbehaltes insbesondere für die Schulverwaltung bestimmt werden muß. 2. I m Hinblick auf die formelle Rechtsetzung der Bundesländer stellt sich die Frage der Vereinbarkeit des Landesrechts m i t dem Grundgesetz, insbesondere m i t A r t . 3,4, 5, 6 und 7 GG. Diese Frage ist jedoch i n dem hier behandelten Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung und soll daher nicht weiter verfolgt werden. 3. Die problematischste Feststellung war oben die, daß die Exekutive i m Schulbereich auch die Aufgabe innerer Normsetzung übernimmt. Die2 Ä h n l i c h auch — allerdings i m Hinblick auf den Schulaufsichtsbegriff — Ernst-Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, i n : W D S t R L 23, 1966, S. 199 ff. (213). 3 Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1966, S. 1 ff. (3, 7). 4 Z u m Verwaltungsbegriff allgemein, statt aller: Forsthoff, a.a.O.; Hans Julius Wolff, Verwaltungsrecht 1,7. A u f l . 1968, S. 7 ff.

I V . Schulaufsicht u n d Kompetenz

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ses P r o b l e m der E x e k u t i v k o m p e t e n z z u r N o r m s e t z u n g s o l l i n e i n e m eigenen K a p i t e l behandelt werden. I V . D e r Aussagegehalt des Schulaufsichtsbegrif fes für die Kompetenzzuweisung F ü r die B e a n t w o r t u n g d e r F r a g e n nach d e r G e s e t z m ä ß i g k e i t der S c h u l v e r w a l t u n g u n d der E x e k u t i v k o m p e t e n z z u r N o r m s e t z u n g scheint sich e i n B e g r i f f anzubieten, der a l l e r d i n g s zu d e n u n k l a r s t e n u n d vielschicht i g s t e n u n d d a h e r u n g l ü c k l i c h s t e n des Staatsrechts g e h ö r t : die „ S c h u l aufsicht". 1. Zur Auslegung des Art. 7 Abs. I G G D i e L i t e r a t u r zu diesem i n A r t . 7 A b s 1 G G u n d i m L a n d e s r e c h t m e h r fach n o r m i e r t e n B e g r i f f i s t k a u m noch ü b e r s e h b a r 5 . D i e A u s e i n a n d e r 5 Aus der L i t e r a t u r (unbeschadet der Einzelnachweise i m folgenden): Hans Heckel-Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 119 ff.; Hans Heckel, Schulfreiheit u n d Schulaufsicht, Z B R 1965, S. 129 ff.; ders., Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 52 ff.; ders., Schulverwaltung i n : Handbuch der k o m m u nalen Wissenschaft u n d Praxis, 2. Bd., 1957, S. 110ff. (130ff.); ders., G r u n d gesetz u n d Schule, D Ö V 1950, S. 1 ff. (3); ders., Umfang u n d Grenzen der Schulaufsicht, DÖV 1952, S. 617 ff.; Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 402 ff.; Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957, S. 84/85; Ernst Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, i n : W D S t R L 23, 1966, S. 205 ff.; Jürgen Willich, Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955; Alfred Bochalli, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1963, S. 145 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , 3. A u f l . 1970, S. 374; Oskar Spaniol, Das Verhältnis zwischen Staat u n d K o m m u n e n auf dem Gebiet des Schulwesens i n der Bundesrepublik, Diss. M a r b u r g 1960, S. 20 ff.; Horst Stephany, Staatliche Schulhoheit u n d kommunale Selbstverwaltung, 1964, S. 22 ff.; Herbert Hochstetter, Schule u n d Schulträger, Schulaufsicht u n d Schulverwaltung, RWS 1960, S. 39 f.; Claus-Wilhelm Hoff mann, Freiheit u n d Erziehung, RWS 1962, S. 325 f.; Hubert Görg, Schulrecht u n d Kulturpflege, i n : V e r fassungs- u n d Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. v o n Wilhelm Loschelder - Jürgen Salzwedel, 1964, S. 329 f.; Anton Hammer-Rudolf Becht, Schulrechtliche Vorschriften i n Rheinland-Pfalz, 5. A u f l . 1968, S. 27; Siegfried Tiebel, Schulverwaltungsgesetz — Schulfinanzgesetz NordrheinWestfalen, 1960, S. 18; Erich Pfeil - Hans-Viktor Bach, Das Schulrecht i n Hessen, 1961, S. 146 ff.; Theodor Maunz, B i l d u n g u n d Schule, i n : Johann MangTheodor Maunz - Franz Mayer - Klaus Obermayer, Staats- u n d Verwaltungsrecht i n Bayern, 2. A u f l . 1964, S. 86; Rudolf Spreng - Willi Bim - Paul Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, S. 91 ff.; Franz Hilker, Die Schulen i n Deutschland, 1954, S. 28; Hans Albert Berkenhoff, Die k o m m u nale höhere Schule als Anstalt gemischt-öffentlichen Charakters, DVB1. 1952, S. 424 f.; ders., Schulaufsicht u n d Kommunalaufsicht i n Nordrhein-Westfalen, DVB1. 1959, S. 117 f.; ders., Kommunalisierung der Schulaufsicht?, DVB1. 1952, S. 141 f.; Eberhard Brossok, Z u r Schulverwaltungsreform, DÖV 1952, S. 648 f.; Ottmar Friedrich, Die Erziehungsrechte der Eltern, des Staates u n d der Kirche i n der Volksschule, Diss. M a r b u r g 1958, S. 125 ff.; Alfons Warlo, Neues Hessisches Schulrecht, 1953, S. 18 f.; Hermann Meyerhoff, Leitfaden zum Schulrecht, 1950, S. 29 ff.; Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 43 ff.; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

Setzung m i t den Literaturmeinungen braucht hier nur ganz i m Zeichen der Frage zu stehen, welche Kriterien für die Kompetenzzuweisung sich aus dem Begriff der Schulaufsicht gewinnen lassen. Die Auseinandersetzung w i r d allerdings dadurch erschwert, daß i n der Literatur zumeist keine methodische Unterscheidung zwischen den deskriptiv-umschreibenden und dem normativ-anordnenden Gehalt des Begriffes getroffen wird. a) Für die Auslegung des A r t . 7 Abs. 1 GG ist dessen Entstehungsgeschichte wenig ergiebig. Dem Parlamentarischen Rat war der Begriff „Schulaufsicht" kein Problem; sein Inhalt wurde offenbar i n allen Entwürfen und Debatten vorausgesetzt 6 . Lediglich das Elternrecht und der religiös-weltanschauliche Charakter der Schule war Gegenstand der Diskussion. Dies w i r d auch von Werner Matz bestätigt 7 . b) Die Exegese des Schulaufsichtsbegriffes ist daher auf die Weimarer Reichsverfassung zurückverwiesen. Es heißt dort schon i n A r t . 144 S. 1: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates." Dieser A r t i k e l hat i n Anschütz? und Lande 9 staatsfreundliche Interpreten gefunden. Anschütz versteht unter Schulaufsicht „das dem Staate ausschließlich zustehende administrative Bestimmungsrecht über die Schule" 10 . Ferner heißt es dort: „Die Schulaufsicht ist ungeachtet ihres Namens nicht nur Aufsicht i m engeren und eigentlichen S i n n e . . . , sondern mehr und etwas anderes: Leitung und Verwaltung der inneren Schulangelegenheiten durch den Staat 1 1 ." Lande 1 2 geht i n der FormuRechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss., M a r burg 1960, S. 111 f.; Thomas Oppermann, Bildung, i n : Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. v o n Ingo von Münch, 2. A u f l . 1970, S. 517 ff. (547ff.); Willi Geiger, Vorschlag zu einer Neufassung des A r t . 7 GG, i n : Festschrift f ü r Gebhard Müller, 1970, S. 107 ff.; Egon Plümer, Verfassungsrechtliche Grundlagen u n d Rechtsnatur der Privatschulverhältnisse, Diss. Würzburg 1968, S. 86 ff. 6 Vgl. die Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, Stenographische Protokolle über die 21. Sitzung v o m 7. 12. 1948, S. 245 ff., die 43. Sitzung v o m 18. 1. 1949, S. 558/559, die 47. Sitzung v o m 8. 2. 1949, S. 615, u n d die 57. Sitzung v o m 13.4.1949, S. 760/761. 7 I n : Klaus Berto von Doemming - Rudolf Werner Füßlein - Werner Matz, Enstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes, Jahrbuch des ö f f e n t lichen Rechtes der Gegenwart, Neue Folge, Bd. 1,1951, S. 101 ff. 8 Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches v o m 11. August 1919, 14. A u f l . 1933 (Neudruck 1960), K o m m e n t a r zu A r t . 143 ff.; ders., Die V e r fassungsurkunde f ü r den Preußischen Staat v o m 31. Jan. 1850, 1. Bd., 1912, S. 399 ff. 9 Walter Lande, Die Schule i n der Reichsverfassung, 1929; ders., Die Staatsrechtlichen Grundlagen des deutschen Unterrichtswesens, i n : HBdDStR, Bd. 2, 1932, S. 690 ff.; ders., B i l d u n g u n d Schule, i n : Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. v o n Hans Carl Nipperdey, 3. Bd., 1930, S. 1 ff. 10 Die Verfassung des Deutschen Reiches..., S. 672. 11 a.a.O., S. 672. 12 Die Schule i n der Reichsverfassung, S. 64.

I V . Schulaufsicht u n d Kompetenz

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lierung noch weiter: „Der Satz der RV bedeutet, wie seine Vorbilder, daß die Schule Staatssache schlechthin ist, er besagt das gleiche wie der Satz des A L R ( I I 12 § 1):,Schulen sind Veranstaltungen des Staates 4 ." c) Die Auslegung des A r t . 7 Abs. 1 GG steht ganz i m Schatten dieser Autoritäten 1 3 . Immerhin hat die Übernahme dieser Interpretation des Schulaufsichtsbegriffes für sich, daß die Meinungen von Anschütz und Lande für die Staatsrechtslehre der Weimarer Reichsverfassung repräsentativ gewesen sein dürften und daß 1949 ein dem A r t . 144 W V gleichlautender Grundgesetzartikel geschaffen wurde, i n dem doch offensichtlich die Weimarer Tradition hat fortgesetzt werden sollen. So haben denn auch die Gerichte i m Geltungsbereich des Grundgesetzes den von Anschütz und Landé definierten Inhalt des Schulaufsichtsbegriffes als gewohnheitsrechtlich anerkannt 1 4 . Neuerdings scheint nur die insbesondere auch schon von Landé 16 formulierte Vielschichtigkeit des Schulaufsichtsbegriffs mehr i n das Blickfeld geraten zu sein 16 . Denn Schulaufsicht umfaßt eine Fülle recht verschiedenartiger Staatstätigkeit auf dem Gebiet des Schulwesens, von Schulträgerschaft und Schulorganisation über die Gestaltung der „inneren Schulangelegenheiten" bis h i n zum Dienstrecht der Lehrer, der technischen und personellen Verwaltung und zur „Aufsicht" i m engeren Sinne über nichtstaatliche Schulträger. Der Begriff „Schulaufsicht" ist je nach dem konkreten Tätigkeitsbereich zu differenzieren und hat gra13 Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag u n d staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 23; Jürgen Willich, Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955; Theodor Maunz, Deutsches Staatsrecht, 17. A u f l . 1969, S. 144; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 4. A u f l . 1970, S. 186; Wernicke, i n : Kommentar zum Bonner Grundgesetz (20. Lieferung 1968, „Bonner Kommentar"), Kommentar zu A r t . 7, A n m . I I 1 a; Andreas Hamann - Andreas Hamann jr. - Helmut Lenz, Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 3. A u f l . 1970, S. 214; Bruno Schmidt-Bleibtreu - Franz Klein, Kommentar zum Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 2. A u f l . 1970, S. 186/187; Hermann von Mangoldt - Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. A u f l . 1957, S. 281 f.; Friedrich Giese - Egon Schunck, Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 7. Auflage 1965, S. 30 ff.; kritisch: Theodor Maunz, i n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Bd. I , Stand 1970, Kommentierung zu A r t . 7. 14 Bundesverwaltungsgericht: E 6, S. 101 ff.; E 18, S. 38 f.; E 21, S. 289 f.; E 23, S. 351 f.; Oberverwaltungsgericht Münster, DVB1.1964, S. 829 ff.; dass., i n : Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte, Bd. 10, 1957, S. 115 ff.; Oberverwaltungsgericht Koblenz, DVB1. 1955, S. 503 f.; Oberverwaltungsgericht L ü n e burg, DVB1.1954, S. 255 ff. 15 I n : HdBdDStR, Bd. I I , S. 702 f. 16 Vgl. Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 120 f.; Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 52 ff.; ders., Schul Verwaltung, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis, 2. Bd., S. 132 f.; Ernst Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, i n : W D S t R L 23, 1966, S. 205 ff.; Jürgen Willich, Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955.

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

d u e l l e A b s t u f u n g e n 1 7 . D e m h a t auch die Landesgesetzgebung z u m T e i l bereits Rechnung getragen 18. M i t z u n e h m e n d e r b e g r i f f l i c h e r D i f f e r e n z i e r u n g j e nach T ä t i g k e i t s bereich aber v e r l i e r t der S c h u l a u f s i c h t s b e g r i f f a n n o r m a t i v e m G e h a l t u n d n ä h e r t sich einer u n v e r b i n d l i c h u m s c h r e i b e n d e n Sammelbezeichn u n g . F e s t z u h a l t e n i s t a l l e r d i n g s , daß nach ü b e r e i n s t i m m e n d e r A n s i c h t a l l e r b i s h e r g e n a n n t e n I n t e r p r e t e n die G e s t a l t u n g s m a c h t ü b e r die „ i n n e r e n S c h u l a n g e l e g e n h e i t e n " w e s e n t l i c h e r I n h a l t d e r d e m Staate zustehend e n Schulaufsicht ist. d) Indes i s t die antietatistische R e a k t i o n 1 9 n i c h t ausgeblieben. D e r W o r t l a u t des Grundgesetzes m a c h t es i h r l e i c h t : D o r t i s t n ä m l i c h n u r v o n „ A u f s i c h t " die Rede. „ A u f s i c h t " aber setzt logischerweise eine i r g e n d w i e geartete S e l b s t ä n d i g k e i t dessen voraus, der b e a u f s i c h t i g t w i r d . Dies h a t auch schon Anschütz gesehen, u n d er m u ß d a h e r das W o r t v e r s t ä n d n i s z u 17 Vgl. Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 255; Hans Hechel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 56; Gregor Geller - Kurt Kleinrahm - Hans Joachim Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1963, S. 77 f. 18 Vgl. § 14 des Schulverwaltungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (GVB1. 1958, S. 241): „(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Sie w i r d als Schulaufsicht u n d als allgemeine Aufsicht ausgeübt. (2) Die allgemeine Aufsicht ist die Staatsaufsicht über die Schulträger nach den dafür geltenden gesetzlichen Vorschriften. (3) Die Schulaufsicht umfaßt die Dienst- u n d Fachaufsicht, die staatliche Ordnung, Förderung u n d Pflege des Schulwesens. Sie hat die pädagogische Selbstverantwortung zu pflegen, Schulträger, Schulleiter, Lehrer u n d Schüler zur E r f ü l l u n g der ihnen obliegenden Pflichten anzuhalten u n d das Interesse der kommunalen Selbstverwaltung an der Schule zu fördern. (4) A n der Ausübung der Schulaufsicht beteiligt das L a n d die Gemeinden, Gemeindeverbände u n d andere öffentlich-rechtliche Körperschaften nach den dafür geltenden Vorschriften. u Vgl. hierzu: Werner Haugg, Kommentar zum Schulverwaltungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 1966; Siegfried Tiebel, Schulverwaltungsgesetz — Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 1960; Hubert Görg, Schulrecht u n d K u l t u r pflege, i n : Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. v o n Wilhelm Loschelder - Jürgen Salzwedel, 1964, S. 305 ff.; Hermann Meyerhoff - Tilmann Pünder - Hans-Joachim Schäfer - Hans Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1968, S. 45 ff.; Heinz Vogelsang, Die Besonderheiten der Schulaufsicht i n Nordrhein-Westfalen, RWS 1963, S. 238 f. Vgl. außerdem § 16 des Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung u n d Ordnung des Schulwesens v o n Baden-Württemberg (GBl. 1964, S. 235). 19 die hier — zugegebenermaßen etwas pauschal — zusammengefaßt werden muß: Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, S. 7 ff.; ClausWilhelm Hoffmann, Freiheit u n d Erziehung — Probleme der „verwalteten Schule", RWS 1962, S. 325 ff. (speziell hiergegen: Albert Reuter, Freiheit u n d Erziehung - Probleme der „verwalteten Schule", RWS 1963, S. 73f.); Horst Rumpf, Die administrative Verstörung der Schule, 1966, S. 84 f.; W i l l i Geiger, Konsequenzen f ü r das Schulwesen aus der S t r u k t u r unserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (649).

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gunsten des „administrativen Bestimmungsrechts" nachdrücklich suspendieren 20 . Hierzu aber erklären sich neuere Autoren wie Hans Peters 21 und Hellmut Becker 22 nicht mehr bereit 2 2 3 . Sie beschwören hierdurch allerdings einen verfassungsexegetischen Konfliktsfall ersten Ranges herauf, indem von ihnen ein an sich zu ihren Gunsten eindeutiger Wortlaut gegen seine traditionelle und gefestigte Interpretation gleichsam ausgespielt wird. Die restriktive Interpretation des Schulaufsichtsbegriffes, die hier an sich näher differenziert werden müßte, beruht auf dem bereits erwähnten lapidaren Argument, daß es nur Aufsicht über selbständige Sozialkörper geben könne. A u f Grund dessen w i r d das umfassende Bestimmungsrecht des Staates verneint und der Schluß gezogen, daß der Schule eine gewisse autonome Selbständigkeit eingeräumt werden müsse und daß zumindest neben dem Staat auch andere Instanzen wie Elternschaft, Lehrer und gesellschaftliche Wertverbände zur Einflußnahme auf das Schulwesen berechtigt seien. Diese Interpretation muß sich allerdings entgegenhalten lassen, daß das Argument vom Wortverständnis der „Aufsicht" her angesichts der erdrückenden Fülle der rechtlichen Überlieferung 23 , die sich i n der Tat zu Gewohnheitsrecht verdichtet haben dürfte, so durchschlagend gar nicht ist. Indem ferner die restriktive Interpretation den Staat aus dem Schulwesen verdrängen w i l l , schafft sie ein Vakuum an Bestimmungsgewalt über die Schule, und es ist ihr zum Teil der V o r w u r f nicht zu ersparen, daß sich i n i h r bestimmte politische Zielsetzungen als Verfassungsinterpretation ausgeben 24 . 20 Gerhard Anschütz, Die Verfassungsurkunde f ü r den Preußischen Staat, 1. Bd., 1912, S. 409 f. 21 Elternrecht — Erziehung — B i l d u n g — Schule, i n : Karl-August Bettermann - Hans Carl Nipperdey - Ulrich Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4,1. Hbd,. 1960, S. 369ff. (410f.); ders., Die Höhere Schule als Gemeindeeinrichtung, i n : Der Städtetag, 1952, S. 99 ff. (101). 22 K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 58 f.; ders., Quantität u n d Qualität, 1962, S. 147 ff.; ders., Schule u n d Verwaltung, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 115 f. 22a Vgl. auch die vorsichtig restriktiven Interpretationen von: Gregor Geller Kurt Kleinrahm - Hans-Joachim Fleck, Die Verfassung des Landes NordrheinWestfalen, 2. A u f l . 1963, S. 80; Schäfer, i n : Hermann Meyerhoff - Tilman Pünder - Hans-Joachim Schäfer - Hans Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1968, S. 75; Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 92/93; Horst Harnischfeger - Gerhard Heimann, Rechtsfragen der Gesamtschule, 1970, S. 12 f. 23 Die weitaus überwiegende Z a h l der i n A n m . 5 genannten Autoren folgt der von Anschütz formulierten Auffassung; vgl. auch A n m . 14. 24 Die Interessen sind meist kommunalpolitischer A r t , vgl. Schäfer, i n : Meyerhoff-Pünder-Schäfer-Hintzen, a.a.O.; Hans Peters, i n : Der Städtetag, 1952, S. 99 ff.; auszuschließen sind auch nicht politische Interessen der Kirchen u n d der Lehrerverbände.

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

Die restriktive Auslegung hat denn auch i n Hochstetter einen K r i t i k e r gefunden 25 : „Man erweist der Sache der Schule keinen Dienst, wenn man die ,uneingeschränkte Organisationsgewalt 4 und die die ,volle alleinige Bestimmungsgewalt des Staates i n der Schule' als Ausfluß der Allmacht des absoluten Staates zu einem gefährlichen Schreckgespenst macht, der Schulaufsicht des Staates damit einen totalitären, rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechenden Inhalt gibt und so den Eindruck erweckt, daß dieser permanenten vom Staat drohenden Gefahr nur durch entschiedene Gegenrechte der kommunalen Selbstverwaltung an der Schule begegnet werden könne. Man sollte auch nicht den Eindruck erwecken, als ob staatliches Bestimmungsrecht' m i t staatlicher W i l l k ü r gleichzusetzen sei." I m übrigen: Duobus ligitantibus tertius gaudet: Horst Rumpf 26 stellt die restriktive Interpretation Hellmut Beckers 27 einer Äußerung Hermann Sellschopps 28 gegenüber und folgert daraus etwas vorschnell, „daß der juristische Grund, auf dem die gegenwärtige Staatsschule steht, . . . brüchig und ungeklärt ist". e) Eine bemerkenswerte Variante i n der Exegese des Schulaufsichtsbegriffes, die von Willich 29 u. a. 30 vertreten wird, sucht einerseits die „Schulaufsicht" als echte „Aufsicht" und andererseits das herkömmliche Staatsschulsystem zu retten. Die Argumentation ist verblüffend einfach: Die Staatsschule ist von der Schulaufsicht a priori ausgenommen, denn der Staat kann sich nicht selbst beaufsichtigen, und Schulaufsicht gibt es als „Aufsicht" i m technischen Sinne — etwa analog der Kommunalaufsicht — nur über die Schulen nichtstaatlicher Schulträger. Die Staatsschule w i r d hierbei nicht angetastet; ihre Veranstaltung steht der Staatsgewalt vielmehr originär zu. Allerdings w i r d jetzt die Staatsschule von grundgesetzlicher Normierung ausgenommen; sie w i r d zum exemten Bereich staatlicher Gewalt.

25 Herbert Hochstetter, Noch einmal: Schule u n d Schulträger, Schulaufsicht u n d Schulverwaltung, RWS 1962, S. 6 f. (6). 26 Die administrative Verstörung der Schule, 1966, S. 84 f. 27 K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 58 f. 28 Schulverwaltung u n d Schulaufsicht, i n : Handbuch f ü r Lehrer, hrsg. v o n Walter Horny - Paul Merkel - Friedrich Wolff, Bd. 1, 1960, S. 625 ff. (636). SeilSchopp folgt der herkömmlichen Auffassung. 29 Jürgen Willich, Der Begriff der Schulaufsicht, Diss. K ö l n 1955, S. 35 ff., 65. 30 Günther Flindt, Über die Rechtsnatur der öffentlichen u n d der privaten Schule u n d über die staatliche Schulaufsicht, DÖV 1962, S. 888 ff. (889); ähnlich ders., Über die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, D Ö V 1960, S. 885 ff. (889); Heinrich Rentsch, Über die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, DÖV 1961, S. 445 ff. (446); Oskar Spaniol, Das Verhältnis zwischen Staat u n d K o m m u n e n auf dem Gebiet des Schulwesens i n der Bundesrepublik, Diss. M a r b u r g 1960, S. 55.

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Dies dürfte der Grund sein, w a r u m sich diese Ansicht bislang nicht hat durchsetzen können. 2. Die „inneren" und „äußeren" Schulangelegenheiten als Zuweisungskriterien für die Kompetenz von Staat und Gemeinden

I n der Diskussion des Schulaufsichtsbegriffes nimmt die Unterscheidung zwischen „inneren" und „äußeren" Schulangelegenheiten einen bedeutenden Raum ein 3 1 . Denn diese Unterscheidung fungiert als K r i t e r i u m für die Zuständigkeit von Staat und Gemeinde i m Schulwesen, indem sie die „äußeren" Angelegenheiten der kommunalen, die „inneren" der staatlichen Schulaufsicht zuweist. Ohnehin geht es bei der Auseinandersetzung u m die Schulaufsicht — apokryph oder explizit — zumeist nur u m die Kompetenzverteilung von Staat und Kommunen, und die Zurückdrängung einer extensiv verstandenen Schulaufsicht des Staates erfolgt hauptsächlich zugunsten der kommunalen Selbstverwaltung. Schulaufsicht als Kompetenznorm zieht nur eine horizontale Trennungslinie zwischen dem Staat und den Gemeinden. Schulaufsicht ist aber kaum je als vertikale Kompetenznorm zur Abgrenzung von Gesetzgebung und Verwaltung verstanden worden. Ergibt sich — nach welcher Auslegung des Schulaufsichtsbegriffes auch immer — eine Zuständigkeit des Staates i m Schulwesen, so gilt diese Zuständigkeit nur für den „Staat" schlechthin, der sich auch bei der Pflege des Schulwesens seinerseits wieder i n Gesetzgebung und Verwaltung gliedert. Dies w i r d auch von Hans Hechel 32 und Ernst Werner Fuss 33 herausgestellt. I m übrigen würde sich das Problem der Kompetenzzuweisung an die Verfassungsorgane wie beim Staat auch bei den K o m munen i n gleicher Weise stellen. 31 Vgl.Oshar Spaniol, a.a.O. (Anm. 30), passim; Horst Stephany, Staatliche Schulhoheit u n d Zkommunale Selbstverwaltung, 1964, passim; Hans Albert Berkenhoff, Die kommunale höhere Schule als Anstalt gemischt-öffentlichen Charakters, DVB1. 1952, S. 424 ff.; ders., Schulaufsicht u n d Kommunalaufsicht i n Nordrhein-Westfalen, DVB1. 1959, S. 117 f.; ders., Die Teilnahme der Gemeinden an der Schulaufsicht, i n : Der Städtetag, 1949, S. 316 f.; ders., K o m m u nalisierung der Schulaufsicht?, DVB1. 1952, S. 141 f.; Hans Hechel, Schulverwaltung, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis, 2. Bd., 1957, S. 110 ff. (130 ff.); ders., M i t w i r k u n g u n d Mitbestimmung der Gemeinden i m Schulwesen, DÖV 1951, S. 568 f., 601 f.; Hans Hechel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 124 f.; Bernhard Bergmann, Die Schule i m Spannungsfeld v o n Staat u n d Gemeinde, DÖV 1956, S. 590 f.; Schäfer, i n : Hermann Meyerhoff - Tilman Pünder - Hans-Joachim Schäfer - Hans Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. A u f l . 1968, S. 60; Hans Peters, Die Höhere Schule als Gemeindeeinrichtung, i n : Der Städtetag, 1952, S. 99 ff.; Wolf gang Perschel, Staatliche Schulaufsicht u n d kommunale Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz, RWS 1962, S. 101 ff. 32 Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 56 f. 33 V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23,1966, S. 213.

8 Hennecke

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

Aus diesem Grunde darf hier auf eine Diskussion des Begriffs der „äußeren" und „inneren" Schulangelegenheiten als Zuweisungskriterien verzichtet werden. Hingewiesen sei nur auf die bemerkenswerte Tatsache, daß die Autoren, die die staatliche Schulaufsicht einschränken, die Selbstverwaltungstätigkeit der Gemeinden i m Schulwesen aber stärken wollen, die Sorge für die inneren Schulangelegenheiten i m Sinne des inhaltlichen Bestimmungsrechtes über die Schule als notwendigerweise überörtliche Aufgabe dem Staate belassen 34 . 3. Die „Schulaufsicht" als Zugriffskompetenz für den Staat

Versucht man ein Resümee aus der Diskussion des Schulaufsichtsbegriffes zu ziehen, wobei sich auch eine Aussage über die vertikale Kompetenzverteilung abzeichnen könnte, so läßt sich dies eine feststellen: Seiner historischen Provenienz nach ist der Begriff der Schulaufsicht konzipiert als Norm, die dem Staate die Kompetenz zum Begriff auf das Schulwesen verleiht. Eine derartige Zugriffskompetenz aber setzt voraus, daß der Gegenstand, zu dem der Zugriff eröffnet wird, zuvor eine Eigenständigkeit hat. Dies war für das Schulwesen vor Erstarken der zentralistischen Staatsgewalt auch durchaus der Fall. Eigenständigkeit des Schulwesens aber bedeutet zweierlei: Zum einen ist Schule eine pädagogische Einrichtung m i t der ihr insofern zukommenden Sachlogik und zum zweiten gibt es einen gesellschaftlichen Träger und Organisator dieser Einrichtung als meist selbständiges Rechtssubjekt. Demzufolge bedeutet auch staatlicher Zugriff ein Zweifaches: Z u m einen macht sich der Staat den pädagogischen Eigenbereich i n irgendeiner Weise Untertan und zum anderen übt er Macht und Einflß auf den vorgegebenen nichtstaatlichen Schulträger aus. Der Inbegriff derartiger Staatstätigkeit wie auch der Rechtsanspruch des Staates hierauf ist Schulaufsicht genannt worden. Diese Schulaufsicht wurde zu einer ausschließlichen: Die wesentliche Bedeutung der Schulaufsicht „liegt i m Negativen, i n der Abwehr aller anderen, etwa denkbaren Aufsichtsstellen über das Schulwesen" 35 . Insbesondere aber war es die geistliche Schulaufsicht, die es abzuwehren galt 3 6 . 34 So Schäfer, i n : Meyerhoff-Pünder-Schäfer-Hintzen, Schulverwaltungsgesetz u n d Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 1968, S. 60; Hans Peters, Die Höhere Schule als Gemeindeeinrichtung, i n : Der Städtetag, 1952, S. 99 ff. (103); Wolf gang Perschel, Staatliche Schulaufsicht u n d kommunale Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz, RWS 1962, S. 101 ff. 35 Walter Lande, Die Schule i n der Reichsverfassung, 1929, S. 62. 36 Vgl. u. a. Hans Peters, Elternrecht — Erziehung — B i l d u n g — Schule, i n : Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbbd., 1960, S. 369 ff. (412); Oskar Spaniol, Das Verhältnis zwischen Staat u n d K o m m u n e n

I V . Schulaufsicht u n d Kompetenz

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4. Die Doppelbedeutung des Schulaufsichtsbegriff es: Schulaufsicht als Zugriff und als Schulträgerschaft

Alledem steht die selbständige Entwicklung eines Staatsschulwesens gegenüber. Der Staat beschränkt sich nicht darauf, staatsfremde Schulträger zu kontrollieren, sondern er veranstaltet ganz i m Sinne des Preußischen Allgemeinen Landrechts 37 die Unterrichtstätigkeit i n eigener Regie. Dieses selbständige Schule-halten seitens des Staates hat an sich m i t Schulaufsicht nichts zu tun. Dem trägt auch ein Teil der Interpreten des Schulauf sichtsbegriff es Rechnung (hiervon war oben die Rede), indem sie die staatliche Schulträgerschaft selbst dem Schulaufsichtsbegriff von vorneherein nicht unterstellen. Beide Bereiche aber — die Schulaufsicht i m eigentlichen Sinne und die originär staatliche Schulträgerschaft — wachsen aufeinander zu: Die Schulaufsicht w i r d verstärkt und verfestigt, das Staatsschulwesen vergrößert und ausgebaut. Unversehens aber springt hierbei der Schulaufsichtsbegriff auf die originäre Staatstätigkeit über und w i r d unter der Hand zu einem Dach-Begriff für die gesamte Tätigkeit des Staates i m Schulwesen, der viel Verwirrung gestiftet hat. Es muß daher immer, wenn von Schulaufsicht die Rede ist, zwischen den beiden prinzipiell verschiedenen Aussagen ein Unterschied gemacht werden: 1. Der Staat hält Schule. 2. Der Staat übt Aufsicht über staatsfremde Schulen und Schulträger aus. 5. Art. 7 Abs. I G G als Grundlage der Schulträgerschaft und der Aufsicht

Spätestens i n der Weimarer Reichsverfassung 38 gewinnt dieser historisch so gewordene Schulaufsichtsbegriff, der sowohl die staatliche Schulträgerschaft als auch die Staatskontrolle über nichtstaatliche Schulträger umfaßt, normativen Gehalt: 1. Der Staat darf und soll Schule halten. 2. Der Staat darf und soll nichtstaatliche Schulen und Schulträger beaufsichtigen. I n dieser Doppeldeutigkeit ist der Begriff der Schulaufsicht auch i n das Grundgesetz übernommen worden. Es besteht angesichts dieser historischen Verfestigung des Schulaufsichtsbegriffes keinerlei Anlaß, anzunehmen, daß der Verfassungsgeber des Grundgesetzes den einen Begriffsinhalt, nämlich die Staatskompetenz zum Schule-halten,

auf dem Gebiet des Schulwesens i n der Bundesrepublik, Diss. M a r b u r g 1960, S. 27; Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, S. 17; vgl. auch Theodor Waitz, Allgemeine Pädagogik u n d kleinere pädagogische Schriften, 1910, S. 350 f. 37 „Schulen . . . sind Veranstaltungen des Staates . . ( n a c h : Deutsche Schulgesetzgebung, hrsg. v o n Leonhard Froese - Werner Krawitz, Bd. 1,1968, S. 127). 38 A r t . 144 S. 1; vgl. hierzu die Kommentierungen v o n Anschütz u n d Lande (s. o. A n m . 8,9). 8*

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3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

hat eliminieren wollen 8 0 . Es ist i m Gegenteil vielmehr davon auszugehen, daß A r t . 7 Abs. 1 GG dem Staate positiv-rechtlich die Kompetenz zuspricht, Schule zu halten 4 0 . Hierbei ist nicht ausgeschlossen, daß der Verfassungsbegriff „Schulaufsicht" auch und gerade i m Grundgesetz eine Wandlung erfahren kann, die allerdings erst noch bestimmt werden muß 4 1 . 6. Art. 7 Abs. I G G als „gesetzliche Grundlage" für die Schulträgerschaft der Verwaltung

M i t der Feststellung, daß i n A r t . 7 Abs. 1 GG der Beruf des Staates, Schule zu halten, positiv-rechtlich normiert und anerkannt ist, ist für die Frage der vertikalen Kompetenzverteilung an Gesetzgeber und Verwaltung etwas mehr gewonnen, als es zunächst den Anschein hat. Denn wenn durch die „Schulaufsicht" i n A r t . 7 Abs. 1 GG der „Staat" zum Schulehalten für kompetent erklärt w i r d — was zu normieren i m Grundrechtsteil einer Verfassung durchaus sinnvoll ist —, dann folgt aus der Natur der Sache, daß diese Kompetenz nur von der Ausführenden Gewalt wahrgenommen werden kann 4 2 . Schule kann nur von der Exekutive veranstaltet werden, wie umgekehrt Schule-halten auch den materiellen Verwaltungsbegriff ausfüllt. A r t . 7 Abs. 1 GG enthält die gesetzliche Grundlage für die Exekutivtätigkeit i m Schulbereich. Dem A r t . 20 Abs. 3 GG ist damit auf Verfassungsebene bereits Genüge getan, ohne daß es der Landesschulgesetze als gesetzlicher Grundlage noch bedürfte. 7. Art. 7 Abs. I G G als Kompetenzzuweisung an den gewaltengegliederten Staat schlechthin

Damit ist jedoch zugleich ausgesagt, was A r t . 7 Abs. 1 GG nicht enthält: M i t der Positivierung einer gesetzlichen Grundlage für die Schulträgerschaft des Staates qua Exekutive ist keine Kompetenzzuweisung auch für die Ordnung des Schulwesens erfolgt. Der Satz: „Die Staats89

Das Schweigen der Grundgesetzmaterialien hierüber — s. o. A n m . 6 — k a n n n u r i n dem Sinne verstanden werden, daß den Abgeordneten eine Bedeutungsänderung des i n der Weimarer Reichsverfassung festgefügten Schulauf sichtsbegriff s nicht i n den Sinn gekommen ist. 40 was denn auch i n den Kommentierungen zu A r t . 7 Abs. 1 I I (s. o. A n m . 13) i n keiner Weise i n Abrede gestellt w i r d . 41 Vgl. Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 254: „Der Sinngehalt des A r t . 7 GG k a n n sich durchaus gewandelt haben u n d ist auch v o n der S t r u k t u r des Grundgesetzes her zu interpretieren." 42 Vgl. Hamann-Lenz, Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 3. A u f l . 1970, S. 213: „Das GG hat an dem traditionellen Grundsatz festgehalten, daß die Schule Staatsaufgabe ist. Das Schulwesen zählt zum Bereich der vollziehenden Gewalt."

I V . Schulaufsicht u n d Kompetenz

117

Verwaltung darf Träger von Schulen sein" impliziert noch keine Aussage darüber, ob die Verwaltung oder aber der Gesetzgeber zur Durchnormierung des Schulbereiches berufen ist. Die Frage, ob die Verwaltung zur inhaltlichen Fixierung des Schulwesens berechtigt ist, bleibt — wenigstens i m Rahmen der Auslegung des A r t . 7 Abs. 1 GG — offen. Dies heißt m i t anderen Worten: A r t . 7 Abs. 1 GG weist der Verwaltung nur den Bereich zu, der ihr funktionell nach dem Gewaltengliederungsschema ohnehin zusteht; die Bedeutung des A r t . 7 Abs. 1 GG liegt insoweit nur darin, daß er einen etwaigen Streit über die gesetzliche Grundlage der Verwaltung positiv-rechtlich vorbeugt. Eine Funktionsabgrenzung von Gesetzgebung und Verwaltung i m Sinne einer Kompetenzzuweisung enthält A r t . 7 Abs. 1 GG nicht: Er setzt die Funktionsbestimmung vielmehr umgekehrt gerade voraus. Dies w i r d auch von Heckel bestätigt, indem er ausführt, „daß A r t . 7 Abs. 1 den Staat als Gesetzgeber und Träger der vollziehenden Gewalt anspricht" 4 3 und daß „Staat" i m Sinne des A r t . 7 Abs. 1 GG nicht allein von der Verwaltung repräsentiert werde, sondern vielmehr als „der gewaltengeteilte Rechtsstaat des Grundgesetzes, der seine Befugnisse durch die Organe der Gesetzgebung, der Verwaltung (der vollziehenden Gewalt) und der Rechtsprechung ausübt" 4 4 , zu begreifen sei. Auch Hamann 45 erblickt i n A r t . 7 Abs. 1 GG lediglich die verfassungsrechtliche Legitimation des Staatsschulwesens, für das gerade auch „die i n A r t . 20, 28 verankerten Grundsätze, insbesondere das Rechts- und Sozialstaatsprinz i p . . . und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g . . . uneingeschränkt gelten müssen". Aus dem Schulaufsichtsbegriff des A r t . 7 Abs. 1 GG sind daher nur folgende zwei Normen zu gewinnen: 1. Einem Staatsschulsystem stehen Grundrechte nicht entgegen. 2. I m Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiches steht der Verwaltung die Befugnis zum Schulehalten zu.

43

Hans Hechel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 57. Hans Hechel, Schule u n d Schulverwaltung als Aufgabe der Verwaltungspolitik, DÖV 1968, S. 371 ff. (371); ebenso ders., Rechtsgrundlagen der Schule, i n : Handbuch pädagogischer Grundbegriffe, Bd. 2, 1970, S. 362 ff. (364); Horst Stephany, Staatliche Schulhoheit u n d kommunale Selbstverwaltung, 1964, S. 42/43; Maunz, i n : Theodor Maunz-Günter Dürig - Roman Herzog, Grundgesetz, 1970, Rdnr. 26 zu A r t . 7; Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1. 1966, S. 846 ff. (851); Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 245; vgl. auch Christian Friedrieh Menger - Hans-Uwe Erichsen, i n : Verwaltungsarchiv, Bd. 58, 1967, S. 375 f. 45 Hamann-Lenz, Das Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 3. A u f l . 1970, S. 213. 44

118

3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung 8. Art. 7 Abs. I G G als Ermächtigung der Verwaltung zur Normsetzung?

Hiermit w i r d gleichzeitig eine mögliche Auffassung abgelehnt, die i n A r t . 7 Abs. 1 GG eine förmliche Ermächtigung der Verwaltung — etwa gar i m Sinne des A r t . 80 Abs. 1 GG — zur Normsetzung i m Schulbereich erblickt. Diese Auffassung w i r d expressis verbis zwar kaum vertreten, indes erweckt die undifferenzierte Erwähnung des Begriffes „Staat" und die Zuweisung von aus dem Schulaufsichtsbegriff gewonnenen Verwaltungsaufgaben an diesen „Staat" i m Großteil der Literatur zum Schulaufsichtsbegriff den Eindruck, als würde unter „Staat" immer nur die Exekutive verstanden, der kraft der i h r zukommenden Schulaufsicht ein Normsetzungsrecht zustehe. Auch argwöhnt Hans Ulrich Euers 46 , daß die herrschende Praxis der Schulverwaltung, ohne von der rechtswissenschaftlichen Literatur bislang beanstandet zu werden, so verfahre, als stünde ihr m i t der Schulaufsicht eine umfassende Ermächtigungsnorm zur Seite. Eine derartige Interpretation des Schulaufsichtsbegriffes ist nicht haltbar. Der Inhalt dessen, was Schulaufsicht bedeutet, ist zwar historisch i n gewissem Umfange festgelegt, muß gleichwohl aber durch Auslegung jeweils neu ermittelt werden, wobei diese Auslegung sich am System des Grundgesetzes und dem gegenwärtigen Verständnis des Rechtsstaates orientieren muß. Enthielte A r t . 7 Abs. 1 GG eine Ermächtigungsnorm für die Staatsverwaltung zur Normsetzung i m Schulbereich, dann wären für das Schulwesen selbst die Erfordernisse des A r t . 80 Abs. 1 GG aufgehoben und — was noch viel schwerer wiegt — das Schulwesen dem einfachen Landesgesetzgeber kraft Bundesverfassungsrechts überhaupt gänzlich entzogen. Das rechtsstaatliche Typenschema hoheitlichen Handelns wäre i m Schulbereich suspendiert. Eine derartige Auslegung widerspricht dem rechtsstaatlichen System des Grundgesetzes. Es fällt u m so leichter, sie fallen zu lassen, als es sich eben nur u m Auslegung, nicht aber u m eine zweifelsfreie ausdrückliche Anordnung des Grundgesetzes handelt. Besteht überdies doch der Verdacht, als würden gängige Gepflogenheiten der Schulverwaltung unter dem Deckmantel der Schulaufsicht als Wille der Verfassung i n A r t . 7 Abs. 1 GG hineinprojiziert, u m denjenigen Bereich der Schulverwaltung rechtlich abzusichern, dessen sich der Gesetzgeber zufälligerweise noch nicht angenommen hat. Dieser Auffassung sind denn auch Maunz 47 entgegengetreten.

und Wimmer

48

zu Recht

46 V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23,1966, S. 147 ff. (155). 47

I n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 26 zu A r t . 7. Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1.1966, S. 846 ff. (851). 48

V. Zugriffsmacht u n d Zugriffsrecht des Gesetzgebers

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9. Art. 7 Abs. I G G und Landesrecht

Was das Verhältnis des A r t . 7 Abs. 1 GG zum Landesrecht betrifft, ist hier nur festzuhalten, daß A r t . 7 Abs. 1 GG der Staatstätigkeit i m Schulbereich keine Grenzen setzen w i l l , die dann auch für die Bundesländer verbindlich wären, sondern daß umgekehrt nur ein M i n i m u m an staatlicher Tätigkeit i m Schulbereich garantiert werden soll 4 9 : Der Staat kann sich seiner Verantwortung für das Schulwesen nicht entledigen; eine totale Privatisierung wäre verfassungswidrig. Das ist es, was die Länder bindet; i m übrigen sind — unbeschadet ihrer Bindung an sonstige verfassungsrechtliche Grundsätze — bei der Gestaltung des Schulwesens, insbesondere beim Ausbau des Staatsschulwesens, frei. Dies wäre allerdings nicht der Fall, würde man der erwähnten restriktiven Interpretation des Schulaufsichtsbegriffes folgen, die die Bestimmungsgewalt des Staates über die Schule zugunsten außerstaatlicher I n stanzen auf Verfassungsebene einschränken möchte. Auch hier gewänne dann eine bloße Auslegung derogative K r a f t von bundesverfassungsrechtlichem Rang über das gesamte Landesschulrecht. Diese Auslegung ist indes oben abgelehnt worden. V. Zugriffsmacht und Zugriffsrecht des Gesetzgebers Wenn staatliche Schulträgerschaft von Verfassungs wegen legitimiert ist, ergibt sich, wie oben ausgeführt worden ist, aus der Natur der Sache eine Zuständigkeit der Verwaltung zur Unterrichtstätigkeit. Als Problem bleibt nur übrig, ob der Gesetzgeber oder die Verwaltung zur Normierung dieser Unterrichtstätigkeit berufen ist. Aber auch hierfür hält das Gewaltengliederungsschema des Rechtsstaats eine — wenn auch nur negativ formulierbare — A n t w o r t bereit: Es kann dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden, die Normierung des Schulwesens zu seiner Aufgabe zu machen. I m demokratischen Staat fungiert der Gesetzgeber als Sachwalter der Volkssouveränität. Er ist souverän i n der Entscheidung darüber, welche Lebenssachverhalte er einer rechtlichen Regelung unterwerfen w i l l ; i h m steht der Zugriff auf jeden beliebigen Lebenssachverhalt offen 50 . 49 Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 21 zu A r t . 7; Horst Stephany, Staatliche Schulhoheit u n d kommunale Selbstverwaltung, 1964, S. 30, 46; zum Verhältnis v o n A r t . 56 Abs. 1 S. 2 Verf. Hess, zu A r t . 7 Abs. 1 GG vgl. Alfons Warlo, Neues Hessisches Schulrecht, 1953, S. 18. 50 Vgl. Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, S. 99: „Das Parlament ist das höchste Staatsorgan; i h m k o m m t die Organsouveränität zu." u n d S. 171: Das Parlament „allein k a n n bei Schweigen der Verfassung eine Kompetenzv e r m u t u n g f ü r sich i n Anspruch nehmen".

120

3. Kap.: Die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung

Die Souveränität oder besser „potentielle Allzuständigkeit" des Gesetzgebers findet allein an den Menschenrechten der Verfassung und an etwaigen Kompetenzregelungen der Verfassung ihre Grenze. Sofern die Legislative diese Grenzen einhält, stehen alle Bereiche zu ihrer Disposition. Der Schulbereich kann hier keine Ausnahme bilden. Einer Normierung der „inneren Schulangelegenheiten" seitens des Gesetzgebers steht daher nichts entgegen, wenn man voraussetzt, daß diese Normierung keine Grundrechte verletzt. Eine Aussage darüber, ob der Gesetzgeber auch für die Normierung der internen Angelegenheiten tätig werden muß, ist damit freilich nicht getroffen. Durch diese Feststellung erfährt der Schulaufsichtsbegriff i m übrigen eine weitere Substanzeinbuße: Es hätte dafür, daß der Staat i n das Schulwesen regelnd eingreifen darf, der Positivierung der Befugnis des Staates zur Schulträgerschaft i n A r t . 7 Abs. 1 GG nicht bedurft; wenigstens der Gesetzgeber kann dieser Kompetenzzuweisung entbehren; er braucht die „Schulaufsicht" nicht 5 1 . V I . Der Gesetzesvorbehalt im Schulwesen Der Primat des Gesetzgebers — nach Vogel 52 nicht ein logisches Prinzip, sondern nur eine politische Verfassungsentscheidung — w i r f t sogleich das Problem auf, wie sich die staatliche Verwaltung zu diesem Vorrang des Gesetzes verhalte: Hat sie dem gegenüber ein eigenes Recht, kraft dessen sie originär walten kann, oder bedarf sie für alle ihre Tätigkeit einer gesetzlichen Grundlage, und gibt es Bereiche, die ihr von vorneherein verschlossen sind, da sie gesetzlicher Regelung vorbehalten bleiben? Diese Frage ist auch i m Schulbereich aktuell. Die A n t w o r t auf sie ist nichts anderes als die gesuchte Kompetenzverteilung an Gesetzgeber und Verwaltung für die verschiedenen Funktionen des Schule-haltens. Die Frage w i r d i m nächsten Kapitel erneut gestellt. Hier aber soll vorerst festgehalten werden: 1. Dem Gesetzgeber steht zumindest das Zugriffsrecht auf die Inhalte des Schule-haltens kraft seiner Organsouveränität zu 5 3 . 51 So auch Ernst Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 199 ff. (213). 52 Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, W D S t R L 24, 1966, S. 125 ff. (147). 53 Dieses Zugriffsrecht w i r d auch v o n Vogel, a.a.O., S. 175, nachdrücklich verteidigt.

V I . Der Gesetzesvorbehalt i m Schulwesen

121

2. I n A r t . 7 Abs. 1 GG und darüber hinaus i n den Landesschulgesetzen ist die gesetzliche Grundlage für die Schulträgerschaft der staatlichen Verwaltung i m Sinne des A r t . 20 Abs. 3 GG normiert. 3. Die staatsrechtlich äußerst umstrittene Frage 54 , ob die Exekutive i n jedem Falle ihrer Tätigkeit einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die für die Legalität ihres Tätigwerdens unerläßlich ist, oder ob sie kraft eigenen Rechtes ohne gesetzliche Grundlage zu w i r k e n berechtigt ist, kann daher an dieser Stelle noch unentschieden bleiben.

54

Z u den Positionen i n dieser Grundsatzfrage vgl. einerseits Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, passim; andererseits Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 79 ff.; Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 187 ff.

Viertes Kapitel

Insbesondere: Die Legitimation der inneren Normsetzung seitens der Verwaltung im Schulbereich I. Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien 1. Die Lehrplanrichtlinien („Lehrplan") als verwaltungsinterner normativer Zugriff auf die Unterrichtstätigkeit

Das Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltung findet innerhalb des Exekutivbereiches seine genaue Analogie: Wie der Gesetzgeber von außen auf die Verwaltung zugreift, sie bindet und ihr das Gesetz ihres Handelns vorschreibt, so gibt die Verwaltung i n ihrem eigenen Bereich und i n den vom Gesetz ausgesparten Räumen ihren Organen und Sachwaltern i n Form von „Verwaltungsvorschriften" verbindliche Anordnungen und sich selbst ihre eigene Struktur. „Verwaltung" ist nicht nur rein faktische Tätigkeit, sondern auch deren normative Bestimmung; innerhalb des Exekutivbereichs greift die Organisationsspitze selbst auf das rein faktische Verwalten durch konkret-individuelle und durch abstrakt-generelle Anordnungen zu. Dies gilt insbesondere auch für den Teil der staatlichen Verwaltung, der Schule hält. Die Unterrichtstätigkeit des Lehrers w i r d durch eine Fülle verwaltungsinterner Anordnungen gleichsam exogen bestimmt. 2. Spezifikation dieser inhaltlichen Bestimmungsnormen

Diese verwaltungsinternen Bestimmungsnormen sind oben (S. 79 f.) bereits beschrieben und charakterisiert worden. Es handelt sich i n erster Linie u m die Lehrpläne oder Lehrplanrichtlinien und die Stundentafeln, die als (oder nur durch!) Ministerialerlasse von den Kultusministerien i n K r a f t gesetzt werden. Nur mittelbar enthalten die Prüfungsordnungen verbindliche Anordnungen für den Unterricht, da es ihnen nur u m das Prüfungsverfahren geht, das allerdings Unterricht i n bestimmten Fächern voraussetzt. Von minderem Interesse sind an dieser Stelle die Schulorganisationsnormen. Die Lehrpläne sind bislang kaum i n den Blickwinkel juristischer Betrachtung geraten; auch Helmut Müller 1 erwähnt die Lehrplanrichtlinien 1

Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, passim, insbesondere S. 135.

I. Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien

123

i n seiner Typologie der Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht nicht. Worin die Gründe hierfür liegen dürften, ist bereits aufgezeigt worden (oben S. 83 f.). Gleichwohl stellt sich die Frage nach rechtlicher Qualifizierung der Lehrplanrichtlinien, und dies um so mehr, als ihnen ein doch recht erheblicher Anordnungsgehalt innewohnt. 3. Ortsbestimmung des Lehrplanes

Indes bedarf die pauschale Feststellung, Lehrplanrichtlinien seien A n ordnungen der Schulverwaltung, der näheren Differenzierung. Denn die staatliche Schulverwaltung ist ein komplexes Gebilde aus mannigfachen Tätigkeiten, aus sachlichen und personellen Organisationszusammenhängen. Insbesondere sind i n die Schulverwaltung öffentlich-rechtliche A n staltsverhältnisse und Dienstverhältnisse inkorporiert, die sich zum Teil überschneiden und deren Koordination der Organisationsgewalt unterliegt, die beide umgreift. Die verschiedenen Bereiche der Schulverwaltung sind verschiedenen Rechtskreisen zuzuordnen, etwa dem Anstaltsrecht, dem Beamtenrecht, dem Organisationsrecht. Es muß daher der Ort der inhaltlichen Normsetzungen i n der Schulverwaltung bestimmt werden, wobei gefragt wird, wer der Adressat der Anordnungen i m Lehrplan ist und i n welchem Organisationszusammenhang diese Anordnungen ihre Wirkung entfalten. a) Den Lehrplanrichtlinien kommt i n einem spezifischen Sinne Organisationscharakter zu. Denn i n ihnen ist festgelegt, welche Inhalte der Staat i m Schulwesen anzubieten willens ist und wie sich diese Inhalte auf die einzelnen Schulen und Jahrgangsklassen verteilen. Der Inbegriff aller inhaltlichen Normen bedingt Organisation und Struktur des gesamten staatlichen Schulwesens. Jede Verfügung über den Lehrplan ist ein schulorganisatorischer A k t . Es mag hier dahinstehen, wieweit den ausdrücklichen Organisationsnormen oder dem aus der Gesamtheit der faktischen Schulorganisation zu eruierenden Normsubstrat Rechtssatzqualität eignet 2 ; denn Lehrpläne, Richtlinien etc. unterfallen jedenfalls nicht dem allgemeinen staatsrechtlichen Begriff der Organisationsnormen, da sie keine Organe konstituieren und aufeinander zuordnen oder Aufgabenbereiche und Kompetenzen innerhalb von Behörden verteilen. Sie erfüllen aber i n einem anderen Sinne diesen Begriff, da sie Aufgaben und Tätigkeit des Verwaltungsbereiches „Schule" überhaupt erst konstituieren und inhaltlich festlegen. Der Lehrplan gibt dem Schulwesen seine innere Gestalt. 2 Vgl. hierzu Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 70 ff.; Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , 2. Aufl. 1967, S. 1 ff., 93 ff.

124

4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Durch den Lehrplan ordnet die Organisationsspitze an, i n welcher Richtung der äußere Schulapparat tätig werden soll. Der Lehrplan selektiert die Bildungsgüter und organisiert ihre Verteilung; er sagt, welche Leistungen die Schule anbietet, und gibt den Verteilungsmodus an. Der Lehrplan ist die Zuteilungsorganisation der B i l dungsgüter. I n dieser Eigenschaft rückt er gleichsam i n die Nähe des Fahrplans öffentlicher Verkehrsbetriebe oder des Leistungstarifs der Versorgungsanstalten. Insofern begründen die Lehrpläne für niemanden Rechte und Pflichten, da sie mehr auf die Gestaltung des rein Faktischen h i n tendieren. b) Lehrpläne aber können das „rein Faktische" nur dadurch gestalten, daß sie den Gestaltern Anweisungen geben. Die Inhalte des Lehrplans werden nur effizient, indem der Pädagoge sie aktualisiert. Der primäre Adressat der Richtlinien ist daher der Lehrer. I h m w i r d gesagt, wie er seinen Unterricht zu gestalten hat, welchen Stoff er durchnehmen und wie er i h n verteilen soll. Das Normsubstrat der Lehrpläne ist generelle Anordnung an alle Lehrer bezüglich der didaktischen Inhalte. Der Lehrer steht i m besonderen Gewaltverhältnis des Beamten 8 . K r a f t des Beamtenverhältnisses ist er verpflichtet, den Weisungen der vorgesetzten Behörde Folge zu leisten. Die Lehrplanrichtlinien enthalten derartige Weisungen. Der Adressat der inhaltlichen Normsetzungen der Lehrpläne ist der Lehrer als Beamter; die Lehrpläne haben i m Beamtenverhältnis des Lehrers ihren Ort 4 . Die Frage, ob die Lehrplanrichtlinien den Lehrer i n seinem Grundoder i n seinem Betriebsverhältnis 5 ansprechen, wäre allerdings für diese ohnehin fast nur rhetorische Unterscheidung fatal: Die Richtlinien sind als Organisationsanweisung i n dem oben beschriebenen Sinne eine Regelung des Betriebsverhältnisses wxt9 e|oxr)v; aber je mehr ein Pädagoge sich der eigentlichen Bestimmung seines Berufes verpflichtet fühlt, je mehr Ideen und Intentionen er entwickelt, desto mehr w i r d i h n die A n weisung des Lehrplans i n seinem innersten Berufsethos treffen, und wer

3 Vgl. hierzu Hans Hechel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 195 ff.; Hans Hechel, Schulfreiheit u n d Schulaufsicht, Z B R 1965, S. 129 ff.; Günther Flindt, Uber die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, D Ö V 1960, S. 885 ff. (889). 4 Nach Ossenbühl allerdings (Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 24, 178/179, 456) wurzeln die instruktionellen V e r w a l tungsvorschriften nicht i m besonderen Gewaltverhältnis, sondern i n der „Geschäftsführungsgewalt der Exekutivspitze". Die Frage darf hier unentschieden bleiben. 5 Carl Hermann Ule, Das besondere Gewaltverhältnis, W D S t R L 15, 1957, S. 133 ff. (152). Ule bezieht übrigens gerade das Schulverhältnis i n seine Betrachtung ein

I . Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien

125

wollte bestreiten, daß dies sein „Grundverhältnis" unberührt lasse. A l l e die Forderungen nach der „Freiheit des Lehrers" haben hierin ihren Grund. Das Problem w i r d allerdings dadurch etwas entschärft, daß das Grundverhältnis — wenigstens des Fachlehrers — durch seine Fächerqualifikation weitgehend bestimmt w i r d ; nur innerhalb seines Faches hat er Weisungen zu gewärtigen, w e i l er nur für sein Fach verwendet werden kann. Sollte er außerhalb seines Faches eingesetzt werden, könnte er sich unter Umständen m i t Erfolg auf sein „Grundverhältnis" berufen und sich möglicherweise zur Wehr setzen. Dahinter aber steht ein anderes Problem: Die Selektion der Schulfächer selbst als ein Essentiale des Lehrplans w i r d von der Ansiedlung der Lehrplanrichtlinien i m besonderen Gewaltverhältnis des beamteten Lehrers überhaupt nicht erfaßt. Diese Ortsbestimmung erweist sich daher zwar i m gewissen Umfange als zutreffend, gleichwohl aber als unzureichend. c) Die Schule ist u m des Schülers w i l l e n da. Seine Bildung ist Ziel aller pädagogischen Bemühungen. Diese pädagogische Arbeit vollzieht sich i n der öffentlich-rechtlichen Anstalt „Schule" als deren „Leistungszweck". Der Schüler ist i n der Sprache des Anstaltsrechts Anstaltsbenutzer. Er steht als solcher nach tradierter Auffassung i n einem besonderen Gewaltverhältnis zur Schulverwaltung. Als „Gewaltunterworfener" unterliegt er den individuellen Anweisungen der Lehrer wie den generellen der Schulverwaltung überhaupt 6 . I h m w i r d von Obermayer 7 eine „passive Gliedschaft" i m Verwaltungsgefüge der Schule attestiert. Das besondere Gewaltverhältnis des Lehrers ist auf den Schüler hingeordnet; die hoheitliche Lehrtätigkeit des Lehrers wiederum entfaltet gegenüber dem Schüler kraft des Anstaltsverhältnisses Wirkungen. Das Beamtenverhältnis des Lehrers ist der kleinere, das Anstaltsverhältnis des Schülers der größere zweier konzentrischer Kreise, die beide nochmals von der Schulverwaltung insgesamt umfaßt werden 8 . 6 Vgl. Vinzenz Weinfurtner, Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1959; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960, S. 15 f.; Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957; ders., Verwaltungsgerichtliche Probleme des Schülerrechts, D Ö V 1958, S. 437 ff.; Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 53 ff. Vgl. i m übrigen auch Podlechs eingehende Analyse des „besonderen Gewaltverhältnisses" der Schule u n d dessen Kennzeichnung als „diffuses U n t e r ordnungsverhältnis" (Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 48 ff., 56,57). 7 Klaus Obermayer, Verwaltungakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 85. 8 M a n mag die traditionelle, etwas atavistisch anmutende D i k t i o n bei der

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Nun stößt aber der Versuch, den Lehrplanrichtlinien auch i m Anstaltsverhältnis der Schüler ihren Ort zu geben, auf Schwierigkeiten. Denn i m Unterschied zu Schulordnungen, deren Geltungskraft sich von der A n staltsgewalt her ableiten mag, enthalten Lehrplanrichtlinien keinerlei Anweisungen an die Schüler unmittelbar. I n den Richtlinien steht, was m i t den Schülern geschehen soll, ihnen selbst aber w i r d unmittelbar keine Weisung erteilt, kein Verhalten vorgeschrieben, kein Recht gewährt; den geschriebenen Lehrplan bekommen sie meist nie zu Gesicht. Adressat der i m Lehrplan enthaltenen Normen ist ausschließlich der Lehrer. Indem er nach ihnen handelt, aktualisiert er die Gebote i m Einzelfall; er befaßt die Schüler m i t den vorgeschriebenen Gehalten allenfalls i m Wege konkret-individueller Anweisungen. Die generellen A n ordnungen i m Dienstverhältnis des Lehrers schlagen gleichsam nach „außen" i n das AnstaltsVerhältnis der Schüler i n Form von Einzelakten um 9 . Für den Geltungsanspruch dieser Einzelakte aber ist das Anstaltsverhältnis Grund. Was i m besonderen Gewaltverhältnis des Schülers seinen Ort hat, ist somit nicht der Lehrplan, sondern die Einzelanweisung des beamteten Lehrers. d) Es zeigt sich, daß es unmöglich ist, die Lehrplanrichtlinien i n den Kategorien der erwähnten besonderen Gewaltverhältnisse hinreichend zu erfassen 10 . Es muß daher ein neuer Ansatz versucht werden. Es war festgestellt worden, daß sich die staatliche Schulverwaltung i m Lehrplan gleichsam selbst Rechenschaft über das didaktische Angebot an ihren Schulen gibt, daß sie dieses Angebot durch generelle Weisungen an die beamteten Lehrer durchsetzt und daß die Anordnung der Gehalte primär auf die Gestaltung des Schülerverhältnisses abzielt, indem der Schüler zwar nicht Normadressat, aber doch der eigentlich Betroffene ist. Die drei Bereiche der Organisation, des Beamten- und des Anstaltsverhältnisses werden vom Lehrplan als Ganzheit und i n ihrem ZusammenBeschreibung des Schulverhältnisses, die hier übernommen worden ist, k r i t i sieren. Gewiß atmet aus i h r mehr der Geist des autoritären denn des demokratischen Staates, von der Überlagerung des Pädagogischen durch das V e r waltungsrecht ganz zu schweigen. Gleichwohl aber dürfte die Terminologie den derzeitigen Sachverhalt durchaus zutreffend beschreiben. 9 Vgl. Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 24: Die Verwaltungsvorschriften äußern Wirkungen, die „die Kapsel des besonderen Gewaltverhältnisses durchschlagen u n d den Bürger berühren. Vielfach ist der Effekt solcher Vorschriften v o n vornherein dominierend auf den Bürger h i n angelegt". Dies t r i f f t zwar auch f ü r die Lehrpläne zu; doch erfolgt deren Umschlag nicht i n das allgemeine Gewaltverhältnis Staat — Bürger hinein, das Ossenbühl i m Auge hat, sondern wiederum i n ein anderes, nämlich i n das Anstaltsverhältnis. 10 Anders allerdings, aber noch zu undifferenziert: Verwaltungsgerichtshof Mannheim, Beschluß v o m 5. 5. 1961, DVB1. 1961, S. 523 f. (524), wonach die Lehrpläne T e i l der Schulordnung seien.

I. Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien

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w i r k e n erfaßt. Der Lehrplan ist nicht auf einen einzigen Bereich allein bezogen und geht hierin nicht auf. Die drei Bereiche der inneren Organisation, des Beamten- und des Anstaltsverhältnisses schaffen durch ihr Zusammenwirken eine Stätte pädagogischer Begegnung, i n der der Lehrende auf den Lernenden durch das Medium der Bildungsgüter einwirkt. Diese „pädagogische Begegnung" ist der Inbegriff des Sich-Findens aller allgemeinen Bildungsansprüche und individuellen Bildungswünsche i n einer Bildungsorganisation; sie ist das Essentiale der Schule. Die pädagogische Begegnung ist der eigentliche Regelungsgegenstand der i m Lehrplan enthaltenen Normen. Das Lebensverhältnis, das der Lehrplan einer umfassenden Regelung unterwirft, ist die innere Form des Bildungswesens schlechthin. 4. Der Lehrplan als Rechtsnorm

a) Indem nun aber diese „pädagogische Begegnung" sich i n der von Staats wegen organisierten Schule vollzieht, verbleibt sie i m innerstaatlichen Bereich. Die Staatsverwaltung kann den Leistungszweck der Schule nur erfüllen, indem sie den Schüler i n ihrem Innenbereich, i n ein Verhältnis verdichteter Rechte und Pflichten, hineinnimmt. Diese Hereinnahme begründet mehr als ein bloßes Anstaltsverhältnis, kraft dessen dem Schüler ein bestimmtes (Sozial-)Verhalten geboten wird. Vielmehr w i r d hierdurch ein umfassendes „Schulverhältnis" begründet, i n welchem sich die „pädagogische Begegnung" vollzieht und das sich i m Anstaltsverhältnis nicht erschöpft. I m Schulverhältnis werden die individuellen Bildungsbedürfnisse und -wünsche untereinander und i m Verhältnis zum Anspruch des Staates an die Bildung zum Ausgleich gebracht; das Schulverhältnis ist der juristische Ausdruck der pädagogischen Begegnung. Neben dem Beamten- und dem Anstaltsverhältnis ist auch dieses Schulverhältnis i n die staatliche Schulverwaltung inkorporiert. Es kann m i t Vorbehalt auch als „besonderes Gewaltverhältnis" qualifiziert werden. Es ist den Leistungsverhältnissen etwa der Versorgungsbetriebe 11 vergleichbar. Demnach wären auch die Normen über die Inhalte des Schulwesens Regelungen eines besonderen Gewaltverhältnisses. b) I n die Diskussion u m das besondere Gewaltverhältnis soll hier nicht eingetreten werden; insoweit sei auf die Literatur 1 2 verwiesen. Festge11 Hierzu Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., Allgemeiner Teil, 9. A u f l . 1966, S. 378 ff. 12 Aus der L i t e r a t u r : Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. A u f l . 1968, S. 121 f., S. 181 f.; Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., 9. A u f l . 1966,

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

h a l t e n sei n u r , daß a l l e Rechtsverhältnisse, die m a n u n t e r d e n O b e r b e g r i f f „besonderes G e w a l t v e r h ä l t n i s " faßt, v o n recht u n t e r s c h i e d l i c h e r N a t u r sind, w a s aus d e m b i s h e r A u s g e f ü h r t e n ohne w e i t e r e s d e u t l i c h i s t u n d w o r a u f insbesondere Werner Thieme 13 — allerdings nicht i m H i n b l i c k a u f das S c h u l v e r h ä l t n i s — h i n w e i s t . F e s t g e h a l t e n sei f e r n e r , daß i n d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g das besondere G e w a l t v e r h ä l t n i s d u r c h a u s n i c h t m e h r u n a n g e f o c h t e n als D o m ä n e d e r E x e k u t i v e dasteht, s o n d e r n daß v i e l m e h r d e r Gesetzesvorbehalt auch f ü r das besondere G e w a l t v e r h ä l t n i s 1 4 , j a sogar d i e E l i m i n i e r u n g dieses I n s t i t u t e s 1 5 d i s k u t i e r t w i r d . c) A n d e r r e c h t l i c h e n Q u a l i f i z i e r u n g d e r g e n e r e l l e n v e r w a l t u n g s i n t e r n e n N o r m e n k o m m t d i e F r a g e nach d e r E x e k u t i v k o m p e t e n z z u r N o r m setzung jedoch n i c h t v o r b e i . D i e b i s z u m E n d e der W e i m a r e r Z e i t herrschende S t a a t s r e c h t s l e h r e 1 6 h a t d i e R e g e l u n g e n i m I n n e n b e r e i c h d e r S t a a t s v e r w a l t u n g aus d e m Rechtssatzbegriff a u s g e n o m m e n 1 7 . I n d e m sie als M e r k m a l des RechtssatS. 121 ff.; Otto Bachof, Verwaltungsakt u n d innerdienstliche Weisung, i n : Verfassung u n d V e r w a l t u n g i n Theorie u n d Wirklichkeit, Festschrift f ü r W i l h e l m L a foret, 1952, S. 285 ff.; Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, S. 206 iL; Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 77 ff.; Carl Hermann Ule, Das besondere Gewaltverhältnis, W D S t R L 15,1957, S. 133 ff.; Herbert Krüger, Das besondere Gewaltverhältnis, W D S t R L 15,1957, S. 109 ff.; Werner Thieme, Der Gesetzesvorbehalt i m besonderen Gewaltverhältnis, J Z 1964, S. 81 ff.; Winfried Brohm, Verwaltungsvorschriften u n d besonderes Gewaltverhältnis, DÖV 1964, S. 238 ff.; Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 53 ff.; Hans Spanner, Urteilsanmerkung, D Ö V 1963, S. 29 f.; Klaus Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 84 ff.; Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969; Siegfried Lang, Das Schulverhältnis als Anstaltsverhältnis, Diss. München 1969; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 56 ff., 242 ff.; Georg Nafpliotis, Die Anstaltsgewalt u n d ihre Grenzen, Diss. M a r b u r g 1967. 13 Der Gesetzesvorbehalt i m besonderen Gewaltverhältnis, J Z 1964, S. 81 ff. (82). 14 So Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, 206 ff. (211); Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 78/79; zurückhaltender: Hans Ulrich Evers, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff. (160). 15 E t w a Hans Spanner, D Ö V 1963, S. 29 f. 16 Vgl. etwa Erwin Jacobi, Die Rechtsverordnungen, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I I , 1932, S. 236 ff.; derselbe, Die Verwaltungsverordnungen, ibid., S. 255 ff.; Richard Thoma, Der Vorbehalt der Legislative u n d das Prinzip der Gesetzmäßigkeit von V e r w a l t u n g u n d Rechtsprechung, ibid., S. 221 ff.; ders., Die Funktionen der Staatsgewalt, ibid., S. 108 ff.; ders., Der V o r behalt des Gesetzes i m preußischen Verfassungsrecht, i n : Festgabe f ü r Otto Mayer, 1916, S. 167 ff. F ü r das Schulrecht: Walter Lande, Die Schule i n der Reichsverfassung, 1929; ders., Die staatsrechtlichen Grundlagen des deutschen Unterrichtswesens, i n : HdBdDStR, Bd. I I , 1932, S. 690 ff. 17 Z u m folgenden ausführlich u n d m i t weiteren Nachweisen: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 233 ff., 245 ff., 251 ff., 271 ff.; ders., Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 61 ff.

I. Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien

129

zes teils die Schrankenziehung zwischen selbständigen Rechtssubjekten, teils den Eingriff i n Freiheit und Eigentum des Staatsbürgers bestimmte und diese an sich schon verengte Definition m i t der Lehre von der „ I m permeabilität" 1 8 der Staatsperson verband, ließ sie sämtliche verwaltungsinternen Regelungen aus dem Rechtssatzbegriff herausfallen. Zum Teil steht die neuere Lehre noch ganz i m Schatten dieser Auffassung 19 . So ist denn auch für den Innenbereich des Schulwesens ausgesagt worden, daß er rechtsfrei geblieben sei 20 und daß Anstaltsordnungen des Rechtssatzcharakters entbehrten 21 . Demgegenüber beginnen sich neuere Erkenntnisse durchzusetzen. Insbesondere Böckenförde 22 hat nachgewiesen, wie sehr die herkömmliche Staatsrechtslehre konstitutionellem Denken verhaftet und insofern historisch bedingt sei und daß sie infolgedessen den Rechtssatzbegriff willkürlich verengt habe. Er selbst bestimmt den Rechtssatzbegriff i m Bereich des öffentlichen Rechts als „Begründung und verbindliche Maßbestimmung für die Ausübung öffentlicher Gewalt und die Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten" 23 . Dieser Definition unterfallen sämtliche von der Verwaltung für ihren Innenbereich gesetzten generellen Regelungen. Generelle Regelungen, m i t denen sich der Staat seine Organisation und das Gesetz seines Handelns gibt, sind eo ipso Regeln des Rechts; denn alle Selbstdarstellung des Staates und alle Manifestation seiner Macht, sein organisatorischer A u f bau und seine interne Kompetenzverteilung kann nur i n Formen des Rechtes geschehen. Möglicherweise ergibt sich hieraus die Folgerung einer letztlichen Identität von Staat und Recht. Die verwaltungsinternen Normen sind daher Rechtsnormen; sie unterfallen dem rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff, der die Normen des Rechts etwa von denen der Sitte abgrenzt 24 . Dies w i r d von der Staatsrechtslehre auch zunehmend anerkannt 2 5 . 18 Z u diesem Begriff: Otto Bachof, Verwaltungsakt u n d innerdienstliche Weisung, i n : Verfassung u n d V e r w a l t u n g i n Theorie u n d Wirklichkeit, Festschrift f ü r W i l h e l m Laforet, 1952, S. 285ff. (298 f.); Rupp, a.a.O., S. 23 f.; Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 186. 19 Vgl. etwa Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, Neudr. 3. A u f l . 1948, S. 126; Kurt Egon von Turegg - Erwin Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl. 1962, S. 70. 20 So Hubert Görg, Schulrecht u n d Kulturpflege, i n : Verfassungs- u n d V e r waltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Wilhelm Loschelder-Jürgen Salzwedel, 1964, S. 318; Hans Heckel-Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. Aufl. 1969, S. 4. 21 Hans Heckel, Die Grenzen der Schulgewalt, R d J 1954, S. 3. 22 Ernst-Wolf gang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 61 ff.; ders., Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 210 ff. 23 Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 74; ähnlich Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 189. 24 was i m übrigen auch Erwin Jacobi (Die Verwaltungsverordnungen, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I I , 1932, S. 258) u n d Richard Thoma

9 Hennecke

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Demnach sind auch die Anordnungen des Lehrplans Rechtssatz. d) M i t der Qualifizierung verwaltungsinterner Normen als Rechtssatz stellt sich sogleich die Frage nach der Kompetenz der Exekutive zur Rechtsetzung. Eine derartige Rechtsetzungsbefugnis ist bislang nur insoweit unstreitig, als sie i n den strengen Formen der Rechtsverordnung geschieht. Hier w i r d ein Stück aus dem an sich der Legislative zukommenden Kompetenzbereich ausgegliedert und an die Exekutive delegiert. Die auf Grund einer Delegation erfolgte Rechtsverordnung der Verwaltung w i r d dann jeweils an ihrer Ermächtigungsgrundlage, diese wiederum an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung, die i n A r t . 80 GG ihren Ausdruck gefunden hat, gemessen. Die Frage aber, ob die Rechtsetzungen der Exekutive immer der Form des A r t . 80 GG entsprechen müssen, setzt eine Entscheidung darüber voraus, ob der von der Verwaltung erfaßte Regelungsbereich überhaupt der ausschließlichen Kompetenz des Gesetzgebers, das heißt dem Gesetzesvorbehalt unterfällt. Da dies durchweg nicht schlechthin der Fall ist und auch von der herkömmlichen Staatsrechtslehre durchaus nicht für alle Bereiche postuliert wird, hat die Feststellung, „Verwaltungsvorschriften" seien Rechtssätze, weit weniger revolutionären Gehalt, als es i m Rahmen der herkömmlichen Terminologie zunächst den Anschein hat. Denn man darf nicht i n den Fehler verfallen, von der Rechtssatzqualität verwaltungsinterner Normen sogleich auf die Zuständigkeit des Gesetzgebers zum Erlaß dieser Normen zu schließen oder nach einer dem A r t . 80 GG genü-

(Der Vorbehalt des Gesetzes i m preußischen Verfassungsrecht, i n : Festgabe f ü r Otto Mayer, 1916, S. 176; Die Funktionen der Staatsgewalt, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I I , S. 125) zugeben. 25 Vgl. Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 154 ff.; Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, W D S t R L 24, 1966. S. 125 ff. (166); Klaus Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 173 f.; Winfried Brohm, Verwaltungsvorschriften u n d besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, S. 238 ff.; Hans Klein, Rechtsqualität u n d Rechtsw i r k u n g von Verwaltungsnormen, i n : Festgabe für Ernst Forsthoff, 1967, S. 163 ff. (172 f.); Walter Schmidt, Gesetzesvollziehurng durch Rechtsetzung, 1969, S. 15 ff., 191 f., 257 ff. u n d passim; Rolf Gross, Die Rechtsqualität der Sonderverordnungen für besondere Gewaltverhältnisse, i n : N J W 1969, S. 2186 f.; Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, passim. F ü r das Schulrecht: Verwaltungsgerichtshof Mannheim, Beschluß v o m 5. 5. 1961, DVB1. 1961, S. 523 f.; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r burg 1960, S. 99 ff.; Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957, S. 104 ff.; Siegfried Lang, Das Schulverhältnis als A n staltsverhältnis, Diss. München 1969, S. 86 f. Kritisch u n d ablehnend: Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965. S. 77; ders., Ministerialerlasse — Ausdruck originärer Rechtssetzung der Exekutive? i n : N J W 1970, S. 412 f.; Friedrich August von der Heydte, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 24,1966, S. 217/218.

1. Die Rechtsnatur der Lehrplanrichtlinien

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genden Ermächtigungsgrundlage zu fragen 26 . Gesetzesvorbehalt ist nicht Rechtsetzungsvorbehalt 27 ; dem Gesetzgeber kommt auch i m nach Gewalten gegliederten demokratischen Rechtsstaat kein Rechtsetzungsmonopol zu 2 8 . Den verbreiteten Schluß von der Rechtsatzqualität einer Norm auf die Kompetenz des Gesetzgebers zu ihrem Erlaß, der den Eigenbereich der Exekutive aushöhlt und i n der Lehre vom Totalvorbehalt des Gesetzes seinen konsequentesten Ausdruck findet, hat Böckenförde als einen „klassischen F a l l von Verfassungswandlung durch Begriffsverschiebung" 29 gekennzeichnet. Denn ein autonomer Eigenbereich der Ausführenden Gewalt ist von der Verfassung gewollt. Durch die Qualifizierung verwaltungsinterner Vorschriften als Rechtssätze ändert sich an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung an Gesetzgeber und Verwaltung nichts. Aus der „Umetikettierung" allein sind noch keine verfassungsrechtlichen Schlüsse zu ziehen, aber der Blick w i r d frei für das dahinterstehende grundsätzliche Problem der Abgrenzung der Staatsfunktionen Gesetzgebung und Verwaltung 3 0 . e) M i t der Anerkennung der Rechtsatzqualität verwaltungsinterner Vorschriften ist nicht zugleich auch die Gleichwertigkeit aller dieser Regeln ausgesagt. Es liegt ohnehin auf der Hand, daß der Wirkungsbereich und Wirkungsgrad echter Rechtsverordnungen ein anderer ist als der der Verwaltungsvorschriften. Doch auch innerhalb der verwaltungsinternen Rechtsetzungen sind Unterscheidungen zu treffen. Hans J. Wolff spricht teils von „Verwaltungsvorschriften", die ganz i m Innenbereich der Verwaltungshierarchie verbleiben und meist instruktioneller Natur sind 3 1 , teils hat er den Begriff der „Sonderverordnungen" geschaffen, die er als „einseitig hoheitlich erlassene, abstrakte und generelle Anordnungen staatlicher oder kommunaler Organe oder Anstalten zur Regelung sog. besonderer Gewaltverhältnisse . . . m i t materiellem Gesetzescharakter" bestimmt 3 2 . 26

Hierzu: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 68. 27 So ausdrücklich Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, V V D S t R L 24, 1966, S. 166; vgl. auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 337; a. M.: Rupp, a.a.O.; Ernst-Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23,1966, S. 213. 28 Dies gilt übrigens auch i m Verhältnis von Gesetzgebung u n d Rechtsprechung; n u r daran hat noch niemand Anstoß genommen, daß Rechtsprechung immer auch Rechtsetzung ist. 29 Die Organisationsgewalt..., S. 69. 30 Vgl. Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 166 f., 181; ders., Die Verwaltungsvorschriften i n der verwaltungsgerichtlichen Praxis, i n : A r c h i v des öffentlichen Rechts, 92. Bd., 1967, S. 1 ff. (28, 29). 31 Verwaltungsrecht I , 7. Aufl. 1968, S. 107. 32 a.a.O., S. 121/122. 9*

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Legt man diese —im übrigen auch von Böckenförde übernommene 88 — Typologie der Beurteilung der Lehrplanrichtlinien zugrunde und vergegenwärtigt man sie sich als Regelungen des Schulverhältnisses, so könnten die Lehrplanrichtlinien unter den Begriff der „Sonderverordnungen" subsumiert werden, wenn man den Bereich der echten Rechtsverordnungen auf das allgemeine Gewaltverhältnis zwischen Staat und Bürger beschränkt. Gewonnen wäre hiermit nicht viel. Denn allein aus dem Begriff der Sonderverordnungen ist noch nicht die Kompetenz der Verwaltung herzuleiten, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung das Schulverhältnis autonom zu regeln. Vielmehr setzt umgekehrt die Befugnis zum autonomen Erlaß von Sonderverordnungen voraus, daß der zu regelnde Bereich nicht dem Gesetzesvorbehalt unterfällt. Die entscheidende Frage bleibt somit auch an dieser Stelle immer noch offen. I I . Der Gesetzesvorbehalt im Schulverhältnis 1. Die Bedingungen der Geltung des Gesetzesvorbehaltes im besonderen Gewaltverhältnis

M i t der Anerkennung einer selbständigen Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive ist der allgemeine rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt i n keiner Weise suspendiert 34 . Daß für abstrakt-generelle Regelungen i m allgemeinen Gewaltverhältnis, insbesondere für Eingriffe i n Freiheit und Eigentum, der Gesetzgeber ausschließlich zuständig ist, steht außerhalb jeder Diskussion. Zum anderen w i r d zunehmend anerkannt, daß die besonderen Gewaltverhältnisse als solche nicht schlechthin vom Gesetzesvorbehalt ausgenommen werden können 3 5 . Dies gilt vor allem für diejenigen besonderen Gewaltverhältnisse, i n die der Bürger „unfreiwillig", zum Beispiel kraft Gesetzes, hineingestellt wird, wie i n das Soldatenverhältnis oder das Schulverhältnis i m Rahmen der Schulpflicht. So führt denn auch Böckenforde 36 aus: „ I m demokratischen Rechts- und Verfassungsstaat gehört zu dem funktionsbestimmten allgemeinen (»rechtsstaatlichen') Gesetzesvorbehalt (...) alles das, was den allgemeinen (»staatsbürgerlichen 4) oder 38 Ernst-Wolfgang Böckenförde - Rolf Gr awert, Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse, i n : Archiv des öffentlichen Rechts, 95. Bd., 1970, S. 1 ff. (S. 21 f.). 34 Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 90 f. 35 Vgl. oben A n m . 12, 14; ferner Dieter Kabisch, Prüfung formeller Gesetze i m Bereich der Exekutive, 1967, S. 50 ff., m. w. N w . 36 Die Organisationsgewalt..., S. 85.

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

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einen besonderen Rechtsstatus (innerhalb echter sog. besonderer Gewaltverhältnisse' wie etwa Soldaten- und Beamtenverhältnis) der Einzelperson betrifft, d. h. die Begründung von Rechten und Pflichten der Einzelpersonen untereinander und i m Verhältnis zu den Trägern öffentlicher Gewalt, einschließlich ihrer verfahrensmäßigen Geltendmachung und Durchsetzung 37 ." Es widerspräche dem rechtsstaatlichen Prinzip der Allgemeinen Handlungsfreiheit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, würde durch Gesetz oder sonst unausweichlichen Zwang der Bürger i n den gesetzesfreien Raum eines besonderen Gewaltverhältnisses überstellt, dessen innere Ausgestaltung dem Belieben der Exekutive inheimgegeben wäre und i n dem der Bürger Eingriffe i n Freiheit und Eigentum hinnehmen und in dem er sich einem fremden Willen unterwerfen müßte, an dessen Bildung er i m demokratischen Verfahren nicht unmittelbar teilgenommen hat. Durch einen rechtstechnischen Kunstgriff würde der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt paralysiert. Es geht aber nicht an, daß die Exekutive i m besonderen Gewaltverhältnis kraft einer gesetzlichen Blankovollmacht handelt 3 8 . Aus diesem Grunde s ind denn auch besondere Gewaltverhältnisse von starker Intensität und großer sozialer Breitenwirkung wie das Soldaten- oder das Beamtenverhältnis gesetzlich geregelt, wobei wohlgemerkt die der Exekutive originär zustehende Organisationsgewalt unangetastet bleibt. Sollte sich herausstellen, daß auch das Schulverhältnis an Intensität des Eingriffs den beiden genannten Gewaltverhältnissen gleichsteht, käme die Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes auch auf das Schulverhältnis ernsthaft i n Betracht. Hierbei geht es nicht darum, durch etwaige Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes einem Totalvorbehalt das Wort zu reden; wohl aber darum, den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt, der „Eingriffe i n Freiheit und Eigentum" ausschließlich dem Gesetzgeber gestattet, auch und gerade i m besonderen Gewaltverhältnis zur Geltung zu bringen. Eine Verdichtung der Rechte und Pflichten i m besonderen Gewaltverhältnis mag hierbei auch ohne gesetzliche Grundlage hingenommen werden; ebensowenig soll das originäre Recht der Exekutive, i n bestimmtem Rahmen „Sonderverordnungen" zu erlassen, grundsätzlich i n Frage gestellt werden (alle diese Fragen bedürften an 37 Anders anscheinend Böckenförde-Grawert, AöR 1970, S. 23 f., 30 ff., w o der Exekutive die Befugnis zum Erlaß von „Sonderverordnungen" i m besonderen Gewaltverhältnis generell konzediert w i r d . 88 Vgl. Hans Ulrich Evers, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff. (160): „ B e i Gewaltverhältnissen, die auf Zwang beruhen, gebietet der rechtsstaatliche Aspekt aber, daß nicht n u r geregelt w i r d , ob der Bürger i n Pflicht zu nehmen ist, sondern auch w i e die konkrete A r t des i n Frage stehenden besonderen Gewaltverhältnisses i n seinen Grundzügen ausgestaltet sein soll."

134

4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

sich noch einer weitergehenden Differenzierung); für „Eingriffe" von erheblicher individueller und sozialer Intensität indes, denen sich der Bürger aus welchen Gründen auch immer nicht entziehen kann, w i r d hier der Gesetzesvorbehalt postuliert, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Eingriff i m allgemeinen oder i m besonderen Gewaltverhältnis erfolgt. Insofern stellt Thoma 39 das Verhältnis von besonderem Gewaltverhältnis und rechtsstaatlichem Gesetzesvorbehalt geradezu auf den Kopf: „Anstaltsordnungen vermögen auf das tiefste i n das persönliche, wirtschaftliche, kulturelle Leben eingreifen. Man denke nur an Disziplinarvorschriften (z. B. von Strafanstalten), Benutzungsgebühren, Lehrpläne von Unterrichtsanstalten. Trotzdem bedürfen sie insoweit, als sie sich innerhalb des Anstaltsbetriebes halten, keiner besonderen Rechtsgrundlage und fallen insoweit nicht unter den Allgemeinvorbehalt 4 0 ." Thoma rettet das besondere Gewaltverhältnis zu Lasten der Freiheit; es gilt aber, den die Freiheit garantierenden Rechtsstaat zu verwirklichen, koste es auch das besondere Gewaltverhältnis. Einer etwaigen Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes auf das Schulverhältnis kann nicht m i t dem Einwand begegnet werden, die Dispositionsfreiheit der Exekutive sei durch den vorgegebenen und i m Gesetz fixierten Anstalts- und Leistungszweck der Schule hinreichend eingeschränkt, so daß die Gefahr einer Aushöhlung des legislativen Kompetenzbereichs gebannt wäre. Gewiß sind die Ziele der Schule, wie i m 1. Kapitel ausführlich dargelegt worden ist, i n Verfassungen und Schulgesetzen mannigfach bestimmt, aber es ist zugleich nachgewiesen worden, daß diesen Fixierungen zumeist kaum mehr als der Wert von Leerformeln zukommt und daß die konkreten Entscheidungen erst i n den Lehrplänen, also nichtgesetzlichen Normen, gefällt werden. Es w i r d daher für die Beantwortung der Frage nach der Legislativoder der Exekutivkompetenz i m Schulverhältnis entscheidend darauf ankommen, ob die Disposition über die didaktischen Inhalte Eingriffscharakter hat. 2. Unfruchtbarkeit der bisherigen Staatsfunktionenlehre für die Begründung eines Gesetzesvorbehaltes im Schulverhältnis

Eine erst i n nuce vorhandene Staatsfunktionenlehre ist bislang noch außerstande 41 , die Kompetenzfrage von sich aus zu entscheiden, so daß 39 Richard Thoma, Der Vorbehalt der Legislative u n d das Prinzip der Gesetzmäßigkeit von V e r w a l t u n g u n d Rechtsprechung, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I I , 1932, S. 221 ff. (224). 40 Ähnlich auch Richard Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes i m preußischen Verfassungsrecht, Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 167 ff. (177): „Denn w i r sind j a nicht i m Zweifel, daß Schulregulative, Anordnungen der K o m m a n d o gewalt, Hausordnungen der Strafanstalten, manches i n Zollregulativen, V e r -

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

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auf die Bemühung herkömmlicher Kategorien verzichtet werden könnte. Denn der Versuch, allgemeine materielle Kriterien für die Abgrenzung der Staatsfunktionen zu ermitteln, scheint bislang kaum über die Zuweisung „wichtiger Entscheidungen" an die Legislative hinaus gediehen zu sein: „Das Parlament darf auf sein Erstgeburtsrecht bei der Entscheidung wichtiger Fragen von allgemeiner Bedeutung nicht verzichten 42 ." Es wäre nun allerdings etwas wohlfeil, der Entscheidung über die didaktischen Inhalte an den öffentlichen Schulen kurzerhand erhebliches Gewicht beizumessen und so dann die Begründung für eine Legislativkompetenz zu gewinnen. Gleichwohl darf die allgemeine politische Relevanz didaktischer Entscheidungen i m Staatsschulwesen nicht verkannt werden, und schulinterne Entscheidungen sind es angesichts ihrer Tragweite durchaus wert, daß sich eine Volksvertretung ihrer annimmt 4 3 . Immerhin ist es aber doch zweifelhaft, ob die Allgemeinerheblichkeit schulinterner Entscheidungen an sich schon genügt, die Kompetenz für diese Entscheidungen ausschließlich der Legislative zuzusprechen; w i r d doch der Exekutive die originäre Befugnis zur Sozialgestaltung allgemein zugestanden. Auch außenpolitische Entscheidungen von erheblicher Tragweite werden von der Regierung allemal noch allein gefällt. Es ist daher i m Augenblick noch die Aporie einer Staatsfunktionenlehre, daß sie Bereiche, deren Regelung sie wegen ihrer Allgemeinerheblichkeit der Legislative zu übertragen nicht zögern würde, auf Grund traditioneller Verfassungsdogmatik doch wieder der Exekutive rücküberantworten muß. Fruchtbarer — insbesondere auch für die hier anstehende Entscheidung über den Schulbereich — scheint der Ansatz Mallmanns 44 zu sein. Nach i h m kann eine Entscheidung über einen „Widerstreit vielfältiger Einzelund Gruppeninteressen" — der gerade i m Schulwesen stattfindet! — „ i n haltensvorschriften f ü r Staatsbeamte, auch irgendwie »geltendes Recht' sind u n d tief u n d unentrinnbar i n Freiheit u n d Eigentum eingreifen." 41 Vgl. neuerdings die dogmengeschichtliche u n d dogmatische Aufbereitung des Materials zur Funktionenlehre von Norbert Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970. 42 Otto Bachof, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 24, 1966, S. 225 (zum Thema „Gesetzgeber u n d Verwaltung"). Vgl. auch Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 239 f., 249: „Nach der dem Parlament zukommenden politischen Führungsrolle bleiben dem Gesetzgeber alle politisch bedeutsamen Entscheidungen v o r behalten." 43 So auch Horst Harnischfeger - Gerhard Heimann, Rechtsfragen der Gesamtschule, 1970, S. 58 f.; hiernach begründet bereits das „demokratische P r i n zip" den Gesetzesvorbehalt für „die Bildungsziele, das Schulverhältnis, die Ubergänge und das Berechtigungswesen". 44 Walter Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, W D S t R L 19, 1961, S. 165 ff. (192).

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

der parlamentarischen Demokratie grundsätzlich nur der Volksvertretung zustehen". Wollte man sich m i t diesem Argument begnügen, wäre die Entscheidung über die Frage, wer die didaktischen Inhalte i m öffentlichen Schulwesen bestimmt, zugunsten der Legislative gefällt. 3. Schule-halten als Leistung und Eingriff

Indes bedarf es des Rekurses auf eine allgemeine Staatsfunktionenlehre nicht; jedenfalls solange nicht, als die überkommenen Kategorien der Eingriffs- und der Leistungsverwaltung noch nicht nach einer A n t wort befragt worden sind. a) Herkömmlicherweise steht das, was man unter Eingriffsverwaltung versteht, unter Gesetzesvorbehalt 45 . Enteignungen, Steuerbescheide, Gestellungsbefehle und auch die Allgemeine Schulpflicht berühren den Rechtsstatus des Bürgers und können daher nur durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes rechtswirksam werden. Jede zielgerichtete Einwirkung der Staatsgewalt auf den Bürger und jede abstrakt-generelle Einschränkung seiner Freiheit muß sich auf die Entscheidung einer gesetzgebenden Instanz zurückführen lassen, i n der sich der Bürger repräsentiert findet. Dies ist regelmäßig nur i n den demokratischen Volksvertretungen der Fall. Der Freiheitseinbuße muß die Beteiligung des Betroffenen an dem Willen, der diese Freiheitseinbuße beschließt, korrespondieren. Der Gesetzesvorbehalt für die Eingriffsverwaltung w i r d denn auch nirgends i n Frage gestellt. Versucht man, einige Merkmale der Eingriffsverwaltung zu erfassen, so läßt sich formulieren: aa) A u f den Willen des individuell betroffenen Bürgers kommt es regelmäßig nicht an. Der „Eingriff" w i r d notfalls auch gegen seinen W i l len durchgesetzt. bb) „Eingriff" seitens der Exekutive ist jeweils zielgerichtetes konkretindividuelles Handeln der Verwaltungsbehörde gegenüber dem Bürger, das den persönlichen Rechtskreis des Bürgers berührt. cc) Eingriffsverwaltung ist regelmäßig die Realisierung grundlegender politischer Entscheidungen durch konkret-individuelle Umsetzungsakte, 45 Vgl. hierzu Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. A u f l . 1966, S. 118 f.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Aufl. 1968, S. 160 f.; Ernst-Wolf gang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 90 f.; Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, S. 117 ff.; Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 142 ff.; Max Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 1954, S. 18 f., 41 f.; jeweils m. w . N w .

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

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wobei diese Entscheidungen zumeist von der Regierung initiiert werden, aber i m parlamentarischen System nur i m Wege des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens Rechtswirksamkeit erlangen können. dd) Ermächtigungsgrundlage für Eingriffsakte der Exekutive kann nur ein formelles Gesetz sein. b) Demgegenüber unterliegt nach w o h l herrschender Meinung die sogenannte Leistungsverwaltung nicht dem Gesetzesvorbehalt 46 . Eine Verwaltung, die dem Bürger tatsächliche Vergünstigungen, seien es Subventionen, Versorgungsleistungen oder der Anblick einer Gemäldegalerie gewährt, greift offensichtlich nicht i n seine Rechtsposition ein, sondern nimmt vielmehr den auch i h r verfassungsrechtlich originär zustehenden Auftrag der Sozialgestaltung und Daseinsfürsorge wahr. Der Leistungsverwaltung ordnen:

lassen sich etwa folgende Momente zu-

aa) Die Leistung erfolgt häufig innerhalb einer „Anstalt", i n die der Bürger, der i n den Genuß der Vergünstigung kommen w i l l , sich der Idee nach freiwillig begibt. bb) Zur Organisation der Anstalten und zur Normierung des A n statsverhältnisses i m Wege von „Sonderverordnungen" ist die Verwaltung kraft der i h r zustehenden „Anstaltsgewalt" i n der Regel befugt. cc) Das Leistungsangebot — innerhalb oder außerhalb eines Anstaltsverhältnisses — steht zur Disposition der leistenden Verwaltung. dd) Die Disposition über das Leistungsangebot orientiert sich an der Nachfrage; Leistungsverwaltung untersteht dem ökonomischen Gesetz von Nachfrage und Angebot. c) Die Gegenüberstellung von Eingriffs- und von Leistungsverwaltung ist sowohl dem Begriffe 4 7 als auch der Sache 48 nach zu Recht kritisiert worden. Suggeriert doch die begriffliche Antithese die Vorstellung, als seien Leistungs- und Eingriffsverwaltung zwei sauber zu scheidende 46 Vgl. hierzu Forsthoff, a.a.O., S. 118 f., 340 ff.; ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I , 2. Aufl. 1967, S. 122 ff.; Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 281 ff.; jeweils m. w . N w . Vgl. auch B V e r f G 8, S. 155 ff. Demgegenüber unterstellt Jesch, a.a.O., S. 175 f., auf G r u n d seiner Lehre vom Totalvorbehalt auch die Leistungsverwaltung dem Gesetzesvorbehalt; ähnlich auch Rupp, a.a.O., S. 142 f. 47 So Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I I , 2. Aufl. 1967, S. 124. 48 So Walter Mallmann, Schranken nicht hoheitlicher Verwaltung, V V D S t R L 19, 1961, S. 165 ff. (191 f.); Forsthoff, a.a.O., S. 320 f.; Max Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 1954, S. 41 f.; Rupp a.a.O., S. 142 f.; Peter Badura, Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverw a l t u n g u n d der soziale Rechtsstaat, DÖV 1966, S. 624 ff.

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Bereiche der Staatsverwaltung und als gehe der Leistungsverwaltung von vorneherein jede A r t von Eingriffscharakter ab. E i n Blick auf die Wirklichkeit lehrt jedoch, daß sich die leistende Verwaltung zu umfassenden meist faktischen Leistungsmonopolen i n der öffentlichen Hand konzentriert hat, die den Bürger i n einer Abhängigkeit bislang ungekannten Ausmaßes zu halten imstande sind, und daß gerade etwa durch Subventionsleistungen oder auch durch deren Versagung ein individuelles Schicksal maßgeblich bestimmt werden kann und eine tiefergreifende Sozialgestaltung bewirkt wird, als es die Eingriff sverwaltung je vermag. Aus dieser Erkenntnis heraus hat insbesondere Mallmann 49 — unter ausdrücklicher Ablehnung eines Totalvorbehaltes — den Gesetzesvorbehalt auf den Bereich erstreckt, „wo die Exekutive m i t ihren »Wohltaten' lenkend, gestaltend, verändernd, daseinsnotwendige Leistungen erbringend auf die existentielle Situation der Bürger einwirkt und damit auch ihren Rechtsstatus berührt". I n speziellerer Form hat Imboden 50 das Problem formuliert, indem er für den Fall, daß Leistung und Eingriff i n einem einheitlichen individuellen Rechtsverhältnis miteinander verknüpft sind, von der „Interdependenz von Eingriffen und Leistungen" spricht und daraus den rechtsstaatlich gebotenen Schluß zieht, daß auch derartige Rechtsverhältnisse dem Gesetzesvorbehalt unterfallen müssen 51 . Noch brisanter w i r d das Problem dadurch, daß insbesondere die Leistungen der Daseinsfürsorge nur innerhalb besonderer Gewaltverhältnisse angeboten zu werden pflegen, die Rechtssetzungsbefugnis innerhalb besonderer Gewaltverhältnisse nach herkömmlicher Lehre aber nicht der Legislative zufällt, sondern der Verwaltung, was m i t der „Freiw i l l i g k e i t " des Eintrittes i n das besondere Gewaltverhältnis begründet w i r d und daß aber gerade diese Freiwilligkeit bei der Entgegennahme von existenznotwendigen Versorgungsleistungen eine einzige Farce ist. Forsthoff 52 hat dieses Phänomen als „Lücke des Rechtsstaates" beschrieben und weiter ausgeführt, daß „diese bedenklichen rechtlichen Konsequenzen auf einem Gebiet von so handgreiflicher Lebenswichtigkeit zur K r i t i k und Revision der überkommenen Theorie drängen". 49

a.a.O., S. 192. a.a.O., S. 42. 51 Hierzu kritisch, aber w o h l zustimmend: Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 230, 239/240. I m Ergebnis ebenso: Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 175; vgl. auch Otto Bachof, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, W D S t R L 12, 1954, S. 37 ff. (57); B V e r w G E 6, S. 282 ff. 2 a.a.O., S. 8. 50

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m Schul Verhältnis

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Diese Revision w i r d wohl die Form einer Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts auch auf diejenigen besonderen Gewaltverhältnisse anehmen müssen, für deren Eingehung ein gesetzlicher Zwang nicht statuiert ist. „Auch besondere Gewaltverhältnisse, die einzugehen dem Bürger freigestellt ist, bedürfen der gesetzlichen Ordnung, wenn der Bürger auf die Leistung angewiesen ist, u m an Errungenschaften des allgemeinen sozialen Standards teilzuhaben 53 ." d) Der bislang latente Bezug staatlichen Schule-haltens zur Problemat i k der Leistungs- und Eingriffsverwaltung ist nicht mehr zu verkennen. Das Schulwesen läßt sich weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zuordnen, und doch ist es staatliche Verwaltung. Vielleicht ist das Schulwesen das unter diesem Aspekt allerdings kaum gesehene aber doch w o h l klassische Beispiel der Interdependenz von Leistung und Eingriff 5 4 . aa) Das staatliche Schulwesen ist „Leistung" insofern, als es das gesellschaftliche Bedürfnis nach Bildung befriedigt. Die Schulverwaltung setzt dem Individuum Bedingungen der persönlichen Entfaltung, die es als Einzelner nie, i m genossenschaftlichen Verband nur unzureichend zu setzen imstande ist. Daher ist das Staatsschulwesen eine Wohltat der Verwaltung. Der Mangel an wirtschaftlicher Autarkie des Einzelnen und sein Verwiesensein auf ein Bildungskapital wie überhaupt die A b hängigkeit des Zivilisationsstandes der modernen Gesellschaft vom B i l dungsgrad ihrer Glieder machen das öffentliche Schulwesen zu einer Einrichtung der Daseinsvorsorge par excellence 55 . Unter dem alleinigen Aspekt der „Leistung" w i r d das Bildungswesen zu einer Funktion der gesellschaftlichen Nachfrage, die es determiniert. Diesen Zusammenhang hat insbesondere Friedrich Edding 56 beschrieben. 53

(160).

Hans Ulrich

Evers, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff.

54 Vgl. Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 158: „ V e r w a l t u n g s rechtlich verstanden, ist die Schule zwar i m wesentlichen Leistungsverwaltung, daneben i n vielfältiger Hinsicht auch Eingriffsverwaltung, soweit diese Kategorien hier überhaupt anwendbar sind." 55 Vgl. Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 189 f. (194): Das Schulwesen ist „eines der wesentlichsten Stücke daseinsvorsorgender L e i stungsverwaltung, die der Sozialstaat zu stellen hat". Hans Hechel, Jugendrecht, Elternrecht, Schulrecht, R d J 1958, S. 145 f. (147): „ . . . übermächtige E i n richtung der Daseinsvorsorge i m modernen Verwaltungsstaat . . . " ; ders., Gegenwartsprobleme des Schulrechts u n d der Schulverwaltung, DVB1. 1957, S. 482 ff. (486); Erwin Stein, Das Mitspracherecht der Eltern, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 56 ff. (68); Vinzenz Weinfurtner, Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, Diss. W ü r z b u r g 1959, S. 52; Fritz Werner, Schule u n d V e r w a l tungsgerichtsbarkeit, Z B R 1956, S. 373 ff. (375); ders., Z u r Lage des Schulverwaltungsrechts, D Ö V 1958, S. 433 f. (435); Manfred Abelein, Recht auf B i l dung, D Ö V 1967, S. 375 ff. (375). Ernst Werner Fuß (Verwaltung u n d Schule, W D S t R L 23, S. 210) beschreibt,

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Unter dem alleinigen Aspekt der „Leistung" könnte das staatliche Schulwesen der gesetzlichen Grundlage wie der gesetzlichen Durchnormierung entbehren. bb) Unter dem alleinigen Aspekt der „Leistung" indes kann das Staatsschulwesen nicht begriffen werden. Ein Unbehagen stellt sich nämlich schon deswegen ein, w e i l die noch von Lande 51 vertretene These, das Schulverhältnis gründe sich auf freiwillige Unterwerfung des Schulbenutzers, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Für die Pflichtschulen t r i f f t sie ohnehin nicht zu. Für die weiterführenden Schulen aber ist der Mangel an gesetzlichem Zwang zu ihrem Besuch durch ihre faktische Unausweichlichkeit mehr als wettgemacht. Wer am sozialen Standard teilnehmen möchte, kommt angesichts des faktischen Schulmonopols des Staates an eben diesen Staatsschulen nicht vorbei 5 8 . Insbesondere haben auch Eltern 5 9 , die i n Erfüllung ihrer rechtlichen oder moralischen Fürsorgepflicht ihren Kindern Schulbildung vermitteln möchten, weder eine freie Wahl, ob sie ihre Kinder überhaupt i n eine weiterführende Schule schicken sollen, noch eine freie Wahl, ob diese Schule staatlich sein soll oder nicht. Gewiß bleibt der Besuch einer weiterführenden Schule i m theoretischen Sinne „freiwillig", aber dieser Sinn ist sinnlos. Denn der Verzicht auf einen Museumsbesuch mag jemandem zugemutet werden, der das Rauchen nicht unterlassen w i l l ; aber der Verzicht auf Schulbildung bedeutet Selbstaufgabe. Daß aber die Freiwilligkeit bei der Begründung des Schulverhältnisses nicht vorausgesetzt werden kann, spricht für eine Unterstellung des Schulverhältnisses unter den Gesetzesvorbehalt. w i e wenigstens f ü r das 19. Jahrhundert „diese Leistung getrost unter dem alleinigen Aspekt der Fürsorge u n d Wohltat betrachtet werden" konnte. 56 Ökonomie des Bildungswesens, 1963, S. 58,134 ff. 57 Walter Landö, Die staatsrechtlichen Grundlagen des deutschen U n t e r richtswesens, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I I , 1932, S. 690 ff. (721). 58 Vgl. Hans Ulrich Evers, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff. (160); Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 346; Hans Heckel, Die Grenzen der Schulgewalt, RdJ 1954, S. 3 f. (4); ders. Gegenwartsprobleme des Schulrechts u n d der Schulverwaltung, DVB1. 1957, S. 482 ff. (486); Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 47; Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960, S. 23; Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957, S. 91/92; Werner Tieme, Die besonderen Gewaltverhältnisse, D Ö V 1956, S. 521 ff. (524); Verwaltungsgerichtshof Mannheim, Beschluß v o m 5. 5. 1961, DVB1. 1961, S. 523 f. (524); allgemein: Otto Bachof, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, W D S t R L 12,1954, S. 37 ff. (59). 59 Vgl. hierzu insbesondere Hechel-Seipp, a.a.O., S. 346; Vinzenz Weinfurtner, Das Anstaltsverhältnis i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1959, S. 74 f.

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

141

cc) Darüber hinaus darf der Eingriffscharakter staatlichen Schulehaltens nicht unterschätzt und verkannt werden. Schon der Verwaltungsgerichtshof Mannheim 6 0 hat ausgeführt, daß „ i n die i n A r t . 2 GG garantierte Freiheit letztlich durch die Lehrpläne eingegriffen" wird. Entgegen Eckehart Stein 61 ist das Schule-halten auch als Eingriffsverwaltung zu klassifizieren. Dies bedarf näherer Ausführung. (1) Es ist wohlgemerkt das Schule-halten als Wirkeinheit verschiedenartigen exekutiven Tuns und aufeinander zugeordneter Rechtsverhältnisse, dem hier Eingriffscharakter zugesprochen wird. Für sich genommen enthält der Lehrplan für den Schüler weder Gebot noch Verbot; doch ist der Lehrplan die grundlegende, gleichsam von außen verordnete Normierung der pädagogischen Begegnung, die i m Schulverhältnis stattfindet, und daher Grundlage des i n einer Fülle von Einzelakten sich i m Schulverhältnis vollziehenden Eingriffs i n Freiheit und Persönlichkeit. (2) Schon ihrer Idee nach ist Schule nicht ausschließlich Erfüllung i n dividueller Wunschvorstellungen. Insbesondere aber i n der Staatsschule w i r d das objektive Allgemeininteresse — dessen Identität m i t dem objektiven Individualinteresse hier als Frage dahinstehen mag — gegenüber individueller Selbstbestimmung und W i l l k ü r zur Geltung gebracht. Das sinnfälligste Beispiel hierfür ist die allgemeine Schulpflicht. Aber nicht nur i m Daß, sondern auch i m Wie der Schule manifestiert sich das allgemeine Interesse, indem bestimmte Gehalte für verbindlich erklärt werden. Die freie Selbstbestimmung des Individuums w i r d durch den staatlichen Lehrplan eingeschränkt, der immer zugleich Erfüllung und Versagung einer von der Gesellschaft an die Schule herangetragenen Erwartung ist. Die individuelle Entwicklung des jungen Menschen vollzieht sich nur i n den vom Staate vorgeschriebenen und zugelassenen Bahnen. Die Durchsetzung des objektiven Allgemein- und auch objektiven Individualinteresses gegenüber individueller W i l l k ü r w i r d von der überkommenen Staats- und Verwaltungsrechtslehre „Eingriff" genannt und ist der klassische Fall für den Gesetzesvorbehalt. Die Erkenntnis des objektiven Allgemeinwohls steht nur einer Instanz zu, i n der sich alle repräsentiert finden, und die Durchsetzung des Allgemeinwohls i n Formen, die jeden unmittelbar angehen und betreffen, muß auf einen W i l lensakt eben dieser Instanz unmittelbar zurückzuführen sein. Diese I n stanz ist i m demokratischen Rechtsstaat das Parlament, das die Gesetze erläßt. Es ist ein unabdingbares Essentiale des Rechtsstaates, daß die 60 61

Beschluß v o m 5. 5.1961, DVB1.1961, S. 523 f. (524). Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 37.

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Einschränkung der autonomen Selbstbestimmung des Menschen i m Dienste des objektiven Allgemeininteresses nur kraft förmlichen Gesetzes erfolgen darf. (3) Einschränkungen der Freiheit, die Bildungsinhalte selbst für sich zu bestimmen, muß der Schulbenutzer auch auf Grund dessen hinnehmen, daß er i n die Schule als einen Sozialkörper integriert ist, i n dem aus dem Kampf der Bildungsmächte heraus eine für alle akzeptable Grundordnung der Bildungsgehalte geschaffen werden muß. Die Gemeinschaft i n der Schule muß, u m als solche überhaupt existieren zu können, sich zu einem Gemeinschaftskompromiß finden. Diese kompromißartige Grundordnung ist nur durch begrenzten Verzicht aller Individuen auf volle Selbstentfaltung zu verwirklichen. I n einem autonomen Schulsystem fände dieser i m Wege des nachgebenden Verzichts zustandegekommene Kompromiß seinen Ausdruck i n einer Satzung; i m Staatsschulwesen aber ist diese Ordnung exogener Oktroi und somit Eingriff. (4) Die Schule gründet sich auf die Ideen von Erziehung und Bildung. Beide sind per definitionem auf eine A r t „Eingriff" i n die Persönlichkeit des Schülers h i n intentioniert. Jede A r t von Erziehung ist gezielte Beeinflussung; jedes Bildungsbemühen greift i n die Entwicklung und Strukt u r der Persönlichkeit ein. Die Skala der Modalitäten reicht vom humanistischen Bildungsideal bis h i n zur staatsbürgerlichen Erziehung. Da nun auch das Staatsschulwesen kraft jeweiligen Verfassungsgebotes auf Erziehung und Bildung hin verpflichtet ist, das Schulwesen zudem einer Stellungnahme zu diesen Begriffen nicht entraten kann, vollzieht sich i n der staatlichen Schule eine spezifische, äußerst sublime Form des Eingriffs i n die Persönlichkeit. Es ist i m übrigen auch nicht nur das abstrakte Bildungsziel, sondern vielmehr auch dessen Konkretisierung i m Lehrplan, wodurch das Geistesmuster des Schülers bestimmt wird. Tragweite und Formen dieser Beeinflussung sind oben i m 1. Kapitel (S. 39 ff.) beschrieben worden. (5) Konkretere Gestalt nehmen die Eingriffe i n Freiheit als autonomer Selbstbestimmung an, indem bestimmte didaktische Inhalte für das Schulwesen allgemeinverbindlich angeordnet werden. Jeder junge Mensch muß sich i m Laufe seiner geistigen Entwicklung von Staats wegen m i t einem fest umrissenen Kanon von Bildungsinhalten wie den Fächern Deutsch, Mathematik, politischer Gemeinschaftskunde und neuerdings Englisch, das i n allen Schulen zur Pflichtfremdsprache erhoben wird, befassen. Neue Schulfächer oder Unterrichtsinhalte wie Sexualerziehung 62 , Wirtschafts- 63 und Rechtskunde 64 und Verkehrserziehung stehen zur Diskussion. 62

Hierzu Willi

Geiger, Konsequenzen f ü r das Schulwesen aus der S t r u k t u r

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

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Mindestens die verbindliche Einführung von neuen Fächern seitens der Kultusministerien ist schlichtweg Eingriff. (6) Die staatliche Schulverwaltung bestimmt das quantitative und qualitative Leistungsniveau an den Schulen. Von diesem Leistungsniveau hängen individuelle Schicksale ebenso ab wie der Wert des Berechtigungswesens und letztlich der Zivilisationsstand einer Gesellschaft. Durch Herauf- oder Herabsetzung der Leistungsanforderungen 65 läßt sich eine gezielte Bildungspolitik bewerkstelligen, indem zum Beispiel je nach dem, wie es den Kultusministerien opportun scheint, mehr oder weniger Gymnasialschülern das Reifezeugnis zuerkannt wird. Disposition über das Leistungsniveau ist daher i m Einzelfall Eingriff. (7) Bisher kaum i n das Blickfeld geraten ist das Verhältnis des didaktischen Angebotes an öffentlichen Schulen zu A r t . 12 GG 6 6 . Eine gesetzliche Bindung der Berufsausübung an spezifische Bildungsqualifikationen läuft leer, wenn das Gesetz nicht gleichzeitig die Inhalte dieser Qualifikation fixiert. W i r d das „ A b i t u r " dem A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG gemäß kraft Gesetzes zur Voraussetzung der Berufsausübung gemacht, kann es nicht der Exekutive überlassen bleiben, über Begriff und Inhalt des „Abiturs" selbständig zu disponieren. A u f diese Weise würde der Gesetzesvorbehalt i n A r t . 12 Abs. 1 S. 2 GG apokryph unterlaufen. Das Grundgesetz geht offenbar davon aus, daß allgemeinverbindliche Regelungen über die Berufsausübung eine Freiheitsdefinition und somit Freiheitseinschränkung darstellen und daher der Gesetzesform bedürfen. Schulabschlüsse als Tatbestandsmerkmale solcher definitorischen Regelungen bestimmen daher deren Inhalt; Normen, die die Schulabschlüsse wiederum inhaltlich determinieren, sind daher mittelbar Regelungen der Berufsausübung, schlagen somit i n das allgemeine Gewaltunserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (653): „ . . . es k a n n kein K i n d gegen den W i l l e n der Eltern gezwungen werden,, innerhalb irgendeiner Schule an einer Unterrichtsstunde über sexuelle A u f k l ä r u n g t e i l zunehmen." 63 Vgl. Helmut Uebbing, Volkswirtschaft i m Klassenzimmer, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.1969, S. 19. 64 Vgl. Wolfgang W. Mickel, Das Recht i m dymnasialen Bildungskanon der Gegenwart, RdJ/RWS 1965, S. 173 f.; Heinrich Weber, Rechtserziehung i n der Schule, RWS 1962, S. 303 f.; Theodor Wilhelm, Theorie der Schule, 2. Aufl. 1969, S. 314, 335 ff.; vgl. neuerdings auch das rheinland-pfälzische „ M o d e l l eines Stoffplans" f ü r den Rechtsunterricht (ABl. des M i n . f. U. u. K . i n RheinlandPfalz, 1970, S. 334 f.). 85 Einer der Kristallisationspunkte der Manipulation des Leistungsniveaus ist die Deutsch-„Fünf" i m A b i t u r ; vgl. hierzu Dolf Sternberger, Deutsch f ü n f — A b i t u r bestanden, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.1.1970, S. 1. 66 Vgl. aber Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 249.

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Verhältnis u m und entfalten dort gesetzesgleiche Wirkungen. Sie sind dort nicht als Einzelakt, sondern als generelle Freiheitsbeschränkungen Eingriff. dd) Nicht unter den staats- und verwaltungsrechtlichen Begriff des „Eingriffs i n Freiheit und Eigentum" fällt die schwer abschätzbare A l l gemeinerheblichkeit, die soziale Breitenwirkung schulinterner Entscheidungen, die oben i m 1. Kapitel (S. 42 ff.) beschrieben worden ist. Insoweit ist Schule-halten umfassende Sozialgestaltung, auf die der Eingriffsbegriff nicht zugeschnitten ist. Gleichwohl aber entfalten die schulinternen Entscheidungen gerade unter diesem Aspekt tiefgehende Wirkungen. ee) Damit ist bereits angedeutet, daß Schule-halten als zielbewußt gestaltende Tätigkeit auch über den Eingriffsbegriff hinausreicht, wie überhaupt dem „Eingriff" seitens der Schule ein spezifischer Akzent eignet. Gewiß bringt Schule-halten Eingriffe i n die allgemeine Handlungsfreiheit m i t sich und läßt sich daher leicht unter die herkömmliche Freiheits- und Eigentumsklausel subsumieren; die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit, mag man ihr auch i m Einzelfall erhebliche Intensität zusprechen, ist jedoch nur akzidentiell. Denn Schule-halten zielt i m Grunde auf etwas anderes ab. Die Intention der Schule ist primär auf Formung der individuellen Persönlichkeit gerichtet, auf Eingriffe i n die geistige Struktur des Individuums. Dem steht nicht entgegen, daß gerade hierdurch auch sekundär das Ziel einer Sozialgestaltung verfolgt wird. A u f einen derartigen Eingriff h i n ist jedoch die Dogmatik der Eingriffsverwaltung nicht konzipiert 6 7 . Gleichwohl w i r d man nicht umhin können, auch diese A r t von Eingriff der Typologie des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts zu unterstellen. Solange das von Ehmke* s vorgeschlagene „Stück besonderes Verwaltungsrecht" für den Bereich der Schule noch nicht entwickelt ist, würde dies bedeuten, daß auch das Schule-halten unter einem erweiterten Begriff der Eingriffsverwaltung erfaßt wird. W i r d „Freiheit" nicht auf eine allgemeine Handlungsfreiheit reduziert, sondern i m höchsten Sinne als autonome Selbstbestimmung des Individuums begriffen, unterfällt das staatliche Schule-halten ohne weiteres schon dem Eingriffsbegriff. W i l l man aber an dem engeren Freiheitsbegriff festhalten, so rechtfertigt es der Schluß a minore ad maius gleichwohl, dem Eingriff i n die Handlungsfreiheit denjenigen i n die Persönlichkeit zur Seite zu stellen. 67

Vgl. Horst Ehmke, Diskussionsbeitrag zu Ernst Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, V D S t R L 23,1966, S. 258. 88 a.a.O.

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m S c h u l e r h ä l t n i s

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Die Erweiterung der herkömmlichen Freiheits- und Eigentumsklausel w i r d hierbei bewußt i n Kauf genommen und hiermit zur Diskussion gestellt. 4. Der Eingriffsbegriff in seiner Erweiterung als Grundlage der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber

Damit sind die Bedingungen für den Gesetzesvorbehalt i m Schulverhältnis erfüllt: Schule-halten ist Eingriff, der i n einem nicht auf freiwilliger Basis begründeten besonderen Gewaltverhältnis erfolgt. Insofern w i r k t das Schule-halten i n das sogenannte allgemeine Gewaltverhältnis zwischen Staat und Bürger hinein. Für Eingriffe i n „Freiheit und Eigentum" innerhalb dieses allgemeinen Gewaltverhältnisses aber ist nach dem geltenden Verfassungsrecht ausschließlich der Gesetzgeber zuständig. Diese Argumentation setzt sich allerdings dem Verdacht aus, genau den Fehler begangen zu haben, der schon die Diskussion u m die Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive so sehr belastet hat, nämlich daß auf rein interpretativem Wege die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung latent verschoben wird. Gewiß unterfallen „Eingriffe i n Freiheit und Eigentum" sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach den Landesverfassungen dem legislativen Kompetenzbereich; indes ist oben der Eingriffsbegriff interpretativ erweitert worden, und es stellt sich daher die entscheidende Frage, ob der Eingriffsbegriff gerade auch i n diese Erweiterung dem Verfassungsgeber als Grundlage der Kompetenzzuweisung an Gesetzgeber und Verwaltung gedient hat oder hypothetisch gedient hätte. Denn es wäre unzulässig, Legislativkompetenzen allein damit neu zu begründen, daß man gefestigten verfassungsdogmatischen Begriffen einen neuen Sinngehalt unterschiebt, die Begriffe dann aber i n herkömmlichen Bezugsrahmen beläßt und jetzt aus ihnen zur allgemeinen Verblüffung bisher — begreiflicherweise — ungesehene Konsequenzen zieht. Der Vorwurf, so verfahren zu sein, t r i f f t indes die hier vertretene verfassungsdogmatische Argumentation nicht. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß der Verfassungsgeber des Grundgesetzes und der Landesverfassung auch den erweiterten Eingriffsbegriff zur Grundlage der Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber gemacht hat oder gemacht hätte. Ohne weiteres ist dies der Fall, soweit sich die m i t dem Schule-halten verbundenen „Eingriffe" unter den Eingriffbegriff der Vorbehaltsklausel („Freiheit und Eigentum") subsumieren lassen. Dies t r i f f t wenigstens für die echten Beschränkungen der Handlungsfreiheit zu, die zum Beispiel i n der verbindlichen Einführung von Schulfächern erblickt worden sind. 10 Hennecke

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Darüber hinaus aber erschöpft sich die i n A r t . 2 GG garantierte autonome Selbstbestimmung des Menschen nicht i n der einfachen Freiheit, zu t u n und zu lassen, was er w i l l . Vor allem und i n erster Linie besteht die „freie Entfaltung der Persönlichkeit" i n der autonomen Selbstbestimmung des geistigen Habitus, der Bildung. Durch ein faktisches staatliches Schulmonopol aber w i r d dieser geistige Habitus des Individuums i n nicht unerheblichem Umfange heteronom bestimmt. Das staatliche Schulsystem ist überdies für eine derartige Bestimmung zielgerecht einsetzbar. Denn alle Bildungsinhalte der Schule sind i m Gegensatz zu den Zeiten der Entstehung des Staatsschulsystems i n größtem Umfange dispositiv geworden. Schule ist heute nicht mehr das, was sie war, als die Staatsverwaltung m i t dem Schule-halten betraut worden ist, und was die Verfassungsgeber der Nachkriegsverfassungen vielleicht noch i m Auge hatten: eine festgefügte Institution zur Vermittlung eines unangefochtenen Bildungskanons. Gerade durch die Dispositivität ihrer Inhalte ist die Schule heute ein gewichtiges Instrument der Sozialgestaltung, indem sie die breite Masse ihrer Benutzer durch jeweils gezielten Einsatz von Unterrichtsinhalten auf ein positiviertes Gesellschafts- und sogar Menschenbild hin ausformt. Es ist dies i m Grunde der durchschlagende Gesichtspunkt für die Begründung des Gesetzesvorbehaltes. Er w i r d es auch bleiben, wenn die dogmatische Trennung von Eingriffs- und Leistungsverwaltung einmal überwunden sein wird. Die Verfügungsmacht der Exekutive w i r k t angesichts der Verfügbarkeit aller Inhalte des Bildungswesens gegenüber dem Individuum wie der Gesamtgesellschaft ungleich einschneidender als i n manchen Bereichen der herkömmlichen Eingriffsverwaltung. Ein derartiges Einwirken transzendiert gewiß den überlieferten Eingriffsbegriff; doch ist die geistige Formung des Individuums „erst recht" Eingriff i n die Persönlichkeit, weit mehr als die beliebigen Dezisionen etwa i m Straßenverkehrsrecht. Die Entfaltung der Persönlichkeit setzt allgemeine Handlungsfreiheit voraus. Da man die Autonomie der Persönlichkeit grundgesetzlich hat garantieren wollen, hat man die äußere Handlungsfreiheit i n A r t . 2 GG unter demokratischen Schutz gestellt. Dieser demokratische Schutz heißt Gesetzesvorbehalt: Die Begrenzung der Handlungsfreiheit ist originäre Funktion der gesetzgebenden Gewalt. U m so mehr aber darf dann die Beschränkung der Autonomie der Persönlichkeit selbst nur i n den demokratischen Formen erfolgen, die man schon für Teilgebiete der Autonomie, nämlich die äußere Handlungsfreiheit, für erforderlich erachtet hat. Welchen Sinn hat zum Beispiel eine Garantie der Freiheit der Berufswahl, wenn durch das Fächerangebot der Schule die „freien" Berufsentscheidungen bereits präjudiziert

I I . Der Gesetzesvorbehalt i m Schulverhältnis

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werden? Wenn die Beschränkung der Handlungsfreiheit als „Eingriff" dem Gesetzesvorbehalt unterstellt wird, dann sind Eingriffe i n die geistige Struktur der Persönlichkeit dem Eingriffsbegriff der herkömmlichen Vorbehaltsklausel zumindest gleich zu achten. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Verfassungsgeber i n seiner historischen Stunde das Schule-halten bewußt i n dieser Weise qualifiziert hat. Seine Grundentscheidungen erlauben es, i h m für den Fall, daß i h m der Funktions- und Strukturwandel der Schule den Blick für den Eingriffscharakter des Schule-haltens geöffnet hätte, hypothetisch den Willen zu unterstellen, auch das Schule-halten der Eingriffsverwaltung gleichzuordnen und dessen Normierung dem Gesetzgeber zu übertragen. 5. Die Dogmatik der Eingriffsverwaltung in ihrer allgemeinsten Form als Begründung des Gesetzesvorbehalts

Reduziert man die Dogmatik der Eingriffsverwaltung auf ihre allgemeinste Form, dann läßt sich formulieren: Gezielte Maßnahmen der Staatsgewalt gegenüber der Einzelperson sind Konkretisierungen eines Allgemeinwillens, deren Rechtmäßigkeitsbedingung i n einem demokratischen Gemeinwesen die unmittelbare oder repräsentative Beteiligung des Individuums an der Bildung dieses Gemeinwillens ist. Von diesem allgemeinen Satz her ließe der Gesetzesvorbehalt i m Schulverhältnis auch ohne Zuhilfenahme der Konstruktion von der Erweiterung des Eingriffsbegriffes unmittelbar begründen. Allerdings stände diese Begründung unter der hier nicht näher nachzuprüfenden Voraussetzung, daß die deutschen Nachkriegsverfassungen dem der Formel zugrundeliegenden Demokratiemodell entsprechen. 6. Die Tragweite des Gesetzesvorbehaltes

Es ist abschließend klarzustellen, worauf sich der hier begründete Gesetzesvorbehalt nicht bezieht und nicht beziehen kann: Nämlich auf alle diejenigen Unterrichtseinrichtungen, deren Ziel nicht „Bildung" und „Erziehung", nicht Persönlichkeitsprägung ist, und i n denen keine Selektion der „Bildungsgüter" stattfindet, sondern die ihre Aufgabe ausschließlich i n der Wissensvermittlung sehen. Es sind dies die Fachschulen und Fachhochschulen, aber i n erster Linie die Universitäten. Letztere unterscheiden sich dadurch grundsätzlich von jeder A r t von Schule, daß sie Stätten der wissenschaftlichen Forschung sind m i t prinzipiell unbegrenztem Forschungsauftrag und Stätten der Lehre m i t prinzipiell unbegrenztem Angebot an Forschungsergebnissen. Die Totalität der Wissenschaft w i r d hier unter grundsätzlichem Verzicht auf bildungstheoretische Leitbilder ausschließlich Medium fachlicher Ausbildung. Ein Ge10*

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setzesvorbehalt für die an der Universität gelehrten Gegenstände kommt daher i n keiner Weise i n Betracht. So wenig wie er erforderlich ist, so vernichtend wäre auch seine Wirkung: Der Gesetzesvorbehalt würde zwangsläufig die Forschungs- und Lehrobjekte begrenzen und somit die Universität gerade zerstören. Die Frage nach dem Gesetzesvorbehalt stellt sich jedoch für die Universität i n ganz anderer Weise: Nicht dem Hochschullehrer w i r d durch Lehrplanrichtlinien vorgeschrieben, was er zu lehren, w o h l aber dem Studenten durch Prüfungsordnungen, was er zu studieren habe. Wieweit jedoch die von den Prüfungsordnungen determinierten Studienpläne und die Prüfungsordnungen selbst dem Gesetzesvorbehalt unterliegen, ist eine andere Frage, der hier nicht weiter nachgegangen werden kann. I I I . Das Erfordernis formell-gesetzlicher Regelung 1. Das Fehlen der Ermächtigungsgrundlage

M i t der Feststellung, daß dem staatlichen Schule-halten Eingriffscharakter zukommt, stellt sich sogleich die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für die Eingriffsakte und die generellen freiheitsbeschränkenden Weisungen, und zwar i n doppeltem Sinne: 1. A u f welche Rechtsnormen sind die Einzelakte zurückzuführen? 2. Genügen diese Rechtsnormen den rechtsstaatlichen Bedingungen, die an sie als Eingriffsgrundlagen zustellen sind? Die erste Frage ist oben (S. 126) bereits beantwortet worden. Aller konkreten Unterrichtstätigkeit des beamteten Lehrers setzt der Lehrplan Grundlage und Maß. Der Lehrplan, der hier als Inbegriff aller inhaltlichen Bestimmungsnormen verstanden wird, ist die unmittelbare Grundlage der beschriebenen Eingriffe. Aus diesem Grunde ist das Normsubstrat des Lehrplanes, das das unfreiwillig zustandegekommene Schulverhältnis ordnet, als Rechtsetzung der Exekutive materielle Rechtsverordnung. Diese Qualifizierung ist unabhängig von der Form, i n der die Verordnung ergeht 69 . Zum Erlaß von Rechtsverordnungen aber bedarf die Verwaltung gemäß A r t . 80 Abs. 1 GG der gesetzlichen Ermächtigung. b) Die wenigen Fälle, i n denen nicht der Lehrplan, sondern Verfassung und Gesetz unmittelbar konkrete Unterrichtsinhalte festlegen und so die Unterrichtstätigkeit des Lehrers schon von Gesetzes wegen bestimmen, sind hier unproblematisch und scheiden daher aus der Betrachtung aus. •• Vgl. Otto Bachof, Verwaltungsakt u n d innerdienstliche Weisung, i n : V e r fassung und V e r w a l t u n g i n Theorie u n d Wirklichkeit, Festschrift für W i l h e l m Laforet, 1952, S. 285 ff. (311); Hauck, Die rechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen, N J W 1957, S. 809 f. (810).

I I I . Das Erfordernis formell-gesetzlicher Regelung

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c) Schulrecht ist nach dem Grundgesetz Landesrecht. Die Gültigkeitserfordernisse für Rechtsverordnungen auf Landesebene ergeben sich daher i n erster Linie aus der jeweiligen Landesverfassung. Ob A r t . 80 GG auch auf das Landesrecht unmittelbar Anwendung findet, mag fraglich sein 70 . Art. 80 GG wäre anzuwenden, wenn i n i h m ein derart grundlegendes Verfassungsprinzip ausgesprochen wäre, daß es auch i m Landesrecht unbedingte Geltung beanspruchen könnte. Die Frage kann hier jedoch dahinstehen. Denn wenigstens i n A r t . 20 Abs. 3 GG ist m i t dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein solches Prinzip formuliert, das Eingriffe i n die Freiheit der Person dem Gesetzesvorbehalt unterstellt. Von daher jedenfalls müssen sich Eingriffe auf Grund des Lehrplanes rechtfertigen. Überdies enthalten einige Landesverfassungen eine dem A r t . 80 Abs. 1 GG entsprechende Regelung 71 . d) Die Ermächtigungsgrundlage wäre zuerst i n den Landesschulgesetzen zu suchen. Die Landesschulgesetze aber enthalten solche Ermächtigungen nicht. Zwar w i r d der Schulverwaltung i n der Regel die Befugnis zugesprochen, Schulordnungen zu erlassen 72 , was aber ohnehin i n ihren Kompetenzbereich fallen dürfte und daher nur deklaratorische Wirkung hat; darüber hinaus w i r d der Schulverwaltung zum Teil auch die Befugnis eingeräumt, Lehrplanrichtlinien zu erlassen 73 ; ferner enthält die Festlegung von Schultypen i n den Schulgesetzen 74 eine annähernd bestimmte Ermächtigung an die Verwaltung, diese Schultypen konkret zu entfalten. Aber i m Hinblick auf A r t . 80 Abs. 1 GG oder entsprechendes 70 Vgl. Gerhard Leibholz - H.-J. Rinck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1968, S. 417, A n m . 2. 71 A r t . 61 Verf. Ba.-Wü.; A r t . 53 Verf. H H . ; A r t . 34 Verf. NdS.; A r t . 70 Verf. NW.; A r t . 33 Landessatzung f ü r Schleswig-Holstein. 72 I n folgenden Ländern: Baden-Württemberg: Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens v o m 5. 5. 1964, GBl. 1964, S. 235, § 7 Abs. 2; Bayern: Gesetz über das Erziehungs- u n d Unterrichtswesen v o m 9. 3. 1960, GVB1.1960, S. 19, A r t . 5; Hessen: Schulverwaltungsgesetz v o m 28.1.1961, GVB1. 1961,S. 87, § 37; Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über die öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen v o m 9. 5. 1968, GVB1. 1968, S. 73, § 57; Landesgesetz über die öffentlichen Mittelschulen v o m 8. 3. 1963, GVB1. 1963, S. 87, § 9 Abs. 4; Landesgesetz über die öffentlichen höheren Schulen v o m 25. 11. 1958, GVB1. 1958, S. 197, § 3 Abs. 2. 78 I n folgenden Ländern: Bayern: a.a.O., A r t . 10 u n d Schulordnung, GVB1. 1961, S. 217, §§ 9, 10; Nordrhein-Westfalen: Schulverwaltungsgesetz v o m 3. 6. 1958, GVB1. 1958; S. 241, § 26; Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über die öffentlichen Grund-, H a u p t - u n d Sonderschulen, § 57; Saarland: Gesetz Nr. 812 zur Ordnung des Schulwesens, A m t s b l a t t 1965, S. 385; Schleswig-Holstein: Gesetz über die Unterhaltung und V e r w a l t u n g der öffentlichen Schulen, GVB1. 1965, S. 173, § 37 Abs. 3. 74 I n folgenden Ländern: Bayern: Schulordnung, GVB1.1961, S. 217, zuletzt i n der Fassung vom 4. 5. 1965, GVB1. 1965, S. 89; Bremen: Gesetz über das Schulwesen, i. d. F. vom 1. 6.1967, GBl. 1967, S. 65.

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

Landesverfassungsrecht scheint keine dieser „Ermächtigungen" entworfen. Sie genügen überdies i n keinem Falle den für A r t . 80 Abs. 1 GG vom Bundesverfassungsgericht 75 aufgestellten strengen Maßstäben 76 . Aber auch für den Fall, daß A r t . 80 Abs. 1 GG i m Landesrecht keine Entsprechung finden oder dort überhaupt nicht gelten sollte, kann die der Verwaltung erteilte Blankovollmacht, die didaktischen Inhalte zu gestalten, i m Hinblick auf A r t . 2, 12 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG rechtsstaatlichen A n forderungen nicht genügen. Indem das oben (S. 73 f.) ausführlich zitierte Schulgesetz für Berlin 7 7 auf Ermächtigungen verzichtet und sich der inhaltlichen Gestaltung des Schulwesens weitgehend selbst annimmt, geht es andere aber u m so verfassungskonformere Wege. e) Wie nun die Landesschulgesetze keine Ermächtigungsgrundlage enthalten, scheiden auch sonstige Ermächtigungsgrundlagen wie die A n staltsgewalt oder die Organisationsgewalt des Kultusministers aus. Denn diese der Exekutive originär zustehenden Befugnisse betreffen nur den Bereich, der dem Gesetzesvorbehalt von vornherein nicht unterfällt. Auch kann, wie oben (S. 117) gezeigt worden ist, aus dem Schulaufsichtsbegriff keine Ermächtigung entnommen werden. f) Eine Ermächtigungsgrundlage wäre gleichwohl vorhanden, wenn sie sich gewohnheitsrechtlich begründen ließe. So w i r d denn i n der Literatur eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigung der Verwaltung zum Erlaß von Benutzungs- und Anstaltsordnungen i m besonderen Gewaltverhältnis, insbesondere i m Schulbereich, diskutiert 7 8 . Diese Diskussion hat speziell die Lehrplanrichtlinien bisher kaum i m Auge gehabt, läßt sich aber dennoch auf die Lehrpläne analog übertra75

E 1,14 ff. (17, 60); 19, 354 ff. (361 f.) m. w . N w . Vgl. Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtswaltungen rechtsstaatlich?, DVB1.1966, S. 846 ff. 77 Schulgesetz v o m 5. 8. 1952, GVB1. 1952, S. 957, i. d. F. v. 22. 1. 1970, GVB1. 1970, S. 306. 78 Vgl. Fritz Günther Rehmert, Verwaltungakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957, S. 127; ders., Verwaltungsgerichtliche Probleme des Schülerrechts, D Ö V 1958, S. 437 ff. (441); Anton Reuter, Rechtsfragen u m die Schulordnungen, BayVBl. 1956, S. 262 f. (263); Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r burg 1960, S. 113; Fritz Walter, Gewohnheitsrechtliche Ermächtigung f ü r allgemeine Anordnungen der Unterrichtsverwaltung?, B a y V B l . 1958, S. 260 f.; Georg Mörtel, Gewohnheitsrechtliche Ermächtigung f ü r allgemeine A n o r d n u n gen der Schulverwaltungen, BayVBl. 1958, S. 263 f.; Thomas Oppermann, K u l turverwaltungsrecht, 1969, S. 180; Winfried Brohm, Verwaltungsvorschriften u n d besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, S. 238 ff. (248); Herbert Hochstetter, Gesetz zur Vereinheitlichung u n d Ordnung des Schulwesens i n BadenWürttemberg, 7. Aufl. 1970, S. 37; V G H Mannheim, Beschl. v. 5. 5. 1961, DVB1. 1961, S. 523 f. (524). 78

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gen. Sie krankt aber vor allem an all den Fehlern, die der Staatsrechtslehre der Weimarer Zeit anhafteten (s. o. S. 128 f.). aa) Spricht man den Anstaltsordnungen die Rechtssatzeigenschaft ab, weil es innerhalb der impermeablen Staatsperson keine Schrankenziehung zwischen Rechtssubjekten geben könne, dann bedarf es für den Erlaß dieser Ordnungen überhaupt keiner „Ermächtigung", die dem A r t . 80 Abs. 1 GG entspräche. Denn dann handelt die Exekutive i n ihrem ureigenen Bereich; sie setzt weder Recht noch w i r d sie i n dem der Legislative zustehenden Kompetenzbereich tätig. W i r d unter diesen Prämissen gleichwohl eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigungsnorm konstruiert, denn enthält diese Konstruktion einen inneren Widerspruch, auf den auch Böckenförde hingewiesen hat 7 0 . Allenfalls käme hier eine gewohnheitsrechtliche Begründung der Anstaltsgewalt i n Betracht. bb) Da nun aber die Rechtssatzeigenschaft verwaltungsinterner Normen, insbesondere der Anstaltsordnungen, i n zunehmendem Maße anerkannt wird, zum anderen aber Rechtsetzungsbefugnis m i t Gesetzgebungsbefugnis zum Teil immer noch identifiziert wird, w i r d die Frage nach der Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive scheinbar brennend aktuell. Da es aber weder opportun noch möglich scheint, die Verfassungswidrigkeit aller verwaltungsinternen Normen zu konstatieren und den Gesetzgeber für die Auffüllung der jetzt neu entdeckten riesigen Lücken zu bemühen, konstruiert man ein Gewohnheitsrecht der Verwaltung, alle die Bereiche durch Rechtssatz zu regeln, die herkömlicherweise ihrem Hausrecht unterliegen. Dieses Gewohnheitsrecht hat man für den Schulbereich insbesondere auch durch A r t . 7 Abs. 1 GG bestätigt gesehen80 . Umstritten ist, ob diese gewohnheitsrechtliche Ermächtigungsnorm den Anforderungen des A r t . 80 Abs. 1 GG genügt oder überhaupt genügen muß; Jesch 81 und Obermayer 82 jedenfalls messen entgegen Walter 83 der gewohnheitsrechtlichen Konstruktion nur rechtstheoretische Bedeutung bei, lehnen sie aber i n concreto ab. Das Erfordernis, für die Exekutive eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigungsnorm für ihre internen Rechtsetzungen zu konstruieren, ist 79 Ernst-Wolfgang Böckenförde - Rolf Grawert, AöR 1970, S. 30; so auch Horst Tilch, Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte i m Schulverhältnis, Diss. München 1961, S. 135; Georg Mörtel, B a y V B l . 1958, S. 265/266. 80 So Pittermann, a.a.O.; Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 121. 81 Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, S. 210 f. 82 Klaus Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 121; abweichend allerdings ders., i n : Johann Mang - Theodor Maunz - Franz Mayer - Klaus Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht i n Bayern, 2. A u f l . 1964, S. 164. 88 Fritz Walter, Gewohnheitsrechtliche Ermächtigung für allgemeine A n ordnungen der Unterrichtsverwaltung? B a y V B l . 1958, S. 260 f.

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die Konsequenz aus der Auffassung, daß der Legislative ein Rechtsetzungsmonopol zukomme. Aber gerade diese Auffassung trifft, wie oben (S. 131) hat gezeigt werden können, nicht zu. Sie bringt es m i t sich, daß der Kompetenzbereich der Legislative sich nicht etwa nach einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung bestimmt, sondern vielmehr zur Funktion der jeweiligen rechtswissenschaftlichen Erörterung des Rechtssatzbegriffes w i r d 8 4 . Gerade i n der Diskussion des Gewohnheitsrechts w i r d die von Böckenförde 85 beschriebene „Verfassungswandlung durch Begriffsverschiebung" evident. Denn wozu die Verwaltung eine dem A r t . 80 Abs. 1 GG entsprechende Ermächtigung — und sei es auch nur eine gewohnheitsrechtliche — braucht, das ist dann ja an sich Teil des legislativen Kompetenzbereiches. Nur w i r d dieses Ergebnis dadurch kaschiert, daß man der wachsenden Erkenntnis der Rechtssatzeigenschaft verwaltungsinterner Regeln die Vermehrung ungeschriebener gewohnheitsrechtlicher Ermächtigungsnormen korrespondieren läßt. Wäre die Konstruktion eines derartigen staatsrechtlichen Gewohnheitsrechtes nicht haltbar, wofür ohnehin einiges spricht, dann wäre nach der hier referierten Theorie der Rechtsstaat noch gar nicht geboren. Diese Erkenntnis erlaubt es, die bisherige Diskussion einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigung als bereits i m Grundsätzlichen verfehlt zu betrachten und daher unter Hinweis auf Mörtel 86 auf eine Detailkritik zu verzichten. cc) Dennoch kann hiermit der Gedanke einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigungsnorm noch nicht ad acta gelegt werden. Er ist vielmehr i m systematisch richtigen Zusammenhang zu prüfen. Denn wenn durch Rechtsetzungen der Verwaltung Bereiche geregelt werden, auf die sich die Kompetenz des Gesetzgebers erstreckt, dann kommt dieser Rechtsetzung der Charakter einer matierellen Rechtsverordnung zu. Rechtsverordnungen aber bedürfen auf jeden Fall der gesetzlichen Ermächtigung. Da, wie aufgezeigt, die Regelung des didaktischen Angebotes an den öffentlichen Schulen i n den legislativen K o m petenzbereich fällt, stellt sich i n Ermangelung anderweitiger Ermächtigungsgrundlagen i n der Tat die Frage, ob den von der Verwaltung gesetzten Rechtsnormen eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigungsnorm zugrundeliegt. A n diesen Ermächtigungssatz müßten dieselben Anforderungen wie an ein Ermächtigungsgesetz nach A r t . 80 Abs. 1 GG gestellt werden. Es 84

Vgl. Böckenförde-Grawert, a.a.O., S. 21. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, 1964, S. 69. 88 Georg Mörtel, Gewohnheitsrechtliche Ermächtigung f ü r allgemeine A n ordnungen der Unterrichts Verwaltung?, B a y V B l . 1958, S. 263 f., ausführlich u n d m i t weiteren Nachweisen. 85

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ist in keiner Weise ersichtlich, warum von diesem verfassungsrechtlichen Prinzip abgewichen werden dürfte. Es ist aber sofort deutlich, daß einer solchen Ermächtigung, wie man sie auch begründen mag, eine auch nur annähernde Bestimmtheit fehlt. Denn versucht man, einen Ermächtigungssatz zu formulieren, der den Inhalt der inneren Gestaltungsnormen i m Schulbereich auch nur m i t einiger Bestimmtheit vorwegnimmt, gerät man i n eine hoffnungslose Aporie. Denn gerade über die Inhalte des Schule-haltens, die ja i n groben Umrissen i n einem solchen Ermächtigungsgesetz fixiert sein müßten, liegt die gesamte Schulpolitik wie die Pädagogik i m Streit. Es fehlt somit an der Bestimmtheit des Ermächtigungssatzes, wie überhaupt die Bedingung eines Gewohnheitsrechtes, nämlich allgemeine Rechtsüberzeugung als Consensus über den Inhalt des Gewohnheitsrechtssatzes, schon gar nicht gegeben ist. Die Konstruktion eines Gewohnheitsrechtes kommt über eine pauschale Blankovollmacht, daß die Verwaltung die inneren Angelegenheiten der Schule regeln dürfe, nicht hinaus. Eine solche Generalermächtigung aber ist verfassungsrechtlich unzulässig. Es kann hierbei offen bleiben, ob die Bildung von verfassungsrechtlichem Gewohnheitsrecht überhaupt möglich ist und wie sie i m Schulbereich i m einzelnen begründet werden müßte. Gewohnheitsrecht auf Verfassungsebene dürfte sogar grundsätzlich abzulehnen sein, insbesondere dann, wenn es dazu dient, den legislativen Kompetenzbereich zugunsten der Exekutive zu verschieben 87 . Somit kann abschließend festgestellt werden, daß die Schulverwaltung beim Erlaß von Lehrplanrichtlinien etc. ohne die verfassungsrechtlich gebotene Ermächtigungsgrundlage handelt. 2. Das Postulat: Die Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Fixierung der didaktischen Inhalte

Aus dieser Feststellung aber folgt das verfassungsdogmatische Postulat: Der Gesetzgeber ist aufgerufen, die didaktischen Inhalte i m Staatsschulwesen detailliert zu bestimmen. Die Eingriffsakte des Schule-haltens sind nur rechtmäßig, wenn die inhaltlichen Gestaltungsnormen (Lehrpläne) als formelles Gesetz oder 87 Ebenso ablehnend: Helmut Müller, Verwaltungsvorschriften i m Schulrecht, Diss. Würzburg 1960, S. 59, 137/138; Horst Tilch, Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. München 1961, S. 135; Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1. 1966, S. 846 ff. (833); Siegfried Lang, Das Schulverhältnis als Anstaltsverhältnis, Diss. München 1969, S. 53 f. Anderer Meinung: Erwin Jacobi, Die Rechtsverordnungen, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, S. 236 ff. (244).

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als Rechtsverordnung auf Grund eines Ermächtigungsgesetzes erlassen sind. 3. Parlamentarische Willensbildung als Erfüllung der Bedingung der Legitimation staatlichen Schule-haltens

Die Erfüllung dieses Postulates wäre zugleich die Form der Einlösung der Bedingung, von der oben (S. 104) die Legitimation des Staatsschulwesens abhängig gemacht worden ist: Da die Integrationsaufgabe der Schule einen Gemeinschaftskompromiß bedingt, war gefordert worden, daß die durch den Kompromiß zu schaffende Ordnung der Bildungsgüter i m Wege demokratischer Willensbildung zustandekommt. Das heißt konkret: A n der Gestaltung des Lehrplanes müssen die von i h m Betroffenen — das sind zum einen die Exponenten der Bildungsmächte und zum anderen die Eltern sowohl kraft eigenen Rechtes und als Vertreter ihrer Kinder, wie ganz allgemein die „Schulbenutzer" überhaupt — unmittelbar oder repräsentativ beteiligt werden. I n einem Staatsschulsystem aber, das v o l l und ganz der rechtsstaatlichen Normtypik unterliegt m i t der Folge, daß auch die Bestimmung didaktischer Inhalte nur kraft förmlichen Rechtssatzes erfolgen darf, kann diese demokratische Willensbildung, die ja materielle Gesetzgebung zum Inhalt hat, nicht anders als durch Integration i n den Staat überhaupt zum Zuge kommen. Integration i n den Staat aber heißt Hineinnahme und Einbindung der Willensbildung i m Schulbereich i n die vom Parlament vertretene staatliche W i l lensbildung schlechthin. Die Volksvertretung ist auch die Vertretung des Schulvolks. N u r durch die Hinneinnahme didaktischer Entscheidungen i n die parlamentarische Willensbildung kann der Autonomieanspruch der B i l dungsmächte und des Individuums m i t dem Staatsschulsystem und das Staatsschulsystem mit sich selbst versöhnt werden. M i t der Schaffung von Elternbeiräten, auch auf der Ebene eines ganzen Landes, ist es nicht getan, mögen die Elternvertreter auch noch so demokratisch gewählt sein 88 . Räumt man ihnen nämlich nur beratende Funktion bei der Ausarbeitung der Lehrpläne i n den Ministerien ein, dann bleibt ohnehin alles i m Unverbindlichen; w i r d aber die Geltung der Lehrpläne von der Mitarbeit oder Zustimmung der Elternbeiräte konstitutiv abhängig gemacht, dann w i r d ein materielles Gesetz an den Willensakt einer außerparlamentarischen und von keiner Verfassung vorgesehenen Instanz gebunden. Dieses Verfahren verstieße gegen des Gesetzgebungsmonopol der Legislative und wäre schlechthin verfassungswidrig. 88 Vgl. als Beispiel das Landesgesetz über Elternbeiräte v o n RheinlandPfalz v o m 18.11.1965, GVB1.1965, S. 229.

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4. Die Schließung der „Lücke im Rechtsstaat"

M i t der Unterstellung des Schulverhältnisses unter den Gesetzesvorbehalt und m i t dem Postulat, daß die Regelung des Schulverhältnisses Sache des Gesetzgebers sein soll, ist zugleich ein konkreter Weg aufgezeigt, wie die von Forsthoff 89 für die besonderen Gewaltverhältnisse der sogenannten Leistungsverwaltung beschriebene „Lücke des Rechtsstaates" geschlossen werden kann. 5. Literaturmeinungen

Die Forderung, die Inhalte des Schule-haltens gesetzlicher Regelung zu unterwerfen, steht i n der Literatur nicht einzigartig da. Doch fehlt es den Literaturmeinungen durchweg noch an einer systematischen Begründung, wie sich überhaupt die Forderungen mehr als rechtspolitische Postulate verstehen dürften. a) Zunächst w i r d man ganz allgemein jene vor allem von Jesch 90, dann auch von Rupp 91 und Obermayer 92 vertretene Tendenz hierher rechnen dürfen, die — von einem mehr oder weniger konsequent vertretenen Totalvorbehalt des Gesetzes ausgehend — das besondere Gewaltverhältnis generell dem Gesetz unterstellen möchte. Die genannten Autoren hatten allerdings speziell das Schulverhältnis als eine Ordnung der Bildungsgüter und den materiellen Rechtssatzcharakter der Lehrplanrichtlinien kaum i m Auge. b) I m Allgemeinen bleiben auch noch die Formulierungen Mallmanns93, wonach die Entscheidung über den Widerstreit vielfältiger Einzel- und Gruppeninteressen i n der parlamentarischen Demokratie grundsätzlich nur der Volksvertretung zustehen könne, die die divergierenden Meinungen und Interessen i n sich zum Austrag bringe. Immerhin entspricht der hier entwickelte Begriff des Schulverhältnisses, i n dem die Bildungsmächte u m eine Ordnung ringen, durchaus dem von Mallmann allgemein beschriebenen Modell. c) Speziell das Schulverhältnis als Anstaltsverhältnis ist i n den Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes theoretisch wie praktisch zu89 Ernst Forsthoff, Lehrbuch des- Verwaltungsrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1966, S. 124. 90 Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, passim. 91 Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 77 f.; vgl. auch ders., Ministerialerlasse — Ausdruck originärer Rechtssetzung der Exekutive?, N J W 1970, S. 412 f. 92 Klaus Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 121 f. 93 Walter Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, W D S t R L 19, 1961, S. 165 ff. (192).

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nehmend „verrechtlicht" worden. Generell begrüßt Fritz Werner 94 die „Verrechtlichung des Schulwesens" als einen Schutz gegen politische Beeinflussung; die Rechtsprechung zu den „Verwaltungsakten i m Schulrecht" hat Rehmert 95 umfassend nachgewiesen; Evers 96 hat bislang am systematischsten den Gesetzesvorbehalt für das Schulverhältnis gefordert. d) Weiter noch i n der von diesen Autoren vertretenen Richtung geht Fuss 97. Er rechnet zu den „Schulordnungen . . . auch die Grundentscheidungen über die Gestaltung des Unterrichts, wie Bestimmung der Unterrichtsgebiete, zumindest i n großen Zügen auch des Lehrstoffs, ferner der Pflichtfächer und der Sprachenfolge" 98 und unterstellt diese Schulordnungen wie die Prüfungsordnungen dem Gesetzesvorbehalt. Die Folgerungen von Fuss stehen jedoch mehr oder weniger ausgesprochen i m Schatten von Jeschs Lehre vom Totalvorbehalt 9 0 und scheinen überdies noch gänzlich i n der Vorstellung befangen, als folge aus dem Rechtssatzcharakter der Schulordnungen ohne weiteres bereits die ausschließliche Kompetenz der Legislative zu deren Erlaß 1 0 0 . e) Eine uneinheitliche Haltung nimmt Heckel ein. Generell befürwortet er eine gesetzliche Regelung des Schulverhältnisses als eines Rechtsverhältnisses zwischen Staat, Lehrern, Eltern und Schülern 1 0 1 ; i m H i n blick auf die didaktischen Inhalte aber spricht er zum einen von jenen 94 Schule u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, Z B R 1956, S. 373 f. (375); vgl. ders., Die Schule, ein Sorgenkind der Juristen — das Schulrecht, ein Sorgenkind der Lehrer, i n : Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen, 1960, S. 17 ff. (19). Vgl. neuerdings auch Wolf gang Perschel, Die Rolle des Rechts bei der Demokratisierung der Schule, i n : Demokratisierung der Schule, 1969, S. 35 ff. 95 Fritz Günther Rehmert, Verwaltungsakte i m Schulrecht, Diss. Heidelberg 1957; ebenso Wolf gang Pittermann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Schul- u n d Prüfungsgewalt, Diss. M a r b u r g 1960. 96 Hans Ulrich Evers, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff. 97 Ernst-Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 199 ff. 98 Fuß, a.a.O., S. 202. 99 Fuß, a.a.O., S. 214. 100 Fuß, a.a.O., S. 213/214: „Die Rechtsetzung gebührt i n der gewaltenteilenden Demokratie dem Parlament. Folglich muß auch die Schulgesetzgebung einschließlich des Erlasses von Schulordnungen von der parlamentarischen Legislative ausgehen. „Ob u n d i n welchem Ausmaß auch der Exekutive Rechtsetzungsbefugnisse i n Schulangelegenheiten zustehen, bestimmt sich ausschließlich nach den E r mächtigungen, die das Parlament unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Delegationsgrundsätze ausgesprochen hat." 101 Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 56 f.; ders., Die Grenzen der Schulgewalt, RdJ 1954, S. 3 ff., 53 ff. (55; etwas zurückhaltend); ders., Jugendrecht, Elternrecht, Schulrecht, RdJ 1958, S. 145 f. (149); ders., Gegenwartsprobleme des Schulrechts u n d der Schul Verwaltung, DVB1. 1957, S. 482 ff. (487); ders., Schule u n d Schulverwaltung als Aufgabe der Verwaltungspolitik, DÖV 1968, S. 371 ff. (372).

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„fast stets verunglückten Rechts-, insbesondere Verfassungsbestimmungen, i n denen der Versuch gemacht wird, pädagogische Inhalte gesetzlich zu fixieren" 1 0 2 ; demgegenüber aber fordert er neuerdings, daß neben der allgemeinen Ordnung und Organisation des Schulwesens auch die „Grundzüge der inneren Schularbeit, insbesondere die Bildungs- und Erziehungsziele" 103 einer gesetzlichen Regelung unterworfen werden. Indem Heckel aber weiter ausführt, daß die Landesschulgesetze dieser Forderung entsprechen, verkennt er noch die Ausfüllungsbedürftigkeit gerade der allgemeinen Bildungsbegriffe und den erst durch den detaillierten Lehrplan verursachten Eingriffscharakter des Schule-haltens 104 . f) Ausdrücklich, aber noch ohne umfassende Begründung, fordert Maunz 105 den formell-gesetzlichen Erlaß von Lehrplänen und Prüfungsordnungen. g) A m deutlichsten aber hat bislang Wimmer 106 das Schule-halten der Eingriffsverwaltung zugeordnet und dessen faktische — ideelle wie w i r t schaftliche — Auswirkungen auf den unmittelbar Betroffenen zur Grundlage seiner Forderung nach gesetzlicher Regelung oder Ermächtigung gemacht: „Es kann nicht parlamentarisch unkontrollierbar dekretiert werden, wann und wie das historisch gewachsene B i l d der Vollksschule i n neue Formen überführt und einem anderen Bildungsziel unterworfen werde. Es kann nicht angehen, m i t Hilfe von Merkblättern ohne gesetzliche Ermächtigung die Voraussetzung für einen Übertritt i n eine weiterführende Schule zu r e g e l n . . . Es ist ebenso ausgeschlossen, durch Verwaltungsbestimmungen die Einrichtung von Gymnasien, Oberschulen, Berufs- und Berufsfachschulen anzuordnen und deren Lehrpläne zu entwickeln 1 0 7 ." I n Wimmers summarischem Überblick über die staatliche Schulverwaltung ist somit die hier vertretene Auffassung i n Ansätzen bereits präformiert. h) Indes hat es nicht an kritischen Stimmen gegen die Unterwerfung des Schulverhältnisses, speziell der didaktischen Inhalte, unter das Gesetz gefehlt. Die Ausführungen von Evers und Fuss haben auf der Staats102

Eine Grundordnung der deutschen Schule, 1958, S. 17. Schulrecht u n d Schulpolitik, S. 58. 104 Dies entspricht auch Heckeis Ansicht i n „Schule u n d Schul Verwaltung als Aufgabe der Verwaltungspolitik", D Ö V 1968, S. 371 ff. (372), w o „die a d m i n i strative A u f f ü l l u n g der gesetzlich geregelten Grundlagen des Schulwesens durch Bildungspläne u n d Stundentafeln" f ü r zulässig erachtet w i r d . 105 Theodor Maunz, i n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 26 zu A r t . 7. 106 Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1.1966, S. 846 ff. ( = RdJ/RWS 1967, S. 258 ff.). 107 a.a.O., S. 850. 103

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rechtslehrertagung 1964 108 zwar vor allem Rupps 109 temperamentvolle Unterstützung gefunden, sind aber auch auf Widerstand gestoßen. So hat denn insbesondere Peters geglaubt 1 1 0 , die parlamentarische Zuständigkeit zugunsten des Elternrechts zurückdrängen zu müssen; nur läßt diese seine Argumentation das ganze Problem der Willensbildung i m Schulbereich außer Betracht und zeigte keine Wege auf, wie der Elternwille außerhalb des parlamentarischen Filters i n das Staatsschulsystem des demokratischen Rechtsstaates integriert werden soll. Auch Walter Schmidt 111 hält eine gesetzliche Regelung der Bildungsinhalte nicht für erforderlich. Er verkennt hierbei jedoch deren spezifischen Eingriffscharakter; die „allgemeinen Bildungs- und Stoffverteilungspläne" dienen eben nicht lediglich „der Vereinheitlichung des Schulwesens i m Interesse von Schülern und Eltern", sondern sind die grundlegende Normierung des Schulverhältnisses überhaupt m i t ihren weitreichenden eingriffsartigen Konsequenzen. A n anderer Stelle äußert Hering 112 Skepsis gegenüber einer gesetzlichen Regelung des Schulverhältnisses, bleibt aber noch unverbindlich i m allgemeinen. Das einem Vortrag von Perschel 113 unterstellte Postulat, Bildungspläne, Schulordnungen usw. als Gesetze zu erlassen, wurde i n einer sich anschließenden Diskussion angegriffen, ohne daß die Gegenargumente hinreichend deutlich würden 1 1 4 . Das hierbei latent immer mitschwingende Argument von der Uberforderung des Gesetzgebers impliziert i n seiner letzten Konsequenz die Paralyse des parlamentarischen Systems überhaupt: Der Gesetzgeber darf ganz einfach nicht überfordert sein; das Gesetz, wonach die Demokratie angetreten ist, ist die potentielle Allzuständigkeit der Volksvertretung; i h r allein kommt die politische Führungsrolle zu; es gibt — von der Verfassungsgerichtsbarkeit einmal abgesehen — keine Instanz, die m i t gleicher Verbindlichkeit allgemeinerhebliche Entscheidungen treffen könnte. Dann aber muß sich die Volksvertretung auch der Verantwortung stellen; sie darf keinen auch noch so komplexen Bereich aus ihrer Verantwortung entlassen und etwa der Herrschaft eines demokratisch 108

Siehe W D S t R L 23, 1966, u n d den Bericht über die „Staatsrechtslehrertagung i n K i e l v o m 7. - 10. Oktober 1964", i n : D Ö V 1964, S. 803 ff. 100 Hans Heinrich Rupp, Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23, S. 275. 110 Hans Peters, Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23, S. 250 f. 111 Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 251. 112 Eugen Hering, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schulrecht, D Ö V 1968, S. 94 ff. (98). 113 Wolf gang Perschel, Die Rolle des Rechts bei der Demokratisierung der Schule, i n : Demokratisierung der Schule, 1969, S. 35 ff. 114 Wie zuvor, Protokoll der Diskussion, S. 60 f. (63).

I I I . Das Erfordernis formell-gesetzlicher Regelung

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weder legitimierten noch kontrollierten „Sachverstandes" ausliefern. Genau das aber geschähe, sähe sich das Parlament i n Schulfragen „überfordert" und nähme es deshalb auch gerade hier seine Aufgabe nicht wahr. 6. Verfassungswidrigkeit der bisherigen Praxis?

Die hier getroffene Feststellung, daß die Regelung der didaktischen Inhalte zwar kraft Gesetzes oder auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen muß, aber tatsächlich des formellen Gesetzescharakters entbehrt, bringt sogleich die Frage m i t sich, wie die derzeit geltenden Normen zu behandeln sind. Taucht doch sofort das Schreckensbild der Verfassungswidrigkeit der gesamten inneren Normsetzung i m Schulbereich auf. a) Die Verfassungswidrigkeit staatlicher Hoheitsakte ist an sich zunächst für den individuellen Rechtsschutz von Belang. Betrachtet man daher das Problem der Lehrplanrichtlinien unter prozessualem Aspekt, so w i r d man zu prüfen haben, ob diese Normen einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterworfen werden können. Diese Frage wäre zu bejahen. Schon die Erkenntnis der Rechtssatzeigenschaft von „Sonderverordnungen" hatte zur Folge, daß man gemäß A r t . 19 Abs. 4 GG auch diese Rechtssätze dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nach § 47 VwGO unterstellte 1 1 5 , wenn dies auch für die Verwaltungsvorschriften allgemein noch nicht entschieden sein mag 1 1 6 . U m so mehr muß dies dann gelten, wenn man i n den Lehrplanrichtlinien etc. materielle Rechtsverordnungen erkannt zu haben glaubt. Unter anderen Voraussetzungen haben übrigens der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 1 1 7 und i n einem analogen Fall der Hessische Staatsgerichtshof 118 nicht gezögert, die von den jeweiligen Ministerien erlassenen Lehrpläne unter dem Aspekt des § 47 VwGO zu bestätigen bzw. aufzuheben 119 . I m übrigen aber mag diese verwaltungsprozessuale Fragestellung hier auf sich beruhen. 115 Statt aller: Ernst-Wolfgang Böckenförde - Rolf Grawert, AöR 1970, S. 23; ebenso Fritz Ossenbühl, Ministerialerlasse als Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, DVB1.1969, S. 526 ff. 116 Vgl. Carl Hermann Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 4. A u f l . 1966, S. 107; neuerdings Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 303 ff. 117 Beschluß v o m 5. 5.1961, DVB1.1961, S. 523 f. 118 U r t e i l v o m 18.2.1958, i n : Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, S. 311 ff. ( = DÖV 1958, S. 462 ff.). 119 I m übrigen waren die Staats- u n d Verwaltungsgerichtshöfe der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz u n d Saarland m i t einer derartigen Fragestellung noch nicht befaßt, wie die Durchsicht der entsprechenden Entscheidungssammlungen ergibt.

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

b) Hier soll es vielmehr u m die abstrakte Frage gehen, ob die herrschende Praxis der Schulverwaltung rundweg als „verfassungswidrig" qualifiziert werden muß und welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind. I n der Tat kommt nun eine rein normlogische Betrachtungsweise nicht umhin, die Regelung von Bereichen, die dem Gesetzesvorbehalt unterfallen, durch die Exekutive oder m i t anderen Worten den Erlaß von materiellen Rechtsverordnungen ohne Ermächtigungsgrundlage als verfassungswidrig zu brandmarken. Theoretisch w i r d an dieser Aussage kaum zu rütteln sein. Indes ist hiermit allein wenig gedient. Gewiß ist es Aufgabe einer verfassungsrechtlichen Untersuchung, gleichsam i n die Rolle des Verfassungsgerichtes hineinzuschlüpfen, Räume aufzuspüren, i n die der Rechtsstaat noch nicht Einzug gehalten hat, und die „evokative" K r a f t der Verfassung 120 auch hier zur Geltung zu bringen. Gleichwohl aber w i r k t eine Rechtswissenschaft wenig überzeugend, die i n langer Tradition gewachsenen Mauern vor den Augen des verdutzten Zuschauers kurzerhand niederreißt und dann schadenfreudig auf das Trümmerfeld zeigt. Auch Obermayer meint 1 2 1 , i n Ablehnung der weitgehenden Thesen von Fuss 122 , „das w i r d uns einfach nicht abgenommen, wenn w i r erklären, alles sei rechtswidrig" 1 2 3 . Soweit dies eine; zum anderen kann es, wie auch Geiger ausgeführt hat 1 2 4 , nicht die Aufgabe einer Verfassungsgerichtsbarkeit sein — die der Verfassungsdogmatiker ja gleichsam immer ausübt —, die Tätigkeit der übrigen Verfassungsorgane lahm zu legen, etwa i m Sinne jener alten Devise: Fiat iustitia, pereat mundus. Wollte man m i t der Verfassungswidrigkeit der exekutiven Normsetzung i m Schulbereich ernst machen, so hieße das nichts weniger, als daß sämtliche Schulen geschlossen und der Schulunterricht i m ganzen Bundesgebiet eingestellt werden müßte. Hierzu schreibt Maunz 125: „Die Vorstellung vom Lehrer, der mangels speziel120

Adolf Arndt, Das nichterfüllte Grundgesetz, 1960, S. 22. Klaus Obermayer, Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23, S. 259. 122 W D S t R L 23, S. 199 ff. 121

123 Vgl. zu diesem Problem auch Hans Schneiders Wort von den „zornigen jungen Juristen" (Über den Beruf unserer Zeit f ü r Gesetzgebung, N J W 1962, S. 1273 f., 1275) u n d Rupps Replik hierauf (Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 123/124, A n m . 48). 124 Bundesverfassungsrichter Professor Dr. Willi Geiger i n seiner Vorlesung „Verfassungsgerichtsbarkeit i n B u n d u n d Ländern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" an der Hochschule f ü r V e r waltungswissenschaften i n Speyer i m Wintersemester 1968/1969, am 15.11. 1968. 125 Theodor Maunz i n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 26 zu A r t . 7.

I I I . Das Erfordernis formell-gesetzlicher Regelung

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ler gesetzlicher Ermächtigung nicht Unterricht oder die Klassendisziplin nicht herstellt, sowie die Vorstellung von einer Schule, die beim Fehlen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung ihren Betrieb leerlaufen läßt, ist schlechterdings absurd." Diese Tatsache verbietet es, bei der Beurteilung der derzeitigen Praxis Rigorismus walten zu lassen; vielmehr ist ein behutsames Vorgehen geboten. Die Verwirklichung des Rechtsstaates, so wie i h n das Grundgesetz vorzeichnet, ist ständige Aufgabe und fortwährender Prozeß. Die Durchdringung staatlicher Phänomene m i t der Normtypik des Rechtsstaates ist nicht ein Prinzip „verbrannter Erde", sondern ein fortschreitender Prozeß derBewußtmachung und der schrittweisen Aktualisierung der Verfassung. Dies gilt insbesondere und vor allem für überkommene Formen staatlichen Wirkens wie das Schule-halten, die einen Struktur- und Funktionswandel erfahren haben und jetzt unter neuen Voraussetzungen der verfassungsdogmatischen Reflexion unterliegen. Derartige Bereiche sind Gegenstand wachsender Rechtserkenntnis, die irgendwann einmal jenen Bewußtseinsgrad erreicht, der eine bestimmte normative Umgestaltung der bisherigen Praxis zwingend gebietet, sich selbst aber nicht i n die Vergangenheit zurückprojizieren darf und das Zurückliegende somit unberührt läßt, der Gegenwart aber eine Karenzzeit konzediert. I n anologer Weise findet sich auch Jesch 128 „für eine Übergangszeit" damit ab, daß „ i n gewissem Umfange an die Stelle formalgesetzlicher gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen treten können". Man w i r d daher kein generelles Verdikt — pereat mundus — aussprechen dürfen, sondern es bei dem hier vertretenen Postulat als solchem bewenden lassen müssen 127 . 7. Das Normsubstrat des Lehrplans als solchen

Formellgesetzlich erlassene Lehrplanrichtlinien werden sich i n Inhalt und Diktion von den bisherigen Formen unterscheiden müssen. Denn es w i r d jetzt darauf ankommen, den Anordnungsgehalt oder das Normsubstrat der Lehrpläne gesetzestechnisch zu formulieren, wobei etwa das österreichische Modell 1 2 8 als Vorbild dienen könnte. Dieses Vorbild stellt 126

Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 1961, S. 235. I m Ergebnis ebenso, aber m i t abweichender Begründung: Siegried Lang, Das Schulverhältnis als Anstaltsverhältnis, Diss. München 1969, S. 86 f. Indem Lang aber offenbar nicht scharf zwischen dem Vorbehaltsbereich u n d dem Zugriffsbereich unterscheidet, verkennt seine These von der subsidiären N o r m setzungsbefugnis der Exekutive, daß, sind einmal bestimmte Materien als zum Vorbehaltsbereich gehörend erkannt, dann auch für eine hilfsweise N o r m setzung der V e r w a l t u n g kein Raum mehr ist. 128 D e r totale Gesetzesvorbehalt i n der österreichischen Verfassung bedingt ohne weiteres auch eine detaillierte gesetzliche Regelung des Staatsschulwesens. Der insofern unvergleichbare Ausgangspunkt f ü h r t indes zu Ergebnis127

11 Hennecke

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4. Kap.: Die Legitimation der V e r w a l t u n g zur Regelung der Interna

auch unter Beweis, daß sich der Gegenstand einer gesetzestechnischen Formulierung nicht entzieht. Allerdings w i r d man hierbei auf die weitgehend üblichen theoretischen Ausführungen zur Didaktik und Methode verzichten müssen. Es mag den Kultusverwaltungen aber unbenommen bleiben, i n gesonderten Publikationen pädagogische und didaktische Fragen abzuhandeln und den Pädagogen Empfehlungen i n die Hand zu geben, wenn man es nicht überhaupt für opportun erhält, die pädagogische Diskussion getrost der freien Wissenschaft zu überlassen. 8. Gesetz oder Rechtsverordnung?

Bislang offen geblieben ist die Frage, ob die endgültige Fixierung der didaktischen Inhalte bereits i n einem förmlichen Gesetz erfolgen soll oder ob als Normtypus die Rechtsverordnung vorzuziehen sei. Dies ist eine Frage der Praktikabilität. Es spricht viel dafür, den Lehrplan i n Form einer Rechtsverordnung auf Grund eines dem A r t . 80 Abs. 1 GG genügenden Ermächtigungsgesetzes ergehen zu lassen, wofür auch Heckel 129 und Wimmer 130 votieren. Dies entspricht i m übrigen auch der österreichischen Regelung 131 . Liegen die didaktischen Inhalte, ihre Verteilung auf die Schuljahre und Schultypen und ihr quantitatives Gewicht kraft eines Ermächtigungsgesetzes m i t hinreichender Genauigkeit fest, w i r d man die letzten Konkretisierungen der Schulverwaltung (oder vielleicht sogar dem einzelnen Pädagogen durch Einräumung einer „Ermessensfreiheit") überlassen können. Es wäre ein sinnvolles „Netzsystem von Ermächtigungen" zu entwerfen, das schon W i m m e r 1 3 2 vorsen, die auch hier unter anderen Voraussetzungen vertreten werden. Daher ist es durchaus angebracht, auf das „Bundesgesetz v o m 25. J u l i 1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz)", Bundesgesetzblatt Nr. 242 ex 1962, hier als auf einen Modellfall hinzuweisen. Vgl. insbesondere aus diesem Gesetz das „ I I . Hauptstück", §§ 9 ff. Der Total vorbehält ist i n A r t . 18 des Bundesverfassungsgesetzes von Österreich normiert: „(1) Die gesamte staatliche V e r w a l t u n g darf n u r auf G r u n d der Gesetze ausgeübt werden." „(2) Jede Verwaltungsbehörde k a n n auf G r u n d der Gesetze innerhalb ihres Wirkungskreies Verordnungen erlassen." (Zitiert nach: Die Verfassungen Europas, hrsg. von Peter Cornelius MayerTasch, 1966, S. 363.) 129 Hans Heckel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 158. 130 Raimund Wimmer, Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1. 1966, S. 846 ff. (853); ebenso Lothar Schmidt, Ist die Schulverwaltung rechtsstaatlich?, i n : Johannes Beck - Lothar Schmidt (Hrsg.), Schulreform, 1970, S. 47 ff. (49). 131 Schulordnungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 242 ex 1962, § 6; groß bleibt der der V e r w a l t u n g zugestandene Spielraum jedoch nicht, da das Gesetz die Details weitgehend doch selbst regelt. 132 a.a.O., S. 853.

I I I . Das Erfordernis formell-gesetzlicher Regelung

163

geschlagen hat. Es ist durchaus legitim, ja überhaupt der Sinn des verfassungsrechtlichen Institutes des Ermächtigungsgesetzes und der Rechtsverordnung, daß sich der Gesetzgeber die Erfahrung und Sachnähe der Verwaltung zur Regelung von Detailfragen zum Zwecke seiner Entlastung dienstbar macht. Sollten sich die Länderparlamente i n der Tat der didaktischen Inhalte annehmen, werden sie ohnehin mangels Erfahrung auf diesem Gebiet dahin tendieren, der Kultusverwaltung durch Ermächtigungsgesetze weitgehend das Feld zu überlassen. Diese müssen dann allerdings der verfassungsrechtlichen Kontrolle gewärtig sein.

Fünftes Kapitel

Vorgegebenheiten und Grenzen einer materiellen Schulgesetzgebung Die verfassungsdogmatische In-Frage-Stellung der bislang geübten Praxis staatlichen Schule-haltens hat i m vorhergehenden Kapitel zu dem Ergebnis geführt, daß sich der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt auch auf die Ordnung der Bildungsgüter i m öffentlichen Schulwesen erstreckt und daß daher der Gesetzgeber zu dieser Ordnung aufgerufen ist. Aus diesem Grunde muß sich jetzt für die folgenden Erörterungen der Blickpunkt verschieben: War bislang gleichsam die Position eines Verfassungsgerichtes eingenommen worden, so gilt es jetzt, aufzuzeigen, wie sich die schulrechtliche Problematik dem Gesetzgeber de lege ferenda darstellt. Dies soll vorerst noch nicht bedeuten, daß jetzt schon die Ebene des Verfassungsrechtes zugunsten reiner Rechtspolitik verlassen wird. Vielmehr soll versucht werden, einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Vorgegebenheiten die Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers zu beschränken geeignet sind. Diese Indispositiva sind von recht heterogener A r t ; hierher zählen sowohl die Sachstruktur des Regelungsobjektes wie auch positive Verfassungsgebote, u m deren Verwirklichung und Konkretisierung das Ringen der vielfältigen politischen Kräfte geht, die ihrerseits wiederum zugleich Subjekt und Objekt gesetzgeberischer Entscheidungen sind. Hierbei kann i n keiner Weise der Anspruch umfassender Durchdringung der mannigfachen und vielschichtigen Problematik erhoben werden; es w i r d vielmehr lediglich beim Aufzeigen von Problembereichen und von Lösungsansätzen für letztlich wohl nie endgültig lösbare, sondern immer aufgegebene Fragen sein Bewenden haben müssen. I . Das Recht und die Sachlogik des Regelungsobjektes

Von Lorenz von Stein stammt der Satz 1 , das Recht sei „die Konsequenz des Wesens desjenigen, wofür es gilt". Wieweit diese allgemeine Aussage zutrifft, kann hier nicht näher nachgeprüft werden; gleichwohl aber läßt sich m i t einer Gewißheit aussagen, daß das Recht nur als Derivat einer vorgegebenen „Natur der Sache" nicht begriffen werden kann. Anderer1

Handbuch der Verwaltungslehre, T e i l I I , 3. Aufl. 1888, S. 121.

I I . Die jugendpsychologischen Eigengesetzlichkeiten

165

seits aber w i r d das irgendwie orignäre Recht durch den Stoff reziprok bestimmt, es kann sich über die „Natur der Sache" nicht hinwegsetzen 2 . Daher kann eine Gesetzgebung, die die Regelung der „pädagogischen Begegnung", die ja vom Staate nicht konstituiert wird, zum Inhalt haben soll, der Eigengesetzlichkeit des pädagogischen Bereichs nicht ausweichen3, w i l l sie nicht diesen zerstören oder selbst wirkungslos bleiben. Diese gewiß abstrakt-theoretisch zutreffende Feststellung mündet indes sogleich i n die Frage aus, was denn nun konkret i m pädagogischen Bereich jedem staatlichen Zugriff vorgegeben und daher für den Gesetzgeber indisponibel sei. Es w i r d sich zeigen, daß der Umfang dieser Eigengesetzlichkeit entgegen mannigfachen Äußerungen von pädagogischer Seite verblüffend gering, ja vielmehr noch, daß fast das einzig Vorgegebene gerade die Verfügbarkeit aller Inhalte selbst ist. II. Die jugendpsychologischen Eigengesetzlichkeiten Die „pädagogische Begegnung" ist die Begegnung gerade des jugendlichen Menschen m i t der durch die Gesamtheit der Erzieher repräsentierten Welt der Bildungsgüter. Eine Ordnung dieses grundlegenden Daseinsbereiches kann daher die jugendliche Existenz nicht ignorieren. Vielmehr muß das Bildungsangebot dem jeweiligen geistigen Entwicklungsstand des jungen Menschen angepaßt sein. Hierin liegt eine unübersteigbare Grenze der Disposition über die Bildungsgüter. Diese i m Grunde aber nur formale Vorgegebenheit läßt allerdings der freien Ausgestaltung noch weiten Raum. Kerschensteiner* formuliert unter diesem Aspekt das „Grundaxiom des Bildungsprozesses" wie folgt: „„Die Bildung des Individuums w i r d nur durch jene Kulturgüter ermöglicht, deren geistige Struktur ganz oder teilweise der Struktur der jeweiligen Entwicklungsstufe der individuellen Lebensform adäquat ist." Kerschensteiner reduziert insofern eine Tradition auf ihren axiomatischen Gehalt, die sich von Rousseau 5 herleitet und i n dessen Nachfolge 2 Z u dieser Problematik vgl. statt aller: Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, 6. A u f l . 1963, S. 98 f.; Reinhold Zippelius, Das Wesen des Rechts, 1965, S. 50 ff., 72 f. 8 Vgl. Benedikt Weißenrieder, Die Schulhoheit, 1953, S. 189 ff. (208/209); resoluter: Franz Pöggeler, Der pädagogische Fortschritt u n d die verwaltete Schule, 1960, S. 54. 4 Georg Kerschensteiner, Das Grundaxiom des Bildungsprozesses u n d seine Folgerungen f ü r die Schulorganisation, 2. Aufl., 1924, S. 42. 5 Jean Jacques Rousseau, Emile oder Über die Erziehung, hrsg. von Martin Rang, 1963, 2. Buch, S. 184 f.

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

von Weniger i n Ansätzen inhaltlicher und umfassender zugleich definiert wird. Weniger 6 spricht von der „existentiellen Konzentration" i n der Schule als Lebensgegenwart; Schule ist nicht Vorbereitung auf eine Zukunft, sondern Erfüllung des jeweiligen Kindesalters. N u n darf allerdings die Sympathie für diese letztgenannte pädagogische Theorie nicht den Blick dafür verstellen, daß es sich eben doch nur u m eine pädagogische Theorie handelt, der andere Auffassungen — wenigstens theoretisch — entgegenstehen können. Überdies aber nimmt, hat man sich auch einmal für diese Grundrichtung entschieden, die pädagogische Wissenschaft auch diesmal den Pädagogen und dem Gesetzgeber wieder nicht die Entscheidung über die konkreten Inhalte ab. Dies gilt u m so mehr, je axiomatischer („vorgegebener") — wie bei Kerschensteiner — das Prinzip formuliert ist. Dahinter steht indes die allgemeine Frage, wieweit man den gegenwärtigen Stand der pädagogischen und jugendpsychologischen Wissenschaft als auch und gerade vom Gesetzgeber zu beachtende „Vorgegebenheit" werten w i l l . Man w i r d generell sagen können, daß es sich der Gesetzgeber zum Prinzip machen sollte, sich bei allen seinen Regelungen, die als fortschrittliche Sozialgestaltung auf der Höhe der Zeit stehen wollen, am jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu orientieren. I I I . Die Eigengesetzlichkeit des Lehrplans als solchen Auch die Sachlogik des Lehrplans selbst setzt einer Disposition Grenzen. Wiewohl sich das Fächerangebot an der Schule nicht schon aus dem Begriff des Lehrplans herleiten läßt, so hat er doch das Selbstverständliche zum Inhalt, daß nämlich aller Bildung Anfang bei den grundlegengen sprachlichen und mathematischen Elementarkenntnissen liegt; denn Bedingung aller Bildung ist die Beherrschung der Medien, i n denen sich die geistigen Güter mitteilen; diese Medien aber entsprechen m i t den Worten Lorenz von Steins 7 den „psychologischen Gesetzen der geistigen Bildung selbst". Hiermit ist bereits jene dem Bildungsprozeß inhärente Korrespondenz zwischen dem jeweiligen geistigen Entwicklungsstand des jungen Menschen und der Entfaltung der Bildungsstoffe durch den Lehrplan angedeutet: Die Anordnung des Stoffes i n dem jeweiligen — durch Lehrplanund Bildungsbegriff selbst ja noch nicht determinierten — Fache ist aber durch die Auffassungskraft der jeweiligen Altersstufe und den syste6 Erich Weniger, D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1, Theorie der Bildungsinhalte u n d des Lehrplans, 4. A u f l . 1962, S. 95 f.; ders., Die Eigenständigkeit der Erziehung i n Theorie u n d Praxis, 1952, S. 79. 7 Die Verwaltungslehre, T e i l V, 1868, S. 4.

I V . Die Qualifikationsstandards

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matischen Aufbau des Unterrichtsgegenstandes i n der Weise determiniert, daß die zunehmende Entfaltung des Stoffes vom Einfachen zum Komplizierten dem zunehmenden abstrakten Denkvermögen des jungen Menschen entsprechen muß. Sowohl wenn es am systematischen Aufbau des Stoffes als auch wenn es an dieser Entsprechung fehlt, ist jedes pädagogische Bemühen zum Scheitern verurteilt. Ein Latein-Unterricht i n der Sexta, der m i t dem ablativus absolutus beginnt, geht ins Leere, da weder die stofflichen Voraussetzungen noch die entsprechende geistige Disposition der Schüler gegeben sind. Entwurf und Entfaltung eines Lehrplanes kommt daher unter anderem an jugendpsychologischen Eigengesetzlichkeiten nicht vorbei, womit der Bezug zum vorhergehenden Abschnitt hergestellt wäre, Darüber hinaus stellt sich — jenem Abschnitt analog — die Frage, wieweit die wohl erst i n ihren Anfängen stehende Curriculum-Forschung 8 einem Gesetzgeber eine verbindliche Richtschnur i n die Hand geben kann. Soweit diese Lehrplanforschung Aufklärung über das Verhältnis von Curriculum und psychologischen und soziologischen Sachverhalten erwarten läßt oder rationale Kriterien für die Auswahl von Lehrgegenständen entwickeln kann, ist diese Frage prinzipiell zu bejahen; i n concreto jedoch muß sie noch offen bleiben. I V . Die Qualifikationsstandards Alle Diskussion etwa um die Reifeprüfung darf nicht zu dem Schluß verleiten, als sei diese A r t des Schulabschlusses, wie überhaupt jedes schulische Prüfungsverfahren und jede schulische Qualifikation, i n ihrem Inhalt schlechthin dispositiv. Vielmehr geht es i n der Reifeprüfung doch gerade darum, festzustellen, ob der Abiturient während seiner Gymnasialzeit die Fähigkeit zum Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule erworben hat. Was Hochschulreife aber ist und was der Abiturient gelernt haben muß, u m sie zu besitzen, das kann i m Prinzip nicht politisch, sondern nur von den Anforderungen des allgemeinen Wissensstandes her bestimmt werden. Welche Fähigkeiten die Aufnahme eines wissenschaftlichen Studiums voraussetzt, ist nicht Gegenstand beliebiger Dezision, sondern bestimmt sich nach den Gesetzen des wissenschaftlichen Studiums selbst. 8 Vgl. Saul B. Robinsohn, Bildungsreform als Revision des Curriculum, 3. A u f l . 1970; Reform von Bildungsplänen, 1969; Hellmut Becker, Bildungsforschung u n d Bildungsplanung, i n : Wirtschaft u n d Wissenschaft, M a i / J u n i 1969, S. 33 ff. (35/36); ders., B i l d u n g zwischen Plan u n d Freiheit, 1957, S. 33 (=ders., Quantität u n d Qualität, 1962, S. 217ff.); Herwig Blankertz, Theorien u n d Modelle der D i d a k t i k , 1969, S. 111 ff., 134 ff., 159 ff.; Hanna-Renate Laurien, Der Weg zum A b i t u r , 1970, S. 93 ff.

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

Die Merkmale derartiger Qualifikationsstandards wie Abitur, Hauptund Realschulabschluß oder „Mittlere Reife" werden sich allerdings nur formal definieren lassen; für die inhaltliche Festlegung bleibt hierbei weiter Spielraum. Immerhin w i r d man aber für die Hochschulreife zumindest neben formalen Eigenschaften wie Ausdrucks-, Abstraktionsund Kritikfähigkeit Kenntnisse i n mindestens einer Fremdsprache, ein Grundlagenwissen i n Mathematik und i n den Naturwissenschaften und ein historisch-geistesgeschichtliches Bewußtsein fordern müssen. Hierauf sind alle Gymnasiallehrpläne h i n ausgerichtet. Ähnlich liegt es bei den anderen Schulabschlüssen, die nicht als „Hochschulreife" definiert sind, obwohl hier Ziel wie Inhalt des Bildungsganges bereits wieder beliebiger werden, wenn man von den elementaren geistigen Erfordernissen für eine Orientierung i n der modernen Welt einmal absieht. I m übrigen ist es Aufgabe der pädagogischen Wissenschaft, die Merkmale der Qualifikationsstandards, deren Grade und Abstufungen, wenigstens formal näher zu bestimmen. V. „Autonomie" im Bildungswesen Alle Reflexion über Vorgegebenheiten einer gesetzlichen Ordnung der Bildungsgüter an der Schule gipfelt letztlich i n der Frage nach der „Autonomie" des Bildungswesens. Hiermit w i r d ein neuer, umfassender Komplexbegriff 9 eingeführt. Es kann hier nun nicht Aufgabe sein, diesen Autonomiebegriff zu analysieren und seine Vielschichtigkeit i m einzelnen darzustellen. Es mag hier ein umrißartiges Aufzeigen seiner vielfältigen Bedeutung genügen. Hierbei w i r d ein neuer Aspekt der augenblicklichen Fragestellung sichtbar werden: Ein Gesetzgeber kommt nicht umhin, den mannigfachen — meist unter der Fahne der „Autonomie" antretenden — gesellschaftlichen Mächte eine politische A n t w o r t zu geben. Jede Entscheidung, wie immer sie ausfallen mag, ist Zuteilung und Versagung i n einem. I n dieser Determiniertheit des Regelungsobjektes, nicht schon der Entscheidung selbst, ist ein weiteres — wenn auch nur formales — Indispositivum gesetzlicher Regelung gefunden. 1. Die Eigenständigkeit der Erziehungswissenschaft

Zunächst ist aus dem Autonomie-Begriff die Eigenständigkeit der Erziehungswissenschaft auszugliedern. Insofern der Pädagogik ein spezi9 Vgl. Erich Weniger, Die Eigenständigkeit der Erziehung i n Theorie u n d Praxis, 1952, S. 71 ff.; Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 85 ff. ( = ders., Erziehung u n d B i l d u n g i n Schule u n d Gesellschaft, 1967, S. 97 ff.); Georg Kerschensteiner, Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 161 ff.

V. „Autonomie" i m Bildungswesen

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fischer Gegenstand u n d eine spezifische E r k e n n t n i s m e t h o d e z u g e o r d n e t w e r d e n k a n n , i s t sie „ a u t o n o m e " Wissenschaft. Diese wissenschaftstheoretische F r a g e s t e l l u n g i s t indes i n d e m h i e r z u b e h a n d e l n d e n Z u s a m m e n h a n g ohne B e d e u t u n g . D e n n „ d i e theoretische A u t o n o m i e der Wissenschaft b e d e u t e t keineswegs eine A u t o n o m i e der O r g a n i s a t i o n i h r e r Lehre"10. 2. „Freiheit des Lehrers" und „Autonomie der Pädagogik" als politische Forderungen L e t z t e r e g l a u b t m a n z u m T e i l i n e i n e r „ F r e i h e i t des L e h r e r s " v e r w i r k l i c h t 1 1 . Ganz abgesehen d a v o n , daß diese F r e i h e i t zunächst d e f i n i e r t w e r d e n m ü ß t e u n d daß m a n es n i c h t m i t der a l l g e m e i n e n F o r d e r u n g nach „ r i c h t e r l i c h e r U n a b h ä n g i g k e i t " des L e h r e r s 1 2 g e n u g sein lassen k a n n , i s t es sofort d e u t l i c h , daß es sich b e i der „ F r e i h e i t des L e h r e r s " u m e i n p o l i tisches P o s t u l a t h a n d e l t , das als solches eben gerade n i c h t v e r w i r k l i c h t i s t u n d d a h e r auch k e i n e „ V o r g e g e b e n h e i t " i n d e m h i e r v e r s t a n d e n e n S i n n e sein k a n n . „ V o r g e g e b e n " i s t l e d i g l i c h die E x i s t e n z dieser F o r d e r u n g , a u f die d e r Gesetzgeber eine A n t w o r t z u geben h a b e n w i r d . Ä h n l i c h v e r h ä l t es sich auch m i t e i n e r „ A u t o n o m i e d e r P ä d a g o g i k " , die sich z u r O r g a n i s a t i o n d e r B i l d u n g s g ü t e r k r a f t eigener wissenschaftlicher 10

Georg Ker scheust einer, Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 165. Vgl. Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (141); Wilhelm Geiger, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des V e r hältnisses von Schule u n d Staat, ibid., S. 14ff. (31 f.); Claus Wilhelm Hoff mann, Freiheit u n d Erziehung — Probleme der „verwalteten Schule", RWS 1962, S. 325 f. (hiergegen: Albert Reuter, Freiheit u n d Erziehung — Probleme der „verwalteten Schule", RWS 1963, S. 73 ff.); kritisch u n d abwägend, jeweils m. w. N w . ; Theodor Maunz, Die Freiheit des Lehrers, i n : Freiheit i n Erziehung, 1956, S. 125 ff.; Fritz Werner, Die Schule, ein Sorgenkind der Juristen — das Schulrecht, ein Sorgenkind der Lehrer, i n : Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen, 1960, S. 17 ff.; ders., Schule u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, Z B R 1956, S. 373 ff. ; Hans Heckel, Pädagogische Freiheit u n d Gehorsamspflicht des L e h rers, Z B R 1957, S. 217 ff.; ders., Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 193 ff.; ders., Schulfreiheit u n d Schulaufsicht, Z B R 1965, S. 129 ff.; ders., Die pädagogische Freiheit i n der Sicht des Schulrechts, i n : Pädagogische Forschung u n d pädagogische Praxis, 1958, S. 99 ff.; Ingo von Münch, Die pädagogische Freiheit des Lehrers, DVB1. 1964, S. 789 ff.; Eugen Hering, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schulrecht, D Ö V 1968, S. 94 ff.; Herbert Hochstetter, Gesetz zur Vereinheitlichung u n d Ordnung des Schulwesens i n BadenWürttemberg, 7. A u f l . 1970, S. 14; Hans Ulrich Evers, V e r w a l t u n g und Schule, W D S t R L 23, 1966, S. 147 ff. (177 f.); Thomas Oppermann, Bildung, i n : Ingo von Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. A u f l . 1970, S. 517 ff. (549 f.); vgl. neuerdings auch die aufschlußreiche Kontroverse zwischen Wolfgang Perschel (Die Lehrfreiheit des Lehrers, D Ö V 1970, S. 34 ff.) u n d Udo Kollatz (Freiheit des Lehrers v o m Grundgesetz?, D Ö V 1970, S. 594 ff.). Historische Bemerkungen: Wilhelm Roessler, Die Entstehung des modernen Erziehungswesens i n Deutschland, 1961, S. 316 f. 12 Etwa Claus Wilhelm Hoffmann, Freiheit u n d Erziehung — Probleme der „verwalteten Schule", RWS 1962, S. 325 ff. (327). 11

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

Entscheidung für berufen hält: Dies ist keine m i t der Sache schon gegebene, sondern eine geforderte Autonomie. Nicht anders steht es u m die nachdrücklich geforderte autonome Selbstverwaltung des Bildungswesens 13 : Sie ist politisches Postulat. Indes nehmen diese Autonomiebestrebungen für sich i n Anspruch, sich aus dem Begriff der Erziehung selbst herzuleiten: Erziehung könne nur Erziehung i m Vollsinne sein, wenn die geforderten institutionellen Voraussetzungen gegeben seien. Gegenüber solcher Argumentation gilt es jedoch Vorsicht walten zu lassen. Liegt doch auch hier wieder die Gefahr jenes alten Zirkelschlusses nahe, daß man aus einem Begriffe Aussagen deduziert, die man durch dessen Definition erst i n ihn hineingelegt hat. Dies verdichtet sich zu dem Verdacht, als würden unter der Tarnkappe der Sachlogik politische Interessen verfolgt. 3. Die Axiome des Bildungsprozesses

Selbstverständlich ist hiermit die Behauptung einer solchen Sachlogik noch nicht widerlegt. Immerhin aber spricht allein schon die Tatsache, daß auch mangels institutioneller Autonomie Erziehung tatsächlich stattfindet, dagegen, daß der Erziehungs- und Bildungsprozeß die Autonomie zwingend gebiete. Dem könnte wiederum entgegengehalten werden, daß das, was derzeit auf dem Felde der Erziehung i n der Staatsschule tatsächlich geschieht, ja eben doch gerade nicht Erziehung i m Vollsinne sei. Damit ist die Kernfrage berührt. Es geht darum, ob ein wissenschaftlicher Consensus über das Wesen des Erziehungsprozesses gefunden werden kann und ob eine solche Wesensbestimmung zugleich auch eine spezifische innere und äußere Organisation des Bildungswesens bedingt. Hierm i t wäre dann die eigentliche Autonomie des Bildungswesens gefunden, die indiponibel ist, soll Erziehung Erziehung und Bildung Bildung sein. Diese Frage sucht die axiomatische Literatur zu beantworten. a) Kerschensteiners Grundaxiom ist i n anderem Zusammenhang bereits angedeutet worden. Er geht von folgendem, i n der Formulierung mehrfach variiertem Fundamentalsatz aus: „Damit ein K u l t u r g u t B i l dungsgut für eine Individualität werden kann, muß die geistige Struktur dieses Kulturgutes ganz oder teilweise der geistigen Struktur der Individualität adäquat sein 14 ." Hieraus zieht Kerschensteiner den Schluß: 13 Etwa Franz Pöggeler, Der pädadogische Fortschritt u n d die verwaltete Schule, 1960, S. 47, 58 f.; Leonard Froese, Schule u n d Gesellschaft,, 1962, S. 59; Heinz Kloss, Lehrer - Eltern - Schulgemeinden, 1949. 14 Georg Kerschensteiner, Das Grundaxiom des Bildungsprozesses u n d seine Folgerungen für die Schulorganisation, 2. A u f l . 1924, S. 9.

V. „Autonomie" i m Bildungswesen

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„Die Organisation jeder Schule hat i n ihrer Lehrplangestaltung, also i n der Auswahl, i n der Anordnung und i n der Betonung des Gewichtes ihrer Bildungsgüter der besonderen Gruppe von Lebensformen gerecht zu werden, für deren Bildung sie bestimmt ist 1 5 ." Es mag nun dahinstehen, wieweit dieses A x i o m evident und unbestreitbar ist; Kerschensteiner selbst sieht sich Gegenargumenten ausgesetzt 16 . Eines aber ist deutlich: Das A x i o m bleibt i m Formalen, und für eine „Autonomie" der Pädagogik gibt es nichts her. Das weiß Kerschensteiner selbst; er schreibt daher an anderer Stelle: „ . . . w i r d eine absolute rechtliche Autonomie des Bildungswesens, herauswachsend aus der Idee der Bildung und immer von ihr getragen, i n den großen Staatsgemeinschaften der Welt niemals Wirklichkeit werden können. Ja, sie w i r d es nicht einmal dürfen 1 7 ." Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß Kerschensteiner i n eben diesem Zusammenhang die Kommunalisierung des Bildungswesens für „unbedingt notwendig" hält und meint, sie sei „jedem Schulmonopol des Staates, der Kirche, ja selbst der Wissenschaft (sie!) vorzuziehen" 18 . b) Auch Sprangers an sich grundlegende Abhandlung 1 9 führt zu keinen weitergehenden Ergebnissen. Spranger stellt zunächst heraus, daß von einer vollen Autonomie des Erziehungsgebietes nicht gesprochen werden könne, „denn die Erziehung w i r d notwendig beherrscht von dem Eigenrecht der Wissenschaft i n der Wissensbildung" 20 ; die Sachlogik des Unterrichtsgegenstandes greift i n den Erziehungsprozeß über. Spranger fährt aber fort: „Trotzdem gehen Erziehung und Bildung nicht einfach i n den Sondergebieten auf, denen sie Inhalte entnehmen. Sondern es bleibt ein spezifischer Rest 21 ." Diesen „spezifischen Rest" definiert Spranger dann als die eigentliche Autonomie, die Erziehung, deren Sinn darin liege, „daß i n der sich entfaltenden Seele die freie sittliche Stellungnahme entbunden werde, . . . , daß als letzte geistige Kräfte hier Gesinnung auf Gesinnung wirken sollen" 2 2 . Das Wirken echter Überzeugung auf die Bildung echter Überzeugung hin konstituiert das Eigengesetz, die Autonomie der Erziehung.

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a.a.O., S. 75. a.a.O., passim. 17 Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 168. 18 a.a.O., S. 168; die I n t e r j e k t i o n „sie" hat der Verf. eingefügt. 19 Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, i n : Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Jg. 1927,1928, S. 3 ff. 20 a.a.O., S. 33. 21 a.a.O., S. 33. 22 a.a.O., S. 37. 16

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

Daraus folgt dann, daß der eigentümliche Sinn der Erziehung da verletzt ist, „wo nur von außen aufgenötigt und angebildet wird, wo dressiert statt gebildet, gezüchtet statt erzogen wird, wo der Gesinnungsdruck statt die Gesinnungsechtheit herrscht" 2 3 . Spranger zieht hieraus den weiteren Schluß, daß Erziehung demnach nur auf dem Boden einer „zunächst als gemeinsam gesetzten Weltanschauung" möglich sei, und stellt dann die prinzipielle Frage, ob der Staat unter diesen Voraussetzungen überhaupt erziehen könne 2 4 . Die letztere Frage greift über den hier gesetzten Rahmen hinaus. Sprangers A n t w o r t hierauf w i r d i n anderem Zusammenhang noch kurz gestreift werden. Nur so viel sei vermerkt, daß nicht weiter explizierte Selbstverwaltungsformen am Ende stehen, die aber letztlich nichts anderes als schlichte Präventivmaßnahmen (und daher keine sachlogischen Konsequenzen!) gegen einen „einseitigen Gesinnungsdruck staatlicher Machtträger" sind 2 5 . Sieht man von diesen Folgerungen ab und versucht man, Sprangers Position für die Bestimmung der Vorgegebenheiten einer gesetzlichen Regelung der Bildungsinhalte fruchtbar zu machen, so stellt man i n der Tat fest, daß das A x i o m von der freien Wirkung der Gesinnung auf Gesinnung als Konstitutivmerkmal des Erziehungsprozesses dem Staat als Gesetzgeber entweder nicht zugänglich, daher nicht verfügbar ist oder daß, bricht der Gesetzgeber i n diesen Bereich ein, er „statt echter Erziehung nur Machtwirkungen unter dem Schein der Erziehung" übt 2 6 , den Erziehungsprozeß also zerstört. Allerdings einen Erziehungsprozeß, wie Spranger ihn versteht: Sein Autonomiebegriff der Erziehung setzt mit der Autonomie der Persönlichkeit ein ganz spezielles Menschenbild voraus, das aber nicht kraft wissenschaftlicher Erkenntnis gewonnen, sondern nur als Bekenntnis formuliert werden kann. Was Erziehung sei, w i r d hierbei i m Grunde nicht erwiesen, sondern gesetzt. Doch mag diese Frage hier auf sich beruhen. Denn für den Fall, daß man Sprangers Autonomie-Begriff als Indispotivum übernimmt, hat man gewiß Grenzen des staatlichen Zugriffs aufgezeigt, deren Einhaltung eine rechtsstaatliche Verfassung dem Gesetzgeber ohnehin gebietet, aber keine apriorischen Determinanten einer inhaltlichen Schulgesetzgebung gefunden, außer eben der einen, daß der Staat eine einzige Weltanschauung nicht zur offiziellen und ausschließlichen Ideologie erheben darf. Erziehungsziel und Fächerkanon dürfen dann nicht so definiert sein, daß sie das Wirken von Gesinnung auf Gesinnung ausschließen. 23 24 25 26

a.a.O., S. 34. a.a.O., S. 38. a.a.O., S. 39/40. a.a.O., S. 38.

V. „Autonomie" i m Bildungswesen

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4. Der pädagogische Eigenwert der Schule

Der Begriff der Autonomie des Bildungswesens hat eine weitere Dimension. Denn gegenüber einer Funktionalisierung der Schule, sei es i m Dienste des Staates oder der Gesellschaft, sucht sich immer wieder der pädagogische Eigenwert der Schule als „Autonomie" zu behaupten 27 . Schule läßt sich weder allein als Funktion des Staates noch auch als Funktion gesellschaftlicher, präziser ökonomischer Bedürfnisse begreifen. Es ergibt sich aber die Frage, ob sich das Wesen der Schule i n der Synthese dieser gegenläufigen Tendenzen, gleichsam i n einer coincidentia oppositorum, erschöpft oder ob sie demgegenüber ein Mehr oder gar A l i u d ist. Derartige Überzeugungen stehen jedenfalls hinter all den Forderungen, die die Eigenständigkeit der Erziehung als eines Grundanliegens aller menschlichen Gemeinschaft auch institutionell realisiert sehen möchten. Derartige Zielvorstellungen artikulieren sich durchaus nicht immer nur als Ruf nach der „freien Schule" oder nach Selbstverwaltung, suchen aber doch die Schule vor einem Aufgehen i n der Staatsverwaltung zu bewahren: „Würde die Schule vollständig und ausschließlich nur i n der staatlichen Lebenstätigkeit aufgehen, so müßte sie ihren tieferen Sinn als Einrichtung zu einer umfassenden Menschenbildung verlieren 2 8 ." Es ist jedoch nicht nur die staatliche Verwaltungsbürokratie und deren politische Führung, sondern vor allem auch der vielgestaltige Anspruch der Wirtschaft an das Bildungswesen 29 , gegen den die „Autonomie" des Pädagogischen Front macht 3 0 : „Die Auslieferung der Schule an die Zielsetzung der Wirtschaft würde zum Typus des Roboters führen 3 1 ." Die Bildungsarbeit der Schule würde zur Erfüllung der Tagesbedürfnisse degradiert, wobei, w i l l man nicht gerade der massivsten Forderung w i l l fährig sein, es gar nicht ausgemacht ist, was die Wirtschaft jeweils braucht und wer dies bestimmt. 27

Vgl. Willi Geiger, Konsequenzen für das Schulwesen aus der S t r u k t u r unserer Gesellschaft, i n : Die Pädagogische Provinz, 1961, S. 641 ff. (643); HansHeinrich Plickat, Die Schule als Instrument des sozialen Aufstiegs, 1959, S. 85 f.; Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 53 ff. ( = ders., Erziehung u n d B i l d u n g i n Schule u n d Gesellschaft, 1967, S. 107ff.); Franz Pöggeler, Der pädagogische Fortschritt u n d die verwaltete Schule, 1960, S. 9 f.; Albert Huth, Die Forderungen der Außenstehenden, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, 1959, S. 45 ff.; Günther Dohmen, Ist unsere Schule reformbedürftig?, ibid., S. 7 ff. 28 Benedikt Weißenrieder, Die Schulhoheit, 1953, S. 208; Weißenrieder befürwortet i m übrigen das Staatsschulwesen. 29 Vgl. hierzu auch die eingehende Analyse von Martin Baethge, A u s b i l dung u n d Herrschaft, 1970. 80 Vgl. insbesondere Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 53 ff. 31 Erich Weniger, D i d a k t i k als Bildungslehre, T e i l 1, Theorie der Bildungsinhalte u n d des Lehrplans, 4. A u f l . 1962, S. 43.

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

Wollte man darüber hinaus die Schule nur als „Produkt und Funktion der sie umgebenden gesellschaftlich-politischen Verhältnisse" begreifen, „so könnte sie keiner anderen Aufgabe dienen, als diese Verhältnisse zu perpetuieren und gutzuheißen; eine von der Schule ausgehende Überlegung zwecks gesellschaftlicher oder politischer Veränderungen zum Besseren wären unmöglich" 3 2 . So droht dem Schulwesen zum einen die Gefahr, daß administrative und politische Zielsetzungen das genuin Pädagogische überlagern, und zum andern, daß die Schule nur der Adaption und dem Utilitarismus dient. Dieses genuin Pädagogische, dieses Plus gegenüber der Synthese von gesellschaftlichem und staatlichem Anspruch ist i m Grunde die Bildungsaufgabe der Schule selbst. Schule ist eo ipso den Begriffen Erziehung und Bildung verhaftet, die nach traditionellem Verständnis zumindest als eine wie auch immer verstandene „Menschenbildung" inhaltlich fixierbar sind, denen immer ein „humanistisches" Element innewohnt. Gibt man diesen K e r n alles pädagogischen Bemühens auf, dann w i r f t man die abendländische Schulidee über Bord. Ein Gesetzgeber w i r d dies nicht können und nicht wollen und auch nach dem jeweiligen Landesverfassungsrecht nicht dürfen. Eine inhaltliche Schulgesetzgebung w i r d sich daher den wie auch immer verstandenen humanistischen Ideen von Bildung und Erziehung nie verschließen können. Sie w i r d diese Ideen als den Eigenbereich aller Bildungs- und Erziehungsarbeit durch einen entsprechenden Fächerkanon garantieren und so gegen politische und ökonomische Zugriffe schützen 33 . V I . Bildungswesen und Sozialwissenschaft Pichts Kassandra-Rufe von der „deutschen Bildungskatastrophe" 3 4 hat einen bereits brüchigen Stein ins Rollen gebracht. Seither ist das B i l dungswesen Gegenstand lebhafter öffentlicher Diskussion und geradezu hektischer kulturpolitischer A k t i v i t ä t . Die latente Krise ist offenbar geworden; das gesamte Bildungswesen scheint i n einem epochalen Umbruch begriffen; äußere Organisation und innere Gestalt des traditionellen Bildungswesens sind ins Wanken geraten; u m Neubestimmung w i r d gerungen. 32 Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (102). 33 Vgl. auch Fritz Werner, Schule u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, Z B R 1956, S. 372 ff. (375): „Steht die Schule i n der Gefahr der Politisierung, dann k a n n man daran denken, ob nicht die Schule einer Abstützung durch einen anderen Bereich bedarf. Dabei dürfte nicht zuletzt der Bereich des Rechts i n Betracht kommen." 34 Georg Picht, Die deutsche Bildungskatastrophe, Neudruck 1965.

V I . Bildungswesen u n d Sozialwissenschaft

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I n dieser D i s k u s s i o n u m das B i l d u n g s w e s e n w i r d eine neue w i s s e n schaftliche F r a g e s t e l l u n g i m m e r v e r n e h m b a r e r , die die W i r k l i c h k e i t d e r Schule, d e r e n O r g a n i s a t i o n w i e besonders d e r e n d i d a k t i s c h e G e h a l t e e m pirisch-wissenschaftlicher F o r s c h u n g u n t e r w i r f t : Es i s t dies die sozialwissenschaftliche B e t r a c h t u n g des B i l d u n g s w e s e n s . Sie scheint erst i n d e n A n f ä n g e n z u stehen, h a t sich aber doch i n verschiedene Teilbereiche a u s d i f f e r e n z i e r t , die m i t d e n S t i c h w ö r t e r n Soziologie des B i l d u n g s w e s e n s 3 5 , Ö k o n o m i e des B i l d u n g s w e s e n s , die w o h l v o n Edding 38 b e g r ü n det w o r d e n ist, u n d C u r r i c u l u m - F o r s c h u n g 3 7 angedeutet w e r d e n . Entsprechende Forschungsergebnisse w e r d e n i n z u n e h m e n d e m M a ß e d e r i m m e r u n a u s w e i c h l i c h e r w e r d e n d e n B i l d u n g s p l a n u n g 3 8 als G r u n d lage dienen. Je m e h r n u n aber das B i l d u n g s w e s e n i n B e w e g u n g g e r ä t u n d j e ungesicherter die sozialwissenschaftlichen E r k e n n t n i s s e h i e r ü b e r noch sind, desto p r o b l e m a t i s c h e r w i r d der B e r u f u n s e r e r Z e i t z u r Gesetzg e b u n g i m Schulbereich; l ä u f t m a n doch G e f a h r , eine l e b e n d i g e E n t w i c k l u n g f r ü h z e i t i g e r s t a r r e n z u lassen. Indes r u f t gerade die O f f e n h e i t a l l e r D i s k u s s i o n zu e i n e m v o l u n t a t i v e n A k t auf, der d a n n aber d e n j e w e i l i g e n wissenschaftlichen E r k e n n t n i s 35 Vgl. Helmut Schelsky, Schule u n d Erziehung i n der industriellen Gesellschaft, 6. Aufl. 1967; ders., Anpassung oder Widerstand, 1961; ders., Einsamkeit u n d Freiheit, 1963, S. 175 ff.; Hans Peter Widmaier, B i l d u n g u n d WirtschaftsWachstum, 1966; Hellmut Becker, Bildungsforschung u n d Bildungsplanung, i n : Wirtschaft u n d Wissenschaft, M a i / J u n i 1969, S. 33 ff.; Peter Roeder, Soziologie der Erziehung, i n : Pädagogik, hrsg. von Hans Hermann Groothoff, 3. Aufl. 1966, S. 314 ff.; Hansgert Peisert, Soziale Lage u n d Bildungschancen i n Deutschland, 1967; Hansgert Peisert - Ralf Dahrendorf, Der vorzeitige Abgang v o m G y m nasium, 1967; Ralf Dahrendorf, Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland, Neudruck 1971, S. 79 ff., 329 ff. 36 Friedrich Edding, Ökonomie des Bildungswesens, 1963. 37 Vgl. Becker, Bildungsforschung u n d Bildungsplanung; Saul B. Robinsohn, Bildungsreform als Revision des Curriculum, 3. A u f l . 1970; ders., Neue L e h r u n d Lerninhalte, i n : Manfred Brauneiser (Hrsg.), Attacken auf die Pädagogische Provinz, 1970, S. 65 ff.; Reform von Bildungsplänen, 1969; Herwig Blankertz, Theorien u n d Modelle der D i d a k t i k , 1969, S. 111 ff., 134 ff., 159 ff.; HannaRenate Laurien, Der Weg zum A b i t u r , 1970, S. 93 ff.; Jürgen Raschert, Reform des Curriculum, i n : Oberstufenreform und Gesamthochschule, hrsg. von CarlHeinz Evers u n d Joannes Rau, 1970, S. 1 ff.; Probleme der C u r r i c u l u m - F o r schung, 1969; Hans-Jochen Gamm, Kritische Schule, 1970, S. 131 ff.; Doris Knab, Lehrplanforschung, i n : Pädagogisches Lexikon, Bd. 2, 1970, S. 250 ff.; Hans Forster - Wilhelm J. Hachgenei (Hrsg.), Curriculumtheorie u n d Lehrplanentwicklung i n Rheinland-Pfalz, 1971; Frank Achtenhagen - Herbert L. Meyer (Hrsg.), Curriculum-Revision, Möglichkeiten u n d Grenzen, 1971; Wolf gang Klafki (Hrsg.), Erziehungswissenschaft, 2,1970, S. 74 ff. 38 Vgl. hierzu insbesondere die Modellstudie von Hans Peter Widmaier, B i l dung u n d Wirtschaftswachstum, 1966; vgl. auch August Rucker, Bildungsplanung — Versagen auch i n der Zukunft?, 1965; Becker, a.a.O.; Friedrich Edding, A u f dem Wege zur Bildungsplanung, 1970; Raimund Wimmer, Gewaltenteil u n g oder Gewaltenkooperation i n der Bildungsplanung?, i n : Zeitschrift f ü r Rechtspolitik, 1970, S. 199 f.; ferner: Theodor Wilhelm, Theorie der Schule, 2. A u f l . 1969, S. 199 ff.

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

stand nicht ignorieren darf und zu ständiger Revision bereit sein muß. Es ist i m Grunde die Verwissenschaftlichung der Welt, an der auch der Gesetzgeber nicht vorbei kann. V I I . Die Unabdingbarkeit der politischen Dezision Die Suche nach Autonomie des Bildungswesens, nach „Vorgegebenheiten", über die ein Gesetzgeber nicht verfügen kann und die daher auch nicht zur Entscheidung stehen, hatte insofern ein negatives Ergebnis, als die Indispositiva auf ein M i n i m u m beschränkt sind. Immerhin aber ist annähernd deutlich geworden, welche sachlichen Probleme der Gesetzgeber zu gewärtigen hat und die der politischen Entscheidung harren. Wissenschaft kann diese Entscheidung etwa durch Aufdeckung von sachlogischen Strukturen nicht determinieren: „Die tatsächlich vorfindbaren und miteinander kämpfenden Weltanschauungen und ihre schulpolitische Auswirkung lassen sich betrachtend darstellen, beschreiben, auf ihre innere (typische) Struktur und werthafte Konsequenz h i n verstehend analysieren. Soviel leistet die Wissenschaft für die Schulpolitik wie für jede praktische Politik. Was aber werden soll, ist nicht auf dem Wege der Betrachtung allein zu gewinnen, sondern durch verantwortliche Entscheidung und freie Tat 3 9 ." Wissenschaft „führt gleichsam immer nur den Moment der sittlichen Entscheidung heran" 4 0 . Sie schärft den Blick für das, was zur Entscheidung steht. Der Gesetzgeber kann daher dem Einbedenken wissenschaftlicher Erkenntnisse ebensowenig ausweichen wie der Entscheidung. Dies nach zwei Richtungen hin. 1. Die Offenheit des Schulwesens zur Entscheidung

Schule-halten ist hier als Entscheidung über die didaktischen Inhalte begriffen worden. Die Freiheit der Entscheidung w i r d durch etwaige Autonomien des Bildungsprozesses nur unwesentlich eingeschränkt. Daß Elementarbildung vonnöten ist, ist vorgegeben; daß ein Erziehungs- und Bildungsziel aufgestellt werden muß, ist unausweichlich: Das Bildungsziel selbst und die konkreten Inhalte aber stehen zur Disposition. Sie ergeben sich nicht aus dem Begriff der Erziehung, der Bildung, der Schule; die Didaktik zeigt nur Möglichkeiten auf, i m übrigen aber „sit pro ratione voluntas".

39 Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, 1928, S. 29; vgl. auch Arnd Morkel, P o l i t i k u n d Wissenschaft, 1967, insbesondere S. 100 ff. 40 Spranger, a.a.O., S. 29.

I . Die konstitutionellen Normen I : De

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2. Die politische Verantwortlichkeit des Gesetzgebers

Die politische Verantwortung liegt i n seiner Hand. Sie kann nicht — rechtlich oder faktisch — auf außerparlamentarische Gremien verlagert werden. Eine politisch nicht verantwortlichen Sachverstand, der die Entscheidungsbedürftigkeit aller didaktischen Inhalte unter einem Autonomiebegriff verschleiert, darf die Entscheidungsgewalt über das Bildungswesen einer Nation nicht eingeräumt werden. Es ist dies zugleich ein Aufruf an den Gesetzgeber, sich nicht zum Staatsnotar degradieren zu lassen, sondern die politische Verantwortung zu übernehmen. V I I I . Die konstitutionellen Normen I: Der Pluralismus Was den einfachen Schulgesetzgeber bindet, sind nicht nur die Sachstrukturen des Regelungsobjektes, ist nicht nur der Kampf der politischen Mächte, sondern ist auch der normative Anspruch der Verfassung. Die Verfassung des liberalen und demokratischen Rechtsstaates, der i m Grundgesetz und den Landesverfassungen eine mögliche Ausprägung gefunden hat, gebietet dem Staate und somit allein seinen Organen weltanschauliche Neutralität, die die Bedingung für die Existenz der pluralistischen Gesellschaft ist. 1. Pluriformität des Schulwesens

Da nun aber jedes konkrete Schule-halten einen Bezug zu den Weltanschauungsbegriffen Erziehung und Bildung hat, kann die staatliche Neutralität i m Schulwesen nur durch Pluriformität der Schulorganisation und des didaktischen Angebotes überhaupt gewahrt werden 4 1 . Verschreibt sich die Staatsschule einem einzigen Bildungsideal und Erziehungsziel und einer Uniformität der inneren und äußeren Schulorganisation, dann verletzt der Staat das Gebot der Neutralität, indem er Andersdenkende, die nicht einmal nur eine Minorität auszumachen brau41 Vgl. Franz Pöggeler, Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (116): „Das jeder Demokratie eigene F a k t u m der gesellschaftlichen Streuung u n d Mannigfaltigkeit verlangt nicht n u r nach Ausdruck i n der Rechtsgeltung des Prinzips des geistigen u n d sozialen Pluralismus, sondern auch darin, daß das Prinzip der P l u r i f o r m i t ä t zur M a x i m e f ü r die Gestaltung der Schulorganisation w i r d . " Ebenso Hellmut Becker, Quantität u n d Qualität, 1962, S. 324; Wilhelm Surwald, Das Erziehungsrecht der Eltern u n d des Staates nach dem Grundgesetz, Diss. Tübingen 1961, S. 207 f.; Karl Rothenbücher, Aufgaben u n d Grenzen des Staates i m Bereich des Bildungswesens, i n : Aufgaben u n d Grenzen der Staatstätigkeit i m Bildungswesen der Gegenwart, hrsg. von Georg Ried, 1931, S. 141.

12 Hennecke

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

chen, einem von ihnen nicht akzeptierten ideellen Anspruch unterwirft oder aber auf Privatschulen verweist. Es ist aber jedem Staatsorgan, auch dem Gesetzgeber, verwehrt, sich m i t einer weltanschaulichen Richtung zu identifizieren. Daher kann auf der höchsten Ebene der Erziehungsziele und Bildungsideale nicht durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluß einer Richtung das Monopol eingeräumt werden 4 2 ; soweit Verfassungen und Schulgesetze bislang derartige Ziele normieren, handelt es sich allerdings bestenfalls u m Formelkompromisse, die alle konkreten Entscheidungen offen lassen und insofern unproblematisch sind. Vielmehr muß die Ordnung der Bildungsgüter den Überzergungen der mannigfachen „Wertgemeinschaften" 48 proportional gerecht werden 4 4 ; diese gesetzlich zu schaffende Ordnung muß ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Kampfes der Geistesmächte sein. Die Pluriformität des Bildungswesens, die über die von Campenhausen kritisch beschriebene „Dreisäulentheorie" 45 gewiß hinausgehen sollte, fände dann ihren Ausdruck i n verschiedenartigen Schultypen m i t spezifischen Bildungszielen und Lehrplänen und einem vielgestaltigen didaktischen Angebot 4 6 . Hierbei schließt der Gedanke proportionaler Repräsentation es aus, daß bestimmte Geistesrichtungen aus der Schule verdrängt werden; insbesondere werden die überlieferten humanistischen Gehalte nicht eliminiert werden dürfen 4 7 . Die Pluriformität des Bildungswesens als der institutionalisierte A n tagonismus der Bildungsmächte 48 macht die Schule zur Vorschule der Demokratie. 42 Vgl. Hans Peters, Elternrecht - Erziehung - B i l d u n g - Schule, i n : Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbd., 1960, S. 369 ff. (399). 43 Terminus von Georg Kerscheinsteiner, vgl. etwa Theorie der Bildungsorganisation, 1933, S. 24, 99,100. 44 Vgl. Benedikt Weißenrieder, Die Schulhoheit, 1953, S. 226: „ . . . e r w ä c h s t dem Staat dadurch, daß allein er die Macht hat, die Pflicht, m i t seiner Rechtsorganisation dafür Sorge zu tragen, daß i m Schulwesen auch die spezifisch erzieherischen u n d seelebildnerischen Bildungsmächte zu einer proportionalen A u s w i r k u n g gelangen." 45 Axel Freiherr von Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 220: „Die Dreisäulen-Theorie bedeutet eine institutionelle Ordnung des deutschen Schulwesens nach den drei Weltanschauungsgruppen, Protestanten, Katholiken, Humanisten." 48 Es wäre zu untersuchen, wieweit die integrierte Gesamtschule ein solches Modell darstellt. 47 So Hans Bohnenkamp, Gesamtplan f ü r die deutsche Schule, i n : F r a n k f u r ter Hefte, 1959, S. 315 ff. (325); ähnlich Walter Rüegg, Humanistische B i l d u n g i n der demokratischen Gesellschaft, i n : Neue Deutsche Hefte, Heft 3, 1968, S. 35 ff. (50/51). 48 Vgl. Fritz Blättner, Das Gymnasium, 1960, der von der Schule als einem „ K a m p f p l a t z " spricht, „auf dem die Geistesmächte sich messen können, auf dem

V I I I . Die konstitutionellen Normen I : Der Pluralismus

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2. Die Suche nach einem Minimallehrplan

Auch die verschiedentliche Suche nach einem Minimallehrplan 4 9 geht von der Überzeugung aus, daß Bildungsinhalte Andersdenkenden nicht aufoktroyiert werden dürfen und daß daher, da ja nun doch einmal Schule gehalten werden muß, an der Schule nur solche Inhalte verbindlich gemacht werden dürfen, über die ein allgemeiner Consensus erreicht werden könne. Ob ein solches Consensminimum aber erzielt werden kann, erscheint äußerst fraglich. Wahrscheinlich wäre die Basis zu schmal, u m hierauf ein Schulsystem zu gründen. Dieser Consensus wäre i m übrigen nur i m Wege parlamentarischer Willensbildung feststellbar, was die hier vertretene Auffassung von der Legislativzuständigkeit für die Regelung schulischer Inhalte stützt. 3. Pluriformität und „Eingriff"

Es ließe sich indes einwenden, die hier geforderte Pluriformität des Bildungswesens hebe die Voraussetzungen für die Legislativzuständigkeit i m Schulbereich gleichsam rückwirkend auf: Gerade durch die Vielgestaltigkeit des Bildungsangebotes, die dem Individuum freie Wahl läßt, verlagert sich das Bildungswesen zunehmend zur Leistungsverwaltung hin, die gesellschaftliche Nachfrage befriedigt; die Wahlfreiheit zwischen allen Inhalten beraube das Schule-halten gerade seines Eingriffscharakters; das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität und der hieraus folgenden Pluriformität treffe i m übrigen Regierung und Verwaltung ebenso wie den Gesetzgeber. Dem ist dreierlei zu entgegnen. a) Der Einwand berührt nicht die grundlegende Feststellung, daß es zur Ordnung der Bildungsgüter einer Willensbildung bedarf. Die Pluridie jungen Seelen selbst lernen müssen, die inneren Spannungen ihrer Zeit i n der Tiefe u n d i n letzter Ehrlichkeit zu erkennen u n d sich i n geistige K r a f t zu verwandeln. Nicht Ausgleich ist das Ziel, nicht Friede zugunsten des einen oder des anderen Standpunktes, sondern Erkenntnis der notwendigen M e h r zahl der Standpunkte, von denen aus die Unendlichkeit der Welt u n d des Lebens angesehen u n d gemeistert werden m u ß " (S. 301/302). Ä h n l i c h Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, 1928, S. 38; Hellmut Becker, Quantität u n d Qualität, 1962, S. 324. 49 Vgl. Eugen Lemberg, Z u m bildungstheoretischen Ansatz der hessischen Bildungspläne 1956/57, i n : Reform von Bildungsplänen, 1969, S. 5 ff. (22); Hans Peters, Elternrecht - Erziehung - B i l d u n g - Schule, i n : BettermannNipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbbd., 1960, S. 369 ff. (S. 399: „ I n h a l t der B i l d u n g . . . als er noch als geistiges Allgemeingut aller anerkannt w i r d " ) ; Hellmut Thielicke, Staat u n d Erziehung, i n : Universitas, 1950, S. 7 ff. (S. 11: „Ideologisches Existenzminimum"); Carl-Heinz Evers, RWS 1961, S. 10 ff. (S. 10: „Programmatische Einigung auf Minimalbasis"); Karl Rothenbücher, Aufgaben u n d Grenzen des Staats i m Bereich des Bildungswesens, i n : A u f gaben u n d Grenzen der Staatstätigkeit i m Bildungswesen der Gegenwart, hsrg. von Georg Ried, 1931, S. 142. 12*

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

formität, die gewiß auch Ausdruck eines Sich-nicht-Entscheidens ist, setzt aber doch die Auseinandersetzung über ihre konkrete Gestalt voraus. Gerade das Ringen der Wertgemeinschaften i m Parlament, dem Forum demokratischer Willensbildung, schafft erst die Ordnung der Bildungsgüter i n Form des pluralistischen Kompromisses. b) Auch die Vielgestaltigkeit eines Bildungswesens m i t mannigfachen Wahlmöglichkeiten hebt den Anspruch des „objektiven Allgemeininteresses" i n der Staatsschule nicht auf. A u f einen gesetzlich zu bestimmenden Mindestkanon von Inhalten kann bei der Erteilung von Berechtigungen nicht verzichtet werden. Desgleichen bleibt dem Staate die Bestimmung der Leistungsanforderungen vorbehalten. Die spezifischen Elemente des Eingriffs bleiben somit bestehen. c) Auch das pluriforme Schulsystem ist Schule. Das aber heißt, daß auch i n dem jeweiligen Typus eine Selektion der Bildungsgüter stattfindet. Vielgestaltigkeit und Wahlfreiheit machen aus der Schule noch keine der Universität ähnliche Bildungsanstalt, deren Angebot prinzipiell unbegrenzt ist. Nur w i r d jetzt das System der Formung des jugendlichen Geistes komplexer und differenzierter. Ein umgreifender Erziehungsgedanke läßt sich auch aus den verschiedenen Schultypen und vollends nicht etwa aus einer integrierten Gesamtschule verbannen. Er ist als solcher m i t dem Schulbegriff gegeben; Schule-halten bringt eine inhaltliche Aktualisierung des Erziehungsbegriffes zwangsläufig m i t sich. Die sublimeren Formen des Eingriffs sind daher nach wie vor nicht eliminiert. I X . Die konstitutionellen Normen I I : Das „Recht auf Bildung" Obwohl das „Recht auf Bildung" expressis verbis und uneingeschränkt i n keiner Landesverfassung außer der von Nordrhein-Westfalen 50 garantiert wird, ist dieses Recht doch eine m i t mannigfachen politischen Intentionen erfüllte Triebfeder der bildungspolitischen Auseinandersetzung 51 . Dieses Recht auf Bildung erscheint als ein Grund- und Menschenrecht, das erst noch erkämpft werden muß und das sowohl der inhaltlichen Konkretisierung wie auch der umfassenden verfassungsdogmatischen Begründung harrt. Sollte sich aber, über die vorsichtigen Formulierungen

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A r t . 8 Abs. 1 S. 1. Vgl. insbesondere Ralf Dahrendorf, B i l d u n g ist Bürgerrecht, 1966; kritisch: Gabriele Wülker, Sozialgesetzgebung u n d Bildungsanspruch, i n : B i l d u n g und Sozialordnung, 1959, S. 37 ff. 51

I X . Die konstitutionellen Normen I I : Das „Recht auf B i l d u n g "

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der Verfassung von Baden-Württemberg 5 2 , Bayern 5 3 und Bremen 5 4 und das Schweigen der übrigen Landesverfassungen hinweg, ein allgemeines Grundrecht auf Bildung auf Bundesebene etablieren lassen, wozu insbesondere das Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention 55 und die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen 5 6 wegen A r t . 25 GG Anlaß und Begründung geben könnten, dann stellt sich die Frage, welcher positive Inhalt diesem Recht zukommen und welchen Einfluß es daher auf eine materielle Schulgesetzgebung ausüben könnte. 1. „Autonomie" als Implikation des „Rechtes auf Bildung"?

Ein „Recht auf Bildung" ist geradezu dafür prädestiniert, zum Einfallstor von Autonomie-Ansprüchen zu werden. Denn ein Recht auf Bildung hat überhaupt nur dann materiellen Gehalt, wenn das, was unter B i l dung verstanden wird, hinlänglich feststeht. Da dies aber nun gerade nicht der Fall ist, sondern jeweils konkret entschieden werden muß, scheint ein Individualrecht auf Bildung angesichts der staatlichen Schulträgerschaft leerzulaufen: Jeder hat das Recht auf Bildung; aber was Bildung ist, bestimmt der Staat. U m nun aber das Recht auf Bildung vor diesem Leerlauf zu bewahren, melden sich Ansprüche der Eltern, der Erzieher, der Schüler, der Wertgemeinschaften an: Gerade das Recht auf Bildung bedinge die Autonomie derer, die es m i t der Schule zu t u n haben; wer das Recht auf Bildung hat, muß auch die Inhalte der Bildung bestimmen dürfen. Eine solche Argumentation bleibt indes i n überholten Frontstellungen stecken. Der „Staat" ist nämlich nicht eine dem Individuum als Exponenten der Gesellschaft entgegentretende originäre Herrschaftsmacht, sondern Integrationsform eben dieser Gesellschaft selbst. Das Individuum 52 A r t . 11 Abs. 1; vgl. hierzu Kurt Göbel, Die Verfassung des Landes BadenWürttemberg, 1953, S. 37: „Entgegen dem weiterführenden Gedanken, das Recht auf B i l d u n g festzulegen, hat sich die Verfassung m i t Recht m i t der jetzigen bescheideneren Formulierung begnügt, da die B i l d u n g etwas Persönlichkeitsautonomes ist, f ü r das der Staat nicht die Verantwortung übernehmen k a n n " ; Dahrendorf, a.a.O., S. 23: „Doch trägt diese Formulierung des Bürgerrechtes, auf das es ankommt, allzu deutlich die Spuren der sozialen Frage des 19. Jahrhunderts." 53 A r t . 128 Abs. 1. 54 A r t . 27; hier ist das Recht auf B i l d u n g ausdrücklich ein Gleichheitsrecht u n d hat somit i n erster L i n i e eine soziale Zielsetzung. 55 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten v o m 20. März 1952, A r t . 2: „Das Recht auf B i l d u n g darf niemandem verwehrt werden", i n : BGBl. 1952, I I , S. 1880 u n d Sartorius I I , L e i t zahl 42 c. 58 Allgemeine E r k l ä r u n g der Menschenrechte, verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dez. 1948, A r t . 26 Abs. 1: „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung", i n : Sartorius I I , Leitzahl 41.

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

ist i m Prinzip dem Willen des Staates nicht ausgeliefert, sondern an dessen Bildung selbst beteiligt; alles, was es vom Staate empfängt, hat es durch unmittelbar oder repräsentative Beteiligung an der Staatswillensbildung selbst bestimmt. Diese Staatswillensbildung vollzieht sich i n der parlamentarischen Demokratie i n der Volksvertretung. Da nun aber die Volksvertretung zur gesetzlichen Fixierung dessen, was Bildung sein soll, berufen ist, löst sich auf diese Weise der Konflikt zwischen individuellem Anspruch an das Bildungswesen und der Notwendigkeit von dessen universaler Organisation durch den Staat. Die „Autonomie" bei der Bestimmung des Bildungsinhaltes ist eingebunden i n die formalisierte Willensbildung des Staates. Das individuelle Recht auf Bildung läuft daher nicht leer, muß sich aber einer inhaltlichen Bestimmung i m Wege des demokratischen Gemeinschaftskompromisses (den übrigens auch keine institutionalisierte Autonomie umgehen kann!) unterwerfen: Jeder hat das Recht auf Bildung; daher bestimmt, was B i l dung ist, das Parlament. 2. Der Inhalt des „Rechtes auf Bildung"

Mehr ist allerdings aus einem Grundrecht auf Bildung nicht herzuleiten. Insbesondere entfaltet ein derartiges Grundrecht keine Bindungswirkungen gegenüber dem Gesetzgeber i m Hinblick darauf, wie ein inhaltliches Schulgesetz auszusehen hat. Denn sonstige Inhalte eines Rechtes auf Bildung betreffen nur den status negativus und den status positivus der Staatsbürger. a) Zum ersteren sei festgestellt, daß das Recht auf Bildung eine Emanation des allgemeinen Freiheitsrechtes ist: Niemand darf gehindert werden, an dem allgemeinen geistigen Kommunikationsprozeß einer Gesellschaft teilzunehmen, den Lorenz von Stein „Allgemeine B i l d u n g " 5 7 genannt hat und der i m eingerichteten Schulsystem keinesfalls aufgeht. b) Der status positivus gewährt dem Staatsbürger ein Sozialrecht auf Bildung, was denn w o h l auch die eigentliche Zielrichtung des Rechtes auf Bildung darstellen dürfte. Jedermann hat Anspruch, i n das öffentliche Schulwesen aufgenommen und dort nach Maßgabe seiner Begabung gefördert zu werden 5 8 .

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Verwaltungslehre, T e i l V, 1868, S. 6. Weiter noch geht Eckehart Stein, Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 41: „Wenn die vorhandenen Bildungseinrichtungen überfüllt sind, darf der Staat gleichwohl nicht einem K i n d e die i h m gemäße Ausbildung verweigern. E r hat vielmehr rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, u m sicherzustellen, daß jeder die Schule seiner W a h l besuchen kann, sofern er hierfür genügend qualifiziert ist." 58

X . Die konstitutionellen Normen I I : Das

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X. Die konstitutionellen Normen I I I : Das Elternrecht Es wäre an dieser Stelle ebenso aussichtslos wie wohl auch überflüssig, das Problem des Elternrechtes referieren zu wollen oder gar Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen 59 . Einige wenige Hinweise mögen angesichts der hier begrenzten Fragestellung genügen. 1. Das Elternrecht als Teilnahmerecht an der Staatswillensbildung

Wenn die Ordnung der Bildungsgüter an den staatlichen Schulen nur kraft formeller Rechtsetzung geschaffen werden kann, dann verbietet sich von vorneherein ein etwa aus dem Elternrecht hergeleitetes außerparlamentarisches Mitbestimmungsrecht der Eltern über die Inhalte der Schule. Solange die Schule Veranstaltung des Staates ist, ist jede Willensbildung i n der Schule Staatswillensbildung, die ausschließlich dem verfassungsrechtlichen Systemzwang unterliegt. Es kann neben dem Gesetzgeber keine Instanz etabliert werden, die formelle Gesetze maßgebend mitbestimmt und so das Gesetzgebungsmonopol der Legislativgewalt durchbricht. Aus A r t . 6 GG und den entsprechenden Landesverfassungsartikeln ist eine solche Durchbrechung nicht zu entnehmen. Das Elternrecht geht insofern gänzlich i n der allgemeinen Staatswillensbildung auf. Es darf allerdings die Behauptung gewagt werden, daß sich durch die Hereinnahme der inneren Schulangelegenheiten i n die parlamentarische Diskussion und Gesetzgebung das Problem des Elternrechtes entschärft, indem jene Polarisierung — hie Kultusministerium als „Staat", dort Eltern — aufgehoben w i r d zugunsten einer unmittelbaren demokratischen, wenn auch nur repräsentativen Mitbestimmung der Eltern i n der Volksvertretung. 2. Wahlfreiheit und Recht zur Erziehung als Inhalte des Elternrechts

Damit w i r d allerdings das grundgesetzlich und landesverfassungsrechtlich garantierte Elternrecht eines spezifischen Sinngehaltes beraubt. 59 Aus der L i t e r a t u r : Theodor Maunz, i n : Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Hdnr. 40 ff. zu A r t . 7; Ottmar Friedrich, Die Erziehungsrechte der Eltern, des Staates u n d der Kirche i n der Volksschule, Diss. M a r b u r g 1958; Hans Peters, Elternrecht - Erziehung - B i l d u n g - Schule, i n : BettermannNipperdeyScheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Hbbd. 1960, S. 369 ff.; Hans Hechel, Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 182 ff.; Paul Fleig, Das E l t e r n recht i m Bonner Grundgesetz, 1953; Wilhelm Surwald, Das Erziehungsrecht der Eltern u n d des Staates nach dem Grundgesetz, Diss. Tübingen 1961; Ingeborg Röbbelen, Z u m Problem des Elternrechts, 1966; Erwin Stein, Das M i t spracherecht der Eltern, i n : Probleme einer Schulrefomr, 1959, S. 56 ff. Eine Zusammenstellung der positiven Rechtsgrundlagen des Elternrechts i n den Bundesländern bringt Friedrich Lehmann, Das Elternrecht i n der moder-

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5. Kap.: Vorgegebenheiten u n d Grenzen

Indes ist hiermit lediglich eine Grenze abgesteckt worden, über die das Elternrecht nicht hinaus kann. I n anderer Richtung entfaltet es durchaus Wirkungen, die den Schulgesetzgeber kraft Verfassungsrechtes binden, die für die anstehende Fragestellung aber von geringerer Bedeutung sind. Das Elternrecht ist i n erster Linie dem Begriff der Erziehung zugeordnet. Seine Stoßrichtung zielt daher nicht so sehr auf die Mitbestimmung über die Bildungsgüter ab, sondern auf die Grundintention der Schule als Erziehungsanstalt überhaupt. Von daher ergibt sich zwangsläufig eine Konkurrenz von Eltern und Staat i m Schulwesen. Da nun aber Erziehung vornehmste Aufgabe der Eltern und Sache des unverletzlichen individuellen Gewissens ist, folgt aus der Verfassung das Gebot an den Schulgesetzgeber, die Schule inhaltlich und organisatorisch so zu gestalten, daß i n ihr das religiöse oder allgemein weltanschauliche Bekenntnis von Eltern und Schülern seinen Niederschlag findet. Dies mag durch das Angebot von Religionsunterricht, durch die Einrichtung von Konfessionsschulen und die Förderung von Privatschulen oder wie auch immer geschehen; die konkrete Ausgestaltung des Elternrechtes ist jeweils Ausdruck der politischen Konstellation und Gegenstand unabweisbarer politischer Entscheidung. Darüber hinaus aber folgen aus dem Rechte der Eltern, die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, einzelne Freiheitsrechte. Den Eltern muß freie Wahl zwischen den Schultypen und gegebenenfalls i n einer Gesamtschule zwischen den Bildungsangeboten zugestanden werden. Insbesonderr muß es den Eltern frei stehen, zu bestimmen, ob und wie lange ihr K i n d eine weiterführende Schule besucht. Es ist, wie auch Eckehart Stein 80 angedeutet hat, dem Staate verwehrt, zwangsweise eine positive Begabtenauslese zu betreiben 61 . Aus dem Elternrecht w i r d sich ferner ein Mitspracherecht der Eltern i n konkreten, meist auch individuellen Erziehungsfragen ergeben. M i t der Bestimmung didaktischer Inhalte hat dies allerdings nichts zu tun. 3. Die Elternbeiratsgesetze

Dieses Mitspracherecht ist i n den Elternbeiratsgesetzen 62 bereits institutionalisiert. Ein effektives Mitwirkungsrecht sogar bei rein administrativen Maßnahmen der Schulverwaltung w i r d den Elternvertretungen nen Volksschule, 1969. Kritisch analysiert w i r d das Elternrecht aus soziologischer Sicht von Rolf Dahrendorf, Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland, Neudr. 1971, S. 329 ff. 60 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 20 f. 61 So auch das U r t e i l des Hamburger Oberverwaltungsgerichts v o m 16.4. 1953, M D R 1953, S. 504 f. = DVB1. 1953, S. 506 f.; Erwin Stein, i n : Georg August

X . Die konstitutionellen Normen I : De

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hierin nicht eingeräumt; u m so weniger kann dies bei einer förmlichen Schulgesetzgebung der Fall sein. Es w i r d die Aporie der Elternbeiräte bleiben, daß der formaldemokratische Aufwand, durch den sie bestellt werden, i m Grunde nur ihre Bedeutungslosigkeit verhüllt. X I . Die konstitutionellen Normen I V : Der Föderalismus Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung, daß der gesamte K u l tusbereich der Landeshoheit unterfällt, bestimmt maßgeblich die Schulund Bildungspolitik. Die schulpolitische Auseinandersetzung gewinnt i n des i n zunehmendem Maße einen antiföderalistischen Akzent: Theorie und Praxis des Kulturföderalismus werden einer zu Recht immer populärer werdenden K r i t i k unterzogen 63 . A u f diese K r i t i k soll hier nicht eingegangen werden; ein neuer Ansatzpunkt aber w i r d ihr gegeben. Denn die Verlagerung der Entscheidungsgewalt über die innere Struktur der Schule von den Kultusministerien auf die Landesparlamente muß die Stellung der Kultusministerkonferenz nachhaltig beneinflussen. Es dürfte fraglich sein, ob diese Instanz die erforderliche Koordination der Landesparlamente w i r d leisten können. W i l l man das Grundgesetz nicht ändern, w i r d man hier nach neuen politischen Lösungen suchen müssen. Denn eine Koordination von elf Landesparlamenten ist notwendig. Die Detailregelung eines so komplexen Bereiches wie der didaktischen Inhalte an den öffentlichen Schulen durch die jeweiligen Landesparlamente würde vor allem auch die „landsmannschaftlichen" Eigenheiten der Länder noch stärker hervortreten lassen; denn der Gesetz gewordene Lehrplan ist der Idee nach ja gerade das Spiegelbild der Konstellation der Bildungsmächte i n einem Land und somit auch Resultat der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse. So stellt sich das Problem des Kulturföderalismus i n erneuter Schärfe.

Zinn - Erwin Stein, Die Verfassung des Landes Hessen, 1. Bd., 1954, A n m . 4 zu A r t . 55, S. 275. 62 Vgl. etwa das Landesgesetz über Elternbeiräte von Rheinland-Pfalz v o m 18.11.1965, GVB1. 1965, S. 229; vgl. hierzu den Reformentwurf der S P D - L a n d tagsfraktion i n : Landtag Rheinland-Pfalz, 6. Wahlperiode, Drucksache VI/808, 1968. 63 Vgl. etwa Georg Picht, Die deutsche Bildungskatastrophe, Neudr. 1965, S. 32 f., 146 f.; der kritische Report von Hildegard Hamm-Brücher (Auf Kosten unserer Kinder?, 1965) k u l m i n i e r t i n den Aphorismus: „ M i t elf Provinzen ist k e i n Staat zu machen" (S. 114). Abwägend: Hans Hechel, Schulrecht und Schulp o l i t i k , 1967, S. 76 f.

Sechstes Kapitel

Modelle einer Schulgesetzgebung Die Forderung, daß die Ordnung der Bildungsgüter am öffentlichen Schulwesen nicht durch ministeriellen Erlaß, sondern durch Gesetz geschaffen werden müsse, hat das derzeit bestehende Staatsschulsystem vorausgesetzt. Die gleichwohl postulierte grundlegende Veränderung innerhalb dieses Systems durch eine inhaltliche Schulgesetzgebung gibt jedoch Anlaß, die gegenwärtige staatliche Schulträgerschaft erneut zu bedenken, insbesondere danach zu fragen, ob und wie weit eine grundlegende Neuordnung der inneren und äußeren Schulorganisation den verschiedenen Autonomieforderungen Rechnung tragen soll. Diese Frage ist eine politische. Dies bedeutet indes nicht, daß eine mögliche A n t w o r t willkürliche Dezision wäre; sie ist i m Gegenteil das Ergebnis einer Abwägung der Argumente, denen naturgemäß unterschiedliche Durchschlagskraft zukommt, gleichwohl aber letztlich Ausdruck bekennender und verantwortlicher Entscheidung. Versucht man, den oft undifferenzierten Autonomievorstellungen präzise Gestalt zu geben, dann lassen sich idealtypisch etwa zwei Modelle einer Schulorganisation formulieren, denen das hier vertretene entgegengesetzt werden soll. I. Staatliche Schulfinanzierung und gesellschaftliche Inhaltsbestimmung 1. Bestimmung der Inhalte durch gesellschaftliche Kräfte

Zunächst ist denkbar, daß sich der Staat — sei es das Parlament, sei es die Kultusverwaltung — gänzlich aus der Schule zurückzieht, also auf eine Bestimmung der didaktischen Gehalte überhaupt verzichtet, ohne doch zugleich seine Schulträgerschaft aufzugeben: Die Festlegung der didaktischen Inhalte fällt dann den m i t der Schule befaßten Geistesmächten zu, während die Bereitstellung der äußeren M i t t e l dem Staate fernerhin obliegt. So etwa würde man sich die von Hellmut Becker 1 und 1 Insbesondere: Die freie Schule i n der modernen Gesellschaft, i n : Erziehung u n d Politik, hrsg. von Hellmut Becker - Willi Eichler - Gustav Heckmann , 1960, S. 144 ff. (147); ders., Schule u n d Verwaltung, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 107 ff. (115).

I. Staatliche Finanzierung u n d gesellschaftliche Bestimmung

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mehr noch von Pöggeler 2 geforderte „freie Schule" vorzustellen haben, die ja gerade nicht Privatschule sein soll; ebenso sähe ein Schulsystem aus, i n dem die Eltern allein die Schulform bestimmen, wie etwa Fleig 3 es postuliert. Staatliche Schulorganisation und Schulfinanzierung einerseits und gesellschaftliche Inhaltsbestimmung andererseits entspricht i m übrigen genau dem Modell, das das Bundesverfassungsgericht i n subtiler Distinktion analog für die Fernsehanstalten entwickelt hat 4 . Eckehart Stein 6 scheint sich bei seiner Forderung nach Selbstverwaltung i m Schulbereich hieran zu orientieren. 2. Die Problematik

Einem derartigen Schulsystem stehen jedoch schwerwiegende Bedenken entgegen. Die Schule ist keine Fernsehanstalt, sondern ein überaus komplexer Sozialkörper. Das Fernseh-Urteil kann daher für eine gesetzliche Schulorganisation nicht Pate stehen: Was hier verglichen wird, ist wesensverschieden. Der Rückzug des Staates aus der Schule würde diese der zentralen Willens- und Entscheidungsinstanz berauben. Dieses Vakuum muß aufgefüllt werden, soll sich Schule nicht i n faktischer Privatisierung und endlosen Debatten von sich berufen fühlenden Gremien auflösen oder gar i n politischen Machtkämpfen zerreiben 6 . Die gesetzliche Übertragung der Entscheidungsgewalt auf eine oder mehrere außerstaatliche Instanzen wäre daher unabdingbar. a) Diese Instanzen müßten ihrerseits wiederum erst konstituiert werden: Man kann nicht schlechtweg den „Eltern" die Entscheidungsbefugnis übertragen. Die Elternschaft bedarf gleichsam erst der politischen Formierung; eine Organisation der Willensbildung ist erforderlich. I n den demokratisch gewählten Landeselternbeiräten ist eine derartige Organi2

Franz Pöggeler , Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 91 ff. (114 f.); kritisch zur Schulfreiheit: Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. Aufl. 1969, S. 135 f. 3 Paul Fleig, Das Elternrecht i m Bonner Grundgesetz, 1953, passim. 4 sog. „Fernseh-Urteil", B V e r f G E 12,205 ff. 5 Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule, 1967, S. 56. 6 A l s historische Reminiszenz zur Unterrichtsfreiheit vgl. die Äußerung von Theodor Waitz: „Durch die geeignete Ausübung (des) Aufsichtsrechtes vermag sich der Staat hinreichend zu schützen vor den destruktiven Tendenzen solcher Korporationen, i n deren Hände man den Schulunterricht fallen zu sehen fürchtet, w e n n vollkommene Unterrichtsfreiheit als Prinzip anerkannt w i r d . " (Theodor Waitz , Welchen A n t e i l soll der deutsche Reichstag an der Organisation des Unterrichtswesens nehmen?, 1848, i n : ders., Allgemeine Pädagogik u n d kleine pädagogische Schriften, hrsg. von Otto Gebhardt , 1910, S. 345 ff., 351.)

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

sation bereits geschaffen, und es eröffnet sich daher die Möglichkeit, diesen Beiräten die Entscheidungsgewalt anzuvertrauen. Problematisch ist hierbei, wie der vom Elternbeirat festgelegte Lehrplan i n den Schulen durchgesetzt werden soll; möglich ist dies nur durch die dem Ministerium gegenüber weisungsgebundenen Lehrer. Folglich muß die Beziehung zwischen Elternbeirat und Ministerium gesetzlich geregelt werden. Man w i r d möglicherweise auch nicht umhin können, den Elternbeiräten einen öffentlich-rechtlichen Status zu verleihen. A u f diese Weise aber kommt das Recht, das durch den lauten Ruf nach der „freien Schule" zum Hauptportal hinausgetrieben worden ist, zur Hintertür wieder herein. Ganz abgesehen davon ist die verfassungsrechtliche Einordnung eines solchen Modells, i n dem die Schule als gleichwohl noch öffentlich-rechtliche Anstalt von einer außerstaatlichen Instanz inhaltlich bestimmt wird, noch völlig offen. Es scheint allerdings verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Inhalte staatlicher Verwaltung, die an sich der Fixierung durch den Gesetzgeber bedürften, von einem außerparlamentarischen Schattenparlament festgelegt werden. b) Es bietet sich eine weitere Scheinlösung an: Es ist die der Überantwortung der Entscheidungsgewalt an die „Pädagogik". Dies aber kann ein Mehrfaches bedeuten. aa) Zunächst wäre eine absolute „pädagogische Freiheit" des Lehrers i n der Auswahl der Gegenstände und der Methode denkbar, würde aber praktisch jede A r t von Schulorganisation und Bildungsplanung unmöglich machen. Das Schulchaos wäre das Ende. Es bedarf also der Koordination und Integration der individuellen Autonomie der Lehrer. Rumpf 7 hat daher für die einzelnen Schulen „pädagogische Konferenzen" vorgeschlagen, die den Charakter der einzelnen Schule unter anderem durch die Lehrplanfestlegung bestimmen sollen. Dieser Vorschlag würde indes die von Rumpf selbst so beklagte „ M i sere der höheren Schule" vollenden. Eine hoffnungslose Zersplitterung wäre die Folge, die für die Industrie- und Leistungsgesellschaft, der die Schule nun doch auch verpflichtet ist, nur verhängnisvoll sein kann. U m diese negativen Konsequenzen zu vermeiden, müßten die „pädagogischen Konferenzen" ihrerseits wieder rechtlich koordiniert werden, damit wenigstens auf Landesebene die Einheitlichkeit gewahrt wäre. Das Ergebnis wäre dann aber, daß der Lehrplan an den öffentlichen Schulen eines Landes von der Gesamtheit der beamteten Lehrer erlassen w i r d : Ein Ergebnis, das sich vom Erlaß der Lehrpläne durch die ministerielle 7 Horst Rumpf, 40 Schultage — Tagebuch eines Studienrats, 2. A u f l . 1966, S. 143; ebenso ders., Die Misere der höheren Schule, 1966, S. 163 f.

I. Staatliche Finanzierung u n d gesellschaftliche Bestimmung

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Exekutivspitze nur durch die größere Breite der verwaltungsinternen Willensbildung, durch eine Verlagerung gleichsam nach unten, unterscheidet. Dieser Unterschied ist jedoch kaum geeignet, die Verfassungswidrigkeit der verwaltungsinternen Normsetzung i m didaktischen Bereich zu beseitigen. Denn die Schule ist nicht u m der Lehrer, sondern u m der Schüler w i l l e n da 8 . I m übrigen hätte eine derartige Regelung nur den Schein des Demokratischen, i n Wahrheit aber widerspräche sie dem demokratischen Prinzip. Wenn eine Normsetzungsbefugnis — sei es kraft originären Rechts, sei es kraft einer gesetzlichen Ermächtigung — der Exekutive schon zukommt, dann muß dieser Befugnis eine parlamentarische Verantwortlichkeit entsprechen. Parlamentarisch verantwortlich ist regelmäßig die Regierung, und nur sie allein. W i r d die Sachentscheidung, die zwangsläufig eine politische ist, aber statt von der verantwortlichen und abberufbaren Regierungsspitze von der Gesamtheit der Beamten oder von deren Vertretern getroffen, dann entfällt auf Grund des derzeitigen Beamtenstatus die parlamentarische Verantwortlichkeit und somit ein Fundamentalprinzip der Demokratie 9 . bb) Überantwortung der Entscheidung an die Pädagogik kann ferner bedeuten, daß der Erziehungswissenschaft oder präziser ihren exponierten Vertretern die Bestimmungsgewalt über die didaktischen Inhalte zugesprochen wird. Die Erziehungswissenschaft selbst kann die Entscheidungen nicht fällen; sie sind nicht Resultat freier wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Die Entscheidungen können nur einem Sachverständigengremium obliegen. Doch auch dieser Sachverständigenrat muß erst rechtlich konstituiert werden. Doch damit nicht genug: Seine Voten bedürfen erst noch der Umsetzung i n den innerschulischen Bereich; hierbei wäre dann gesetzlich zu klären, welche Rechtsqualität den Entscheidungen und Entwürfen des Sachverständigenrates zukommen soll: Sind sie nur Vorschläge, denen das Ministerium erst Rechtsgeltung verleiht, dann bleibt alles beim alten; sind sie jedoch i n irgendeiner Weise verbindlich und für die Rechtswirkung des Lehrplans konstitutiv, dann würde das staatliche Schulsystem von einer demokratisch nicht legitimierten und niemandem gegenüber verantwortlichen Instanz beherrscht. I n der Tat: 8 Vgl. die w o h l nicht ganz ressentimentfreie Äußerung von Karl Rothen bücher: „Die Lehrerschaften möchten den von ihnen geleiteten Zweig des Bildungswesens nach Möglichkeit allein beherrschen ... Die Lehrer glauben, allein die Sachkunde u n d damit die eigentliche Legitimation zur Leitung des Bildungswesens zu besitzen." (Aufgaben u n d Grenzen des Staates i m Bereich des Bildungswesens, i n : Aufgaben u n d Grenzen der S t a a t s t ä t i g k e i t . . . , hrsg. von Georg Ried , 1931, S. 14/15.) 9 Vgl. hierzu auch Werner Thieme, Empfiehlt es sich, das Beamtenrecht unter Berücksichtigung der Wandlungen von Staat u n d Gesellschaft neu zu ordnen?, Gutachten für den 48. Deutschen Juristentag, 1970, S. 57.

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

I m Gegensatz zu den demokratisch gewählten Elternbeiräten entbehrte ein Sachverständigengremium aus Erziehungswissenschaftlern der demokratischen Legitimation. Denn wer über andere bestimmt, muß von diesen eingesetzt sein, d.h., seine Bestimmungsgewalt muß i n einem demokratischen Legitimationszusammenhang stehen 10 . Einer solchen demokratischen Berufung kann sich ein pädagogischer Sachverständigenrat, dessen Zusammensetzung durch mancherlei Gründe bestimmt wird, nicht berühmen. Wissenschaftliche Autorität ist nicht schon demokratische Legitimation. Dies käme der Kapitulation der Politik vor dem Sachverstand gleich. Allerdings wäre zu bedenken, ob nicht der insbesondere von Herbert Krüger entwickelte Gedanke der „Unabhängigkeit" 1 1 i n diesem Zusammenhang fruchtbar gemacht werden könnte. Wenn es — wie i m Schulwesen — darum geht, „von einem Sachbereich bestimmte ,fremde' Wertgesetzlichkeiten fernzuhalten und i h n auf gewisse ,eigene4 Wertgesetzlichkeiten festzulegen" 12 , dann eröffnet sich die Möglichkeit, die Verwaltung dieses Sachbereiches aus der staatlichen Ämterhierarchie herauszunehmen und „gewissermaßen Immunitäten von Ämtern, Amtsträgern und Amtstätigkeit zu schaffen, i n die überhaupt oder teilweise einzudringen der Staatsgewalt verwehrt ist" 1 3 . Als Beispiel hierfür führt Krüger i n erster Linie die Rechtspflege, dann die Staatsbanken, Universitäten und Prüfungskommissionen an. I n analoger Anwendung dieses Gedankens könnte nun gerade die Konstituierung eines Sachverständigengremiums, wie es oben kritisiert worden ist, gerechtfertigt erscheinen. Es ist hierbei aber weder ausgemacht, daß die „Wertbestimmtheit", unter die man die Schule von Verfassungs wegen gestellt hat und die daher „einer Veränderung entweder durch die Staatsgewalt überhaupt oder durch gewisse Arten ihrer Äußerung entzogen sein soll" 1 4 , gerade i n einer konsequenten Pädagogisierung der Schule besteht, noch ist die Gefahr gebannt, daß sich ganz bestimmte pädagogische und didaktische Lehrmeinungen auf dem Wege über die „Unabhängigkeit" auch noch institutionell verfestigen und etablieren; hiermit wäre der Demokratie kein Dienst erwiesen, sondern ihrem Gegenteil Vorschub geleistet. Vor allem aber ist das Institut der „Unab10 Ä h n l i c h auch Horst Harnischfeger - Gerhard Heimann, Rechtsfragen der Gesamtschule, 1970, S. 18 f. (20). 11 Allgemeine Staatslehre, 2. A u f l . 1966, S. 844 f. Eine ähnliche Konzeption scheinen gerade f ü r die Schule Horst Harnischfeger u n d Gerhard Heimann (Rechtsfragen der Gesamtschule, 1970) zu entwickeln, indem sie f ü r den Lehrer einen weisungsfreien Raum ausgrenzen u n d m i t der Verfassung f ü r vereinbar halten (S. 16 f.). 12 a.a.O., S. 845. 18 a.a.O., S. 844. 14 a.a.O., S. 845.

I I . Das Bildungswesen als Selbstverwaltungskörperschaft

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hängigkeit" für Bereiche entwickelt worden, i n denen es u m materielle Verwaltung oder — wie i n der Rechtspflege und dem Prüfungswesen — u m Einzelfallentscheidungen geht. Die Entscheidung über die didaktischen Inhalte i m öffentlichen Schulwesen aber ist Normsetzung i n größtem Umfange. A l l e Unabhängigkeit aber i m Normsetzungsverfahren ist auf die Abgeordneten des Parlamentes monopolisiert. Denn sie allein sind hierfür i m Vollbesitz demokratischer Legitimation. I I . Das Bildungswesen als Selbstverwaltungskörperschaft 1. Der Entwurf einer Selbstverwaltung des Bildungswesens

Von vielleicht präziseren Vorstellungen lassen sich diejenigen Autoren leiten, die für eine Selbstverwaltung des Bildungswesens eintreten 1 5 . Diese Selbstverwaltung w i r d gern zu den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften i n Analogie gesetzt, kann sich aber kaum etwa auf sonstige Genossenschaften des öffentlichen Rechtse als Vorbilder berufen. Es ist allerdings verblüffend, wie sehr die Vertreter dieses Modells i n ihrer Fixierung auf Freiheit vom Staat das zentrale Problem der Willensbildung über die didaktischen Inhalte anscheinend schlicht übersehen und somit i m Grunde ihre eigene Intention verfehlen. N u n mag dies daran liegen, daß ein konsequent und detailliert ausgearbeitetes Selbstverwaltungsmodell noch nicht entworfen worden ist 1 6 . Immerhin aber ließe sich dieser Mangel gerade auch von der Idee der Selbstverwaltung her leicht beheben: Die Lehrpläne werden dann von der Gesamtheit der Stimmberechtigten oder von ihrem etwaigen Repräsentativorgan nach vorhergehender Diskussion etwa als Satzung verabschiedet. Gerade hieri n lägen Chance und Wert der Selbstverwaltung des Bildungswesens; denn die Koinzidenz der Vertretung von „Schulvolk" und dem Staatsvolk insgesamt i m Parlament wäre durch eine isolierte Autonomie derer, 15 Vgl. etwa Leonhard Froese, Schule u n d Gesellschaft, 1962, S. 59; Franz Pöggeler, Der pädagogische Fortschrit u n d die verwaltete Schule, 1960, S. 46 f. (anders aber oben A n m . 2); Heinz Kloss, Lehrer - Eltern -Schulgemeinden, 1949, passim; Horst Rumpf, Die Misere der Höheren Schule, 1966, S. 163 f.; Eckehart Stein, Das Recht des Kindes auf Selbstverwaltung i n der Schule, 1967, S. 56 (speziell hiergegen: Hans Heckel, Schule u n d Schulverwaltung als Aufgabe der Verwaltungspolitik, D Ö V 1968, S. 371 f., 372 A n m . 5); Otto Dibelius, Grenzen des Staates, 1949, S. 101; Ernst von Hippel, Schulverfassung u n d Demokratie, DÖV 1950, S. 601 f. (603); Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, 1928, S. 39/40. K r i tisch: Hans Heckel - Paul Seipp, Schulrechtskunde, 4. A u f l . 1969, S. 426 f. 16 Vgl. aber neuerdings das sachliche u n d maßvolle „ M o d e l l einer demokratischen Schulverfassung", hrsg. von Lutz Dietze, 1970, S. 40, § 4, S. 43, § 20, hierzu Dietze, ibid., S. 18 f. Vgl. ferner: Deutscher Bildungsrat, Einführung von Schulversuchen m i t Gesamtschulen, 1969, S. 117 f.; hierzu Horst Harnischfeger Gerhard Heimann, Rechtsfragen der Gesamtschule, 1970, S. 18 f.

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

die es m i t der Schule zu t u n haben, ersetzt, was zu einer Pädagogisierung und sachnäheren Behandlung der Schulangelegenheiten führen müßte. Es wäre denkbar, daß die Schule auf diese Weise nicht so sehr i n den Sog allgemein-politischer Auseinandersetzung geriete oder aber nicht unter der etwaigen Lethargie desinteressierter Parlamentarier zu leiden hätte. 2. Offene Fragen

Es bleibt indes eine Reihe offener Fragen. a) Zunächst wäre zu bestimmen, welchen Raum die Selbstverwaltungskörperschaft umfassen soll: Bleibt sie auf die jeweilige Einzelschule beschränkt, deckt sie sich m i t den Kreis-, Kommunal- oder Regierungsbezirksgrenzen oder erfaßt sie einheitlich das ganze Gebiet eines Landes? Doch so einfach brauchen sich die Alternativen gar nicht stellen; vielmehr ist ein differenzierter Stufenbau der Autonomien denkbar, wenn nicht überhaupt geboten: Das Prinzip hierbei wäre, daß die Aufgaben, die die kleinste Einheit selbständig erledigen kann, bei dieser verbleiben, daß übergreifende Aufgaben aber jeweils „nach oben" an die nächstgrößere Einheit abgegeben werden, so daß schließlich die umfassenden, nur überregional lösbaren Aufgaben sich bei der größten Einheit — und das heißt konkret auf Landesebene — konzentrieren. Hierzu gehört zweifellos die Bestimmung der allgemeinen Schulorganisation, der Bildungsziele und der Lehrpläne. I n einem modernen und leistungsfähigen Bildungswesen kann die Fixierung dieser Essentialia des Schule-haltens weder der Einzelschule noch auch nur einem Verband auf Kommunal- und Kreisebene überantwortet werden. Die Zeit der Dorfschullehreridylle ist endgültig vorbei. b) Offen ist ferner, welcher Personenkreis von der Selbstverwaltungskörperschaft erfaßt w i r d und welcher an der Willensbildung teilhat. Beides braucht nicht zusammenzufallen. Der Körperschaft gehören gewiß die Lehrer wie die Schüler an, wohingegen von der Willensbildung zwar beide Gruppen — die Schüler insbesondere auch wegen ihrer M i n derjährigkeit —, nicht aber die Eltern ausgeschlossen werden können. Hier wären detaillierte Differenzierungen i n Form abgestufter Befugnisse zu treffen. Da demokratische Willensbildung sich jedenfalls dann immer i n zwei Stufen vollzieht, wenn ein repräsentativ-demokratisches Verfassungsmodell verwirklicht ist, nämlich erstens bei der Wahl der Repräsentanten und zweitens i m Repräsentantenhaus selbst, sind beide Stufen Gegenstand normativer Regelung: Zum einen gilt es, Wahlrecht und Wahlmodus, zum anderen die Organisation des Vertretungsorgans zu bestimmen.

I I . Das Bildungswesen als Selbstverwaltungskörperschaft

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Für das Bildungswesen käme auf Landesebene nur eine Repräsentativverfassung i n Betracht. Die Repräsentation wäre i n einem Zweioder Dreikammersystem m i t isolierten oder koordinierten Befugnissen optimal organisiert: Die Eltern kämen i n einer Elternkammer, die Lehrer i n einer Lehrerkammer und gegebenenfalls die Schüler i n einer Schülerkammer zum Zuge, wobei noch die Frage von deren gesetzlicher Vertretung zu klären wäre. Entsprechend wäre dann auch das Wahlrecht normiert. Problematisch bleibt bei solchen Lösungen, daß i n den Vertretungsorganen der Schulselbstverwaltung die Breite der Repräsentanz der Geistesmächte oder Wertverbände nicht i n dem Umfange gewährleistet scheint, wie dies i n der Volksvertretung der Fall ist. 3. Die verfassungsrechtliche Problematik: Ständische Auflösung des Verfassungssystems

Die Verfechter der Schulselbstverwaltung mag all dies erschrecken: ging es doch darum, die Schule vom Staat und vom Recht zu lösen und so zu „befreien", und nun verfängt sich die erträumte Selbstverwaltung doch i n einem neuen juristischen Netz. Indes nehmen die obigen Ausführungen i n Anspruch, nichts als Explikationen der Selbstverwaltungsidee zu sein. Doch damit nicht genug. Da die wesentlichen Entscheidungen i m Schulbereich auch i n einem Selbstverwaltungssystem nur auf überregionaler — und das heißt auf Landesebene — getroffen werden können, w i r d das Individuum doch nicht i n die erstrebte Nähe zur Entscheidungsinstanz gerückt, sondern nach wie vor durch einen abstrakten Willensbildungsprozeß und durch i h m ferne Vertretungsgremien mediatisiert. Es wäre nicht viel gewonnen. Etwas anderes aber wäre verloren gegangen: Der Bezug des Bildungswesens zur Staatsidee. Der Funktionalisierung des Bildungswesens i m Dienste gesellschaftlicher Mächte wäre Vorschub geleistet, der Gedanke aber, daß Schule auch dem objektiven, i m Staate repräsentierten Allgemeininteresse zu dienen habe, wäre zurückgedrängt. Überdies würde sich eine umfassende Selbstverwaltung des Bildungswesens i m geltenden Verfassungssystem als Fremdkörper ausnehmen, wenn nicht gar zu i h m i n Widerspruch setzen. Denn es ist überaus fraglich, ob der einfache Gesetzgeber ohne Verfassungsänderung einen der größten Bereiche der Staatsverwaltung ausgliedern, i h m gleichwohl aber i n einem öffentlich-rechtlichen Status belassen und i n Form außerparlamentarischer Repräsentativorgane gleichsam sich selbst einen Doppelgänger für Sonderaufgaben zur Seite stellen kann. 13 Hennecke

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

Würde dieses Beispiel Schule machen, dann würden Autonomieforderungen sämtlicher gesellschaftlichen Bereiche laut. Die Etablierung von meist berufsständigen Sonderparlamenten für wirtschaftliche, medizinische, kulturelle und sonstige Aufgabenbereiche stünde am Ende. Die Einrichtung einer Selbstverwaltung des Bildungswesens aber wäre der erste Schritt zu einer solchen ständischen Auflösung des geltenden Verfassungssystems. I I I . Die gesetzliche Detailnormierung Nachdem nun auch ein letzter Anlauf der Versuche, die inneren Schulangelegenheiten anders als durch Gesetz zu regeln, gescheitert ist, bleibt nur die hier anfänglich schon vorgeschlagene Regelung eben durch förmliches Gesetz. Es mag hierbei offen bleiben und von der Praxis beantwortet werden, ob die Normierung durch Gesetz oder durch Rechtsverordnung auf Grund eines Ermächtigungsgesetzes erfolgen soll. 1. Die Möglichkeit gesetzlicher Regelung didaktischer Inhalte

Die didaktischen Gehalte entziehen sich nicht, wie etwa Flindt 17 meint, einer gesetzlichen Regelung. Dies ist ein Vorurteil, das überdies geeignet ist, der rechtsstaatlichen Durchdringung der Kultusverwaltung Widerstand entgegenzusetzen. Denn es ist nicht einzusehen, warum das, was bislang Gegenstand detaillierter verwaltungsinterner Anweisungen war, nicht i n allenfalls etwas veränderter Diktion Inhalt eines förmlichen Gesetzes sein könnte. Lehrplan ist Entscheidung und verbindliche A n ordnung, somit genau das, was jedes Gesetz zum Inhalt hat. I m übrigen beweist das bereits erwähnte Vorbild Österreichs 18 , daß ein Gesetz sich sehr wohl der didaktischen Inhalte annehmen kann. Was sich rechtlicher und gesetzlicher Regelung entzieht, das sind nicht die Unterrichtsinhalte — sie werden ja seit jeher der rechtlichen Normierung i n Form von Ministerialerlassen unterworfen —, sondern das ist das Pädagogisch-Eigentliche, das Spranger 19 i n der Begegnung der Gesinnungen erblickt hat oder das als Aktualisierung des Stoffes und Schaffung von existentiellen Betroffenheiten i n der Person des Schülers begriffen werden könnte. U m diese eigentliche Autonomie des Pädagogischen aber geht es i n einer gesetzlichen Ordnung der Bildungsgüter nicht. 17 Günther Flindt, Über die Rechtsnatur der öffentlichen Schule, DÖV 1960, S. 858 ff. (890). 18 Bundesgesetz v o m 25. J u l i 1962 über die Schulorganisation, BGBl. Nr. 242 ex 1962. 19 Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, 1928, S. 34 f.

I I I . Die gesetzliche Detailnormierung

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Von daher kann deswegen auch kein Argument gegen eine inhaltliche Schulgesetzgebung gewonnen werden. 2. Die Verrechtlichung der Schule

Der Lehrplan als Gesetz ist ein bedeutsamer Schritt zur weiteren Verrechtlichung der Schule. Er w i r d daher zunächst den K r i t i k e r n der „verwalteten Schule" 2 0 zum A l p t r a u m werden. Indes sind die Befürchtungen unbegründet, die Schule werde nun vollends i m juristischen Dickicht ersticken. Denn eher ist das Gegenteil der Fall. a) Gewiß büßt das staatliche Schulwesen einen Teil seiner bisherigen Flexibilität ein, die es bislang gestattete, durch einfachen ministeriellen Erlaß i n kurzer Frist über Unterrichtsgehalte zu disponieren. Gerade hierin aber liegt auch die Gefahr, daß die Schule i m Dienste tagespolitischer Bedürfnisse und Tendenzen funktionalisiert wird. Muß aber die Veränderung der Ordnung der Bildungsgüter den umständlichen Weg des Gesetzgebungsverfahrens nehmen, dann ist einer häufig wechselnden Disposition ebenso wie leichtfertiger Manipulation ein Riegel vorgeschoben 21 . Eine gewisse — übrigens auch von den Pädagogen geforderte — Kontinuität des Schule-haltens wäre gewährleistet, wiewohl nicht verkannt werden soll, daß das Gesetzgebungsverfahren der ständig erforderlichen Anpassung des Curriculum an neue Erkenntnisse der Didaktik und Pädagogik Hindernisse i n den Weg legt. b) Die Schaffung eines inhaltlichen Schulgesetzes aber bietet dem Gesetzgeber die große Chance, jene schwer übersehbare, sich fortwährend innovierende Fülle ministerieller Erlasse, die die Tätigkeit des Pädagogen einengen, zugunsten eines gesicherten Status des einzelnen Pädagogen zu ersetzen. 20 Hellmut Becker, Schule u n d Verwaltung, i n : Probleme einer Schulreform, 1959, S. 107 ff.; ders., K u l t u r p o l i t i k u n d Schule, 1956, S. 33 ff. ( = ders., Quantität und Qualität, 1962, S. 147 ff.); Bernhard Bergmann (Hrsg.), Volksschule heute, 1956, S. 10 f.; Franz Pöggeler, Der pädagogische Fortschritt u n d die v e r waltete Schule, 1960, S. 11 ff.; ders., Schule u n d Staat i m Lichte der christlichen Lehre v o m Menschen, von der Erziehung u n d v o m Staat, i n : Schule u n d Staat, 1959, S. 135 ff.; Horst Rumpf, Die administrative Verstörung der Schule, passim; ders., 40 Schultage — Tagebuch eines Studienrates, 2. A u f l . 1966, passim; Thomas Ellwein, Was geschieht i n der Volksschule?, 1960, S. 197 ff. Vgl. auch Georg Kerschensteiner, Das einheitliche deutsche Schulsystem, 2. A u f l . 1922, S. 134 f. 21 Vgl. Benedikt Weißenrieder, Die Schulhoheit, 1953, S. 286, wo nicht n u r eine gesetzliche, sondern sogar verfassungsrechtliche Normierung der Inhalte der „Schulaufsicht" gefordert w i r d , denn „anders könnten sich leicht i n der Hand der Regierung oder V e r w a l t u n g sehr weitgehende Ermächtigungen finden. Infolgedessen könnte auch alles Mögliche u n d einem Regime Wünschenswerte über den Weg des i m Interesse der Aufsicht liegenden Verwaltungsbeschlusses zur rechtlichen' Ordnung des Schulwesens eingeführt werden. Dieser rechtsdogmatisch nicht leichthin zu rechtfertigende Zustand b i r g t die Gefahr eines Überhandnehmens reiner Machtbefugnisse."

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

Das Gesetz k a n n b e s t i m m e n , w o r ü b e r d e r L e h r e r entscheiden d a r f , i n d e m es i h m Ermessensspielräume k o n z e d i e r t . Gerade d u r c h die A u s g r e n z u n g schafft es F r e i h e i t . Es d e f i n i e r t d i e w e n n auch n i c h t w e i t r e i chenden Befugnisse des Pädagogen b e i d e r A u s w a h l d e r B i l d u n g s g ü t e r . H i e r b e i w i r d d e m L e h r e r eigene V e r a n t w o r t u n g ü b e r t r a g e n , die i h m d i e m i n i s t e r i e l l e Schulaufsicht b i s l a n g anscheinend n u r a l l z u g e r n a b g e n o m m e n h a t . Dies w a r ü b r i g e n s f ü r Hering 22 A n l a ß , sarkastisch festzustellen, die L e h r e r h ä t t e n f ü r die geistliche Schulaufsicht d i e m i n i s t e r i e l l e e i n gehandelt, u n d f ü r Heckel 23, die L e h r e r w a r t e t e n geradezu a u f das m i n i s t e r i e l l e R e g l e m e n t , was n i c h t v e r w u n d e r l i c h ist, w e n n i h r e K o m p e t e n zen n i c h t k l a r abgegrenzt sind. E i n e gesetzliche E i n g r e n z u n g d e r selbs t ä n d i g e n E n t s c h e i d u n g s g e w a l t des L e h r e r s s c h i r m t diesen gegenüber d e m Z u g r i f f d e r Schulaufsicht ab, g i b t i h m e i n e n gesicherten S t a t u s u n d so e i n neues S e l b s t b e w u ß t s e i n . Gerade h i e r d u r c h w i r d v e r m i e d e n , daß die Schule z u e i n e r „ u n t e r e n V e r w a l t u n g s b e h ö r d e " w i r d . Es i s t das Gesetz, das die F r e i h e i t des L e h r e r s s c h a f f t 2 4 . W i e w e i t diese F r e i h e i t gehen k a n n , i s t f r e i l i c h d a m i t noch n i c h t e n t schieden. D i e F r a g e ist G e g e n s t a n d p o l i t i s c h e r E n t s c h e i d u n g . D o c h i s t d e r R a h m e n , d e n das E r f o r d e r n i s d e r E i n h e i t l i c h k e i t des Schulsystems setzt, g e w i ß eng. E i n e L e h r f r e i h e i t a n a l o g d e r F r e i h e i t des Hochschullehrers 22 Eugen Hering, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schulrecht, D Ö V 1968, S. 94 ff. (97). 23 Hans Heckel, Die pädagogische Freiheit i n der Sicht des Schulrechts, i n : Pädagogische Forschung u n d pädagogische Praxis, 1958, S. 99 ff. (110); ders., Schulrecht u n d Schulpolitik, 1967, S. 209 f.; ähnlich Hering, a.a.O., S. 97. 24 I n diesem Sinne w o h l auch Hans Heckel, Gegenwartsprobleme des Schulrechts u n d der Schul Verwaltung, DVB1. 1957, S. 482 ff. (487/488); ders., H e u t i ger Stand u n d künftige Aufgaben des Schulrechts, D Ö V 1956, S. 585 ff. (585); ders., Pädagogische Freiheit u n d Gerhorsamspflicht des Lehrers, ZBR 1957, S. 217 f.; ders., Die Pädagogische Freiheit i n der Sicht des Schulrechts, i n : Pädagogische Forschung u n d pädagogische Praxis, 1958, S. 99 ff. Ebenfalls i m Sinne einer rechtlichen Eingrenzung u n d somit Freisetzung der Schule: Fritz Werner, Die Schule, ein Sorgenkind der Juristen — das Schulrecht, ein Sorgenk i n d der Lehrer, i n : Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen, 1960, S. 17 ff.; ders., Schule u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, Z B R 1956, S. 373 ff.; ders., Z u r Lage des Schulverwaltungsrechts, DÖV 1958, S. 433 f. Vgl. auch Rupps Diskussionsbeitrag i m Anschluß an Evers u n d Fuß ( W D S t R L 23, 1966, S. 275): „ . . . ist es eine Verzerrung der Argumente, w e n n man sich einerseits m i t dem Schlagwort von der drohenden Perfektion der Gesetze u n d der L ä h m u n g der V e r w a l t u n g gegen eine allseitige gesetzliche Ermächtigung stemmt, andererseits aber ohne Zögern bereit ist, eine gesetzesungebundene, dafür aber u m so perfektioniertere F l u t widersprüchlichster Merkblätter, E r lasse, Rundschreiben, Anweisungen der Schulverwaltungen auf den Lehrer niedergehen zu lassen u n d i h m dadurch erst recht jede pädagogische Entscheidungsfreudigkeit zu nehmen. Wer gegen den Gesetzesvorbehalt i m schulischen »Besonderen Gewaltverhältnis' kämpft, s o l l t e . . . schlicht bekennen, daß i h m ganz einfach jener Perfektionismus der Verwaltungsanweisungen lieber ist als eine i m Lichte der Öffentlichkeit stehende u n d daher gerade nicht bis ins lächerlichste Detail gehende Regelung durch oder auf G r u n d eines Gesetzes."

I I I . Die gesetzliche Detailnormierung

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oder gar der richterlichen Unabhängigkeit w i r d nicht i n Betracht kommen. 3. Politisierung der Schule?

Einen möglichen Einwand, die Diskussion der Unterrichtsgegenstände i m Parlament habe die Politisierung der Schule zur Folge 2 5 und gehe daher zu Lasten von deren genuin pädagogischem Auftrag, wäre zunächst entgegenzuhalten, daß der V o r w u r f zu pauschal und unsubstantiiert ist, ferner aber, daß dies i m gegenwärtigen Zustand nicht minder der Fall ist, zumal da i n der Person eines parteigebundenen Kultusministers nur eine ennzige politische Richtung das Schulwesen bestimmt. Ein Gesetz verspricht mehr Pluriformität. Zudem ist es, wie schon mehrmals betont worden ist, i n keiner Weise ausgemacht, daß sich eine staatsfreie Schulorganisation dem Zugriff politischer Kräftegruppen entziehen könnte. 4. Die Integration des Unvereinbaren als Paradox des modernen Staates

Nach alledem entsteht der Eindruck, als nähmen die Ausführungen über das Verhältnis von Staat und Unterricht m i t der Vision des Lehrplans als Gesetz ein glückliches Ende. Ein solches gibt es jedoch nicht. Macht man sich erneut bewußt, was Schule-halten i n der modernen Gesellschaft bedeutet, welchen Konfliktstoff der Zusammenprall der divergierenden Überzeugungen und Weltanschauungen birgt, wie sehr das Curriculum von Erziehungszielen und Bildungsidealen, von verschiedensten Anthropologien abhängt, über die Einigkeit nicht erzielt werden kann, wie schwer nur, wenn überhaupt, eine minimale Kongruenz der Auffassungen zustandekommt, dann w i r d von neuem deutlich, welch brüchige Brücke auch eine gesetzliche Ordnung der Bildungsgüter über die Wogen der geistigen Auseinandersetzung schlägt. So formuliert denn auch Spranger 26: „Darin liegt geradezu das größte Problem der Willensbildung (volonté générale) i m modernen Rechtsstaat, daß sie die Gegensätze der sittlich-religiösen Standpunkte, allgemeiner Weltanschauungen i n sich aufnimmt und sie möglichst nebeneinander i n der Sphäre staatlicher Tätigkeit zur Geltung kommen läßt. Die Spannungen und Konflikte, die damit notwendig gesetzt sind, können nicht ausgelöscht werden; denn sie sind die Bewegungen der sittlichen Kräfte i m Staate selbst." 25

die Raimund Wimmer (Sind die deutschen Unterrichtsverwaltungen rechtsstaatlich?, DVB1. 1966, S. 846 ff., 854) anscheinend befürchtet u n d die Erich Weniger (Didaktik als Bildungslehre, T e i l 1, 4. A u f l . 1962, S. 36) beschreibt. 26 Eduard Spranger, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Schulverfassungslehre u n d Schulpolitik, 1928, S. 38.

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6. Kap.: Modelle einer Schulgesetzgebung

Dies ist das Paradox des modernen Staates: Das Unvereinbare zu einer Ordnung zu integrieren; als konkrete Ordnung Wertverwirklichung sein zu müssen, aber nicht sein zu dürfen. Daher muß wenigstens das Ringen u m diese Wertordnung frei sein, und sie darf nicht ein für alle mal fixiert werden. Nur dies macht es erträglich, daß es i n dem Kampfe Unterliegende und Sieger gibt. IV. Das Parlament Das Forum, i n dem geistige Auseinandersetzung m i t dem Ziele ausgetragen wird, eine allgemeinverbindliche rechtliche Ordnung zu schaffen, ist i m demokratischen Staate das Parlament. I h m w i r d daher die Ordnung der Bildungsgüter am öffentlichen Schulwesen überantwortet. Indes: Diese Überantwortung orientiert sich an einem Idealbild des Parlaments. Das Parlament, was und wie es sein soll, w i r d hier vorausgesetzt. Seine Wirklichkeit aber, die Wirklichkeit der Länderparlamente i n der Bundesrepublik Deutschland, ist bislang außer Betracht geblieben. Es besteht Anlaß, anzunehmen, daß diese Realität von der Idee des Parlamentarismus abweicht, auch ohne daß diese politologischen Fragen hier auch nur andeutungsweise behandelt werden könnten. Erfordert nun aber die Verfassungsdogmatik, daß bestimmte Aufgaben vom Gesetzgeber gelöst werden müssen, so kann dieser Zuordnung i m Prinzip schon nicht ein Argument entgegengehalten werden, das aus der Verfassungswirklichkeit her gewonnen wird. Nun ist es allerdings wiederum fraglich geworden, ob sich die Rechtswissenschaft auch fürderhin auf diesen Methodenmonismus w i r d zurückziehen können. Hier tun sich neue Fragen auf. Sie können an dieser Stelle nicht behandelt, geschweige denn gelöst werden. N u r einiges weniges sei angemerkt. Denn es fragt sich, ob denn m i t der Übertragung didaktischer Entscheidungen an den Gesetzgeber am Ende wirklich etwas gewonnen sei. Die pädagogischen und didaktischen Probleme sind diffizil, kein Landesgesetzgeber hat sich je m i t ihnen befaßt, und ungewohnte Aufgaben gibt man gern i n fremde Hände: Die wirkliche Arbeit w i r d ja wohl doch von den Fachleuten i n den Ministerien geleistet, die die fertigen Gesetzesentwürfe dem „Staatsnotar" Parlament zuleiten, der dann nur noch Namen und Siegel daruntersetzt. Großzügige Ermächtigungsgesetze und kleinliche Rechtsverordnungen werden i h r übriges tun, daß der derzeitige Zustand unter neuem Etikett am Ende der alte bleibt. So entstehen denn aus der Wirklichkeit des Parlamentarismus Zweifel am Sinn des hier vertretenen Postulates. Man w i r d diese Zweifel aber nicht so ohne weiteres auf sich beruhen lassen können. Denn der Frage, ob das Parlament w i r k l i c h Herr der geforderten Entscheidungen bleiben kann, darf nicht ausgewichen werden.

I V . Das Parlament

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Gewiß liegt die Möglichkeit sehr nahe, daß sich die Entscheidung faktisch auf die herangezogenen Sachverständigen verlagert; indes geschieht dies nicht zwangsläufig. Denn die i m Schulwesen zur Entscheidung stehenden Materien entziehen sich nicht von vornherein dem Beurteilungshorizont des pädagogischen Laien. Gerade diejenigen Sachfragen, für deren Entscheidung hier die Zuständigkeit der Volksvertretung begründet worden ist, nämlich Sprachenfolge und Pflichtfremdsprache, Methodik, Ziel und Inhalt des Deutschunterrichtes, Humanistisches Gymnasium und Gesamtschule, die Schwerpunkte und Gegenstände des naturwissenschaftlichen Unterrichts, Sozialwissenschaft und Sexualerziehung i n der Schule usf. unterfallen doch gewiß nicht der ausschließlichen Kompetenz der pädagogischen Sachverständigen und gehen nicht von vornherein über die Verständnismöglichkeiten des Laien hinaus. W i r d die Entscheidungsgewalt aber gleichwohl den Sachverständigengremien faktisch übertragen, dann ist das ganz einfach schlechter Parlamentarismus, der zwischen verantwortlicher Entscheidung und wissenschaftlicher Vorbereitung und Beratung eben dieser Entscheidung nicht zu differenzieren weiß. Es ist eine der großen Gefahren unserer Zeit, daß die Verantwortung leicht zu früh vor einem unkontrollierbaren „Sachverstand" die Waffen streckt. Hierbei soll keineswegs verkannt werden, daß eine Volksvertretung i n Zukunft i n zunehmendem Maße eines wissenschaftlichen Mitarbeiterstabes bedarf. Dessen entscheidende Aufgabe muß es selbstverständlich sein, die Bedingungen für die Entscheidung und überhaupt das, was zur Entscheidung steht, klar herauszuarbeiten und so volle Verantwortung erst zu ermöglichen. Eine ganz andere Frage ist es, ob nicht an der soziologischen Struktur der Parlamente solche Schul- und Curriculum-Reformen, die von der fortschrittlichen Pädagogik für wünschenswert und erforderlich gehalten werden, scheitern können. Möglicherweise ist eine derartige Blockierung von Reformversuchen nicht von der Hand zu weisen, doch ist dies eine Frage, die i n ganz andere Bereiche führt und daher hier auf sich beruhen mag. Man stelle sich trotzdem vor: Das Schulwesen i m Parlament: Das könnte Anreiz sein für eine tiefgreifende, große Diskussion über eine der Grundlagen des modernen Gemeinschaftslebens. Eine verantwortungsbewußte Volksvertretung — sie muß immer das Leitbild sein — w i r d der Aushöhlung des Parlamentarismus entgegenwirken und sich ihre vornehmste Aufgabe, allgemeinverbindliche Wertentscheidungen zu treffen, nicht nehmen lassen. Die Wirklichkeit weckt Zweifel. Doch die Möglichkeit nährt Hoffnung.

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Literaturverzeichnis

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I I . Gerichtsentscheidungen Bundesverfassungsgericht: E 1, S. 14 ff.; E 8, S. 155 ff.; E 12, S. 205 ff.; E 19, S. 354 ff. Bundesverwaltungsgericht: E 6, S. 101 ff.; E 6, S. 282 ff.; E 18, S. 38 ff.; E 21, S. 289 ff.; E 23, S. 351 ff. Disziplinarhof Rheinland-Pfalz: Beschluß v o m 15. 11. 1963, i n : RWS, 1964, S. 147 f. ( = ZBR, 1964, S. 92 f.) Oberverwaltungsgericht Hamburg: U r t e i l v o m 16. 4. 1953, i n : M D R , 1953, S. 504 f. ( = DVBl., 1953, S. 506 f.) Oberverwaltungsgericht Koblenz: U r t e i l v o m 10. 7.1954, i n : DVBl., 1955, S. 503 f. Oberverwaltungsgericht Lüneburg: U r t e i l v o m 27. 1. 1954, i n : DVBl., 1954, S. 255 ff. Oberverwaltungsgericht Münster: U r t e i l v o m 22. 11. 1963, i n : DVBl., 1964, S. 829 ff. — U r t e i l v o m 17.10.1955, i n : Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte f ü r das L a n d Nordrhein-Westfalen i n Münster u n d f ü r die Länder Niedersachsen u n d Schleswig-Holstein i n Lüneburg, Band 10,1957, S. 115 ff. Staatsgerichtshof f ü r das L a n d Hessen: U r t e i l v o m 8. 3.1958, i n : Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen, 1958, S. 311 ff. ( = DÖV, 1958, S. 462 ff.) Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Mannheim): Beschluß v o m 5. 5. 1961, i n : DVBl., 1961, S. 523 f. - Beschluß v o m 20.9.1962, i n : RWS/RdJ 1966, S. 18 f.

H I . Periodische Veröffentlichungen (soweit nicht bereits unter Ziffer I erfaßt) Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s Amtsblatt des Hessischen Kultusministers Amtsblatt des Kontrollrates i n Deutschland Amtsblatt des Ministeriums f ü r Unterricht u n d K u l t u s i n Rheinland-Pfalz Amtsblatt des Saarlandes Bayerisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt Bundesgesetzblatt Bundesgesetzblatt f ü r Österreich Gesetzblatt f ü r Baden-Württemberg Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Gesetz- u n d Verordnungsblatt f ü r B e r l i n Gesetz- u n d Verordnungsblatt f ü r das L a n d Hessen Gesetz- u n d Verordnungsblatt f ü r das L a n d Nordrhein-Westfalen Gesetz- u n d Verordnungsblatt f ü r das L a n d Rheinland-Pfalz

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Literaturverzeichnis

Gesetz- u n d Verordnungsblatt f ü r Schleswig-Holstein Hamburgisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt Journal officiel du commandement en chef français en Allemagne Mitteilungsblatt der Schulbehörde der Freien u n d Hansestadt Hamburg Niedersächsisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt Mannheimer Morgen, Tageszeitung, Mannheim Die Rheinpfalz, Tageszeitung, Ludwigshafen am Rhein Staatsanzeiger f ü r das L a n d Hessen Schulverwaltungsblatt f ü r Niedersachsen