Die Pressegleichheit: Das Differenzierungsverbot im Pressebereich bei Eingriff und Förderung durch den Staat [1 ed.] 9783428435791, 9783428035793


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German Pages 189 Year 1976

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Die Pressegleichheit: Das Differenzierungsverbot im Pressebereich bei Eingriff und Förderung durch den Staat [1 ed.]
 9783428435791, 9783428035793

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 290

Die Pressegleichheit Das Differenzierungsverbot im Pressebereich bei Eingriff und Förderung durch den Staat

Von

Walter Leisner

Duncker & Humblot · Berlin

WALTER L E I S N E R

Die Pressegleichheit

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 290

Recht

Die Pressegleichheit Das D i f f e r e n z i e r u n g s v e r b o t

im

Pressebereich

bei E i n g r i f f und Förderung durch den Staat

Von

Prof. Dr. Walter Leisner

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 08579 8

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung und Fragestellung

9

A . Pressegleichheit nach Inhalt I. Das Verbot der Differenzierung tischer" Presse

13 nach „politischer"

und

„nichtpoli-

13

1. „ T r a d i t i o n einer Sonderbehandlung der politischen Presse"?

13

2. Differenzierungen schutzrecht

17

nach „politischem Gehalt"

im

Jugend-

3. Der arbeitsrechtliche Tendenzschutz u n d die Differenzierung nach Presseinhalten

22

4. Differenzierung zugunsten „politischer" Presse bei der Förderung i m Ausland

25

5. Differenzierung der Presseinhalte nach „politischem" Gehalt i m Anschluß an den Begriff der „politischen Meinung"?

27

IL Die Funktion der Presse und das Differenzierungsverbot politischen Inhalten

nach

29

1. „Politische Bedeutung der Presse" bedeutet nicht „Sonderbehandlung f ü r die politische Presse"

29

2. Die wichtigsten Pressefunktionen

31

a) Die K o m m u n i k a t i o n s f u n k t i o n als gesellschaftliches Phänomen

23

b) Die Repräsentationsfunktion

35

c) Die K o n t r o l l f u n k t i o n d) E x k u r s : „öffentliche Meinung" u n d Pressegleichheit

36 41

3. Der Pressebereich als „staatsfreier Raum" — Begründung des Differenzierungsverbotes nach politischen Inhalten

43

4. Die Staatsneutralität gegenüber dem Gesamtprogramm von F u n k u n d Fernsehen als Bestätigung des politischen Differenzierungsverbotes i m Pressebereich

45

5. Die „öffentliche Aufgabe" der Presse — keine Grundlage für die Zulässigkeit einer Sonderbehandlung politischer Inhalte

48

6. Institutionelle Sicherung der Presse u n d politisches Differenzierungsverbot

54

7. Pressevielfalt u n d Differenzierungsverbot

61

6

Inhaltsverzeichnis III.

Diskriminierung

der unterhaltenden

Presseinhalte?

1. Die These „Keine Pressefreiheit f ü r Unterhaltung"

74

2. Grundrechtsschutz f ü r die Unterhaltungspresse

75

3. Der E x t r e m f a l l — Grundrechtsschutz auch f ü r die „Sensations"- u n d die „Skandalpresse" — Das Verbot der Differenzierung nach „ W e r t der Äußerung"

80

I V . Das Problem

der Werbepresse

84

1. Der Begriff der Werbepresse

84

2. „Werbepresse" — P r i v i l e g f ü r privates Profitstreben?

88

3. Die Differenzierung nach dem „werblichen I n h a l t der Äußerung" — eine grundrechtsdogmatische Notwendigkeit

89

4. „Werbepresse" als Problem des Werbungsbegriffs

91

5. E i n Rest von Abgrenzungsschwierigkeiten

93

6. Inseratenteil als Presseinhalt

95

B. Differenzierungen nach Presseorganen I. Die Fragestellung

— Der Begriff

99 des Presseorgans"

1. Die Vieldeutigkeit des Begriffs „Presseorgan" 2. Die Bedeutung des Inhalts f ü r die Bestimmung des „Presseorgans" IL Differenzierung

III.

74

nach Periodizität

99 99 100 101

1. Die herrschende Lehre: Der weite Pressebegriff

101

2. Verfassungsschutz f ü r alle Druckerzeugnisse — eine Folge der Pressefunktionen

104

3. Sachlich zulässige Differenzierungen nach Periodizität — Z u r Zulässigkeit des Postzeitungsdienstes

105

Differenzierung

109

zwischen Zeitungen

und Zeitschriften

1. Die Unmöglichkeit der Differenzierung zwischen „Zeitung" u n d „Zeitschrift" — Publizität — Universalität — A k t u a l i t ä t

109

2. Unzulässigkeit allgemein-presserechtlicher Differenzierung zwischen Tagespresse u n d anderen Druckerzeugnissen

113

3. Exkurs: Z u r „Politischen Wirksamkeit" von Zeitschriften . .

115

4. Die Gleichbehandlung v o n Zeitungen u n d Zeitschriften i n der Gesetzgebung

119

Inhaltsverzeichnis I V . Differenzierung organen

zwischen Fachzeitschriften

und anderen Presse-

1. Fachzeitschriften, Fachpresse als mögliche Rechtsbegriffe

121

2. Fachpresse — K r i t e r i u m presserechtlicher Differenzierung?

123

3. „Politische Bedeutung" der Fachzeitschriften

124

C. Pressedifferenzierungen nach „Größenordnungen" — Konz en trat ion sproblematik u n d Pressegleichheit I. Konzentration gleichheit

und Vielfalt

der Presse als Problem

der Presse-

128

129

1. Pressekonzentration als Gleichheitsproblem

129

2. Antikonzentrationsmaßnahmen als Differenzierungen nach Größenordnung u n d als unzulässige Unterscheidung nach O r ganen u n d Inhalten

132

3. Differenzierung nach Größenordnungen — ein Verstoß gegen die Pressegleichheit

137

II. Begründung eines Bruchs der Pressegleichheit zur tionsbekämpfung aus den „Funktionen der Presse"?

III.

121

Konzentra-

138

1. Begründungsversuche aus Verfassungsgrundsätzen — insbesondere zur „Pressevielfalt"

139

2. Argumente gegen presserechtliche nahmen aus den Pressefunktionen

143

Das allgemeine Recht Antikonzentrationsmittel

der

Antikonzentrationsmaß-

Wettbewerbsbeschränkungen

als

148

1. Zulässigkeit wettbewerbsregelnder Eingriffe i n den Pressebereich

148

2. Grenzen zulässiger Differenzierung i m Rahmen einer Pressefusionskontrolle

151

D. Zulässigkeit v o n Differenzierungen bei staatlicher Förderung I. Das Problem

der „Förderungsfreiheit

"

156 156

1. Fragestellung

156

2. Förderung als „allgemeines Gesetz" — das Problem der Steuergesetze

157

II. Begründung des staatlichen Förderungsrechts von Differenzierungen im Pressebereich?

— Rechtfertigung

159

1. Verfassungsrechtliche Förderungsverpflichtungen?

159

2. Berechtigung zur Förderung

161

Inhaltsverzeichnis

8 I I I . Die staatliche

„Subventionsfreiheit"

163

1. Die These von der „weitgehenden Subventionsfreiheit" u n d ihre ungenügende Begründung

163

2. Steht die „Förderung von Konkurrenten" dem „Eingriff" gleich? Der Gleichheitssatz als Schranke der Subventionsfreiheit

166

I V . Die Pressegleichheit tionierung

— ein Differenzierungsverbot

bei

Subven-

171

1. Zulässigkeit undifferenzierter Förderung der Presse

171

2. Pressegleichheit als Differenzierungsverbot

172

3. E x k u r s : Staatliche Kunstförderung — ein Beweis f ü r die Z u lässigkeit fördernder Differenzierung?

175

Schlußbemerkung: Äußerste Grenzen der Pressegleichheit

181

Sachwortregister

184

Vorbemerkung und Fragestellung 1. A r t . 5 GG gewährleistet die Pressefreiheit. Nach ihrem Wortlaut schützt die Verfassung allgemein und undifferenziert „die Presse"; dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß generell „eine Zensur nicht stattfindet" (Art. 5 Abs. I S. 3 GG). Das Grundgesetz definiert den Begriff „Presse" nicht; zu seiner Bestimmung muß, wie bei vielen anderen Begriffen der Verfassung, auf das Gesetzesrecht und seine Entwicklung, auf Begriffsklärungen durch Lehre und Rechtsprechung, auf Staatspraxis und ganz allgemein auf die „außerrechtliche Lage" zurückgegriffen werden. K a u m ein Recht ist i n der Demokratie mehr i n Gefahr als die Pressefreiheit, sie ist das „Gefährdungs-Hauptgrundrecht" — w e i l die Presse Macht besitzt oder Einfluß haben könnte. Deshalb w i r d sie am meisten geachtet und gefürchtet, w e i l niemand ihre Wirkungen bis ins letzte ermessen kann; darin ist ihre Macht am größten, daß sie die unbekannte, ja die unbestimmte Gewalt ist — sie, die Hüterin der Transparenz. Uberall stehen die Gefahren: Bürger und politisch Mächtige i m Staat wollen sich die Pressemacht appropriieren, der Staat w i l l sie expropriieren. Gegen beides schützt die Verfassung m i t harten Schranken — aber sie halten nur Angreifer, die von außen stürmen, offen i h r Ziel nennen: Presse beschränken, monopolisieren. Doch dies sind Gefährdungen der Vergangenheit, so frontal geht heute kaum jemand gegen die Pressefreiheit vor, zu groß und allgemein ist die Ubereinstimmung zu ihrem Schutz. Je höher indessen die Mauern wachsen, desto mehr trojanische Pferde werden i n die Festung gebracht: Heute geht es um den Pressebegriff, i n i h n werden Schranken der Pressefreiheit gelegt — damit sie dann aus i h m gewonnen werden können. Was ist „die Presse", die das Grundgesetz meint, was ist ihre „Freiheit"? Ist sie ein Recht für jedes gedruckte Wort — oder nur für seine periodischen Äußerungsformen, nur einzelne von ihnen? Deckt sie jeden Inhalt — oder nur den „politischen", den „wertvollen", den geschäftsneutralen? Verdient alle Presse gleichen Schutz — große und kleine? * Die vorliegende Untersuchung geht auf eine gutachtliche Stellungnahme zurück, die der Verfasser dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger erstattet hat.

10

Vorbemerkung u n d Fragestellung

Ist Freiheit hier Recht auf Abwehr oder auf Förderung — und gleich beginnen die Fragen von neuem: Hilfe für „alle Periodischen", für „Politische und Unpolitische", für „Große und Kleine"? So w i r d die Pressefreiheit heute zur begrifflichen Frage nach „der Presse". Und das Problem ist nicht mehr allein Pressefreiheit, sondern Pressegleichheit. Der Schutz ist gut — doch: gilt er allen? Die Pressefreiheit der Vergangenheit hat i n der Frage nach der Pressegleichheit ihre „zweite Dimension" gewonnen, i n der nach der „Förderungsgleichheit" erreicht sie ihre dritte. Sie geht darin den Weg der politischen Freiheit; auch diese hat erst i n der Gleichheit ihren vollen Schutz — und ihre große Problematik finden können, auch bei i h r w i r d heute die „reale Freiheit", die Schaffung ihrer Basis durch den Staat, zum eigentlichen Problem. Zweistufig ist diese Problematik der Pressegleichheit: Zunächst fragt es 'sich, ob eine unterschiedliche Behandlung von Presseerzeugnissen „überhaupt", d. h. aber, nach der geschichtlichen Entwicklung, primär bei staatlichem Eingriff zulässig ist. Sodann ist zu prüfen, ob dieselben Unterscheidungen auch bei fördernder Staatstätigkeit gestattet sind, oder, wenn allgemein ein Differenzierungsverbot gilt, ob dies auch staatlicher Presseförderung unterschiedliche Behandlung verbietet. Der leistende, helfende Staat ist i n vielfacher Hinsicht freier gestellt als die „klassische" Eingriffsverwaltung. Wie diese Pressegleichheit zur modernen Problemform der Pressefreiheit wird, zeigen neueste Entwicklungen. 2. Anlaß der folgenden Untersuchung sind staatliche Vorhaben aus letzter Zeit: — Aus Mitteln des ERP-Sondervermögens können zur Erhaltung der Vielfalt der Träger der Meinungsbildung Darlehen gewährt werden. Antragsberechtigt sind jedoch nur Presseverlage, soweit ihre Zeitschriften überwiegend „der politischen Bildung und Unterrichtung" dienen. Nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums w i r d diese Voraussetzung von Fachzeitschriften nicht erfüllt; Außerdem erhalten nur mittlere und kleinere Verlage diese Subventionen 1 . — A u f Grund eines Kabinettsbeschlusses vom 30. 4.1974 erhalten allein wirtschaftlich gefährdete Tageszeitungen zinsgünstige Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Bundesregierung hat einen Staatssekretärausschuß beauftragt, die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung von Zeitungen und Zeitschriften bei der Vergabe von staatlichen Mitteln oder Gewährung sonstiger Erleich1 Wenn nämlich die Auflage bei täglichem Erscheinen 160 000, bei wöchentlichem oder 14tägigem 320 000, bei monatlichem Erscheinen 320 000 Exemplare nicht übersteigt, vgl. ERP/Programm, 74, hgg. v. B M W i , S. 52.

Vorbemerkung und Fragestellung

terungen zu prüfen. Dieses Gremium hat sich jedoch bisher ebensowenig wie die Bundesregierung i n der Lage gesehen, die Zeitschriftenpresse i n die vom Bunde geplanten Hilfsprogramme einzubeziehen 2 . Auch hier w i r d übrigens nach Größe des Verlagsobjekts differenziert werden. Die Förderungsformen zeigen die drei für die neueste Entwicklung i m Presseraum typischen Differenzierungen innerhalb des Pressebegriffs: a) Differenzierung nach dem Inhalt des Veröffentlichten, insbesondere nach dem (überwiegend) politischen oder nicht-politischen Gehalt. b) Differenzierung nach A r t e n von Presseerzeugnissen, insbesondere zwischen Tageszeitungen und Zeitschriften. c) Differenzierung nach der „Größe" der Objekte, insbesondere nach der Auflagenhöhe. Diese Unterscheidung setzt sich i n der neuesten Diskussion fort i n der Forderung nach Differenzierung zwischen Presseverlagen nach der Größenordnung der von ihnen (insgesamt) herausgegebenen Objekte. Sie steht i n dem größeren Zusammenhang der Antikonzentrationsproblematik. Die folgende Untersuchung unternimmt es, diese Differenzierungen auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit überhaupt, auf deren Grenzen i m besonderen zu untersuchen. Dies geschieht i n einem T e i l A . , welcher die Möglichkeiten einer Unterscheidung nach Inhalt, Presseerzeugnissen, „Pressegrößen" allgemein behandelt. I n einem zweiten Hauptteil werden sodann die gewonnenen Ergebnisse darauf überprüft, ob sie auch für die fördernden Staatsveranstaltungen zutreffen, oder ob dem Staat hier größere (geringere) Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist. 3. Die verfassungsrechtliche Prüfung erfolgt i n erster Linie am Maßstab der Pressefreiheit des A r t . 5 Abs. I GG. Daß dieser hier das eindeutig „sachnächste Grundrecht" (Institutsgarantie) darstellt, bedarf keiner näheren Begründung. Die Pressegleichheit als Inhält der Pressefreiheit — dies ist letztlich nichts als die Frage nach der Bedeutung eines Begriffs, der i n der allgemeinen wie i n der wissenschaftlichen Diskussion zwar oft gebraucht, aber bisher noch nicht hinreichend grundgelegt worden ist: Es geht u m die Unteilbarkeit der Pressefreiheit Sie w i r d häufig i n der Literatur beschworen 3 — aber meist nur i n der Behandlung von Teilaspekten, 2 Vgl. M i t t . d. Verbandes der Zeitschriftenverleger (VdZ-Nachrichten) Nr. 13, 1975. 8 Überblick über die Meinungen bei Dittrich, N., Pressekonzentration u n d GG, 1971, S. 82; ferner noch Geiger, W. f Gedanken zu einem neuen Presse-

12

Vorbemerkung u n d Fragestellung

etwa bei der Ablehnung der Unterscheidung zwischen höchstwertigen und weniger wertvollen Druckerzeugnissen. I n diesem Zusammenhang bekennt sich deutlich auch das BVerfG i n ständiger Rechtsprechung zur Unteilbarkeit der Pressefreiheit: Es sei ein „Grundsatz, daß die Pressefreiheit für alle Veröffentlichungen ohne Rücksicht auf deren Wert gewährt w i r d " 4 . „Eine Differenzierung nach der sittlichen Qualität der Meinungen oder ihrer W i r k u n g auf andere wäre auch unvereinbar m i t der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts" 5 . „Der Begriff der ,Presse' ist weit und formal auszulegen; er kann nicht von einer — an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten — Bewertung des einzelnen Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden" 6 . Hier muß weitergefragt werden: Gilt innerhalb des Pressebegriffs nur diese Einheit — die der Wertfreiheit? Was bedeutet sie für andere Differenzierungen7? I n der Diskussion u m das Presserecht w i r d seit längerer Zeit die Einheit des Pressebegriffs weiter gefaßt. Nach der Rechtsauffassung des Verbandes der Deutschen Zeitungsverleger bedeutet er, daß Pressebegriff und Pressefreiheit unteilbar seien und man nicht einer bestimmten Kategorie von Presseerzeugnissen den Grundrechtsschutz deshalb versagen könne, w e i l diese Presseerzeugnisse sich i n ihrer Anordnung, Gestaltung und Themenwahl von anderen abhöben. Bei früheren parlamentarischen Beratungen u m die Umsatzsteuerbefreiung für gewisse Presseerzeugnisse wendeten sich Redner aller Fraktionen dagegen, Unterscheidungen zwischen Presseerzeugnissen vorzunehmen 8 . Und dies eben ist die Frage: Einheit der Presse nach Inhalt, Erzeugnis, Größenordnung — für Eingriff und Förderung?

recht, A r c h i v f ü r Presserecht, Beilage zu „Zeitungsverlag u n d Zeitschriftenverlag", 1959, H. 1, S. 41 ff; Jerschke, H . U., Öffentlichkeitspflicht der E x e k u t i v e u n d Informationsanspruch der Presse, 1971, S. 224. 4 BVerfGE 25, S. 296 (307). 5 BVerfGE 30, S. 336 (347). • BVerfGE 34, S. 269 (283). 7 BVerfGE 25, S. 290 (303). 8 B T 1968, Drucks. V/4869 f.

A. Pressegleichheit nach Inhalt I. Das Verbot der Differenzierung nach „politischer" und „nichtpolitischer" Presse 1. „Tradition einer Sonderbehandlung der politischen Presse"?

a) Der Kampf u m die Pressefreiheit war seit seinem Beginn 9 ein politischer — aber nicht nur für eine politische Presse. Es ging zwar den Liberalen nicht zuallererst u m Hechte der Schreibenden, sondern u m öffentliche Belange 10 , doch deren Wahrung wurde nicht nur i n politischen Äußerungen gesehen11 . Weder der Grundrechtsentwurf der Paulskirche (Art. 4), noch die Preußische Verfassung von 1850 (Art. 27) 12 enthalten eine Sonderregelung für die politische Presse, die bayerische Regelung von 1848 nur i n dem Sinn ihrer ausdrücklichen Einbeziehung i n den gesetzlichen Schutz 13 . Das Ziel liberaler Pressefreiheit w a r die Gleichbehandlung aller Inhalte, keine Privilegien für die politische Presse — aber auch keine Diskriminierung. Dies schien erreicht durch die völlig undifferenzierten Eingriffsverbote früherer Pressegesetzgebung 14. b) Die erste großangelegte Differenzierung nach politischem Inhalt erfolgte i n der nationalsozialistischen Zeit. I n der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4.2.1933 (RGBl I, S. 35) wurden besondere Freiheitsstrafen für Tatbestände an9 Dazu ausführlich Stammler, D., Die Presse als soziale u n d verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 19f.; vgl. auch Jellinek, W., Verwaltungsrecht, 3. A . Nachdr. 1948, S. 482; Häntzschel, K., Reichspreßgesetz, 1927, S. 14/5; ders.: Das Deutsche Preßrecht, 1928, S. 7; Kitzinger, F., Das Reichsgesetz über die Presse, 1920, S. 4/5. 10 Dazu Schneider, F., Presse- u n d Meinungsfreiheit nach dem GG, 1962, S. 114 m. Nachw. 11 So begründete etwa der von Schneider, F., a.a.O. zit. Jaup seine Forder u n g nach Pressefreiheit (1842) zuerst damit, daß diese „ohne alle Beziehung auf den Staat die Wissenschaften, die Intelligenz, die H u m a n i t ä t fördere". 12 Dazu näher Anschütz, G., Die Verfassungsurkunde f ü r den Preußischen Staat, I, 1912, S. 498. 13 BayVerfG v. 4.6.1848, § 2 „ B e i keiner A r t v o n Erzeugnissen der Presse ist das Erscheinen derselben v o n obrigkeitlicher Prüfung u n d Genehmigung des Inhalts oder überhaupt v o n irgendeiner obrigkeitlichen Erlaubnis abhängig. Dies g i l t auch von politischen Zeitungen, sowie v o n allen anderen politischen Schriften". 14 Überbl. bei Häntzschel, K., Reichspreßgesetz, S. 20/21; ders.: Das Deutsche Preßrecht, S. 16 f.; Kitzinger, a.a.O., S. 6/7.

A . Pressegleichheit nach I n h a l t

14

gedroht, welche „Druckschriften politischen Inhalts" betrafen (§ 20 Abs. I). I m Reichsschriftleitergesetz vom 4.10.1933 (RGBl I, S. 713) konnte der NS-Staat „mach der A r t der Weltanschauung, die i h n trug, die liberale Auffassung vom Wesen der Presse nicht mehr anerkennen. Für i h n war die Presse vielmehr ein großes M i t t e l der geistigen Einw i r k u n g auf die Nation" 1 5 . Aus dieser Grundhaltung heraus wurde „vom Gesetz auch innerhalb der Zeitschriften noch der Unterschied gemacht, daß es nur die politischen erfaßt, die übrigen beiseite läßt. Was eine politische Zeitschrift ist, entscheidet der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda" 16 . Dieselbe presserechtliche Staatsauffassung führte damals übrigens auch zur Betonung der „öffentlichen Aufgabe der Presse" 17 . Nicht auf die liberale Tradition des deutschen Presserechts kann sich also berufen, wer zwischen „politischen" und „unpolitischen" Schriften heute unterscheiden w i l l . Dies entspricht vielmehr einer Staatsauffassung, welche der Presse gewisse „Aufgaben" zuweist — so läßt sich dann das „Politische" auch befriedigend rechtlich definieren. Der Einsatz dieser Differenzierung i m Nationalsozialismus mag als solcher noch keine entscheidenden Bedenken gegen sie begründen 18 ; eine gewisse Zurückhaltung legt er sicher nahe: I n der demokratischen Ordnung des GG bedarf idie Unterscheidung 'besonderer Legitimation. Nationalsozialistische Vorgänge können eine heute rechtlich bedeutsame Tradition nicht begründen. Bis i n neueste Zeit gibt es also kein Herkommen, das einen besonderen Begriff der „politischen Presse" i m allgemeinen Presserecht, als A b grenzung innerhalb des Verfassungsbegriffs der Presse, zu tragen vermöchte. c) I n der Staatspraxis seit 1945 finden sich n u r dürftige Ansätze zu einer solchen Unterscheidung — sie sind sogleich auf scharfe K r i t i k gestoßen. — Aus dem Bundeshaushalt werden zwar die Stiftungen der politischen Parteien gefördert 19 — doch ganz allgemein i n Form von „Zuschüssen zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit". 15 Schmidt-Leonhardt, H., Das Schriftleitergesetz, R V e r w B l (u. PreußVerwBl 54), 1933, S. 903. 16 a.a.O. 17 Dazu O L G Frankfurt, J W 1937, S. 1261; Rehbinder, M., Die öffentliche Aufgabe u n d rechtliche Verantwortlichkeit der Presse, 1962, S. 39 f.; SchmidtLeonhardt, H., a.a.O. 18 Über die (angeblich) „ganz andere S t r u k t u r " dieser „öffentlichen A u f gabe" i m heutigen Staat vgl. Mallmann, W., Pressepflichten u n d öffentliche Aufgabe der Presse, JZ 1966, S. 625 (629); Rehbinder, M., Presserecht, 1967, S. 21; Oppermann, Th., Kulturverwaltungsrecht 1969, S. 483.

19

Vgl. etwa 1974, 0602/68405.

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

15

Verteilungsmaßstäbe nach „politischem" Gehalt werden nicht sichtbar. Der Verfügungstitel des Bundeskanzlers „ f ü r Förderung des I n formationswesens" 20 sieht ausdrücklich die Förderung von „Publikationen verschiedenster A r t " vor, wobei nur höchst allgemein der „Rahmen der aktuell politischen Information" gezogen wird. Diese Eingrenzung kann nicht als Ausgangspunkt für eine allgemeine Differenzierung zwischen „politischer" und „unpolitischer" Presse dienen, sie ergibt sich aus den Funktionen des Bundeskanzlers, der hier i m Sinne seiner Kompetenz und der der Bundesregierung soll einwirken können, und zwar nur i n sehr begrenztem Umfang. Daß es Instanzen m i t „politischen Zuständigkeiten" gibt, die sich dann auch nur i n deren Rahmen, also „politisch", äußern dürfen, das folgt unmittelbar aus der Verfassung. Darauf läßt sich aber keine Berechtigung stützen, einen besonderen „politischen Pressebegriff" allgemein zu bilden; ebensowenig könnte aus der Existenz eines WerbeTitels für wirtschaftliche Unternehmen des Staates geschlossen werden, die „Geschäftspresse" dürfe allgemein presserechtlich besonders herausgehoben werden. Bei der folgenden Untersuchung geht es um das staatliche Recht, i m Rahmen der allgemeinen Eingriffs- und Förderungstätigkeit zu unterscheiden, nicht darum, wie „der Staat sich selbst äußern darf"; diesem letzteren aber dient — wenn auch indirekt — der Verfügungstitel des Bundeskanzlers. — Die ERP-Richtlinien gestoßen 21 .

(vgl. oben Vorbem. 2.) sind sogleich auf K r i t i k

— Parteipolitisch motivierte Förderung von Presseunternehmen durch den Staat soll zwar gelegentlich vorkommen, w i r d dann aber nicht offen nach politischen Kriterien betrieben, sondern m i t der Erhaltung der „Pressevielfalt" begründet 22 . — I m Jahre 1967 wurde von der Bundesregierung eine Pressekommission, die sog. „Günther-Kommission" eingesetzt. Sie sollte die Folgen der Pressekonzentration für idie Meinungsfreiheit untersuchen. Nachdem dieser Auftrag von der Kommission — w o h l zutreffend — so verstanden wurde, daß hier die politische Meinungsbildung gemeint sei, versuchte sie, eine Abgrenzung der „politischen" Presse von anderen Organen. Tageszeitungen und Publikumszeitschriften (insbesondere die Massenillustrierten) werden als relevant für die „politische Bildung" angesehen23. Dieser Begriff w i r d allerdings auf die 20

1974 0403/53101. Vgl. etwa Löffler, M., Presserecht I, 1969, S. 603; Kaiser, J., Presseplanung, 1972, S. 60, sieht hier m i t Recht Freiheit u n d Unabhängigkeit der Presse v o m Staat bedroht. 22 K r i t . zu solchen P r a k t i k e n i n B e r l i n Kaiser, J., a.a.O. 23 Bericht der Kommission* BT-Drucksache V/3122, S. 12. 21

16

A . Pressegleichheit nach I n h a l t

kultur-, wirtschafts- und sozialpolitische Bildung ausgedehnt, damit also sehr weitgefaßt. N u r „reine" Fachzeitschriften, Anzeigenblätter, Kundenzeitschriften und ähnliche Veröffentlichungen bleiben dabei außer Betracht. Die Unterscheidung, die i m übrigen mehr „gegriffen" als begründet wird, geht also von einem Begriff der „politischen Presse i m weitesten Sinn" aus, der lediglich reine Fach- und Geschäftspresse ausscheidet. Es geht mehr u m den Ausschluß von Randerscheinungen als u m konstruktive Differenzierungen i m Zent r u m des Pressebegriffs. A u f Grund von Empfehlungen der Günther-Kommission 2 4 erhielten durch Bundesgesetz vom 20. 5.1968 (BGBl I, S. 469) für ein Halbjahr diejenigen Unternehmer, welche „Zeitungen und Zeitschriften geliefert haben, die überwiegend der politischen Bildung und Unterrichtung dienen" eine Vergütung., welche einer Umsatzsteuerbefreiung gleichkam (§ 1). Das Steuerprivileg wurde zugleich auf kleinere und mittlere Presseorgane beschränkt 25 . Der Begriff des „Politischen" wurde dabei vom Finanzgericht Hamburg als unbestimmter Rechtsbegriff angesehen26, „ w e i l er nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht auf ein Teilgebiet des gesellschaftlichen Geschehens beschränkt werden kann. Der Begriff meint allgemein die Beschäftigung m i t den öffentlichen Angelegenheiten. Er umfaßt diejenigen Bestrebungen, die die Willensbildung auf dem Gebiete staatsbürgerlichen Zusammenlebens nach einer bestimmten Richtung beeinflussen". Auch Fachzeitschriften könnten aus i h m nicht grundsätzlich ausgeklammert werden. Däbei soll nicht nach quantitativer, sondern nach qualitativer Betrachtungsweise verfahren werden. Dieses Gesetzesverständnis faßt das „Politische" noch weiter als die Günther-Kommission — allenfalls reine Geschäftspresse könnte hier ausscheiden. Auch gegen dieses Gesetz und seine Differenzierungen sind bereits ernste verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden, w e i l eben Verteilungsmaßstäbe auszuscheiden hätten, die „auf irgendeine inhaltliche Festlegung oder auf eine Abhängigkeit vom Staate hinauslaufen" 27 . Zusammenfassend läßt sich feststellen: Eine Tradition allgemeiner presserechtlicher Differenzierung zwischen „politischer" und „nicht-politischer" Presse gibt es i n Deutschland nicht. N u r i n letzter Zeit lassen 24

BT-Drucksache V/2403. Vgl. dazu Löffler, M., a.a.O., S. 590 f. 28 EFG 1972, S. 157. 27 Lerche, P., Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 1971, S. 103; zu den Stellungnahmen von Parlamentariern bei der Verabschiedung des Gesetzes vgl. oben F N 8. 26

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

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sich Ansätze für eine solche Unterscheidung feststellen. Sie sind sogleich auf K r i t i k gestoßen. Der Begriff des „Politischen" w i r d dabei übrigens so weit gefaßt, daß aus i h m allenfalls die rein geschäftlichen Mitteilungen ausscheiden. 2. Differenzierungen nach „politischem Gehalt" im Jugendschutzrecht

Eine Unterscheidung nach dem „politischen" Inhalt von Druckschriften findet sich seit längerer Zeit i n der Gesetzgebung unter einem besonderen Gesichtspunkt — dem des Jugendschutzgesetzes. a) I n Anlehnung an das Lichtspielgesetz vom 12.5.1920 (RGBl I, S. 953) brachte das Reichsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund und Schmutzschriften vom 18.12.1926 (RGBl I, S. 505) eine doppelte Privilegierung der „politischen" Presse: — A u f die Zensurliste durften nicht m i t vertriebserschwerender W i r kung gesetzt werden Schriften „wegen ihrer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder weltanschaulichen Tendenz als solcher" (§ 1 Abs. V). — Während periodische Veröffentlichungen allgemein auch als solche i n die Liste aufgenommen werden konnten, wenn zwei innerhalb von Jahresfrist erschienene Nummern auf die Liste gesetzt worden waren, galt dies nicht für „politische Tageszeitungen u n d politische Zeitschriften" (§ 1 Abs. III). Der Begriff der „politischen" Zeitungen und Zeitschriften wurde alsbald bis zur Konturlosigkeit ausgeweitet. Es fielen darunter alle Periodica, welche „überwiegend öffentlichen Interessen dienten, eine Voraussetzung, die i m übrigen auch bei Fachblättern gegeben sein kann. Als politische Zeitschriften sind auch Witzblätter anzusehen, sofern sie sich vorwiegend m i t Tagesfragen und m i t der politischen oder gesellschaftlichen Satire befassen" 28 . Die Anerkennung des gesellschaftlichen Bezuges als „politisch" bedeutete, daß aus diesem Begriff allenfalls noch die „rein geschäftlichen" Schriften ausschieden — schon bei den unterhaltenden läßt sich ja ein gesellschaftskritischer Inhalt meist unschwer belegen. Den Tageszeitungen gegenüber erwies sich übrigens das Gesetz ohnehin als unwirksam 2 9 . Das Schund- und Schmutzgesetz brachte immerhin eine privilegierende Differenzierung nach politischem Inhalt — wie weit immer dieser Begriff ausgedehnt werden mochte. Dem kann nicht entgegengehalten 28 Matz, E., Seeger, E., Gesetz zur Bewahrung der Jugend v o r Schund- u n d Schmutzschriften, 1927, S. 34. 29 Hellwig, A., Pressefreiheit, i n : Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Deutschen, hrsg. v. Nipperdey, I I , 1930, S. 47, unter Hinweis auf die Schwerfälligkeit des Prüfungsverfahrens.

2

Leisner

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A . Pressegleichheit nach I n h a l t

werden, daß ja lediglich verhindert werden sollte, daß die periodische Presse unter jugendschützendem Vorwand „mundtot" gemacht würde 8 0 , daß also nur typische, drohende Gefahren von einem Teil der Presse ferngehalten und damit doch i m Ergebnis lediglich die Pressegleichheit wieder hergestellt werden sollte. Derartigen Mißbrauchsgefahren war auch die „nicht-politische" Presse jederzeit ausgesetzt; das Gesetz ließ vielmehr den Jugendschutz i n gewisser Hinsicht hinter die Sicherung der „politischen" Meinungsfreiheit und nur hinter sie deutlich zurücktreten — darin aber liegt eine Differenzierung innerhalb der Presse. b) Das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom 29.4.1961 hat diese Tradition aufgenommen und nur unwesentlich verändert. I n § 1 Abs. I I w i r d eine Aufnahme i n die Liste der gefährdenden Schriften bei solchen Erzeugnissen ausgeschlossen, wenn sie allein wegen deren politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalten erfolgen soll, wenn die Schrift der Kunst oder Wissenschaft, der Forschung oder Lehre dient, oder wenn sie „ i m öffentlichen Interesse liegt". Damit ist der Kreis der so privilegierten Schriften noch weiter ausgedehnt worden als zur Weimarer Zeit. Nicht nur, daß nunmehr Fachzeitschriften eindeutig den „politischen" Schriften gleichgestellt sind, m i t der Generalklausel des „öffentlichen Interesses" w i r d noch eine zusätzliche, übrigens bedenklich weite, Öffnung bewirkt. Die Rechtsprechung sieht i n den Begriffen „politisch", „sozial" unbestimmte Rechtsbegriffe 31 , i m Schrifttum w i r d wiederum die sehr weite Auslegung des „Politischen" vertreten 8 2 . I n § 7 des Gesetzes werden die Periodica erneut darin privilegiert, daß sie als solche überhaupt nicht auf die Liste gesetzt werden dürfen, selbst wenn dies bei mehreren ihrer Nummern geschehen ist. Dies gilt jedoch n u r für „Tageszeitungen unjd politische Zeitschriften". Bei den Tageszeitungen w i r d also nun offensichtlich der „politische" Charakter generell bejaht. Auch hier w i r d der Begriff „politisch" wieder weit zu verstehen sein; so soll es etwa genügen, daß eine Zeitschrift „überwiegend öffentlichen Interessen dient", oder daß sie sich „ m i t der Gesellschaft beschäftigt" 33 . Wiederum bringt also das GjS eine privilegierende Differenzierung, (u. a.) zugunsten der „politischen Presse" und der „politischen Inhalte". Man kann dem nicht entgegenhalten, es handle sich (bei § 1 Abs. II) nur um eine an sich überflüssige „Angstklausel", welche lediglich verdeutlichen solle, was sich ja ohnehin aus § 1 Abs. I m i t seiner Definition der 30 31 32 33

Mate, E., Seeger, E., B V e r w G E 23, S. 112 Vgl. etwa Potrykus, Potrykus, G., a.a.O.,

a.a.O. (114). L., Kommentar z. GjS, 1963 ff., zu § 1 Abs. I I . § 7 A n m . 9.

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

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„Jugendgefährdung" ergebe 34 — w e i l eben politische und wissenschaftliche Schriften „ihrem Wesen nach" nie jugendgefährdend wirken könnten: Politische oder weltanschauliche Schriften können „an sich" ohne weiteres auch jugendgefährdend sein, ebenso wissenschaftliche Veröffentlichungen. Das Gesetz trifft jedoch die Entscheidung, daß dann stets der Jugendschutz zurücktritt. Darin liegt eine Bevorzugung bei staatlichem Eingriff gegenüber anderen Presseerzeugnissen. Daß die privilegierten Stellungnahmen ex definitione der Verfassung niemals jugendgefährdend sein können, ergibt sich jedenfalls für politische Schriften nicht aus dem GG, das sie (Art. 5 Abs. I GG) gerade unter den Vorbehalt des Jugendschutzes (Art. 5 Abs. I I GG) stellt. c) Es fragt sich, ob daraus eine gesicherte, traditionelle Unterscheidung der Presseerzeugnisse i n „politische" und „nicht-politische" gewonnen werden kann, die eine entsprechende allgemein-presserechtliche Differenzierungsmöglichkeit eröffnet und das nicht-politische Schrifttum als presse-begrifflich weniger grundrechtsgeschützt erscheinen läßt als das politische. aa) Dem kann nicht entgegengehalten werden: — das Gesetz differenziere ja nicht nur nach politischen, sondern auch nach weltanschaulichen it. a. Kriterien — die Unterscheidung stützt sich u. a. auch auf den politischen Inhalt. — es handle sich beim Jugendschutz immer nur u m die Beurteilung von Einzelinhalten, daraus aber könme sich nie ein Begriff der „politischen Presse als solcher" ergeben — wenn die Beurteilung politischunpolitisch überhaupt rechtlich i m Einzelfall möglich ist, können auch Presseorgane, damit wohl aber auch Gruppen von solchen nach einer derartigen Differenzierung unterschieden werden; es genügt die Beurteilung des „üblichen" Inhalts nach einem K r i t e r i u m des qualitativen Uberwiegens 35 („Prägung d u r c h . . . " ) . — i m Jugemldischutz gehe es nur u m die „Tendenz", i m Sinne der gezielten, eindeutig feststellbaren Wirkungsabsicht, diese aber sei leichter festzustellen als die allgemeine Qualifikation „politisch" für ganze Pressesparten — zwar ist heute noch immer von der „Tendenz" die Rede, doch das GjS helbt ausdrücklich nicht mehr auf die „Tendenz", sondern auf den „ I n h a l t " ab, w e i l auf die „subjektive" Zielrichtung nichts ankommt, entscheidend vielmehr die objektive Erscheinung einer Veröffentlichung, damit aber ihr Inhalt, i h r W i r ken ist. bb) Dennoch ist das Jugendschutzrecht generell als Argument für die Zulässigkeit einer Differenzierung innerhalb des grundgesetzlichen 34 35

2*

So Raue, P., Literarischer Jugendschutz, B e r l i n 1970, S. 79/80. F G H a m b u r g E F G 1972, S. 157 (158); Potrykus, G., a.a.O.

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A. Pressegleichheit nach I n h a l t

Pressebegriffs ungeeignet, welche auf einen größeren oder geringeren Grundrechtsschutz gewisser Erzeugnisse hinauslaufen könnte. Wie das Schund- und Schmutzgesetz auf Grund eines speziellen Gesetzesvorbehalts zur Pressefreiheit (Art. 118 WV) ergangen war, sind die Grundrechtseinschränkungen, denen das GjS die Meinungs- und Pressefreiheit unterwirft, durch den ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorbehalt i n A r t . 5 Abs. I I („gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend") gedeckt. Der Gesetzgeber darf also jene Presse, welche i n ihrer Freiheit durch A r t . 5 Abs. I I GG geschützt wird, nach Abs. I I zum Zweck des Jugendschutzes soweit beschränken, wie dies aus sachlichen Gründen zu rechtfertigen ist und der Wesensgehalt des Art. 19 Abs. I I GG nicht verletzt wird. Dies gerade ist i m GjS i n zulässiger Weise geschehen. Man mag darüber streiten, ob die Privilegierungen zugunsten politischer u. a. Inhalte sinnvoll und gut praktikabel seien. Sachliche Gründe für sie lassen sich unschwer anführen, und sei es auch nur das besondere Sicherungsbedürfnis aller „politischen" Organe gegenüber der Staatsgewalt. Der Gesetzgeber konnte also einen Teil der Presse(inhalte) weniger beschränken als andere — das aber setzt gerade voraus, daß grundsätzlich, d. h. unabhängig von dem speziellen Gesetzesvorbehalt des Jugendschutzes, die gesamte Presse undifferenziert durch A r t . 5 Abs. I GG geschützt ist. Wenn also der Jugendschutz auf den speziellen Gesetzesvorbehalt gestützt wird, und dies geschieht von jeher, so ist dies ein Beweis dafür, daß auch, gerade, das Jugendschutzgesetz von einem völlig undifferenzierten Pressebegriff -des A r t . 5 Abs. I GG ausgeht. A n dernfalls hätte es überhaupt keines speziellen Gesetzesvorbehalts bedurft, weil die nicht-politische Presse, die vom Gesetzgeber offensichtlich als besonders jugendgefährdend angesehen wird, ja gar keinen Grundrechtsschutz oder nur einen so abgeschwächten genossen hätte, daß dem der Jugendschutz i m Wege der Wertabwägung eindeutig überzuordnen wäre. Das geltende Jugendschutzrecht und seine Tradition sind also ein Beweis dafür, daß dem deutschen Recht eine Differenzierung nach politischen und unpolitischen Presseerzeugnissen fremd ist. Daraus ergibt sich ein bedeutsames allgemeines Ergebnis für die Differenzierungsmöglichkeiten nach dem Inhalt, welche das GG (Art. 5 Abs. I) beim Pressebegriff eröffnet: Wenn eine solche auf einen speziellen Gesetzesvorbehalt gestützt werden muß, so ist sie eben nur zum Zwecke des Jugend- und des Ehrenschutzes möglich, welche auch „bestimmte Meinungen" einer Beschränkung unterwerfen dürfen» — nicht dagegen auf Grund des Vorbehalts der „allgemeinen Gesetze" (Art. 5 Abs. I I GG), w e i l dieser nach ganz h. L . die gezielte Anti-Meinungsgesetzgebung verbietet. Eine solche ist aber immer die privilegierende

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

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oder diskriminierende Differenzierung innerhalb der Meinungen und der Presseinhalte. Damit ergibt sich aus dem Jugendschutz, e contrario, ein erster Beweis dafür, daß eine allgemeine Differenzierung nach politischen Inhalten überhaupt nicht zulässig ist. cc) Das Jugendschutzrecht läßt übrigens noch einige wichtige Erkenntnisse für den Fall gewinnen, daß man aus anderen Gesichtspunkten doch zu einer Differenzierungsmöglichkeit innerhalb des Pressebegriffs nach politischen Kriterien gelangen könnte. — Eine Unterscheidung nur nach politischen — nicht-politischen Inhalten ist überhaupt problematisch, sie hat auch i m Jugendschutzrecht keine Tradition. Wenn schon eine Unterscheidung angebracht ist, so müssen auch andere Inhalte den politischen gleichgestellt werden. Dies gilt jedenfalls von denen, welche ersichtlich i n ihrem Wert von der Verfassung besonders hoch veranschlagt werden — religiös-weltanschauliche, künstlerische, wissenschaftliche, soziale (zumindest i m Sinne des A r t . 9 GG). Die mögliche Unterscheidungslinie läuft dann nicht so sehr zwischen politischen und nicht-politischen Schriften, es geht allenfalls darum, gewissem „rein geschäftlichen", ausschließlich werbendem Inhalt den Schutz der Pressefreiheit abzusprechen oder diesen zu mindern. — Die Fachzeitschriften können aus dem Grundrechtssdiutz nicht ausgeschlossen werden; selbst das einschränkende Jugendschutzrecht hat sie stets den politischen Schriften gleichgestellt. — Der Politikbegriff muß jedenfalls die allgemeinen gesellschaftlichen lung des Jugendschutzrechts läßt dann als solcher überhaupt noch ein Angstbegriff ist.

ein sehr weiter sein, insbesondere Bezüge einschließen. Die EntwickZweifel daran aufkommen, ob er praktikabel, ob er nicht doch nur

dd) Selbst wenn übrigens aber der Begriff des „Politischen" i n dem Sinne praktikabel wäre, daß sich aus i h m i m Einzelfall des Jugendschutzrechts oder anderer Rechtsgebiete eine Lösung ableiten ließe, so stünde damit doch nicht fest, daß er auch für eine große Kategorisieruiig innerhalb des Pressebegriffs i m allgemeinen Eingriffs- oder i m Sufoventiönsrecht i n Betracht kommt. Die Zurechnung voii Erzeugnissen zu einem Bereich des „Politischen" könnte zwar theoretisch, nicht aber praktisch i n jener Einzelabwägung geschehen* »wiesie i m jugendschutzreeht möglich ist. Eine „Hochrechnung" vom politischen Eirizelinhalt zur Kategorie „politische Presse" stößt daher wenn nicht auf grundsätzlichdogmatische, so doch auf schwerwiegende Praktikabilitätsbedenken. Das Jugendschutzrecht zeigt also, daß es an sich schon schwer ist, eine Entscheidung auf die Kategorie des „Politischen" zu stützen. Daß dies allerdings prinzipiell möglich sein muß, ergibt sich aus der Verfassung

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A . Pressegleichheit nach I n h a l t

— anders könnte etwa das Differenzierungsverbot nach „politischen A n schauungen" (Art. 3 Abs. I I I GG) überhaupt nicht angewendet werden. Auch hier ist übrigens eine nähere Begriffsbestimmung bisher nicht gelungen 8 6 . Selbst wenn sie aber — über die Entscheidung von Einzelfällen hinaus — möglich sein sollte, so ist damit das spezifisch presserechtliche Problem noch nicht erledigt; ob nämlich gerade beim gedruckten Wort, bei der Presse i n ihrer traditionellen und wesensmäßigen Verbindung und Verschränkung verschiedenster Inhalte, das „Politische" als ¡genereller Abgrenzungsbegriff geeignet ist, ob durch i h n nicht die Funktionen der Presse beeinträchtigt werden (dazu unten II.). Zusammenfassend läßt sich zum Problemkreis Jugendschutz — „politische Presse" feststellen: Eine Tradition allgemeiner Sonderbehandlung eines Teiles der Presse auf Grund einer pressebegrifflichen Abgrenzung zwischen „politischen" und „unpolitischen" Inhalten läßt sich auf das Jugendschutzgesetz nicht stützen, das nur eine besondere Materie auf Grund eines speziellen Gesetzesvorbehalts regelt. I m Umkehrschluß ergibt sich vielmehr daraus die Undifferenziertheit des verfassungsrechtlichen Pressebegriffs. Überdies zeigt sich gerade hier die Schwierigkeit, einen presserechtlich relevanten Begriff des „Politischen" überhaupt einzuführen. Ein solcher müßte so weit gefaßt werden, daß i h m außer der Werbepresse nahezu alles unterfiele, m i t Sicherheit jedenfalls die Fachzeitschriften. 3. Der arbeitsrechtliche Tendenzschutz und die Differenzierung nach Presseinhalten

a) Seit den Anfängen des Betriebsverfassungsrechts gibt es Sonderregelungen, welche dem Tendenzschutz dienen (§ 67 Betriebsrätegesetz 1920, § 81 BetrVerfG 1952, §§ 118, 129 BetrVerfG 1972 i. Verb. m. § 81 BetrVerfG 1952). Durch Mitbestimmung der Arbeitnehmer soll nicht die Meinungs- und Pressefreiheit unterlaufen, ihre Ausübung nicht an die Zustimmung der Mitarbeiter gebunden werden, die ja möglicherweise ganz anders denken. Das Betriebsverfassungsrecht unterwirft den Unternehmer einschneidenden Beschränkungen i n seinem Direktionsrecht, damit aber i n sei36 Vgl. etwa die Kommentierungen bei v. Mangoldt-Klein, B G G I S.211 sowie Maunz / Dürig / Herzog, GG, A r t . 3 Abs. I I I , Ednr. 116, welche beide den Begriff als bekannt, jedenfalls als nicht näher bestimmungswürdig voraussetzen. Auch das B V e r f G hat n u r einzelne Fälle entschieden ( A b w a h l eines Bürgermeisters aus politischen Gründen (E 7, S. 170), K a m p f gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung (E13, S. 49), ohne den Begriff allgemein zu bestimmen. A n solchen Radikalenfragen k a n n „das Politische" zwar exemplifiziert, es k a n n so aber nicht definiert werden. Einen Überblick über frühere Rspr. d. B V e r f G z u m „Politischen" gibt Leisner, W., L a conception d u „ p o l i tique" selon la jurisprudence de la Cour Constitutionnelle allemande, Revue d u Droit public 1961, S. 754 ff.

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

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nem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Gegenüber dem Eigentumsrecht w i r d dies i m wesentlichen über die Sozialbindung gerechtfertigt (Art. 14 Abs. I I GG). Als Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit könnte eine Betriebsverfassungsregelung bereits deshalb legitim erscheinen, weil durch sie ja ersichtlich nicht eine bestimmte Meinung, sondern alle Meinungs(Presse-)äußerungsmöglichkeiten undifferenziert eingeschränkt werden. Damit aber könnte das Betriebsverfassungsrecht jenen „allgemeinen Gesetzen" zugerechnet werden 87 , auf Grund deren die Rechte des A r t . 5 Abs. I GG vom Gesetzgeber beschränkt werden dürfen. Die besondere Sensibilität des Meinungs-Pressebereiches zeigt sich jedoch bedeutsam darin, daß der Gesetzgeber stets „Meinungsunternehmen" von den Beschränkungen der Betriebsverfassungsregelungen freigestellt hat — m i t Recht: V o n einer Meinungsfreiheit kann dort überhaupt nicht mehr gesprochen werden, wo eine laufende Bindung an fremden Willen besteht, das Betriebsverfassungsrecht hätte daher einen schweren Eingriff jedenfalls i n alle jene Äußerungsformen bedeutet, welche ohne arbeitsvertraglich organisierte Mithilfe anderer nicht gegeben sind — insbesondere die Pressefreiheit. Offen kann hier bleiben, ob damit die Pressefreiheit bereits i n ihrem „Wesensgehalt" (Art. 19 Abs. I I GG) getroffen worden wäre. Unzweifelhaft ist der Gesetzgeber stets davon ausgegangen, daß Sperren für seine Eingriffe bei der Pressefreiheit schon weit vor dem Bereich liegen, der etwa als w i r t schaftliche Freiheit geschützt ist. b) Wesentliche Mitbestimmungsregelungen sind aus Gründen des Tendenzschutzes nicht auf Betriebe anwendbar, „die politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestimmungen dienen" (§81 BetrVerfG 1952, § 129 BetrVerfG); das Gesetz findet überhaupt keine Anwendung auf solche Unternehmen und Betriebe, die „unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die A r t . 5 Abs. I S. 2 GG Anwendung findet, dienen, soweit die Eigenart des Unternehmens oder Betriebes dem entgegensteht" (§ 118 BetrVerfG 1972). Obwohl dem Gesetz also eine Differenzierung (u. a.) auch nach „politischen" Zweckbestimmungen zugrundeliegt, wurde diese bezeichnenderweise auf die Presseunternehmen nie angewendet Sie waren als solche überhaupt der Enitstehungsgrund der Tendenzregelungen 8®. 37 38

H. M., vgl. f. viele BVerfGE 16, S. 191 (200). Dietz-Rlchardi, Betriebsverfassungsgesetz, 1975, S. 1462 m. Nachw.

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A . Pressegleichheit nach I n h a l t

Presseunternehmen wurden generell zu den „Unternehmen m i t politischen Zielen" gerechnet. „Soweit der Tendenzschutz nicht aus der politischen Zielsetzung wie bei den Zeitungen begründet werden konnte, ergab er sich aus den sonstigen Zielbestimmungen, da Verlagsunternehmen regelmäßig mindestens eines der gesetzlich genannten geistigideellen Ziele verfolgen 39 ." Deswegen unterfallen Presseverlage von jeher dem Tendenzschutz, obwohl sie als solche nie i n Gesetzen genannt waren. I n der Neufassung des BetrVerfG ist ganz allgemein auf die Begriffe „Berichterstattung und Meinungsäußerung" i m Sinne von A r t . 5 GG verwiesen, der Gesetzgeber verzichtet also ausdrücklich auf jede Differenzierung nach politischem Gehalt; und zwar i m Namen gerade des Grundrechtsschutzes 40 . Alles was Meinungsäußerung i m Sinne von A r t . 5 Abs. I GG darstellt, erscheint schlechthin als „politisch" i m arbeitsrechtlichen Sinn 41 . Zeitungen und Zeitschriften genießen also gleichmäßig den Tendenzschutz, er gilt auch für Fachzeitschriften 42 . Nach dem Wortlaut des Gesetzes entfällt allerdings der Tendenzschutz bei Unternehmen, die nicht der Meinungsbildung oder der Benachrichtiguinig dienen — doch dies ist eine Frage der Differenzierung nach „geschäftlichen", nicht nach politischen o. ä. 43 Inhalten; vgl. dazu unten IV. Der arbeitsrechtliche Tendenzschutz ist also ein weiterer Beweis dafür, daß der deutsche Gesetzgeber von jeher eine Differenzierung zwischen Presseerzeugnissen nach ihrem „politischen" Inhalt für unzulässig gehalten hat — jedenfalls dort, wo er über „allgemeine Gesetze" der Pressefreiheit Schranken setzen zu müssen glaubte. Derartige Unterscheidungen finden sich auch nicht i m Postrecht oder i m Steuerrecht (vgl. näher dazu unten B ) . Dem deutschen Recht ist also eine Differenzierung nach der Politizität eines Presseinhalts unbekannt — sieht man von einem i n seiner zeitlichen W i r k u n g eng begrenzten und zudem noch umstrittenem Spezialsteuergesetz ab. 39

a.a.O. Mayer-Maly, Th., Grundsätzliches u n d Aktuelles zum Tendenzbetrieb, BB 1973, S. 761 (765); einschränkend Fabricius / Kraft / Thiele / Wiese, BetrVerfG, §118, A n m . 98; Löffler, M., Der Streit u m den Tendenzbetrieb, N J W 1954, S. 489 (492). v Dietz-Richardi, a.a.O., S. 1463. 42 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVerfG 1974, § 118, A n m . 17. 43 Dazu Dietz-Richardi, a.a.O. §118 A n m . 41; Fitting I Auffarth I Kaiser, a.a.O. §118 A n m . 16; Fabricius I Kraft / Thiele J Wiese, a.a.O. §118 A n m . 97; Frey, E., Der Tendenzschutz i m B e t r V G 1972, Arb. u. R. 1972, S. 161 (165); k r i t . Neumann-Duesberg, R., Presseverlage u n d Druckereien als Tendenzbetriebe, B B 1967j S. 549 (552). 40

I. Differenzierungsverbot nach „politischem" I n h a l t

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4. Differenzierung zugunsten ¿»politischer" Presse bei der Förderung i m Ausland

Unterscheidungen zwischen Presseerzeugnissen mit „politischem" und nicht-politischem Inhalt lassen sich i n ausländischen Staaten nur selten, meist erst neuerdings und überdies überwiegend i n einer Form feststellen, welche mehr nach Presseorganen oder Größenordnungen als nach Inhalten differenziert. Schweiz: Das Schweizer Bundesgericht hat nie zwischen politischen und anderen Presseinhalten unterschieden und etwa nur ersteren den Schutz der Pressefreiheit zuerkannt. Vielmehr ist dieser lediglich reinkommerziellen Äußerungen versagt worden, insbesondere der Werbung 4 4 . Die „besonderen der Presse obliegenden Aufgaben" werden sehr allgemein und auch nur beispielhaft umschrieben: „dem Leser bestimmte, die Allgemeinheit interessierende Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, ihn über politische, ökonomische, wissenschaftliche, literarische und künstlerische Ereignisse aller A r t zu orientieren, über Fragen von allgemeinem Interesse einen Meinungsaustausch zu provozieren, i n irgendeiner Richtung auf die praktische Lösung eines die Öffentlichkeit beschäftigenden Problems hinzuwirken" 4 5 — dies erfaßt die gesamte nicht „rein geschäftliche" Presse, Unterhaltungserzeugnisse eingeschlossen 46 , von einem K r i t e r i u m einer wie immer verstandenen Politizität ist keine Rede. Ob m i t dieser weithin undifferenzierten Schweizer Pressefreiheit der Entwurf eines Schweizer Presseförderungsgesetzes vereinbar ist, der die Antragsberechtigung auf Organe beschränkt, die über einen politischen Inhalt verfügen, muß bezweifelt werden. Holland: Ein „Betriebsfonds für die Presse" iist geplant. E r soll Kredite an Tageszeitungen und meinungsbildende Wochenzeitungen vergeben, „die die gesellschaftliche Aktualität m i t Analysen, Kommentaren und Hintergrundinformationen i m Interesse der Meinungsbildung auf staatskundlichem Gebiet" fördern. Ob diese Häufung von Allgemeinbegriffen je zu einer irgendwie faßbaren Abgrenzung nach politischem 47 Gehalt führen kann, ist zweifelhaft, umso mehr, als i n der Formulierung ein allgemeiner Gesellschaftsbezug enthalten ist. Von der. Förderung soll also ersichtlich primär die Geschäftspresse ausgeschlossen, nicht „politische Presse" privilegiert werden. 44 Dazu Fischer, K., Über den Geltungsbereich der Pressefreiheit, S. 89 f. m. Nachw. 45 B G E 37 I, S. 377, 46 a.a.O., S. 378; 47 Bericht i n Blick auf die Wirtschaft v. 4.10.1974.

1973,

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Frankreich: Die französische Presse genießt vielfache staatliche Förderung 48 . Eine Differenzierung nach politischen Inhalten läßt sich jedoch nur vereinzelt feststellen: — Mehrwertsteuerbefreiungen 4* kommen nicht n u r Zeitungen, sondern auch sonstigen Veröffentlichungen zugute. Allerdings muß der „Charakter des Allgemeininteresses" gegeben sein; er w i r d jedoch auch bei „Information und Erholung des Publikums" bejaht. Nur überwiegend kommerzielle Erzeugnisse scheiden aus. — Posttarifvergünstigungen 50 können ebenfalls alle Presseerzeugnisse beanspruchen, wenn sie nicht hauptsächlich geschäftlichen Inhalt haben, oder vornehmlich der Werbung dienen. — Steuerbefreiung (Körperschaft-, Einkommensteuer) war teilweise vorgesehen 51 für Tages- und Wochenzeitungen sowie Monats- und Zweimonatszeitschriften, die „zu einem großen Teil der politischen Information gewidmet sind". Diese Praxis hat jedoch offenbar bald zu Handhabungsschwierigkeiten geführt, denen man mit einer Großzügigkeit entgegenkam, die w o h l über den Wortlaut des Gesetzes hinausging: Den Zeitungen wurde die Vergünstigung generell, den Zeitschriften „sehr großzügig" gewährt, so daß nur gewisse kulturelle oder technische Zeitschriften „manchmal" ausgeschlossen blieben — was wiederum Anlaß zu K r i t i k gab 52 . I m Ergebnis ist also auch hier nur die Geschäftspresse von der Förderung ausgeschlossen. Andere Länder, welche neuerdings Presseförderung eingeführt haben oder dies erwägen (Italien, Österreich, Belgien), unterscheiden allenfalls nach Presseorganen, nicht aber nach Inhalten. Bezeichnend ist das belgische Presseförderungsgesetz vom 27.12.1974 (veröffentlicht i m Moniteur des 23.1.1975), das Unterstützung nur für die „Presse d'opinion" vorsieht, damit aber ersichtlich nicht nach Inhalt, sondern nach Presseorganen differenzieren w i l l , d. h. die Förderung der Tagespresse vorbehält 5 3 . Dieser Uberblick zeigt, daß sich eine Unterscheidung nach dem politischen Charakter des Inhalts nicht auf die Ergebnisse rechtsverglei48 Überblick i n Les Cahiers de la Presse Française, Sept. 1972, Rapport du Groupe de T r a v a i l sur les aides publiques aux entreprises de presse. 49 a.a.O., S. 5. 50 a.a.O. 51 Vgl. S. 10 f. 52 a.a.O., S. 13. 53 Vgl. die kgl. VO, m i t der am gleichen Tag die Durchführungsbestimmungen erlassen wurden. Aus dem Bericht der zuständigen Kommission der K a m m e r ergibt sich übrigens, daß überhaupt Bedenken bestanden, noch von einer „Presse d'opinion" zu sprechen, w e i l dieses K r i t e r i u m bei der A n w e n dung zu Schwierigkeiten führen werde (vgl. Prot. 304 (1974/5), N . 2 Sitzung v o m 20.11.1974).

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chender Betrachtung 'benachbarter Länder berufen kann. Soweit es dort überhaupt eine entsprechende Tradition gibt, w i r d nach Organen, nicht Inhalten unterschieden. Was sich an inhaltlichen Differenzierungen finden läßt, sucht ersichtlich nur die Geschäftspresse von der Förderung auszuschließen, Versuche der Abgrenzung nach politischem Gehalt führen zu ausufernder Anwendung. 5. Differenzierung der Presseinhalte nach „politischem" Gehalt im Anschluß an den Begriff der „politischen Meinung"?

a) Die These, daß der „politischen Presse" eine Sonderstellung zukomme, daß die nicht-politischen Inhalte umgekehrt nur einen abgeschwächten oder gar keinen Freiheitsschutz beanspruchen können, ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht als solche näher begründet worden 5 4 . Dies geschieht vielmehr nur i n Verbindung m i t der „öffentlichen Aufgabe" oder dem „institutionellen Schutz der Pressefreiheit" (vgl. unten 7. f.) 55 . b) Eine Differenzierung nach „politischem" Presseinhalt könnte m i t der Begründung versucht werden, Presseinhalte seien Meinungsäußerungen. Innerhalb des Begriffs „Meinung" (Art. 5 Abs. I GG) seien jedoch die „politischen" Inhalte von anderen zu unterscheiden, gleiches müsse für die Pressefreiheit gelten. I n der Tat ist der Meinungsbegriff des A r t . 5 Abs. I GG nicht schlechth i n differenzierungsneutral. Nach h. L. genießen rein geschäftliche Äußerungen, insbesondere die Werbung, den Schutz dieses Grundrechts nicht 5 6 . Daraus könnte bereits der Ausschluß der „rein geschäftlichen Inhalte" auch aus dem Pressebegriff gefolgert werden. Darüber hinaus sprechen gewichtige Gründe dafür, den Meinungsbegriff noch weiter zu 54 Gelegentlich finden sich allgemeine Äußerungen i n diesem Sinne, w i e etwa die von Schule, A . (in: Huber, H., Schüle, A., Persönlichkeitsschutz u n d Pressefreiheit, i960, S. 61/2), die Presse finde n u r i n der Beschäftigung m i t Angelegenheiten des öffentlichen Interesses, des öffentlichen Lebens ihre A u f gabe; aber auch hinter ihnen steht meist schon die Vorstellung von einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse. 56 Insbes. Ridder, H., Meinungsfreiheit, i n : Die Grundrechte I I , S.243 (269); dazu Schneider, F. (FN 10), S. 1301; Stammler, D. (FN 90), S. 212: „ I n s t i t u tionscharakter i n diesem Sinne k a n n n u r der periodischen politischen Presse zugesprochen w e r d e n . . . I n dieser F u n k t i o n n i m m t sie auch i m Bewußtsein der Öffentlichkeit eine Sonderstellung ein". 56 Dazu Nachw. b. v. Koller, K., Meinungsfreiheit u n d unternehmensschädigende Äußerung, 1971, S. 156f.; Leisner, W., Begriffliche Grenzen verfassungsrechtlicher Meinungsfreiheit, U F I T A Bd. 37, S. 129 (145 f.); Oppermann, Th., Wirtschaftswerbung u n d A r t . 5 GG, Festschr. f. G. Wacke, 1972, S.393 (395 f.) m. Nachw.; a . A . Wacke, G., Festschrift f. Friedrich Schack 1966, S. 201 f.; Lerche, P., Werbung u n d Verfassung, 1967, S. 77 f.; auch v. Koller, K., S. 162 f.; Huber, E. R., Das Empfehlungsverbot, 1959, S. 28 f.; i n der Schweiz genießt Werbung nicht Grundrechtsschutz, vgl. oben F N 44.

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A . Pressegleichheit nach I n h a l t

beschränken, aus i h m etwa künstlerische, wissenschaftliche, weltanschauliche Inhalte auszuschließen, w e i l hier sachnäherer Grundrechtsschutz zur Verfügung steht (Art. 4, 5 Abs. I I I GG). Geht man noch einen Schritt weiter und ordnet privatpersönliche Äußerungen jenem A r t . 2 Abs. I GG zu, der ja die Privatautonomie verbürgt, so bleiben als Schutzgegenstand der Meinung bei A r t . 5 Abs. I GG nur „politische" Inhalte, allerdings i m weitesten Sinne des Wortes 57 . Läßt sich dann eine entsprechende Begriffsverengung nicht auch für Presseinhalte rechtfertigen? c) Ein solcher genereller Schluß von der Meinungsfreiheit auf die Pressefreiheit ist nicht gerechtfertigt, ganz abgesehen davon, daß der Beschränkung der „Meinung", auf das „Politische", nach A r t . 5 Abs. 1 GG, überwiegend widersprochen worden ist 5 8 . Pressefreiheit und Meinungsfreiheit decken sich nach ihrem Schutzumfang nicht. Die Pressefreiheit ist „mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit, da darüber hinaus die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung gewährleistet ist" 5 9 . Der entscheidende Unterschied zwischen Meinungs- und Pressefreiheit liegt gerade darin, daß die erstere nur schützt, was „materiell" eben „Meinung" i m Sinne der Verfassung ist, während die Pressefreiheit „formell die Rechte des Staates u n d seiner Behörden gegenüber dem sich des Mittels der Presse bedienenden Staatsbürger abgrenzt" 60 . Selbst wenn also eine Äußerung als Meinung nicht durch A r t . 5 Abs. I S. 1 geschützt wird, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob sie nicht doch über die Pressefreiheit i n ihrer pressemäßigen Äußerung Sicherung erfährt. Die Pressefreiheit sichert eben die gesamte „Betriebsform Presse" 61 i n einer gewissen unternehmensmäßigen Einheit, sie bietet die Verfassungsgarantie der Presse als einem „apparativ" verstärkten rechtlichen Instrument der Massenkommunikation 62 , das gerade i n seinem „komplizierten technischen und personellen Organisationsbestand" besonders gefährdet und damit schutzbedürftig ist 6 8 . Die 67

Vgl. Leisner, W., U F I T A , Bd. 37. a.a.O. Oppermann, Th., a.a.O., S.401; v. Koller, K., a.a.O., S. 143, der auf