Durch den Eisernen Vorhang: Die Ära Brandt und das Ende des Kalten Kriegs 3806239983, 9783806239980

Die Ära Brandt und der Abschied vom Kalten Krieg "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Inner

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German Pages 304 [306] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Abschied vom Kalten Krieg
I Ostpolitik als kommunikatives Ereignis
Kommunikation und Realitätsbereitschaft
Kommunikative Praxis
II Ostpolitik als Interessen- und Friedenswahrung
Die „erwachsene“ Bundesrepublik als „Friedensmacht“
Die doppelte Westbindung
III Entspannung als Prozess
Konträre Erwartungen
Antagonistische Kooperation
Bilanz und Ausblick
Anhang
Zeittafel
Abkürzungen
Anmerkungen
Quellen und Literatur
Register
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Durch den Eisernen Vorhang: Die Ära Brandt und das Ende des Kalten Kriegs
 3806239983, 9783806239980

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Gottfried Niedhart Durch den Eisernen Vorhang

Gottfried Niedhart

Durch den Eisernen Vorhang Die Ära Brandt und das Ende des Kalten Kriegs

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg THEISS ist ein Imprint der wbg. © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Abbildungen: S. 2: Willy Brandt und Egon Bahr am 3. Juni 1972, dem Tag, an dem das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin sowie die Verträge von Moskau und Warschau in Kraft traten. © akg-images / picture-alliance / Sven Simon. S. 32: © akg-images / picture-alliance / dpa. S. 130: bpk / Hanns Hubmann. S. 194: © akg-images / picture-alliance / dpa Lektorat: Thomas Bertram, Gelsenkirchen Gestaltung und Satz: Anja Harms, Oberursel Einbandgestaltung: Harald Braun, Helmstedt Einbandmotiv: Staatsbesuch Breschnews in der Bundesrepublik Deutschland: Breschnew (links) und Bundeskanzler Willy Brandt auf dem Köln-Bonner Flughafen, nach der Ankunft, 18.5.1973; akg-images

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN: 978-3-8062-3998-0 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-4064-1 eBook (epub): 978-3-8062-4065-8

INHALT

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Abschied vom Kalten Krieg I Ostpolitik als kommunikatives Ereignis Kommunikation und Realitätsbereitschaft Kommunikative Praxis II Ostpolitik als Interessen- und Friedenswahrung Die „erwachsene“ Bundesrepublik als „Friedensmacht“ Die doppelte Westbindung

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III Entspannung als Prozess Konträre Erwartungen Antagonistische Kooperation

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Bilanz und Ausblick

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Anhang Zeittafel Abkürzungen Anmerkungen Quellen und Literatur Register

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ABSCHIED VOM KALTEN KRIEG

„In der deutschen Politik wird es interessanter, aber schrecklich schwierig.“ Als der Berliner Regierende Bürgermeister Willy Brandt dies im Oktober 1966 vor dem Hintergrund der kriselnden Regierung Erhard schrieb,1 konnte er nicht absehen, was „interessanter“ und „schrecklich schwierig“ für ihn persönlich bedeuten sollte. Wenig später bekleidete er das Amt des Außenministers in Bonn. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehörte die SPD einer Bundesregierung an, der Regierung der Großen Koalition, in welcher CDU/CSU mit Kurt Georg Kiesinger den Kanzler stellten. „Interessanter“ wurde es, weil „dynamische Zeiten“ anbrachen, die nicht nur einen politischen, sondern auch einen sozialen und kulturellen Wandel einleiteten.2 Sie sind als die „zweite formative Phase“ in der Entwicklung der Bundesrepublik bezeichnet worden.3 Dazu gehörte nach der Bundestagswahl vom September 1969 auch der Regierungswechsel, der die Ära Brandt einleitete. Die sozial-liberale Regierung mit dem SPD-Vorsitzenden Brandt als Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP) als Außenminister erhob den Anspruch, sowohl im Innern als auch nach außen einen Neustart leisten zu können. Mit der weitgesteckten Reformagenda und der auf Erweiterung der EG zielenden Europapolitik nahm sie Vorhaben der Vorgängerregierung auf. In der Deutschlandpolitik zog sie die Konsequenz daraus, dass sich in der Bundesrepublik ein eigenes Staatsbewusstsein herausgebildet hatte. Mehrheitlich nahmen Politik und

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Gesellschaft den westdeutschen Teilstaat nicht mehr als Provisorium wahr, sodass auch der DDR in aller Form das Attribut eigener Staatlichkeit zuerkannt werden konnte. Die Folge war, dass es schon im März 1970 zu einem deutsch-deutschen Gipfeltreffen kam. Eng damit verbunden war eine Außenpolitik, die als Entspannungspolitik eine Normalisierung der Beziehungen zur Sowjetunion und zu den übrigen Staaten des Warschauer Pakts anstrebte. Nach den Anfängen zur Zeit der Großen Koalition erfolgte jetzt ein Durchbruch, der als „neue“ Ostpolitik zum Markenzeichen der sozial-liberalen Regierung wurde. Das deutsche Wort Ostpolitik wurde international verstanden und fand bei Politikern, Diplomaten und Journalisten aller Sprachen Verwendung. Die Ostpolitik war Teil eines globalen Trends der Ost-West-Entspannung und zugleich ein maßgeblicher Motor dieses Trends. Was „schrecklich schwierig“ bedeutete, zeigte sich, als diese Politik in der Bundesrepublik zu einer erheblichen Polarisierung führte und auch im Westen auf gewisse Vorbehalte traf. Die Entspannungspolitik wurde in West und Ost gleichermaßen betrieben und führte zu einer nachhaltigen Veränderung des Ost-WestGegensatzes. Mit dem Aufstieg der Sowjetunion zur Großmacht mit Weltmachtambitionen während des Zweiten Weltkriegs war dieser Gegensatz zum beherrschenden Faktor der internationalen Politik geworden. Nach dem Krieg drängte die Sowjetunion auf Gleichbehandlung als Weltmacht, die künftig im Nahen und Mittleren Osten, im Mittelmeerraum und in Osteuropa Einflusszonen beanspruchte. Aus westlicher Sicht zählte jedoch nicht das Sicherheitsbedürfnis, das Stalin für sein Land geltend machte, sondern einzig sein irritierender Machthunger. Es war kein Zufall, dass der Begriff Kalter Krieg im Zusammenhang mit den im Dezember 1946 gescheiterten Verhandlungen in der Atomenergiekommission der UNO über die internationale Kontrolle der Nukleartechnik auftauchte. Als Stalin sich aus nachvollziehbaren Gründen weigerte, den USA auch nur vorübergehend ein Monopol auf die Atombombe zuzugestehen, und stattdessen den Bau

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einer eigenen Bombe vorantrieb, lautete der Kommentar des amerikanischen Verhandlungsführers Bernard Baruch: „Wir sind heute inmitten eines Kalten Kriegs.“4 Der Kalte Krieg als Phase im Ost-West-Konflikt Seitdem wird mit dem Terminus Kalter Krieg meist ein Abschnitt der Weltgeschichte bezeichnet, der die Jahrzehnte vom Zerfall des Weltkriegsbündnisses bis zur Auflösung des sowjetischen Imperiums umfasst. Auf den folgenden Seiten wird hingegen argumentiert, dass der Kalte Krieg im engeren Sinne mit der Bewältigung der Berlin- und Kubakrise 1962/63 auslief und nach einer Übergangsphase der Durchbruch zur Ost-West-Entspannung während der Ära Brandt erfolgte. Damit wird jene Begriffsverwirrung vermieden, die entsteht, wenn von mehreren angeblichen Kalten Kriegen über einen längeren Zeitraum die Rede ist, der ebenfalls Kalter Krieg genannt wird.5 Die Phase zwischen dem Ende des „ersten“ und dem Beginn des „zweiten“ Kalten Kriegs firmiert in dieser Lesart international als Détente und im Deutschen als Entspannung, die zur Zwischenphase im „kalten Weltkrieg“6 oder auch zum „middle cold war“7 wird. Demgegenüber meint Kalter Krieg im Folgenden den Grad der Ost-West-Konfrontation, der die „langen“ 1950er-Jahre (1946/47–1962) bestimmte. Diese Phase der Auseinandersetzung war geprägt von feindlicher Konfrontation und aggressiver Propaganda, unkontrolliertem Wettrüsten und Allianzbildung mit Blockdisziplin unter Führung der Supermächte. Sie kannte aber nicht nur den äußeren, sondern auch den inneren Feind, der eine rigide gesellschaftliche Formierung unter dem Vorzeichen von Feindbildern und vermeintlichen Bedrohungen zwingend geboten erscheinen ließ. Nach dem Abflauen der Krise um Berlin und Kuba erfuhr der OstWest-Konflikt nie mehr eine derart umfassende Verdichtung. Die nun zögernd und schrittweise einsetzende Politik der Entspannung war – wie die Politik des Kalten Kriegs auch – eine Form des Konfliktaustrags. Es ging um die Deeskalation des Ost-West-Konflikts und nicht

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um seine Beseitigung. Als Ausgangspunkt für Entspannung diente die wechselseitige Anerkennung von als legitim anerkannten Interessen auf der Basis des Status quo. Während sich die Sowjetunion in einer Übergangsphase von Chruschtschows Offensivdrang zu Breschnews Stabilitätspolitik befand, signalisierte der amerikanische Präsident Kennedy, man müsse sich „mit der Welt befassen, wie sie ist“, sprich: von der Realität der sowjetischen Supermacht und ihres Imperiums ausgehen, das bis nach Mitteleuropa reichte und dessen Außengrenze mitten durch Deutschland verlief. Kennedy verurteilte den Kommunismus als „abstoßend“ und bezeichnete das Streben der Sowjetunion, anderen ihr System aufzuzwingen, als „Hauptgrund für die Spannungen in unserer heutigen Welt“. Er bescheinigte Moskau aber auch „Abscheu vor dem Krieg“ und empfahl, „unsere Einstellung zum Kalten Krieg“ zu überprüfen und damit aufzuhören, einen Konfliktausgleich mit der Sowjetunion als „unmöglich“ anzusehen.8 Sowohl in Washington als auch in Moskau wurde erkannt, dass der bloße Wunsch nach Friedenswahrung nicht ausreichte. Nötig waren darüber hinaus eigene Methoden und Instrumente der Konfliktkontrolle. Woran es zuvörderst mangelte, waren direkte Kontakte zwischen beiden Regierungszentralen. Zur Überwindung dieses Defizits empfahl Kennedy eine höhere Kommunikationsbereitschaft und verbesserte Kommunikationsbedingungen. Der Begriff Kommunikation wurde in den Bemühungen um Spannungsabbau zu einem Signalwort, das neben den älteren Schlüsselbegriff Containment trat. So wurde im Juni 1963 die Einrichtung einer direkten Nachrichtenverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml vereinbart. Um einen „heißen“ Krieg, wie er während der Kubakrise gedroht hatte, zu vermeiden, wurde ein „heißer Draht“ installiert, der in künftigen Krisensituationen ein angemessenes Krisenmanagement durch direkte Kommunikation ermöglichen sollte. Schon im August 1963 kam es zu einer Einigung über die teilweise Beendigung der Kernwaffenversuche. Auch wenn diese Maßnahmen nichts am atomaren Rüstungswett-

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lauf änderten, kam es in der Folge zu einer Serie von Verträgen zwischen Ost und West, die eine Überwindung des Denkens in den Kategorien des Kalten Kriegs einleiteten. Entspannung als Deeskalation des Ost-West-Konflikts Angesichts dieser Entwicklung erscheint der Begriff Kalter Krieg zur Bezeichnung der gesamten Epoche als wenig geeignet. An seine Stelle tritt daher im Folgenden der Terminus Ost-West-Konflikt, der die fortwährende Konflikthaltigkeit der Auseinandersetzung ebenso anzeigt wie die größere Bandbreite in der Art des Konfliktaustrags. Auf die statische Konfliktkonstellation des kurzen Kalten Kriegs folgte während der jahrzehntelangen Détente eine vielschichtige Auseinandersetzung zwischen Ost und West, in welcher die friedliche Koexistenz der Staaten und die ideologische Konfrontation der Gesellschaften, die Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs und die misstrauische Abgrenzung, Rüstungskontrolle und Wettrüsten nebeneinander bestanden. Der Konflikt ähnelte fortan nicht mehr einem Nullsummenspiel, was zum Spannungsabbau führte und aus Feinden Gegner machte, die sich überschneidende Interessen bestimmen und Kontakte aller Art über trennende Demarkationslinien hinweg anbahnen konnten. Im Sog der Annäherung zwischen den Supermächten ergab sich für kleinere und mittelgroße Staaten die Chance, nach erhöhter Eigenständigkeit im Rahmen ihrer jeweiligen Bündnisse zu streben und das rigide Denken in Blöcken in Frage zu stellen. Der rumänische Parteichef Nicolae Ceaus¸escu verlangte von der sowjetischen Hegemonialmacht die Anerkennung größerer nationaler Eigenständigkeit. Seine Entscheidungen, Anfang 1967 gegen den Willen der Bündnispartner diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen oder 1968 die Intervention in der Tschechoslowakei zu missbilligen, zeigten, dass der Warschauer Pakt nicht mehr als monolithischer Block wahrgenommen werden konnte. Die DDR befand sich in existenzieller Abhängigkeit von der Sowjetunion. Doch wollte Wal-

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ter Ulbricht 1970 nicht einfach Weisungen entgegennehmen und mahnte „echte Kooperation“ an: „Wir sind nicht Bjelorussland, wir sind kein Sowjetstaat.“9 Im westlichen Bündnis war es Frankreich, das die Betonung nationaler Identität mit Ansätzen zur Neugestaltung der Ost-West-Beziehungen kombinierte. Staatspräsident Charles de Gaulle wollte schon Mitte der 1960er-Jahre zu einer „Verständigung“ und „Kooperation“ mit den Ländern des europäischen Ostens kommen. Als ersten Schritt empfahl er eine Politik der „Entspannung“. Détente wurde zum festen Begriff, der – wie kurz danach Ostpolitik – Eingang in die Sprache der internationalen Politik fand.10 De Gaulles programmatischer Dreischritt zeigt bereits, dass Détente nicht mit dem Zustand eines stabilen Friedens zu verwechseln ist. Aber es war eine Form des Umgangs miteinander, bei der auf die Androhung und Anwendung von Gewalt ausdrücklich verzichtet wurde. All dies unterschied sich gravierend vom Kalten Krieg der 1950erJahre mit seinen vereinzelten, recht flüchtigen Hoffnungsschimmern auf eine ost-westliche Annäherung. Der Eiserne Vorhang war auch während des „kurzen“ Kalten Kriegs keineswegs hermetisch geschlossen. So gab es schon ein Jahrzehnt vor dem berühmten „Prager Frühling“ in der tschechoslowakischen Hauptstadt jährlich ein Musikfestival gleichen Namens, bei dem Teilnehmer aus Ost und West zusammenkamen. „Eiserner Vorhang für ‚Prager Frühling‘ gelüftet“, titelte die New York Times am 24. Juni 1956. Derartige Begegnungen blieben jedoch die Ausnahme. Erst im Zuge der Entspannungspolitik wurde die Ost und West trennende innereuropäische Grenze durchlässiger. Auf höchster politischer Ebene sprach man anlässlich der Genfer Gipfelkonferenz im Juli 1955 zwar vom versöhnlichen „Geist von Genf“, greifbare Ergebnisse waren allerdings nicht zu verzeichnen. Immerhin kehrten die Gipfelteilnehmer mit dem Eindruck nach Moskau, Washington, London und Paris zurück, dass keine Seite auf einen Krieg zusteuere. Diese Einschätzung resultierte allerdings nicht aus der Einsicht in die aufrichtige Friedfertigkeit der Gegenseite, sondern

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aus der Erkenntnis, dass zwischen Atommächten Krieg nicht länger ein Mittel der Politik sein konnte. Es herrschte der Zwang zur „friedlichen Koexistenz“, wie Chruschtschow 1956 während des XX. Parteitags der KPdSU ausführte: „Es gibt tatsächlich nur zwei Wege: entweder friedliche Koexistenz oder den furchtbarsten Vernichtungskrieg der Geschichte. Einen dritten Weg gibt es nicht.“11 Jenseits des Kalten Kriegs In besonderer Weise profitierte Europa vom Zwang zum Nicht-Krieg, denn hier standen sich die Nuklearmächte unmittelbar gegenüber, ohne ihr militärisches Potenzial zum Einsatz bringen zu können. Auch in anderen Weltteilen, etwa auf der Koreanischen Halbinsel, wurde entgegen der Empfehlung des Oberbefehlshabers, General Douglas MacArthur, im Koreakrieg nicht auf Atomwaffen zurückgegriffen. Aber Kriege wurden unter direkter oder verdeckter Beteiligung der Weltmächte sehr wohl geführt. In Europa blieb es bei der Angst vor einem Krieg. Dort herrschte die Ungewissheit, ob die Friedlosigkeit des Kalten Kriegs womöglich doch in einen heißen Krieg überginge. Abhilfe konnte nur geschaffen werden, wenn die Denkstile und Politikformen des Kalten Kriegs überwunden und die zentralen Probleme europäischer Sicherheit, das Wettrüsten und die deutsche Frage, angegangen wurden. Tatsächlich gelang es, im Laufe der 1960er-Jahre einen Prozess des Wandels einzuleiten, sodass das Ost-West-Verhältnis allmählich auch als interaktive ost-westliche Beziehungsgeschichte wahrgenommen werden konnte. Beide Seiten betonten die Unterschiede ihrer Weltsicht, erklärten aber zugleich ihre Bereitschaft, die Angst voreinander ab- und Vertrauen aufzubauen. Krieg war auch bisher keine Option gewesen, jetzt aber sollte Frieden „nochmals eine Idee möglicher“ werden.12 Der Ost-West-Konflikt dauerte an, aber die Terminologie, mit der er beschrieben wurde, begann sich zu ändern. Einen deutlichen Hinweis gab der amerikanische Politikwissenschaftler Marshall Shulman 1966 mit einem Buch, das den programmati-

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schen Titel Beyond the Cold War trug. Die Gegenwart entziehe sich jeglicher Schwarz-Weiß-Malerei und dem Denken in Freund-Feind-Kategorien. „Jenseits des Kalten Kriegs“ zu sein bedeute nicht, die Augen vor den amerikanisch-sowjetischen Spannungen zu verschließen. Aber Shulman säte deutliche Zweifel, ob der Konflikt mit einem aus der Anfangsphase dieser Spannungen stammenden Begriff angemessen beschrieben werden könne. Seit den Zeiten des Kalten Kriegs unter Stalin habe sich die Sowjetunion verändert, woraus Möglichkeiten erwüchsen, die Beziehungen zur östlichen Supermacht neu zu gestalten. Neben den Konflikt träten Ansätze zur Kooperation. Dies zu erkennen sei das Gebot der Stunde. Der Terminus Kalter Krieg habe ausgedient. Als zeitgeschichtlich belasteter Begriff trübe er den Blick für Chancen der Annäherung in der Zukunft. Konsequenzen hatte diese Sichtweise nicht zuletzt dort, wo die Trennung zwischen Ost und West besonders stark zu spüren war. In der Bundesrepublik Deutschland, die ebenso wie die Deutsche Demokratische Republik ein Produkt des Kalten Kriegs war, fiel die Anpassung an den globalen Trend der Ost-West-Entspannung keineswegs leicht, zog sie doch die Zurückstellung der deutschen Frage gegenüber der Priorität der Entspannung in Europa nach sich. Die Ende 1966 ins Amt gelangte Regierung der Großen Koalition verfügte über den erforderlichen Rückhalt, um diesen Schritt gehen zu können. Bundeskanzler Kiesinger nutzte den Staatsakt zum „Tag der deutschen Einheit“ am 17. Juni 1967, um den Blick auf die „gegenwärtige Struktur“ im geteilten Europa zu lenken. Angesichts einer „kritischen Größenordnung“ Gesamtdeutschlands könne man „das Zusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands nur eingebettet sehen in den Prozess der Überwindung des Ost-West-Konflikts in Europa“. Angezeigt sei daher eine „Entspannungspolitik mit langem Atem“, wie Außenminister Brandt wenig später im August 1967 schrieb. Sie sollte nicht von „Fortschritten in der Deutschland-Frage abhängig“ sein. Die Rede war jetzt von einer Auflockerung der „erstarrten politischen

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Fronten“. Darin liege ein „großer Fortschritt gegenüber der Zeit des Kalten Kriegs“. Vom Kalten Krieg sprach Brandt auch deshalb in der Vergangenheitsform, weil die „revolutionären Ziele in der sowjetischen Europapolitik zurückgetreten“ seien. Die Sowjetunion sei nicht auf „Krisen in unserem Kontinent“ aus.13 Selbst nach der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei, die 1968 für Zweifel und Verunsicherung sorgte, wollte die Bundesregierung nicht zu einer „Politik des Kalten Kriegs“ aufrufen. Sie sah keinen Anlass, „unsere Ostpolitik prinzipiell zu ändern“.14 Auch der französische Außenminister Michel Debré nannte am 29. August 1968 vor dem Außenpolitischen Ausschuss der Nationalversammlung die gewaltsame Unterdrückung der Reformbewegung in der Tschechoslowakei nicht etwa einen Rückfall in den Kalten Krieg, sondern einen „Verkehrsunfall auf der Straße der Entspannung“.15 Immerhin votierte er bei den politischen Beziehungen mit der Sowjetunion vorübergehend für eine „gewisse Distanzierung“.16 Von der Reduzierung der Kontakte waren auch Überlegungen des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson betroffen. Er konnte den Gedanken eines Gipfeltreffens mit dem sowjetischen Parteichef Breschnew nicht weiterverfolgen. Johnsons Nachfolger Richard Nixon wurde wenig später für seine Bereitschaft gelobt, in eine „Ära der Verhandlungen“ einzutreten.17 Wichtiger als eine Liberalisierung im osteuropäischen Herrschaftsbereich der Sowjetunion erschien die Stabilisierung bestehender Kräfteverhältnisse als Voraussetzung für Annäherung und Entspannung. Analog dazu sah Breschnew im Mai 1972, als er Nixon in Moskau empfing, über die soeben erfolgte Ausweitung der amerikanischen Kriegführung gegen Nordvietnam hinweg, bei dessen kurz zuvor gestarteter Osteroffensive gegen den Süden sowjetische Panzer zum Einsatz kamen. Für Breschnew war ein Erfolg des sowjetisch-amerikanischen Gipfeltreffens entscheidender als die Unterstützung für das kommunistische Nordvietnam. Zurück in Washington verkündete der amerikanische Präsident den Beginn eines

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ost-westlichen Entspannungsprozesses, der zu einem „dauerhaften Frieden“ führen könne. Die Wortwahl ließ aufhorchen und erinnerte an Brandts Diktum aus dem Jahr 1967. Auch Nixon wollte nicht mehr vom Kalten Krieg sprechen und stellte sein Treffen mit der sowjetischen Führung als einen Neubeginn gegenüber der „Gipfeldiplomatie in der Ära des Kalten Kriegs“ dar.18 In einer Grundsatzerklärung hatten beide Seiten ihren Willen bekundet, „militärische Konfrontationen“ zu vermeiden und Differenzen mit „friedlichen Mitteln“ beizulegen.19 In Moskau notierte Anatoli Tschernjajew, stellvertretender Leiter der Abteilung für internationale Angelegenheiten beim ZK der KPdSU und später Berater von Michail Gorbatschow, man habe den Rubikon überschritten – den „großen Rubikon der Weltgeschichte“.20 Antagonistische Kooperation und Kommunikationsbereitschaft Wenn von Entspannung und Ablösung des Kalten Kriegs gesprochen wurde, war damit in keinem Fall die Beendigung des Ost-West-Konflikts gemeint. Die fundamentale ideologische Konfrontation, divergierende Zukunftsvorstellungen und nationale Interessengegensätze waren nicht aufgehoben. Der Kampf um die „Seele der Menschheit“ (Leffler) dauerte an, auch wenn er unter dem Primat der Friedenswahrung im Sinne von friedlicher Koexistenz stand. Entspannung begrenzte den Konflikt und ließ ihn gleichzeitig bestehen, sodass nur eingeschränkte Kooperation möglich war. Entspannung beruhte auf der Gleichzeitigkeit von begrenztem Konflikt und eingeschränkter Kooperation. Zur Kennzeichnung dieser Gemengelage wurde schon recht früh der – auch hier verwendete – Begriff der antagonistischen Kooperation eingeführt,21 der geeignet ist, die Ambivalenz der Détente zu erfassen. Zugleich ermöglicht er, Entspannung als konflikthaltigen Zustand zu verstehen und neu auftretende Spannungen nicht gleich als Rückfall in den Kalten Krieg zu deuten. Einerseits gab es keinen „geraden Weg“ von den Anfängen der Entspannungspolitik zur Auflösung des Ost-West-Konflikts, andererseits aber auch keinen „Weg

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zurück in den aggressiven Antagonismus der fünfziger Jahre“.22 Zu Recht ist von „dauerhafter Entspannung“ in Europa gesprochen worden.23 Sie dürfte mäßigend auf das Spannungsverhältnis der Supermächte gewirkt haben. Aber auch im globalen Maßstab der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen lassen sich „Grundregeln“ ausmachen, die ihren Ursprung im entspannungspolitischen Ansatz hatten und den gesamten Ost-West-Konflikt überdauerten.24 Unterscheidet man in dieser Weise zwischen einem „kurzen“ Kalten Krieg und einer „langen“ Détente, heißt dies zugleich, ein oft gezeichnetes statisches Bild von der permanenten Friedlosigkeit im Ost-WestGegensatz zugunsten einer Sichtweise zu ersetzen, die wie Filmsequenzen einen bewegten politischen Prozess erkennen lässt. Das statische Bild zeichnet „zwei hochgerüstete Blöcke“, „die sich ganz so benahmen, als befänden sie sich trotz des Friedenszustandes, der rein völkerrechtlich herrschte, permanent im Krieg.“25 Demgegenüber gilt die Aufmerksamkeit im Folgenden den Prozessen, in deren Verlauf an die Stelle der imaginierten Konfrontation im Kalten Krieg eine andere Imagination trat – die Vorstellung nämlich, wie der Kalte Krieg zugunsten einer variantenreicheren und weniger bedrohlichen Konfliktform überwunden werden könnte. Der Denkschule des Kalten Kriegs trat diejenige der Entspannung gegenüber. Die Historiographie zur Entspannung im Ost-West-Konflikt fragt nach Möglichkeiten und Erfahrungen von Kommunikation zwischen beiden Seiten. Kommunikation ist der zentrale, von einigen Entspannungspolitikern gern gebrauchte Begriff, der den analytischen Zugriff auf die Thematik ermöglicht. Es geht darum zu klären, inwieweit durch Kommunikationsbereitschaft und -praxis kooperative Elemente in den ostwestlichen Antagonismus eingeführt werden konnten, und welche Ziele „kommunikatives Handeln“ verfolgte.26 Parallel zu einer Kommunikationsform, die international auf Kontakt und Verständigung zielt, kann strategisch verstandene Kommunikation der Verfolgung eigener Interessen dienen und als transnationale Kommunikation ter-

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ritoriale Grenzen überwinden. So koppelte US-Präsident Johnson wenige Monate nach seinem Amtsantritt die Absicht, „Brücken“ über den „Abgrund“ der europäischen Spaltung zu bauen, an die Erwartung, damit „den Geist einer neuen Generation für die Werte und Visionen der westlichen Zivilisation“ zu wecken und dadurch einen Wandel im sowjetischen Machtbereich anzustoßen.27 Im „Erfahrungsraum“ des Kalten Kriegs der „langen“ 1950er-Jahre eröffnete der Schlüsselbegriff Kommunikation einen „Erwartungshorizont“, innerhalb dessen graduelle Veränderungen möglich sein sollten und auch angestrebt wurden. Mit Hilfe dieser von Reinhart Koselleck eingeführten Begriffe lässt sich dem Wandel in der Wahrnehmung des Ost-West-Konflikts nachspüren. Als Schwelle und zugleich Durchgang diente die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Die erste Idee zu einer solchen Konferenz ging auf eine Forderung der Sowjetunion aus dem Jahr 1954 zurück, sodass der Konferenzinitiative, die auf Ersuchen Moskaus im Mai 1969 vom neutralen Finnland ausging, noch der Geruch des Kalten Kriegs anhaftete. Auch die finnische Regierung selbst verband keine übermäßigen Erwartungen mit der Veranstaltung. Doch innerhalb von vier Jahren weitete sich der Horizont, sodass die nun tatsächlich beginnende Konferenz einen Blick in die Zukunft der Entspannung erlaubte. Die Einigung darüber, was in welcher Form verhandelt werden sollte, ließ Ergebnisse von „konstruktiver Substanz“ erwarten.28 Jede historische Darstellung der Entspannungspolitik kreist um die entscheidende Frage, wie Erwartungen zu erfahrbarem „Transformationsgeschehen“ (Doering-Manteuffel) wurden. Nicht nur auf staatlicher Ebene war ein beispielloser Anstieg der Kontakte zwischen Ost und West zu verzeichnen. Träger dieser Kontakte waren Repräsentanten einzelner Institutionen und gesellschaftlicher Gruppen wie Firmen und Banken, Parteien und Gewerkschaften, Kirchen, Journalisten, Wissenschaftler, Schriftsteller oder Künstler. Doch nur die staatlichen Ak-

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teure konnten dafür sorgen, dass das Thema Ost-West-Entspannung dauerhaft auf die politische Agenda kam und dass eine grundsätzliche Weichenstellung zugunsten eines ost-westlichen Interessenausgleichs erfolgte. Ihren kommunikativen Niederschlag fand diese Entwicklung in häufig stattfindenden bilateralen Gipfeltreffen. Ein multilateraler Rahmen war erreicht, als am 1. August 1975 anlässlich der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 35 europäische und nordamerikanische Staats- und Regierungschefs in Helsinki zusammenkamen. Bestehende Grenzverläufe in Europa wurden bestätigt, zugleich sollten die Grenzen aber durchlässiger werden. Auf Letzteres drangen vor allem westeuropäische Konferenzteilnehmer, die ein dynamisches Verständnis von Détente hatten und Kommunikation als Mittel zur Transformation sowohl der Ost-West-Beziehungen als auch der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den Staaten des Warschauer Pakts ansahen. Aus deren Sicht wiederum waren es vorwiegend wirtschaftliche Interessen und Zwänge, die eine partielle Öffnung gegenüber dem Westen nahelegten. Seit den frühen 1960er-Jahren hatte die europäische Politik sich deutlich verändert. Die Motive und Zielvorstellungen mochten sich von Regierung zu Regierung unterscheiden, doch die zunehmende Interaktion zwischen staatlichen wie auch nicht-staatlichen Akteuren im westlichen und östlichen Europa ließ das überkommene Bild vom Eisernen Vorhang verblassen. Sicherheit und Entspannung waren keine Gegensätze, sondern – wie es der Harmel-Bericht der NATO, der die „zukünftigen Aufgaben“ der Allianz benannte, Ende 1967 beschrieb – komplementäre Elemente. NATO und Warschauer Pakt blieben hochgerüstete Bündnisse und arbeiteten fortwährend an der Weiterentwicklung ihrer Arsenale. Im Vergleich zu ihrer Gründungsphase im Kalten Krieg jedoch waren sie intern und im Verhältnis zueinander einem entspannungspolitischen Wandel unterworfen, der zur Schaffung eines „unkriegerischen – aber nicht unmilitärischen – Verhaltenskodex“ beitrug.29

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Die Abschwächung des Ost-West-Gegensatzes war politisch beabsichtigt, zugleich aber auch eine Folge globaler Veränderungen und Problemstellungen. Die im Kalten Krieg ausgebildete Bipolarität des internationalen Systems wurde durch eine Tendenz zur Multipolarität ergänzt. Neben die alten Imperien des Kalten Kriegs traten mit Westeuropa, der Volksrepublik China und Japan neue Akteure, die zwar militärisch mit den Supermächten nicht mithalten konnten, doch aufgrund ihres politischen Gewichts und ihrer wirtschaftlichen Stärke über eigene Ressourcen der Macht verfügten. Fast gleichzeitig gelangten die USA und die UdSSR im Krisenjahr 1968 an die Grenzen ihrer weltpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Tet-Offensive des Nordens Anfang 1968 erwies sich als Wende im Vietnamkrieg. Die Entscheidung der Sowjetunion im August 1968, den „Prager Frühling“ militärisch zu ersticken, deckte schonungslos die Risse im sowjetischen Imperium auf. Gravierender noch waren die ökonomischen Auswirkungen der imperialen Überdehnung. Die sowjetische Militärmacht stand wirtschaftlich auf tönernen Füßen. Und die amerikanische Weltmacht war erstmals in ihrer Geschichte mit der Endlichkeit ihrer finanziellen Möglichkeiten konfrontiert. Das Abrücken vom Goldstandard im August 1971 verdeutlichte die Zwangslage des Landes und markierte zugleich das Ende des Währungssystems von Bretton Woods, das eine der Säulen der westlichen Nachkriegsordnung gebildet hatte. Auf die bange Frage Präsident Nixons vom August 1971, ob die USA noch die führende Weltmacht seien,30 gab es nur eine Antwort, nämlich die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen durch eine Deeskalation von Konflikten im Zeichen einer umfassend angelegten Entspannungspolitik. Nicht ohne resignativen Unterton bezeichnete Nixon eine solche Anpassung als „bittere Notwendigkeit“.31 Die zentrale Korrektur im Verhältnis zur Sowjetunion lautete Anerkennung der militärischen Parität, im Verhältnis zu China bedeutete sie die Anerkennung der Herrschaft der KP Chinas, im Verhältnis zu Westeu-

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ropa das nach anfänglichem Zögern erfolgte Einschwenken auf die Politik der EG während der multilateralen KSZE-Verhandlungen. Als Fehlschlag entpuppte sich der Versuch von Amerikas Nationalem Sicherheitsberater Henry Kissinger, 1973 ein „Jahr Europas“ auszurufen und damit die transatlantischen Beziehungen unter amerikanischer Führung neu zu ordnen. Die Europäer – insbesondere im Westen, aber auch in Osteuropa – sahen ihre Stunde gekommen. Sie stellten sich schon aus sicherheitspolitischen Gründen weder in West noch in Ost frontal gegen ihre Führungsmächte, aber sie verfügten jetzt über größere Spielräume. Anders formuliert: Der Ost-West-Konflikt kann nicht überwiegend oder gar ausschließlich als Geschichte der Beziehungen zwischen den Supermächten dargestellt werden. Insbesondere die in der EG organisierten Staaten Westeuropas, die in einen Integrationsund Erweiterungsschub eintraten, beanspruchten, als eigenständige Akteure wahrgenommen zu werden. Zwei deutsche Staaten im Ost-West-Konflikt Von Beginn an spielte sich der Ost-West-Konflikt nicht nur in Europa ab. Allerdings war Europa der Ort, wo der Konflikt als direkte Konfrontation seine schärfste Zuspitzung erfuhr und wo sein Ende eingeleitet und herbeigeführt wurde. In Europa wiederum war es die deutsche Frage, die den Kern dieses Konflikts ausmachte. Die Errichtung von Besatzungszonen nach Kriegsende und die Gründung zweier deutscher Staaten 1949 mit gegensätzlicher politisch-gesellschaftlicher Ordnung und internationaler Ausrichtung auf einem gegenüber dem Deutschen Reich deutlich verkleinerten Territorium brachten zweierlei zum Ausdruck: zum einen das Bedürfnis nach Sicherheit vor Deutschland, zum anderen die Unfähigkeit der für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Siegermächte, einen Zustand gemeinsamer Sicherheit herzustellen. Die Herausforderung für die deutsche Nachkriegspolitik bestand in der Notwendigkeit, dem Ost und West gemeinsamen Interesse an einer Kontrolle Deutschlands gerecht zu werden

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und zugleich das Ziel im Blick zu behalten, als eigenständiger Akteur in die internationale Politik zurückzukehren. Letzteres hing davon ab, ob auch Sicherheit mit Deutschland wieder denkbar wurde. Unter den Bedingungen des Kalten Kriegs waren beide deutsche Staaten unverzichtbare Bastionen in der jeweiligen Bündnisstrategie. Die DDR war zu strikter Ausrichtung auf die Sowjetunion verpflichtet, wenngleich Moskau die Wünsche der DDR-Führung nicht selbstherrlich ignorieren konnte. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs stieg die Bundesrepublik allmählich Schritt für Schritt zu einer Mitgestalterin westlicher Sicherheitspolitik auf. Darüber hinaus wuchs sie in eine gesamteuropäische Schlüsselrolle hinein. Denn von ihr hing es ab, ob Sicherheit mit Deutschland auf die Ost-West-Beziehungen ausgeweitet werden konnte. Während Adenauer um Vertrauen im Westen gerungen hatte, bemühten sich seine Nachfolger mit unterschiedlicher Intensität, die bestehenden Kontakte zur Sowjetunion zu verbessern und die reflexartige Diskreditierung der Bundesrepublik als revanchistischer Feindstaat aufzuweichen. Die im Dezember 1966 gebildete Regierung der Großen Koalition wünschte unter ausdrücklicher Einbeziehung des Warschauer Pakts Beziehungen mit „allen Völkern“, „die auf Verständigung, auf gegenseitiges Vertrauen und auf den Willen zur Zusammenarbeit gegründet sind“.32 Dieses Angebot, Sicherheit mit Deutschland zu konzipieren, nahm in der Ära Brandt konkrete Gestalt an, als die Bundesrepublik und die Sowjetunion sich 1970 im Moskauer Vertrag wechselseitig zum Verzicht auf die Androhung und Anwendung von Gewalt verpflichteten. Damit war in aller Form ein entspannungspolitisches Projekt aus der Taufe gehoben, das zwar von den Vorstellungen eines europäischen Sicherheitssystems noch weit entfernt, aber durchaus geeignet war, die Bundesrepublik aus dem Schatten sowohl des Zweiten Weltkriegs als auch des Kalten Kriegs herauszuführen.

DIE ÄRA BRANDT

Die Ära Brandt Von der Ära Brandt zu sprechen heißt zugleich, sie in die Kontinuität westdeutscher Außenbeziehungen einzubetten. Dabei geht es nicht darum, diese Epochenwende im Ost-West-Konflikt zu personalisieren. Es ist allzu offensichtlich, dass die Politik des ersten sozialdemokratischen Bundeskanzlers in einem für ihn vorteilhaften internationalen und auch innenpolitischen Kontext zu sehen ist. „Schluss machen mit dem Kalten Krieg“ – diese Forderung war nicht nur in Frankreich zu hören.33 Der Vatikan etwa nahm den Dialog mit Moskau auf, als Papst Paul VI. im Januar 1967 Nicolai Podgorny, den Vorsitzenden des Obersten Sowjets, in Rom in Privataudienz empfing. Als Nachbarstaaten der Bundesrepublik praktizierten Dänemark und Österreich eine Politik der Annäherung an die Staaten des Warschauer Pakts. In Gesellschaft und Politik der Bundesrepublik waren vermehrt Rufe nach einer „neuen“ Ostpolitik zu vernehmen. Die Zeit sei gekommen, das „kalkulierte Risiko der Entspannung“ einzugehen.34 Die im Bundestag vertretenen politischen Parteien traten grundsätzlich für eine Ost-West-Entspannung ein, auch wenn ihre Positionen sich in Einzelfragen unterschieden. Am nächsten standen sich SPD und FDP, deren ostpolitisches Einverständnis eine wesentliche Grundlage für die Regierungsbildung Ende 1969 war. Dass Brandt gegen das Votum der größten Fraktion Bundeskanzler werden konnte, verdankte er den Stimmen der FDP, die bis 1982 in einer Koalition mit der SPD mitregierte. So gesehen, begann eher das sozial-liberale als das sozialdemokratische Jahrzehnt.35 Andererseits verkörperte in erster Linie Brandt die innen- und außenpolitische Aufbruchsstimmung, die mit dieser Regierung verbunden war. Dem FDP-Vorsitzenden Walter Scheel, Brandts Partner beim Regierungswechsel 1969, war dies durchaus bewusst. Als Bilanz ihrer Arbeit hielt er gegenüber Brandt fest, „dass wir gemeinsam eine Entwicklungsperiode in unserem Land beeinflusst haben, die Denken und Handeln veränderte“. Brandt aber sei es gewesen, der diese Periode „geprägt“ habe. Brandt war es auch,

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der sich in der SPD mit der Idee durchsetzte, ungeachtet einer äußerst knappen Mehrheit eine sozial-liberale Regierung zu bilden, statt – wozu Parteigrößen wie Helmut Schmidt oder Herbert Wehner neigten – die Große Koalition mit der CDU/CSU fortzusetzen. Schon wenige Monate später sprach Schmidt anlässlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages davon, dass in den Beziehungen zum „Osten“ eine „neue Ära“ begonnen habe.36 Mit sicherem Gespür für die historische Konstellation bewertete er die Ostpolitik als „Unternehmen“, das „im Erfolgsfall Willy Brandt (und damit unserer Partei) in der deutschen Nachkriegsgeschichte mindestens den gleichen Rang verschaffen wird wie Konrad Adenauer“.37 Adenauer war der Namensgeber für eine konstitutive Phase in der noch kurzen Geschichte der Bundesrepublik, und nun würde Brandt folgen. Was in der zeitgenössischen Betrachtung noch als umstrittene und oft genug sogar entschieden bekämpfte Kursbestimmung mit unsicherem Ausgang erschien, muss im Rückblick als nachhaltig wirkender Ausgangspunkt für einen Aufbruch in der westdeutschen Außenpolitik und in den Ost-West-Beziehungen insgesamt gesehen werden, als Kernphase, in der sich historische Entwicklungen wie in einem „Knotenpunkt“ (Link) verdichteten und von der Impulse für die Zukunft ausgingen. Die Ära Brandt wurzelte in der Vergangenheit, angefangen mit der Politik der „kleinen Schritte“ in Berlin38 bis hin zur Ostpolitik der Regierung Kiesinger/Brandt, die aus den „Schützengräben des Kalten Kriegs“ herausführte.39 Und sie wies mit der Einhegung des Ost-West-Konflikts in die Zukunft. Von einer zentralen Arena im Kalten Krieg hatte sich Deutschland zu einem „Laboratorium neuer Möglichkeiten“ gewandelt.40 Der Kalte Krieg gehörte der Vergangenheit an. Die Ost-West-Entspannung sollte die bestehenden Konflikte nun schrittweise zivilisieren. Den Auftakt zur Ära Brandt bildete eine Regierungserklärung, in der die Außenpolitik in Verbindung mit der Deutschlandpolitik nicht einmal den meisten Raum einnahm. Die großen Linien lagen fest.

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Doch darüber hinaus wollte Brandt die Politik seiner Regierung „im Zeichen der Erneuerung“ sehen. Dazu gehörte die von allen Parteien gewünschte „Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft“, aber auch eine Beschreibung der Lage, die laut Sitzungsprotokoll für „Unruhe“ bei der Opposition sorgte. Im Unterschied zu seinem Vorgänger scheute Brandt sich nicht, von „zwei Staaten in Deutschland“ zu sprechen. Darüber hinaus kündigte er „Verhandlungen“ mit der Sowjetunion und „Gespräche“ mit Polen an. Die „Verständigung mit dem Osten“ sollte durch einen wechselseitigen Gewaltverzicht und die Zusicherung „territorialer Integrität“ erreicht werden. Als Schlüsselbegriffe dienten Entspannung und Frieden. Frieden sei „im vollen Sinn dieses Wortes“ zu verstehen, also auch als Frieden „mit den Völkern des europäischen Ostens“. Frieden liege im „nationalen Interesse“, ebenso die Verankerung der Bundesrepublik im westlichen Bündnis: „Unser nationales Interesse erlaubt es nicht, zwischen dem Westen und dem Osten zu stehen.“ Beiläufig, von internationalen Beobachtern allerdings nicht unbemerkt, kündigte Brandt eine neue Gangart an, eine „selbständigere deutsche Politik in einer aktiveren Partnerschaft“.41 Was er bei dieser Gelegenheit nicht ansprach, war das mit der Entspannungspolitik verknüpfte Kalkül. Der Akzent lag ganz und gar auf dem kurzfristigen Spannungsabbau durch die Hinnahme machtpolitischer Realitäten, während längerfristige Erwartungen an deren Wandel aus guten Gründen nicht zur Sprache kamen. Nationale Interessen und Friedenssicherung Damit sind die Themenschwerpunkte dieses Buches genannt. Am Anfang steht eine Beschreibung der kommunikativen Elemente, die der Ostpolitik den Anstrich des Neuen gaben. Dass vielfach von der „neuen“ Ostpolitik gesprochen wurde, vom „großen Werk der neuen Ostpolitik“42, hing zum einen mit der unzweideutigen Hinnahme des territorialen Status quo zusammen, zum anderen mit der neuen Qualität und Quantität der Ost-West-Kontakte. Sie machten die Ostpolitik

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zu einem weltweit mit großer Aufmerksamkeit registrierten kommunikativen Ereignis. Geradezu spektakulär waren die deutsch-deutschen Gipfeltreffen 1970 in Erfurt und Kassel. Sie waren ebenso ungewohnt wie die Begegnung zwischen Bundeskanzler Brandt und dem Generalsekretär der KPdSU Leonid Breschnew 1971 in Oreanda am Schwarzen Meer in beinahe privat anmutender Atmosphäre. Darüber hinaus lebten die Ost-West-Kontakte vom Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft. Ostpolitik und Osthandel förderten ebenso wie ihr Gegenstück Westpolitik und Westhandel in den Warschauer-Pakt-Staaten auf je eigene Weise und sich wechselseitig verstärkend den Austausch über die Linie hinweg, die nach wie vor Ost und West in Europa trennte. Die Bundesrepublik konnte sich in der Ära Brandt aus zwei Gründen an die Spitze der Entspannungspolitik in Europa setzen. Zum einen entsprach sie den in Ost und West bestehenden Erwartungen hinsichtlich einer Respektierung der nach dem Krieg gezogenen Grenzen. Zum anderen fand sie im Übergang von den 1960er- zu den 1970er-Jahren zu einem Selbstverständnis als westlicher Teilstaat der Deutschen, der spezifische Interessen verfolgte. Zwar handelte es sich nicht um einen Nationalstaat klassischer Prägung, aber der Begriff des nationalen Interesses fand gleichwohl Eingang in den politischen Diskurs. Die Anerkennung der ostdeutschen Staatlichkeit eröffnete die Möglichkeit, in Bezug auf die Bundesrepublik von nationalem Interesse zu sprechen, auch wenn sie nur einen Teil der Nation darstellte. Brandt legte Wert darauf, „nationales Interesse“ und „internationale Zusammenarbeit“ als aufeinander bezogene Größen darzustellen. Das auf Kooperation und Multilateralismus angelegte Grundmuster schloss allerdings den Willen zur Selbstbehauptung keineswegs aus. Dieser Wille war schon während der Adenauerära nicht zu übersehen gewesen, als die Bundesrepublik auf der Bühne der internationalen Politik laufen lernte. Nun verstärkte sich dieser Trend. Ob dies Auswirkungen auf die Stellung der Bundesrepublik im

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westlichen Bündnis haben könnte, war eine viel diskutierte Frage. Die Antwort der sozial-liberalen Regierung erfolgte in Gestalt einer doppelten Westbindung: zum einen durch die fortdauernde Rückbindung an den Westen im Rahmen der NATO und der EG, zum anderen durch die strikte Abgrenzung gegenüber dem internationalen Kommunismus. Aus der doppelten Westbindung folgte eine zweifache Absage – sowohl an Neutralitäts- als auch an Volksfrontkonzepte. Erstere war nötig, um weit verbreiteten Befürchtungen entgegenzutreten, die Bundesrepublik könnte in eine Position der Neutralität zwischen Ost und West abdriften. Letztere war geboten, um die Entspannungspolitik gegenüber kommunistischen Staaten nicht als ideologische Öffnung für kommunistische Parteien erscheinen zu lassen. Wenn die Bundesregierung den inneren Zusammenhang von Westund Ostpolitik betonte, so ging es im Kern immer um das Ziel einer gesamteuropäischen Friedensordnung. Das normative Bekenntnis zum Frieden fehlte international in keiner Begründung für eine Politik der Ost-West-Entspannung. Der Friedensbezug der sozial-liberalen Entspannungspolitik musste aber über die übliche Pragmatik hinausgehen. Denn Frieden im Osten konnte es für die Deutschen und mit ihnen nur geben, wenn die Verpflichtung zur gewaltfreien Koexistenz durch den Blick auf tiefere Schichten ergänzt wurde, die das Bild von Deutschland in Polen, der Sowjetunion und anderen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas prägten. Noch stärker als der machtpolitische und ideologische Ost-West-Gegensatz standen die deutsche Gewaltherrschaft und Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg einer befriedeten Normalisierung der Beziehungen im Wege. Wenn sich Brandt am „Generalnenner Friedenssicherung“ orientieren wollte,43 wie er 1971 in seiner Rede aus Anlass der Verleihung des Friedensnobelpreises betonte, so war damit gemeint, dass die neue Ostpolitik der Komplexität von Gewalterfahrungen begegnen musste, die sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Kalten Krieg wurzelten. Bereits 14 Jahre zuvor hatte ein anderer Nobelpreisträger, der wie

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Brandt 1913 geborene Albert Camus, das ganze Gewaltspektrum benannt, welches das Leben der „zu Beginn des Ersten Weltkriegs geborenen Menschen“ prägte, vom Spanischen Bürgerkrieg und Zweiten Weltkrieg bis hin zur drohenden „Zerstörung durch Atomwaffen“.44 Was der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete französische Philosoph und Schriftsteller, der 1957 auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückblickte, als Problem Europas und der Weltpolitik darstellte, hatte für Brandt ursächlich mit der deutschen Geschichte zu tun. Aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs kamen die Deutschen nur heraus, wenn Anstrengungen zur Versöhnung unternommen wurden. Nur dann konnte die Bundesrepublik eine wirkungsvolle Rolle im globalen Trend der Ost-West-Entspannung spielen. Welche Konsequenzen eine Politik der Annäherung und Friedenssicherung, die West- und Osteuropa umfasste, letztlich haben würde, blieb abzuwarten. Gewünscht und erwartet wurde jedenfalls Gegensätzliches. Die Staaten des Warschauer Pakts verbanden mit Entspannung vor allem ihr Interesse an der Bekräftigung der Nachkriegsordnung. Die westdeutsche Ostpolitik hingegen ging von den gegebenen Realitäten aus, um sie auf längere Sicht allmählich zu verändern. Zu unterscheiden ist daher zwischen der Ostpolitik als Ereignis, das zum Abbau von Spannungen und zum Aufbau von Kontakten beitrug, und Entspannung als Prozess, der aus Bonner Sicht eine transformatorische Dynamik hin zu einer europäischen Friedensordnung auslösen sollte. Das Ereignis war eine Angelegenheit intentionalen politischen Handelns. Unklar war, ob daraus ein Prozess von längerer Dauer werden konnte, an dessen Ende ein nachhaltiger Wandel stünde. Der Prozess der Entspannung konnte angestoßen werden. Danach war er beeinflussbar, aber nicht steuerbar. Sein Verlauf hing davon ab, wie unterschiedliche Entspannungskonzepte aufeinander einwirkten. Vereinfacht formuliert, wünschten die Regierungen der Warschauer-PaktStaaten die Erhaltung ihrer politischen Systeme und des territorialen Status quo, während die Bundesrepublik auf friedlichen Wandel ab-

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zielte. Wenn die Staatlichkeit der DDR anerkannt wurde, so bedeutete dies nicht, dass auf die Überwindung der deutschen Teilung verzichtet wurde. Wenn mit der Ostpolitik die Hegemonialstellung der Sowjetunion in Osteuropa fürs Erste hingenommen wurde, so bedeutete dies nicht, dass sie in aller Form anerkannt oder als dauerhaft betrachtet wurde. So gesehen, blieb die Bundesrepublik auch nach den Ostverträgen ein revisionistischer Staat, der die bestehende Lage als unhaltbaren Zustand des Übergangs verstand und den Prozess der Entspannung zu seinen Gunsten nutzen wollte. Diese Themenübersicht zeigt, dass die sozial-liberale Entspannungspolitik sich in unterschiedlichen Zeithorizonten bewegte. Kurzfristig ging es um den Ausbau von Kontakten und die Herstellung geregelter Beziehungen zu allen Staaten des Warschauer Pakts. Mit der Entstehung der Ostverträge sowie ihrer politischen und rechtlichen Bedeutung hat die Forschung sich eingehend befasst. Ergänzend dazu soll im Folgenden die Kommunikation der Vertragspartner dargestellt werden. Was innerhalb der westlichen Welt gang und gäbe war, musste in Richtung Osten erst angebahnt und erfahrbar gemacht werden. Im persönlichen Dialog und in wiederkehrenden Begegnungen konnten sich beide Seiten aus erster Hand näher kennenlernen, sich „beriechen“.45 Gängige Vorstellungen voneinander konnten überprüft und gegebenenfalls korrigiert, Feindbilder relativiert, Misstrauen zerstreut werden. Vermehrte Kontakte konnten helfen herauszufinden, wo bei aller fundamentalen Gegensätzlichkeit gemeinsame Interessen bestanden. Mit ihrer Kommunikation nach Osten fügte sich die Bundesrepublik in den globalen Entspannungstrend ein, verstand sich aber darüber hinaus als dessen europäischer Verstärker. Als eine der Führungsmächte des Westens beanspruchte sie eine exponierte entspannungspolitische Rolle an der Frontlinie des Ost-West-Konflikts. Dabei markierte die Ostpolitik als kommunikatives Ereignis den Einstieg in einen Entspannungsprozess, der sich als antagonistische Kooperation darstellte und mit dem sich sehr unterschiedliche Erwartungen hin-

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sichtlich seiner Auswirkungen verbanden. Der Kalte Krieg war vorbei, aber das Projekt der Entspannung blieb ein offener Prozess. Die genannten Schwerpunkte machen deutlich, dass keine der Chronologie folgende Darstellung geboten wird. Die Aufmerksamkeit gilt einzelnen Aspekten, die in ihrer Gesamtheit das ganze Themenfeld der Ostpolitik und der internationalen Entspannungspolitik ausmachen. Um eine Einordnung in die zeitliche Abfolge zu erleichtern, findet sich im Anhang eine Zeittafel. Die dort fixierten Ereignisse können an verschiedenen Stellen des Buches auftauchen. Dies darf nicht als störende Wiederholung missverstanden werden, sondern als Wiederaufnahme in einem anderen Zusammenhang. So war das deutschsowjetische Gipfeltreffen von Oreanda im September 1971 ein kommunikatives Ereignis, spielte aber auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrnehmung und -durchsetzung eine wichtige Rolle. Durchgehend wird die Ära Brandt in ihren internationalen Bezügen dargestellt. Die Bundesrepublik beanspruchte einen zunehmenden Handlungsspielraum, blieb aber als nicht-nukleare Mittelmacht den Prinzipien verpflichtet, die ihre Außenpolitik von Beginn an bestimmt hatten. Dazu zählten die Selbstbindung in transatlantische und westeuropäische Strukturen und die Definition nationaler Interessen als mit anderen Staaten in einem multilateralen System verflochtene Interessen. Immer wieder wird politisches Handeln beleuchtet. Vorrangig geht es allerdings um Annahmen und Erwartungen, um Argumente und Überzeugungen, von denen sich die Entspannungspolitiker leiten ließen. Ihre Vorstellungen von den Strukturen internationaler Politik im Kontext des Ost-West-Konflikts und ihre unterschiedliche Wahrnehmung der Partner beziehungsweise Gegner in Ost und West stehen im Zentrum der Darstellung. Sie werden aus dem Quellenmaterial heraus beschrieben, um dem Denken und der politischen Sprache der Akteure und ihren Diskussionsverläufen auf die Spur zu kommen.46 Die methodische Grundentscheidung besteht darin, die zeitgenössisch verwendeten Begriffe ernst zu nehmen und als hand-

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lungsleitende Ideen zu verstehen. Wie in der Ära Brandt über den Kalten Krieg und über Entspannung als aufeinanderfolgende Phasen des Ost-West-Konflikts gesprochen wurde, verrät nicht nur etwas über die subjektive Wahrnehmung der Akteure, sondern auch über den tatsächlichen Wandel in den Ost-West-Beziehungen.

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Die Ostpolitik der sozial-liberalen Regierung zeichnete sich durch eine neue Form der Kommunikation mit der Sowjetunion aus. Als Führungsmacht des Warschauer Pakts beanspruchte sie, mit der Bundesrepublik auch über Themen zu verhandeln, die ihre Klientelstaaten betrafen. Parallel zur üblichen diplomatischen Ebene existierte ein sogenannter Kanal, über den Bundeskanzler Brandt und der Generalsekretär der KPdSU Breschnew in direkten Austausch treten konnten. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die neue deutsch-sowjetische Gesprächskultur, als Brandt einer Einladung zu einem dreitägigen Meinungsaustausch in Oreanda am Schwarzen Meer folgte. Die Begegnung stand am Anfang einer ganzen Serie von ost-westlichen Gipfeltreffen. Am Rand ihrer ernsten politischen Diskussionen nutzten Brandt und Breschnew die Gelegenheit zum näheren persönlichen Kennenlernen. Eine Bootsfahrt am 17. September 1971 vor der Küste der Krim sorgte für entspannte Momente.

I Ostpolitik als kommunikatives Ereignis

KOMMUNIKATION UND REALITÄTSBEREITSCHAFT

Die Ära Brandt war reich an spektakulären Ereignissen, welche die Rolle der Bundesrepublik im Ost-West-Konflikt und auch den Konflikt selbst veränderten. Genannt seien hier nur das erste Gipfeltreffen zwischen einem westdeutschen und einem ostdeutschen Regierungschef, das Bundeskanzler Brandt und den Vorsitzenden des Ministerrats der DDR Stoph im März 1970 in Erfurt zusammenführte; oder die Verträge mit der Sowjetunion und Polen, die Brandt im August in Moskau und im Dezember 1970 in Warschau unterschrieb; oder das Spitzentreffen zwischen Brandt und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Breschnew im September 1971, nachdem das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin unterzeichnet worden war. Damit setzte Brandt Meilensteine auf dem holprigen Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Pakts, wohl wissend, dass all dies ohne den entspannungspolitischen Vorlauf in den 1960er-Jahren nicht möglich gewesen wäre. Es war ein Jahrzehnt des Übergangs und des vorsichtigen Wandels. Die Erinnerung an die gefährliche Zuspitzung des Ost-West-Konflikts zwischen 1958 und 1962 in Berlin und in der Karibik verblasste zwar nur langsam, aber neue Erfahrungen trugen dazu bei, vorhandene Ängste einzudämmen. Die USA und die Sowjetunion vereinbarten erste Maßnahmen zur Vertrauensbildung und zur friedlichen Regelung von Konflikten. Auch in Europa mehrten sich Stimmen, die eine neue Tonlage in die ostwestlichen Auseinandersetzungen einführten. Sie traten neben die

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herkömmliche Darstellung, in der die Teilung der Welt infolge der wechselseitigen Bedrohung als Dauerzustand erschien. Wäre es stattdessen nicht denkbar, aufeinander zuzugehen und Kontakte zu entwickeln? Sich auf die Suche nach gemeinsamen Interessen zu machen? Zu prüfen, ob an die Stelle der feindlichen Konfrontation Formen der Kommunikation treten könnten? Wer solche Fragen stellte, der war davon überzeugt, dass sich die Weltpolitik im Übergang vom Kalten Krieg zur Entspannung befand. Mehr noch: dass der Kalte Krieg als Extremform des Ost-West-Konflikts bereits Geschichte war. Einen der deutlichsten Akzente setzte der französische Staatspräsident Charles de Gaulle. Er hielt sich Ende Juni 1966 für zehn Tage in der Sowjetunion auf und sprach sich abschließend für eine Politik der Entspannung aus. Aus seiner Sicht war der Kalte Krieg vorbei.1 Auch sprachlich verlieh er dieser Einschätzung Ausdruck, indem er lieber von Russland redete und nicht von der kommunistisch regierten Sowjetunion. Russland habe sich „verändert“, ließ er Außenminister Brandt wissen. Das Land sei im eigenen Interesse geradezu gezwungen, sich zu verändern. Vor allem: Es sei „friedlich, wenn auch auf seine Weise“, und plane keinen Angriffskrieg.2 Kommunikative Methoden Auch zwei deutscher Politiker brachen im Sommer 1966 zu mehrwöchigen Osteuropareisen auf. Im Unterschied zu de Gaulle verfügten sie als Abgeordnete der oppositionellen SPD über keinerlei Regierungsautorität. Der mindere Status hinderte sie jedoch nicht daran, sich ein eigenes Bild von den Lebensverhältnissen und politischen Stimmungen jenseits des Eisernen Vorhangs zu verschaffen. Privatreisen waren damals eine Seltenheit, mit einem enormen Planungsaufwand und ungewohnten Strapazen verbunden. Hans-Jürgen Wischnewski führte Gespräche in Prag, Warschau und Budapest. Helmut Schmidt, der in Begleitung seiner Familie und eines Mitarbeiters im eigenen Auto unterwegs war, besuchte die Tschechoslowakei und

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Polen, sein Hauptinteresse jedoch galt der Sowjetunion. Überall traf er auf großes Interesse an Westkontakten, von denen seine Gesprächspartner sich die Behebung von Versorgungsschwierigkeiten und wirtschaftlichen Defiziten versprachen. Auch wenn Schmidt nicht ausdrücklich von einem Ende des Kalten Kriegs sprach, hatte er doch den Eindruck, dass die sowjetische Supermacht ihren Einflussbereich in Europa zwar sichern, aber nicht ausdehnen wollte. Falsche Erwartungen dürfe man daran aber nicht knüpfen. Denn noch fehlten politische und wirtschaftliche Übereinkommen, um die von der Sowjetunion postulierte friedliche Koexistenz zu einer erfahrbaren Wirklichkeit werden zu lassen. Die westliche Sicherheit blieb an die eigene Verteidigungsfähigkeit und die Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts gebunden. Schmidt konnte während dieser Reise in den damals noch weitgehend unbekannten östlichen Teil Europas Eindrücke aus erster Hand sammeln. Politisch ging es darum auszuloten, welche Aussichten eine aktive Ostpolitik hätte, für welche die SPD kurz zuvor auf ihrem Dortmunder Parteitag im Juni 1966 eingetreten war. Schmidt selbst hatte sich dazu im Auftrag des Parteivorstands grundlegend geäußert. Anknüpfen konnte er an die Erfahrungen, die der Parteivorsitzende Brandt als Regierender Bürgermeister von Berlin gemacht hatte. Nachdem der Ostteil der Stadt im August 1961 durch die Mauer abgeschnürt worden war, reagierte Brandt nicht nur mit Empörung und Protest. Inspiriert von Kennedys Beurteilung der Lage trat er für eine Kontaktoffensive ein. Gerade jetzt sei es wichtig, den östlichen Abschottungsmaßnahmen durch Gesprächsangebote entgegenzutreten. Es sei „wünschenswert und nicht aussichtslos, die osteuropäischen Staaten in möglichst zahlreiche Kommunikationen zu verweben“. Auf diese Weise könne man den Ost-West-Konflikt nicht aufheben, ihn aber „transformieren“.3 Kommunikation war der Gegenbegriff zu Abgrenzung und Mauerbau. Sie diente zum einen der Information über die Staaten des Ost-

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blocks, denn man wollte wissen, „was da vorging“.4 Zum anderen wurde sie als Oberbegriff für verschiedenste Formen des politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder kulturellen Austauschs mit dem Osten gebraucht. „Wir sind für so viel Kontakte wie möglich“, schrieb Brandts Pressesprecher Egon Bahr 1965 an den Intendanten des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, das zu einem Gastspiel nach Ost-Berlin eingeladen worden war.5 Eine aktive Ostpolitik musste sich „kommunikativer Methoden“ bedienen.6 Besuche und persönliche Begegnungen gehörten ebenso dazu wie die Einrichtung von Nachrichtenverbindungen. Beide Seiten sollten das Gespräch darüber suchen, wie sie sich wechselseitig wahrnahmen, und sich über Berührungspunkte und Kooperationsansätze austauschen. Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätze sollten kein Hindernis für Kontakte sein. Grundsätzlich wurde angenommen, dass Wandel in den Ost-West-Beziehungen immer nur gradueller Wandel sein konnte. Ganz konkret bedeutete Kommunikation auch, dass man über seinen Schatten springen und mit der DDR verhandeln musste, die als „Zonenstaat“ weder politisch noch juristisch anerkannt war. Aber wenn man die Mauer als gegeben hinnahm, brächte man ihre Erbauer vielleicht dazu, ein gewisses Maß an Durchlässigkeit zu erlauben. Zu diesem Zweck musste man miteinander reden. Als der West-Berliner Senat davor nicht zurückscheute, stand am Ende – Weihnachten 1963 – ein Passierscheinabkommen. Es ermöglichte vielen West-Berlinern Besuche in Ost-Berlin. Die Mauer öffnete sich nur für kurze Zeit, aber die kommunikative Politik der „kleinen Schritte“ war ein Anfang mit Modellcharakter.7 Wer wissen wollte, von welchen Überlegungen sich der West-Berliner Senat leiten ließ, der konnte eine Grundsatzrede von Brandt zur Hand nehmen. Sie wurde im Juli 1963 in Tutzing am Starnberger See gehalten, wo der Politische Club der Evangelischen Akademie seine jährliche Tagung veranstaltete. Zu seinem zehnjährigen Bestehen fanden sich auf zwölf Tage verteilt zahlreiche Politiker und Journalisten

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ein, um Fragen der aktuellen Politik zu diskutieren. Brandt sollte zum Thema „Denk ich an Deutschland“ sprechen. Der Abschlussvortrag „Zehn Jahre deutsche Politik“ war Bundeskanzler Adenauer vorbehalten. Brandts Rede wurde in Berlin sorgfältig vorbereitet. Sie verband Kritik an der Politik Adenauers mit eigenen Vorstellungen: „Die deutsche Politik hat ihre Energien in den zurückliegenden Jahren fast ausschließlich nach Westen gerichtet. Auf dieser Basis und in voller Kontinuität wird sie sich künftig stärker um unsere Interessen gegenüber dem Osten kümmern müssen.“ Es gelte, „die Erstarrung der Fronten zwischen Ost und West aufzubrechen“ und sich in die „Strategie des Friedens“ einzuklinken, von der Präsident Kennedy wenige Wochen zuvor in einer großen Rede gesprochen hatte. Nur „mit der Sowjetunion, nicht gegen sie“ könne man einer „Lösung der deutschen Frage“ näherkommen. Darum brauche man „Verbindungen auch zum kommunistischen Osten“, „soviel reale Berührungspunkte und soviel sinnvolle Kommunikationen wie möglich“. Brandt wollte die ost-westliche Sprachlosigkeit überwinden und redete in einer hoffnungslos erscheinenden Lage gegen das Trennende an. Es gebe „keine Hoffnung, wenn es keinen Wandel gibt“. Auch die Sowjetunion müsse zu der „Einsicht“ gebracht werden, „dass ein Wandel in ihrem eigenen Interesse liegt“. Wandel durch Annäherung Wandel sollte das elektrisierende Stichwort werden, allerdings nicht im Anschluss an Brandts Ausführungen. Vielmehr machte es nach einer Einlassung Egon Bahrs die Runde, die als Diskussionsbeitrag deklariert war, aber auch offiziellen Charakter hatte, weil der in Tutzing verteilte Text den Briefkopf des von Bahr geleiteten West-Berliner Presse- und Informationsamtes trug. Er war mit „Wandel durch Annäherung“ überschrieben – eine griffigere Formel als Brandts „dynamische Transformation“ und zugleich eine Formel, die provozierte und ein gewaltiges Echo in Politik und Presse hervorrief. Was sollte mit

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Annäherung an die Sowjetunion oder die DDR gemeint sein? Sollte gar das Bekenntnis der SPD zur Westintegration relativiert werden, das Herbert Wehner mit großer Geste 1960 im Bundestag verkündet hatte? Wehner stand Bahrs Auftritt in Tutzing denn auch ablehnend gegenüber und soll von „barem Unsinn“ gesprochen haben. Doch konnte er nicht verhindern, dass Bahrs Formel richtungsweisend wurde: Annäherung bezeichnete die Methode der Kommunikation und Wandel das Ziel, das Brandt mit „Transformation der anderen Seite“ umschrieb. Für Aufsehen sorgte Bahrs Absage an „bisherige Befreiungsvorstellungen“. Vielmehr gelte es, die „Interessen der anderen Seite“ wahrzunehmen. Damit stellte er die Realität der kommunistischen Herrschaft nicht in Frage. Zugleich wollte er der DDR ihre Existenzangst nehmen, die ihren deutlichsten Ausdruck im Bau der Mauer gefunden hatte. Man diene langfristig der „Überwindung des Status quo, indem der Status quo zunächst nicht verändert werden soll“. Grenzüberschreitende Kommunikation war vorstellbar, wenn das Faktum der Grenze nicht angezweifelt wurde. Diese paradoxe Denkfigur gewann erst im Rückblick an Plausibilität. Als sie 1963 ausgesprochen wurde, hatte man noch keinerlei Erfahrung mit den Auswirkungen von Annäherung. Würde sie die Herrschaft der kommunistischen Regime stabilisieren? Oder das sowjetische Imperium verfestigen? Gar die deutsche Teilung irreversibel machen? Wer über Tutzing nur den Kopf schüttelte, glaubte die Antworten schon zu kennen. Aber auch Brandt und Bahr kannten die Antworten noch nicht. Nur eines zeichnete sich unübersehbar ab. Das Tandem Brandt/Bahr trat kräftig in die Pedale und machte sich auf den Weg zu einer neuen Ostpolitik.8 Als Brandt Ende 1966 von Berlin nach Bonn wechselte, um Außenminister in der Großen Koalition zu werden, war es keine Überraschung, dass er an seinem kommunikativen Ansatz festhielt. Für die zeitgenössische Diagnose des Ost-West-Konflikts war es von Belang, dass er nicht nur den „Dialog“ pries, der an die Stelle des „Duells zwi-

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schen Ost und West“ getreten sei, sondern darin ausdrücklich einen „Fortschritt gegenüber der Zeit des Kalten Kriegs“ sah.9 Den Beitrag der Bundesregierung erblickte er in der Pflege der „Kommunikation zwischen den unterschiedlichen politischen und sozialen Systemen“ und darin, „dass die Kommunikation nicht abreißt und dass die Vernunft nicht wieder von der doktrinären Starre des Kalten Kriegs überwuchert wird“.10 Auch und gerade während der Kanzlerschaft Brandts blieb Kommunikation ein handlungsleitender Schlüsselbegriff. Statt Positionspapiere vorzulegen, wie es „in Zeiten des Kalten Kriegs üblich“ war, wollte die Bundesregierung einen „breit angelegten Meinungsaustausch“ führen. Das Gespräch mit den Warschauer-PaktStaaten sollte helfen, die von Bahr auf der anderen Seite beobachtete „West-Fremdheit“ abzubauen.11 Tatsächlich glaubte er schon im Oktober 1970 eine „völlig veränderte Atmosphäre zwischen Bonn und Moskau“ konstatieren zu können. Er habe „Erfahrungen gesammelt, wie man miteinander reden kann. Was die Intensität, die Offenheit und die Ernsthaftigkeit angeht, war dies erstmalig seit dem Ende des Kriegs.“12 Kommunikationsbereitschaft war nur etwas wert, wenn sie erwidert wurde. Der stetige Ausbau der Kommunikation wurde so zum Gradmesser „für jeden wirklichen Fortschritt im Ost-West-Verhältnis“.13 Von den Staaten des Warschauer Pakts spielte Rumänien mit der Anbahnung von Beziehungen zum Westen eine Vorreiterrolle. Entscheidend aber war, wie sich die sowjetische Führung verhielt. Brandt sah sie im Zugzwang: „Die Sowjetunion wünscht ihrer eigenen Interessen wegen nicht nur Konfrontation, sondern auch Kommunikation.“14 Wenn Brandts Wahrnehmung der Sowjetunion nicht ins Leere laufen sollte, musste die UdSSR die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und Anzeichen für den Abbau von Spannungen erkennen lassen. Dies gelang, indem beide Seiten sich auf zwei zentrale Prinzipien einigten: Respektierung des territorialen Status quo und Gewaltverzicht. Auf dieser Grundlage konnten die Bundesrepublik und die Sow-

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jetunion ihre Kommunikation in einen Vertrag münden lassen, den sogenannten Moskauer Vertrag. Dort war von der „bestehenden wirklichen Lage“ in Europa die Rede, von der die Vertragspartner ausgehen wollten. Zugleich gingen sie die Verpflichtung ein, sich der „Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten“.15 Der letzte Vertrag mit der Sowjetunion lag 15 Jahre zurück. Bundeskanzler Adenauer war 1955 nach Moskau gereist und hatte mit der sowjetischen Führung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sprich: den Beginn einer geregelten zwischenstaatlichen Kommunikation vereinbart. Inzwischen hatte sich nach mühsamen Anfängen viel getan. Als Bundeskanzler Brandt und Außenminister Scheel im August 1970 zur Vertragsunterzeichnung in die sowjetische Hauptstadt flogen, war die Bundesrepublik zum wichtigsten Gesprächspartner der Sowjetunion in Westeuropa geworden. Ratifizieren wollte die Bundesregierung den Vertrag erst, wenn ein befriedigendes Ergebnis der laufenden Vier-Mächte-Verhandlungen über Berlin vorlag. Damit wurde auch die Sowjetunion auf die Respektierung des Status quo verpflichtet. Die von ihr 1958 ausgelöste Berlinkrise durfte sich nicht wiederholen. West-Berlin war kein Teil der Bundesrepublik, aber die bestehenden Bindungen und der Zugang zur Stadt mussten endlich und ein für alle Mal vertraglich geregelt werden. Mehr Wahrheit in der Politik Während von der Sowjetunion lediglich gefordert wurde, einen schon bestehenden Zustand völkerrechtlich verbindlich zu bestätigen, verlangte die Verpflichtung auf den Status quo von vielen Deutschen einen emotionalen Kraftakt ab. Während die DDR die Nachkriegsordnung schon aus purem Eigeninteresse anerkannte, konnte sich die Bundesrepublik nur langsam damit abfinden. Auf den gängigen Landkarten waren Anfang der 1960er-Jahre sowohl die tatsächlich bestehenden Grenzen markiert als auch Grenzverläufe aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Da es keinen Friedensvertrag gab, wurden die Ge-

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biete östlich der Oder-Neiße-Linie als unter polnischer beziehungsweise sowjetischer Verwaltung stehend bezeichnet. „Dreigeteilt niemals“ war auf Plakaten zu lesen, die Deutschland in den Grenzen von 1937 mit der Bundesrepublik und der DDR sowie den von Pommern und Ostpreußen bis Schlesien reichenden Ostgebieten darstellten. Demgegenüber verlangte die Sowjetunion die Anerkennung der nach dem Zweiten Weltkrieg gezogenen Grenzen und geißelte die westdeutsche Einstellung als „Revanchismus“ und „Revisionismus“. Die Westmächte verteidigten die Bundesrepublik zwar gegen solche verbalen Angriffe, ließen aber bald erkennen, dass auch sie am territorialen Status quo festhalten wollten. Die Überwindung der Teilung Europas und auch Deutschlands erschien zwar wünschenswert, doch blieb ein „größeres, friedliches und prosperierendes Europa“, das der amerikanische Präsident Johnson 1966 als die „große unerledigte Aufgabe“ seiner Generation bezeichnet hatte, eine Wunschvorstellung. Erreichbar dagegen schien die friedliche Koexistenz von Ost und West auf der Grundlage bestehender Machtverhältnisse. Um die Vorstellung einer großen gesamteuropäischen Friedensordnung als Zukunftsperspektive aufrechterhalten zu können, durfte die kleine Lösung eines waffenstarrenden, aber friedlichen Nebeneinanders nicht gefährdet werden. Dies war gemeint, wenn Johnson betonte, nichts sei „wichtiger als der Frieden“.16 Konkret bedeutete diese Friedensrhetorik für die DDR eine Bestätigung ihrer Existenz, wenn auch auf längere Sicht keine Existenzgarantie. Für die Bundesrepublik hingegen war sie ein Appell, sich um des Friedens willen an die aktuelle politische Landkarte mit zwei deutschen Staaten und der Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze zu gewöhnen. Im Auswärtigen Amt brauchte Staatssekretär Carstens nicht lange, um die Brisanz der Lage zu erkennen. Der Wind hatte sich gedreht und blies der ohnehin in den letzten Zügen liegenden Regierung Erhard ins Gesicht. Um der drohenden Isolierung im Westen zu entgehen, müsse die Bundesregierung sich, so Carstens in einer Auf-

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zeichnung vom 14. November 1966, an der „allgemeinen westlichen Entspannungspolitik beteiligen“. Die „deutsche Wiedervereinigungsforderung“ könne nicht aufgegeben werden, aber keine westliche Regierung sei länger bereit, zu ihrer Erfüllung „Druck auf die Sowjetunion“ auszuüben. Ganz im Gegenteil: „Unsere Bundesgenossen“ wollten sich mit der Sowjetunion „versöhnen“. Darum müsse man künftig die deutsche Frage im Zusammenhang mit „Entspannungs- und Abrüstungsmaßnahmen“ sehen. Eine Wiedervereinigung sei nach allgemeiner westlicher Überzeugung nur „als Ergebnis eines langfristigen Ausgleichsprozesses zwischen Ost und West“ vorstellbar. Was die Oder-Neiße-Linie betreffe, dürfe man sich keinen Illusionen hingeben und müsse sich vor Augen halten, „dass unsere bisherigen Versuche, die Grenzfrage offen zu halten, keine Unterstützung mehr finden“. Die letzten Sätze stimmten mit der Position überein, welche die SPD schon auf ihrem Dortmunder Parteitag im Juni 1966 vertreten hatte. Kein Wunder, dass Brandt sie in einem Exemplar der Aufzeichnung, das Carstens ihm als neuem Außenminister der Großen Koalition übergeben hatte, hervorhob.17 Aus dieser Bestandsaufnahme sprach auch der Wunsch nach „mehr Wahrheit in der Politik“, ein Anspruch, der schon 1961 im sogenannten Tübinger Memorandum formuliert worden war, das Anfang 1962 an die Öffentlichkeit gelangte. Darin hatten sich acht namhafte protestantische Wissenschaftler – darunter der Tübinger Jurist Ludwig Raiser, der Hamburger Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker und der Leiter der Heidelberger Forschungsstelle der Evangelischen Studiengemeinschaft Georg Picht – zu verschiedenen Grundfragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens geäußert. Für heftige Kontroversen sorgte eine Passage, in der zu einer „aktiven Außenpolitik“ aufgerufen wurde, denn damit war eine Politik gemeint, die nicht mehr die Augen vor den Nachkriegsrealitäten verschloss. Eine Wiedervereinigung Deutschlands sei nur im Rahmen einer gesamteuropäischen Lösung vorstellbar. Um ihr nä-

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herzukommen, wurde ein ausdrücklicher Verzicht auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie empfohlen. Die Anerkennung „geschichtlicher Fakten“ wäre ein Signal, das der Anbahnung von Ost-WestKontakten zum Zweck einer Normalisierung der Beziehungen dienen würde.18 In der öffentlichen Diskussion galt dies als Tabubruch. Nur ganz vereinzelt wurden die Autoren des Tübinger Memorandums als „Lobbyisten der Vernunft“ bezeichnet.19 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland beeilte sich zu betonen, die Forscher hätten die Denkschrift als Privatpersonen abgefasst. Auch die Spitzen der Bonner Politik hatten zu diesem Zeitpunkt parteiübergreifend einen anderen Wahrheits- und Realitätsbegriff, ganz zu schweigen von den Vertriebenenverbänden. Sollte etwa als „geschichtliches Faktum“ hingenommen werden, was die Sowjetunion eigenmächtig durchgesetzt hatte: die Unterstellung deutscher Ostprovinzen unter polnische Kontrolle und die Vertreibung von Millionen Deutschen? Niemand konnte leugnen, dass es sich um einen realen Tatbestand handelte. Aber sollte man ihn als gegeben hinnehmen, wie kein Geringerer als der Präsident des Bundestages Eugen Gerstenmaier fragte. Konnte eine „Unterwerfung unter Tatbestände“ verlangt werden, die man nur als „Unrechtstatbestände“ bezeichnen konnte?20 Hatte die „Geschichte“ schon das letzte Wort zur Berliner Mauer, zum Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze, zur Unterdrückung der Menschenrechte in der mit Anführungszeichen versehenen „DDR“ gesprochen? Durfte man ruhigen Gewissens den „Status quo der sogenannten in Europa bestehenden wirklichen Lage“ hinnehmen? Musste man nicht eher von „sogenannten Realitäten“ sprechen,21 jedenfalls von Realitäten, die nicht zur Legitimierung deutscher Politik dienen durften? Die Kontroverse über die Wahrnehmung der Realität begleitete jede ostpolitische Initiative. Nur langsam vollzog sich ein Perspektivenwechsel, bei dem die Nachkriegsrealität nicht mehr überwiegend als verlustreiche Gewalterfahrung wahrgenommen wurde, sondern zu-

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nehmend auch als Ausgangspunkt für einen „Dialog auf neuer Ebene“. Dieser Dialog sollte den „Nachbarn im Osten“ angeboten werden, wie es in einem weiteren Dokument aus dem protestantischen Umfeld hieß. Wieder war Raiser maßgeblich beteiligt, nun in seiner amtlichen Funktion als Leiter der Kammer der EKD für Öffentliche Verantwortung. Im Herbst 1965 erschien die sogenannte Ostdenkschrift der EKD mit dem Titel „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“.22 In diesem für das entspannungspolitische Denken wegweisenden Text wurde von der Notwendigkeit der „Versöhnung“ im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen gesprochen. Ohne die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie direkt zu empfehlen, wurde ein deutscher Rechtsanspruch auf die Gebiete jenseits von Oder und Görlitzer Neiße verneint. Im Unterschied zum Tübinger Memorandum handelte es sich bei der Ostdenkschrift um ein offizielles kirchliches Dokument, das auf starke politische und gesellschaftliche Resonanz stieß. An den Impuls, der von ihm ausging, sollte sich Brandt später „dankbar“ erinnern, als er im Dezember 1970 in der polnischen Hauptstadt zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrags weilte, mit dem die an Oder und Neiße verlaufende polnische Westgrenze als unverletzlich anerkannt wurde.23 Mut zum Status quo Laut Umfragen stieg die Akzeptanz der Oder-Neiße-Linie unter der bundesrepublikanischen Bevölkerung in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre von 22 auf 58 Prozent.24 Auch in den politischen Parteien wuchs die Zustimmung, die Helmut Schmidt treffend als „Realitätsbereitschaft“ bezeichnete.25 Der Freiburger Parteitag der FDP im Januar 1968 ließ diesen Trend ebenso erkennen wie der Parteitag der SPD im März 1968 in Nürnberg. Dort sprach Brandt nicht nur von der Realität des territorialen Status quo in Europa, sondern auch von einer „weiteren Realität“. Das deutsche Volk wolle die „Versöhnung gerade auch mit Polen“. Daraus ergebe sich „die Anerkennung beziehungsweise

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Respektierung der Oder-Neiße-Linie bis zur friedensvertraglichen Regelung“.26 Der „Eiertanz“ zwischen Anerkennung und Respektierung, wie Bahr es im Rückblick nannte, offenbarte die Schwierigkeiten im Umgang mit der Realität der Nachkriegsgrenzen. Brandts Formulierung suggerierte einen gewissen Spielraum für künftige deutsch-polnische Verhandlungen. Respektierung klang weniger verbindlich als Anerkennung. Brandt konnte aber nicht verhindern, dass ihm Teile der Öffentlichkeit vorhielten, eine Politik des Verzichts zu betreiben. Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion hatte Brandt den Konsens der Großen Koalition in Frage gestellt. Besonders heftig reagierte der Bund der Vertriebenen. Er protestierte gegen die „Kapitulation vor der brutalen Gewalt“ und warf der SPD „Wortbruch“ vor. An der Fundamentalopposition der Vertriebenenfunktionäre sollte sich nichts mehr ändern. Brandts „Freund“, Staatssekretär Duckwitz, wünschte sich vergeblich, die Parteien mögen dafür sorgen, dass die Veranstaltungen der Vertriebenenverbände „mit unserer Friedens- und Entspannungspolitik im Einklang“ stünden.27 Im Verhältnis zu Polen trug Brandts terminologische Uneindeutigkeit erst recht nicht zu einer Verständigung bei. Aus polnischer Sicht war der signalisierte Wille, bestehende Grenzverläufe nicht anzuzweifeln, zu diesem Zeitpunkt nur wenig wert, wenn damit ein Schwebezustand gemeint war, der erst mit dem noch ausstehenden Friedensvertrag beendet würde. Als Gomułka binnen Jahresfrist den Wunsch nach Verhandlungen äußerte, erwiderte er damit immerhin die kommunikative Geste, die in Brandts Erklärung enthalten war. In späteren Verhandlungen nahm die polnische Seite aber auch hin, dass eine uneingeschränkte Anerkennung der Oder-Neiße-Linie für die Bundesrepublik nicht in Frage kam. Dies sollte einem möglicherweise wiedervereinigten Deutschland vorbehalten bleiben. Anerkennung war ein Begriff, den Bonn in allen Vertragsverhandlungen grundsätzlich ablehnte, von den bilateralen Verhandlungen mit der Sowjetunion 1970 bis hin zu den 1973 beginnenden multilateralen KSZE-Verhandlungen.

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Indem es gelang, den Begriff Anerkennung zu vermeiden, blieb die Aussicht auf Wandel in der deutschen Frage bestehen. Die Grenzproblematik war nur einer von drei Aspekten im Realitätsdiskurs der Bundesrepublik. Darüber hinaus war strittig, ob die DDR als zweiter deutscher Staat angesehen und das sowjetische Imperium in Europa als gegeben hingenommen werden sollte. Die Antworten hingen vom jeweiligen Blickwinkel ab. Oder man hörte, wie Brandt, auf, darüber zu streiten, „wie man Realitäten interpretiert“, und sah seine Aufgabe darin, „mit den Realitäten fertig zu werden“.28 Als Entspannungspolitiker wollte er einer als abstoßend empfundenen Realität nicht aus dem Weg gehen. Im Unterschied zu seinen innenpolitischen Gegnern empfand er dies jedoch nicht als Kapitulation, sondern – wie der Konstanzer Politikwissenschaftler Waldemar Besson schrieb – als „Mut zum Status quo“. Den brauche man, wolle man mit der Sowjetunion in Verhandlungen eintreten, um den Status quo langsam zu verändern. Brandt dachte ebenso, hatte aber als Politiker, der Wahlen gewinnen wollte, nicht die Freiheit des Wissenschaftlers. „Wir sind uns in unseren Überlegungen recht nahe“, ließ er Besson wissen. „Ich bezweifle nur, dass wir zu einigen prinzipiellen Durchbrüchen, die politisch ebenso wie theoretisch erforderlich wären, noch im Wahljahr kommen.“ Erst nach den Bundestagswahlen im September 1969 und der Bildung der sozial-liberalen Regierung konnten entsprechende Schritte erfolgen.29 Vorerst war es wichtig, weitere intellektuelle Schützenhilfe für das Konzept einer neuen Ostpolitik zu erhalten, wie sie zum wiederholten Mal auch Carl Friedrich von Weizsäcker leistete. In einer Unterredung mit Bahr im September 1968 kritisierte er die Halbherzigkeit der Großen Koalition und griff Überlegungen auf, die schon 1963 in Tutzing angestellt worden waren. Man solle in einem ersten Schritt die „sowjetische Grundforderung“ erfüllen und den „Status quo in Deutschland und in Europa“ akzeptieren. „Der einzige Weg, diesen Status quo auf die Dauer zu ändern, bestünde möglicherweise darin, ihn zunächst als

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gegeben hinzunehmen und damit eine neue Ausgangssituation zu schaffen.“30 Es bedurfte einer gedanklichen Anstrengung und politischer Fantasie, an Wandel zu glauben, wenn zunächst die Zwangs- und Gewaltverhältnisse des Status quo hingenommen werden sollten. Doch nur so konnte die Realität des geteilten Europa und der kommunistischen Diktaturen in einer neuen Perspektive erscheinen. Sie wurde nicht mehr als Hindernis angesehen, das es aus dem Weg zu räumen galt, bevor an Entspannung überhaupt zu denken war. Der Blick auf die Nachkriegsrealität konnte dann weniger vergangenheitslastig ausfallen. In dieser Deutung erlaubte Realitätsbereitschaft einen Blick in eine Zukunft, die allmählich aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs und des auf ihn folgenden Kalten Kriegs heraustreten würde. Hegemonialmacht Sowjetunion Damit war zugleich eine Zukunft gemeint, in der die Sowjetunion als globale Supermacht und als Hegemonialmacht in Osteuropa ebenso einen festen Platz hatte wie die DDR als zweiter deutscher Staat. Die Ausrichtung an den bestehenden Machtverhältnissen folgte dem globalen Trend. Denn auf der Ebene der Supermächte gehörten die wechselseitige Anerkennung ihrer Imperien und Interessensphären sowie Entspannungsbemühungen auf das Engste zusammen. Schon Kennedy hatte in der Berliner Mauer nicht nur ein Zeichen von Willkür und Machtmissbrauch erblickt, sondern in Zeiten weltpolitischer Konflikte auch ein Mittel zur Stabilisierung. Er hielt sie allemal für verdammt viel besser als einen Krieg – „a hell of a lot better than a war“.31 Ende der 1960er-Jahre drohte kein Krieg, und auch der Kalte Krieg sollte der Vergangenheit angehören. Als Grundlage für Détente diente das Einverständnis darüber, die sowjetische Position in Osteuropa nicht anzutasten. Jedenfalls sicherte Kissinger dies im März 1969 in einer richtungweisenden Verständigung mit dem sowjetischen Botschafter zu.32

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Auch in den Verhandlungen mit der Bundesrepublik erwartete die Sowjetunion, in ihrer Rolle als Hegemonialmacht wahrgenommen zu werden. Nichts sollte ohne sowjetische Zustimmung oder gar gegen den Willen Moskaus geschehen. Noch vom Trauma des „Prager Frühlings“ verfolgt, bestand die Sowjetunion auf dem Grundsatz, dass jeder Bonner „Vereinbarung mit anderen sozialistischen Staaten“ eine „Vereinbarung mit der UdSSR“ vorausgehen müsse.33 Auch in Bonn kam man spätestens seit der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei 1968 nicht um die Einsicht herum, dass der Sowjetunion eine uneingeschränkte Führungsrolle zustand. Einerseits musste man prinzipiell darauf bestehen, dass die einzelstaatliche Souveränität respektiert wurde, andererseits waren die „Machtinteressen der Sowjets“ zu beachten.34 Verhandlungen mit einzelnen Warschauer-Pakt-Staaten konnten nur unter Rahmenbedingungen geführt werden, die zuvor in Moskau besprochen worden waren. „Nichts soll hinter dem Rücken der Sowjetunion“ geschehen, versicherte Außenminister Scheel dem sowjetischen Botschafter kurz nach Bildung der sozial-liberalen Regierung. Mit der Ostpolitik solle kein „Keil zwischen die sozialistischen Länder“ getrieben werden.35 Für Bundeskanzler Brandt war die Anerkennung der sowjetischen „Richtlinienkompetenz“ ein unumstößliches Faktum. Verhandlungen mit der „Führungsmacht des Warschauer Pakts“ konnten darum nicht nur bilateraler Natur sein, sondern berührten „vieles andere“ im Verhältnis der Bundesrepublik zu ihren östlichen Nachbarn.36 Unmittelbar davon betroffen war Polen, das nicht aus eigener Souveränität ein Abkommen über seine Westgrenze aushandeln konnte. Die Polen mussten zusehen, wie Gromyko und Bahr in Moskau darüber sprachen und befanden. In der Sache änderte sich dadurch nichts, doch Brandt tat gut daran, bei seinem polnischen Amtskollegen Cyrankiewicz schon früh um Verständnis dafür zu werben, dass man die bündnisbedingten „Bindungen“ nicht ignorieren könne.37 Die Anerkennung der sowjetischen Vorrangstellung hatte aus Bonner Sicht den Vorteil, dass man mit der Zentrale des Warschauer Pakts

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in Moskau Regelungen aushandeln konnte, die zu übernehmen die sowjetischen Klientelstaaten gezwungen wären. Im „Leitgespräch mit der Führungsmacht“ sollten westdeutsche Positionen durchgesetzt werden.38 Polen sollte von der Forderung nach unwiderruflicher Anerkennung seiner Westgrenze, wie sie von der DDR schon 1950 im Görlitzer Vertrag ausgesprochen worden war, abgebracht werden. Auch war die Bundesrepublik nicht bereit, die DDR völkerrechtlich anzuerkennen und damit als Ausland zu betrachten. Was Brandt in seiner ersten Regierungserklärung gesagt hatte, musste genügen. Die DDR war ein Staat, der zu allen Staaten diplomatische Beziehungen unterhalten konnte, nur nicht zur Bundesrepublik. Wenn die Bundesregierung gewillt war, via Moskau Druck auf Polen und die DDR auszuüben, musste sie mit dem Vorwurf leben, damit stillschweigend der sogenannten Breschnew-Doktrin Vorschub zu leisten, wonach die Souveränität der Staaten des Warschauer Pakts durch die „Pflichten der sozialistischen Länder“ begrenzt sei. Der Einmarsch von Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten unter Führung der Sowjetunion in die Tschechoslowakei 1968 wurde mit dem Hinweis auf deren eingeschränkte Souveränität gerechtfertigt. Auch wenn es kein Anliegen der Bundesrepublik sein konnte, das „klassenmäßige Herangehen an die Fragen der Souveränität“ zu teilen und sich um den „Schutz der sozialistischen Errungenschaften“ zu kümmern, musste die Bundesregierung ohne Umschweife einräumen, dass die Sowjetunion die „Hauptkraft“ im sozialistischen Lager war.39 Im Fall der DDR erschien ein Einwirken „im Sinne“ der westdeutschen „Vernunft“ nicht weiter problematisch.40 Polen dagegen war ein Land mit einer ausgeprägten historischen Tradition und entsprechendem Nationalbewusstsein, zudem ein Land, das im Zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzungsherrschaft Tod und Verwüstung erfahren hatte. Gleichwohl war an der „realen hegemonialen Machtlage“ nicht zu rütteln.41 Vergeblich wandte sich Ralf Dahrendorf während seiner kurzen Amtszeit als Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen

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Amt gegen eine Fixierung auf Moskau. Er erblickte in Polen die „zentrale Aufgabe des Augenblicks“.42 Was den Augenblick tatsächlich ausmachte, teilte Gromyko Ende Februar 1970 in Ost-Berlin und Warschau mit, als er dort über die erste Verhandlungsrunde mit Bahr berichtete. Dieser hatte seinem Gastgeber schon beim ersten Zusammentreffen reinen Wein eingeschenkt. Drei Themenkomplexe standen an: die territoriale Ordnung in Europa, die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und die Lage in und um Berlin. Die von Bahr vorgebrachten Angebote und Forderungen stellten nichts Neues dar. Unter dem Dach eines multilateralen Gewaltverzichts wurde die „territoriale Integrität für jeden Staat in Europa“ bestätigt. Für Deutschland als Ganzes erinnerte Bahr an den Vorbehalt des noch ausstehenden Friedensvertrags und die Pflichten der Vier Mächte sowie an die nach wie vor bestehende „Absicht zur Wiedervereinigung“, sodass eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR ausgeschlossen war. Schließlich erwartete die Bundesrepublik einen verbesserten „Zugang“ nach West-Berlin.43 Bis sich beide Seiten im Moskauer Vertrag auf eine Sprachregelung zur Umschreibung der europäischen Nachkriegsrealität einigen konnten, bedurfte es noch eines längeren diplomatischen Ringens. Schon jetzt aber ließ Gromyko bei seinen Bündnispartnern durchblicken, worauf es ihm ankam, nämlich nicht auf das Erreichen von im Prinzip erstrebenswerten Maximalzielen, sondern auf eine Übereinkunft mit der Bundesrepublik. Moskau brauchte eine solche Übereinkunft, um das zentrale Projekt sowjetischer Westpolitik, die Einberufung einer Europäischen Sicherheitskonferenz, realisieren zu können. Mit anderen Worten: Auch die Sowjetunion sah sich genötigt, Realitäten anzuerkennen, die für die Bundesrepublik nicht verhandelbar waren. Gromyko spürte genau, was Bahr intern aussprach. Die sowjetische Weltmacht konnte „zur Kasse“ gebeten werden.44 Dem durften ostdeutsche oder polnische Wünsche nicht entgegenstehen. Immerhin wahrte Gromyko den Schein, als er zu Konsultatio-

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nen nach Ost-Berlin und Warschau reiste. Zum Auftakt warb er in einem mehr als vierstündigen Treffen mit Ulbricht und anderen Mitgliedern der SED-Führung um Zustimmung zu dem, was seiner Auffassung nach unter „Anerkennung der realen Lage in Europa“ zu verstehen sei.45 Welche Bedingungen mussten erfüllt sein, damit die Realität als „anerkannt“ gelten konnte? Gromyko empfahl, die bisherigen Anerkennungsschritte Bonns zu würdigen, auch wenn sie hinter den Erwartungen der „sozialistischen Länder“ zurückblieben. Er sprach sogar von der „Besonderheit der bestehenden Lage“, die man nicht ändern könne, die man aber nutzen solle. „Was uns die Bundesrepublik heute schon geben kann“, stelle im Vergleich mit früheren Bundesregierungen einen beachtlichen Fortschritt dar. In der „Frage der Grenzen“ habe Bonn deren Unverletzlichkeit erklärt. Die DDR sei als Staat anerkannt. Darüber hinaus vermerkte Gromyko auf der Habenseite den im November 1969 erfolgten Beitritt der Bundesrepublik zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Dieser positiven Bilanz stand allerdings die Unsicherheit über die Stabilität der Bonner Regierung gegenüber. Man wisse nicht, „was für eine Regierung nach der Regierung Brandt in Westdeutschland sein wird“. Daran schlossen sich bohrende Fragen an: „Wenn es sich in dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion oder zwischen Ihrer Republik und der Bundesrepublik erweist, dass es unmöglich sein wird, eine Formulierung einzubeziehen, die direkt besagt, dass die Bundesrepublik die DDR völkerrechtlich anerkennt, […] was sollen wir dann unternehmen? Sollen wir in der Sowjetunion und Sie in der DDR dann alle Kontakte abreißen lassen? Sollen wir dann auf all das verzichten, was wir jetzt schon herausholen können, vor allem in der Grenzfrage und in einigen anderen Fragen?“ Zu diesem „taktischen Moment“, wie er es nannte, erbat Gromyko den „Rat“ Ulbrichts. Dieser leistete, wie Bahr aus sowjetischer Quelle sogleich erfuhr, „keinen Widerstand“.46 Während der DDR suggeriert wurde, wo sie zu Zugeständnissen be-

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reit sein müsse, versicherte man ihr zugleich, „dass der Kampf um die volle Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik ohne jegliche Vorbehalte in jeder Beziehung auch weiterhin geführt werden muss“. Allzu schnell wollte auch Gromyko in den Verhandlungen mit Bahr nicht nachgeben. Vor allem aber sollte die DDR in ihrem Verhältnis zur Bundesrepublik auf eine harte Linie festgelegt werden. Die Entscheidung über ein mögliches Abweichen von dieser Linie sollte ausschließlich in Moskau liegen. Die DDR durfte im Dreieck Bonn – Ost-Berlin – Moskau keine eigenständige Rolle spielen. Gleich zu Beginn der Kanzlerschaft Brandts, als dieser der DDR Verhandlungen über die innerdeutschen Beziehungen anbot und in Moskau das Gespenst einer Lockerung der strikten Abgrenzung der DDR von der Bundesrepublik umging, wurde die DDR-Führung ermahnt, nichts ohne vorherige Absprache mit Moskau zu unternehmen und der Sowjetunion die Initiative zu überlassen.47 Zwischen November 1969 und Mai 1970, als es in den westdeutsch-sowjetischen Kontakten um eine beiderseits annehmbare Lesart des Begriffs Anerkennung ging, wurde die DDR dazu verpflichtet, an ihrer Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung festzuhalten. Noch am 21. Mai 1970 wiederholte Stoph gegenüber Brandt diese Forderung, während Gromyko sie in den mit Bahr ausgehandelten Leitsätzen fallenließ. Kein Wunder, dass ein OstBerliner Diplomat rückblickend von einem „Vertrauensbruch der sowjetischen Seite“ sprach.48 Der sowjetischen „Hegemonialstellung“49 musste sich auch Polen beugen. Vergeblich hatte das Land sich bereits dagegen gewehrt, dass der Warschauer Pakt mit dem Budapester Appell im März 1969 auf Vorbedingungen für die Einberufung einer Europäischen Sicherheitskonferenz verzichtete. Als Gromyko in Warschau seine schon in OstBerlin gestellte Frage wiederholte, ob man sich Bonn annähern solle und wenn ja, zu welchen Bedingungen, blieb Gomułka ungerührt. Für ihn war der Preis zu hoch, den Polen für eine Annäherung von Ost und West zahlen sollte, und der Preis zu niedrig, den die Bundesrepu-

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blik zu zahlen bereit war. Man solle „abwarten, bis die Deutschen für eine Lösung reif sind“.50 Sie könne für Polen nur darin bestehen, dass die Endgültigkeit und Unverrückbarkeit seiner Westgrenze anerkannt werde. Der polnische Parteichef war auch nicht durch Gromykos Hinweis auf die Rechte der für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Mächte zu beeindrucken, aufgrund derer die Bundesrepublik gar keine einseitigen Erklärungen in der Grenzfrage abgeben könne. Aber statt sich auf Bahr zu berufen, der diesen Punkt schon vorgebracht hatte, verwies er interessanterweise auf die USA. Die Amerikaner könnten Brandt „am Kragen packen“, sollte er seine Handlungsbefugnis überschreiten.51 Wie Bahr in Moskau erfuhr, war Polen „schwieriger als die DDR“.52 Polen fühlte sich in seiner nationalen Ehre verletzt, wenn in Moskau über polnische Angelegenheiten gesprochen wurde, und dies noch nicht einmal zu seiner vollen Zufriedenheit. Als schließlich eine Entscheidung anstand, setzte sich die Sowjetunion über die Wünsche ihres Bündnispartners hinweg. Gromyko mochte dabei im Kopf haben, wie Bahr den Oberbegriff der Bonner Ostpolitik erläutert hatte. Gewaltverzichtsvertrag sei „ein anderes Wort für Grenzvertrag“.53 Die Aussage zur Grenze erhielt dadurch einen höheren Verbindlichkeitsgrad. Allerdings ließ ein Gewaltverzicht die Möglichkeit einer Grenzveränderung mit friedlichen Mitteln offen. Im Fall der polnischen Westgrenze strebte die Bundesregierung auch langfristig eine solche Korrektur nicht an, wohl aber hinsichtlich der „Grenze zur DDR“, der einzigen Grenze, welche die Bundesrepublik „ändern“ wollte.54 Um an diesem Ziel festhalten zu können, bestand Bonn auf der Möglichkeit des friedlichen Wandels von Grenzen. Aus polnischer Perspektive reichte die Zusicherung „friedlicher Absichten“ jedoch nicht aus, wie man im Auswärtigen Amt durchaus erkannte. Polen wollte eine „endgültige Regelung der Grenzfrage“ durchsetzen und keine „Formel akzeptieren“, „die materiell diese Frage in irgendeiner Weise offen lässt“.55 Der Warschauer Vertrag kam dem sehr nahe, wenn er auch

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nicht alle polnischen Erwartungen erfüllte. Denn die Bundesregierung hielt bei der Bekräftigung der Unverletzlichkeit bestehender Grenzen am Friedensvertragsvorbehalt fest.56 Polen erreichte, dass im Warschauer Vertrag – anders als im Moskauer Vertrag – die Aussage zur polnischen Westgrenze nicht als Ableitung aus dem Gewaltverzicht erschien, der erst in Art. II als leitendes Prinzip zwischenstaatlicher Beziehungen genannt wurde. Rückblickend meinte Brandt, der Warschauer Vertrag sei „weder nur ein Gewaltverzichtsabkommen noch allein ein Grenzvertrag“ gewesen.57

KOMMUNIKATIVE PRAXIS

Mit den Verträgen von Moskau und Warschau gaben die Bundesrepublik, die Sowjetunion und Polen zu erkennen, dass sie gewillt waren, ihre Beziehungen nach den Prinzipien auszurichten, die der ost-westlichen Entspannungspolitik zugrunde lagen. Internationale Stabilität sollte auf der Respektierung des Status quo und dem Verzicht auf jede Form von Gewalt beruhen. Damit war ein Anfang gemacht. Was nun beschworen wurde, war das eigentliche Ziel, nämlich die Schaffung einer „Lage“, „in der Europa die Perspektive eines gesicherten Friedens und der zunehmenden Verbindungen gewinnt“. Brandt sprach darüber im Dezember 1970 während einer Sitzung des Parteivorstands der SPD. Kurz vor der Weihnachtspause konnte er auf die außenpolitischen Weichenstellungen im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft zurückblicken und reflektierte anschließend über Außenpolitik und internationale Beziehungen im weiteren Sinne. Unter Hinweis auf die UNO sprach er von dem „Tatbestand“, dass es ein hohes Maß an internationaler Verflechtung gebe, allerdings mit einer bedeutsamen Differenzierung. Die Staaten seien nicht nur „miteinander“ und „untereinander“, sondern „leider auch gegeneinander eng verflochten“.58 Brandt unterschied damit zwischen innerwestlichen und ost-westlichen Beziehungen. Letztere wiesen bereits kooperative Ansätze auf, aber „leider“ auch ungelöste Probleme und seien insofern „gegeneinander“ verflochten. Um aus diesem Gegeneinander eine zunehmende Verflechtung zu machen, etwa nach dem Muster von Europäischen Gemeinschaften und NATO und

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deren Multilateralismus, bedürfe es einer konsequenten Fortsetzung der Entspannungspolitik. Auf dem Weg der Normalisierung Die Entspannungspolitik sollte zu einer weiteren Normalisierung in den Beziehungen der Bundesrepublik mit den Staaten des Warschauer Pakts führen. Schon als Außenminister war Brandt daran gelegen, in „normale Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten“ einzutreten. Als Bundeskanzler wollte er die Beziehungen zur Sowjetunion „auf eine ähnlich normale Basis“ stellen, wie sie im Verhältnis zu den Westmächten bestand. Im November 1970 sah er bereits Anzeichen, dass die Bundesrepublik und die Sowjetunion sich auf dem „Weg der Normalisierung“ befanden.59 Vorausgegangen war am 30. Oktober eine Begegnung zwischen den beiden Außenministern Scheel und Gromyko im Schlosshotel Kronberg im Taunus, der früheren kaiserlichen Residenz Schloss Friedrichshof, unweit des Frankfurter Flughafens, wo Gromyko zu einem kurzen Zwischenstopp gelandet war. Es handelte sich um den ersten Besuch eines sowjetischen Außenministers in der Bundesrepublik. Einem Meinungsaustausch in der Bibliothek folgte auf dem zum Hotelgelände gehörenden Golfplatz ein 30-minütiger Spaziergang, der zum Medienereignis wurde. Ausführliche Berichte in den Abendnachrichten des Fernsehens zeigten eine freundlich wirkende Plauderei im Grünen. Der Gast konnte nicht Golf spielen. Aber beim Schlendern über den Platz wiederholte er am 14. Loch, was er zuvor schon seinen westlichen Kollegen eröffnet hatte: Die Sowjetunion sei an einer Einigung bei den Verhandlungen über Berlin interessiert. Das hob die Stimmung in Bonn ungemein, denn Moskau schien zu akzeptieren, dass die Ratifikation der Ostverträge im Bundestag an eine zufriedenstellende Berlin-Regelung gekoppelt sein sollte. Entsprechend „bestens gelaunt“ empfing Scheel Journalisten zu einem Hintergrundgespräch und zeigte sich „optimistisch im Blick auf Berlin und die deutsch-sowjetischen Beziehungen“.60

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Mit Normalisierung war ein Vorgang gemeint, nämlich die allmähliche Beruhigung eines Konflikts. Von einem Zustand der Normalität war man 1970 noch weit entfernt und sollte es nach westlichen Maßstäben auch noch lange bleiben. Wer Vorbehalte gegen die Ostpolitik hatte und die kommunikative Annäherung an die Sowjetunion und andere kommunistische Diktaturen für verfehlt hielt, konnte dies mit seiner Empörung über die Zustände im östlichen Europa begründen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Barzel traf einen wunden Punkt, wenn er die „Verweigerung von Menschenrechten“ in der DDR und im gesamten sowjetischen Herrschaftsbereich als skandalöse Abweichung von der Normalität geißelte und sich zugleich für „unsere gute und gerechte Sache“ stark machte. Der Oppositionsführer erwartete von der Bundesregierung die klare Benennung der „wirklichen Spannungsursachen“, die er im kommunistischen Herrschaftssystem erblickte. Die Hinnahme des Status quo war in seinen Augen genau der falsche Ansatz. Nicht nur, dass der Ost-West-Gegensatz unvermindert andauere, er führe auch dazu, dass der „Wille unserer Gegner“ als Gegner aller „Demokraten“ gestärkt werde. Unter dem Beifall von CDU und CSU verdammte Barzel die Ostverträge als Triumph der Sowjetunion und der Kommunisten in der Bundesrepublik. Sie „fühlen sich sicherer und werden frecher“.61 Anders als die sozial-liberale Regierung nannte Barzel Bedingungen, unter denen Entspannungspolitik möglich wäre, mit deren Erfüllung aber auf absehbare Zeit nicht zu rechnen war. Wer Demokratisierung und Menschenrechte einforderte, blieb einer oppositionellen Rhetorik ausgeliefert und schwamm gegen den Strom. Niemand in der Regierung wollte behaupten, dass Barzels Beschreibung der innenpolitischen Lage in den Warschauer-Pakt-Staaten nicht korrekt war. Aber deswegen durfte nicht auf eine aktive Ostpolitik verzichtet werden. Sie konnte nur von den realen Machtstrukturen ausgehen, auch wenn diese aus westlicher Sicht abnormal waren. Dabei fehlte es bei der Opposition keineswegs an Stimmen, die abseits der Öffentlichkeit einer

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„gemäßigten Linie“ zuneigten. So bewertete der frühere Außen- beziehungsweise Verteidigungsminister Schröder den Moskauer Vertrag „prinzipiell positiv“ und lobte Brandts „Risikobereitschaft und Entschlusskraft“. Ähnlich hatte sich anfangs auch Barzel geäußert. Beide waren aber mit „Scharfmachern“ wie Franz-Josef Strauß, Karl Theodor zu Guttenberg oder Werner Marx konfrontiert, die sich einer „realistischen Ostpolitik“ verweigerten.62 Interessanterweise war eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Während die Ostpolitik außenpolitisch neue Kommunikationsansätze hervorbrachte, wurde im Innern aus der Kommunikation zwischen Regierung und Opposition zunehmend ein politisches Duell. Pro und contra Ostpolitik Die Versuchung, in strikter Opposition zu verharren, stieg in dem Maße, wie Abgeordnete der sozial-liberalen Koalition im Bundestag die Seiten wechselten, weil sie der Ostpolitik nicht zustimmen wollten. Klaus-Peter Schulz, seit 1931 SPD-Mitglied und seit 1965 Berliner Bundestagsabgeordneter, verließ 1971 seine Partei und trat der CDU bei. In den 1950er-Jahren während der „antikommunistischen Kampfzeit“ mit der Familie Brandt befreundet, störte er sich nun am „Kurs unserer Ostpolitik“ und an den Linkstendenzen in der SPD.63 Auch der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien Herbert Hupka gab sein Parteibuch zurück und wurde CDU-Mitglied. Dass Schlesien nun definitiv in Polen liegen sollte, wollte er nicht hinnehmen. In den 1960er-Jahren stellten die Vertriebenenverbände nach den Gewerkschaften die größte Interessengruppe innerhalb der SPD. Über die Ostpolitik kam es zum Bruch, was allerdings relativ leicht zu verkraften war, weil der Einfluss der Vertriebenenorganisationen in Gesellschaft und Politik zurückging. Auch Erich Mende, zwischen 1960 und 1968 Bundesvorsitzender der FDP, schloss sich aus denselben Beweggründen der CDUFraktion an. Diese und andere Abgeordnete wollten nichts von der Normalisie-

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rung der Ost-West-Beziehungen wissen, von der die Bundesregierung sprach. Dadurch büßte die sozial-liberale Regierung im Frühjahr 1972 ihre knappe absolute Mehrheit ein. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik griff die Opposition nun zum Mittel des konstruktiven Misstrauensvotums. Als die Regierung Brandt/Scheel um ihr Überleben kämpfte, blieb die leidenschaftlich und polemisch geführte Debatte nicht auf das Parlament beschränkt. Mehr noch als ohnehin üblich wurden die Medien genutzt, um dem eigenen Standpunkt Gehör zu verschaffen. Die üblichen Kundgebungen ergänzte die SPD in einer „Aufklärungsaktion über die Ostverträge“ durch Flugblätter und Plakate.64 Bezeichnend für die gesellschaftliche Mobilisierung war, dass an den Universitäten diejenigen hervortraten, die sich in politischen Fragen zuständig fühlten, die Historiker und Politikwissenschaftler. Von Bochum aus organisierte der Historiker Hans Mommsen einen Aufruf: „Wir unterstützen Berlin und die Ostverträge – tun Sie’s auch!“ Er erschien in der Zeit, die mit Marion Gräfin Dönhoff als Chefredakteurin zu den verlässlichsten publizistischen Stützen der sozialliberalen Regierung gehörte. Artikel zur Erklärung der Deutschlandund Ostpolitik, die dort erschienen, wurden in „Regierungsstuben“ mit „Genugtuung“ registriert.65 Auf der Gegenseite beteiligten sich Professoren, die, wie Werner Conze oder Hans-Peter Schwarz, über ihr Fachgebiet hinaus bekannt waren, an einer Anzeige, welche die Ostpolitik als Irrweg ablehnte und die im April 1972 in der Welt erschien, dem Qualitätsblatt des Springer-Verlags, das die neue Ostpolitik als risikoreiche Abweichung von dem seit Adenauer bewährten außenpolitischen Kurs hinstellte. Die Bild-Zeitung, das Massenblatt aus demselben Haus, hatte die Ostverträge schon im Dezember 1970 als verfassungswidrig verurteilt. Durch die Zunft der Geschichts- und Politikwissenschaftler ging derselbe Riss wie durch die Gesellschaft insgesamt. Hans Mommsen konnte mehr als 200 Kollegen zum Mitmachen bewegen. Ablehnend verhielt sich Theodor Schieder, der Vorsitzende des Verbands der Historiker

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Deutschlands, der sein Fach wie kaum ein zweiter in der frühen Bundesrepublik geprägt hatte. Auch Andreas Hillgruber, einer der führenden Experten für die Erforschung und Darstellung der deutschen Großmachtpolitik zwischen 1871 und 1945, gehörte zu den Neinsagern. Wie die Wissenschaft zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln werden kann, demonstrierte er in einer knapp gefassten Deutschen Geschichte der Nachkriegszeit, in die er seine politische Einstellung ungebrochen einfließen ließ und die zahlreiche Neuauflagen erlebte. Dass der Sturz der Regierung schließlich ausblieb, lag nicht an der Überzeugungskraft der Argumente, die Brandt und Scheel vor der entscheidenden Abstimmung am 27. April 1972 im Bundestag auf eindringliche Weise vorbrachten. Als Barzel zwei Stimmen zu seiner Wahl zum Bundeskanzler fehlten, war die Überraschung groß. Nur wenige wussten damals, dass es dafür eine, gemessen an der Bedeutung des Gegenstands, recht banale Erklärung gab. Die beiden Abgeordneten, die Barzel die Gefolgschaft verweigerten, waren bestochen worden. Damit war der Regierungswechsel, den Gromyko angesichts der polarisierenden Wirkung der Ostpolitik schon im Februar 1970 als Gefahr bezeichnet hatte, knapp abgewendet worden. Brandt seinerseits hatte sich schon früh gefragt, welche Risiken die „heftige“ Auseinandersetzung über seine Politik mit sich brächte, und gehofft, „dass unsere sowjetischen Gesprächspartner daraus keine negativen Schlüsse ziehen“.66 Die Entwicklung zeigte, dass letztlich kein Grund zur Beunruhigung bestand, auch wenn der Kauf der Stimmen zweier Unionsabgeordneter die Abgründe erkennen ließ, in denen sich der politische Machtkampf abspielte. Die Bestechungsgelder übergab der Fraktionsgeschäftsführer der SPD Karl Wienand. Am Fundraising für Brandt war auch die Stasi beteiligt, möglicherweise auf Anweisung aus Moskau. Als ostdeutsches Zeichen guten Willens kamen in der letzten Aprilwoche die deutsch-deutschen Verhandlungen über einen Verkehrsvertrag zum Abschluss. Das ostdeutsche Interesse an einer Fortsetzung

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der sozial-liberalen Regierung fand in dem Wort „Brandtschutzwoche“ beredten Ausdruck, das in Ost-Berlin kursierte.67 Kurz danach hatte Erich Honecker Mühe, mit der „grotesken Lage“ umzugehen, „dass wir als stärkste Helfer für die Stabilisierung der Regierung Brandt auftreten mussten“. In Moskau hingegen stellte sich Erleichterung ein. Am Tag des konstruktiven Misstrauensvotums herrschte in Breschnews Umgebung große „Anspannung“.68 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass auch der Sturz Brandts von der DDR angestoßen wurde, als 1974 die Spionagetätigkeit von Günter Guillaume im Kanzleramt aufgedeckt wurde. 1972 hatte Brandt nur „mit Hilfe von Korruption“ im Amt bleiben können.69 Als die SPD jedoch nach vorgezogenen Neuwahlen im November 1972 zum ersten und einzigen Mal stärkste Fraktion im Bundestag wurde, war dieser Makel vergessen. Auch die FDP, die 1969 die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp hatte überspringen können, erzielte mit 8,4 Prozent ein gutes Ergebnis. Die sozial-liberale Koalition verfügte nun über eine stabile Mehrheit und die Ostpolitik über eine überzeugende Legitimierung. Der erbitterte Streit um die Deutschland- und Ostpolitik der sozialliberalen Koalition war nach der leidenschaftlich geführten Debatte um die Westpolitik Adenauers die zweite tiefgreifende außenpolitische Grundsatzdiskussion in der noch kurzen Geschichte der Bundesrepublik. In beiden Fällen wurde der Regierung von den Kritikern unterstellt, den falschen Weg zur Lösung der deutschen Frage eingeschlagen zu haben. Wer die nationale Frage als vorrangige Herausforderung deutscher Politik ansah, konnte sowohl Adenauers dezidierte Westbindung der Bundesrepublik als auch Brandts Brückenschlag nach Osten als Absage an die Selbstverpflichtung zur Wiederherstellung der deutschen Einheit denunzieren. Indem sie die DDR als zweiten deutschen Staat behandelte und den territorialen Status quo als unantastbar bezeichnete, rückte die sozial-liberale Politik von einem Grundkonsens der 1950er-Jahre ab, der auch von der SPD mitgetragen worden war. Dieser Grundkonsens löste sich im Laufe der 1960er-Jahre

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langsam auf, und zwar als Teil eines umfassenderen gesellschaftlichen und kulturellen Wandels, für den die wirkmächtige Chiffre „1968“ steht. All dies wurde als Umbruch empfunden, doch während die einen eine Chance für Reformen und internationale Kooperation sahen, erblickten andere in der Absage an gewohnte Ordnungen eine Bedrohung. In der Hitze der Redeschlachten überwogen zu oft die Vereinfachungen, statt die Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Wandel gelten zu lassen. Politische Dialoge Die innenpolitisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung war das eine. Dem stand ein ungewohnter Aufschwung in der Kommunikation mit den Ländern des Warschauer Pakts gegenüber. Den Anfang hatte die rumänische Führung gemacht, ohne sich mit ihren Verbündeten abzustimmen. Kurz nach Bildung der Großen Koalition in Bonn schien sie nur darauf gewartet zu haben, dass die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen mit ihren östlichen Nachbarn anstrebte. Im Unterschied zu Polen und der Tschechoslowakei und erst recht zur DDR gab es zwischen der Bundesrepublik und Rumänien keine Interessengegensätze, sodass beide Seiten sich schon im Januar 1967 fast im Handumdrehen auf den Austausch von Botschaftern einigten. Im August desselben Jahres traf Außenminister Brandt zu intensiven Gesprächen in Bukarest ein. Der Aufenthalt Präsident Nixons in der rumänischen Hauptstadt im August 1969 setzte ein weiteres Zeichen, ebenso der Staatsbesuch von Bundespräsident Heinemann im Mai 1971, der erste Aufenthalt eines westdeutschen Staatsoberhaupts in einem sozialistischen Land. Mit dieser Politik unterstrich der rumänische Parteichef Ceaus¸escu seinen Anspruch auf nationale Eigenständigkeit im Rahmen des Warschauer Pakts und legte sich das Image eines dynamischen kommunistischen Führers neuen Typs zu, der in herausragender Weise für Westkontakte offen war. Rumänien galt als das „fesselndste Experimentierfeld ost-westlicher Kooperation“.70

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Die Annäherung an den Westen beruhte vor allem auf dem Wunsch nach einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen auf der Grundlage günstiger Kredite. Darin stimmte Rumänien mit jedem anderen Warschauer-Pakt-Staat überein. Worin das Land sich unterschied, war das frühe entschiedene Eintreten für eine Lockerung der bestehenden politisch-militärischen Blöcke, letztlich für ihre Abschaffung. Darüber hinaus bestand die rumänische Führung schon im Sommer 1966 darauf, zwischen „revanchistischen Kräften“ und jenen „Kreisen“ in der Bundesrepublik zu differenzieren, die „gegen Revanchismus und Militarismus auftreten“.71 Rumänien konnte nicht als Vermittler zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion auftreten, sehr wohl aber als Übermittler von Auffassungen, als Interpret zwischen Bonn und Moskau. Dies geschah denn auch, nachdem Brandt und Ceaus¸escu in dessen Sommerresidenz am Schwarzen Meer im August 1967 zu einem siebenstündigen „denkwürdigen Gespräch“ zusammengetroffen waren. Für Brandt war es eine neue Erfahrung. Noch nie hatte ein westdeutscher Außenminister einen derart ausführlichen Meinungsaustausch mit einem kommunistischen Parteiführer gehabt. Übereinstimmend wünschten sich beide einen Aufbruch in den Ost-WestBeziehungen mit dem Ziel eines europäischen Sicherheitssystems. Als unabdingbaren ersten Schritt mahnte Ceau¸sescu an, die Bundesrepublik müsse ihren Widerstand gegen die „Teilnahme der DDR an der internationalen Kommunikation“ aufgeben.72 So weit war die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber immerhin sprach Brandt von den „beiden politischen Ordnungen, die gegenwärtig auf deutschem Boden bestehen“. Anschließend beeilte sich Ceau¸sescu, beim sowjetischen Botschafter werbend für Brandt einzutreten. Er habe ihn als „geselligen Menschen“ erlebt, mit dem sich „gut diskutieren“ lasse. Brandt verdiene Unterstützung, denn er habe etwas anzubieten. Er habe die „europäischen Realitäten“ einschließlich der „Existenz zweier politischer Regime in Deutschland“ anerkannt.73 Während die Sowjetunion kaum auf rumänische Quellen angewie-

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sen war, um sich ein Bild von westdeutschen Politikern zu machen, und die Rolle Rumäniens im Warschauer Pakt sogar als Störung des sozialistischen Familienfriedens betrachtete, hatte Rumänien aus Sicht der Bundesrepublik eine wichtige Funktion als Informant über Interna der östlichen Welt. Diese Welt war längst nicht so festgefügt und bedingungsloser sowjetischer Kontrolle unterworfen, wie man im Westen lange geglaubt hatte. Der deutsch-rumänische Kontakt erlaubte einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen. Nach dem Bonner Regierungswechsel im Herbst 1969 musste man sich entscheiden, ob die Bundesrepublik und die Sowjetunion fähig waren, die Schwelle zu entspannungspolitischem Fortschritt zu überschreiten. Bahr gewann an Selbstsicherheit, als er in vertraulichen Gesprächen erfuhr, dass die Außenminister des Warschauer Pakts die erste Regierungserklärung Brandts positiv aufgenommen hatten. Die DDR habe vergeblich ihre völkerrechtliche Anerkennung als Vorbedingung für Verhandlungen verlangt. Es gebe keine strikte Blockdisziplin im Osten, auch wenn die sowjetische Führungsrolle letztlich unumstritten sei.74 Auch in Westeuropa existierte eine Verbindung, die es erlaubte, Signale aus der kommunistischen Welt zu empfangen und umgekehrt auch dorthin zu senden, bevor direkte deutsch-sowjetische Verhandlungen begannen. Seit 1967 trafen wiederholt Repräsentanten der SPD und der Kommunistischen Partei Italiens zusammen. Die Kontakte für die SPD stellte Leo Bauer her. Der frühere Kommunist zählte auf Parteiebene zu Brandts „engsten und wertvollsten Mitarbeitern“ und verfügte über einen guten Draht zu Parteichef Luigi Longo. Ohne mit Moskau zu brechen, trat der Partito Communista Italiano (PCI) für Reformen nach dem Muster des Prager Frühlings und für einen Abbau der Spannungen zwischen Ost und West ein, sodass problemlos eine Gesprächsebene mit der SPD gegeben war, die wiederum auf Moskau ausstrahlen konnte. Im Mai 1967 erhielt Bauer einen Bericht über die Karlsbader Konferenz, an der im Vormonat 24 europäische kommunistische Parteien teilgenommen hatten. Eine rumänische Delegation

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war gar nicht erst angereist, denn es sollte für die Zukunft verhindert werden, dass sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik ohne Vorbedingungen – wie von Rumänien im Januar 1967 vorexerziert – wiederholte. Erst müsse die Bundesregierung die DDR völkerrechtlich anerkennen. Zugleich aber sei deutlich geworden, dass die SED eine pragmatische Entspannungspolitik nicht auf Dauer blockieren dürfe. Ein vertiefter Gedankenaustausch fand im November 1967 in Rom statt. Die Italiener wollten Genaueres über die ostpolitischen Vorstellungen der SPD erfahren, um in den „innerkommunistischen Auseinandersetzungen“ angemessen argumentieren zu können. Nach Einschätzung Enrico Berlinguers, Leiter des Parteisekretariats und künftiger Vorsitzender der Partei, befand sich Europa noch in der „Krise des Kalten Kriegs“. „Vielleicht“ sei es verfrüht, von dessen Ende zu sprechen, „doch ist eine Aufweichung eingetreten“. Berlinguers zweite Botschaft an die SPD lautete, dass die europäischen Nachkriegsgrenzen anerkannt werden müssten. Er wollte wissen, „warum die SPD zu den Grenzen keine klare Stellung bezogen hat“. Im März 1968 traf man sich erneut in München, diesmal nahm auch Bahr teil. Wegen dessen Ostkontakten wurde das Treffen vom Bundesnachrichtendienst misstrauisch beäugt.75 Binnen Jahresfrist ließ der PCI Brandt wissen, „dass noch vor den Wahlen in der Politik der Sowjetunion gegenüber der Bundesrepublik ein grundsätzlicher Wandel bekanntgemacht werden würde“.76 In der Tat verdichteten sich im Frühjahr 1969 die Hinweise darauf, dass in Moskau ein westpolitisches Konzept Konturen annahm, das erstaunliche Berührungspunkte mit der Ostpolitik Brandts aufwies. Die Kreml-Astrologen waren wieder einmal gefordert, als der sogenannte Budapester Appell der Warschauer-Pakt-Staaten Mitte März 1969 zwar alte Forderungen wiederholte, aber auch durch neue Töne auffiel. Die Aufnahme von Verhandlungen über eine Europäische Sicherheitskonferenz sollte nicht mehr an Vorbedingungen geknüpft

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sein. Stattdessen rückte ein kommunikatives Element in den Vordergrund. Während Kiesinger und sein Beraterstab im Bundeskanzleramt misstrauisch blieben, wollte Brandt die Budapester Erklärung „mit Delikatesse“ behandelt wissen. „Ablehnende Äußerungen“ sollten unterbleiben.77 Inhaltlich bedeutsam war, dass in Budapest nicht mehr die völkerrechtliche Anerkennung der DDR gefordert wurde, sondern lediglich von der „Existenz“ zweier deutscher Staaten die Rede war.78 Brandt griff diesen Punkt gegenüber dem sowjetischen Botschafter sogleich auf und wiederholte, was dieser schon oft gehört hatte. Die DDR könne „im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland“ betrachtet werden. Zarapkin widersprach dem nicht. Brandt schloss daraus, den „Russen“ sei offenbar daran gelegen, „das Gespräch mit uns in Gang zu halten“.79 Außenminister Brandt wusste, dass man auf eine entgegenkommende Haltung der sowjetischen Führung angewiesen war. Was er nicht wissen und allenfalls hoffen konnte, war, dass im Kreml tatsächlich entsprechende Weichenstellungen vorgenommen wurden. KGBChef Jurij Andropow unterstützte Breschnews entspannungsfreundliche Orientierung, die sich in einem Satz zusammenfassen ließ: „Wir müssen unser Haus in Europa bauen, und das geht nicht ohne Deutschland.“80 In praktische Politik übertragen bedeutete dies, dass die Warschauer-Pakt-Staaten nicht umhin kämen, ihren eigenen Beitrag zum Wandel in den Ost-West-Beziehungen zu leisten und von Maximalforderungen an die Bundesrepublik Abstand zu nehmen. Neben Rumänien fungierte vor allem Ungarn als entspannungspolitischer Motor. Sowohl die Parteiführung unter János Kádár als auch der langjährige Außenminister János Péter nutzten das Budapester Gipfeltreffen des Warschauer Pakts, um ihrem Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik Geltung zu verschaffen. Sie fühlten sich dadurch düpiert, dass es Polen und der DDR im Februar 1967 gelungen war, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik von der vorherigen Bonner Anerkennung des territo-

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rialen Status quo abhängig zu machen. Ungarn konnte dem rumänischen Beispiel nicht folgen und wurde zum Stillhalten gezwungen. Aus bündnispolitischer Loyalität fügte Budapest sich dem „Warschauer Diktat“. Gewisse Kompromisse erschienen unvermeidbar. „Aber das ist immer noch besser, als wenn wir uns in zwei oder drei Gruppen gespalten hätten. Das wäre eine Unmöglichkeit!“81 Jetzt, zwei Jahre später, hatten Polen und die DDR ihre absolute Vetofunktion eingebüßt. Tunnelbau von beiden Seiten Mehr noch: Die Sowjetunion streckte ihre Fühler deutlich sichtbar in Richtung Bonn aus und lud Bundestagsabgeordnete der FDP und der SPD, jener Parteien also, deren ostpolitische Konzepte nahtlos zueinander passten, nach Moskau ein. Die Einladungen erfolgten auf der parlamentarischen Schiene und wurden von Spiridonow ausgesprochen, dem Präsidenten der Unionskammer des Obersten Sowjets. Doch auch hochrangige Regierungsvertreter standen zu Gesprächen bereit, für die FDP Ministerpräsident Kossygin und für die SPD Außenminister Gromyko. Für die Freien Demokraten reisten der Parteivorsitzende und Oppositionsführer im Bundestag Scheel sowie seine Stellvertreter Genscher und Mischnick nach Moskau. Die Abreise erfolgte überstürzt, weil Kossygin vor Urlaubsantritt nur einen kurzfristig anberaumten Termin ermöglichen konnte. Die zweistündige Begegnung am 24. Juli 1969 kam denn auch über den Austausch von Standpunkten nicht hinaus. Doch was zählte, war die „Möglichkeit des Gesprächs“ an sich und seitens der FDP die Ankündigung einer „glaubwürdigen und realistischen Osteuropapolitik“.82 Im sowjetischen Außenministerium empfing der Deutschlandexperte Valentin Falin die Gäste. Er freute sich nicht nur über die „gute Laune“, die sie mitbrachten, er bescheinigte ihnen auch den prinzipiellen Willen zu einem Neubeginn in den Ostbeziehungen, selbst wenn sie „jede Konkretisierung“ vermieden hätten.83 Die SPD-Delegation reiste erst in der zweiten Augusthälfte. Wegen

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einer schon terminierten USA-Reise des SPD-Fraktionsvorsitzenden Helmut Schmidt kam der Juli nicht in Frage. Zurück in Bonn fand Schmidt es „nicht sehr ermutigend“, aus Moskau nichts gehört zu haben.84 Schließlich war es am 20. August doch so weit. Schmidt wurde von seinen Fraktionskollegen Egon Franke und Alex Möller begleitet, ferner von Eugen Selbmann, dem außenpolitischen Berater der Fraktion, der aus Schmidts Sicht aufgrund der „persönlichen Kontakte in Osteuropa“ abseits der großen Bühne die kommunikative Praxis der Ostpolitik wirksam belebte.85 Auf der Bühne selbst agierte sichtbar und hörbar Schmidt als Fraktionsvorsitzender und künftiger Minister. Nachdem er gerade erst mit der amerikanischen Führung zusammengetroffen war, darunter Präsident Nixon und Sicherheitsberater Kissinger, stand ein Schlagabtausch mit Gromyko an, und zwar am 21. August, dem ersten Jahrestag des sowjetischen Einmarsches in die Tschechoslowakei. Gut einen Monat vor der Bundestagswahl war dieses Datum für manche Unionspolitiker und ihnen nahestehende Journalisten ein willkommener Anlass, die „sinnlose Wallfahrt“ nach Moskau anzuprangern, mit der ein „Persilschein für die Besatzer“ ausgestellt werde. In die Abteilung politische Psychologie gehörte die Diffamierung der SPD als national unzuverlässige „Partei des Ostens“.86 Auch in der SPD-Fraktion gab es Bedenken und warnende Stimmen. Schmidt selbst sah der Moskaureise „mit gemischten Gefühlen“ entgegen.87 Die Okkupation der Tschechoslowakei und die gewaltsame Unterdrückung des Prager Frühlings sollten zwar kein Hindernis für die Politik der Entspannung darstellen, aber sollte es in Prag zu Demonstrationen gegen die sowjetische Besatzungsmacht kommen, könnte man sich in Moskau schwerlich ungerührt der Frage der Deeskalation des Ost-West-Konflikts zuwenden. Schmidt neigte deshalb dazu, die Reise auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben. Brandt hingegen glaubte an die Gunst der Stunde. Die Sowjetunion schien ihm zu „kleinen Schritten“ bereit zu sein. Auch Washington rede mit Moskau. „Wir“, obwohl „geographisch näher“ und auch „ge-

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schichtlich, wir nicht?“, fragte er.88 Doch Brandt folgte nicht nur seinem politischen Instinkt, sondern stützte seine Einschätzung auch auf die Eindrücke, die der Thyssen-Manager Ernst-Wolf Mommsen nach Gesprächen mit dem sowjetischen Botschafter in Bonn und mit Regierungsvertretern in Moskau übermittelte. Die Sowjetunion wolle eine „langfristige Bindung mit der Bundesrepublik“ eingehen. Einem Erdgas-Röhrengeschäft, über das unter Beteiligung des Bonner Wirtschaftsministeriums Verhandlungen liefen, werde „hochpolitische Bedeutung“ beigemessen.89 Brandts kommunikative Entschlossenheit gab die Richtung vor, und Schmidt stellte seine Bedenken zurück. Auch er war von Mommsen ins Bild gesetzt worden und betrachtete die künftigen deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen als „wichtigstes Gesprächsthema“.90 In Moskau hatte Schmidt am 21. August eine zweieinhalbstündige Aussprache mit Gromyko. Beide schenkten sich nichts. Gromyko forderte die umstandslose Anerkennung der als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs entstandenen realen Lage. Schmidt insistierte auf dem Selbstbestimmungsrecht, das er auch für die Tschechoslowakei reklamierte. Was letztlich jedoch zählte, war Gromykos Andeutung „potentieller Möglichkeiten für eine Verbesserung der Beziehungen“. Es sei schwer, „ein Gebirge zu überwinden. Wie bei einem Tunnelbau müsse man von beiden Seiten damit beginnen.“91 Im Rückblick bezeichnete Schmidt die Moskauer Begegnungen mit Gromyko und anderen Gesprächspartnern nicht nur als „nützlich“, sondern lobte mit für ihn ungewöhnlicher Emotionalität die „hervorragende Gastfreundschaft“ und die „menschliche Art des Miteinanderredens“. Der sowjetische „Wunsch nach gegenseitiger Berührung und gegenseitigem Kontakt“ solle „ernsthaft“ erwidert werden. Moskau wolle einen „Faden spinnen“. Als materiellen Kern machte Schmidt das sowjetische Interesse an „wirtschaftlichem Austausch“ und an einer „Ausweitung des Außenhandels“ aus. Auf diesem Feld erschien ihm eine „Institutionalisierung von Austausch und Zusammenarbeit“ möglich.92

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Entscheidend war allerdings die politische Ebene. Hier hatte Schmidt in Moskau daran erinnert, dass die Bundesregierung eine Antwort auf ihr Angebot erwarte, über einen Gewaltverzichtsvertrag zu verhandeln. Bevor diese Antwort gegeben werden konnte, versuchten Gromyko und sein Stellvertreter Semjonow, die DDR zu beruhigen. Ost-Berlin fürchtete nicht ohne Grund Einbußen, wenn Moskau der Bundesrepublik in Verhandlungen, die ohne Vorbedingungen geführt werden sollten, Zugeständnisse machte. Die Sowjetunion wahrte den Schein und sicherte der DDR zu, ihre Erwartungen nicht zu enttäuschen. Gromyko fasste den Stand der Dinge abschließend kurz und bündig zusammen: „Bisher haben wir Dokumente ausgetauscht. Jetzt wollen wir zu Verhandlungen mit der westdeutschen Seite übergehen.“93 Die Bundesregierung erfuhr von dieser Kommunikationsbereitschaft am 12. September 1969, als Semjonow dem Stellvertreter von Botschafter Allardt ein Papier übergab mit dem Vorschlag, den „bisherigen Meinungsaustausch über die Nichtanwendung von Gewalt“ in das Stadium konkreter Verhandlungen zu überführen.94 Die sowjetische Botschaft in Bonn beeilte sich, der SPD durch einen ihrer Diplomaten ausrichten zu lassen, es handele sich um ein „sehr wichtiges Zeichen der sowjetischen Regierung“.95 Auch an anderer Stelle bewies die Sowjetunion Beweglichkeit. Gegenüber den Westmächten signalisierte sie Gesprächsbereitschaft über Berlin. Damit war der Weg frei für eine neue, wenn auch immer noch schwierige Phase in den Ost-West-Beziehungen. Kommunikativer Schub in Bonn Kurz danach brachte der Regierungswechsel in Bonn den entscheidenden kommunikativen Schub. Mit der Bildung der sozial-liberalen Regierung war die Voraussetzung für eine Ostpolitik aus einem Guss gegeben. Die Große Koalition hatte zwar eine entspannungspolitische Wende eingeleitet, dennoch befanden sich in den Reihen von CDU und vor allem CSU zu viele Gegner einer die politischen Realitäten

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anerkennenden Deutschland- und Ostpolitik. Kommunikationstechnisch erwies es sich als förderlich, dass die jetzt anstehenden Verhandlungen Chefsache waren, also vom Kanzleramt aus gesteuert wurden. Die Koalitionspartner SPD und FDP waren sich darin einig, dass das in Moskau anstehende „Gespräch mit der Sowjetunion“ nicht wie bisher von Botschafter Allardt geführt werden sollte.96 Diese Aufgabe übernahm Egon Bahr, nun Staatssekretär im Bundeskanzleramt, der mit einer kleinen Delegation nach Moskau flog und am 30. Januar 1970 zu einer ersten Unterredung mit Gromyko zusammentraf. In der Sache war er bis ins Detail vorbereitet, nachdem der Planungsstab im Auswärtigen Amt unter seiner Leitung seit November 1967 konzeptionelle Grundlagenarbeit geleistet hatte. Als Brandts Vertrauter konnte er, anders als Allardt, ohne Rücksprache mit Bonn agieren. Dass ihn zusehends eine Aura des Geheimnisvollen und der Geheimdiplomatie umgab, war für seine Verhandlungsführung kein Nachteil. Im Gegenteil: Bahr konnte sich ganz auf den Verhandlungsgegenstand konzentrieren und seine analytische Brillanz in argumentative Schärfe verwandeln. Zurück in Bonn, war er nicht dem Druck der parlamentarischen und öffentlichen Nachfrage ausgesetzt, sondern konnte hinter verschlossenen Türen Überzeugungsarbeit leisten. Durch keinerlei Schule der diplomatischen Ausbildung gegangen, wurde Bahr zur Schlüsselfigur in einer Phase westdeutscher Außenpolitik, in der ihr Radius nach Osten erweitert wurde. Das Auswärtige Amt blieb in diese Politik einbezogen, doch die Fäden liefen eindeutig im Kanzleramt zusammen, wie es schon in der Ära Adenauer der Fall gewesen war. Damals war von der jungen Bundesrepublik im Kalten Krieg der bedingungslose Anschluss an den Westen verlangt worden, den sie unter Adenauers Führung gegen erheblichen Widerspruch seitens der sozialdemokratischen Opposition auch suchte. Wenn Brandt nun feststellte, dass Adenauer „in der Politik nach Westen der erste war, der das Wort von der ‚Anerkennung der Realitäten‘ für sich in Anspruch nehmen durfte“,97 meinte er un-

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ausgesprochen seine eigene Ostpolitik. Bei Außenminister Scheel stieß die Dominanz des Kanzleramts nicht durchweg auf Zustimmung. Vor allem in den Gesprächen mit Polen versuchte er, die Federführung zu behaupten. Inhaltlich gab es indes keine Meinungsverschiedenheiten. Das sozial-liberale Regierungsbündnis basierte nicht zuletzt auf gemeinsamen ostpolitischen Vorstellungen. In der FDP war ein Konzept erarbeitet worden, „das sich nahtlos in die Überlegungen des Planungsstabs“ im Auswärtigen Amt einfügte. So jedenfalls lautete das Urteil eines Karrierediplomaten, der in Bahrs Stab mitgearbeitet hatte. Ihm hatte Wolfgang Schollwer eine Aufzeichnung über die nächsten außenpolitischen Schritte zugeschickt, die aus Sicht der FDP anstanden. Die Antwort klang überrascht und auch leicht überheblich. Er hätte „es kaum für möglich gehalten, dass man ein solches Papier ohne Teilnahme an den Überlegungen des Planungsstabs verfassen kann“.98 Schollwer arbeitete als Referent für Deutschland- und Außenpolitik in der Bundesgeschäftsstelle der FDP. Er galt als intellektueller Kopf der liberalen Entspannungspolitik. Seine Informationen bezog er aus erster Hand im Meinungsaustausch mit Angehörigen der sowjetischen Botschaft in Bonn. Diese regelmäßigen Treffen häuften sich, als Schollwer 1971 ins Auswärtige Amt wechselte. Die Initiative ging von verschiedenen sowjetischen Diplomaten aus, von denen einige dem KGB angehört haben dürften und zu deren Aufgaben es offenbar gehörte, einen möglichst großen Personenkreis in der Bundeshauptstadt zu kontaktieren.99 Mit Vertretern anderer Warschauer-Pakt-Staaten kam Schollwer weniger häufig ins Gespräch. Aber im März 1970 nahm er eine Einladung des Polnischen Instituts für Internationale Beziehungen an und hielt sich für eine Woche in Warschau und Krakau auf. Seine Unterredungen mit namhaften Persönlichkeiten – darunter der stellvertretende Außenminister Adam Willman, der Institutsleiter Ryszard Frelek, der ab 1971 die Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei leiten sollte, und der Deutschlandexperte Mieczysław Tomala – ergänzten auf der informel-

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len Ebene die offiziellen zwischenstaatlichen Verhandlungen, die Staatssekretär Duckwitz seit Anfang Februar mit dem polnischen Außenministerium führte. Auch Schollwer wurde nicht im Zweifel darüber gelassen, wie das „Leitmotiv der gegenwärtigen Deutschlandpolitik Polens“ lautete. Vor einer „Normalisierung der Beziehungen“ müsse die „endgültige Anerkennung der Grenzen“ stehen.100 Es blieb abzuwarten, ob aus dem anfänglichen Duell ein Dialog wurde, bei dem beide Seiten aufeinander zugehen konnten. Auf der nicht-staatlichen Kommunikationsebene leistete Schollwer, vor der Öffentlichkeit verborgen und auch von vielen Historikern kaum bemerkt, einen wichtigen Beitrag zum Austausch von Informationen, zur Erläuterung von Absichten und zur Registrierung von Wahrnehmungen. Verbindungen nach Polen und auch nach Ungarn hatte seit seiner Ostreise 1966 auch der Sozialdemokrat Hans-Jürgen Wischnewski. Im Anbahnen und Führen von Gesprächen war er geradezu ein Naturtalent. Wischnewski brachte seine kommunikativen Fähigkeiten weit über die Ostpolitik hinaus in die Arbeit der Regierungen Brandt und Schmidt ein. Anders als Schollwer in der FDP hatte er wichtige Funktionen an der Spitze seiner Partei inne und konnte des Öfteren in politischen Missionen unterwegs sein. So bemühte er sich 1970 parallel zu den stockenden deutsch-polnischen Vertragsverhandlungen in Gesprächen, die er „ausgezeichnet“ fand, um eine Auflockerung der Atmosphäre.101 Auch wenn er in Bonn mit polnischen Diplomaten sprach, tat er dies als Vertrauter Brandts. Als die Annäherung zwischen Bonn und Warschau wegen der polnischen Entschädigungsforderungen für KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter sowie der deutschen Wünsche nach Familienzusammenführung stagnierte, warb Wischnewski bei Parteichef Edward Gierek um eine positive Reaktion auf Brandts Wunsch nach einer Gipfelbegegnung, der „jährlich stattfindende Treffen“ folgen sollten.102 Selbst wenn Wischnewski keine Verhandlungsvollmacht hatte und nur anbieten konnte, sich in der Frage der Entschädigungen persönlich zu engagieren, konnte er doch zur Ver-

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trauensbildung beitragen und glaubhaft versichern, dass Brandt der Aussöhnung mit Polen denselben Rang einräumte wie der Versöhnung mit Frankreich. Ein noch häufigeres Reiseziel Wischnewskis war Budapest, wo er besonders wirkungsvoll zur geräuschlosen Kommunikation beitragen konnte, weil die ungarische Parteiführung ihrerseits auf eine Intensivierung der Beziehungen drängte. Von der Öffentlichkeit in Ost und West bislang weitgehend unbemerkt, mündeten diese Kontakte in einen vertraulichen Gesprächskanal zwischen der SPD und der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. So konnten relevante Fragen – vorrangig zum Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen – einvernehmlich besprochen werden. Ungarn hatte daher keine Eile bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, welche die Bundesregierung schon zu einem früheren Zeitpunkt gern gesehen hätte. Zu den Kundschaftern im Osten gehörte auch Herbert Wehner. Genannt seien hier nur seine Geheimkontakte zu DDR-Emissären und seine beiden Reisen nach Polen, jeweils im Februar 1971 und 1972. Nicht nur bei dieser Gelegenheit hielt er mit Kritik an der Bundesregierung und insbesondere am Auswärtigen Amt nicht zurück. Ihm ging es auf dem Weg der Annäherung und Normalisierung entschieden zu langsam. Zur Enttäuschung des polnischen Außenministers hatte er aber keine handfesten Vorschläge im Gepäck. In erster Linie habe er wohl die polnische Haltung zum Stand der Beziehungen „prüfen“ wollen.103 Wehner bekleidete das einflussreiche Amt des Fraktionsvorsitzenden der SPD, das er mit der ihm eigenen Autorität wie ein innerparteiliches Kraftzentrum aus eigenem Recht ausfüllte. Im Bundestag machte er zusammen mit seinem Kollegen von der FDP gleich zu Beginn ihrer parlamentarischen Arbeit die nun merklich zunehmenden Ostkontakte ausdrücklich zum Thema, um damit die spezifische Differenz der sozial-liberalen Ostpolitik gegenüber älteren Traditionen hervorzuheben. Wehner und Mischnick nannten es übereinstimmend ein „historisches Versäumnis“, dass Bundeskanzler

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Adenauer 1952 nicht auf das sowjetische Verhandlungsangebot eingegangen war. „Man hätte es einfach damals testen müssen.“ Jetzt müsse man „ausloten bis auf den letzten Grund“.104 Seit der berühmten Stalin-Note war viel Zeit ins Land gegangen, und Wehner selbst hatte 1960 die Zustimmung der SPD zur Westintegration der Bundesrepublik erklärt. Worum es ging, formulierte an anderer Stelle Ralf Dahrendorf mit einem anschaulichen Bild. Die Bundesrepublik sei kein „Wanderer zwischen zwei Welten“, wohl aber ein „Wanderer an der Grenze zweiter Welten“. In dieser Lage fielen ihr „besondere Aufgaben“ zu. Gemeint war die Aufgabe des Kommunikators, der für Verständigung und Spannungsabbau eintrat.105 Wallfahrt nach Moskau Es dauerte nicht lange, bis die kommunikative Öffnung nach Osten zur Gewohnheit wurde. Ablesbar war dies an der Zunahme der Privatreisen, die in bisher unbekanntem Ausmaß für informelle Kontakte sorgten. Schon 1972 fuhren erheblich mehr Bundesbürger in die DDR als zuvor. Dasselbe galt für Polen. Und in der Süddeutschen Zeitung war Mitte 1971 von einer „Wallfahrt nach Moskau“ die Rede.106 Verschiedene Ressortminister der Bundesregierung (Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, Verteidigung) gehörten ebenso dazu wie einzelne Oppositionspolitiker. Aus der Sowjetunion kamen Regierungsvertreter, die mit Außenhandelsfragen befasst waren, nach Bonn. Begegnungen der beiden Außenminister hatten Routinecharakter. Neu waren die parlamentarischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Der Bundestag und der Oberste Sowjet bildeten 1971 deutsch-sowjetische Parlamentariergruppen. Der deutschen Gruppe gehörten Abgeordnete aller drei Bundestagsfraktionen an. Gegenseitige Besuche fanden im September 1971 und Juni 1972 statt. An der Spitze der sowjetischen Gruppe stand mit Leonid Samjatin kein einfaches Mitglied des Obersten Sowjet, sondern der Generaldirektor der Nachrichtenagentur TASS im Ministerrang. Anfang 1973 hielt er sich abermals in der Bundesre-

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publik auf, und im Mai 1973 sah man ihn als Sprecher Breschnews während des deutsch-sowjetischen Gipfels in Bonn. Samjatin war auch beteiligt, als Ende September 1973 eine Delegation des Bundestages für eine Woche in die Sowjetunion reiste. Geleitet wurden diese und andere Ostreisen, etwa im Mai 1973 nach Bukarest und im Oktober 1974 nach Warschau, von Annemarie Renger in ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin. Den Rahmen gab die Interparlamentarische Union ab, der auch die Parlamente der Ostblockstaaten angehörten. An der Reise in die Sowjetunion nahmen neben der Bundestagspräsidentin die Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition Wehner und Mischnick teil sowie Richard von Weizsäcker für die CDU und Richard Stücklen für die CSU. In Moskau, Kiew und Leningrad kam es zu zahlreichen Begegnungen auf politischem und kulturellem Feld, die zum persönlichen Kennenlernen beitrugen. Im weitesten Sinn dienten sie der neuen deutsch-sowjetischen Kommunikationskultur, die sich zwischen der Erinnerung an eine grausame Gewaltgeschichte und dem Versprechen einer friedlichen Zukunft bewegte. Dieser Hintergrund spiegelte sich schon in der Zusammensetzung der Bonner Gruppe wider. Einige Teilnehmer hielten sich nicht zum ersten Mal in der Sowjetunion auf. Wehner, der sein politisches Leben als Kommunist begann und als KPD-Funktionär im nationalsozialistischen Deutschland an Leib und Leben gefährdet gewesen war, hatte in der Sowjetunion das Land seines Exils gefunden. Dort wurde er Zeuge der stalinistischen Säuberungen, der auch viele deutsche Kommunisten zum Opfer fielen und die wohl auch ihn selbst in den Abgrund blicken ließen. Nach dem Krieg, als er sich den Sozialdemokraten anschloss, galt er als Renegat. Und so reiste er jetzt nicht ohne Beklemmung nach Moskau: „Froh werde ich sein, wenn ich’s hinter mir habe.“107 Mischnick hatte als junger Soldat 1941 am Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion teilgenommen, und Weizsäcker wurde in Leningrad mit seinen Erinnerungen an die Belagerung der Stadt konfrontiert, an der er 1943 als Oberleutnant der Wehrmacht

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teilgenommen hatte. Als die Leningrader Gastgeber ihrerseits mit ihren Erinnerungen nicht hinter dem Berg hielten, bekannte Weizsäcker „freimütig“, er sei auf der anderen Seite der Front dabei gewesen. Anfänglich löste er damit betroffenes Schweigen aus. Aber dann begegnete man sich in „einer ganz offenen und beinahe warmen menschlichen Atmosphäre“. Weizsäcker fuhr mit dem Eindruck nach Hause, „dass es die Sowjets mit der Entspannung ernst meinten“.108 Ironischerweise gab es auf deutscher Seite eine Stimme, die Bundeskanzler Brandt ausgerechnet in Moskau vorhielt, er lasse die Zügel schleifen. Brandt genoss inzwischen weltweit den Status einer Entspannungsikone. Doch vor Wehners „politischer Eruption“ war auch er nicht sicher. Es sei nicht hinnehmbar, dass in den Verhandlungen um den noch ausstehenden Vertrag mit der Tschechoslowakei über die Normalisierung der Beziehungen immer neue Hürden aufgebaut würden. Insbesondere werde die Berlin-Frage zu sehr hochgespielt.109 Die Kontaktaufnahme der Parlamentarier mit ihren Kollegen in Osteuropa war ein Beitrag zu einer breiteren gesellschaftlichen Fundierung der „neuen“ Ostpolitik. Der Dialog ließ das immer noch Trennende weniger bedrohlich erscheinen. Das östliche Europa rückte ein Stück näher. Dazu trug auch die Arbeit von Journalisten bei, die zunehmend aus erster Hand berichten konnten, auch wenn die Arbeitsbedingungen im Vergleich mit westlichen Ländern starken Beschränkungen unterlagen. Kollegiale Beziehungen zwischen Ost und West, wie etwa der Kontakt zwischen Marion Dönhoff von der Zeit und Mieczysław Rakowski von der polnischen Wochenzeitung Polityka, erleichterten den ungefilterten Informationsaustausch, erweiterten die eigene Perspektive und trugen dazu bei, gegenseitige Vorstellungen zu revidieren. Auch der ARD-Korrespondent Hans-Jakob Stehle half, Kontakte anzubahnen und dadurch das deutsch-polnische Verhältnis zu verbessern, sei es durch das erste Interview, das der polnische Außenminister im Oktober 1969 einem westdeutschen Fernsehsender gab, sei es als Gastgeber für vertrauliche politische Ge-

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spräche. Die ostpolitisch aktiven Medienvertreter fungierten gelegentlich als Klammer für Politiker beider Seiten im Prozess der Ost-WestAnnäherung. Brandt und Bahr wussten um die wichtige Rolle der Journalisten, da sie das Geschäft aus eigener Erfahrung kannten und den Kontakt zu den Medien mit Interviews und Hintergrundgesprächen pflegten. Auch Wissenschaftler trugen zum blockübergreifenden Austausch bei. In einzelnen Disziplinen boten internationale Kongresse ein Forum für Begegnungen und akademische Netzwerke, die auf nichtstaatlicher Ebene zum Prozess der Entspannung beitragen konnten. Im deutsch-polnischen Verhältnis hatte die 1972 ins Leben gerufene Schulbuchkommission diese Funktion. Historiker und Geografen berieten darüber, wie man Verzerrungen in den Darstellungen der jeweils andere Seite vermeiden konnte. Hinzu kamen die Initiativen einzelner Historiker und Politikwissenschaftler, die Gastvorlesungen hielten und Studienreisen organisierten. Die jährliche Direktorenkonferenz der Institute für Internationale Beziehungen europäischer Länder war multilateral ausgerichtet. Sie führte Experten aus Ost und West zusammen, die den Stand der Ost-West-Beziehungen aus politikwissenschaftlicher und historischer Perspektive analysierten. Das Internationale Institut für den Frieden in Wien und das Londoner Institute for Strategic Studies hatten dieselbe Funktion. Auch Vertreter beider deutscher Staaten begegneten sich bei diesen Gelegenheiten. Im Zuge der deutsch-deutschen Annäherung, die mit dem Grundlagenvertrag 1972 formalisiert wurde, kam es zu regelmäßigen Konferenzen der auf wechselseitige Beobachtung spezialisierten Institute. Dazu gehörten auf westdeutscher Seite das Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien in Köln sowie die Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen; in der DDR das Potsdamer Institut für Internationale Beziehungen und das Ostberliner Institut für Internationale Politik und Wirtschaft. Auf Expertenebene traten die ideologischen Systemgegensätze schon 1972/73 zurück. Stattdes-

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sen entwickelte sich ein Dialog über „Gebiete und Richtungen gesamteuropäischer Zusammenarbeit“ und „Interessengemeinsamkeit“, wie es in entsprechenden Strategiepapieren hieß.110 Auch bei den Begegnungen zwischen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und dem Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, die als „offen und fruchtbar“ empfunden wurden, standen sicherheitspolitische Fragen und die Bewahrung der friedlichen Koexistenz im Zentrum der Diskussionen. Die seit 1971 abwechselnd in der Bundesrepublik und in der Sowjetunion stattfindenden Konferenzen erweiterten den Informationsstand zu Politik, Wirtschaft und Militär und trugen zur nüchternen Differenzierung der gegenseitigen Vorstellungen bei. Auf deutscher Seite hatte man den Eindruck, dass die sowjetischen Kollegen dafür „kämpfen“ wollten, die Fortsetzung der „Politik, wie sie unter Breschnew eingeleitet“ worden war, gegen Entspannungsskeptiker sicherzustellen.111 Näher an der praktischen Politik stand eine gesellschaftliche Großorganisation wie der Deutsche Gewerkschaftsbund. Im Mai 1969 befürwortete der DGB-Bundeskongress die erneute Aufnahme von Ostkontakten, die nach der Okkupation der Tschechoslowakei im August 1968 eingestellt worden waren. Kurz nach Bildung der sozial-liberalen Regierung traf der Gewerkschaftsvorsitzende Oskar Vetter Anfang Dezember 1969 in Moskau seinen sowjetischen Kollegen, das Politbüro-Mitglied Alexander Schelepin. Brandt empfand den Meinungsaustausch als nützliche Flankierung seiner Politik und empfahl Vetter eine gewerkschaftliche Kommunikationsoffensive auch gegenüber dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund in der DDR. Die innerdeutschen Gewerkschaftskontakte mussten nicht neu gestartet werden, konnten sich aber im Sog der Annäherung zwischen der Bundesrepublik und der nun in ihrer Staatlichkeit anerkannten DDR ungestörter entwickeln. Eine ähnliche Wirkung hatte 1972 die Ratifizierung der Verträge mit der Sowjetunion und Polen. Danach öffneten

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sich die Schleusen für eine Welle von Kontakten mit Gewerkschaften in den Ländern des Warschauer Pakts. Osthandel und Ostpolitik Noch wirkungsvoller trug die Arbeitgeberseite zum Aufschwung der Ostverbindungen bei. An den Wirtschaftsbeziehungen war der materielle Effekt von Kommunikation unmittelbar abzulesen. Bar jeglicher ideologischer und nationalpolitischer Vorbehalte, die ansonsten die sozial-liberale Ostpolitik begleiteten, hatten sie den Vorteil, dass man sie als unpolitisches Geschäft betrachten konnte. Ein herausragendes Beispiel für „Ostgeschäfte ohne Politik“ war das deutsch-sowjetische Gas-Röhren-Abkommen.112 Obwohl seine politische Wirkung unübersehbar war, standen nur wirtschaftliche und finanzielle Daten auf dem Papier. Nach Vorgesprächen und Verhandlungen seit Mai 1969 wurden am 1. Februar 1970 im Essener Hotel Kaiserhof zwei Verträge zwischen westdeutschen Firmen und sowjetischen Staatshandelsgesellschaften unterzeichnet, die eine völlig neue Dimension im Ost-West-Geschäft darstellten. Vertragspartner waren die Ruhrgas AG und die sowjetische Außenhandelsorganisation Sojusneftexport, die Umfang und Dauer der Erdgaslieferungen vereinbarten. Die dafür benötigten Röhren sollten im Ruhrgebiet von den Mannesmann Röhrenwerken hergestellt werden. Für die sowjetische Seite unterschrieb Juri Breschnew, ein Sohn von Parteichef Leonid Breschnew und Präsident der für den Import zuständigen sowjetischen Einrichtung Promsyrioimport. Vorgesehen war die Lieferung von Großröhren mit 142 cm Durchmesser und Maschinen für deren Verlegung in der Sowjetunion. Durch diese 2000 km lange Rohrleitung würde die Sowjetunion ab 1. Oktober 1973 für 20 Jahre Erdgas in den Westen schicken. Die Zwischenfinanzierung erfolgte über einen Kredit von 1,2 bis maximal 1,5 Milliarden DM, den ein Konsortium von 17 westdeutschen Banken unter Führung der Deutschen Bank bereitstellte und der zum Teil durch eine Bürgschaft der Bundesregierung abgesichert war. Westdeutsche Technologie und

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sowjetischer Rohstoffreichtum ergänzten sich. Wirtschaftsminister Schiller und der sowjetische Außenhandelsminister Patolitschew, die bei der Unterzeichnung der Verträge anwesend waren, hatten allen Grund, die Sektgläser klingen zu lassen. Das Abkommen hatte Modellcharakter für spätere Verträge und war ein sichtbares Zeichen für den Kommunikationswillen im deutsch-sowjetischen Verhältnis. Nichts symbolisierte die Durchdringung des Eisernen Vorhangs anschaulicher als eine Pipeline, die Erdgas aus Sibirien in die Bundesrepublik beförderte. Tatsächlich kam das erste Erdgas termingerecht bei Waidhaus an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze an. In einer Zeit, als der Anteil von Gas an der Primärenergieversorgung stetig zunahm, kam dies den wirtschaftlichen Interessen der energiehungrigen Bundesrepublik sehr entgegen. Gleichzeitig wurden Arbeitsplätze gesichert. Die Produktion der Großröhren, zu der in diesem Umfang kein anderes bundesdeutsches Unternehmen in der Lage war, lastete das Werk in Mülheim an der Ruhr über zwei Jahre aus. Auch die bayerische CSURegierung begrüßte das Abkommen, denn es sicherte der heimischen Wirtschaft einen bequemen Zugriff auf das an der bayerischen Grenze ankommende Gas. Was den CSU-Vorsitzenden Strauß jedoch nicht daran hinderte, sich in demagogischen Unterstellungen zu ergehen, die sozial-liberale Bundesregierung verrate mit ihrer Ostpolitik nationale Interessen und unterwerfe sich der sowjetischen Supermacht. Für die Bundesregierung gab es in den Beziehungen zur Sowjetunion keinen Gegensatz zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Seite. Wirtschaftliche Kooperation führte nicht zwangsläufig zur „Lösung der politischen Probleme“, worauf Kossygin schon früh mahnend hinwies113 und was Bahr, der 48 Stunden vor dem Essener Vertragsabschluss die Verhandlungen mit Gromyko in Moskau aufnahm, sehr schnell merken sollte. Aber erfolgreiche Abschlüsse in der Wirtschaft untermauerten den Wert einer kommunikativen Strategie und waren somit ein integraler Bestandteil der Entspannungspolitik.

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Die westdeutsche Präsenz in Osteuropa spiegelte sich in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre vorrangig in Industriemessen und Handelsvertretungen wider. Sie bildeten den Rahmen auch für politische Kontakte, sodass „mit der Wirtschaft Politik“ gemacht werden konnte.114 Wirtschaftlich herrschte zwischen der Bundesrepublik und den Ländern Osteuropas keinerlei Konkurrenzsituation. Mit ihrem unterschiedlichen Entwicklungsstand ergänzten sie sich vielmehr auf geradezu ideale Weise, sodass die Wirtschaft ein „besonders wichtiges Element“ in der Osteuropapolitik darstellte. In seiner „ostpolitischen Gesamtkonzeption“ wies Brandt der „Frage des Osthandels“ steigende Bedeutung zu.115 Sein Nachfolger im Kanzleramt Helmut Schmidt sah in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit „ein Feld, auf dem Fortschritte auch den politischen Beziehungen zugute kommen werden“.116 Von derselben Annahme ging auch die EG-Kommission in ihrer Ostpolitik aus. Wirtschaftliche Kooperation und politische Entspannung sollten Hand in Hand gehen. Ein florierender Osthandel lag in staatlichem Interesse. Durchgeführt wurde er aber von Unternehmen und Banken, die sich vom Ostgeschäft Gewinne versprachen. Sie waren im 1952 gegründeten Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft organisiert. Dessen Präsident, der Kölner Industrielle Otto Wolff von Amerongen, wirkte an einem ost-westlichen „Kommunikationsnetz“ und gehörte zu den Unterstützern der sozial-liberalen Ostpolitik.117 Anfangs überwog in der Wirtschaft allerdings die Skepsis gegenüber einer Bundesregierung, an deren Spitze erstmals in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte kein Christdemokrat stand und die „für den größten Teil der leitenden Männer der Wirtschaft nicht das politische Ideal“ darstellte, wie Ernst-Wolf Mommsen im Dezember 1972 bedauernd festhielt.118 Der Vorstandsvorsitzende der Thyssen Röhrenwerke war an der Vorbereitung des Gas-Röhren-Abkommens beteiligt gewesen. Nach einem politischen Zwischenspiel als Staatsekretär in den von Helmut Schmidt geleiteten Ministerien für Verteidigung beziehungsweise Wirtschaft und Finan-

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zen wechselte er als Vorstandsvorsitzender zu Krupp nach Essen. Mommsen verkörperte den seltenen Fall eines Managers, der Politik und Wirtschaft gleichermaßen überblickte und sich zudem für die politischen Entscheidungen einsetzte, die für eine Verständigung mit der Sowjetunion erforderlich waren. Der Erfolg der Regierungsparteien bei den vorgezogenen Bundestagswahlen im November 1972 bestätigte ihn in seiner Haltung: „Für mich selbst, der ich in den letzten Monaten aus meinem früheren industriellen Freundeskreis manches sehr Unerfreuliche wegen meines persönlichen Engagements für die Regierung erfahren habe, war das Wahlergebnis eine wirkliche Genugtuung.“119 In der Unternehmerschaft wuchs die Zustimmung zum Osthandel in dem Maß, wie der innenpolitische Rückhalt der Bundesregierung zunahm und sie greifbare Resultate ihrer Ostpolitik vorweisen konnte. Wer nicht auf günstige politische Rahmenbedingungen wartete, sondern selbst die Ausweitung des Blicks nach Osten empfahl, war der Krupp-Konzern. Dessen Generalbevollmächtigter Berthold Beitz personifizierte geradezu das kommunikative Grundprinzip der globalen Offenheit. „Die ganze Erde ist der Markt von morgen“, lautete schon 1961 seine Devise.120 Krupp betätigte sich weltweit im Anlagenbau und lieferte Hüttenwerke für Eisen- und Stahlerzeugung, Fabriken für den Bau von Lokomotiven oder Zementwerke in Länder, die, wie etwa Brasilien oder Indien, an der Schwelle zur Industrialisierung standen. Dazu gehörte auch die Sowjetunion, wo schon Ende der 1950er-Jahre eine Fabrik für synthetische Fasern errichtet wurde. Geschäftlicher Spürsinn und politische Kontaktfreudigkeit kamen zusammen, sodass Beitz schon bald Gesprächspartner in der Sowjetunion, in Polen, in Ungarn oder in Jugoslawien hatte, mit denen auch politische Themen erörtert werden konnten. Rückblickend sprach Beitz von der „katalysatorischen Wirkung der Wirtschaftskontakte zu Osteuropa“.121 Im Mai 1963 empfing Nikita Chruschtschow den Klassenfeind aus Essen und entwickelte seine Vorstellungen von den künftigen deutsch-

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sowjetischen Beziehungen – einerseits reichlich realitätsfremd, weil er an den Vertrag von Rapallo aus dem Jahr 1922 anknüpfen wollte, den er als „vollen Erfolg“ bezeichnete, andererseits nüchtern kalkulierend und in die nicht allzu ferne Zukunft weisend, weil er die jeweiligen Stärken der Sowjetunion und der Bundesrepublik – den sowjetischen Rohstoffreichtum und die deutschen technologischen und finanziellen Kapazitäten – in Beziehung zueinander setzte. Wenige Wochen zuvor war eine von Chruschtschow angeregte Begegnung mit dem Regierenden Bürgermeister Brandt in Berlin nicht zustande gekommen, weil sich die Berliner CDU dagegen sperrte. Aber auf der unteren Arbeitsebene gelang es, das Passierscheinabkommen als kleinen Schritt auf dem langen Weg ost-westlicher Kommunikation auszuhandeln. Ein Besuch Chruschtschows in der Bundesrepublik blieb in den Vorbereitungen stecken, weil Chruschtschow im Moskauer Machtkampf unterlag und im Oktober 1964 gestürzt wurde. Über „rivalisierende Flügel“ an der Spitze der Sowjetunion erhielt Brandt ein knappes Jahr später einen Bericht von Beitz, der am Rande einer Industriemesse in Moskau mit dem neuen Regierungschef Kossygin zusammengetroffen war. Dieser trete für „Wirtschafts- und Kreditabkommen“ mit dem Westen ein und strebe mit der Bundesrepublik als „Hauptpartner“ nach „Sicherheit durch Entspannung“. Seinem kommunikativen Ansatz werde aber von denen widersprochen, die in den überkommenden Schablonen des Kalten Kriegs verharrten und „durch Rüstung und Einschüchterung den Status quo erhalten wollten“. Beitz und Brandt waren gemeinsam der Überzeugung, man solle versuchen, den Status quo durch Kontakte und Kooperation zu verändern. Um Gleichgesinnte zu gewinnen, sollte Brandt mit einigen „Wirtschaftskapitänen“ zusammengebracht werden.122 Im Frühjahr 1966 arrangierte Beitz in seinem Essener Privathaus ein Treffen Brandts mit dem sowjetischen Botschafter in Bonn Andrej Smirnow. Es gehörte zu einer ganzen Serie von Gesprächen, die Brandt als Berliner Regierender Bürgermeister mit der sowjeti-

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schen Seite hatte und die dem Abtasten dienten, vor allem mit dem sowjetischen Botschafter in der DDR Pjotr Abrassimow. Als Brandt Ende 1966 nach Bonn wechselte und Außenminister wurde, schien eine Fortsetzung der „freimütigen Unterhaltungen“ unwahrscheinlich zu werden. Doch überraschenderweise lud Abrassimow Brandt im Juni 1968 auf Veranlassung des Kreml zu einem erneuten Treffen in seine Ost-Berliner Privatwohnung ein. Bei allem Dissens in Einzelfragen wollte die Sowjetunion damit ihr grundsätzliches Interesse an „guten Beziehungen“ zur Bundesrepublik signalisieren. Dass diese Aufgabe nicht dem Bonner Botschafter der UdSSR, Zarapkin, übertragen wurde, hing wohl damit zusammen, dass Abrassimow aufgrund seiner Mitgliedschaft im Zentralkomitee der KPdSU in der Sowjethierarchie höher angesiedelt war.123 Im weiteren Verlauf blieb Beitz ostpolitisch aktiv. Nachdem Brandt Bundeskanzler geworden war, ermunterte Beitz ihn, er solle sich weder von seinen innenpolitischen Gegnern noch von negativen Reaktionen der DDR „irre machen lassen“. Zarapkin habe er gedrängt, jetzt „aufzupassen“. Es gelte, den Eindruck zu vermeiden, die „Politik des Ostblocks“ werde „nicht in Moskau, sondern in Ost-Berlin bestimmt“.124 Dass diese Sorge unbegründet war, stellte sich bald heraus. In den Verhandlungen, die zum Moskauer Vertrag führten, setzte die Sowjetunion ihren hegemonialen Anspruch ungefährdet durch. Was für Brandt zählte, war die Rolle von Persönlichkeiten wie Beitz, die in der westdeutschen Gesellschaft Flagge zeigten und gegenüber östlichen Gesprächspartnern um Vertrauen warben. Brandt wusste um den Wert der „vorbereitenden Beiträge“, die „gerade“ Beitz für den Vertrag mit der Sowjetunion „geleistet“ habe.125 In der innerdeutschen Auseinandersetzung über die Ostverträge zögerte Beitz nicht, in öffentlichen Stellungnahmen wiederholt für deren Ratifizierung einzutreten. Wohl noch wichtiger war Beitz’ Mitwirkung bei der Anbahnung einer deutsch-polnischen Kommunikation auf Regierungsebene. Seit den späten 1950er-Jahren verfügte er über Kontakte zur politischen

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Führung Polens. Seine dortige Popularität war auf sein Verhalten während des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen, als er Hunderten von Juden das Leben rettete. Als kaufmännischer Leiter der Erdölindustrie in Südpolen konnte er einen Teil der jüdischen Zwangsarbeiter dem Zugriff der SS entziehen, mit der Begründung, sie seien in der kriegswichtigen Produktion unverzichtbar. Im Sommer 1969 bat Brandt den gleichaltrigen Beitz um einen Kurierdienst. Vorausgegangen war im Mai 1969 eine Rede von Polens Parteichef Gomułka, der Interesse an Verhandlungen mit der Bundesrepublik über eine Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen äußerte. Dies war neu und sorgte für Aufmerksamkeit. Bisher war als Vorbedingung stets die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie genannt worden. Ohne diese Forderung aufzugeben, wollte Polen jetzt eigene Initiativen entwickeln, um den Anschluss an den sich abzeichnenden Trend der Annäherung an die Bundesrepublik nicht zu verpassen. Gomułka rechnete nämlich aus wirtschaftlichen Gründen damit, dass die „einzelnen sozialistischen Länder unweigerlich Kontakte zu entwickelten kapitalistischen Ländern suchen“ würden.126 Damit war nicht zuletzt die Bundesrepublik gemeint. Außenmister Brandt signalisierte in öffentlichen Stellungnahmen Gesprächsbereitschaft, wollte es aber nicht dabei belassen, sondern sandte eine individuelle Botschaft nach Warschau. Ihr Überbringer war Beitz, der sich in der ersten Junihälfte 1969 geschäftlich in Polen aufhielt. Brandt wusste von Beitz, dass auch politische Themen auf der Tagesordnung standen. Nun bat er ihn, bei der polnischen Führung um Vertrauen zu werben. Polen könne sicher sein, „dass die für die Außenpolitik der Bundesrepublik verantwortlichen Persönlichkeiten von dem ernsthaften Willen beseelt seien, jede Möglichkeit zu prüfen, die sich in Richtung auf einen Ausgleich der Interessen Deutschlands und Polens eröffnen könnte. Eine Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen gehört unbestritten zu den wichtigsten außenpolitischen Aufgaben der Bundesregierung.“ Als Beitz den polnischen Ministerpräsidenten Cyrankiewicz davon unterrichtete,

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war damit eine indirekte Kommunikation zwischen Bonn und Warschau auf Regierungsebene eröffnet. Cyrankiewicz regte Expertengespräche über eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit an. Dadurch wie auch mit einer Kreditzusage könne die Bundesregierung ihre gute Absicht unter Beweis stellen. Mit Verhandlungen über die Grenzfrage solle man tunlichst bis nach der Bundestagswahl im September warten.127 Der Ausgang der Wahl und die sofort unternommenen ostpolitischen Schritte der sozial-liberalen Bundesregierung verlangten eine Antwort der Warschauer-Pakt-Staaten. Dazu kamen die Parteiführer Anfang Dezember 1969 in Moskau zusammen. Bei dieser Gelegenheit bekräftigte Gomułka die Forderung nach „Anerkennung der OderNeiße-Grenze“ als einer „endgültigen und unantastbaren Grenze“, würdigte aber auch die „flexiblere und realistischere Politik“ der neuen Bundesregierung.128 Als Cyrankiewicz dies am 22. Dezember 1969 im Sejm, dem polnischen Parlament, wiederholte, setzte sich Brandt am ersten Weihnachtsfeiertag an seine Schreibmaschine und wandte sich in einem Brief „persönlich und nicht öffentlich“ an seinen polnischen Kollegen. In der Sache machte Brandt keinen neuen Vorschlag und beließ es bei dem Appell, es müsse eine „überzeugende Formel“ gefunden werden, die das Grenzproblem „zwischen unseren beiden Staaten aus der Welt schafft“. Die eigentliche Bedeutung des abermals von Beitz überbrachten Briefes bestand in seinem emotionalen Gehalt, der die Kommunikation um etwas bereicherte, das Brandt zu einem mitfühlenden Politiker und Staatsmann machte. Er, der „selbst zu den Gegnern Hitlers“ gehört hatte, wie er schrieb, wolle nicht vor dem Schatten „davonlaufen“, den der von Deutschland begonnene Krieg unverändert werfe und der das „deutsch-polnische Verhältnis so unheilvoll belastet hat“. Und immer noch belastet, wird Cyrankiewicz bei der Lektüre wohl gedacht haben. Die Erinnerung an die deutsche Besatzungsherrschaft prägte das polnische Deutschlandbild. Vom ersten Tag an war der Krieg in Polen ein Vernichtungskrieg gewesen, dem

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die polnischen Führungsschichten zum Opfer fielen. Am Ende waren sechs Millionen Tote zu beklagen, darunter drei Millionen polnische Juden. Brandt zeigte Empathie für die in Polen präsente Erinnerung an die „unsäglichen Verbrechen, die ‚das Reich‘ über Ihr Volk und Ihr Land gebracht hat“. Es bedürfe aber auch der „Aussöhnung zwischen Ihrem und meinem Volk“. Diesen „Orientierungspunkt“ solle man bei den kommenden Verhandlungen im Auge haben.129 Brandts weihnachtliche Botschaft verband die Anerkennung von Schuld mit dem Wunsch nach Versöhnung. Beitz hatte sie im Gepäck, als er sich im Januar 1970 wieder in Polen aufhielt und vom polnischen Ministerpräsidenten empfangen wurde. Cyrankiewicz konnte dem Brief nicht entnehmen, welche Haltung die Bundesregierung in der Grenzfrage einnehmen würde, Brandts Zeilen aber empfand er als „ehrlich gemeint“.130 Offiziell hielt Beitz sich in Polen auf, um das unternehmerische Interesse des Krupp-Konzerns am Ausbau des Osthandels wahrzunehmen. Im Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Politik schuf die politische Annäherung zwischen Ost und West neue Anreize für die Wirtschaft. Anfang 1971 folgten elf westdeutsche Firmen – darunter Salzgitter, Siemens, Bayer, Mannesmann und die BASF – einer Einladung nach Moskau, um Möglichkeiten eines Engagements in der Sowjetunion zu erörtern. Im Juni desselben Jahres reiste eine weitere Industriellengruppe mit Beitz an der Spitze dorthin. Auch bei dieser Gelegenheit warb die sowjetische Seite um westdeutsche Beteiligungen an der Erschließung von Rohstoffen. Ein Termin bei Kossygin unterstrich, welche Bedeutung man in Moskau solchen Kontakten beimaß. Beitz wurde aufgetragen, Grüße Breschnews an Brandt weiterzugeben, dessen „mutige Politik“ geschätzt werde.131 Im ost-westlichen Kommunikationsprozess hatten Handelsbeziehungen ein eigenes Gewicht. Sie folgten eigenen Gesetzen, die auf geschäftlichen Interessen beruhten. Die Suche nach profitablen Märkten und sicheren Investitionen in Osteuropa gestaltete sich allerdings leichter und

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weniger risikoreich, wenn sie auch politisch gewünscht war. Dies war im Zeichen der Entspannungspolitik beiderseits gegeben. Bis zur Mitte der 1970er-Jahre wuchs das Volumen des Osthandels beträchtlich, im deutsch-sowjetischen Fall um das Sechsfache. Die Bundesregierung schloss mit allen Staaten des Warschauer Pakts wiederholt Verträge über den Warenverkehr ab. Sie dienten dem Abbau von Barrieren und bedeuteten den „Anfang des Comebacks Ostmitteleuropas“ im europäischen Wirtschaftsraum.132 Deutsch-sowjetischer Gesprächskreis Die Zuwächse im Osthandel waren jedoch nur deshalb imponierend, weil das Ausgangsniveau sehr niedrig war. Dies galt ganz allgemein für alle Formen der Kommunikation mit dem Osten, was aber nichts daran änderte, dass die Kommunikation intensiver wurde. Im September 1973 vermerkte das Sowjetunion-Referat im Auswärtigen Amt zum Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen, dass es „in allen Bereichen zu einer Intensivierung des Gedanken- und Erfahrungsaustauschs“ gekommen sei. Es sei jetzt an der Zeit, einen Gesprächskreis für Persönlichkeiten aus beiden Ländern zu schaffen, ein Forum, das Treffen „regelmäßig und auf breiter Basis“ ermögliche. Davon könnten „Impulse auch für die Politik der Regierungen ausgehen“.133 Dazu kam es nicht, und auch die 1968 gegründete „Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion“ konnte dieser Erwartung nicht gerecht werden. Sie sollte dem „Brückenbau nach Osten“ dienen,134 blieb in der westdeutschen Gesellschaft jedoch weitgehend isoliert. Zu ihren Initiatoren gehörte der Publizist und Politikwissenschaftler Eugen Kogon, der einem breiteren Publikum vor allem durch seine Studie über das System der Konzentrationslager, Der SS-Staat, und als Moderator des ARD-Magazins Panorama bekannt war. Die Aussöhnung mit Polen und der Sowjetunion rechnete er zu den Themen, die er in der westdeutschen Öffentlichkeit verankert sehen wollte. Als Linkskatholik hatte er mit Herbert

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Mochalski einen Generalsekretär an seiner Seite, der den kritischen Protestantismus repräsentierte. Zeitweilig Studentenpfarrer in Darmstadt, gehörte Mochalski zum Kreis um Martin Niemöller, der in der EKD eine Außenseiterposition einnahm und bereits in den 1950er-Jahren gegen den antikommunistischen Grundkonsens in der Bundesrepublik Stellung bezogen hatte. Die neue Organisation wollte gesellschaftliche Kräfte zusammenführen, die sich als Speerspitze der ost-westlichen Annäherung verstanden. Gefördert werden sollte sie durch „vielseitige Kontakte“ mit Gesprächspartnern in der Sowjetunion.135 Der regierungsamtlichen Entspannungspolitik stand man prinzipiell wohlwollend gegenüber. Allerdings wünschte man sich eine größere Offenheit im Umgang mit der Sowjetunion. Die sozial-liberale Ostpolitik erschien vielen immer noch als zu zögerlich. Umgekehrt sah sich Kogons Gesellschaft mit der Frage konfrontiert, ob ihr Eintreten für bessere Beziehungen mit der Sowjetunion aus einer übertrieben sowjetfreundlichen Einstellung resultiere. Nach Ansicht von Helmut Schmidt etwa wies der Unterstützerkreis zu viele „Namen mit eindeutig linken und linkssozialistischen Akzenten“ auf. Ähnliche Bedenken hatte auch Staatsekretär Duckwitz im Auswärtigen Amt. Dort galt Mochalski aufgrund seiner politischen Tätigkeit „als Schlüsselfigur pro-kommunistischer Organisationen“. Er stehe „stark im Dienst der sowjetischen Selbstdarstellung“. Es müsse aber zu einem „wirklichen Austausch“ kommen, mit dem Ziel, „in die Sowjetunion hineinzuwirken“.136 Ein Antrag Kogons auf finanzielle Unterstützung für eine Publikation wurde vom Bundespresseamt hinhaltend beschieden.137 Die Erwartung war eindeutig: Kommunikation sollte nicht nur der Annäherung dienen, sondern auch dem Wandel. Trotz vorhandener Skepsis beteiligte sich das Auswärtige Amt im Juni 1971 an einem Kolloquium, das unter dem Titel „Kooperation und Sicherheit in Europa“ in den Räumen der Friedrich-Naumann-Stiftung in Gummersbach stattfand. Mehr als 20 Teilnehmer kamen aus der Sowjetunion, darunter der Chefredakteur der Regierungszeitung Is-

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westija, Tolkunow. Die westdeutsche Seite war durch Wissenschaftler und Journalisten vertreten sowie durch Politiker, die mit einer Ausnahme den Parteien der sozial-liberalen Koalition angehörten. Auch einige Beamte des Auswärtigen Amts und der Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundeskanzleramt Ulrich Sahm waren der Einladung gefolgt. In seiner Begrüßungsansprache nannte der Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt Dirk Oncken den Moskauer Vertrag einen Einstieg in eine „neue Phase“ der deutsch-sowjetischen Beziehungen, erinnerte aber auch daran, dass der entscheidende „Test auf die Entspannung“ noch ausstehe, nämlich eine zufriedenstellende Regelung der Berlinfrage. Die „bestehenden Bindungen“ zwischen der Bundesrepublik und den „westlichen Sektoren von Berlin“ nannte er, sich für seine Wortwahl beinahe entschuldigend, eine „tatsächliche Realität“, nicht nur eine von der Bundesrepublik behauptete Realität. Zu Beginn der Debatte war Oncken sichtlich daran gelegen, keine kommunikativen Grauzonen entstehen zu lassen. Der freie Austausch von Meinungen und Gedanken sowie die persönlichen Begegnungen waren ein wichtiger Anfang. Doch sollten Kontakte kein Selbstzweck sein, sondern der Klärung von Positionen dienen, vor allem dann, wenn diese unterschiedlich waren.138 Die sowjetischen Redner unterstrichen denn auch, dass ihnen ein anderer Test auf den Willen zur Entspannung vorschwebte. Sie erwarteten die rasche Ratifizierung des Moskauer Vertrags und die unverzügliche Vorbereitung einer Europäischen Sicherheitskonferenz. Das Berlin-Junktim der Bundesregierung, mit dem alle weiteren Schritte von einer Lösung des Berlinproblems abhängig gemacht wurden, lehnten sie ab. Unterstützt wurden sie darin von Kogon, der dafür plädierte, parallel zu den laufenden Berlinverhandlungen schon mit den Vorbereitungen zur Sicherheitskonferenz zu beginnen und damit das zentrale Vorhaben sowjetischer Europapolitik zu befördern.139 Von den Vorzügen einer „parallelen Lösung“ hatte kurz zuvor auch Valentin Falin gesprochen, der neue sowjetische Botschafter in Bonn.140 Mit der

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offiziellen Bonner Position war ein solcher Weg jedoch unvereinbar, und es dauerte nicht lange, bis ein Teilnehmer der Konferenz von einer „Fehlentwicklung“ der deutsch-sowjetischen Gruppe sprach.141 Aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen Resonanz stellte sich auch bald Geldmangel ein. Da half es wenig, wenn sich Wehner für die Finanzierung weiterer Projekte einsetzte.142 Entspannungspolitik und Geheimdiplomatie So wichtig die nicht-staatliche Kommunikationspraxis war, politisch ausschlaggebend waren neue Erfahrungen des Austauschs auf staatlicher Ebene. In der Epoche der Ost-West-Entspannung gingen Kontaktbereitschaft und Informationsbedürfnis Hand in Hand. Die Darlegung eigener Positionen zog die Frage nach sich, wie sich die andere Seite verhielt und ob die eigenen Erwartungen geteilt wurden. Klären ließ sich diese Frage nur im Dialog. Er wurde auf vertraulichen Gesprächskanälen geführt, die nur wenigen Personen in den Regierungsapparaten zugänglich waren. Vor den Augen der Öffentlichkeit, aber ebenfalls auf wenige Akteure begrenzt, fanden Gipfeltreffen der Staats-, Regierungs- oder (im Fall der Warschauer Pakt-Staaten) Parteichefs statt. Geheim- und Gipfeldiplomatie markierten die Abkehr vom Kalten Krieg. Beide konstituierten ein System der Ost-West-Kommunikation, das zum Signum einer neuen Phase in den Ost-West-Beziehungen wurde. Den Anfang machten die Supermächte im Frühjahr 1969, als der Sicherheitsberater Präsident Nixons, Henry Kissinger, und der sowjetische Botschafter in Washington, Anatoly Dobrynin, eine Gesprächskultur schufen, die als back channel zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml in die Geschichte eingegangen ist. Beide trafen sich im Auftrag ihrer Chefs jahrelang regelmäßig zu Gesprächen unter vier Augen. Bei Bedarf telefonierten sie außerdem über eine Direktschaltung miteinander. Ihre Aufgabe lautete, abseits der diplomatischen Routine Möglichkeiten auszuloten, wie eine Balance aus Gegner- und Partnerschaft ihrer Staaten erreicht werden könnte.143 Es dauerte nicht

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allzu lange, bis sowohl die USA als auch die Sowjetunion neben ihren diplomatischen Kontakten zur Bundesrepublik auch über gesonderte Kommunikationswege zum westdeutschen Teilstaat verfügen wollten. Zwischen den beiden Machtzentren des Ost-West-Konflikts erlangte Bonn eine neue Wertschätzung als Partner – wenn auch als Juniorpartner – in einem exklusiven Kommunikationsnetz, zunächst auf bilateraler Basis, bald aber auch im Zuge der Berlin-Verhandlungen 1971 im trilateralen Gefüge. Der Auftakt erfolgte in Washington. Von dort schickte Präsident Nixon nach der Bundestagswahl vom 28. September 1969 voreilig Glückwünsche an den CDU-Vorsitzenden und bisherigen Bundeskanzler Kiesinger. Tatsächlich stellten CDU und CSU die größte Fraktion im neuen Bundestag, verfügten aber nicht über die absolute Mehrheit und fanden sich auf den für sie ungewohnten Oppositionsbänken wieder. In einem Telefongespräch mit Bahr entschuldigte sich Kissinger im Namen des Präsidenten für den Fauxpas. Gleichzeitig lud er Bahr nach Washington ein. „Alles hörte sich sehr gut an“, erfuhr Brandt von Bahr.144 Als Bahr am 13. Oktober 1969 in der amerikanischen Hauptstadt eintraf, wurde sogleich die Schwierigkeit offenbar, die mit der Einrichtung separater Gesprächskanäle verbunden war. Da sie an den Ministerien vorbeiführten, in deren Zuständigkeit die Gestaltung der Außenbeziehungen eigentlich fiel, konnten Kompetenzstreitigkeiten nicht ausbleiben. In Washington bestand US-Außenminister Rogers darauf, dass sein Ministerium in die erste Kontaktaufnahme mit Bahr einbezogen wurde. Also nahm Martin Hillenbrand, der Leiter der Europa-Abteilung im State Department, an der Unterredung teil, in deren Verlauf Bahr die außenpolitischen Grundzüge der kommenden sozial-liberalen Bundesregierung darlegte. Danach verließ Bahr das Weiße Haus durch den Haupteingang, um es durch einen Nebeneingang erneut zu betreten und Kissinger in dessen Büro im Untergeschoss wieder zu treffen. Bei dieser Gelegenheit schlug Kissinger vor, einen back channel „vorbei an der Bürokratie“

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der Außenministerien zu schaffen, von dem in Washington neben Präsident Nixon nur er selbst und Helmut Sonnenfeldt als sein Vertrauter im Nationalen Sicherheitsrat wissen sollten. Bahr stimmte sofort zu und nannte außer Brandt den designierten Kanzleramtsminister Horst Ehmke, der als einziger Kenntnis davon haben sollte. Zur Durchführung der Nachrichtenverbindung wollte Kissinger eine Kontaktperson benennen. Brandt war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Bundeskanzler gewählt. Schon zwei Wochen vorher über einen „direkten Draht ins Weiße Haus“ zu verfügen erschien Bahr als „der größte Erfolg, den man sich wünschen konnte“. Er leitete daraus eine Übereinstimmung zwischen der deutschen Ostpolitik und der amerikanischen Détente-Politik ab. „Ihr Erfolg wird unser Erfolg sein“, sagte Kissinger zum Schluss und gab seiner Hoffnung auf einen „vertrauensvollen, persönlichen Kontakt“ Ausdruck.145 Bahr wusste, dass es eine bundesdeutsche Ostpolitik nur mit Rückendeckung durch die Westmächte und insbesondere durch die USA geben konnte. Wiederholt ließ er Kissinger über den Kanal vertrauliche Vorabinformationen zukommen, bevor sie auf dem herkömmlichen Weg Washington erreichten. Er war aber nicht so naiv, Kissingers eigene Motive zu verkennen. Die Bundesrepublik war unübersehbar im Begriff, sich an die Spitze der europäischen Entspannungspolitik zu setzen, und Kissinger wollte die Oberaufsicht behalten. Zu viel Selbständigkeit der Deutschen im Machtpoker mit der Sowjetunion sollte es nicht geben. Eine direkte Verbindung ins Kanzleramt konnte helfen, die Bundesrepublik auf die Rolle eines folgsamen Mitspielers zu verpflichten und die Westdeutschen von einer zu weit gehenden Annäherung an die Sowjetunion abzuhalten. In dieser Grundhaltung ähnelte die amerikanische Supermacht ihrem sowjetischen Pendant. Auch Moskau wehrte sich gegen eigenmächtige entspannungspolitische Initiativen seiner Bündnispartner. Breschnew warnte vor einer „selektionellen Politik“. Kissinger sprach von den Gefahren einer „selektiven Détente“.146

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Es gab eine weitere Parallele. Denn auch der Kreml wollte die Außenpolitik nicht allein dem Außenministerium überlassen. Als Generalsekretär der KPdSU nahm Breschnew zunehmend Einfluss auf die sowjetische Außenpolitik und trat entschieden für eine Wende in den Beziehungen zur Bundesrepublik ein. Wie das Weiße Haus suchte auch der Kreml einen Kontakt zum Bonner Kanzleramt, der ohne diplomatische Zwischenstationen einen direkten Austausch von Informationen und Meinungen erlaubte. Doch was im transatlantischen Verhältnis umstandslos möglich war, musste auf dem Feld der OstWest-Beziehungen erst vorsichtig und beinahe konspirativ angebahnt werden. Den Auftrag dazu hatte der Journalist Waleri Lednew, der als Korrespondent der Sowjetskaja Kultura für deren Auslandsberichterstattung zuständig war und seit Längerem über Westkontakte verfügte. In Moskau war er gut bekannt mit Heinz Lathe, dem dortigen Korrespondenten der Frankurter Neuen Presse. Kurz nach Bildung der sozial-liberalen Regierung blieb es nicht bei den üblichen feuchtfröhlichen Treffen der beiden. Lednew erwähnte einen „inoffiziellen Draht Moskau-Bonn“, womit eine Verbindung mit Staatssekretär Diehl gemeint war, dem Pressesprecher der eben abgelösten Regierung der Großen Koalition. Jetzt wollte Lednew so bald wie möglich in die Bundeshauptstadt reisen und bat Lathe um die Vermittlung eines Kontakts. Er handle im Auftrag der obersten sowjetischen Führung, die eine Annäherung an die Bundesrepublik anstrebe. Dafür sei der „lange Dienstweg“ über die „Berufsdiplomatie“ ungeeignet. Lathe informierte daraufhin seinen Chefredakteur Robert Schmelzer, der wiederum Conrad Ahlers, dem neuen Leiter des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, einen ausführlichen Bericht zukommen ließ.147 Bereits am 16. Dezember 1969 erschien Lednew bei Ahlers und unterbreitete ihm eine Mischung aus Wünschen und politischen Signalen. Er wiederholte den Vorschlag, „einen direkten Kontakt mit der Bundesregierung neben und unabhängig von den diplomatischen Kanälen zu halten“. Auf seiner Wunschliste stand ein Gespräch mit Bun-

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deskanzler Brandt noch vor Weihnachten. Zugleich stellte er eine flexible Haltung der Sowjetunion in Aussicht, was den Verzicht auf eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR einschloss. Den Gesprächswunsch versah Brandt mit einem Fragezeichen und übergab die Angelegenheit seinem Kanzleramtsminister Ehmke und Staatssekretär Bahr zur weiteren Erledigung. Beide erhielten am 18. Dezember davon Kenntnis. Ehmke wollte Lednew „bestenfalls“ zu Bahr vorlassen, der aber offenbar keine Eile verspürte.148 Was sollte man auch davon halten, dass ein sowjetischer Journalist ohne überzeugende Referenzen in Bonn auftauchte, während gleichzeitig ein Brief Brandts an Kossygin ohne Antwort geblieben war.149 Dass die Antwort in Lednews Offerte bestand, stellte sich – gewissermaßen als Weihnachtsgeschenk – am 24. Dezember heraus. Ahlers spürte wohl, dass man Lednew nicht unverrichteter Dinge gehen lassen sollte, und besorgte ihm einen Gesprächstermin. Am späten Nachmittag des Heiligen Abends konnte Lednew endlich mit Bahr sprechen. Und jetzt wies er sich glaubwürdig als Emissär der „obersten Parteigruppe“ aus, indem er Brandts Brief an Kossygin erwähnte. Der Brief sei in Moskau „als Zeichen ehrlicher Absicht verstanden“ worden. Das war der Moment, in dem ein geheimer Gesprächskanal zwischen Bundeskanzleramt und Kreml geschaffen wurde. Künftig könne man in einem „vertraulichen Meinungsaustausch“ besprechen, „was man im einzelnen in den offiziellen Verhandlungen dann tut“.150 Die nun erfolgende schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion spielte sich auf zwei Ebenen ab, der üblichen diplomatischen und der zusätzlichen informellen Ebene des „Kanals“. Auf westdeutscher Seite war es Bahr, der in beiden Fällen eine Schlüsselposition einnahm. Den diplomatischen Usancen folgend, saß er Außenminister Gromyko im sowjetischen Außenministerium von Ende Januar bis Mai 1970 in drei Verhandlungsrunden insgesamt 55 Stunden gegenüber, ehe ein Entwurf für einen Gewaltverzichtsvertrag vorlag. In seiner zweiten Funk-

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tion verfügte Bahr zudem von Beginn an über Informationen, die ihn direkt aus dem Kreml erreichten. Schon bei seiner Ankunft in Moskau, noch bevor er mit Gromyko zusammentraf, kam Lednew auf ihn zu, um den „inoffiziellen Draht“ zum Glühen zu bringen. Im Restaurant des Hotels Ukraina, wo Bahr mit seiner Delegation untergebracht war, sowie bei einem anschließenden Spaziergang in der klirrenden Moskauer Kälte versorgte Lednew den Gast aus Bonn mit diversen Einzelheiten, die Lednews Position im sowjetischen Politikbetrieb deutlicher umreißen sollten.151 Worauf diese Position tatsächlich beruhte, blieb lange Zeit verborgen. Erst viel später wurde enthüllt, dass Lednew im Auftrag des KGB handelte und in dieser Rolle Lathe kontaktiert hatte. Unterstellt war er dem KGB-General Wjatscheslaw Keworkow, den Bahr 1970 aber nur unter dem Decknamen Slawa kennenlernte. Keworkow erhielt seine Anweisungen direkt von KGB-Chef Jurij Andropow , wovon die Öffentlichkeit aber erst Mitte der 1990er-Jahre erfuhr, als der inzwischen in der Bundesrepublik lebende Ex-General seine Memoiren veröffentlichte. Im Januar 1970 handelte es sich für Bahr nicht um einen anrüchigen „Geheimpakt mit dem KGB“ oder gar um einen „Bund mit dem Teufel“,152 sondern um Kontakte auf Spitzenebene, die Einblicke in sowjetische Interna ermöglichten und der deutschen Seite erlaubten, ungeschützt Klartext zu reden. Bis August 1970, als der Moskauer Vertrag unterschriftsreif war, lief diese Kommunikation meistens über Lednew, wenige Male auch über Lathe. In der Schlussphase der Verhandlungen, die Außenminister Scheel mit Bahr im Hintergrund führte, trat auch Keworkow auf, um klärende Zusatzgespräche außerhalb der offiziellen Verhandlungen der Außenminister anzustoßen.153 Dass geheime Kontakte, die parallel zu den regulären Regierungskonsultationen über Vertrauenspersonen laufen sollten, nützlich waren, darin waren sich Breschnew und Brandt bei ihrer ersten Begegnung anlässlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags am 12. August 1970 einig. Am Abend desselben Tages saßen auch die mit

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der Durchführung des Informationsflusses betrauten Personen – Bahr, Lednew und Keworkow – in einer Moskauer Privatwohnung zusammen. Zu ihnen gesellte sich Andrej Alexandrow-Agentow, der sicherheitspolitische Berater Breschnews. Man war sich einig, dass gute Aussichten für eine persönliche „Vertrauensbasis“ zwischen Breschnew und Brandt bestanden. Außerdem erhielt Bahr den Hinweis, man brauche im Umgang mit der DDR einen „diplomatischen Feldzugsplan“. Alexandrow ließ durchblicken, dass Moskau Entscheidungen nicht einfach über den Kopf der DDR hinweg vorgeben könne. OstBerlin sei ein schwieriger Verbündeter und „von einer großen Empfindlichkeit“.154 Die Bilanz aus Bonner Sicht war eindeutig. Die Sowjetunion pflegte einerseits eine neue Form der Kommunikation mit der Bundesrepublik. Andererseits durfte das westdeutsch-sowjetische Einvernehmen die schon vorhandenen Bruchlinien im Warschauer Pakt nicht verstärken. Schon nach wenigen Monaten erwies sich der Kanal als unverzichtbar für die Verständigung über politische Prioritäten. Dass über ihn nicht nur wesentliche Signale kamen und Entscheidungen angebahnt wurden, unterschied ihn deutlich von dem deutsch-amerikanischen Kanal, der in erster Linie der Übermittlung knapper Informationen diente. Der „politische Kanal“ zu den Parteiführungen sei im Umgang mit „kommunistischen Staaten“ unverzichtbar, hielt Bahr fest. Man verhandle nicht mit der „kompetenten Stelle“, wenn man nur mit dem Außenminister spreche.155 Den Fachleuten im Auswärtigen Amt blieb nichts anderes übrig, als Bahrs „Parallelkontakte“ wohlwollend zu tolerieren.156 Nicht nur die Außenministerien, sondern auch die engen Verbündeten Großbritannien und Frankreich wurden übergangen, als Kissinger 1971 zusammen mit Dobrynin auf die Idee verfiel, bereits bestehende Kanäle auszubauen, um die Verhandlungen über Berlin voranzubringen. Sie wurden seit März 1970 von den für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Mächten im Gebäude des Alliierten Kon-

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trollrats in Berlin geführt. Am Tisch saßen die drei in Bonn akkreditierten Botschafter der Westmächte und der sowjetische Botschafter in der DDR. Sie sollten eine Regelung ausarbeiten, die den Zugang nach West-Berlin und die Art der Bindung der Stadt an die Bundesrepublik festlegte. Dazu hatte es niemals eindeutige und vertraglich fixierte Bestimmungen gegeben, was die Lage in und um Berlin immer wieder krisenanfällig machte. Indem die Bundesregierung die Ratifizierung der Ostverträge und ganz allgemein die Fortsetzung der Entspannungspolitik von einer zufriedenstellenden Berlin-Regelung abhängig machte, begab sie sich in die Hände der Vier Mächte, die allein darüber verhandeln konnten. Nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags versuchte Brandt, sie in die Pflicht zu nehmen. Er schlug vor, den bisher auf der Stelle tretenden Verhandlungen einen „konferenzähnlichen Charakter“ zu geben. Gegenüber der Sowjetunion unterstrich er wiederholt, dass die Verträge von Moskau und Warschau für sich genommen nicht ausreichten. Es bestehe zwar „kein juristisches Junktim“, aber eine „positive Berlin-Regelung“ sei gleichwohl unabdingbar.157 Dreieckskontakte für Berlin Lediglich die USA antworteten binnen Kurzem auf Brandts Vorschlag. Weil ihnen aus Eigeninteresse an einer globalen Détente lag, mussten sie sich auf europäische Aspekte der Entspannungspolitik einlassen. Dazu gehörte ganz aktuell die Berlin-Frage und mittelfristig eine Europäischen Sicherheitskonferenz, auf deren Zustandekommen die Sowjetunion drang und die nicht zuletzt von einer ungestörten Fortsetzung der Ostpolitik abhing. Am 23. Januar 1971 erachteten Kissinger und Dobrynin bei einem ihrer vertraulichen Treffen den Zeitpunkt für günstig, einen umfassenden amerikanisch-sowjetischen Interessenausgleich anzusteuern. Dobrynin berichtete von intensiven diesbezüglichen Überlegungen in Moskau. Kissinger empfand das Treffen als das bisher „vielleicht bedeutendste“ in der Reihe ihrer Begegnun-

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gen.158 Auch weiterhin sollte alles über den von beiden betriebenen Kommunikationskanal laufen, außerdem auch der Berlin-Komplex. Mit der Einbeziehung von Egon Bahr als Drittem wurde aus dem bestehenden Kanal ein Dreieck, obwohl die Deutschen nach geltendem Recht gar nicht mitreden durften. Wenig später erhielt Bahr Besuch. James Fazio, ein Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat, kam am 28. Januar 1971 als persönlicher Abgesandter Kissingers nach Bonn und überbrachte „Dear Egon“ eine Einladung in die USA. Das persönliche Gespräch mit Kissinger sollte der Abstimmung und Organisation des weiteren Verlaufs der Berlin-Verhandlungen auf höchster Geheimhaltungsstufe dienen. Dass Bahr das Schreiben Kissingers nur lesen, aber nicht behalten durfte, zeigte, wie geheim alles bleiben sollte.159 Bahrs ohnehin gut gefüllter Terminkalender war jetzt randvoll. Eigentlich standen die im November 1970 aufgenommenen Verhandlungen mit der DDR über den Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin im Vordergrund. Die nächsten Termine (26. Januar und 3. Februar) waren bereits vereinbart. Aber der Ruf Kissingers sollte unbedingt Gehör finden. Vor der Blitzreise nach Amerika besprach sich Bahr über seinen Kanal noch mit der sowjetischen Seite, um die Seriosität von Kissingers Plan zu prüfen.160 Am 31. Januar war er dann für sein Treffen mit Kissinger zur Stelle. Es fand an einem ungewöhnlichen Ort statt, an Bord eines Flugzeugs, das die beiden von Cape Canaveral in Florida nach New York brachte – eine Inszenierung ganz nach Kissingers Geschmack. Um absolute Geheimhaltung zu gewährleisten, hatte Bahr privat auf Einladung von Vizepräsident Agnew anlässlich des Starts von Apollo 14 in die USA fliegen müssen. Das imposante Schauspiel des Raketenstarts verblasste, als Bahr anschließend zu einer Maschine geleitet wurde, in der Kissinger sich bereits aufhielt und wo Bahr Genaueres über das weitere Vorgehen erfuhr. Um die Suche nach zustimmungsfähigen Formeln zu beschleunigen, sollten Kissinger, Dobrynin und Bahr im direkten Austausch über besondere Kanäle versuchen, die unterschiedlichen Positionen einander anzunä-

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hern. Sobald tragfähige Formulierungen gefunden waren, würde der ebenfalls in das geheime Verfahren eingeweihte US-Botschafter in Bonn, Kenneth Rush, sie in die Runde der Botschafter einbringen, die offiziell mit den Berlin-Verhandlungen betraut war. Bahr war „begeistert“ von dieser Art von Geheimdiplomatie auf höchster Ebene.161 In den folgenden Monaten häuften sich die vertraulichen Mitteilungen zwischen Bahr und Kissinger. Schon kurz nach der Rückkehr aus den USA übermittelte ihm Bahr die „Grundsätze einer Berlin-Regelung“, wie sie der Bundesregierung vorschwebten. Außerdem gab er fünf Telefonnummern an, unter denen er in den nächsten zehn Tagen während eines kurzen Urlaubs erreichbar wäre.162 Doch so sehr eilte die Sache gar nicht. Erst im Mai gab Moskau grünes Licht für die geheimen Dreieckskontakte. Auch Falin als neuer sowjetischer Botschafter in Bonn wurde nun einbezogen. Strikte Geheimhaltung war das oberste Gebot. Außerhalb des Weißen Hauses wisse wirklich niemand von den „Rush-Falin-Bahr meetings, or your channel to me“, schärfte man Bahr noch einmal ein.163 Der glaubte schon bald über den Kanal melden zu können, „dass die Russen zu einem positiven Ergebnis kommen wollen“. Die Gespräche verliefen „zäh, sehr intensiv, sehr offen und von Falins Seite mit einer Methodik von Verschärfungen – die dann wieder zurückgenommen werden“, was „für die Endphase bei den Sowjets charakteristisch sei“.164 Als die Botschafter der Vier Mächte am Ende eines Verhandlungsmarathons schließlich am 3. September 1971 ihre Unterschriften unter das Berlin-Abkommen setzten, blieben das Geflecht der informellen Geheimkontakte und erst recht die Mitwirkung Bahrs verborgen. Die Eingeweihten konnten sich gratulieren. „Viele Faktoren mussten zusammenkommen für eine BerlinRegelung; der gute Draht zwischen uns war vielleicht nicht der unwichtigste“, schrieb Bahr an Kissinger, der rückblickend ebenfalls die Bedeutung des „White House-Bonn-Kremlin backchannel“ für den Verhandlungserfolg betonte.165 Kissinger konnte sich als Hochseilartist der Geheimdiplomatie füh-

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len. Zwischendurch war ihm im Juli 1971 noch der Coup gelungen, Geheimkontakte zur Führung der Volksrepublik China aufzunehmen und die spektakulär wirkende Chinareise Nixons vorzubereiten. Von Bahr erreichte ihn eine „sehr herzliche Gratulation zu dem Besuch in Peking und zu der Machart“.166 Aber auch Bahrs Kommunikationstechnik konnte sich sehen lassen. Über den Kanal in den Kreml wurde erreicht, dass für die West-Berliner dieselben Reisepapiere gelten sollten wie für die Bundesbürger. Dem wollte Gromyko zunächst auf keinen Fall zustimmen, obwohl bereits Einigkeit darüber bestand, dass die konsularische Vertretung der West-Berliner durch die Bundesrepublik erfolgen sollte. Um die Aussagen des sowjetischen Botschafters Abrassimow am offiziellen Konferenztisch aus dem Hintergrund lenken zu können, hielt Gromyko sich während der Schlussphase der BerlinVerhandlungen in Ost-Berlin auf. In dieser Situation half der Bundesregierung der Kontakt, der über den Kanal mit dem sowjetischen Parteichef bestand. Brandt wählte diesen kürzesten aller Dienstwege vorbei an allen Botschaftern und Ministern. „Vorher kanal-versichert“, wie Bahr später schrieb, wandte Brandt sich unmittelbar an Breschnew. Er erinnerte an den „Geist der Offenheit“ bei ihrer Begegnung in Moskau vor knapp einem Jahr und appellierte an Breschnew, sich zu einer „großzügigen Geste“ bereitzufinden. Nach einer „Auseinandersetzung“ zwischen Breschnew und Gromyko wurde Brandts Wunsch nach Bundespässen für „seine“ West-Berliner am Ende erfüllt.167 Formal betrachtet hätte die Bundesrepublik bei den Verhandlungen über Berlin keine Stimme haben dürfen. Wenn sie von den USA und der Sowjetunion dennoch nicht nur gehört, sondern auch in den Verhandlungsablauf einbezogen wurde, so geschah dies über die mittlerweile kunstvoll verschränkten geheimen Kommunikationskanäle. Diese Kanäle blieben auch später ein viel genutztes Mittel der bilateralen Kommunikation. Bis zum Ende der Kanzlerschaft Brandts nutzten Bahr und Kissinger ihre vertrauliche Verbindung noch mehr als einhundert Mal, um sich über verschiedenste Themen der Ost-West-

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Beziehungen und der internationalen Politik im Allgemeinen auszutauschen. Eine der letzten Mitteilungen Bahrs hatte den Betreff „Ergebnisse Moskau“ und informierte die Amerikaner über einen längeren Aufenthalt Bahrs in der sowjetischen Hauptstadt, in dessen Verlauf versucht wurde, einige Differenzen auszuräumen, die den Fortgang der Entspannungspolitik behinderten. Zugleich sollte ein erneutes deutsch-sowjetisches Spitzentreffen vorbereitet werden, zu dem es wegen Brandts Rücktritt allerdings vorerst nicht kam. Der Wechsel im Kanzleramt bedeutete das Ende für Bahrs Direktverbindung ins Weiße Haus. Die letzte Botschaft Bahrs an Kissinger entbehrte nicht eines melancholischen Untertons: „Alle guten Wünsche, vor allen Dingen Gesundheit. Ich mache mal etwas Pause.“ 168 Permanente Verbindung durch die Hintertür Während die Kommunikation mit Kissinger in erster Linie der beiderseitigen Information diente, wurde der Kanal in den Kreml auch gebraucht, um die sowjetische Führung für die deutschlandpolitischen Ziele der Bundesregierung zu gewinnen. In der Berlin-Frage war erreicht worden, dass die Bindungen West-Berlins an die Bundesrepublik nicht mehr in Frage gestellt wurden. Was die Einzelheiten des Zugangs über das Territorium der DDR und darüber hinaus das geregelte Nebeneinander der beiden deutschen Staaten betraf, mussten Bonn und Ost-Berlin direkt verhandeln. Für beide Seiten war Moskau ein unverzichtbarer Ansprechpartner. Die DDR benötigte eine Abstimmung mit dem „großen Bruder“, der sich zugleich mit dem westdeutschen Wunsch konfrontiert sah, auf die DDR im Sinne kompromissfähiger Lösungen einzuwirken. Als Bahr 1972 mit seinem ostdeutschen Gegenüber, Staatssekretär Michael Kohl, Termin um Termin absolvierte, tauschten Brandt und Breschnew ihre Auffassungen in Briefform aus. Überbracht wurden die Schriftstücke in bewährter Weise von Lednew, der Bahr zudem mit Hintergrundinformationen versorgte. Breschnew pries die Errungenschaften der Entspannungs-

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politik und warb dafür, den guten Willen der DDR anzuerkennen. Brandt sah die großen Linien nicht anders, bestand aber darauf, dass es sich bei der Bundesrepublik und der DDR „um die einzigen beiden Staaten in Europa handelt, deren Bewohner sich nicht als Ausländer fühlen“.169 Am Ende reichte es nur dazu, dass man „unterschiedliche Auffassungen“ zur „nationalen Frage“ festhielt, wie es in dem am 8. November 1972 paraphierten Grundlagenvertrag hieß.170 Immerhin trug das Ergebnis zusammen mit der gewonnenen Bundestagswahl dazu bei, dass Bahr sich „fröhlich“ fühlte, wie er in Würdigung des Kanals an den „lieben Slava“ alias Keworkow schrieb: „Harte und schwierige Arbeit hat ihren Erfolg erhalten. Ich möchte Ihnen auf diesem Weg die Hand drücken.“171 Auch ein Akteur der ersten Stunde meldete sich. Heinz Lathe war froh, dass er „in einer sehr wichtigen Etappe der Entwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen gelegentlich behilflich sein konnte“.172 Auch in der Folgezeit blieb der Kanal ein zentrales Mittel der deutsch-sowjetischen Kommunikation. Daran änderte sich nichts, als Brandt am 6. Mai 1974 zurücktrat. Ganz im Gegenteil: Helmut Schmidt betrieb energisch die Fortsetzung des direkten Kommunikationswegs auf höchster Ebene. Breschnew sah dies ebenso. Erste persönliche Botschaften beider überschnitten sich. Nach einem Gespräch zwischen dem neuen Bundeskanzler und Botschafter Falin am 10. Mai übergab Schmidt beim nächsten Treffen am 20. Mai einen auf den 16. Mai datierten Brief an Breschnew und empfing selbst ein Schreiben des sowjetischen Parteichefs.173 Die Antwort Schmidts erfolgte einmal auf dem diplomatisch üblichen Weg und wurde von Botschafter Sahm in Moskau übergeben. Dass es eine zusätzliche, persönlicher gefasste Version gab, hing damit zusammen, dass Schmidt den Entwurf des Auswärtigen Amts Bahr zum Lesen gab. Dieser kritisierte den Text als „buchhalterisch“ und „beamtenmäßig“. Dem Auswärtigen Amt unterstellte Bahr, es wolle „den Bundeskanzler rechtzeitig an eine neue Kandare legen“. Schmidt müsse „denjenigen Beamten des Auswärtigen Amts“

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entgegentreten, die „Morgenluft wittern und einen Minister beeinflussen, der noch kein fundiertes Urteil in außenpolitischen Fragen haben kann“. Wolle Schmidt als Bundeskanzler über seine „Prärogative in prinzipiellen Fragen auch gegenüber dem Auswärtigen Amt keinen Zweifel lassen“, dann müsse er den Entwurf „völlig verändern“.174 Vorschläge in Form von erheblichen Streichungen lieferte Bahr gleich mit. Gegenüber dem eben ins Amt gekommenen und in der Tat mit der ganzen Materie noch wenig vertrauten Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der erst mit einiger Verzögerung von der persönlicher gehaltenen Botschaft für Breschnew unterrichtet wurde, bezeichnete Schmidt die Änderungen als „geringfügig“.175 Er kündigte die „Fortsetzung“ der von Brandt „begonnenen Politik im umfassenden Sinn“ an und betonte, er selbst habe „die Politik der Entspannung und Normalisierung in den letzten acht Jahren mitentwickelt, mitgetragen und unterstützt“. Damit schlug Schmidt einen Bogen zurück bis zu seinem privaten Moskauaufenthalt 1966 und den Anfängen der Großen Koalition in Bonn. Zugleich richtete er den Blick in die Zukunft: „Diese Politik ist auf lange Sicht angelegt.“ Ganz im Stil seines Vorgängers im Kanzleramt zeigte sich auch Schmidt davon überzeugt, dass in der internationalen Politik „der eigene Eindruck und das direkte Gespräch durch nichts zu ersetzen“ sei. Er betrachtete es als „gutes Zeichen“, dass eine Einladung zu einem Besuch in Moskau, die schon vorlag und ursprünglich Brandt gegolten hatte, auf ihn übertragen worden war.176 Dass der Kanal auch nach dem Wechsel im Kanzleramt funktionierte, zeigte sich am 10. Juni 1974, als Schmidt Lednew und Bahr empfing, also jene beiden Männer, die von Anfang an mit der Weitergabe vertraulicher Mitteilungen beauftragt gewesen waren. Schmidt wusste um den Wert einer „Verbindung durch die Hintertür“, die eine „direkte wechselseitige Unterrichtung“ ermöglichte.177 Zu diesem Zweck beließ er Bahr in dessen Funktion als Ansprechpartner für die sowjetische Seite, die nicht das Gefühl bekommen sollte, „als würde der weitgehende Personalwechsel im Bundeskanzleramt einen sehr direkten Mei-

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nungsaustausch beenden, der bisher von beiden Seiten gepflegt worden war“. Schmidt konnte sich sicher sein, dass auch Breschnew daran gelegen war, „diesen Kanal aufrecht zu erhalten“,178 ließ er Schmidt doch wissen, dass die informellen Vorbereitungen für ein Treffen in Moskau über den Kanal laufen sollten. Breschnew betonte, wie sehr er die Tätigkeit Bahrs schätze, der „engagiert und nüchtern“ denke und „für die Herstellung der Beziehungen mit den sozialistischen Ländern kompetent“ sei.179 Bahr wurde in Schmidts Kabinett nach Epplers Rücktritt Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und stand somit außerhalb des ostpolitischen Entscheidungsprozesses. Gleichwohl nahm er nach wie vor eine Sonderstellung ein, die auf seiner Rolle im deutsch-sowjetischen Kanal beruhte. Vor Schmidts erster Moskaureise war er nicht damit zufrieden, dass nur Carl-Werner Sanne als Leiter der außenpolitischen Abteilung im Kanzleramt über ein Gespräch mit Lednew informiert wurde. Lednew wolle Schmidt unbedingt noch unter vier Augen mitteilen, was ausschließlich für den Bundeskanzler bestimmt sei – „etwas für Dein Gespräch mit Breschnew“.180 Bahr konnte 1974 auf gut zehn Jahre des Nachdenkens über Möglichkeiten der Entspannung und ihrer praktischen ostpolitischen Umsetzung zurückblicken. Jetzt zögerte er nicht, dem sowjetischen Parteichef einige sehr persönlich gehaltene Zeilen zu schicken: „Mit Genugtuung und Dankbarkeit denke ich an die Begegnungen und Kontakte, die ich im Laufe der zurückliegenden Jahre mit Ihnen haben durfte. […] Das Werk, das Sie mit meinem Freund Willy Brandt geschaffen haben, ist ein Stück meines Lebens.“181 Zugleich erinnerte er Brandts Nachfolger daran, dass die „Verbindung mit Lednew“ der Weg sei, „über den ohne diplomatische Umschweife oder Formalitäten ein politisch offener Gedankenaustausch stattfindet“. Die Exklusivität dieser Verbindung sei unbedingt zu bewahren. Denn jeder „offizielle Schritt“ habe erst dann „Durchschlagskraft“, „wenn er auf dem inoffiziellen Weg unterstützt oder vorbereitet wird“.182 In

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Schmidts Augen war die Erinnerung an diese Form der Kommunikation wohl überflüssig. Sie hatte sich in der Ära Brandt bewährt und stellte ein institutionelles Vermächtnis über alle Kanzler- und Regierungswechsel der alten Bundesrepublik hinweg dar. Entsprechend bat Schmidt Breschnew darum, für den Meinungsaustausch auf Spitzenebene nicht den „offiziellen diplomatischen Weg“, sondern ausschließlich die Verbindung über Lednew und Bahr zu benutzen, „um unbelastet von Formalien und Prestigegesichtspunkten unsere Auffassungen unmittelbar austauschen und politische Entscheidungen vorbereiten zu können“.183 Als Schmidt im Oktober 1974 in Moskau mit Breschnew zusammentraf, war dies nicht die erste Begegnung der beiden. Sie hatten einander schon im Mai 1973 beim Besuch des sowjetischen Parteichefs in Bonn kennengelernt. Abseits der offiziellen Gespräche hatte Brandt seinerzeit zu einem Abendessen in kleinem Kreis eingeladen, an dem auch Schmidt teilnahm – nicht in erster Linie als damaliger Finanzminister, sondern als politisches Schwergewicht in der Bundesregierung. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einem denkwürdigen Austausch zwischen Breschnew und Schmidt über ihre Sicht des Zweiten Weltkriegs, an dem beide teilgenommen hatten und dessen lange Schatten unverändert zu spüren waren. Gleichzeitig kam das gute Leben nicht zu kurz. Breschnew reichte dem Finanzminister einen Zettel, mit dem er um „Bewilligung zusätzlicher Mittel“ bat, „damit wir weiter trinken können“. Schon Adenauer wusste, dass man sich bei Begegnungen mit der sowjetischen Führung auf gehörigen Alkoholkonsum einzustellen hatte. Aber der atmosphärische Unterschied zwischen Adenauers Moskauaufenthalt 1955 und Breschnews Deutschlandbesuch 1973 war deutlich zu spüren. Schmidt fiel auf, dass die Unterhaltung zwischen Brandt und Scheel auf der einen sowie Breschnew und Gromyko auf der anderen Seite „locker und informell“ verlief.184 Westdeutsch-sowjetische Gipfeltreffen waren seit der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags nichts Ungewöhnliches mehr, wie

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wiederholte west-östliche Gipfel überhaupt ein Merkmal der Entspannungspolitik waren. Sie waren Ausdruck einer kommunikativen Praxis, die das Trennende nicht überwand, aber die Aussprache darüber ermöglichte, wie man mit ihm umgehen wollte. Entspannungspolitik auf Deutsch Das Trennende stand zweifellos im Vordergrund, als es gut zwei Jahrzehnte nach der Gründung zweier deutscher Staaten im März 1970 zur ersten Begegnung zwischen einem westdeutschen Bundeskanzler und einem ostdeutschen Ministerpräsidenten kam. In der DDR hatte zuvor eine kurze Grundsatzdiskussion darüber stattgefunden, wie auf die neue sozial-liberale Regierung in Bonn reagiert werden sollte. Geführt wurde sie vor dem Hintergrund des Machtwechsels an der Spitze der SED von Ulbricht zu Honecker. Das Ende seiner langen Karriere vor Augen und gesundheitlich in schlechter Verfassung, wollte Ulbricht es noch einmal wissen. Selbstbewusst wiederholte er seine Vorstellung von einer relativ eigenständigen Politik gegenüber der Bundesrepublik und im Warschauer Pakt. Dabei übersah er keineswegs die doppelte Abhängigkeit der DDR von günstigen Rohstofflieferungen aus der Sowjetunion und moderner Technologie aus dem Westen, nicht zuletzt vom reibungslosen Funktionieren des innerdeutschen Handels. Zugleich war die DDR in seiner Wahrnehmung ein Modell für sozialen Fortschritt und wirtschaftlichen Erfolg. Darauf wollte er aufbauen und eine eigene Westpolitik starten, um der Bonner Ostpolitik nicht das Feld zu überlassen. Ulbricht stand einerseits für die Abgrenzung der DDR vom Westen mit der Berliner Mauer als Symbol für die Teilung der Nation, andererseits hatte er seine gesamtdeutschen Visionen und den Glauben an ein geeintes Deutschland unter sozialistischen Vorzeichen nicht vergessen. Verbündete erblickte er ausgerechnet in der Bundesrepublik in den Demonstranten der Studentenbewegung und anderen als progressiv erachteten Kräften, die sich seit September 1968 in der neu gegründeten DKP sammeln konn-

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ten. Im Lauf des Jahres 1969 verzeichnete die SED eine steigende Resonanz auf ostdeutsche Gesprächsangebote. All dies ließ Ulbricht zwei Tage nach der Wahl Brandts zum Bundeskanzler zu der Schlussfolgerung gelangen, es habe sich „etwas in Westdeutschland verändert“. Es bestehe die Aussicht, „Millionen in Bewegung“ zu setzen: „Hauptkraft für die Wiedervereinigung der Nation ist die Arbeiterklasse.“ Nun war es eine Frage der politischen Entschlusskraft: „Wenn Brandt eine neue Ostpolitik macht, dann machen wir eine neue Westpolitik, und zwar eine, die sich gewaschen hat. Dabei soll er ins Schwitzen kommen.“ Das Politbüro müsse nun entscheiden, „ob wir die Kraft haben“, mit den „fortschrittlichen Kräften in Westdeutschland“ zusammenzuarbeiten und sie zu „aktivieren“. So realitätsfremd die Argumentation des inzwischen 76-jährigen Ulbricht auch klang, in einem entscheidenden Punkt kam er in aller Nüchternheit zu einer zutreffenden Beurteilung der Lage. Brandts Annäherung an die DDR und den Osten insgesamt würde die Art der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten verändern. In Ulbrichts Terminologie ging es darum, wer bei wem „eindringen“ würde. Diese Überlegungen unterbreitete Ulbricht am 30. Oktober 1969 bei einer außerordentlichen Sitzung des Politbüros. Sie fand in Dölln in der Schorfheide nördlich von Berlin statt, wo schon Göring residiert hatte und auf die Jagd gegangen war und wohin in schöner Kontinuität auch die DDR hochrangige Gäste zur Jagd einlud. Dort stand auch das Landhaus, in dem sich Ulbricht zur Erholung von einer Krankheit aufhielt. An der nächsten Sitzung des Politbüros, die wenige Tage später wie üblich in Ost-Berlin angesetzt war, konnte er darum aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, was allerdings ganz im Sinne seines designierten Nachfolgers war. Honecker und andere Mitglieder der SED-Führung wussten nur zu gut, dass eine eigenständige Westpolitik der DDR mit Ausstrahlung auf die Gesellschaft der Bundesrepublik eine Illusion war. Hinzu kam der Einspruch seitens der sowjetischen Oberaufsicht. Der sowjetische Botschafter in der DDR,

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Abrassimow, nahm an der Sitzung des Politbüros am 4. November 1969 teil. Ulbrichts Wahrnehmung von Veränderungen in der Bundesrepublik wurde zurückgewiesen. Es handle sich lediglich um einen Regierungswechsel, den man nicht falsch einschätzen dürfe. Die DDR werde weiterhin diskriminiert. Darum müsse man auf der von der Bundesregierung verweigerten völkerrechtlichen Anerkennung bestehen. Das Gremium beauftragte Außenminister Winzer mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für einen Vertrag, der die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten regeln sollte. Dass der Außenminister damit befasst wurde, entsprach der offiziellen Lesart: Die Beziehungen zur Bundesrepublik sollten sich nicht von den Beziehungen der DDR zu anderen Staaten unterscheiden.185 Damit zeichnete sich das Scheitern einer pragmatischen Lösung ab, bei der von vornherein auf eine völkerrechtliche Anerkennung durch die Bundesrepublik verzichtet worden wäre. Eine solche Lösung wurde der DDR bei einem informellen Geheimkontakt nahegelegt, als Bahr am 26. Oktober 1969 in seiner Privatwohnung Hermann von Berg empfing, den Leiter der Westabteilung im Presseamt des Vorsitzenden des Ministerrats der DDR Willi Stoph. Bahr kannte von Berg seit den West-Berliner Zeiten, als ein Kontakt- und Informationsnetz bestand, das auch den Chef der Senatskanzlei Dietrich Spangenberg und einige Journalisten umfasste und das nach dem Wechsel Brandts nach Bonn intakt blieb. Nach der Bundestagswahl erneuerte Bahr über den FAZ-Mitarbeiter Dettmar Cramer den Kontakt und informierte die andere Seite vorab über das, was Brandt wenig später in seiner ersten Regierungserklärung „zum Thema Ostpolitik und DDR“ sagen würde: Die Bundesregierung werde die Staatlichkeit der DDR anerkennen und strebe Vereinbarungen an, „durch die das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten normalisiert wird“. Dabei müsse etwas „fühlbar für die Menschen herauskommen“. Als Bahr ihn daran erinnerte, dass eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht in Frage komme, ließ von Berg durchblicken, dass sie

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dafür auch nicht mit der „Unterstützung durch die anderen sozialistischen Länder“ rechnen könne.186 In Konsultationen mit der sowjetischen Führung Anfang Dezember 1969 versuchte Ulbricht, die Zustimmung für eine gewisse Flexibilität bei den bevorstehenden deutsch-deutschen Verhandlungen zu erlangen. Darüber kam es zu einer Kontroverse zwischen ihm und Breschnew, bei der Ulbricht nachgeben musste. Die DDR solle auf ihrer Forderung nach voller völkerrechtlicher Anerkennung beharren. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass sie gegenüber Bonn durchgesetzt werden könne, aber „versuchen muss man es“. Besorgt registrierte Breschnew eine beträchtliche Steigerung im innerdeutschen Handel und fügte warnend hinzu, die Bundesrepublik könne daraus einen „Vorwand“ ableiten, „um auf die DDR zu drücken“. Nötig sei jetzt eine strikte Politik der Abgrenzung.187 Damit war die Marschroute für das weitere Vorgehen vorgegeben. Als Auftakt schickte Ulbricht in seiner Eigenschaft als Staatsratsvorsitzender einen Entwurf für einen Vertrag über die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten an Bundespräsident Heinemann. Wie aufwendig und geradezu mühsam die Kommunikation auf Spitzenebene verlief, zeigte sich daran, dass das Schriftstück am 18. Dezember von zwei Boten eigenhändig überbracht wurde. Staatssekretär Kohl und der Leiter der Abteilung für Westdeutschland im Außenministerium Hans Voß fuhren mit dem Auto in die Bundeshauptstadt, wo sie die Sendung Dietrich Spangenberg übergaben, der inzwischen Staatssekretär im Bundespräsidialamt geworden war. Spangenberg seinerseits reiste zwei Tage später nach OstBerlin, um eine kurze Antwort Heinemanns zu überbringen. Ulbrichts Schreiben sei an die dafür zuständige Stelle, nämlich ans Kanzleramt weitergeleitet worden. Dort erschien wenige Tage später Valeri Lednew als Abgesandter des Kreml und entkräftete kurzerhand Ulbrichts Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung. Nun wusste die Bundesregierung, wie schwach die Position der DDR war und was gespielt wurde, wenn die

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DDR-Führung an Maximalforderungen festhielt beziehungsweise daran festzuhalten gezwungen war. Nach der Weihnachtspause konnte Brandt am 14. Januar 1970 in seiner Erklärung zur Lage der Nation den Vertragsentwurf der DDR souverän ignorieren. Ulbricht reagierte umgehend auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz am 19. Januar mit ritualisierter Rhetorik. Der Weisung aus Moskau folgend sprach er vom „Volk der DDR“ und insistierte auf der völkerrechtlich verbindlichen Anerkennung des „sozialistischen deutschen Nationalstaats“, wie am nächsten Tag im Neuen Deutschland zu lesen war.188 Um den polemischen Stillstand zu durchbrechen, schrieb Brandt einen Brief an Stoph, der am 22. Januar wieder durch Boten übergeben wurde. Auf der Grundlage „gleichberechtigter Beziehungen“ sollte über Regelungen verhandelt werden, „die das Leben der Menschen im gespaltenen Deutschland erleichtern können“.189 Nach Rücksprache mit Moskau ging die DDR darauf ein. Am 12. Februar erschienen Kohl und Voß abermals in Bonn, nun an der richtigen Stelle im Kanzleramt, um einen Brief von Stoph mit einer Einladung zu direkten Verhandlungen zu übergeben. Willy Brandt ans Fenster! Damit stand dem ersten deutsch-deutschen Gipfeltreffen nichts mehr im Wege. Die Leipziger Messe bot Anfang März eine Gelegenheit, für Brandts Verhandlungskonzept zu werben und „ganz offen“ über alle Fragen von beiderseitigem Interesse zu sprechen. Ebenfalls in Leipzig erfuhren Ulbricht und Stoph von Wolff von Amerongen, Brandts Gesprächsbereitschaft gegenüber der DDR stoße in der Wirtschaft auf Zustimmung.190 Doch ehe Brandt und Stoph leibhaftig zusammentreffen konnten, bedurfte es noch mehrerer Vorgespräche über die Modalitäten des Treffens. Schließlich einigte man sich auf Erfurt als Konferenzort, wo der Sonderzug der westdeutschen Delegation am 19. März um 9:30 Uhr eintraf. Beim Grenzübertritt war zur Begrüßung protokollgerecht Staatssekretär Kohl zugestiegen, aber auch von Berg, der

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mit Brandt einige Worte wechseln konnte und – gewissermaßen als Gegenleistung für die Informationen, die er im Oktober von Bahr erhalten hatte – Pressesprecher Ahlers mitteilte, was Stoph in seiner Eröffnungserklärung sagen würde. Auf dem Bahnsteig in Erfurt stand Stoph zum Empfang für Brandt bereit. Danach gingen beide zu Fuß zum Konferenzort, dem nahe gelegenen Hotel Erfurter Hof. Auf dem Platz zwischen Bahnhof und Hotel passierte etwas Unvorhergesehenes. Eine auf etwa 8000 Personen geschätzte Menschenmenge hatte sich in den Nebenstraßen eingefunden, durchbrach zum Entsetzen der Ordnungskräfte die Absperrungen und strömte auf den Platz. Vor den Augen der internationalen Presse suchten die Erfurter wenigstens einen Blickkontakt, der ihnen eigentlich verwehrt bleiben sollte. Brandt und seine Begleitung hörten im Hotel die Rufe „Willy Brandt ans Fenster!“. Als sie immer lauter wurden, gab Brandt zögernd nach. Mit sicherem Gespür für die Lage winkte er aber nicht, sondern deutete mit einer sparsamen Handbewegung an, dass es für den Jubel, der ihm entgegengebracht wurde, viel zu früh war. Bald darauf wurde der Platz von zusätzlichen Polizeikräften geräumt, sodass regimetreue Demonstranten die Szene beherrschen konnten. Ein kurzer kommunikativer Moment war schnell verflogen. Doch er hinterließ tiefe Spuren, nicht nur bei der Staatssicherheit der DDR, der die Kontrolle entglitten war, sondern auch bei allen, die am Gedanken der Einheit der Nation festhielten. In Leipzig hörte der 1936 geborene Historiker Hartmut Zwahr, der Mitglied der SED war, die Rundfunkübertragung aus Erfurt. Die „Sympathiekundgebungen für Brandt“ deutete er in seinem Tagebuch als seltenen und befreienden Augenblick der Spontaneität, als „eindrucksvolles Bekenntnis zur Einheit der Nation, zu der wir uns bekennen müssen, ohne an der historischen Tatsache der Existenz der beiden deutschen Staaten zu rühren. […] Ich hatte plötzlich Tränen in den Augen, als die Rufe aus dem Radio tönten, wo ich sonst ein harter Klotz bin. In der Spontaneität dringt Verborgenes durch und wird sichtbar. […] Es können Grenz-

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pfähle aufgestellt werden, die Nation bleibt. […] Wir haben nur einen Hölderlin, wenn wir auch zwei Hölderlin-Interpretationen haben.“ Auch in breiteren Schichten der Bevölkerung stieß diese Haltung auf Zustimmung. Das Ministerium für Staatssicherheit fand Verstörendes heraus. Nur eine knappe Mehrheit der DDR-Bürger teilte den Standpunkt ihrer Regierung. Für fast die Hälfte war eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht vorrangig.191 Auf den kurzen, emotional aufgeladenen Augenblick folgte wenige Minuten später die unterkühlte Atmosphäre im Konferenzraum. In zeitraubenden Ausführungen brachten Stoph und Brandt zu Gehör, was längst bekannt und unvereinbar war. Zusätzlich zu den Plenumssitzungen fanden zwei Vieraugengespräche statt, bei denen ansatzweise ein Übergang vom Duell zum Dialog zu spüren war. Besprochen wurden der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen sowie des Personen- und Postverkehrs. Stoph meinte sogar, „ohne Lärm“ ließe sich manches regeln. Dies konnte Brandt als Antwort auf seine Anregung verstehen, „Erleichterungen der Kommunikation herbeizuführen“. Ohne Resonanz blieb Brandts Vorschlag, mit der „Behandlung interner Kontakte“ weiterhin von Berg zu beauftragen, der bei der Stasi als IM Günther geführt wurde. Zum Schluss herrschte Einvernehmen darüber, dass das Treffen „nützlich“ gewesen sei.192 Kommunikation über Geheimkanäle oder in direkter Begegnung am Konferenztisch war das eine. Brandts Vorstellung von Kommunikation ging jedoch darüber hinaus und erzeugte eine Abwehrhaltung bei Stoph. Schon die bloße Anwesenheit Brandts in der DDR veränderte den öffentlichen Raum. Breit angelegt, stellte Kommunikation eine Öffentlichkeit her, welche die in der DDR übliche verordnete Konformität aufbrach. Für einen Tag war die Gesellschaft in Bewegung. Sogar auf eine Ausgabe des SED-Organs Neues Deutschland gab es einen ganz und gar ungewohnten Run, als der Text der Erklärung veröffentlicht wurde, die Brandt zu Beginn der Konferenz abgegeben hatte. Erfurt wurde förmlich überschwemmt von etwa 500 Journalis-

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ten, die weltweit für ihre Medien berichteten. Mit ihnen hielt ein westliches Flair Einzug in die Stadt. Was der Westkontakt bewirkte, merkten die Erfurter auch daran, dass die Stadt ihre Gäste herausgeputzt empfing. In der Woche vor dem Großereignis waren umfangreiche Renovierungsarbeiten im Hotel und an manchen Fassaden vorgenommen worden. In den Geschäften fiel das Warenangebot erheblich üppiger aus als sonst. Zwei Monate später fand der Erfurter Gipfel eine Fortsetzung in Kassel. Auch dieses Treffen brachte keine Annäherung der Standpunkte, denn Stoph beharrte auf der Standardforderung nach völkerrechtlicher Anerkennung. Er wusste natürlich, dass diese Position in eine Sackgasse führte. Aber er hatte den ausdrücklichen Auftrag, ohne Ergebnis wieder abzureisen. Darauf hatte sich das Politbüro Ende April verständigt, und Moskau sah dies ebenso. Nach Kassel sollte eine „Denkpause“ eintreten. Mit dieser Idee im Gepäck reiste Stoph am 21. Mai nach Kassel.193 Brandt hingegen wollte einen Dialog mit der DDR institutionalisieren. In seinen „20 Punkten“ waren alle Schritte aufgeführt, die zu einer kommunikativen Annäherung der beiden deutschen Staaten führen sollten – angefangen bei der Erleichterung von Kontakten und Kooperationen bis hin zum Austausch Ständiger Vertreter und zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Auch in Kassel war die Polizei nicht Herr der Lage. Sie konnte nicht verhindern, dass rechtsgerichtete NPD-Anhänger und kommunistische Gruppen lärmend aufeinandertrafen und die „Umgebung des Tagungsorts für Stunden in ein Chaos“ verwandelten. Die einen schrien als Gegner der Entspannungspolitik „Brandt an die Wand“, die anderen schwenkten zur Unterstützung der Gäste aus der DDR rote Fahnen. Erst am Abend erlaubte es die Sicherheitslage Brandt und Stoph, am Mahnmal für die Opfer des Faschismus Kränze niederzulegen – ein kleines Zeichen gesamtdeutscher Gemeinsamkeit. Das Treffen endete ohne spektakuläre Ergebnisse. Einig war man sich immerhin, dass die Basiskommunikation in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Post und

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Fernmeldetechnik nicht geschmälert werden und der „Kontakt nicht abreißen“ sollte. Stoph meinte, „die Telefon- und Fernschreibverbindungen zwischen unseren beiden Häusern hätten sich bewährt“.194 Rückblickend sprach Brandt von dem „Versuch eines Gesprächs zwischen Deutschland und Deutschland“, von einem „Meinungsaustausch mit der DDR“.195 Der Versuch war nötig, weil die beiden deutschen Staaten ein geregeltes Verhältnis finden mussten, damit die internationalen Großprojekte der Entspannungspolitik nicht aufgehalten wurden. Zu diesen Projekten gehörten das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin 1971, die amerikanisch-sowjetische Einigung 1972 über die Begrenzung strategischer Waffen und der KSZE-Gipfel 1975 in Helsinki. Die im November 1970 von den Staatssekretären Bahr und Kohl aufgenommenen Verhandlungen erhielten ihren Impetus weniger aus den Begegnungen von Erfurt und Kassel. Vielmehr resultierten sie in erster Linie aus dem Zwang, sich in den internationalen Entspannungstrend einfügen zu müssen. Da die Bundesrepublik sich selbst als Motor der Entspannung verstand, war es die DDR, die dem Druck von außen ausgesetzt war. Willi Stoph muss man sich als einsamen Politiker in Zeiten des Wandels in den Ost-West-Beziehungen vorstellen. Im Kreis der sozialistischen „Bruderstaaten“ war er isoliert, weil das Beharren der DDR auf völkerrechtlicher Anerkennung von den Regierungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten als Störung ihres eigenen Interesses an Entspannung betrachtet wurde. Seitens der sowjetischen Hegemonialmacht wiederum wurde Stoph geradezu gedrängt, genau darauf zu bestehen. Die Sowjetunion wollte Umstände und Zeitpunkt einer Einigung mit der Bundesrepublik selbst bestimmen. Aus Angst vor einer nicht auszuschließenden Eigendynamik in den innerdeutschen Beziehungen sollte nichts der DDR überlassen bleiben. Breschnew kam denn auch zu einem abwertenden Pauschalurteil: „Sprechen wir es doch offen aus, aus Erfurt und Kassel kam nichts Günstiges raus. Brandt hat in Bezug auf DDR andere Ziele als wir.“ Die Sowjetunion

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wünschte unbedingt bessere Beziehungen zur Bundesrepublik, die dadurch einen Hebel zur Durchsetzung ihrer deutschlandpolitischen Vorstellungen in die Hand bekam. Zugleich musste gesichert sein, dass es zwischen der DDR und der Bundesrepublik zu „keinem Prozess der Annäherung“ kam.196 In verschlüsselter Form erhielt auch Brandt diesen Hinweis. Über den noch nicht lange bestehenden Kanal ließ Breschnew den Bundeskanzler wissen, dass die Demonstration auf dem Platz vor dem Erfurter Hof für die DDR-Führung ein Schock gewesen sei. Brandt habe „klug“ reagiert, als er sich bemühte, „die Menge zu beruhigen“. Dass der Jubel für Brandt auch Breschnew selbst schockiert haben könnte, wurde nicht ausdrücklich gesagt. Doch ermahnte man die Bundesregierung, keine falschen Schlüsse „aus der Tatsache dieser Demonstration“ zu ziehen. Zurückhaltung sei auch aus einem anderen Grund geboten. Den Entspannungsgegnern in der DDR sollten keine Argumente geliefert werden. Für Bonner Ohren mochte dies einleuchtend klingen, war aber wohl nicht die eigentliche Botschaft.197 Hinter Breschnews Äußerungen verbarg sich die Befürchtung, die ost-westliche Annäherung könne im sozialistischen Lager zu politischen und gesellschaftlichen Erschütterungen führen. Aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen lag der Abbau zwischenstaatlicher Spannungen im Interesse der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Aber die innere Ordnung der sozialistischen Staaten durfte auf keinen Fall tangiert werden. Brandt wusste, dass die Gesellschaften im Osten sich unmöglich weiter vom Westen abschotten konnten, wenn zugleich die Kommunikation auf staatlicher Ebene zunahm, und er wünschte eine solche Abschottung auch nicht. Aber sein Auftreten in Erfurt zeigte, dass er die Ängste der Regierenden kannte und auf sie Rücksicht nahm, um die von ihm propagierte Kommunikation zwischen den Regierungen nicht schon im Ansatz zu ersticken. Seit seiner Zeit als Regierender Bürgermeister von Berlin und Außenminister in Bonn hatte er ausreichend Erfahrungen sammeln können und gelernt,

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dass Realitätsbereitschaft für jegliche Form von Kommunikation unverzichtbar war. Mit dieser Einstellung hatte Brandt schon 1967 den Kontakt zu Ceaus¸escu in Rumänien gesucht. Jetzt, im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft, folgten die Treffen mit dem Führungspersonal in der DDR, in der Sowjetunion und in Polen. Mit Stoph war es äußerlich einfach; Dolmetscher wurden nicht benötigt. Schwierig war es trotzdem in der Sache, weil – wie Stoph bemerkte – die „Auseinanderentwicklung der deutschen Sprache während der letzten 20 Jahre“ spürbar war.198 Von beiden Seiten gebrauchte Wörter wie Demokratie oder Nation hatten unterschiedliche Inhalte. Wie sich der persönliche Kontakt auf Spitzenebene entwickeln würde, wenn man, wie in der Sowjetunion, nicht ohne Dolmetscher auskam, blieb abzuwarten. Der Kontakt kam am 12. August 1970 zustande, als die sowjetische Seite darauf drängte, dass der Vertrag mit der Bundesrepublik in Moskau unterzeichnet wurde. Kommunikativer Gipfel Brandt kam aus dem norwegischen Urlaub in die sowjetische Hauptstadt. Dort war Kossygin in seiner Eigenschaft als Regierungschef die meiste Zeit sein Gesprächspartner . Doch anders als in der DDR traf Brandt im Kreml auch mit Parteichef Breschnew zusammen, mit dem es über den Kanal bisher nur einen indirekten Kontakt gegeben hatte und der nun auch bei der Vertragsunterzeichnung zugegen war. Danach empfing Breschnew den Bundeskanzler zu einer Unterredung, die nicht weniger als vier Stunden dauerte. Inhaltlich sagten beide nichts Neues. Breschnew ergriff das Wort und folgte bei seinen Ausführungen den schriftlichen Unterlagen, aus denen er wie bei einer öffentlichen Rede vorlas. Manche Punkte vertiefte er und sprach Brandt dabei direkt an. Dieser hörte für fast zwei Stunden geduldig zu, bevor er auf einige Punkte antworten und energisch seine bekannten deutschlandpolitischen Positionen vertreten konnte. In dieser Phase der Begegnung kam es zu Rede und Gegenrede, zu einem Dialog, der

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gegensätzliche Standpunkte nicht kaschierte, zugleich jedoch den Willen zur Verständigung beschwor. So unterschied Breschnew in der Berlinfrage zwischen dem „offiziellen“ Kurs der Sowjetunion, die in den langsam anlaufenden Verhandlungen der Vier Mächte wenig Entgegenkommen zeigte, und seiner „inoffiziellen“ Aussage, eine „annehmbare Lösung“ werde möglich sein. Dies war eine der „Nuancen“, die Brandt nach seiner Rückkehr aus Moskau zusätzlich zum Dolmetscherprotokoll in einer eigenhändigen neunseitigen Aufzeichnung festhielt und die dem Vieraugengespräch eine besondere Qualität verlieh. Insgesamt hatte Brandt den Eindruck, dass es eine Perspektive für „gute Nachbarschaft“ gab und Breschnew dabei war, die „Federführung für wichtige Fragen der Westpolitik selbst zu übernehmen“. Zugleich schloss er aus Breschnews Kommunikationstechnik, dass „Gespräche mit westlichen Partnern für ihn ungewohnt“ waren.199 Das sollte sich bald ändern. In immer kürzeren Abständen hatte Breschnew von 1971 an Gelegenheit, sich mit westlichen Regierungsund Staatschefs auszutauschen. Den Auftakt bildete im September 1971 ein dreitätiges Treffen mit Brandt, das schon durch den Ort und die Art der Zusammenkunft die neue Qualität der westdeutsch-sowjetischen Beziehungen erkennen ließ. Die Begegnung fand auf der Krim statt, und zwar in Oreanda unweit von Jalta, wo sich Breschnews Sommersitz befand. Im Jahr zuvor war Brandt bei seiner ersten USA-Reise als Bundeskanzler in den Genuss gekommen, sich vor den politischen Konsultationen in Washington für einige Tage in Camp David, dem Landsitz des Präsidenten in Virginia, aufhalten zu können. Das mochte ungewöhnlich erscheinen, war aber unter engen Verbündeten keineswegs Aufsehen erregend und diente zudem einem ersten Gedankenaustausch mit Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger. Ein Tête-à-Tête mit dem mächtigsten Mann der Sowjetunion außerhalb Moskaus dagegen war ganz und gar außergewöhnlich. Schon die Kurzfristigkeit rief verwunderte Fragen hervor. Zwischen der Bekanntgabe des Treffens und der Abreise Brandts lagen nur neun

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Tage, eine in der internationalen Spitzendiplomatie absolut unübliche Terminierung, die vor allem in Paris für Erstaunen und kritische Nachfragen sorgte. Wollte Brandt in dem Wettlauf nach Moskau, von dem in der französischen Presse die Rede war, Präsident Pompidou ausstechen, der selbst einen Besuch Breschnews in Frankreich für den Oktober erwartete? Hatte Brandt sich etwa selbst eingeladen? Noch viele Wochen danach hielt der Bundeskanzler es für geboten, Pompidou zu versichern, die „dringende Einladung“ sei von Breschnew ausgegangen.200 Tatsächlich hatte Botschafter Falin schon im Mai 1971, als die Geheimkontakte zur Lösung der Berlinfrage unter Beteiligung Bahrs Licht am Ende des Verhandlungstunnels erkennen ließen, den Wunsch Breschnews übermittelt, die „Gespräche von Moskau fortzusetzen“. Zwei Tage vor der Unterzeichnung des Berlin-Abkommens kam Falin darauf zurück und lud den Bundeskanzler zu einem Gipfeltreffen noch im September ein, um „den breiten Kreis der bilateralen Fragen und Aspekte der internationalen Lage zu besprechen, die für beide Seiten von Interesse“ waren. Als ob er darauf gewartet hätte, nahm Brandt die Einladung auf der Stelle an.201 Oreanda war eine von mehreren „Staatsdatschen“, die im Umkreis von Jalta lagen und den Mitgliedern der sowjetischen Führung als luxuriöse Rückzugsorte fern von Moskau im angenehmen Klima des Schwarzen Meers dienten. Noch 1988 ließ Gorbatschow dort für sich eine Residenz erbauen. Das Anwesen in Oreanda stammte aus dem Jahr 1955 und war für Chruschtschow errichtet worden. Dort verbrachte Breschnew seine Urlaube, dort empfing er seine Sommergäste. Was er mit der Einladung an den Bundeskanzler bezweckte, teilte er schon Anfang August 1971 den Parteiführern der Warschauer-PaktStaaten mit. Sie versammelten sich neuerdings regelmäßig auf der Krim zum informellen Informationsaustausch und zur bündnisinternen Abstimmung. Angesichts der internationalen Entspannungsdynamik bestand ein erhöhter Kommunikations- und Regelungsbedarf, der gestillt werden musste. Brandt sollte eingeladen werden, damit

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man darauf drängen konnte, dass es mit der Vorbereitung der Europäischen Sicherheitskonferenz, dem Herzstück von Breschnews Westpolitik, schneller voranging. Vor allem sollte erreicht werden, dass der Bundestag den Moskauer Vertrag ein Jahr nach dessen Unterzeichnung endlich ratifizierte. Die Ratifizierung werde, wie Breschnew im Kreis seiner Verbündeten unterstellte, von Brandt „bewusst verschleppt“.202 Breschnew kannte natürlich den von Bonn stets postulierten unauflöslichen Zusammenhang, wonach die Ratifizierung des Vertrags mit der Sowjetunion an eine Lösung der Berlinfrage gekoppelt war. Zugleich war es mit dem Selbstverständnis der Sowjetunion als Weltmacht nur schwer vereinbar, wenn die Bundesrepublik Bedingungen in Form eines Junktims stellte. Es lag für Breschnew auf der Hand, Gegenforderungen zu stellen. Der Gipfel von Oreanda sollte für Brandt kein Spaziergang werden. Im Bonner Kanzleramt war Eile geboten, wollte man gut vorbereitet sein. Es würde keine Tagesordnung geben, aber genügend Themen, die man selbst besprechen wollte beziehungsweise mit denen zu rechnen war. Bahr stellte sich vor, „am ersten Abend ‚leichte‘ Themen zu wählen und mit einer „weltpolitischen Tour d’horizon“ zu beginnen. Am zweiten Tag könnten bilaterale Fragen und die multilateralen Konferenzprojekte KSE und MBFR folgen. Zu den „schwierigen Fragen“ zählte Bahr das „umgekehrte Junktim“, mit dem er schon rechnete, das heißt den sowjetischen Versuch, die von der Bundesregierung geforderte Reihenfolge umzudrehen und die Inkraftsetzung des Berlin-Abkommens von einer Ratifizierung des Moskauer Vertrags abhängig zu machen.203 Zu Berlin waren jetzt erst einmal die Deutschen selbst gefordert. Bonn und Ost-Berlin mussten sich über Zusatzvereinbarungen verständigen, die den Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin sowie weitere Einzelheiten regeln sollten. Die Gespräche darüber begannen im Rahmen von Verhandlungen über ein allgemeines Verkehrsabkommen kurz nach Unterzeichnung des Vier-Mächte-Abkommens.

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Auch im Hinblick darauf meinte Brandt, sich der sowjetischen Einladung „nicht entziehen“ zu sollen. Da die Verhandlungen mit der DDR schwierig zu werden drohten, konnte es nur von Vorteil sein, wenn vorab mit der Sowjetunion Einigkeit erzielt wurde. Außerdem wollte Brandt ganz offensichtlich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, in der sich deutlich abzeichnenden Beschleunigung der Ost-West-Entspannung – mit Breschnews Frankreichreise und einem „streng geheim“ vorbereiteten „Nixon-Besuch in der S.U.“ – eine der Hauptrollen zu spielen. Dies notierte Brandt „streng persönlich“ in einer handschriftlichen Mitteilung auf einem Blatt ohne Briefkopf an den „lieben Helmut“.204 Verteidigungsminister Schmidt gehörte ebenso wie Außenminister Scheel zu dem kleinen Kreis, der in die Vorbereitungen des Gipfels einbezogen war. Schmidt wollte die „schrittweise und ausgewogene“ Verminderung von Streitkräften als Bedingung für die Sicherheit in Europa forciert sehen. Im Auswärtigen Amt ging man davon aus, dass es bei Anerkennung der „Hegemonialbereiche“ zur Bekräftigung einer nachhaltigen Politik der Friedenswahrung kam, ohne damit einer „Friedenslösung“ im Sinne eines Ersatzfriedensvertrags für Deutschland zustimmen zu müssen. Unter die deutsche Frage durfte kein Schlussstrich gezogen werden.205 Innenpolitisch wichtig war die Information der Opposition im Bundestag, die Bahr übernahm. Er bezeichnete den Zeitpunkt als „günstig“. Breschnew arbeite an einem Erfolg seiner Westpolitik: „Dafür brauche er die Bundesrepublik.“206 Auch aus Sicht der westdeutschen Botschaft in Moskau befand sich die Bundesrepublik in einer „Schlüsselrolle“: „Man ist um uns bemüht.“207 Und daraus folge ein „Interesse an gründlicher Aussprache“, wie Brandt unter Betonung des kommunikativen Aspekts an anderer Stelle festhielt.208 Das Gipfeltreffen hatte den Charakter eines Arbeitsbesuchs ohne jeden zeremoniellen Aufwand. Brandt reiste nur in Begleitung von Staatssekretär Bahr, der nicht fehlen durfte, sowie des stellvertretenden Leiters des Sowjetunion-Referats im Auswärtigen Amt Andreas

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Meyer-Landrut und eines Dolmetschers. In schöner Symmetrie waren ihre Gegenüber Breschnews Sicherheitsberater im Parteiapparat Alexandrow, den Bahr schon seit einer Begegnung in Moskau im August 1970 kannte, und der Abteilungsleiter im sowjetischen Außenministerium Anatolij Kowaljow. Im Hintergrund hielten sich noch Keworkow und Lednew bereit, die Bahr zu diesem Zeitpunkt nur unter ihren Decknamen Slawa und Leo kannte. Die Gastgeber bemühten sich von Beginn an um eine offene und möglichst ungezwungene Gesprächsatmosphäre. Schon der Empfang auf dem Flugplatz von Simferopol erinnerte eher an ein Wiedersehen alter Bekannter als an ein Aufeinandertreffen von führenden Repräsentanten gegnerischer Lager. Breschnew wartete bereits, als das Flugzeug mit den deutschen Gästen am späten Nachmittag des 16. September 1971 im Anflug war. Zum ersten Mal landete eine Maschine der Bundeswehr in der Sowjetunion. Auch der Pilot wurde von Breschnew leutselig begrüßt. Bevor es nach Oreanda weiterging, lud Breschnew zusammen mit lokalen Parteifunktionären zu einer kleinen Stärkung ein. Daraus entwickelte sich ein längeres Gelage, das bis gegen Mitternacht dauerte. Nicht zum letzten Mal in diesen Tagen floss reichlich Alkohol. Breschnew und Brandt überboten sich im Erzählen von Anekdoten und Witzen. Nach diesem geselligen Auftakt mit einem Übermaß an russischer Gastfreundschaft deutete Breschnew bereits während der Autofahrt nach Oreanda an, er hätte bei dieser „historisch wichtigen Begegnung“ auch „Unangenehmes“ zu sagen. Nachdem Brandt den „schweren Anfang“ schon als gemacht bezeichnet hatte, warnte Breschnew vor Euphorie. Man stehe noch am „Anfang vom Anfang“.209 Brandt durfte gespannt sein, was ihn am nächsten Tag erwartete. Zunächst passierte gar nichts, weil Breschnew auf sich warten ließ und erst am späten Vormittag auf der Bildfläche erschien. Das folgende Gespräch nur im Beisein der Dolmetscher dauerte fast vier Stunden. Einerseits war es von Vorteil, dass ein offener Kommunikationsstil praktiziert wurde, bei dem es nicht darauf ankam, Punkt für

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Punkt erschöpfend abzuhandeln. Andererseits führte der Verzicht auf ein strenges Korsett zu Gesprächsschleifen, bei denen Themen nur andiskutiert wurden, um im weiteren Verlauf – auch noch am nächsten Tag – wieder aufgegriffen zu werden. Man nahm sich Zeit für einen Dialog über die nächsten Schritte der Entspannungspolitik, die auf breiter Grundlage zu Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa führen sollte. Einen Kernbereich diskutierten parallel dazu Bahr und Alexandrow. Sie einigten sich auf die dehnbare Formel, die angestrebte Reduzierung von Truppen solle „ohne Nachteile für die Beteiligten“ erfolgen. Das war weniger, als Schmidt gewünscht hatte, aber immerhin eine Aussage, die Brandt für „nicht entmutigend“ hielt.210 Brisant wurde es, als Brandt und Breschnew sich wegen Berlin geradezu verhakten. Breschnew fürchtete, der Moskauer Vertrag könnte nicht ratifiziert werden, was seinem Ansehen in der sowjetischen Politik einen schweren Schlag versetzt hätte. Ob der Vertrag „auch wirklich ratifiziert werden“ würde, fragte er Brandt „ganz persönlich“.211 Natürlich ließ Brandt keinen Zweifel daran aufkommen, stellte die Ostpolitik mit dem Moskauer Vertrag als Eckstein doch ein zentrales Element seiner Kanzlerschaft dar. Dazu gehörte allerdings auch eine endgültige Berlinregelung, die den Abschluss der Transitverhandlungen mit der DDR voraussetzte. Diese könnten einige Zeit in Anspruch nehmen und nur mühsam vorankommen, zumal die DDR und die Bundesrepublik schon in der deutschen Übersetzung des Viermächteabkommens nicht übereinstimmten. Breschnew hatte offenbar weder die Geduld, mit diesem innerdeutschen Dissens befasst zu werden, noch war er geneigt, die Haltung der DDR zu kritisieren. Kurzerhand erklärte er, das Berlinabkommen könne erst nach der Ratifizierung des Moskauer Vertrags in Kraft treten. Brandt war nun mit einem sowjetischen Gegenjunktim konfrontiert, das er lediglich zur Kenntnis nehmen konnte. Ihm blieb nur der – allerdings wirkungsvolle – Hinweis darauf, dass die für Anfang Dezember geplante Zustimmung der NATO-Außenminister zur Aufnahme vorbereitender

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Gespräche für die von Breschnew dringend gewünschte Sicherheitskonferenz ein vorheriges Inkrafttreten des Berlinabkommens voraussetze. Die Kontroverse konnte nicht ausgeräumt werden und löste sich erst im Zuge der weiteren Entwicklung auf, als das Berlinabkommen mit der Unterzeichnung des Schlussprotokolls am 3. Juni 1972 in Kraft trat. Am selben Tag setzte Bundespräsident Heinemann seine Unterschrift unter die Urkunden zur Ratifizierung der Ostverträge mit der Sowjetunion und Polen. Die politischen Gespräche in Oreanda, die auch die Wirtschaftsbeziehungen, den sowjetisch-chinesischen Konflikt und die Rolle der USA einschlossen, waren das eine. Hinzu kam ein Rahmenprogramm, das es in dieser Form bei Begegnungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik – und ganz allgemein im Kontakt mit westlichen Politikern – noch nie gegeben hatte. Breschnew lud zu einer Bootsfahrt entlang der Küste ein. Der informelle Charakter des Treffens ließ es sogar zu, dass Breschnew und Brandt gemeinsam zum Schwimmen gingen. Beide kamen sich menschlich näher und entwickelten allmählich ein Vertrauensverhältnis. Brandt lernte im September 1971 einen, wie er fand, „ganz anderen Breschnew“ kennen, der im Unterschied zur ersten Begegnung ein gutes Jahr zuvor in Moskau offen war für einen ausgedehnten Dialog politischer und privater Art.212 Darin erblickte Brandt das „eigentlich Neue“. Man sei „im Begriff“, sich „natürlich und normal zueinander zu verhalten“. Es herrsche jetzt Klarheit darüber, wo es „Übereinstimmungen, Annäherungen, Unterschiede“ gab.213 Am Abreisetag ließ Breschnew es sich nicht nehmen, seinen Gast auf der eineinhalbstündigen Fahrt zum Flugplatz zu begleiten. Nach dem Abflug fragte Heinz Lathe, einer der westdeutschen Journalisten, die in Oreanda entgegen der sonstigen sowjetischen Praxis dabei sein durften, den sowjetischen Parteichef, ob der Besuch zur Verbesserung der Beziehungen beigetragen habe. „Unbedingt, das war doch der Hauptgedanke“, soll Breschnew geantwortet haben.214 Tatsächlich hatten die Gespräche einen „sehr guten“ Eindruck bei ihm

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hinterlassen, wie Bahr wenig später direkt aus dem Kreml über den Kanal erfuhr. Breschnew teilte Brandts Einschätzung, dass die Begegnung sehr intensiv gewesen sei: „Man sei sich viel näher gekommen als in Moskau.“215 Später hat Breschnew Oreanda wiederholt als Beispiel für erfolgreiche Gipfeldiplomatie gepriesen, dem man nacheifern solle. Seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik im Mai 1973 wollte er als Arbeitsbesuch „auf die Art von Oreanda“ organisiert sehen. Das bedeutete nicht, dass man mit dem Stand der bilateralen Beziehungen zufrieden sein konnte und sich in der Sache einig war. Ganz im Gegenteil. Aber anstehende Fragen sollten kommunikativ in Dialogform erörtert werden. Der Dialog war an die Stelle des Duells getreten; dies war der kulturelle Kern der friedenswahrenden Entspannungspolitik. Genau diesen Eindruck vermittelten die Bilder, welche die FAZ-Fotografin Barbara Klemm von der Visite Breschnews lieferte. Sie zeigten die ernsten Mienen der ins Gespräch vertieften politischen Führer, aber auch Szenen privater Nähe.216 Binnen Jahresfrist sollte Brandt seinen Rücktritt erklären, aber Oreanda als Kommunikationsformat blieb erhalten. Vor der ersten Moskaureise von Brandts Nachfolger ließ Breschnew Bundeskanzler Schmidt wissen, Oreanda sei eine „wichtige Etappe“ in den beiderseitigen Beziehungen gewesen.217

Die Anbahnung geregelter Beziehungen mit den Staaten des Warschauer Pakts diente dem Abbau von Spannungen, die aus der ideologischen und militärischen Konfrontation des Kalten Kriegs hervorgegangen waren. Brandt verfolgte das Ziel einer europäischen Friedensordnung und stellte seine Politik ausdrücklich unter den „Generalnenner Friedenssicherung“. Frieden mit den Ländern des östlichen Europa hing darüber hinaus davon ab, ob es gelingen würde, aus dem immer noch langen Schatten des von Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkriegs herauszutreten. Brandt verband seinen Wunsch nach Versöhnung mit einem uneingeschränkten Schuldeingeständnis. Als er am 7. Dezember 1970 zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrags in der polnischen Hauptstadt weilte, brachte er dies mit einer außergewöhnlichen Geste zum Ausdruck. Am Mahnmal für die drei Millionen getöteten polnischen Juden fiel er auf die Knie.

II Ostpolitik als Interessenund Friedenswahrung

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Oreanda machte wie unter einem Brennglas sämtliche Begründungen und Wahrnehmungen sichtbar, die der Ostpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung zugrunde lagen und die sie begleiteten. An erster Stelle stand die Zweckbestimmung, also die Förderung des europäischen Entspannungsprojekts, dem sich Bonn und Moskau in gleicher Weise verpflichtet fühlten. Darüber hinaus löste diese „Konferenz ohne Beispiel“, wie es in der Süddeutschen Zeitung hieß,1 Fragen aus. Welche Motive bestimmten den Bundeskanzler, als er die sowjetische Einladung annahm? Welchen Rang nahm die Bundesrepublik im ostwestlichen Mächtespiel ein? Welche Konsequenzen für die Ausrichtung der deutschen Politik ergaben sich aus dem Gipfel von Oreanda? Erste Antworten kamen von Regierungsmitgliedern, Diplomaten, Parlamentariern und Journalisten. Die der Ostpolitik wohlwollend gegenüberstehende Wochenzeitung Die Zeit begrüßte es, dass Brandt „die ihm zustehende außenpolitische Bewegungsfreiheit genutzt“ hatte. Für Außenminister Scheel gehörte Oreanda zu den Schritten, „um die Bundesrepublik aus einem Objekt in den Ost-West-Beziehungen zum mithandelnden Subjekt zu machen“. Aus seinem Ministerium kam der dringende Wunsch, die Sowjetunion – aber auch die westliche Welt – wissen zu lassen, „dass wir nunmehr innerhalb der NATO jenen Grad der Reife und Eigenständigkeit erreicht haben, wie ihn andere Mächte als selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen“.2 Ähnliches war in Le Monde zu lesen, wo auf die in weiten Teilen

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der französischen Presse anzutreffende Erregung mit einem Bild aus der Entwicklungspsychologie geantwortet wurde. Die Bundesrepublik sei in ein Stadium eingetreten, das demjenigen Frankreichs vergleichbar sei, sie sei erwachsen geworden, eine „nation adulte“. In die politische Begriffswelt übersetzt, hieß dies, die Bundesrepublik hatte sich gut zwei Jahrzehnte nach ihrer Gründung zu einer „nation majeure“ entwickelt. Auch im britischen Außenministerium fehlte es nicht an nüchternem Realismus. Das kleine Bonn am Rhein habe für die Sowjetunion denselben Rang als Gesprächspartner in Westeuropa erreicht wie die Weltmetropolen Paris oder London. Doch mit grundlegenden Veränderungen sei in den deutsch-sowjetischen Beziehungen nicht zu rechnen.3 In der Bundesrepublik selbst waren sich viele Beobachter nicht so sicher. Der Spiegel sah die „Ostpolitik im Zwielicht“ und stand damit für die Mehrheit der deutschen Kommentatoren, die auf Oreanda überwiegend skeptisch und abwartend reagierten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bemühte ein Reizwort aus der Geschichte, mit dem die vermeintliche Sonderbeziehung der Weimarer Republik zur Sowjetunion bezeichnet wurde, als sie schrieb, die Bundesrepublik wandle „auf den Spuren von Rapallo“. Drohte gar eine nachlassende Bündnisloyalität? Diesen Verdacht äußerte Oppositionsführer Barzel. Er sah den „Kampf um die außenpolitische Zuordnung“ der Bundesrepublik in vollem Gange. Noch dramatischer klangen die Töne aus Bayern. Als vehementer Gegner der Ostpolitik schürte der CSU-Vorsitzende Strauß Ängste vor einem Linksruck , beschwor die Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung und bezeichnete Oreanda „als Beginn eines Umsturzes unserer Gesellschaftsordnung“.4 Mit dieser Auswahl von Stimmen zu Oreanda sind die Themen dieses Kapitels umrissen. Die „erwachsene“ Bundesrepublik beanspruchte selbstbewusst eine eigenständige Rolle in den Beziehungen mit dem Osten. Um sie ausfüllen zu können, bedurfte es einer Interessendefinition auf der Grundlage einer doppelten Westbindung. Aus wirt-

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schaftlichen und sicherheitspolitischen sowie nicht zuletzt aus deutschlandpolitischen Gründen lag es im nationalen Interesse des westdeutschen Teilstaats, zu einer deutlichen Reduzierung der Spannungen im Ost-West-Verhältnis zu kommen. In der politischen Rhetorik kam dafür kein geringerer Begriff als der des Friedens zum Einsatz. Als Fundament diente die Westbindung in Gestalt der westeuropäischen Integration und des transatlantischen Bündnisses, mit starker Betonung einer entschieden antikommunistischen Grundhaltung. Nationale Interessen Die meisten dieser Punkte nannte Brandt, als er im Rückblick auf seine Kanzlerschaft erläuterte, wie er seine Ostpolitik verstanden wissen wollte. An den Anfang stellte er den nachdrücklichen Hinweis, er habe sich „stärker und anders als zuvor um unsere eigenen Angelegenheiten“ kümmern und als „Anwalt unserer eigenen Interessen“ auftreten wollen. Im Zuge seiner Politik sei die Bundesrepublik „selbständiger, sozusagen erwachsener“ geworden. Da war es wieder – das Bild vom Erwachsenenstatus, das er im Kopf hatte und den Westdeutschen vermitteln wollte. Schon 1963 hatte er es gebraucht, als er in seiner wegweisenden Tutzinger Rede die Bundesrepublik als „erwachsen genug“ bezeichnete, um als „Gleicher unter Gleichen“ im westlichen Bündnis eigene Belange zu artikulieren. Brandt ließ seine Zuhörer nicht im Unklaren, was damit konkret gemeint war. Auf der Grundlage der Westintegration sollte sich die Bundesrepublik „künftig stärker“ um ihre „Interessen gegenüber dem Osten kümmern“. Darin erblickte er eine „Bewährungsprobe“, die der deutschen Außenpolitik noch bevorstehe.5 Seit Ende 1966 konnte er als Außenminister darangehen, sich dieser Probe zu stellen. Später als Bundeskanzler bewies er, wie man sie bestehen konnte. Der Moskauer Vertrag zeigte, dass die Bundesrepublik in der Lage war, ihre Interessen zu wahren und ihren Handlungsspielraum auszufüllen. Im November 1970 sah Brandt in einem Artikel für die New York Times die Bundesrepublik auf dem Weg, „anderen eben-

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bürtiger zu werden“. Die „anderen“ – das waren die Verbündeten im Westen. Sie sollten das westdeutsche Emanzipationsverlangen verstehen und sich daran gewöhnen, dass die Bundesrepublik auf mehr Bewegungsfreiheit bestand. Brandts Anspruch auf Ebenbürtigkeit war in seine Darlegungen eingeflochten, in denen er die Ostpolitik als integralen Bestandteil seiner Außenpolitik und darüber hinaus der allgemeinen westlichen Entspannungspolitik beschrieb. Ganz offensichtlich sollte der Artikel Skeptiker in den USA beruhigen, denen die Ostpolitik der sozial-liberalen Regierung nicht geheuer war. Für die Leser der New York Times erledigte dies in der Regel deren Deutschlandkorrespondent David Binder, der Brandt und seiner Koalition mehr als wohlgesonnen war.6 Das Streben nach Gleichberechtigung im Rahmen absoluter Bündnistreue hatte schon Adenauers Westpolitik bestimmt. Bundeskanzler Kiesinger nahm diesen Faden nicht nur auf, vielmehr plädierte er bei seinem Amtsantritt im Dezember 1966 auch für ein „gesundes Selbstverständnis und Nationalbewusstsein“. Das zurückliegende Verhalten der Deutschen gegenüber den USA verglich Kiesinger mit dem eines „Backfischs“, der „alle Viertelstunde“ von seinem Liebhaber wissen wolle, „ob er sie noch liebe“. Dieser „unwürdige“ Zustand sei keine tragfähige Grundlage für eine gesunde Partnerschaft.7 Knapp drei Jahre danach, als der Regierungswechsel in Bonn anstand, trat Bahr als Brandts Abgesandter in Washington mit derselben, sogar etwas entschiedener klingenden Botschaft auf. Kissinger wurde darauf vorbereitet, dass die sozial-liberale Regierung „zuweilen vielleicht etwas unbequemer sein“ werde. Ihre Haltung werde von „Stolz ohne Überheblichkeit“ geprägt sein. Sie werde „auch nicht alle zwei Monate um die Wiederholung von Garantien bitten oder die Frage stellen“, ob sie „noch geliebt“ werde. „Gott sei Dank“, soll Kissinger geantwortet haben. Bei dieser Gelegenheit behielt er seine Bedenken gegenüber der neuen Regierung und der von ihr angekündigten Ostpolitik für sich. Intern sah dies anders aus. Er wollte einen Riss in der Bonner

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Westpolitik nicht ausschließen. Auf jeden Fall nahm er Bahrs Ankündigung ernst und rechnete mit einer stärkeren „nationalistischen Einfärbung“ in der Politik der sozial-liberalen Regierung, die er ungeachtet ihres Koalitionscharakters als die „Sozialisten“ bezeichnete – ein Albtraum aus amerikanischer Sicht, der nur noch dadurch gesteigert werden konnte, dass die „Sozialisten“ offenbar auf größere Unabhängigkeit von den USA drängten und sich als „Verteidiger des deutschen nationalen Interesses“ betrachteten.8 Für Kissinger war der Begriff des nationalen Interesses eine gängige Vokabel, um die Rolle von Nationalstaaten in der internationalen Politik und daraus entstehende Interessenkonflikte zu bestimmen. Wenn eine westdeutsche Bundesregierung dagegen von nationalem Interesse sprach, so bezog sich dies üblicherweise auf die Nation als Ganzes und galt der Lösung der deutschen Frage. Das Interesse des westlichen Teilstaats Bundesrepublik als nationales Interesse zu bezeichnen, wäre in den 1950er-Jahren einem Verrat an der nationalen Sache gleichgekommen. Erst in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre wurden der Bundesrepublik spezifische Interessen im Sinn eines nationalen Interesses zugeschrieben. Damit wurde der „Krebsschaden“ geheilt, der für Bahr darin bestand, dass die Bundesrepublik nicht die „Kraft gefunden“ hatte, „unvoreingenommen ihre Interessen zu formulieren“.9 In der Regel wurde von „eigenen Interessen“ gesprochen.10 Gemeint war aber eine Politik, welche die Bundesrepublik aus „sichtbar souveränem nationalem Interesse“ verfolgen sollte, wie Bundeskanzler Kiesinger im Mai 1968 in Erwartung der Verhandlungen zur Erweiterung der EG formulierte.11 Im Herbst desselben Jahres sah Außenminister Brandt seine Aufgabe darin, „als ein selbständiger erwachsener Partner in der Welt“ aufzutreten. Die Bundesrepublik sei dabei, „ihre Rolle und ihre Interessen in der weltweiten Zusammenarbeit zu definieren“. Vor dem SPDParteivorstand fasste er seine Position in einem Satz zusammen: „Es gibt eine deutsche Politik, weil es deutsche Interessen gibt, auch außerhalb der Bündnispolitik und des traditionellen Ost-West-Gegensatzes.“12

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„Deutsche Politik“ – damit war westdeutsche Politik gemeint, die einem „nationalen Interesse“ folgte und der ein „bundesrepublikanisches Staatsbewusstsein“ zugrunde lag.13 Die Bundesrepublik war, wie die DDR auch, kein „Provisorium“ mehr, wie Brandt in seinem ersten Bericht zur Lage der Nation im gespaltenen Deutschland feststellte. Sie müsse sich nun „selbst anerkennen“.14 Die Anerkennung der Staatlichkeit der DDR seitens der Bundesregierung und die „Anerkennung der Bundesrepublik durch sich selbst“ gingen Hand in Hand.15 Künftig galt es, die „Interessen der Nation“ zu wahren und zugleich die „Interessen unserer Bundesrepublik“ zu verfolgen.16 Wie selbstverständlich wurde im Auswärtigen Amt von „unseren nationalen Interessen“ gesprochen. Sie bestünden darin, die Lage in und um Berlin und das innerdeutsche Verhältnis zu verbessern, die „Beziehungen zum Osten Europas“ zu normalisieren und die „Wahrung unseres Rückhalts im Westen“ sicherzustellen.17 An der Einheit der Nation als Idee festzuhalten, in der praktischen Politik aber von zwei deutschen Staaten zu sprechen, führte zu heftigen Kontroversen über den Sinn dieser Politik und über deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Wie unentschieden der emotionalisierte Richtungskampf lange blieb, zeigt etwa der Appell des Politikwissenschaftlers Waldemar Besson, der im April 1971 lediglich wiederholte, was Brandt im Januar 1970 schon gesagt hatte: „Bonn muss sich jetzt selbst anerkennen.“ Man müsse zwischen „notwendigen Zielen und fiktiven Formeln“ unterscheiden, bekräftigte Bessons Kollege Richard Löwenthal, der als Sozialdemokrat und Vertrauter Brandts parteiintern für argumentative Vergewisserung sorgte: „Die Anerkennung der Existenz zweier deutscher Staaten hat der Bundesrepublik erlaubt, nicht weniger, sondern mehr als vorher für die Verbindung mit den Deutschen in der DDR zu tun. Aber sie hat ihr gleichzeitig ermöglicht, sich von der Fiktion des ‚Staatsprovisoriums‘ zu befreien. Sie ist kein Provisorium mehr, sondern der Staat der freien Deutschen, und sie muss entschlossen ihren Platz im freien Europa einnehmen.“18

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Öffentlichkeitswirksam wurde daraus ein Plakat der SPD Ende 1972 für die vorgezogene Wahl zum Bundestag. „Deutsche“, hieß es dort in übergroßer Schrift und fett gedruckten Lettern. Nach dieser Anrede wurde ein Wir-Gefühl suggeriert: „Wir können stolz sein auf unser Land.“ Dann folgte die Aufforderung: „Wählt Willy Brandt“, der freundlich und zugewandt lächelnd daneben abgebildet wurde. „Unser Land“ – das war die Bundesrepublik, die im Innern reformbereit erschien und nach außen handlungsfähig auftrat. Die Wahl galt als Votum über das, was die westdeutsche Politik verändert hatte, die Deutschland- und Ostpolitik der sozial-liberalen Regierung. Die Mehrheit der Wähler fand Gefallen daran, dass die Bundesrepublik in eine neue Phase ihrer noch kurzen Geschichte eingetreten war. Schon im Herbst 1969 war davon einiges zu spüren gewesen. Aber erst die Ära Brandt sorgte für das Gefühl des Durchstartens, sowohl in der Europaals auch in der Ostpolitik. Vor allem prägte sie die politische Sprache und setzte Begriffe, die ein eigenes Bewusstsein für eine Grundstimmung des Wandels in Stil und Inhalt der Politik schufen. Der Durchbruch zu einer Ostpolitik, die nicht zu Unrecht als „neu“ empfunden wurde, verstärkte noch einmal den Willen der Bundesrepublik zur eigenständigen Selbstbehauptung als ebenbürtiges Mitglied in der Familie der westlichen Staaten. Ostpolitik wurde aber nicht nur als Mittel zur Wahrung nationaler Interessen dargestellt. Sie sollte auch als Beitrag zur Schaffung einer Ost und West gleichermaßen umfassenden europäischen Friedensordnung verstanden werden. Mit der Ostpolitik verband sich beides, der profilierte internationale Status der Bundesrepublik und ihre friedenspolitische Rolle im Ost-West-Konflikt. In den westlichen Hauptstädten wurde vor allem die neue Bonner Gangart registriert. Frieden wollten alle, aber nicht jeder war glücklich darüber, dass die sozial-liberale Bundesregierung eigenverantwortliche Initiativen ergriff. Ausdrücklich wollte sie sich mit den Westmächten nicht beraten, sondern sie vor vollendete Tatsachen stellen: Die Alliierten wurden „informiert (nicht konsultiert)“.19

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Steigendes internationales Gewicht der Bundesrepublik Von außen betrachtet, demonstrierte die Bundesregierung damit ihr Selbstverständnis als internationaler Akteur. Tatsächlich gehörte sie zum Kreis der Führungsmächte in Westeuropa und in der NATO. Sie verfügte nicht über Atomwaffen, gehörte aber der 1967 eingerichteten Nuklearen Planungsgruppe der NATO an. Im nordatlantischen Bündnis nahm die Bundesrepublik eine immer wichtigere Position ein. Sie war, wie Bahr 1973 zu Recht notierte, der „entscheidende europäische Faktor für Amerika“.20 Brandts Nachfolger als Bundeskanzler nannte sie Ende 1976 „zweite Weltmacht des Westens“. „Im Kern“ sei die NATO ein „amerikanisch-deutsches Bündnis“. Der machtvolle Aufstieg der Bundesrepublik in der internationalen Arena beruhte indes in erster Linie auf ihrer Wirtschafts- und Finanzkraft. Aber auch hier zögerte Schmidt nicht, von „Weltmacht“ zu sprechen und damit pointiert eine Entwicklung zu benennen, die seit den 1960er-Jahren zu beobachten war.21 Diese Entwicklung führte Ende 1968 zu einem ernsten Interessenkonflikt, als die Bundesregierung sich einer von den USA, Frankreich, Großbritannien und anderen gebildeten Einheitsfront widersetzte und die Forderung ablehnte, die D-Mark aufzuwerten und damit die Währungsprobleme anderer Staaten auszugleichen. Auf einer nach Bonn einberufenen Konferenz westlicher Industriestaaten verteidigten Wirtschaftsminister Schiller und Finanzminister Strauß unbeirrt und standfest die Interessen der deutschen Exportwirtschaft. Was auf den ersten Blick wie eine währungspolitische Entscheidung aussah, war bei genauerem Hinsehen ein durch und durch machtpolitischer Vorgang. In den Augen von Rolf Lahr im Auswärtigen Amt brachte er zum Ausdruck, „wie sich die Stellung der Bundesrepublik in der Welt verändert hat“. Der altgediente Staatssekretär näherte sich dem Ende seiner Karriere und blickte auf den internationalen Aufstieg der Bundesrepublik zurück, den er selbst mitgestaltet hatte. Zugleich wusste er um die unterschiedlichen Gefühle, die dadurch im Ausland geweckt wurden. Im Vergleich zu ihren Anfängen stehe „diese Bundes-

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republik geachtet, von den einen bewundert, von den anderen beneidet und von manchen gefürchtet, in einer gewandelten Welt“.22 In London oder Paris musste man sich erst noch langsam an das neue europäische Kräftefeld gewöhnen, in dem die Bundesrepublik einen zunehmend wichtigen Faktor darstellte. Mit einem beleidigten Unterton schilderte der französische Botschafter in Bonn seine Empfindungen und warf den Westdeutschen vor, keine Dankbarkeit für die westliche Hilfe beim Wiederaufbau zu zeigen. Ganz im Gegenteil: „Die Germanen drückten ihren Brustkorb wieder heraus.“23 Sein deutscher Kollege in Paris bestätigte diese Stimmungslage und berichtete von „Animosität und Empfindlichkeit gegenüber Nachrichten über Deutschlands Erstarkung“. Die Währungskonferenz wurde als Einschnitt wahrgenommen. Nun sei die Befürchtung „weit verbreitet, Deutschland könne diese wirtschaftliche Überlegenheit zu einer unabhängigen Außenpolitik benutzen, sogar gegenüber der Sowjetunion“. Frankreich stünde vor einer weiteren Herausforderung, sollte auf das Auftrumpfen der D-Mark noch eine außenpolitische Wende folgen.24 Welches Szenario auch immer man sich ausdenken mochte, in jedem Fall war die Bundesrepublik dabei, das französische Selbstverständnis als Führungsmacht zu erschüttern. Eine Lageanalyse des britischen Außenministeriums kam zu demselben Ergebnis. Die Briten folgten darin dem Bonner Botschafter, der seine Eindrücke von der westdeutschen Politik unter den Titel „In Richtung einer nationalen Außenpolitik“ stellte. Die Bundesrepublik werde am Grundprinzip der Westbindung festhalten. Doch habe die Währungskrise gezeigt, dass sie sich erfolgreich behaupten kann. Ein „neuer Trend“ lasse sich daran ablesen: Die „Zeit der Abbitte für den Krieg“ sei vorbei. Das gestiegene Selbstbewusstsein schlage sich im Verlangen nach größerer Handlungsfreiheit nieder und in einer steigenden Bereitschaft, direkt mit der Sowjetunion über die „Zukunft Deutschlands“ zu sprechen. Kurzum: Es gebe in der Bundesrepublik ein „neues Bewusstsein von nationalem Interesse und von Macht“.25 In der Tat entsprach Brandts

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Einschätzung seiner Handlungsmöglichkeiten ziemlich genau diesem Bild. Er wollte „auf der Hut“ sein und sich nicht „überschätzen in dem großen Ost-West-Zusammenhang“. Doch sollte sich die Bundesrepublik „als Partner der Sowjetunion“ auch nicht „unterschätzen“.26 Im Unterschied zu Frankreich oder Großbritannien, die als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und als Nuklearmächte über die Insignien von Großmächten verfügten, war die Bundesrepublik eine europäische Mittelmacht. Psychologisch dagegen war sie im Vorteil. Sie verfügte über den Schwung scheinbar ungebremsten Wirtschaftswachstums. Das Modell der sozialen Marktwirtschaft hob sich eindrucksvoll von den Relikten einer Klassengesellschaft in Großbritannien ab, wo zugleich eine Stimmung des wirtschaftlichen Niedergangs herrschte. Zudem dauerte der Abschied von der imperialen Vergangenheit an. Die britische Regierung sah sich 1968 gezwungen, den Rückzug von allen Positionen östlich von Suez zu verkünden. Im selben Jahr begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Nordirland. Die Bundesrepublik erlebte 1967/68 eine Welle von Demonstrationen. Aber sie erschienen harmlos im Vergleich zu den Mai-Unruhen 1968 in Frankreich, wo sich die Führung mühte, ein Gefühl von Grandeur aufrechtzuerhalten. Mit einem Wort: In der Bundesrepublik konnte man sich eine Erfolgsgeschichte erzählen, von der auch die Nachbarn beeindruckt waren. Der Regierungswechsel Ende 1969 verstärkte bei vielen Beobachtern diese Wahrnehmung. So ließ sich der amerikanische Botschafter Kenneth Rush von der Stimmung des Neubeginns anstecken, die von der sozial-liberalen Regierung ausging, und verglich sie mit der Zeit des New Deal in den USA.27 Das generelle Erscheinungsbild einer prosperierenden Bundesrepublik, die „erwachsen“ war und überall mit am Tisch sitzen wollte, muss in Rechnung gestellt werden, wenn man die westlichen Reaktionen auf die Ostpolitik verstehen will. Schon Anfang November 1969 hatte Bahr nach der Lektüre der internationalen Presse den Eindruck, das „Gewicht der Bundesrepublik Deutschland ist gestiegen“. In den „eu-

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ropäischen Hauptstädten in Ost und West“ werde „politisch in Bezug auf Bonn gedacht“. Völlig richtig lag Bahr mit der Einschätzung, die von der Bundesregierung beanspruchte „größere Bewegungsfreiheit gegenüber dem Osten“ sei „nicht überall gerne“ gesehen: „Die Deutschen an der kurzen Leine sind angenehm.“ Mit „Misstrauen gegen eine selbständigere Politik“ sei zu rechnen. Dagegen helfe vor allem eines: Das „Vertrauenskapital des Kanzlers“, von dem Bahr wie selbstverständlich ausging, müsse unbedingt erhalten bleiben. Dazu dienten „gelegentliche Worte der Bescheidenheit“. Sie werden „wie Balsam wirken“.28 Den letzten Satz hat Brandt, für den Bahrs Überlegungen bestimmt waren, dick angestrichen. Seinen ersten großen internationalen Auftritt als Bundeskanzler hatte Brandt dann am 1./2. Dezember 1969 in Den Haag bei der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG, auf der die Weichen für eine Erweiterung und Vertiefung der Gemeinschaft gestellt werden sollten. Bei dieser Gelegenheit würde Brandt in seinem neuen Amt mit dem französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou zusammentreffen, der im Juni 1969 als Nachfolger de Gaulles in den ÉlyséePalast eingezogen war. Wie er Pompidou schrieb, wollte er die Konferenz nutzen, um seine „Überlegungen zur östlichen Komponente der deutschen Europapolitik“ zu erläutern. Im Entwurf des Briefes, den Brandt änderte, hatte es noch „meine Überlegungen zur deutschen Ostpolitik“ geheißen. Die Ostpolitik sollte keinesfalls als deutscher Sonderweg missverstanden werden.29 Von Sonderweg wurde in Paris nicht gleich gesprochen, sehr wohl aber von Risiken für Westeuropa. Wie Nixons Sicherheitsberater Kissinger warf auch Pompidous außenpolitischer Berater Jean-Bernard Raimond die Frage nach den Folgen der Ostpolitik für die europäische Nachkriegsordnung auf. Die Anerkennung der DDR als Staat sei zu begrüßen und entspreche den Vorstellungen Frankreichs. Doch worin bestünden die längerfristigen Auswirkungen – für die deutsche Frage, wenn die DDR allmählich „friedlich“ absorbiert werde, oder für das

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europäische Kräftefeld, wenn die Bundesrepublik sich der Sowjetunion annähere? In Paris hätte man im Vorfeld gern Näheres über die Vorstellungen der Bundesregierung zu diesen Fragen erfahren. Doch Bonn ging voran, ohne die Verbündeten zu konsultieren, setzte zugleich aber auf deren uneingeschränktes Plazet. In alldem sah Raimond eine „Quelle von Schwierigkeiten“.30 Ähnlich reagierte der amerikanische Präsident. Werde die Bundesrepublik wirklich weiterhin „fest“ zur Atlantischen Allianz stehen, wollte Nixon im Januar 1970 von Harold Wilson wissen. Der britische Premierminister bejahte dies ohne Einschränkung. Er habe keinerlei Vorbehalte gegenüber Brandts „neuer Ostpolitik“.31 Nixon ließ sich von seinen Zweifeln nicht so schnell abbringen, schon gar nicht vom Vorsitzenden der Labour Party, die, wie die SPD, zum sozialistischen und damit zu einem ohnehin verdächtigen Lager gehörte. Als nach den britischen Unterhauswahlen im Juni 1970 eine konservative Regierung in 10 Downing Street einzog, blieb es bei der grundsätzlichen Zustimmung zu Brandts Politik. Von guten Beziehungen zur Bundesrepublik konnte Großbritannien an der Schwelle zur Mitgliedschaft in der EG nur profitieren. Aber hinter verschlossenen Türen wollte Premierminister Heath sein Bauchgefühl nicht unterdrücken: „Enge Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion waren in der Vergangenheit selten zu unserem Vorteil.“32 Beim Schreiben seiner Memoiren erinnerte sich Brandt an das „nur mühsam verborgene Misstrauen“ bei den Verbündeten. Dagegen versuchte die Bundesregierung schon deswegen anzugehen, weil sie auf die westliche Rückendeckung ihrer Politik nicht verzichten konnte. Während Bahr in Moskau seinen Gesprächs- und Verhandlungsmarathon absolvierte, düste Außenminister Scheel nach eigenem Bekunden „von einem Land zum anderen“, um die „Osteuropapolitik“ im Westen „abzusichern“. Scheel war bewusst, dass die „verbale Zustimmung“ nicht ausreichte, denn er kannte „die Meinungen, die dahinterstehen, sehr genau“. Zweifler mussten überzeugt oder zumindest ihre Fragen

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zufriedenstellend beantwortet werden.33 Eine erste Übung im Stillen von Informations- und Klärungsbedarf absolvierte Brandt am 30. Januar 1970, als er im Rahmen der halbjährlichen deutsch-französischen Regierungskonsultationen nach Paris reiste. Zufällig war es genau der Tag, an dem die deutsch-sowjetischen Verhandlungen in Moskau begannen. Pompidou verband seine Unterstützung für die Ostpolitik mit mehreren Hinweisen. Man solle nichts übereilen und Geduld haben. Die Sowjetunion werde eine zu rasche und zu weitgehende Annäherung der beiden deutschen Staaten nicht hinnehmen. Ein daraus möglicherweise drohender Rückschlag für die Entspannungspolitik müsse vermieden werden. Auch dürfe es nicht zu einer Beeinträchtigung der Rechte der für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs kommen. Der Vier-Mächte-Status von Berlin müsse unter allen Umständen aufrechterhalten werden. Um Fehler zu vermeiden und die Entspannungspolitik zum Erfolg zu führen, sei eine vorausgehende innerwestliche Abstimmung unerlässlich. Insbesondere wollte Pompidou nicht aus der Presse erfahren, dass die Bundesregierung die völkerrechtliche Anerkennung der DDR ausgesprochen habe. Der letzte Punkt offenbarte, wie nervös der französische Staatspräsident war, hatte doch Brandt diesen Schritt immer entschieden ausgeschlossen. Aber ganz offensichtlich fehlte es letztlich an Vertrauen in die Verlässlichkeit der Bundesregierung. Denn wenige Wochen später wiederholte Pompidou in Washington seine Befürchtungen.34 Im Gespräch mit Brandt brachte Pompidou seine Punkte nicht in Form von direkten Vorhaltungen oder gar Warnungen vor, sondern gab seiner Erwartung Ausdruck, dass man darin übereinstimme. Und weil dem tatsächlich so war, fiel es Brandt leicht, die Begegnung als Erfolg zu verbuchen. Er achte auf die „engste Zusammenarbeit und Abstimmung mit allen unseren Partnern im Westen“, beruhigte Brandt den ebenfalls verunsicherten italienischen Staatspräsidenten. „Diese Abstimmung mit Frankreich zu gewährleisten, war das wesentliche Ziel meiner kürzlichen Gespräche mit Präsident Pompidou. Es ist voll

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erreicht worden.“ „Deutsche Ostpolitik erklärt. Dankbar für volle Unterstützung“, hatte Brandt sich nach dem Treffen mit Pompidou notiert.35 Doch neben Zustimmung gab es auch offene Fragen und unangenehme Einsichten. Die Kommentare zum Verlauf der Gespräche zwischen Bahr und Gromyko enthielten beides. Frankreich könne sich „nur gratulieren“, hieß es am Quai d’Orsay. Die Analysten im französischen Außenministerium sahen mit der Respektierung der territorialen Nachkriegsordnung eine alte Forderung erfüllt. Zugleich schmerzte es, dass sich Frankreich mit der Position eines Zuschauers begnügen musste. Paris wurde auf dem Laufenden gehalten, aber es spielte im Verlauf der deutsch-sowjetischen Annäherung keine aktive Rolle. Die Zeiten waren vorbei, als Frankreich in der sowjetischen Europapolitik an erster Stelle gestanden hatte und von der Bundesregierung gebeten worden war, in Moskau ein gutes Wort für sie einzulegen. Frankreich war in eine zweitrangige Stellung abgerutscht, in eine „position d’infériorité“. Die Bundesrepublik und die Sowjetunion, die beiden anderen „großen Mächte des Kontinents“, hatten sich ohne Einbeziehung der dritten Macht, hatten sich ohne Frankreich auf ein Abkommen geeinigt, das den Charakter eines Friedensvertrags hatte, auch wenn es nicht so genannt wurde.36 Westliche Vorbehalte Für die französische Diplomatie war die Ostpolitik das „bedeutsamste Ereignis der europäischen Politik seit dem Krieg“. Doch es war nicht berechenbar, wohin die dadurch ausgelöste Dynamik führen würde. Eine Erosion der in den Nachkriegsjahren fixierten politischen und rechtlichen Strukturen war nicht auszuschließen.37 Das berührte auch den französischen Status als Siegermacht, wie Pompidou dem Bundeskanzler beim nächsten Treffen am Beispiel der Berlinfrage abermals vor Augen führte. Frankreich wolle auf keinen Fall die „Ostkontakte Deutschlands bremsen“, aber den „Russen“ sei „nicht recht über den Weg“ zu trauen. Langfristig wollten sie Berlin „ersticken“.

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Darin bestehe eine „mögliche Gefahr für Deutschland, Europa und den ganzen Westen“. Brandt konnte nur versichern, dass er die VierMächte-Verantwortung für unantastbar hielt. Im Übrigen setzte er mehr Vertrauen in die sowjetische Führung als sein Gesprächspartner und zeigte sich von der „Ernsthaftigkeit“ der sowjetischen Entspannungspolitik überzeugt.38 Die französische Einstellung war repräsentativ für die generell zweistufige Haltung der Westmächte. Neben der Erleichterung darüber, dass die Bundesregierung den territorialen Status quo nicht mehr in Frage stellte und damit ihren Beitrag zur Stabilität in Europa leistete, standen Besorgnisse über eine ungewisse Zukunft. Wie könnte man den durch die Ostpolitik angestoßenen Wandel in den Ost-West-Beziehungen unter Kontrolle halten? Wie könnten für den Westen nachteilige Auswirkungen verhindert werden? War es auszuschließen, dass multilaterale Kooperationen wie die NATO oder die EG, die unter dem Druck der Ost-West-Konfrontation im Kalten Krieg entstanden waren, an Bindekraft verloren, wenn die Entspannung zwischen Ost und West voranschritt? Anders ausgedrückt: Konnte es der Bundesrepublik gelingen, sowohl für Stabilität in den Ost-West-Beziehungen einzutreten als auch für Wandel? An der Frontlinie des Ost-West-Konflikts waren die Deutschen besonders gefordert und standen zugleich unter genauer Beobachtung. Auf östlicher Seite war die DDR fest in die sowjetische Deutschland- und Entspannungspolitik eingebunden. Zugleich verfolgte die Sowjetunion mit strengem Blick jede ihrer Bewegungen, nicht zuletzt auf dem Feld der deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen, die aus der DDR faktisch einen Teil der EG machten. Die Bundesregierung verfügte über einen größeren Spielraum, wie Pompidou nüchtern einräumte. Ostpolitisch handelte sie „selbständig“, „ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen“.39 Für Bonner Ohren schwang hier ein Unterton mit, der an die Sprache der Siegermächte erinnerte. Deren Mentalität hatte sich noch nicht an die mittlerweile gründlich veränderten Umstände angepasst.

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Zudem war es aus Bonner Sicht auch gar nicht angezeigt, um „Erlaubnis“ zu fragen. Als „erwachsenes“ Mitglied der westlichen Welt fühlte man sich als Herr seiner Entscheidungen. Darüber hinaus handelte die Bundesregierung in der Überzeugung, alle ostpolitischen Schritte vertrügen sich nahtlos mit den im Westen bestehenden Bindungen. Die Bundesregierung wusste auch, dass es sich nicht nur um freiwillige, sondern auch um auferlegte Bindungen handelte. Die Vier Mächte verfügten über eigene originäre Rechte gegenüber Deutschland als Ganzem, die aus der Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 und den folgenden interalliierten Absprachen resultierten. Die Bundesrepublik war – nicht anders als die DDR – ein Staat mit eingeschränkter Souveränität. In der offiziellen Politiker- und Diplomatensprache war von den unverändert bestehenden Rechten der Vier Mächte die Rede, deren strikte Beachtung die Bundesregierung wiederholt zusicherte. Die Stationierung alliierter Truppen auf dem Territorium der Bundesrepublik wurde aus gutem Grund nicht als Eingriff in Souveränitätsrechte verstanden, sondern als unverzichtbar für die Sicherheit des Landes wahrgenommen, ganz abgesehen von der Bedeutung des VierMächte-Status für die Sicherheit West-Berlins. Dabei wurde, wenn von den Risiken der Ostpolitik gesprochen wurde, keinesfalls unterstellt, die Regierung Brandt/Scheel wolle die Verankerung im westlichen Bündnis lockern. Die Kernfrage lautete vielmehr, ob guter Wille ausreiche, die Bundesrepublik und damit den Westen insgesamt vor einer bedrohlichen Entwicklung zu bewahren. Wer konnte garantieren, dass die Bundesrepublik der Sowjetunion keine größeren Zugeständnisse machen würde, wenn diese in der deutschen Frage Entgegenkommen zeigte? Würde die ungelöste deutsche Frage die Bundesrepublik nicht sogar erpressbar machen? Überschätzte die Bundesrepublik nicht ihre Kräfte und traute sich im machtpolitischen Ungleichgewicht zwischen der westdeutschen Mittelmacht und der sowjetischen Supermacht zu viel zu? Im Weißen Haus in Washington hatte Kissinger auf diese Fragen schon vor Be-

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ginn der deutsch-sowjetischen Verhandlungen eine Antwort parat. Für seinen Geschmack entwickelte die Bundesrepublik ein zu großes Maß an „Flexibilität“. Sie sei objektiv zu schwach, um international eine eigenständige Position einnehmen zu können. Versuche sie es dennoch, werde dies zu einem Stillstand bei der Integration der Bundesrepublik in Europa führen. Durchaus möglich seien kurzfristig wirkende Entlastungen im Verhältnis zum Osten. Man müsse sich aber auch fragen, wo die Deutschen in fünf Jahren stünden.40 Kissingers pessimistischer Ausblick zeigte, welches Bild er von Deutschland hatte. Zwar konnte er schon im Dezember 1969 registrieren, dass Brandt gemeinsam mit Pompidou und den anderen Regierungen der EWG-Gründungsstaaten einen „Aufbruch zum Europa der zweiten Generation“ unternahm, womit eine „zweite Großphase“ der westeuropäischen Integration und Erweiterung eingeleitet wurde, gewissermaßen eine europäische Entsprechung zur „zweiten formativen Phase“ in der Entwicklung der Bundesrepublik.41 Außerdem bescheinigte Kissinger der Bundesregierung im weiteren Verlauf wiederholt, dass ihre Ostpolitik nicht vom rechten Weg der Westbindung abweiche. Gleichwohl hielt er an seinen Vorbehalten fest. Die Entspannungspolitik sei vor Rückschlägen nicht gefeit. Man könne nicht ausschließen, dass die Sowjetunion rückfällig werde und Schwierigkeiten mache. Für einen solchen Fall brauche man Machtmittel, um die eigene Politik der neuen Situation anpassen zu können. Dazu aber sei die Bundesrepublik gar nicht in der Lage, sodass sie auf sowjetisches Wohlverhalten angewiesen sei. Brandt sei dem gefährlichen Punkt sehr nahe, an dem ihm Reaktionsmöglichkeiten fehlten, sollte die Sowjetunion nicht mehr mitspielen. Um sichergehen zu können, müssten die Beziehungen mit dem Osten dringend transatlantisch koordiniert werden.42

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Sturm im Pariser Wasserglas Nie versiegendes Misstrauen gegenüber der Sowjetunion verband sich mit Zweifeln an der Beständigkeit der deutschen Außenpolitik. Die festen Größen der Nachkriegszeit, die den Rahmen für politisches Handeln vorgegeben hatten, standen in einer Zeit weltpolitischen Wandels nicht wie gewohnt zur Verfügung. Die Entspannung im Ost-West-Verhältnis, so wichtig sie für die Überwindung des Kalten Kriegs war, enthielt ein Moment der Unsicherheit. Was steckte wirklich dahinter, wenn sich Breschnew und Brandt in der Abgeschiedenheit von Oreanda trafen? Das Gipfeltreffen zeigte beispielhaft, wie schnell Misstrauen und Unmut entstehen konnten. Schon die Informationspolitik der Bundesregierung rief viel Kritik hervor. Die Reise des Bundeskanzlers wurde ohne nähere Erläuterungen am 7. September1971 in einer Pressemitteilung bekanntgegeben. Doch kein Journalist wollte sich mit dem dürren Faktum eines Termins begnügen. Das bevorstehende Ereignis verlangte mehr als eine kurze Notiz. So wurde aus dem angekündigten „Gipfel“ eine zerklüftete Landschaft mit reißenden Fluten und Abgründen. Was würde von der internationalen Landschaft mit der Bundesrepublik als vertrauenswürdigem Partner übrig bleiben? Am Quai d’Orsay teilte man die Aufregung der Medien. „Wir stehen Kopf“, ließ sich ein hoher Beamter im Außenministerium vernehmen. „Wir verstehen die Deutschen nicht mehr“, meinte ein anderer.43 Erst am 10. September, also sechs Tage vor Brandts Abreise, wurden die deutschen Botschafter in den westlichen Hauptstädten angewiesen, nähere Informationen zu liefern. Brandt wolle die Einzelheiten des „ostpolitischen Programms“ der Bundesregierung, insbesondere ihren „Rechtsstandpunkt in der DDR-Frage“ besprechen und die Haltung der Sowjetunion dazu sowie zu den „schwebenden Ost-West-Initiativen wie KSE und MBFR“ ermitteln.44 Am 13. September hatte der deutsche Botschafter in Paris, Hans Hellmuth Ruete, Gelegenheit, den französischen Außenminister direkt zu informieren. Maurice Schumann hatte sich zuvor in Ungarn und Rumänien auf-

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gehalten und war dort auf die Pressemeldungen zu Brandts Reiseplänen angesprochen worden, ohne Genaueres zu wissen. Das habe ihn in eine „peinliche Lage“ gebracht. Er hätte es begrüßt, wenn er früher auf dem üblichen diplomatischen Weg und nicht erst über die Presse unterrichtet worden wäre. Jetzt komme es darauf an, „eng zusammenzuarbeiten, damit die Sowjets nicht Möglichkeiten erhielten, Frankreich gegen Deutschland und Deutschland gegen Frankreich auszuspielen“. Grundsätzlich aber und für den Augenblick sah Schumann keinen Grund zur Aufregung.45 Auch Pompidou war bestrebt, die Wogen zu glätten. Was er in den Zeitungen gelesen hatte, sei „absurd“, denn von einem Wettrennen nach Moskau könne keine Rede sein. Natürlich hätte Brandt vorab besser informieren können. Doch was hätte das geändert, fügte er mit leicht resignativem Unterton hinzu.46 Was bei ruhiger Betrachtung zählte, waren nicht Prestige und Symbolik, sondern die Einsicht, dass die Bundesrepublik mit ihrem Auftritt als politisch emanzipierte und wirtschaftlich überlegene Macht die „westliche Solidarität“ nicht verletzte. Als Trost kam noch hinzu, dass Frankreich ohnehin in einer anderen Liga spielte. Ja, die Bundesrepublik war zu einer „puissance majeure“ geworden. Aber im Unterschied zu Frankreich war sie keine „puissance mondiale“.47 In seinen Erinnerungen nannte Brandt diese Vorgänge einen „Sturm im Pariser Wasserglas“. Er hatte es als sein natürliches Recht angesehen, „selbständig“ Termine zu vereinbaren. Außenminister Scheel sekundierte mit dem Hinweis, auch andere Regierungen pflegten vor Auslandsterminen nicht in Konsultationen einzutreten.48 Und doch konnten beide sich nicht darauf ausruhen, keinen Alleingang hinter dem Rücken der Verbündeten unternommen und westliche Interessen nicht verletzt zu haben. Vielmehr taten sie gut daran, die „untergründigen Besorgnisse“ in Frankreich und anderswo ernst zu nehmen. Brandt übersah keineswegs, dass „in manchen Kreisen“ ein „Gespenst“ umging. Um sofort klarzustellen: „Es gibt kein Rapallo-Problem.“ Doch es blieb dabei. Die „Krim-Reise“ war

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auch Monate später noch ein „Stachel im Fleisch“ des französischen Verbündeten.49 Im Vergleich dazu fielen die Vorhaltungen in London und Washington zurückhaltender aus. Im britischen Außenministerium wurde zwar verwundert registriert, dass man zunächst nur über die Presse informiert wurde, wollte diesen „Lapsus“ aber nicht überbewerten. Als ob er von Brandt persönlich instruiert worden wäre, notierte ein Beamter zum deutsch-sowjetischen Verhältnis, es handle sich jetzt um „normale Beziehungen nach den langen Jahren des Kalten Kriegs“. Die britische Diplomatie ging sogar so weit, Brandt zur Vorbereitung seiner Begegnung mit Breschnew über ein Gespräch zu informieren, das Harold Wilson soeben mit Kossygin geführt hatte.50 Zugleich hielt Premierminister Heath allerdings den Zeitpunkt für gekommen, Brandt an die „Fallstricke“ zu erinnern, die „am Weg“ lagen. Die Sowjetunion wolle die westliche Solidarität auf die Probe stellen. Heath zeigte sich zuversichtlich, dass die NATO die „Herausforderung der Entspannung“ ebenso meistern werde, wie sie den „Test des Kalten Kriegs“ gut bestanden habe. Aber in einer Atmosphäre der Entspannung müsse man nicht weniger, sondern sogar noch mehr auf der Hut sein. Konsultationen untereinander seien das Gebot der Stunde, schrieb er mahnend an Brandt – eine Aufforderung, die Brandt seinerseits für wichtig hielt: „Ich halte eine genaue Abstimmung der politischen Anstrengungen für erforderlich, die einzelne Länder des Bündnisses für den Abbau der Konfrontation und für eine ausgewogene Stabilität unternehmen.“ Um Klarheit zu erhalten, forderte Heath eine Analyse an, die häufig gestellte Fragen beantworten sollte. Worin bestanden die Risiken der Ostpolitik? Könnte die Bundesrepublik in den sowjetischen Machtbereich hineingezogen und dem Westen entfremdet werden? Die Antwort der Experten fiel eindeutig aus, beschränkte sich aber auf die Gegenwart. Die Ostpolitik befinde sich, soweit man sie überblicken könne, im Einklang mit dem westlichen Bündnis. Die Frage, ob dies so bleiben würde, war damit nicht beantwortet.51

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Die Last der Vergangenheit Interessant waren die Reaktionen aus Washington. Im State Department wollte man kein Drama aus der ungewöhnlichen Art der Information machen, hätte aber ebenfalls eine frühere Unterrichtung begrüßt. Allerdings wusste der Leiter der Europaabteilung Hillenbrand nicht, dass Kissinger im Weißen Haus von Bahr schon am 2. September über den von beiden unterhaltenen Kommunikationskanal benachrichtigt worden war und sich für die „hilfreiche Information“ auch gleich bedankt hatte.52 Die Vorzugsbehandlung der USA führte indes keineswegs zu einer positiven Sicht auf Oreanda. Kissinger ging in seiner Skepsis noch weiter als Heath. Brandt sei der Sowjetunion zu weit entgegengekommen. Er gebe sich fast „euphorisch“ und zeichne das Bild von einer „wachsenden Freundschaft“ zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion. In Kissingers Verständnis konnte dies nur auf einen wachsenden sowjetischen Einfluss auf die deutsche Politik hinauslaufen.53 Es passte absolut nicht in sein Weltbild, dass die Bundesrepublik aus eigener Initiative mit dem weltpolitischen Gegenspieler der USA verhandelte. Wenn Frankreich dies tat, weil es zu enge Absprachen der Supermächte fürchtete, war das störend genug. Aber wenn die Bundesregierung für sich in Anspruch nahm, mit den Ostverträgen ein „bedeutendes Stück außenpolitischer Handlungsfreiheit“ zurückgewonnen zu haben und Außenminister Scheel damit die Erwartung verknüpfte, ein „größeres Gewicht in allgemeinen weltpolitischen Fragen“ zu erlangen,54 so glaubte Kissinger die bösen Geister der Großmachtpolitik des Deutschen Kaiserreichs beschwören zu müssen. Seit dessen Gründung 1871 seien alle Generationen mit einem „deutschen Problem“ konfrontiert gewesen; zu schön, wenn die jetzige Generation davon verschont geblieben wäre.55 Den Deutschen könne man nicht wirklich trauen. Ihre Politik habe, historisch bedingt, einen nationalistischen Grundzug. Unter die deutsche Geschichte seit Bismarck sei kein Schlussstrich zu ziehen, der sie als abgeschlossene Vergangenheit erscheinen lassen könnte.56

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Die Zuschreibung dieses nationalen Stereotyps erfolgte, als die sozial-liberale Bundesregierung mit ihrer Ostpolitik für Aufsehen sorgte. Auf die von CDU/CSU geführten Vorgängerregierungen war es nicht angewendet worden. Doch nun, da die Bundesrepublik als Motor für „Veränderungen in Mitteleuropa“ auftrete, könne man die Erinnerung an die verheerende Rolle Deutschlands in der Weltpolitik nicht ausblenden. In dieser pessimistischen Sicht erschien die Ostpolitik nicht als Beitrag zur Entschärfung des Ost-West-Konflikts, sondern als Ausgangspunkt für eine „neue Entwicklung und Unsicherheit in der europäischen Politik und den Ost-West-Beziehungen“. Nur selten wurde diese Ansicht so offen geäußert wie in einem Privatgespräch Helmut Sonnenfeldts mit dem Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Berndt von Staden.57 Sonnenfeldt war ebenso wie Kissinger gebürtiger Deutscher. Beide blickten auf eine Kindheit in deutschen jüdischen Elternhäusern zurück. Beider Eltern wurden nach 1933 Opfer der NS-Rassenpolitik und mussten in den USA ein neues Leben beginnen. Als Kissinger 1969 Sicherheitsberater von Präsident Nixon wurde, holte er Sonnenfeldt als Mitarbeiter in den Nationalen Sicherheitsrat. Die beiden Deutschen mit amerikanischem Pass trugen wesentlich zur skeptischen Haltung des Präsidenten gegenüber der Ostpolitik bei. In Nixons Augen bewies sie, dass eine von Anfang an wichtige Funktion der NATO unverändert Geltung besaß. Die Nordatlantische Allianz diente der Abschreckung der Sowjetunion, aber eben auch der Einbindung und Kontrolle der Bundesrepublik. Die sowjetische Bedrohung hatte im Vergleich zu 1949 nachgelassen, aber das „Problem Deutschland“ war nach wie vor aktuell. Als Nixon diese Überlegungen bei verschiedenen Gelegenheiten dem französischen Staatspräsidenten vortrug, fand er offene Ohren. Auch Pompidou sah es als geboten an, die Dynamik der Ostpolitik einzudämmen, sei es durch die politische, militärische und wirtschaftliche Einbindung der Bundesrepublik, sei es durch eine Kanalisierung der Ostpolitik im Zuge der KSZE und einer von der EG koordinierten Entspannungspolitik.58

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Darüber hinaus empfand Pompidou, ungeachtet aller Bekundungen deutsch-französischer Partnerschaft, ein tiefsitzendes Unbehagen, wenn er an Deutschland dachte. In diesem Gefühl traf er sich mit sowjetischen und polnischen Gesprächspartnern. Gemeinsam müsse man sich künftig um den „Komplex Deutschland“ kümmern. Von deutschem Denken gehe eine „ständige Bedrohung“ aus. Die Preußen seien ein „grauenerregendes“ Volk.59 Auch in anderen Ländern lebte die Furcht vor Deutschland fort, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konkrete Gestalt angenommen hatte. Ohne die Transformation der Bundesrepublik zu einem demokratisch verfassten Partner der westlichen Welt in Frage zu stellen, blieb es doch eine Gewohnheit, alles Deutsche wegen seiner Geschichte mit Gewalt und Krieg in Verbindung zu bringen. In der sowjetischen Propaganda war es bis weit in die 1960er-Jahre hinein ein Ritual, vor dem westdeutschen „Revanchismus“ zu warnen. Deutsche Entspannungspolitik musste daher um den „Abbau von Furcht vor Deutschland“ bemüht sein. Als Helmut Schmidt 1966 während des Dortmunder Parteitags der SPD dazu aufrief, wies er scharfsinnig darauf hin, dass es sich um eine Aufgabe sowohl der Ost- als auch der Westpolitik handele. Nach Osten musste glaubwürdig dem Bild von Westdeutschland als einer Gesellschaft, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wolle, entgegengetreten werden. Nach Westen galt es, die nachhaltige Verwestlichung der Bundesrepublik unter Beweis zu stellen und das immer noch herumgeisternde Rapallo-Gespenst unter Verschluss zu halten. Es genügte nicht zu sagen, eine Revision der Nachkriegsgrenzen oder ein Ausscheren aus der Westbindung sei kein Thema der operativen Politik. Vielmehr mussten die in Ost und West vorhandenen Ängste vor solchen Möglichkeiten als real angesehen werden, auch wenn sie aus deutscher Sicht keinen Bezug zur Realität hatten. Erwartet wurde ein Höchstmaß an Empathie für die Wahrnehmung Deutschlands als einer Nation, von der beides ausgegangen war, der rassenideologische Vernichtungskrieg im Osten und der Hitler-Stalin-Pakt als Auftakt zum Zweiten Weltkrieg.

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Angesichts der Machtverhältnisse nach dem Krieg fiel aus deutscher Sicht die Vorstellung extrem schwer, dass etwa in der Sowjetunion eine Furcht vor Deutschland bestehe. Doch genau das war gefordert: Verständnis für das „sowjetische Misstrauen gegenüber Deutschland“. Die Bereitschaft dazu erklärte Schmidt wenige Wochen nach seiner Dortmunder Rede an dem dafür passendsten Ort, nämlich in Moskau selbst. Um allerdings hinzuzufügen, man müsse sich auch von der Vergangenheit lösen können.60 Wenige Monate später war die SPD Regierungspartei und ihr Vorsitzender Außenminister. Brandt wehrte sich gegen das „grundsätzliche Misstrauen“, das seiner Politik begegnete, und beklagte eine „Unterbilanz des Vertrauens gegenüber unserem Land“. Er räumte aber ein, es gebe ein „deutsches Trauma der Sowjets“, das als „realer Faktor in unsere außenpolitischen Erwägungen einbezogen werden muss“.61 Die Ostpolitik sollte für eine neue Realität sorgen, die Realität der Vertrauensbildung. Die „vermeintliche deutsche Gefahr“ sollte „aus den Ost-West-Beziehungen verschwinden“.62 Tatsächlich löste sich das östliche Feindbild Bundesrepublik recht schnell auf. Sie blieb eine der wirtschaftlich und militärisch führenden Mächte des „imperialistischen“ Lagers, eignete sich aber nicht mehr für eine dämonisierende Darstellung. Die „anti-deutsche Karte“ stach nicht mehr, wie Brandt schon im Juli 1970 befriedigt feststellen konnte.63 Letztlich konnte er darauf bauen, dass seine Regierung einer von CDU/CSU gebildeten Regierung vorgezogen wurde. In den Entscheidungsjahren 1971/72, als die sozial-liberale Regierung im Kampf um die Ostverträge den Verlust ihrer parlamentarischen Mehrheit befürchten musste, war den Warschauer-Pakt-Staaten daran gelegen, dieser Regierung zu „helfen“.64 Nachdem der Bundestag die Verträge mit der Sowjetunion und mit Polen ratifiziert und die KSZE ihre Arbeit aufgenommen hatte und kurz vor seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik im Mai 1973 betonte Breschnew, er habe volles Vertrauen in den Bundeskanzler. Brandt sei „eine große Figur in der Welt und habe sehr viel getan, um

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die Lage grundsätzlich zu verbessern“. Seine Eindrücke von der Bundesrepublik fasste er bündig zusammen: „Das Deutschland des Zweiten Weltkriegs existiert nicht mehr.“65 Die Bundesrepublik hatte definitiv aufgehört, die – wie es in der Sowjetunion hieß – Ergebnisse des Kriegs in Frage zu stellen. Zwar war die Erinnerung an den Krieg keineswegs verblasst und beschäftigte die Gesprächspartner bei ostwestlichen Begegnungen immer wieder, doch beide Seiten wollten langsam aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs heraustreten. Sie wollten sich erinnern und der Opfer gedenken, aber zugleich an der Realisierbarkeit einer europäischen Friedensordnung festhalten.66 So konnte der 30. Jahrestag des Kriegsendes im Mai 1975 im Vertrauen auf einen baldigen Abschluss der KSZE ohne pompöse Paraden der Alliierten begangen werden. In Genf richtete der sowjetische Vertreter in der für Fragen des internationalen Verhaltenskodex zuständigen KSZE-Kommission den Blick in die Zukunft und nannte Frieden als „Hauptziel der Völker“.67 Ostpolitik als Versöhnungspolitik Inzwischen waren gut fünf Jahre vergangen, seit am 8. März 1970 erstmals eine Bundesregierung die Kapitulation 1945 thematisiert hatte. Brandt kam es in seiner Bundestagsrede darauf an, den Zusammenhang zwischen 1933 und 1945 zu betonen. Die kriegerische Gewalt sei von Deutschland ausgegangen und habe sich schließlich gegen Deutschland selbst gerichtet. Die Gebietsverluste im Osten nannte er „Tatsachen“, die man „nicht einfach rückgängig machen“ könne. Von ihnen müsse man „ausgehen“, wenn die „im Interesse des Friedens“ notwendige „Verständigung mit den Völkern im Osten“ erreicht werden solle.68 Brandt erinnerte an die historische Rolle Deutschlands bei der Zerstörung Europas und leitete daraus eine besondere Verantwortung für den politischen Wiederaufbau des Kontinents und die Überwindung der Spaltung in Ost und West ab. Im Unterschied zu den Westmächten, die im Krieg Verbündete der Sowjetunion gewesen

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waren, musste eine von Deutschland ausgehende Entspannungspolitik auf Versöhnung mit den Ländern hoffen, in denen deutsche Truppen und Einsatzkräfte eine Spur der Verwüstung und des Todes hinterlassen hatten. Ostpolitik war keineswegs nur eine „nette Idee“, die sogar einen Nobelpreis einbrachte, wie Präsident Nixon sarkastisch meinte.69 Denn die Ostpolitik bewegte sich unter der Last einer Vergangenheit, die dem Kalten Krieg zeitlich vorgelagert war. Bevor über Gewaltverzicht und Rüstungsbegrenzung gesprochen werden konnte, musste sie Versöhnungspolitik sein. In dieser Qualität erkannte sie die „Moral als politische Kraft“ an70 und berücksichtigte die „Rolle von Trauma und Emotion auch in der internationalen Politik“.71 Das augenfälligste Zeichen dafür war die außergewöhnliche Geste Brandts, als er bei einer Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Warschauer-Ghetto-Aufstands nicht nur den Kopf neigte, sondern für etwa eine halbe Minute niederkniete. An dieser Stelle hatte sich seit Ende 1940 der „jüdische Wohnbezirk“ befunden, der von der Außenwelt weitgehend abgeriegelt war und in dem bis zu 500 000 polnische Juden unter menschenunwürdigen Bedingungen interniert waren. Mitte 1942 setzten die Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka ein. Im April 1943 wagte eine Gruppe jüdischer Widerstandskämpfer in aussichtsloser Lage einen Aufstand. Nach seiner Niederschlagung wurden die Reste des Ghettos zerstört. Brandt war in die polnische Hauptstadt gekommen, um am 7. Dezember 1970 zusammen mit Außenminister Scheel den Warschauer Vertrag zu unterzeichnen. Auf dem Flug dorthin, so schrieb er später, habe er die Last der Erinnerung an die „Vernichtung der polnischen Judenheit“ und den „Todeskampf des Warschauer Ghettos“ verspürt. In Warschau leitete ihn das Gefühl, die „Besonderheit des Gedenkens am Ghetto-Monument zum Ausdruck bringen zu müssen“.72 In der Bundesrepublik stieß die jeden Rahmen sprengende Körpersprache Brandts, die alle überraschte und mehr als jede verbale Beteuerung Emotionen freisetzte, nicht überall auf Zustimmung. Nur 41

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Prozent der Westdeutschen fanden den Kniefall angemessen, 48 Prozent dagegen hielten ihn für übertrieben. Man knie nur vor Gott, hieß es in der Bild-Zeitung, was Brandt empörte: „Woher wissen diese Schweine, vor wem ich gekniet habe?“73 Mehr noch dürfte Brandts Erklärung irritiert haben. Er habe „im Namen unseres Volkes Abbitte leisten wollen für ein millionenfaches Verbrechen“.74 In ein derartiges kollektives Schuldeingeständnis wollten sich viele nicht einbeziehen lassen und lehnten das „öffentliche Reuebekenntnis“ ab.75 Nicht in „meinem“ Namen, lautete deren Antwort. Brandt selbst, der die Auslöschung des Ghettos 1943 vom Stockholmer Exil aus verfolgt hatte, hielt die Worte eines Journalisten für treffend, der in Warschau dabei war. Brandt kniete „nicht um seinetwillen“, sondern „für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können“. Brandt habe sich zu einer „Schuld“ bekannt, „die er selber nicht zu tragen hat“. Er kniete „für Deutschland“.76 Das Bild vom knienden Bundeskanzler, heute eine Ikone aus der Zeit der noch vergleichsweise jungen Bundesrepublik, ging damals um die Welt. Nur in Polen wurde es nicht gezeigt. Dort bevorzugte das Regime die vorangegangene Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten. Brandts Gedenken für die Juden passte nicht zum polnischen Antisemitismus. Die reiche jüdische Tradition in Polen kam in der kommunistischen Geschichtspolitik ebenso wenig vor wie die Shoah. Noch 1968 sahen sich 30 000 polnische Juden zur Emigration gezwungen. Sollte Brandt den Kniefall als Bitte um Versöhnung verstanden haben, so fand er im offiziellen Polen keinen Widerhall. Erst nach 1989 kam es zu einer breiten Resonanz, und im Jahr 2000 wurde unweit des Ghetto-Mahnmals eine Gedenktafel mit einem Relief aufgestellt, das Brandts epochenmachende Geste festhält.

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Frieden gestalten Der Kniefall sprach den Zivilisationsbruch an, der von Deutschland ausgegangen war. Der Besuch in Warschau 1970 galt einer Stadt, die nach dem Aufstand polnischer Einheiten 1944 von der deutschen Besatzungsmacht dem Erdboden gleichgemacht worden war. Jetzt war nicht nur das Ghetto zerstört, sondern die gesamte Stadt. Brandt setzte dem eine Kultur des Friedens entgegen. Zurück in Bonn sprach er von den ersten Schritten, die man im ersten Jahr sozial-liberaler Ostpolitik in Richtung einer „gesicherten Entspannung“ habe gehen können. Worum es nun nach Krieg und Nachkriegszeit im Kalten Krieg ging, umschrieb er mit dem Zentralbegriff des Friedens. Eine europäische Friedensordnung würde an die Stelle der nach dem Krieg entstandenen und einander ausschließenden Pax Americana und Pax Sovietica treten und die Spaltung Europas überwinden. Ein „europäischer Friedensbund“ würde die Wunden der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhundert heilen. Die Ostpolitik musste mehr sein als ein gut gemachter Abbau aktueller Spannungen. Ihren eigentlichen Sinn erhielt sie durch die Verpflichtung auf Frieden als einer moralisch aufgeladenen Kategorie. In diesem Sinn verstand Brandt den Wahlsieg Ende 1972 als Ermutigung zum Frieden. Er eröffne sogar „mehr Möglichkeiten, ihn zu gestalten“.77 Frieden stiften – darin bestand die säkulare Aufgabe der deutschen Politik, die Brandt weit ausgreifend beschrieb, als er im Dezember 1971 in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennahm und die Bundesrepublik als „Friedensmacht“ bezeichnete. Mit der Auszeichnung würdigte das Nobelpreiskomitee Brandts Rolle bei der westeuropäischen Integration, vor allem aber seine Versöhnungspolitik gegenüber den Ländern des europäischen Ostens. In seiner Dankesrede ließ der Geehrte nichts aus, was zu einer umfassenden Definition von Frieden gehörte. An dem Text mitgewirkt hatten vertraute Ratgeber wie die Historiker Eberhard Jäckel und Golo Mann, der Publizist Günter Gaus oder der Schriftsteller Günter Grass. Staatssekretär Frank im Auswärtigen Amt

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sprach von einem „Meisterwerk“. Brandt rekapitulierte nicht nur, wie er und Außenminister Scheel, den er ausdrücklich einbezog, sich um die „Organisation des Friedens“ bemüht hatten. Vielmehr legte er die Latte sehr hoch, wenn er auf die Bedingungen für die Ermöglichung von Frieden zu sprechen kam. Er forderte ein Umdenken und einen grundlegenden „Methodenwechsel“, einen „Übergang von der klassischen Machtpolitik zur sachlichen Friedenspolitik“ und damit ein erweitertes Verständnis von Frieden. Frieden hänge auch von politischen und gesellschaftlichen Faktoren wie „Gedankenfreiheit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ ab. Frieden sei mehr als die „Abwesenheit von Krieg“. Frieden sei eine Aufgabe: „Wir müssen ihn machen.“78 Frieden zählte zu den Leitbegriffen, welche die politische Kultur der Bundesrepublik seit ihrer Gründung prägten. Einer ihrer einflussreichen Stichwortgeber war der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger. In seiner Heidelberger Antrittsvorlesung bezeichnete er Ende 1960 Frieden als die „politische Kategorie schlechthin“: „Der Friede ist der Grund und das Merkmal und die Norm des Politischen, dies alles zugleich.“ Sternberger wollte „das Politische“ in Bezug auf die Herstellung, Bewahrung und Verteidigung des Friedens verstanden wissen.79 Ein Jahrzehnt nach Sternbergers normativer Aussage mehrten sich in Politik und Wissenschaft die Stimmen, die sich der Empirie zuwenden wollten. Man wisse noch zu wenig über den „Ursprung des Unfriedens“, sagte Brandt in Oslo. Hier lägen „große Aufgaben für die Friedens- und Konfliktforschung“. Der damals weit verbreitete Glaube an Planung und Machbarkeit hatte auch die Diskussion um den Frieden erfasst. Der im März 1969 gewählte Bundespräsident Gustav Heinemann landete einen rhetorischen Coup, indem er den Frieden zum „Ernstfall“ erklärte. Schon Ende des Jahres kündigte Brandt in seiner Regierungserklärung an, die Friedensforschung unter Beratung von Carl Friedrich von Weizsäcker koordinieren zu wollen. Tatsächlich wurden Mittel für eine institutionelle Friedensforschung bereitgestellt.80 Ähnlich wie Reform, Demokratie, Sicherheit oder Entspannung ge-

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hörte Frieden zu den Schlüsselbegriffen, die Brandt für seine Regierung in Anspruch nahm. Zugleich war damit eine nie endende Kontroverse eröffnet, ein Streit um den Frieden. Wer behauptete, über den richtigen Frage- und Politikansatz zu verfügen, sah sich schnell dem Vorwurf der Anmaßung ausgesetzt. Die parlamentarische Opposition wehrte sich vehement gegen den Vorwurf, weniger engagiert für die Sache des Friedens einzutreten als die Regierung. Aber auch innerhalb des Regierungslagers gab es unterschiedliche Stimmen. Einen Tag nach Brandts Regierungserklärung hielt Verteidigungsminister Schmidt mit seiner Skepsis gegenüber der neuen Disziplin der Friedensforschung nicht hinter dem Berg. Sein eben erschienenes Buch zur Strategie des Gleichgewichts hielt er für einen adäquaten und passenderen Beitrag.81 Auch für Schmidt stellte Frieden eine „moralische Notwendigkeit“ dar. „Leidenschaft zum Frieden“ sei die Lehre, welche die „heutigen Deutschen“ aus dem Krieg gezogen hätten. Aus Kriegstreibern waren sie zu „wahren Friedenstreibern“ geworden, wie nicht ohne ironisch-kritischen Spott einmal angemerkt wurde.82 Doch welche Methode der Friedenssicherung die erfolgversprechendste sei, darüber herrschte keine Einmütigkeit. Unter dem gemeinsamen Dach der Entspannungspolitik, die allgemein als nötig und nützlich angesehen wurde, existierten zwei Denkschulen, die, politikwissenschaftlich gesprochen, als „realistische“ beziehungsweise „liberale“ Schule firmierten. Vereinfacht formuliert haben die Realisten ein Verständnis von internationaler Politik, bei dem Staaten und deren Machtpotenziale im Zentrum stehen. Dieser auf die Staatenwelt fokussierten Sicht steht ein Ansatz gegenüber, der die Gesellschaftswelt ins Spiel bringt, wo nicht nur die „harte“ militärische Macht staatlichen Handelns eine Rolle spielt. Darüber hinaus werden „sanfte“ Formen von Macht wie Wirtschaftskraft oder grenzüberschreitende Ideen einbezogen und damit zusätzliche Machtmaßstäbe zugrunde gelegt. Die Realisten betrachteten den Ost-WestKonflikt als Machtkonflikt, bei dem es darauf ankam, stets über eine

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ausreichende Gegenmacht zu verfügen. Die Liberalen wussten ebenfalls um das Machtproblem, gingen aber von einem erweiterten Machtbegriff aus. Bahr beispielsweise nahm an, es sei nicht nur „harte“ Macht, mit der auf die Sowjetunion eingewirkt werden könne. Ihre Politik werde nicht nur von „festen, unverrückbaren und unbeeinflussbaren Faktoren“ bestimmt. Die Überzeugung, man verfüge gegenüber der Supermacht Sowjetunion über eigene Gestaltungskraft, beruhte auf der Annahme, das sowjetische Imperium stelle eine komplexe Mischung aus Macht und Machtverfall dar und gleiche damit nicht mehr dem festgefügten Bild einer expansionistischen Weltmacht, die dauerhaft wachsenden Druck auf die westliche Welt ausüben wolle.83 Die Kernfrage lautete für die Vertreter beider Richtungen, wie das Problem der Sicherheit zu lösen und ein Zustand des Friedens zu erreichen sei. Weder Willy Brandt noch Helmut Schmidt lassen sich auf die Reinform einer der beiden Denkschulen reduzieren. Aber sie setzten klare Prioritäten und Akzente. Schmidt wurde nicht müde, das „Gleichgewicht der Kräfte“ als Grundvoraussetzung für Sicherheit und Frieden einzufordern, weil nur so ein „ausreichendes Gegengewicht“ im Verhältnis zum Warschauer Pakt zu gewährleisten sei. Entspannungspolitik verstand er als „Fortsetzung der Gleichgewichtspolitik mit anderen Mitteln“. Andere Mittel – dazu zählten Rüstungskontrolle und Gewaltverzichtsabkommen. Alles aber unter der Voraussetzung, dass ein Gleichgewicht – vorzugsweise auf niedrigem Niveau – erhalten blieb. Nach Abschluss des Moskauer Vertrags ließ Schmidt in seinem Ministerium eine sicherheitspolitische Analyse anfertigen, die zu einem eindeutigen Ergebnis kam und bestätigte, was Schmidt schon gegenüber Brandt zu bedenken gegeben hatte. In einem längeren handschriftlichen Brief, den er einen Tag nach Unterzeichnung des Moskauer Vertrags in seinem Sommerrefugium am Brahmsee in Schleswig-Holstein schrieb, warnte er vor jeglicher Euphorie. So sehr „vis-à-vis Osten eine neue Ära begonnen“ habe, sei doch nichts schädlicher, als ein unangemessenes Gefühl erhöhter Sicherheit aufkommen

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zu lassen. „Unsere Sicherheit,“ so fasste Schmidt seine Auffassung zusammen, „beruht auf dem Gleichgewicht; Verträge mit unseren östlichen Nachbarn können die Sicherheit erhöhen, nicht aber das Gleichgewicht überflüssig machen.“84 Die Fokussierung auf ein Gleichgewicht, das immer wieder neu austariert werden musste und daher keineswegs so stabil war, wie das Bild von den gleich schweren Waagschalen suggeriert, erschien Brandt wenig geeignet, um die Entwicklungsmöglichkeiten im Ost-West-Konflikt auszuloten und vorauszudenken. Während Schmidt der Formel vom Wandel durch Annäherung mit großer Skepsis begegnete, dachte Brandt über den Status quo eines Gleichgewichts hinaus. Ihm ging es auch um das Konfliktmanagement, außerdem glaubte er an die Zivilisierung des Konflikts durch wirtschaftliche, wissenschaftlich-technologische und kulturelle Kontakte und Kooperationen. Ähnlich wie de Gaulle dachte auch Brandt in Etappen. Im dritten Jahr seiner Kanzlerschaft beschrieb er die Entspannungspolitik als „erste Etappe der notwendigen Normalisierung zwischen West und Ost“. In dieser Anfangsphase handele es sich zwar nur „um die ersten Ansätze einer Friedensordnung unter den Staaten“, aber dadurch seien „auf lange Sicht“ Voraussetzungen geschaffen, um „den Status quo zum Besseren zu wenden. Europa wird sich verändern.“85 Der Blick in die Zukunft war auch Schmidt nicht gänzlich fremd. „Auf lange Sicht“ laufe „manches aufeinander zu“, was Ost und West noch trenne. Im Zuge der Entspannungspolitik hätten die traditionellen Kategorien von Ost und West an Bedeutung verloren. Vorstellbar sei „eines Tages“ eine „neue europäische Friedensordnung“.86 Aber dies waren eher seltene Nebentöne. In seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler nannte Schmidt dann auch „Realismus und Nüchternheit“ als Kennzeichen seiner Politik. Der neue Außenminister Genscher fühlte sich gar dazu berufen, über den Begriff der Entspannung nachzudenken, und kündigte eine „realistische Entspannungspolitik“ an. Bei dieser Etikettierung schwang unausgesprochen eine Abgren-

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zung von Brandts vermeintlich weniger realistischer Politik mit. Der empfand die Ausführungen jedenfalls als „gegen ihn“ gerichtet, konnte aber damit zufrieden sein, dass Schmidt den ostpolitischen Kurs, den er ja mitgestaltet hatte, nicht in Frage stellte und dass Genscher das Instrument der Kommunikation nun auch für sich entdeckt hatte. 87 Von diesen Nuancen abgesehen, gab es zwischen Brandt und Schmidt seit jeher mehr Berührungspunkte als Trennendes. In der operativen Politik war für beide die Ausrichtung auf die Praxis der Friedenswahrung ausschlaggebend, die Frieden als den Zustand begriff, der dem nationalen Interesse entsprach und ihm dienlich war. Der Bundesrepublik als Staat mittlerer Größenordnung versprach er einen größeren internationalen Spielraum. In der nationalen Frage war jeglicher Fortschritt von der Ost-West-Entspannung abhängig. Als Handelsstaat war die Bundesrepublik ebenfalls auf günstige internationale Rahmenbedingungen angewiesen. Die Ostpolitik sollte dazu beitragen, wie Außenminister Scheel während der Debatte über die Ratifizierung der Verträge von Moskau und Warschau verdeutlicht hatte: „Das Friedensinteresse einer so arbeitsteiligen und hochindustrialisierten Gesellschaft wie der unsrigen muss noch größer sein als dasjenige anderer Staaten.“88 Frieden galt als Bedingung für ungestörten Handel. Eine Ausweitung von Wirtschaftsbeziehungen wiederum erschien geeignet, die Grundlagen für Entspannung und Frieden zu verbreitern. Ökonomische Interdependenz sorge für „höhere Sicherheit nicht nur auf ökonomischem Gebiet“, meinte Brandt, und Schmidt erwartete von einer stärkeren wirtschaftlichen Verflechtung, dass sie die sowjetische Führung „von bösen Gedanken“ abhalten könne.89 Frieden mit der Sowjetunion Alles lief auf die Frage hinaus, wie die Sowjetunion auf das westdeutsche Friedensverlangen reagieren würde. War eine nachhaltige Struktur des Friedens mit der Supermacht denkbar? Würde sie sich auf einen Grad an internationaler Verflechtung einlassen, der dem Gedan-

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ken gemeinsamer Sicherheit Substanz verleihen könnte? Solche Fragen waren auch deshalb drängend geworden, weil die Rolle der USA als Sicherheitsgarant keinen Ewigkeitswert zu haben schien. Noch waren die Washingtoner Befürworter einer Reduzierung der amerikanischen Militärpräsenz in Deutschland in der Minderheit, aber die isolationistische Stimmung im US-Kongress konnte niemanden kalt lassen. Der entschieden transatlantisch denkende Schmidt musste sich eingestehen, dass die amerikanische Truppenstärke nirgends in Deutschland auf „Dauer“ festgeschrieben war. Brandt notierte in einer umfassenden Analyse zur Weltlage und Ostpolitik als einen der ersten Punkte: „US bleiben, aber reduzieren.“90 Zugleich registrierte man in Bonn erleichtert, dass die Sowjetunion entgegen früheren Drohungen ein „einseitiges Interventionsrecht“ (nach Artikel 53 und 103 der UNO-Satzung) „nicht mehr beansprucht“.91 Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen Bahr und Gromyko über einen Gewaltverzichtsvertrag glaubte Brandt, „dass wir in Moskau manche Zweifel an der Ost- und Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung ausräumen konnten“. Im Gegenzug erwartete er von der Sowjetunion den Verzicht auf ein den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs eingeräumtes Recht. „Wir betrachten es als ein Versprechen, dass die Sowjetunion künftig auf ihre früher erhobenen Interventionsdrohungen verzichtet.“92 Die Frage lautete nicht mehr, ob seitens der Sowjetunion eine militärische Aggression drohte. Daran glaubte auch der Bundesnachrichtendienst nicht mehr, der 1968 nach der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei auch die Bundesrepublik in Gefahr gesehen hatte. Vielmehr ging es darum, ob mit Beteiligung der Sowjetunion eine blockübergreifende Friedensordnung in Europa geschaffen und damit die bisher bestehende Sicherheit der Bundesrepublik im Westen nach Osten erweitert werden konnte. Wer dies verneinte, sah in der Ostpolitik ein Sicherheitsrisiko. So bekräftigte der frühere Bundeskanzler Kiesinger Anfang 1972 noch einmal die alte Überzeugung, das Ziel sowjetischer Politik sei „nach wie vor die Weltrevolution und in

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Europa die Hegemonie“. Ganz anders nahm der amtierende Bundeskanzler die Sowjetunion wahr. Sie wolle eine „friedliche Zusammenarbeit“. Brandt sah deutliche „Anzeichen“ dafür, „dass sie den Frieden will und nicht den Krieg“.93 Man konnte darüber streiten, ob es sich um einen echten Friedenswillen handelte oder um den Zwang zum Frieden, weil die Sowjetunion aus wirtschaftlichen und geopolitischen Gründen auf Kooperation mit westlichen Ländern angewiesen war. Brandt schloss Opportunismus nicht aus. Die Sowjetunion wolle den bestehenden „Wettbewerbsnachteil in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht“ ausgleichen.94 Dass die militärische Supermacht wirtschaftlich auf zu schwachen Füßen stand und darum am Abbau von Spannungen interessiert sein musste, galt in NATO-Gremien seit den 1960er-Jahren als Argument dafür, dass der Westen komplementär zur Strategie der Abschreckung eine erfolgversprechende Strategie der Entspannung entwickeln könne. Zudem nötige der Konflikt mit der Volksrepublik China Moskau, für Ruhe im Westen zu sorgen. Auf jeden Fall sprachen die Führer der kommunistischen Welt Anfang der 1970er-Jahre von einem „neuen Blatt“ in der Geschichte Europas, von der „Wende vom ‚Kalten Krieg‘ zur Entspannung“.95 Breschnew mahnte eindringlich: „Wir brauchen Frieden, Frieden und nochmals Frieden.“96 Bei seinen Reisen in den Westen trat er als Partner auf, der um Vertrauen warb und dem man vertrauen könne. Bevor er im Mai 1973 nach Bonn kam, vermittelte Bahr dem Herausgeber des Stern, Henri Nannen, ein Interview mit Breschnew in Moskau. Nannen, der von seinem Team samt Fotograf begleitet wurde, war begeistert. Es sei eine „richtige große russische Show“ gewesen, schrieb er Bahr anschließend. „Breschnew empfing uns mit einer stürmischen Herzlichkeit. Er meinte, das alles hätte schon vor 20 Jahren passieren sollen, und dann hat er uns zwei Stunden lang erzählt und gezeigt, wo Breschnew was macht und wie Breschnew ist.“97 Die Stimmung war so ausgelassen, dass Nannen sich auf die Schreibtischkante des Kremlherrn setzte.

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Wenig später erlebten auch die Amerikaner, wie zugewandt und verbindlich Breschnew auftreten konnte. Es gelang ihm, sich das Image eines „geselligen und gesprächigen“ Genussmenschen zuzulegen, der Gefallen an schnellen Autos hatte.98 Das freundliche Gesicht nach außen, dass auch der rumänische Parteichef Ceaus¸escu zeigte, konnte leicht vergessen machen, welche Repression in der Sowjetunion und anderen Ländern des Warschauer Pakts herrschte. Wer in der sowjetischen Psychiatrie verschwand oder in die Fänge der rumänischen Securitate geriet, sollte nicht den Eindruck kooperativer Ost-West-Beziehungen stören. Absoluten Vorrang hatte eine Politik der „Friedenssicherung“ mit den Diktaturen im Osten. Brandts Verständnis von Frieden, über das er in Oslo sprach, ging zwar weit über die Wahrung internationaler Stabilität hinaus, er wusste aber auch, dass „ideologische Bekehrungsversuche“ seinem kommunikativen Ansatz widersprachen und zu einer Verhärtung in den Beziehungen führen würden. Bis auf Weiteres galt darum: „Nicht Demokratie und Menschenrechte, nicht einmal die Freiheit, sondern der Frieden muss global der oberste Wert bleiben.“99 Gegensätzliche politische und gesellschaftliche Ordnungen sollten kein Hindernis für zwischenstaatliche Entspannung sein, die auf einer erheblichen Schnittmenge der beiderseitigen Interessen beruhte. Als Henry Kissinger Anfang 1974 auf seine bisherige Zeit an leitender Stelle in Washington zurückblickte, war er des Lobes voll über die Offenheit der Gesprächsatmosphäre in Moskau und den sowjetischen Wunsch, die Entspannung „unumkehrbar“ zu machen.100 Egon Bahr in Bonn dachte ähnlich. Mit einigem Stolz bezeichnete er im Juli 1973 den „Wandel durch Annäherung“, von dem er ein Jahrzehnt zuvor in Tutzing gesprochen hatte, als ein „europäisches Konzept“. Beide Seiten hätten die „feste Absicht“, „dass der Kalte Krieg zu Ende ist“.101 Die „große Ost-West-Entspannungsrunde“, von der Schmidt schon 1972 gesprochen hatte,102 erhielt zusätzlichen Schwung, als 35 europäische und nordamerikanische Staaten zur KSZE zusammenkamen. Der re-

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gionale Bilateralismus der Ostpolitik fand nun seine Fortsetzung im Multilateralismus globaler Entspannungspolitik, welche die Weltpolitik auf der Nordhalbkugel der Erde umfasste. Über „Sicherheit“ und „Zusammenarbeit“ wurde nicht nur diskutiert, sondern auch gestritten. Es blieb abzuwarten, welchen Verlauf der Prozess der Entspannung nehmen würde.

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DIE DOPPELTE WESTBINDUNG

Die Multilateralisierung der Entspannungspolitik kam Brandt nach eigenem Bekunden sehr entgegen, denn die Ostpolitik war nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Das deutsche Wort Ostpolitik hatte es binnen Kurzem geschafft, überall verstanden zu werden. Als Chiffre für einen neuen Abschnitt westdeutscher Außenpolitik fand der Begriff weltweit Eingang in Reden, Zeitungsartikel und Akten der Außenministerien. Wie selbstverständlich fiel der Blick stets auf Brandt als eine Art Gallionsfigur. Als ob es sich um ein Einpersonenstück handelte, verkörperte Brandt alles, was die entspannungspolitische Rolle der Bundesrepublik ausmachte. Helmut Schmidt sprach in seinen Memoiren von „Willy Brandts Ostpolitik“, eine Fokussierung, zu der auch viele Historiker neigen.103 Brandt selbst, obwohl er das Wort unzählige Male benutzte, versuchte zugleich, sich davon zu distanzieren. Denn der Begriff Ostpolitik lade, wie er in seiner Nobelpreisrede 1971 betonte, zu einer „Fehldeutung“ ein. Ostpolitik könne als separates Element der Außenpolitik verstanden werden, das ein Eigenleben führe. Tatsächlich aber sei die Ostpolitik ein integraler Bestandteil seiner Außenpolitik, für die das Bündnis im Westen konstitutiv sei. „Unsere Entspannungspolitik fing im Westen an und bleibt im Westen verankert. Wir wollen und brauchen die Partnerschaft mit dem Westen und die Verständigung mit dem Osten.“104 Brandt wusste, dass Vorsicht geboten war. In der Tat kursierten „Fehldeutungen“. Unterstellungen wurden ausgesprochen, welche die

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Ostpolitik in ein falsches Licht rückten. Wie das Echo auf seine Begegnung mit Breschnew in Oreanda zeigte, schwankten die Stellungnahmen zwischen Anerkennung und Verdächtigung. Allerdings konnte Brandt sich im Meinungskampf auf treue Verbündete verlassen. Zu ihnen gehörte die Chefredakteurin der Zeit, Marion Gräfin Dönhoff. Sie war die Trägerin eines weiteren Friedenspreises, der im Herbst 1971 verliehen wurde. Die aus Ostpreußen stammende Adlige hatte es im Dezember 1970 nicht über sich gebracht, Brandts Einladung anzunehmen, als Mitglied einer kleineren Delegation die politische Führung der Bundesrepublik nach Warschau zu begleiten. Sie wollte nicht dabei sein, wenn das längst errichtete „Kreuz auf Preußens Grab“ in aller Form bestätigt wurde.105 Aber der persönliche Schmerz über den Untergang ihrer Welt, den sie nicht den Polen, sondern den Nationalsozialisten anlastete, hinderte sie nicht daran, für eine Politik der Annäherung an Polen und den Warschauer Pakt einzutreten. Als sie in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm, wählte sie den Begriff „Friedens-Umrisse“, um den Stand der Ost-West-Beziehungen zu beschreiben.106 Ostpolitik als Teil der Europapolitik Die Friedenspreisträger Brandt und Dönhoff erhielten nicht nur Beifall. Sie sahen sich auch mit Lügen konfrontiert, die in demagogischer Absicht verbreitet wurden. Viele sahen das eherne Fundament der Bundesrepublik, ihre dezidierte politische und ideologische Westbindung, in Gefahr. Natürlich wusste es der CSU-Vorsitzende Strauß besser, was ihn nicht daran hinderte, die Bundesregierung zu beschuldigen, sie wolle die Westbindung lockern.107 Die sozial-liberale Bundesregierung hatte sich nichts vorzuwerfen, war aber gleichwohl gezwungen, ihre uneingeschränkte Bündnisloyalität ebenso zu betonen wie die kompromisslose Abgrenzung vom Kommunismus. Beginnend mit seiner ersten Regierungserklärung wiederholte Brandt unablässig, dass die selbstbewusste Vertretung eigener Interessen und

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die Suche nach Entspannung im Osten die Grundausrichtung westdeutscher Außenpolitik unberührt lasse. Auch die Sowjetunion wurde darüber nicht im Unklaren gelassen. Verhandlungen sollten auf der Grundlage „bestehender Allianzen“ geführt werden.108 Von Anfang an versuchte Brandt das in der Öffentlichkeit entstehende Bild zu korrigieren, „als konzentriere sich die Regierung zum Nachteil der übrigen Außenpolitik auf die Ostpolitik“. Entschieden trat er dem Eindruck entgegen, es bestehe ein „Gegensatz zwischen Ost- und Westpolitik“. Seine „in sich geschlossene Außenpolitik“ diente aus seiner Sicht dazu, „den Frieden sicherer zu machen“.109 So sehr die Ostpolitik als Ausweis einer eigenständigen Außenpolitik galt, so sehr wurde sie zugleich zur Unauffälligkeit verurteilt und in größere Kontexte eingebettet. Im Grunde, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Katharina Focke, gebe es „gar keine Ostpolitik der Bundesregierung“. Es handele sich vielmehr um eine – freilich an die „eigene Interessenlage“ angepasste – allgemeine „westliche Ostpolitik“. „Ostpolitik“, versichert sie, „geschieht bei uns weder auf Kosten anderer Partner noch hinter deren Rücken.“110 Eine zweite Form der Relativierung des eigenen ostpolitischen Profils war die Darstellung der Ostpolitik als „Teil der Europapolitik“. Auf diese Weise sollte die westeuropäische Friedenszone auf Gesamteuropa ausgeweitet werden, sodass die westeuropäische Integration zum „Bauelement einer gesamteuropäischen Friedensordnung“ werden konnte.111 Brandts europäische Vision erstreckte sich nach Osten und nach Westen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Annäherung an die Sowjetunion als Fortsetzung der Europapolitik mit anderen Mitteln verstanden wurde, sorgte die Ostpolitik aus westlicher Sicht nur dann nicht für Unruhe, wenn die Bundesregierung glaubhaft vermittelte, dass sie zum Osten eine größere Distanz hielt als zum Westen. Doch selbst wenn dies für den Moment gelingen mochte, blieben ständige Zweifel, mit denen die Bundesregierung leben musste. Um sicherzugehen, wurde im französischen Außenministerium Ende 1970 empfohlen, die

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wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Verbindungen der Bundesrepublik zum Westen weiter zu intensivieren. Obwohl man zufrieden konstatierte, dass der bisherige Verlauf der Ostpolitik die volle Unterstützung Frankreichs verdiene, blieb ein Gefühl der Unsicherheit.112 Auch Kissinger räumte ein, Brandt habe eine fundamental westliche Einstellung, wollte aber „langfristige Gefahren“ für die Westbindung der Bundesrepublik nicht ausschließen. Nixon notierte dazu am Rand des Schriftstücks: „Eine scharfsinnige Analyse.“113 Für ihn war und blieb die Ostpolitik eine „gefährliche Angelegenheit“.114 Der Nationale Sicherheitsrat der USA blieb bei seinem zwiespältigen Urteil über die Ostpolitik, wenn er zwischen der Normalisierung der deutschsowjetischen Beziehungen, die begrüßt wurde, und dem langfristigen Risiko einer Erschütterung der westlichen Allianz unterschied.115 Misstrauen in Washington Das ganze Jahr 1970 hindurch blieb Washington bei dieser Haltung, die natürlich immer wieder nach draußen drang. Auch in Bonn hörte man davon. Doch Bahr ließ sich nicht beeindrucken und spielte den Ball Kissinger zu. Er habe, so schrieb er ihm, den „Gerüchten“, das Weiße Haus hege eine „tiefe Skepsis“ gegenüber der Ostpolitik, „im Vertrauen auf unser Verhältnis keine Bedeutung beigemessen. Es sollte dabei bleiben: Wer immer eine Frage oder Sorge hat, fragt.“116 Von Kissinger kam keine Antwort. Seine Sorge, der Führungsanspruch der USA werde ignoriert, teilte er Staatsekretär Frank mit: „Eines will ich Ihnen sagen, wenn schon Entspannungspolitik mit der Sowjetunion gemacht werden soll, dann machen wir sie.“117 Entsprechend zurückhaltend fiel seine Reaktion auf den Moskauer Vertrag aus, den er zwar nicht ablehnte, mit dem sich zu identifizieren er aber für unangebracht hielt, weil er nicht von den USA ausgehandelt worden war. Außerdem werde das Abkommen, wie Kissinger in entlarvender Offenheit hinzusetzte, von „unseren Freunden in der CDU“ abgelehnt.118 Abgesandte der Bonner Opposition gaben sich in Washington die

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Klinke in die Hand und erweckten den Eindruck, die Regierung stürzen zu können. Manche hofften auf ein amerikanisches Machtwort. Doch das Weiße Haus vermied bei aller Kritik am ostpolitischen Kurs eine offene Parteinahme und Einmischung im deutschen Meinungsstreit. Sollte Brandt „zu weit“ gehen, wollte Kissinger diplomatisch intervenieren. Doch rechnete er nicht damit und setzte sogar hinzu: „Schließlich sind die Gespräche mit den Sowjets und den Ostdeutschen keine ganz schlechte Idee.“119 Einen Höhepunkt erreichten die amerikanischen Unmutsbekundungen und Ausbremsungsversuche gegen Ende des Jahres. Eben noch hatte sich Bahr zuversichtlich gegeben und erklärt, „unsere Ostpolitik ist immer wieder von den Westmächten einstimmig gebilligt, ermutigt, unterstützt worden“,120 um am nächsten Tag ein Interview mit Dean Acheson in der Washington Post zu lesen, in dem dieser den „verrückten Wettlauf nach Moskau“ anprangerte. Als „verrückten“ Teilnehmer machte er natürlich nicht die USA, sondern die Bundesrepublik aus. Auch auf Nachfrage des deutschen Botschafters hielt Acheson an seiner Ablehnung der Ostpolitik fest.121 Nun war Acheson nicht irgendwer. Der frühere amerikanische Außenminister aus der Anfangszeit des Kalten Kriegs hatte die NATO aus der Taufe gehoben und die Anfänge der Westbindung der Bundesrepublik mitgestaltet. Hinzu kam, dass er zusammen mit John Jay McCloy, von 1949 bis 1952 erster amerikanischer Vertreter in der Alliierten Hohen Kommission, welche die alliierten Kontrollrechte in der Bundesrepublik ausübte, und Lucius D. Clay, als Militärgouverneur in der amerikanischen Besatzungszone der legendäre Held der Luftbrücke während der sowjetischen Blockade Berlins, wenige Tage zuvor von Präsident Nixon im Weißen Haus empfangen worden war. Zur Vorbereitung dieses Treffens hatte Kissinger den Präsidenten instruiert, er solle seine Bedenken gegen die „Ostpolitik von Kanzler Brandt“ nicht verbergen. Das Problem bestehe darin, „wie Deutschland während dieser Phase östlichen Experimentierens fest im Westen ver-

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ankert werden kann“. Nach dem Gesprächstermin im Weißen Haus und noch vor dem Interview mit der Washington Post forderte Kissinger Acheson in einem Telefonat auf, sich für eine Führungsrolle der USA in der Entspannungspolitik stark zu machen, insbesondere gegenüber der Ostpolitik. Sie sei ein „Desaster“. Brandt sei aufrichtig und habe ehrliche Absichten, aber es gebe „zu viel aufrichtige Dummköpfe auf der Welt“.122 Außenminister Rogers distanzierte sich in einem Gespräch mit Kissinger, der ihn über seine Rolle als Einflüsterer belog, und auch öffentlich ausdrücklich von Acheson. Botschafter Rush in Bonn tat dasselbe gegenüber Brandt, der die Geschichte allerdings nicht sonderlich ernst nahm. Er sei dergleichen Gegenwind mehr als gewöhnt.123 Vielleicht wollte er sich mit den „Dinosauriern aus der Besatzungszeit“ nicht weiter beschäftigen.124 Immerhin regte Brandt an, Klaus Harpprecht „einzuspannen“, der als früherer Korrespondent des ZDF in den USA dort gute Kontakte hatte und der empfahl, die von Acheson repräsentierte Stimmung ernst zu nehmen. McCloy und andere „Gründungsväter“ der Bundesrepublik sollten angesprochen und überzeugt werden.125 Brandt ließ noch einige Zeit verstreichen, ehe er einen Anlauf unternahm, McCloy dessen „Besorgtheit“ auszureden.126 Ähnlich gelassen reagierte Brandt auf die Einwände der amerikanischen Gewerkschaftsführung. Auch sie sah ihr Aufbauwerk der Nachkriegszeit in Westdeutschland gefährdet. Würde die von ihr betriebene Verwestlichung von SPD und Gewerkschaften Bestand haben? Der Moskauer Vertrag komme einer Kapitulation gleich. Die Ostkontakte des DGB würden den kommunistischen Feinden von Freiheit und Demokratie als Einfallstor dienen.127 Was Brandt kurz nach dem Abschluss des Warschauer Vertrags eigentlich umtrieb, waren die sich schleppend hinziehenden Verhandlungen der Vier Mächte über Berlin. Um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen, drängte er die Westmächte zu einer neuen Initiative und regte an, den Verhandlungen einen „konferenzähnlichen Charakter“ zu geben. Einzelheiten könnten in der Bonner Vierergruppe, also unter

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Beteiligung der Bundesrepublik, besprochen werden. Die Bonn Group war ein regelmäßig tagendes Gremium, das der Abstimmung zwischen den Westmächten und der Bundesrepublik diente. Brandts Vorstoß war gut nachvollziehbar. Ohne ein Abkommen über Berlin war an eine Ratifizierung der Ostverträge nicht zu denken. Erwünscht war darum eine Beschleunigung der Verhandlungen. Die offen gezeigte Unzufriedenheit des Bundeskanzlers stellte den Versuch dar, die für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Mächte „vorsichtig an die Hand“ zu nehmen. Damit begab er sich auf ein Feld, auf dem er an sich gar nichts zu suchen hatte.128 Kissinger sagte gegenüber dem deutschen Botschafter eine „Prüfung“ zu, kam dann aber auf die in den USA laut werdende Kritik an der Ostpolitik zu sprechen und meinte wahrheitswidrig, Nixon habe „vollkommenes Vertrauen“ zum Bundeskanzler. Er setzte jedoch hinzu, „persönlich“ sei er besorgt, „dass bei einem zu stark prononcierten Engagement, die Beziehungen zur Sowjetunion zu verbessern, die Bundesregierung in eine gewisse Abhängigkeit von dem sowjetischen Verhalten geraten und an Bewegungsfreiheit verlieren könne“. Als der Bericht von Botschafter Pauls in Bonn eintraf, war man dort schon aus einer anderen Quelle informiert worden. Unter Umgehung des Auswärtigen Amts hatte sich der US-Gesandte Russell Fessenden direkt an Ulrich Sahm gewandt, den Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundeskanzleramt. Es „bestünden in Washington an hoher Stelle erhebliche Bedenken“ gegen die Ostpolitik, und zwar weniger gegen deren „Substanz“ als deren „Tempo“.129 Um Klarheit zu erhalten, flog Kanzleramtsminister Ehmke noch vor Weihnachten zu einem Blitzbesuch nach Washington. Schon Ende September hatte er sich für einige Tage zu einer mit Terminen gespickten Werbetour in den USA aufgehalten, um Verständnis für die Politik der sozial-liberalen Regierung zu wecken. „Im Ganzen“, fand er heraus, stehe Washington der Ostpolitik „aufgeschlossen“ gegenüber. Es gebe aber auch „Reserven“. Im State Department trat er schon zu diesem Zeitpunkt für eine In-

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tensivierung der Berlin-Verhandlungen ein.130 Dieser Punkt stand auch am 21. Dezember im Zentrum der Diskussion mit Kissinger und einigen Vertretern des amerikanischen Außenministeriums. Ohne genauere Festlegungen kam man überein, die Verhandlungen „so zügig wie möglich“ zu führen. Im Übrigen gab es die pflichtgemäße Zusicherung, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Kissinger nannte einen ihn beunruhigenden Unterschied. Die Sowjetunion behandele die Deutschen „nett und die Amerikaner hart“.131 Damit meinte er die Anhäufung von Konflikten, die von Vietnam über den Nahen Osten bis nach Kuba reichten, wo die Sowjetunion in Cienfuegos eine U-Boot-Basis einrichten wollte. Hinzu kam der Schock über Allendes Wahlsieg in Chile, der eine Achse Santiago-Havanna-Moskau befürchten ließ. US-Détente und deutsche Ostpolitik Innerhalb weniger Wochen sollte sich der Himmel über den deutschamerikanischen Beziehungen deutlich aufklären. Zum Jahreswechsel schickte Kissinger beste Grüße an Bahr und teilte mit, „dass er im Sinne des Gesprächs mit Ehmke bereit sei zu helfen“.132 Wie dies aussehen sollte, stellte sich bald heraus, als Bahr über einen neuen Kommunikationskanal in die Berlin-Beratungen einbezogen wurde. Das „leidige Gerede über die Ostpolitik flaut hier ab“, stellte der Leiter des Washingtoner ARD-Studios sichtlich erleichtert fest.133 Auch Staatssekretär Ernst Wolf Mommsen vom Bundesverteidigungsministerium fand bei verschiedenen Unterredungen im Pentagon und im State Department Ähnliches heraus. Mommsen galt als Kenner der sowjetischen Seite, mit der er in Kontakt stand, und als Befürworter des Osthandels. In Washington musste er sich der Frage stellen, welche Hintergedanken die sowjetische Führung haben und ob womöglich alles auf eine einseitige Stärkung der Sowjetunion hinauslaufen könnte. Mommsen versuchte solche Zweifel zu zerstreuen, indem er daran erinnerte, in welcher Relation Ost- und Westpolitik stünden. Die

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neuen Beziehungen mit dem Osten wirkten allzu spektakulär, könnten aber nicht vom Kern der deutschen Politik ablenken oder gar die bewährte Rolle der Bundesrepublik in NATO und EG in den Schatten stellen. McCloy, den er ebenfalls traf, war nicht zu überzeugen. Insgesamt aber hatte Mommsen den Eindruck, dass es gegenüber der Ostpolitik „keine eigentlichen Vorbehalte“ gebe.134 Diese Auskunft erhielt auch Außenminister Scheel, sodass Botschafter Pauls berichten konnte, „dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen frei von Krisen oder Vertrauenskrisen oder Dramatischem sind“.135 Auf der Arbeitsebene gab es zwischen Bonn und Washington mehr Übereinstimmungen als Differenzen. Sie blieb von der unterschwelligen Aversion Kissingers und Nixons gegen das Tandem Brandt/Bahr weitgehend unberührt. Die Lust an abfälligen Bemerkungen und die Gestaltung politischer Beziehungen, die in zwei Jahrzehnten gewachsen waren, liefen nebeneinander her. Kissingers Charakterisierungen Bahrs reichten von „Schlange“ über „Bastard“ bis „schmierig“. Bahr sei ein deutscher Nationalist und „absolut unzuverlässig“, darüber hinaus „nicht ganz richtig im Kopf“ und „pro-kommunistisch“.136 Nixon richtete sein Augenmerk eher auf Brandt. Dass Time den deutschen Bundeskanzler zum „Mann des Jahres“ machte, empörte den US-Präsidenten. Er hätte einen Sturz der Regierung Brandt/Scheel begrüßt und jede „nicht-sozialistische Regierung“ in Bonn vorgezogen. An seiner Abneigung gegen Brandt als Person änderten auch die Begegnungen der beiden im April 1970 in Washington und zum Jahreswechsel 1970/71 in Key Biscaine in Florida nichts. Nixon unterschied scharf zwischen „unseren Freunden in Deutschland“ in den Unionsparteien und diesem „Hurensohn“ Brandt.137 Ein moralischer Tiefpunkt war erreicht, als Nixon sich Anfang Februar 1973 bei Kissinger nach Brandts Gesundheitszustand erkundigte. Brandt litt nach dem Wahlkampf Ende 1972 unter einer schweren Stimmbanderkrankung. „Unglücklicherweise“, so Kissinger, handele es sich nicht um etwas „Bösartiges“. Brandt werde weitermachen. Er sei ein „Tölpel“, antwortete der ent-

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täuschte Nixon. Und „gefährlich“, ergänzte Kissinger, der schon zu diesem Zeitpunkt annahm, Schmidt wolle Brandts Nachfolger werden.138 Für Kissinger stellte es kein Problem dar, Verachtung und Anerkennung gleichzeitig zu äußern. So hatte er kurz zuvor Brandts zurückhaltende Kommentierung des Vietnamkriegs gelobt. Das Weihnachtsbombardement 1972 gegen Nordvietnam parallel zur Schlussphase der Friedensgespräche stellte die westdeutsche Staatsräson, die USA nicht offen zu kritisieren, auf eine harte Probe. „Die Vietnam-Eskalation macht große Sorgen, innen- wie außenpolitisch“, so Bahr.139 Zur großen Erleichterung der europäischen Kritiker amerikanischer Kriegführung erzielten Amerikaner und Nordvietnamesen noch im Januar 1973 eine Einigung über die Beendigung des Kriegs. Der Konflikt in Südostasien hatte auch in der Bundesrepublik zu massiven Protesten geführt, die in den USA verbittert als Antiamerikanismus wahrgenommen wurden. Doch auch dieser tiefgreifende Dissens änderte nichts an der Einsicht, dass Europäer und Amerikaner im transatlantischen Bündnis aufeinander angewiesen waren. Der Bündniskitt hatte sich nicht zuletzt in der Frage der Ost-West-Beziehungen seit dem Regierungswechsel in Bonn 1969 als wirksam erwiesen. Denn ein Scheitern der Bonner Ostpolitik hätte nicht im amerikanischen Interesse gelegen. Die Entspannung zwischen den Supermächten und die ohne die Ostpolitik undenkbare Entspannung in Europa waren aufs Engste verzahnt. Die Ratifizierung der Ostverträge im Bundestag war aus Kissingers Sicht eine wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen des amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffens in Moskau, das für Ende Mai 1972 geplant war. In dieser Lage konnte die Gesprächsatmosphäre mit Bahr, der die Ratifizierung als gesichert bezeichnete, sogar „herzlich“ sein – „zum ersten Mal“, wie Bahr ausdrücklich festhielt.140 Die OstWest-Entspannung insgesamt wäre ohne Ratifizierung und Inkrafttreten der Ostverträge und des Berlinabkommens blockiert gewesen. Auf diesen Zusammenhang wurde die Opposition im Bundestag nicht nur in den USA, sondern auch in Westeuropa hingewiesen. Selbst der Va-

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tikan wollte die Einwände der deutschen Christdemokraten nicht gelten lassen und plädierte – eigens von Moskau darum gebeten – für eine Ratifizierung der Ostverträge. Pompidou fand dafür ein passendes Bild. Die Entspannungspolitik dürfe nicht „entgleisen“.141 Doch auch unabhängig von der Ostpolitik nahm die Bundesrepublik aus amerikanischer Sicht einen bedeutenden Rang ein. Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Botschafter in Bonn war Kenneth Rush davon überzeugt, dass Brandt eine „starke westliche Allianz als Grundlage für Entspannung“ betrachte. Die Bundesrepublik sei der „treueste Verbündete in Europa“. Dem widersprach Nixon nicht, um zu ergänzen, die Deutschen an sich hätten „Mut“. Die anderen Europäer könnten „keine große Rolle spielen“. Zurück in Washington war Rush zweiter Mann zunächst im Verteidigungs- und später im Außenministerium. Von der Bundeswehr hatte er eine außerordentlich hohe Meinung. Ohne sie wäre das „Bündnis nicht mehr viel wert“. Auch Kissinger fühlte sich der Bundesrepublik verpflichtet. Sie sei „unser stärkster und wichtigster Verbündeter“.142 Umgekehrt hing die Bundesrepublik sehr viel stärker von einer intakten Westbindung ab. Sicherheitspolitisch befand sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis von den USA, an dem ein Zugewinn an Sicherheit durch Entspannung mit der Sowjetunion nichts änderte. In allen Analysen zur Außenpolitik wurde dieser Tatsache Rechnung getragen. Auf der Kontinuität guter Beziehungen zu den Vereinigten Staaten „beruht letztlich unsere Sicherheit“, beschrieb Bahr die verbindliche Richtschnur jeder westdeutschen Außenpolitik. Das „atlantische Bündnis und das enge Verhältnis zu den USA“ bildeten die „Basis unserer Politik“.143 Als strenger Wächter über die Einhaltung dieses Axioms verstand sich Verteidigungsminister Helmut Schmidt. Er appellierte an Brandt, es dürfe nie vergessen werden, dass unsere Mitgliedschaft in der NATO als „Voraussetzung für unsere Entspannungspolitik“ anzusehen sei. Die NATO wiederum basiere auf einer ungeschmälerten „Präsenz amerikanischer Truppen in Europa und in Deutschland“. Zugleich müsse allen „Erosionserscheinun-

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gen im Bündnis“ entgegengewirkt werden. Auf Stimmen in Washington, die auf eine Reduzierung der US-Truppen in Europa drängten, habe die Bundesregierung nur bedingt Einfluss. Aber sie könne darauf achten, dass die Bundesrepublik ihre Verteidigungsleistung erbringe. Die Erfolge der Entspannungspolitik dürften nicht zu der Illusion verleiten, die Abschreckungsfunktion der NATO habe an Bedeutung verloren. Schmidt setzte voraus, dass Brandt dies ebenso sah, wünschte aber ausdrücklich, dass das Kabinett damit befasst werde, „damit innerhalb der Bundesregierung hierüber volle Übereinstimmung hergestellt wird“.144 Schmidt dürfte diesen Vorstoß nicht grundlos unternommen haben. Er war seit seinem Moskauaufenthalt 1966 auf der Suche nach Möglichkeiten einer Ost-West-Entspannung, zugleich aber in ständiger Sorge, dass das sicherheitspolitische Koordinatensystem aus dem Blick geraten könnte, eine Sorge, die mit der deutsch-sowjetischen Annäherung noch wuchs. Zudem wusste er, dass sein amerikanischer Kollege Laird die Ostpolitik für „Wunschdenken“ hielt und ein Nachlassen der deutschen Verteidigungsbereitschaft nicht ausschloss. Nur in Schmidt, nicht aber in Brandt sah Laird den Garanten für einen ausreichenden westdeutschen Verteidigungsbeitrag.145 Der von Schmidt betriebene und mit Laird ausgehandelte Abbau von nuklearen Landminen in der Bundesrepublik sollte nicht an die große Glocke gehängt werden, um keine falschen Schlüsse über verteidigungspolitische Defizite zu provozieren. Im Mai 1971 drängte Schmidt den Bundeskanzler, an der in Mittenwald stattfindenden Frühjahrstagung der Nuklearen Planungsgruppe der NATO teilzunehmen. Brandt solle dort noch einmal die Westbindung der Bundesrepublik unterstreichen. Für Brandt lief seine Tischrede während des Abendessens der Teilnehmer auf eine Wiederholung ungezählter Statements dieser Art hinaus. Gleichwohl war es wichtig, der bestehenden Skepsis Auge in Auge mit den Verteidigungsministern der mächtigsten NATO-Staaten kommunikativ entgegenzutreten. Im Übrigen erinnerte Brandt daran, dass die Ostpolitik sich im Rahmen der im sogenannten Harmel-Bericht aus dem Jahr 1967 ge-

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nannten westlichen Doppelstrategie der NATO aus Sicherheit durch Abschreckung und Entspannung durch Verhandlungen bewege. Der erklärenden Kommunikation dienten auch Bestrebungen, in der amerikanischen Politik und Öffentlichkeit für Unterstützung zu werben. „Tüchtige Leute der Fraktion“ sollten in die USA reisen, um die umstrittene Ostpolitik „begreiflich“ zu machen, lautete ein früher Rat von Klaus Bölling, der als Journalist die Washingtoner Szene beobachtete.146 Es bestehe ein Kommunikationsdefizit, beklagte auch der Politikwissenschaftler Peter C. Ludz nach diversen Interviews mit Politikern, Regierungsbeamten und Wissenschaftlern. Die Meinungsbildung werde immer noch zu sehr von Bonner Unionspolitikern geprägt, die auf lange bestehende Netzwerke zurückgreifen könnten.147 Um dem entgegenzuwirken, wurde die PR-Agentur Roy Blumenthal International Associates beauftragt, das Image der sozial-liberalen Regierung in den USA zu verbessern.148 Allerdings konnten die unterschwelligen Reibungen im transatlantischen Verhältnis dadurch ebenso wenig beseitigt werden wie durch Brandts Ankündigung im September 1973, in Berlin eine Filiale des renommierten Aspen Institute zu errichten, einer Denkfabrik zur Förderung der transatlantischen Gemeinschaft, aber auch ein Forum für hochrangige Begegnungen aus Ost und West. Shepard Stone, Brandts alter Freund aus Berliner Tagen, der als „Vermonter Demokrat“ die Ostpolitik mit großer Sympathie verfolgte, wurde 1974 der erste Direktor.149 Mittlerweile wurden die Umrisse einer Entwicklung erkennbar, in der das Europa der Neun, also die um Großbritannien, Dänemark und Irland erweiterte EG, als neuer Akteur in der internationalen Politik von sich reden machte. Auf dem europäischen Gipfel im Oktober 1972 wurde der Ausbau der Gemeinschaft zur Europäischen Union beschlossen. Vorgesehen war eine verstärkte außenpolitische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Kissinger hatte nichts Besseres zu tun, als im April 1973 das „Jahr Europas“ auszurufen. Damit verband er eine Rollenverteilung eigener Art. Während die USA „globale Interes-

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sen“ verfolgten, sollten die Europäer sich auf „regionale“ Belange beschränken. Im Grunde ging es ihm jedoch darum, endlich die Kontrolle über die Ost-West-Beziehungen zu erlangen. Wie er sich das vorstellte, ließ er den von ihm an sich wenig geschätzten Bahr vorab vertraulich über den geheimen Kommunikationskanal wissen. Man müsse über die „Interessen und Ziele“ des Westens in den Beziehungen zum Osten sprechen und dabei zu einer „harmonischen“ Abstimmung kommen. An die Stelle der zwanghaften Fixierung auf die Ost-West-Beziehungen solle eine Neubesinnung auf die Werte der Atlantischen Allianz treten.150 Kissingers Versuch, die Europäer nach dem Vietnam-Debakel, das zur Entfremdung weiter Teile der europäischen Bevölkerung von den USA geführt hatte, auf eine von den Amerikanern vorgegebene Linie zu verpflichten, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Bei einem Kurzbesuch Brandts und Scheels in Washington wurde lediglich davon gesprochen, dass beide Seiten „einander brauchen“. Brandt trat als „Europäer“ auf und beanspruchte für die EG eine „gleichberechtigte Partnerschaft“ mit den USA. Nixon erinnerte wieder einmal daran, dass „keine ungerechtfertigte Euphorie der Entspannung“ aufkommen dürfe. Das war auch stets Brandts Auffassung gewesen. Aber die Befürchtung der amerikanischen Regierung, die Sowjetunion wolle einen Keil in die NATO treiben, hielt er für unangebracht.151 Auf jeden Fall fühlte er sich nicht angesprochen. In Bonn stand der deutsch-sowjetische Gipfel mit einem mehrtägigen Aufenthalt Breschnews in der Bundesrepublik an, den die Bundesregierung im Einklang mit westlichen Entspannungsinteressen sah. Selbst die immer leicht erregbare französische Diplomatie, die von einem „spektakulären Erfolg“ sprach, konnte darin keinen Widerspruch zu laufenden europapolitischen Aktivitäten erkennen.152

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Atlantische Partnerschaft und europäische Dimension Die von Washington gewünschte Atlantische Erklärung geriet bald in das Spannungsfeld einer schwierigen innereuropäischen Abstimmung und wurde von amerikanischer Seite mit einzelnen europäischen Regierungen besprochen. Die Bundesregierung wurde abermals ins Gebet genommen, als Scheel im Juni 1973 erneut nach Washington reiste, um die Amerikaner über den Stand der fortschreitenden westeuropäischen Integration zu informieren und die Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu erörtern. Von Nixon hörte er, die „freie Welt“ benötige in solidarischem Schulterschluss eine „ordentliche Dosis Idealismus“. Dies zu betonen habe „nichts mit Parolen des Kalten Kriegs zu tun“. Kissinger wünschte sich von den Europäern, dass sie den innerwestlichen Beziehungen „Vorrang vor den Beziehungen mit der Sowjetunion“ einräumten. Scheels Antwort, die „atlantische Partnerschaft“ habe „Priorität vor der Ost-West-Zusammenarbeit“, dürfte Kissinger fürs Erste beruhigt haben.153 Was ihn dagegen verunsicherte, war die Einstellung von Brandts engstem Vertrauten. Bahr war aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, eine Pause einzulegen und weilte im April 1973 zu einem Erholungsurlaub am Tegernsee. Abseits vom politischen Betrieb der Hauptstadt nahm er sich für eine Antwort auf Kissingers Ansinnen die Zeit, seine sicherheits- und entspannungspolitischen Grundgedanken darzulegen. Diese erreichten Kissinger über die seit Ende 1969 mit Bahr bestehende geheime Nachrichtenverbindung. Schon im ersten Satz stand die nüchterne Feststellung: „Für eine nicht absehbare Zeit bleibt Europa in seiner Sicherheit auf die Vereinigten Staaten angewiesen.“ Daraus erwachse den USA eine „Verantwortung“, die nicht „auf ihre Verbündeten übertragbar ist“. Unverändert sei die NATO das „Rückgrat der atlantischen Sicherheit“. Wünschenswert sei eine „beiderseitige Reduzierung der konventionellen Streitkräfte“ in Ost und West. Bahr sagte es nicht explizit, doch seine Botschaft war eindeutig. Im amerikanisch-europäischen Verhältnis brauchte es keine neue Pro-

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grammatik oder zusätzliche Sinnstiftung, sondern lediglich die Beachtung bewährter Grundsätze. Ergänzend meinte Bahr, Europa sei „wirtschaftlich stärker geworden“, und die „politische Gefahr eines Angriffs“ habe sich verringert. Bahrs Schlussfolgerung führte zum Kern des Kalküls, das der Ostpolitik zugrunde lag. Mit dem Abbau der militärischen Konfrontation in Europa könnten nun allmählich vor allem politische und wirtschaftliche Faktoren in den Vordergrund rücken. Perspektivisch setzte Bahr in Erwartung einer deutlichen „Erweiterung der wirtschaftlichen Ost-West-Beziehungen“ auf die ökonomische Variante von Machtpolitik. Die Sowjetunion werde infolge ihrer wirtschaftlichen Rückständigkeit der „sanften“ Machteinwirkung des Westens nicht ausweichen können.154 Bahrs komplexe Gedankengänge stellten einen deutlichen Kontrast zu Kissingers Wünschen dar und bestätigten alte Befürchtungen. Wenn Bahr einerseits die Unverzichtbarkeit der NATO unterstrich, andererseits aber über den Status quo hinaus dachte, hörte Kissinger vor allem Letzteres. Es erschien ihm geradezu fahrlässig, darüber nachzudenken. Wahrscheinlich war es ein taktischer Fehler, wenn Bahr seine Langzeitperspektive derart offen zu erkennen gab. Auch NATO-Generalsekretär Joseph Luns, der ebenfalls mit Bahr gesprochen hatte, zeigte sich über dessen Ideen geradezu „erschrocken“, was Kissingers Irritationen noch verstärkte. Die Deutschen hätten „romantische Vorstellungen“, sie seien „wirklich geisteskrank“. Der Sowjetunion hätten sie nichts zu bieten, außer die NATO zu „ruinieren“.155 In diese Kerbe schlug auch ein gewisser Walter F. Hahn, der an einem auf internationale Politik spezialisierten Institut in Philadelphia tätig war und Anfang 1973 in einem Aufsatz die Meinung vertrat, die Ostpolitik führe die Bundesrepublik in die Neutralität.156 Bahr hatte ihn schon 1969 in einem Interview in seine Vorstellung von einer stufenweisen Veränderung der Ost-West-Beziehungen bis hin zu einer möglichen Auflösung der Bündnisse eingeweiht. Jetzt verstärkte Hahn den Chor derjenigen, die der Ostpolitik skeptisch bis ablehnend gegenüberstan-

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den. Für Kissinger handelte es sich um nichts Neues. Doch fand sein fest eingepflanzter Argwohn, dass Bahr als ostpolitischer Chefdenker die Bundesrepublik neutralisieren wolle, neue Nahrung. Die Journalisten von Bild oder vom Bayern-Kurier stießen ins gleiche Horn. Hahn war in Deutschland als Referent bei der Konrad-Adenauer-Stiftung bekannt, wo er als Warner vor den Gefahren der Ostpolitik auftrat, die der erste Schritt zu einer neuen Gesellschaftsordnung sei. Selbst ein alter Fürsprecher der Ostpolitik wie Golo Mann ließ sich davon ins Bockshorn jagen und wandte sich von Brandt ab. Kaum überraschend war, dass auch in Frankreich das Neutralitätsgespenst nicht zur Ruhe kam. Geradezu überfallartig fragte Pompidou im Juni 1973 den Bundeskanzler, wie sich Brandt die „deutsche Zukunft“ vorstelle. Mit einem Gefühl der Verunsicherung beschrieb Pompidou eine in Bewegung geratene politische Landschaft. Das Europa der Nachkriegszeit existiere nicht mehr. Verschwunden sei die Überlegenheit der USA. Der Kalte Krieg sei vorbei. Selbst die „Furcht aller vor einem geeinten Deutschland“ habe sich aufgelöst. Es drohe die Gefahr einer „Neutralisierung Mitteleuropas“. Wo wäre der Platz Deutschlands in diesem sich neu ordnenden internationalen System? Wohl schon im Bewusstsein der Krankheit, der er im April 1974 erliegen sollte, stellte Pompidou noch einmal eindringlich diese ihn ununterbrochen bewegende Frage. Brandt gab sich alle Mühe, die Westbindung Bundesrepublik als unverrückbare Grundlage deutscher Politik darzustellen. Frankreich habe keine Veranlassung, mit einer „Schaukelpolitik seitens der Bundesrepublik zu rechnen“. Die Zukunft Deutschlands, nach der Pompidou gefragt hatte, lag für Brandt in einem integrierten Europa. Die „europäische Dimension“ diene der Sicherung des Friedens und biete eine Chance dafür, „dass die Menschen durch Kommunikation Erleichterung erhalten“. Schließlich – doch das wollte Brandt nur intern und „nicht nach außen“ sagen – könne Europa für die Deutschen angesichts ihrer Geschichte eine „Art Ersatz-Vaterland“ sein. Pompidou war von diesen Ausführungen des

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Bundeskanzlers sichtlich beeindruckt. Es gebe in Frankreich Erinnerungen an die deutsche Geschichte, „die zu Unruhe hätten Anlass bieten können“. Brandt habe sich jedoch „darum bemüht, solche Erinnerungen wegzufegen“.157 Die Bemühungen wurden anerkannt. Was aber nicht hieß, dass die Erinnerungen tatsächlich weggefegt waren. Dies machte sich der kommende Mann in der CDU geschickt zunutze. Helmut Kohl scheute sich nicht, der SPD eine „Rapalloversuchung“ zu unterstellen, um gleichzeitig zu versichern, der Gedanke an Rapallo, also an eine deutsch-sowjetische Annäherung auf Kosten bestehender Verpflichtungen im Westen, sei bei den Unionsparteien nicht vorhanden.158 Entspannungskonformer Antikommunismus Im Frühjahr 1973 tauchte ein weiterer Störfaktor auf, der das Bild der Bundesrepublik im Westen beeinflusste. Nach dem epochalen Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition im November 1972 brachen in der SPD Flügelkämpfe aus, die zuvor wegen der schwachen parlamentarischen Basis der Regierung und aus Rücksicht auf den Machterhalt noch unterdrückt worden waren. Der Hannoveraner Parteitag der Sozialdemokraten im April 1973 offenbarte dann die innerparteilichen Fronten und Kräfteverhältnisse. Ein Viertel des Parteivorstands gehörte jetzt zum linken Flügel. Dagegen vermochte Brandt als Parteivorsitzender nichts auszurichten. Seine offene Kritik an denen, die „Theorie sagen und in Wirklichkeit Ideologie meinen“, machte aber doch einen gewissen Eindruck. Worum es ging, umschrieb der Bundesminister für besondere Aufgaben Werner Maihofer von der FDP. Er begrüßte Brandts Haltung und wünschte sich eine erfolgreiche Fortsetzung der Regierung, „dieses geschichtlichen Bündnisses der sozialen und liberalen Mitte“. Darin liege eine „einmalige Chance für unser Land“.159 Die Bruchlinien betonte dagegen der Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz. Für ihn stand die SPD vor einer „Existenzfrage“. Die Ostpolitik habe zu einer „gewissen Öffnung für die politischen

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Einflüsse des DDR-Kommunismus“ geführt und „Voraussetzungen für eine innerdeutsche Volksfront“ geschaffen. Die SPD müsse sich zwischen der „Einheit der Sozialisten“ und der „Solidarität der freiheitlichen Demokraten“ entscheiden.160 Außenpolitisch relevant wurden die Linkstendenzen, wenn sie als Konsequenz der Ostpolitik wahrgenommen wurden. Ging die Öffnung nach Osten mit dem Wunsch nach sozialistischen Veränderungen einher? Diese Vermutung wurde bei konservativen Kräften in der Bundesrepublik und in den USA schnell zur polemischen Anklage gegen die Ostpolitik. Sich wissenschaftlich gebende Autoren wie Hahn oder Literaten wie Hans Habe, der sich als Kolumnist an den diffamierenden Kampagnen der Springer-Presse beteiligte, landeten im Weißen Haus nicht im Papierkorb, sondern wurden Gegenstand ernsthafter Diskussionen. Einen Brief Habes an Kissinger leitete dieser gezielt an Nixon weiter, der den Inhalt begierig aufsog. Habe beschuldigte Brandt einer zweifachen Verfehlung, des Anti-Amerikanismus und des Sozialismus. Ziel sei ein unter deutscher Führung stehendes sozialistisches Europa, das schließlich unter sowjetischem Einfluss stehen werde. Nixon versah das fünfseitige Schreiben mit deutlichen Kommentaren. Habes „Analyse“ sei hellsichtig, verstörend und allzu wahr. Mit amerikanischen Vertrauensbekundungen müsse es ein Ende haben.161 Wie stark Kissinger, der sich auf seinen Realismus im politischen Geschäft viel einbildete, von solchen Vorstellungen beeinflusst werden konnte, zeigt nicht nur seine Reaktion auf Bahr, sondern auch ein Gedankenaustausch mit Jay Lovestone, dem außenpolitischen Berater der amerikanischen Gewerkschaftsführung, die an ihrer schon früher geäußerten Ablehnung der inzwischen intensivierten Ostkontakte des DGB festhielt. Kissinger gefiel sich darin, die Deutschen als „nicht boshaft, aber dumm“ zu bezeichnen und zu fragen: „Ist Bahr Kommunist?“162 Mit der amerikanischen Gewerkschaftsspitze traf in diesem Zeitraum auch Helmut Schmidt zusammen. Er tat sein Bestes, deren verzerrte Wahrnehmung der Bundesrepublik zu korrigieren und zu wiederholen, was

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er schon bei anderer Gelegenheit betont hatte: Ostkontakte änderten nichts an „unserer Gegnerschaft zum Kommunismus“.163 Im Unterschied zum Koalitionspartner FDP musste die SPD immer wieder zwei Pflichtübungen absolvieren. Zum einen konnte sie nicht oft genug versichern, ihre Außenpolitik wurzele im transatlantischen Bündnis. Zum anderen musste sie beteuern, die Ostpolitik ändere nichts an ihrer antikommunistischen Grundhaltung. Sowohl in der innenpolitischen Auseinandersetzung als auch in der außenpolitischen Absicherung gehörte das Bekenntnis zur doppelten Westbindung zu den ritualisierten Standardaussagen. Da half es wenig, dass die SPD in der Auseinandersetzung mit den Kommunisten nicht nur historisch erfahren war, sondern in ihrem Antikommunismus auch von niemandem übertroffen wurde. Brandt war seit den 1950er-Jahren der „Frontmann“ für die Westorientierung der Partei.164 Und doch verfehlte im Bundestagswahlkampf 1953 ein Plakat der CDU mit einer simplen Aussage nicht seine Wirkung: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau! Darum CDU“. Die gemeinsamen Wurzeln von Sozialdemokraten und Kommunisten ließen sich leicht instrumentalisieren. Hinzu kam die linke Vergangenheit mancher Sozialdemokraten. Brandt selbst hatte 1931 der SPD den Rücken gekehrt und war der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands beigetreten. Andere Sozialdemokraten in Brandts persönlichem Umfeld wie der Politikwissenschaftler Richard Löwenthal standen gegen Ende der Weimarer Republik links von der SPD. Als „Kanzlerberater“ war Leo Bauer wegen seiner kommunistischen Vergangenheit leicht angreifbar.165 Nicht zu vergessen natürlich Herbert Wehner, der zunächst in der sächsischen KPD und später an der Parteispitze in Berlin eine führende Rolle spielte, bevor er 1933 in den Untergrund ging und schließlich in die Sowjetunion emigrierte. Später sah er darauf, dass der SPD nichts unterstellt werden konnte. Ein wenig schulmeisterlich erinnerte er im Oktober 1969 daran, keinen Zweifel an der Westbindung der Bundes-

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republik aufkommen zu lassen. Er schickte Brandt „einige Erinnerungsposten für die Regierungserklärung“. In ihr sollte deutlich herausgestellt werden, dass „unsere Lage“ es nicht erlaube, „zwischen West und Ost zu stehen, zu pendeln oder zu schwanken“.166 Als ein knappes Jahr später der Moskauer Vertrag vorlag, hielt er es für geboten, den Grundsatz der doppelten Westbindung ausdrücklich hervorzuheben. Im Bemühen um die „Organisation des Friedens“ begrüßte er den Vertrag, „ohne dabei Freude an den Kommunisten zu haben“. Der Abgrenzung vom Kommunismus stellte er die „westlichen Verflechtungen“ an die Seite. Dass wir sie „pflegen, müssen wir ständig neu illustrieren und anschaulich machen“.167 Den Eifer des Bekehrten legte auch Leo Bauer an den Tag. Er wollte, dass die DDR als „kommunistischer“ und nicht als „sozialistischer Staat“ bezeichnet wird. „Schärfer als bisher“ solle man den „Unterschied zu den kommunistischen Staaten, die sich sozialistisch nennen, hervorheben.“ Im Wahlkampf werde dies „ganz sicher eine große Rolle spielen“.168 An sich war die sozial-liberale Regierung über jeden Verdacht erhaben, dem „kommunistischen System“ in irgendeiner Form „Vorschub“ zu leisten.169 Gleichwohl erschien es mehr als angebracht, ganz gezielt einen Trennungsstrich zu ziehen und sich gegen Veranstaltungen auszusprechen, „in die sich die DKP maßgebend einschaltet“. Brandt hatte „nichts gegen Diskussionen, an denen in angemessener Form auch Kommunisten teilnehmen“, aber er wollte die kommenden „Auseinandersetzungen“ über den Moskauer Vertrag „nicht unnötig“ belasten. Eine „aktive Friedenspolitik“ dürfe „nicht als Verwischung der grundsätzlichen Positionen in Fragen der freiheitlichen Demokratie verstanden werden“.170 Die ideologische Abgrenzung vom internationalen Kommunismus und die Distanzierung von seinen Organisationen und Veranstaltungen sollten nicht als Widerspruch zum staatlichen Handeln verstanden werden können, das auf Entspannung mit kommunistisch verfassten Staaten ausgerichtet war. Mit dieser Intention war die Entscheidung der Bundesregierung verbunden, die Zusammenar-

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beit zwischen dem BND, der die Ostpolitik anfangs als Sicherheitsrisiko verurteilte, und Interdoc, einer in Den Haag ansässigen Organisation, die sich die Aufklärung über den Weltkommunismus und die Immunisierung westlicher Gesellschaften vor seinen Verlockungen zur Aufgabe gemacht hatte, zu beenden.171 Die kommunikative Öffnung gegenüber den Staaten des Warschauer Pakts machte den Antikommunismus zu Hause mit der Entspannungspolitik nach außen vereinbar. Insofern unterschied sich der entspannungskonforme Antikommunismus, in der Forschung zuweilen auch „positiver“ Antikommunismus genannt, grundlegend vom Antikommunismus des Kalten Kriegs, dessen außenpolitische Funktion darin bestand, den Gedanken an eine kooperationsbereite Sowjetunion gar nicht erst zuzulassen. Jetzt ging antagonistische Kooperation auf der staatlichen mit Kooperationsverweigerung auf der gesellschaftlichen Ebene Hand in Hand. Vereinzelte Versuche vonseiten der Sowjetunion, parallel zur Annäherung der Staaten auch einen „Austausch zwischen gesellschaftlichen Organisationen“ durchzuführen, wurden von vornherein abgeblockt.172 „Auch in der Phase der Entspannung“ blieben „Kommunisten Kommunisten“ und „Sozialdemokraten Sozialdemokraten“, gab man dem sowjetischen Botschafter in Bonn zu verstehen, der seinerseits erkennen ließ, dass er verstanden hatte.173 An der Begegnung mit Zarapkin nahm auch Hans-Jürgen Wischnewski teil, Bundesgeschäftsführer der SPD und Mitglied im Parteivorstand. Er verband in seiner Person beides, ausgedehnte Kontakte nach Polen und Ungarn und kompromisslose Härte gegenüber Kommunisten in Deutschland. „Selbstverständlich“ könne man „mit Kommunisten nicht demonstrieren, selbst wenn es gegen faschistische Unterdrückung gehen sollte“.174 Die Parteiführung der SPD blickte bei ihrer Politik der Abgrenzung von den Kommunisten sowohl auf den innenpolitischen Gegner als auch auf die eigenen Mitglieder. Eine „nicht unbedeutende Zahl“ von ihnen schien „zumindest unsicher geworden“ zu sein.175 Einige Aufre-

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gung entstand, als eine hochrangige Delegation der Jungsozialisten im Juni 1970 nach Ost-Berlin fuhr, um mit dem FDJ-Vorstand Gespräche zu führen. Während des Aufenthalts erhielten sie eine überraschende Einladung Ulbrichts, die sie nach einigem Zögern annahmen. Schon die Tatsache des Treffens löste viel Kritik aus. Hinzu kam, dass sich die Jusos geduldig Ulbrichts Ideen über ein Bündnis aller linken und friedfertigen Kräfte anhören mussten. Die Jungen in der SPD ließen sich von dem Alten in der SED regelrecht vorführen. Für die Gegner der „neuen“ Deutschland- und Ostpolitik war es ein gefundenes Fressen, als der Springer-Presse, entgegen der ursprünglich vereinbarten Vertraulichkeit, die Nachricht zugespielt wurde und Die Welt schon einen Tag später darüber berichtete. Die Parteiführung reagierte mit einer geharnischten Kritik. Wischnewski drohte dem Juso-Vorsitzenden Karsten Voigt mit dem Parteiausschluss.176 Dazu kam es nicht, aber der Vorfall hinterließ tiefe Spuren. Schon bald beauftragte der Parteivorstand Richard Löwenthal, ein Grundsatzpapier über das Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus auszuarbeiten. Daraus ging im November 1970 ein Beschluss hervor, der die Abgrenzung vom Kommunismus zur Parteidoktrin erhob. Künftig war mit der Mitgliedschaft in der SPD keine irgendwie geartete Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten vereinbar. Den Schlusspunkt setzte Anfang 1972 der sogenannte Radikalenerlass, den die Innenminister der Bundesländer zusammen mit der Bundesregierung herbeiführten. Jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst wurde künftig auf seine Verfassungstreue überprüft. Der demokratische Rechtsstaat war entschlossen, sich seiner Feinde zu erwehren. Demokratische Gesinnung und Antikommunismus galten als Zwillingspaar. Wer tatsächlich Verfassungsfeind war, löste kontroverse Debatten aus. Der kräftige Anstieg der beim Verfassungsschutz Beschäftigten trug kaum zur Klärung dieser Frage bei. Brandt hat später den in der SPD von Beginn an umstrittenen Extremistenbeschluss als Fehler bezeichnet. Doch Anfang 1972 waren die Ostverträge noch nicht ratifiziert. Und

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um keinen zusätzlichen Druck entstehen zu lassen, sollte die „innenpolitisch bedrohte Flanke“ geschützt werden.177

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Die Ostpolitik trug zu einer deutlichen Entspannung in Europa bei. Mit den Nachbarn im Osten kam es zu einer Normalisierung der politischen Beziehungen und darüber hinaus zu einem Aufschwung im Handelsaustausch. Zugleich waren die Grenzen des Wandels nicht zu übersehen. Der Prozess der Entspannung erlebte aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen wiederholt Phasen der Stagnation. Darüber hinaus führte die Ostpolitik zu einer scharfen Polarisierung in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik. Die Unionsparteien verweigerten den Ostverträgen die Zustimmung. Dies betraf auch den Grundlagenvertrag mit der DDR. Allerdings hatte die Bundestagswahl im November 1972 der sozialliberalen Koalition zu einer soliden Mehrheit verholfen. Bundeskanzler Brandt, Außenminister Scheel und Finanzminister Schmidt konnten darum am 11. Mai 1973 im Bundestag ganz entspannt auf das Abstimmungsergebnis warten.

III Entspannung als Prozess

KONTRÄRE ERWARTUNGEN

Zum Jahreswechsel 1972/73 war der Ost-West-Konflikt endgültig in einen Zustand übergegangen, auf den der Begriff Kalter Krieg nicht mehr passte. Sowohl zwischen den Supermächten als auch zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion sowie Polen waren Abkommen ausgehandelt worden, die der Annäherung beider Seiten dienten und Voraussetzungen schufen, um unter Einschluss der neutralen und blockfreien Staaten mit der KSZE in multilaterale Verhandlungen über ein Regelwerk internationaler Beziehungen einzutreten. Die KSZE ging aus dem allseitigen Willen zur Zivilisierung des Ost-West-Konflikts hervor und erwies sich als Katalysator für die Langlebigkeit der Entspannungspolitik. Der Begriff Entspannung war vor Missverständnissen nicht gefeit, er provozierte sie geradezu. Denn Entspannung war, wie oft fälschlicherweise angenommen oder behauptet wurde, kein Zustand, sondern ein Prozess, der keinen linearen Verlauf nahm, weil an ihm Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Regierungen mit unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen beteiligt waren. Selbst innerhalb der Lager differierten die Erwartungen an die Auswirkungen von Entspannung. Der Entspannungsprozess relativierte die Vorstellung vom OstWest-Konflikt als Auseinandersetzung zwischen monolithischen Einheiten. Die langwierigen Verhandlungen der KSZE machten deutlich, dass es den Westen und den Osten nicht mehr gab. Einigkeit bestand immerhin darin, dass der Verzicht auf die Andro-

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hung oder Anwendung von Gewalt eine Grundvoraussetzung für Sicherheit darstellte und dass Zusammenarbeit allen zum Vorteil gereichen konnte. Genau darum ging es auf der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Der Basiskonsens, auf Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen zu verzichten, ließ jedoch die Frage unbeantwortet, ob damit die Unverrückbarkeit bestehender Grenzen gemeint war, oder ob eine Veränderung des Status quo mit friedlichen Mitteln erlaubt sein sollte. Ebenfalls umstritten war, um welche Formen der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen politischen Systemen und gesellschaftlichen Ordnungen es im Einzelnen gehen sollte. Dessen ungeachtet war es das gemeinsame Interesse an der Wahrung des Friedens, das den Prozess der Entspannung in Gang brachte und über Krisen hinweg am Leben erhielt. Denn dieser Prozess versprach ein ausreichendes Maß an Sicherheit sowie Vorteile durch Zusammenarbeit etwa auf wirtschaftlichem Gebiet. Gewaltfrei, aber nicht konfliktfrei Aber es war ein Prozess, der die prinzipiellen Gegensätze zwischen Ost und West nicht aufhob und infolgedessen nicht konfliktfrei verlaufen konnte. Das Spannungsverhältnis zwischen der Sicherheit versprechenden friedlichen Koexistenz einerseits und den in der Zukunft liegenden Unwägbarkeiten andererseits war schon Gegenstand der zeitgenössischen Reflexion. Der Kalte Krieg war vorbei, aber der Prozess der Entspannung blieb ein Kräftemessen. Diese Ambivalenz hat kaum jemand präziser erfasst als der polnische Parteichef Gomułka. Im September 1970 sprach er „vom Anfang eines neuen Wegs, vom Ende des Kalten Kriegs“. Um sogleich hinzuzufügen: „Ein neues unbeschriebenes Blatt liegt jetzt vor unseren Augen. Unsere Gegenspieler wollen das Blatt zu ihrem Vorteil beschreiben, wir zu unserem.“ Eine Spur schärfer wurde diese Einschätzung wenig später im Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei formuliert. Die Ostverträge der Bundesrepublik seien wichtig für die „Entspannung in

KONTRÄRE ERWARTUNGEN

Europa“. Zu erwarten sei nun jedoch „ein Prozess des Kampfes“.1 Als „Übergangsphase“ nahm Brandt die von ihm selbst maßgeblich mitgestaltete Lage wahr. Die „verkrusteten Strukturen des Kalten Kriegs“ seien „aufgebrochen“, jedoch „ohne dass schon die neuen Formen der internationalen Beziehungen überall gefunden oder, wo schon gefunden, ausreichend erprobt sind“.2 Kein Zweifel, Brandt musste ernüchtert festhalten, dass die Entspannungspolitik kein Selbstläufer war, sondern Anzeichen von Stagnation aufwies. Zwar hatte er von Anfang an gewarnt, mit „Rückschlägen“ sei zu rechnen. Entspannung sei ein „widerspruchsvoller Prozess“.3 Dennoch trat nach dem Schwung der Anfangszeit mit ihrer dichten Abfolge kommunikativer Ereignisse eine gewisse Enttäuschung ein. Für Brandt zeigte sich die Sowjetunion „nicht so kooperativ, wie man es sich vorgestellt“ hatte. Ende 1973 beklagte er den Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Sie müssten sich verbessern, „wenn die Politik der Entspannung in Europa und in der Welt dauerhaften Erfolg haben soll.“ Es bedurfte einer zusätzlichen Qualität der Entspannung, wenn sie unumkehrbar sein sollte. Ihre „Erweiterung“ sollte zu einem Grad von Nachhaltigkeit führen, der Entspannung doch zu einem Zustand hätte werden lassen.4 Ermutigend erschien aus westlicher Sicht, dass die Sowjetunion zusammen mit ihren Verbündeten eine Westpolitik verfolgte, die in Teilbereichen zu Austausch und Kooperation führte. Schon in Oreanda hatte Brandt den Eindruck gewonnen, Breschnew habe sich gegen Kritiker der Entspannungspolitik in der sowjetischen Führung durchgesetzt. Endgültig geschah dies im Mai 1972, als im Plenum des Zentralkomitees der KPdSU darum gerungen wurde, ob das Gipfeltreffen mit Nixon trotz der Eskalation der amerikanischen Kriegführung in Vietnam stattfinden sollte. Die Kooperation mit westlichen Staaten änderte nichts daran, dass die Sowjetunion nach wie vor einen imperialen Machtanspruch erhob und einer Staatsideologie verpflichtet blieb, die sich scharf vom Westen abgrenzte. Die Ost-West-Entspan-

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nung diente sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen, sollte aber die Grundlagen des Sowjetsystems nicht antasten. Daraus ergab sich ein Entspannungskonzept, das die Sicherung des Status quo betonte. Frieden konnte es nur geben, wenn die bestehenden innenpolitischen und gesellschaftlichen Strukturen und die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa entstandenen Kräfteverhältnisse nicht angetastet wurden. Im Unterschied dazu war im Westen mit Entspannung die Vorstellung von Wandel verbunden. Die bestehenden Grenzen sollten respektiert, aber durchlässiger werden. So setzte Frankreich schon im Sommer 1969 deutliche Akzente. Die von der Sowjetunion seit Langem geforderte Europäische Sicherheitskonferenz sollte sich nicht nur mit der internationalen Staatenordnung und mit Wirtschaftsbeziehungen befassen, sondern auch mit der Situation der Menschen, die in dieser Ordnung lebten. Auf die Agenda gehörten auch die Themen Menschenrechte und grenzüberschreitender Austausch von Personen, Ideen und Informationen. Dem statischen sowjetischen Denken stand eine dynamische Auffassung von Entspannung gegenüber, die sich im Dezember 1969 auch der NATO-Ministerrat zu eigen machte.5 Der französische Diplomat Jacques Andréani, der an den KSZE-Verhandlungen mitwirkte, hat zwischen „détente statique“ und „détente dynamique“ unterschieden.6 Der fundamentale Gegensatz zwischen diesen beiden Entspannungsbegriffen begleitete den Ost-West-Konflikt bis an sein Ende. Für die Bundesrepublik war er von besonderer Bedeutung. Auf der einen Seite kam die Bundesregierung dem statischen Denken der Sowjetunion entgegen, indem sie mit den Ostverträgen den territorialen Status quo bestätigte. Auf der anderen Seite verweigerte sie die völkerrechtsverbindliche Anerkennung der in der Nachkriegszeit gezogenen Grenzen. Um die deutsche Frage offenhalten zu können, musste sie im Sinne einer dynamischen Entspannungspolitik das bis an die innerdeutsche Grenze heranreichende sowjetische Imperium grundsätzlich in Frage stellen. Zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion konnte es eine vertragliche Ver-

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einbarung über den gewaltfreien Austrag von Konflikten geben, doch keinen Ausgleich der gegensätzlichen Interessen: „Das Hauptziel der sowjetischen Politik ist die Legalisierung des Status quo. Das Hauptziel unserer Politik ist die Überwindung des Status quo.“7 Schon Bahrs Vorgänger im Planungsstab des Auswärtigen Amtes wollte den „dynamischen Charakter“ der Ostpolitik betont wissen. Auch Bundeskanzler Kiesinger hatte kurz nach seinem Amtsantritt betont, die bloße „Aufrechterhaltung des Status quo“ sei „keine Entspannung“.8 Das sah auch die Regierung Brandt/Scheel so, doch beachtete sie die politisch zwingende Reihenfolge und verband die momentane Respektierung des Status quo mit der Langzeitperspektive seiner schrittweisen Transformation. Die Sowjetunion nahm es hin, dass die Bundesregierung dem sowjetischen Verlangen nach Stabilität nur in einem ersten Schritt entsprach, im Übrigen aber kein Geheimnis daraus machte, dass sie einen allmählichen Wandel anstrebte. Indem sich die Sowjetunion der Dialektik von Stabilität und Wandel aussetzte, ging sie ein hohes Risiko ein. Wie sich herausstellte, musste sie sowohl in den Beziehungen mit westlichen Staaten als auch innerhalb ihres Machtbereichs Zug um Zug Abstriche an ihrem statischen Entspannungskonzept machen und mehr Wandel zulassen als ihrem Herrschaftssystem entsprach. Zuerst traf es die DDR, wie Sonnenfeldt schon Ende 1972 beobachtete. Er hatte wenig Sympathie für die Ostpolitik. Aber er erkannte neidlos an, dass die Annäherung, von der Bahr schon 1963 in Tutzing gesprochen hatte, jetzt begann und die DDR der Dynamik des Wandels aussetzte.9 Das Dilemma der Sowjetunion Die Sowjetunion befand sich in einem Dilemma. Sie brauchte die Bundesrepublik und empfand sie gleichzeitig als Eindringling im sozialistischen Lager. Gebraucht wurde sie aus wirtschaftlichen Gründen und als unverzichtbarer Partner für das Zustandekommen der KSZE. Sie stellte aber zugleich die größte Herausforderung in Europa dar, weil

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sie sich nicht mit dem Status quo zufriedengab. Damit erweckte sie das Misstrauen beider Supermächte, die übereinstimmend einem statischen Begriff von Entspannung folgten. Die USA befürchteten die Rückkehr alter Untugenden deutscher Großmachtpolitik. Die Sowjetunion konnte nicht die Augen davor verschließen, dass der Ausbau der Ost-West-Beziehungen auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Sektor zu einer allmählichen Öffnung der Länder des Warschauer Pakts und zu ihrer Veränderung führen würde. Man fürchtete, dass aus der „systemöffnenden Koexistenz“ zwischen West und Ost eine „Systemveränderung“ im Osten erwachsen könnte.10 Fürs Erste reichten die Mittel überlegener militärischer Macht und die Instrumente der Staatssicherheitsorgane aus, um den imperialen Besitzstand zu erhalten und für Ruhe im Innern zu sorgen. Auf längere Sicht jedoch waren die Auswirkungen der westdeutschen Transformationsstrategie schwer einzuschätzen. Der Prozess der Entspannung blieb konfliktgeladen. Es bestand keine Aussicht auf einen stabilen Entspannungszustand. Wer angesichts einer sich anbahnenden internationalen Wissensgesellschaft das Ende der Ideologien prognostizierte, oder wer bereits die Konvergenz der kapitalistischen und sozialistischen Gesellschaftsordnung kommen sah und zwischenstaatliche Entspannung mit einem Ende des ost-westlichen Systemkonflikts verwechselte, ignorierte weiterhin bestehende Unvereinbarkeiten und saß einer gründlichen Fehlwahrnehmung auf. Der Austausch zwischen Ost- und Westeuropa sollte „auf allen Gebieten nach Kräften“ gefördert werden, wünschte sich Brandt. Um Missverständnisse zu vermeiden, fügte er hinzu: „Mit Konvergenz der Systeme hat dies nichts zu tun. Für uns heißt Koexistenz Bewahrung, nicht Aufgabe unseres Systems.“11 Spiegelbildlich dazu, wenn auch weniger selbstsicher, kommentierte in Moskau Tschernjajew in seinem Tagebuch die Lage. Als führender Mitarbeiter in der internationalen Abteilung des Zentralkomitees litt er darunter, dass Breschnews Entspannungspolitik die Fesseln der revolutionären

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Tradition und des imperialen Denkens nicht abstreifen konnte. Die Entspannung bleibe auf halbem Weg stecken, solange an den „Hauptsäulen des Systems“ festgehalten werde: am militärisch-industriellen Komplex, an der vom KGB kontrollierten politischen Ordnung mit ihrer „repressiven Ideologie“ und an der „geschlossenen Gesellschaft“.12 Es klang, als ersehnte Tschernjajew eine Verwestlichung der Sowjetunion, was sich niemand konkret vorstellen konnte, auch Brandt nicht, der aber eine schrittweise Liberalisierung im Osten irgendwann durchaus für möglich hielt. Es war bemerkenswert, dass die sowjetische Propaganda keinen Versuch unternahm, der Bundesrepublik zu unterstellen, sie unterstütze „konterrevolutionäre“ Kräfte. Dieser Vorwurf war das letzte Mal erhoben worden, als die sowjetische Führung 1968 ihren Einmarsch in die Tschechoslowakei mit diesem Argument zu rechtfertigen versuchte. In der Tat dachte man in Bonn nicht im Entferntesten an eine aktive Destabilisierung der kommunistischen Staaten. Vielmehr wurde ein Wandel im Osten als Folge der von beiden Seiten gewünschten Entspannung erwartet. „Normalisierung verändert Warschauer Pakt“, lautete Brandts Erwartung an die Entspannungspolitik.13 Zu deren Auswirkungen gehörte neben der Lockerung der Blockdisziplin der Abbau von Feindbildern. Die „Weltlage“ insgesamt war „nicht mehr dominiert durch Bipolarität“. Die „kommunistische Welt“ konnte nicht mehr als „monolithisch“ wahrgenommen werden.14 Jetzt war zunehmend möglich, was in den 1960er-Jahren noch für Probleme gesorgt hatte. Die Bundesrepublik konnte Beziehungen zu ihren östlichen Nachbarn aufbauen, ohne dass die sowjetische Hegemonialmacht dagegen einschritt oder einzelne Staaten wie Polen oder die DDR ihr Veto einlegten. Im Londoner Außenministerium war von einem „friedlichen roll back“ der Sowjetunion die Rede, das sich im Zuge der KSZE ergeben könne, von einem Zurückdrängen der Sowjetunion in entspannungsgerechter Form und nicht durch Konfrontation, wie es die roll-back-

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Konzeption des amerikanischen Außenmisters John Foster Dulles im Kalten Krieg vorgesehen hatte.15 An die Möglichkeit einer friedlichen Demontage der nach dem Zweiten Weltkrieg in Osteuropa errichteten sowjetischen Herrschaft dachte auch Egon Bahr. Bei einem Treffen mit seinen Kollegen in den amerikanischen und britischen Planungsstäben im April 1969 machte er kein Hehl aus der offensiven Seite der Ostpolitik. Er empfahl Projekte, die Ost- und Westeuropa verklammern sollten und für Wandel in den wechselseitigen Beziehungen sorgen würden. Die dadurch eintretende Erosion der sowjetischen Interessensphäre müsse jedoch äußerst vorsichtig erfolgen, gewissermaßen schleichend und fast unmerklich. Denn man dürfe die Sowjetunion nicht offen herausfordern, um die internationale Stabilität nicht zu gefährden. Wenn es gelänge, das Wechselspiel von Stabilität und Wandel kontrolliert durchzuhalten, könne man hoffen, das „Hauptziel“ zu erreichen, nämlich die „Befreiung Osteuropas“.16 An gemeinsamen Projekten, vor allem wirtschaftlicher Art, war allen Staaten des Warschauer Pakts gelegen. Eine Pionierrolle nahm Rumänien ein. Seit Mitte der 1960er-Jahre wollte das Land der sowjetischen Oberherrschaft entkommen, allerdings ohne den Warschauer Pakt zu verlassen. Beansprucht wurden nationale Eigenständigkeit und außenpolitische Handlungsfreiheit. Im Mai 1970 reiste Parteichef Ceaus¸escu nach Moskau, um bei Breschnew um Verständnis für seinen Kurs zu werben. Für Ceaus¸escu sprach, dass er im Unterschied zu den Reformern des Prager Frühlings unbedingt am Machtmonopol der Kommunistischen Partei festhalten wollte. Ausschlaggebend allerdings war, was gegen ihn sprach. In der Deutschlandpolitik ging er einen eigenen Weg. Dem amerikanischen Präsidenten hatte er im August 1969 einen pompösen Empfang bereitet. Das „Kokettieren mit dem Imperialistenführer“ missfiel Breschnew. Es habe „nichts mit friedlicher Koexistenz“ zu tun.17 Ganz und gar nicht hinnehmbar war im Juni 1971 Ceaus¸escus Reise in die Volksrepublik China und nach Nordkorea. Damit wurde Rumänien zum „feindlichen Bruderland“. Es stellte sich

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in Breschnews Worten offen „gegen die Interessen unserer Gemeinschaft“ und führte einen „Kampf gegen uns“.18 In dieser Lage war die KSZE für Rumänien eine willkommene Gelegenheit, auf die territoriale Integrität und Souveränität der Nationalstaaten zu pochen und jegliche Blockbildung abzulehnen. Mit der Grundsatzkritik an Hegemonialbildung waren beide Supermächte gemeint, und sogar die Bundesrepublik blieb davon nicht völlig verschont. Sie neige dazu, als „Großmacht“ aufzutreten. Es bestehe die Gefahr von deutsch-sowjetischen Absprachen auf Kosten anderer Länder.19 Auch in Polen sah man die Kontakte zwischen Brandt und Breschnew „mit einem gewissen Misstrauen“. Edward Gierek, der neue starke Mann an der Parteispitze, hätte es begrüßt, wenn Brandt auf dem Rückflug von Oreanda einen Zwischenstopp in Warschau eingelegt hätte.20 Als Gomułkas Nachfolger versuchte er, auf die Unruhen im Dezember 1970 mit einer Politik der nationalen Erneuerung und verstärkter Westorientierung der Wirtschaft zu reagieren. Die Bundesrepublik war dabei ein wichtiger, aber nicht der einzige Partner. Es schwang eine gewisse Unsicherheit in der Einschätzung der Bundesrepublik mit, wenn die Entente Frankreichs mit der Sowjetunion und mit Polen als unverzichtbares Fundament für Entspannung und Frieden beschworen wurde.21 Der Prozess der Entspannung führte zu einer verstärkten Präsenz der Bundesrepublik in Ostmittel- und Südosteuropa, aber nicht zu ihrer vorbehaltlos positiven Wahrnehmung. Für die Bundesrepublik stellte der Osthandel eine quantitativ bescheidene Ergänzung im Außenhandel dar, der überwiegend mit der westlichen Welt abgewickelt wurde. Er war aber ein wirkungsvolles Mittel, wenn die Blockdisziplin im Osten unterlaufen werden sollte. Wirtschaftliche Kontakte waren sachlich begründet und politisch nicht allzu verdächtig, weil alle Staaten des Warschauer Pakts Handelsverträge mit der Bundesrepublik abschlossen. Westkontakte im Wirtschaftsgewand galten nicht als Verrat an der Solidarität mit der sozialistischen Familie. Ungarn etwa pflegte reibungslos wirtschaftli-

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che und andere Kooperationen mit der Bundesrepublik als seinem wichtigsten Partner im Westen. Mit der an sich seit Langem gewünschten Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen konnte das Land gelassen warten, bis die Vorgaben des Warschauer Pakts erfüllt waren, die eine vorherige Regelung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten verlangten. Friedliche Offensive oder Aggression auf Filzlatschen Die Normalisierung der politischen Ost-West-Beziehungen weckte in der Bundesrepublik die Erwartung, dass ältere Überlegungen zur Möglichkeit einer „friedlichen Offensive“ gegen das sowjetische Imperium Gegenstand der politischen Planung werden könnten. Nach der Okkupation der Tschechoslowakei hielt Brandt dem Einsatz militärischer Gewalt den Glauben an die Kraft der Kommunikation entgegen, die ein Wesensmerkmal „moderner Industriegesellschaften“ sei. Wenn sich die Sowjetunion in diese Richtung entwickeln wolle, werde sie sich den grenzüberschreitenden Wirkungen westlicher Standards nicht entziehen können. Die „Zwangsläufigkeiten der modernen Industriegesellschaft“ würden, so Brandts Vorhersage, die „engen Machtbeherrschungsinteressen der sowjetischen zentralen Führung“ vor gewaltige Herausforderungen stellen.22 Fünf Jahre später beurteilte Bahr die Aussichten für eine „friedliche Offensive“ positiv. Ihm schwebte eine „systematische, aber nicht wahllose Erweiterung der wirtschaftlichen Ost-West-Beziehungen“ vor, und er rechnete damit, dass sie die „Widersprüche in den kommunistisch regierten Ländern steigern und zu weiteren Modifikationen des Systems beitragen“ werde. Man solle diese Entwicklung vorantreiben, aber unbedingt darauf achten, dass sie „keinen explosiven und nicht kontrollierbaren Umschlag erfährt“, sprich: die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion nicht unmittelbar berührt.23 Was in Bahrs Kopf wie eine raffinierte Roadmap zur Schwächung der kommunistischen Welt aussah, warf kaum zu beantwortende Fra-

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gen auf und traf zudem in der realen Politik auf unüberwindbare Hindernisse. Wie sollte die Entwicklung gesteuert werden, um den angestrebten Wandel in geordneten Bahnen zu halten? Welchen Verlauf würde die Wirtschaft auf beiden Seiten nehmen? Mit welchen Schwierigkeiten zu rechnen war, zeigte sich schon einen Monat später, als Breschnew nach Bonn kam. Politisch, so notierte Tschernjajew in seinem Tagebuch, galt das erneute deutsch-sowjetische Gipfeltreffen als „Symbol für eine neue Ära“. Er kannte die Bundesrepublik von einem nicht lange zurückliegenden mehrtätigen Besuch zur Kontaktpflege mit der DKP. Seinerzeit hatte er großes Lob für die Funktionäre der Partei und das Engagement ihrer Mitglieder gefunden, auch wenn er sie in der Bundesrepublik auf verlorenem Posten sah. Was er sonst im Westen Deutschlands sah, hatte ihn tief beeindruckt – angefangen von der Infrastruktur und den Industrieanlagen bis zur Schönheit der Frauen. Der Kontrast zu seinem eigenen Land zeigte ihm, dass es einen echten Start in eine neue Ära nur geben konnte, wenn es auf sowjetischer Seite weniger „kulturell und ideologisch“ begründeten Widerstand gegen eine echte wirtschaftliche Kooperation gäbe.24 Mit einem Wort: Bahrs Vision traf auf Tschernjajews Resignation. Vor seinem Aufbruch nach Deutschland hatte sich Breschnew vom Plenum des Zentralkomitees das Plazet für eine Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit der Bundesrepublik geholt. Breschnew habe einen „großen Sieg“ davongetragen, erfuhr Bahr über den geheimen Kanal. Zur Besänftigung seiner Kritiker habe er behauptet, man könne das „so organisieren, dass der Kapitalismus für die Sache des Sozialismus arbeitet“.25 Glaubt man Tschernjajews Beobachtungen, so kamen Breschnew bald Zweifel, ob eine konsequente Wende in der sowjetischen Außenwirtschaft wegen ihrer gesellschaftlichen und psychologischen Konsequenzen mit der bestehenden Ordnung vereinbar wäre. Schließlich könne man nicht die „Tür für ausländisches Kapital öffnen“ und ernsthaft eine „internationale Arbeitsteilung“ mit direktem Westkontakt vieler Beschäftigter ins Auge fassen und zugleich an dem „tro-

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ckenen Dogma“ der reinen Lehre festhalten.26 Westkontakte waren erwünscht und notwendig, um den sowjetischen Nachholbedarf an moderner Technologie zu stillen, aber man fürchtete die Anziehungskraft des Westens.27 Stärker als für jedes andere Mitglied des Warschauer Pakts galt dies für die DDR. Schon 1969 hatte Gomułka vor den Konsequenzen enger Wirtschaftsbeziehungen zur weit überlegenen Bundesrepublik gewarnt. Letztlich werde die DDR sich nicht dagegen wehren können, „geschluckt“ zu werden.28 So weit war es zwar noch lange nicht, aber mit dem Abschluss der Ostverträge wurden die Grenzen durchlässiger. Die DDR war kein „abgeriegelter Staat“ mehr und die „Frage der Einheit der Nation“ keineswegs zu den Akten gelegt. Diese Einschätzung Bahrs wurde vom sowjetischen Botschafter Falin uneingeschränkt geteilt. Brandt nehme die Stellung eines „nationalen Helden“ ein. Er habe eine nationale Vision, deren materielle Basis in den wirtschaftlichen Verbindungen zu sehen sei, aber auch in den zahlreichen innerdeutschen Kontakten. Sie wirkten wie „Unterwasserströmungen“, „die letztlich das Leben des Ozeans bestimmen“.29 Tatsächlich registrierte die Stasi in der Bevölkerung der DDR eine Welle der Zustimmung zu Brandt als „Autoritätsperson im Weltmaßstab“, was Honecker im Kreis seiner Bündnispartner beredt umschrieb. Die DDR sei infolge der steigenden Besucherzahlen und der Telefonkontakte sowie der „ideologischen Diversion“ seitens der „Massenmedien der BRD“ viel „stärker“ als andere sozialistische Staaten „mit der bürgerlichen Ideologie konfrontiert“. Man dürfe nicht die Augen davor verschließen, dass die Bonner Regierung letztlich die „Liquidierung der sozialistischen DDR“ anstrebe.30 Dass sich die DDR von innen auflösen könnte, ahnte Honecker vielleicht. Solchen Albträumen zu begegnen war die Aufgabe des Ministeriums für Staatssicherheit, an dessen Spitze Erich Mielke stand. Es sollte Einflüsse aus dem Westen abwehren, insbesondere der ideologischen Versuchung entgegentreten, die von der Partei ausging, die so-

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ziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Während die Frontstellung gegenüber den Unionsparteien als politischer Organisation des Klassenfeindes leichtfiel, handelte es sich bei der SPD um eine Partei, die sich im linken politischen Spektrum verortete und insofern eine gewisse Schnittmenge mit den Kommunisten aufwies. Aus deren Sicht diskreditierte sie sich zwar selbst, weil sie Reformen im Rahmen des parlamentarischen und marktwirtschaftlichen Systems anstrebte und zudem mit dem bürgerlichen Liberalismus in Gestalt der FDP ein Regierungsbündnis bildete. Zugleich aber blieb sie die Partei der lohnabhängigen Massen mit einer erheblichen Ausstrahlung auf die DDR. Nicht nur dort, sondern in der gesamten kommunistischen Welt wurde von der Gefahr des Sozialdemokratismus gesprochen. Der Prager Frühling war das sichtbarste und bedrohlichste Zeichen für seinen Vormarsch. Auch nachdem die Reformbewegung in der Tschechoslowakei 1968 mundtot gemacht worden war, hielt Breschnew die Gefahr keineswegs für gebannt. Er machte an vielen Stellen einen „Anflug von Revisionismus und Reformismus“ sowie „Tendenzen eines Sozialdemokratismus“ aus.31 Die westdeutschen Sozialdemokraten galten als kooperative Partner im Entspannungsprozess, sollten aber ihr Image als ideologischer Feind nicht verlieren. Man dürfe sich keine Illusionen über die wahren Ziele der Regierung Brandt machen, warnte Breschnew in realistischer Einschätzung der sozial-liberalen Bundesregierung, die sich tatsächlich programmatisch und deutschlandpolitisch als Gegenpol zu den Vorstellungen des sozialistischen Lagers verstand. Die am Status quo orientierte Entspannungspolitik Breschnews war gezwungen, Risiken so gering wie möglich zu halten. Darum verlangte er von der DDR eine entschlossene „Abgrenzung“ von der Bundesrepublik und eine „Trennung aller Fäden“, von denen die DDR „in die Vergangenheit“ des früheren Deutschlands gezogen werden könnte.32 Wie berechtigt diese Forderung war, machte die spontane Kundgebung zur Begrüßung Brandts am 19. März 1970 in Erfurt deutlich. Mielke hatte

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Maßnahmen zur Abschirmung des ersten deutsch-deutschen Spitzentreffens angeordnet. Das Codewort „Konfrontation“ zeigte, wie die Staatssicherheit die Veranstaltung bewertete.33 Als die Menge die Absperrungen durchbrach und Brandt zujubelte, erlitten die Staatsschützer einen Schock traumatischen Ausmaßes. Die Gefahr des Sozialdemokratismus stand ihnen überdeutlich vor Augen. Sie begleitete die DDR bis zu ihrem Ende. In ostdeutscher Perspektive galt die Ostpolitik – nicht zu Unrecht – als „Aggression auf Filzlatschen“. Denn was nützte es, wenn die Integrität der DDR in aller Form garantiert wurde, der mit der Entspannungspolitik „institutionalisierte Dialog“ aber zugleich zu einer „Politik des ideologischen, politischen, ökonomischen und kulturellen Eindringens“ in die DDR führte?34 Als Reaktion darauf erhöhte die Staatssicherheit zwischen 1969 und 1975 die Zahl ihrer hauptamtlichen Mitarbeiter um 50 Prozent, dazu wurden die Maßnahmen zur Sicherung der innerdeutschen Grenze laufend verstärkt. Außerdem sollte die Stasi dafür sorgen, dass sich die Freizügigkeit von Menschen und Informationen, die von der KSZE verhandelt wurde, in engen Grenzen hielt. Da hatte es die sowjetische Führung leichter, „Herr im eigenen Haus“ zu bleiben. Die DDR konnte die Verbreitung westlicher Printmedien einschränken, jedoch nicht den Empfang der westdeutschen Radio- und Fernsehprogramme verhindern. Hinzu kam die steigende Zahl von Besuchern aus dem Westen. Die in der DDR beklagte Wirkung der Entspannungspolitik war einerseits genau das, was ihre westdeutschen Protagonisten begrüßten und auch wollten. Andererseits musste von westdeutscher Seite alles unterlassen werden, was wie eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR aussah. Die Erinnerung an 1968 war allgegenwärtig, wie sich Anfang 1971 zeigte, als Bahr nach den Unruhen in Polen von „wachsenden Tendenzen einer Demokratisierung“ bei dem östlichen Nachbarn erschreckt war. Würde diese Entwicklung die „Form eines Steppenbrands“ annehmen, werde die Sowjetunion „frü-

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her intervenieren als in Prag“. Dann aber sei mit einer „Blockierung“ der laufenden Verhandlungen zu rechnen, mit negativen Folgen insbesondere für Berlin.35 Bahrs Befürchtungen erwiesen sich als grundlos, sodass weiterhin auf die Praxis steter Kommunikation durch den Eisernen Vorhang gesetzt werden konnte. Brandt erwartete weder von formellen Vereinbarungen noch gar von Druck auf kommunistische Regime eine Transformation der Ost-West-Beziehungen und der Verhältnisse im Osten. Man dürfte Politik nicht mit „Juristerei“ verwechseln. Menschenrechtsfragen könne man nicht vor ein „Amtsgericht“ in Helsinki bringen, wo die Schlussakte der KSZE unterschrieben wurde, welche die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten enthielt.36 Brandt wollte lieber auf das ansteckende „Virus der Freiheit“ setzen.37 Seine Übertragung würde in der durch friedliche Koexistenz ermöglichten Beziehungsdynamik erfolgen. Sie schaffe, wie Herbert Wehner einem im westdeutschen Exil lebenden tschechoslowakischen Sozialdemokraten schrieb, die Voraussetzung zur Verwirklichung des allen Gesellschaften innewohnenden Wunsches nach Liberalisierung. Wie Brandt glaubte auch Wehner an „Naturgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung“, die sich auch in der Sowjetunion „Geltung verschaffen“ würden. Er wusste aber auch: „Von außen können sie nicht aufgezwungen werden. Jeder Versuch solcher Art bewirkt nur Gegenteiliges und Schlimmes.“38 Darum wollte Brandt nur hinter verschlossenen Türen über seine Erwartungen sprechen. Der Prager Frühling werde sich wiederholen, sogar in der Sowjetunion und möglichst unter günstigeren Umständen als 1968 in der Tschechoslowakei, damit „auch in der Sowjetunion selbst die starren und verkrusteten Formen aufgelockert werden können“. Auf keinen Fall wollte Brandt seine Sichtweise veröffentlicht sehen, um die Furcht vor dem Sozialdemokratismus nicht unnötig zu schüren.39 In dieser Phase ging es darum, Interessen und Werte gegeneinander abzuwägen. Es hätte dem Interesse an einer Konsolidierung der Entspannung geschadet, wenn der

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Wert der Freiheit mit der Betonung auf Liberalisierung und Menschenrechten vorangestellt worden wäre. Diesen Kurs verfolgte auch Schmidt, in dessen Kanzlerschaft der Abschluss der KSZE fiel. Er wollte – ähnlich wie Schwedens Ministerpräsident Olof Palme – die erreichbar erscheinenden Ziele einer stabilitätsorientierten Entspannungspolitik nicht durch in seinen Augen unerfüllbare Forderungen nach individuellen Freiheitsrechten gefährden. Außenminister Genscher sah dies ebenso und meinte, im Westen laut gewordene Wünsche müssten „halbiert“ werden.40

ANTAGONISTISCHE KOOPERATION

Die Zurückhaltung der Bundesregierung ging einher mit einer Forderung, die in der Sowjetunion und erst recht in der DDR als eine Art Kampfansage empfunden wurde. Schmidt wiederholte bei seiner ersten Begegnung als Bundeskanzler mit Breschnew die schon von Bahr 1970 in den Verhandlungen mit Gromyko ausgesprochene Weigerung, die nach 1945 entstandene Nachkriegsordnung als unverrückbar anzuerkennen. Das danach ausgehandelte geregelte Nebeneinander der beiden deutschen Staaten sollte eine spätere gesamtdeutsche Lösung nicht ausschließen. Daran erinnerte Schmidt 1974 in Moskau. Seine Regierung verfolge bei den KSZE-Verhandlungen „nur ein vitales Interesse“. Der „Grundsatz der friedlichen Grenzänderung“ müsse ohne Einschränkung bestätigt werden. Gemeint war die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Breschnew sollte nicht vergessen, dass der „deutschlandpolitische Revisionismus“ einen unaufhebbaren Interessenkonflikt darstellte. Im gleichen Atemzug nannte Schmidt einen weiteren Dissens, der sich in den kommenden Jahren krisenhaft zuspitzen sollte. Er verlangte, die sowjetischen Mittelstreckenraketen ebenso einer Rüstungskontrolle zu unterwerfen wie die konventionellen Truppen. Man brauche vielleicht „nicht so viele Raketen in Europa“. Schmidt wollte ein „Gleichgewicht zu den sowjetischen Truppen und Raketen“ erreichen.41

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Stagnation der Ostpolitik Damit sind zwei zentrale Punkte genannt, die seit 1972/73 den deutschsowjetischen Antagonismus ausmachten. Hinzu kamen weitere Themen, bei denen es in den deutsch-sowjetischen Beziehungen knirschte, nämlich die Unzufriedenheit über den Stand der Wirtschaftsbeziehungen und der nicht enden wollende Disput über die Interpretation des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin. Für Brandt war es von „erstrangiger Bedeutung, dass Berlin (West) in die beiderseitige Zusammenarbeit“ einbezogen wird.42 Dieser an Breschnew gerichtete Appell schien erforderlich, weil das Berlin-Abkommen zwar den Zugang zur Stadt sicherte, aber keine eindeutigen Aussagen über die Art der mit der Bundesrepublik bestehenden Bindungen enthielt, sodass auch ungeklärt war, ob West-Berlin automatisch in Verträge der Bundesrepublik mit Staaten des Warschauer Pakts einbezogen war. Trotz intensiver Bemühungen reichte es zum Abschluss von Breschnews Aufenthalt in Bonn im Mai 1973 nur zu einer „salomonischen Formel“, die jedoch abermals unterschiedliche Auslegungen zuließ. Man einigte sich darauf, die „strikte Einhaltung und volle Anwendung“ des Abkommens als „wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Entspannung im Zentrum Europas“ zu betrachten.43 Wie wenig brauchbar diese vage Formulierung im Einzelfall war, zeigte sich bei den Gesprächen mit der Tschechoslowakei, die seit Frühjahr 1971 geführt wurden, um den Komplex der bilateralen Ostverträge abzuschließen. Nachdem endlich eine Einigung über die Ungültigkeit des Münchner Abkommens von 1938 gefunden war und der Vertrag im Herbst 1973 unterschriftsreif zu sein schien, musste noch die ungeklärte Berlin-Problematik behandelt werden. Die Staaten des Warschauer Pakts akzeptierten nicht, dass die westdeutschen Botschaften Rechtshilfe für West-Berliner Gerichte und Behörden leisten wollten. Diese restriktive Auslegung des Berlin-Abkommens wollte das Auswärtige Amt nicht hinnehmen und bemühte sich, die nun folgende Hängepartie mit Prag zugunsten der Bonner Sicht zu

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entscheiden. Eine Nachfrage des tschechoslowakischen Außenministeriums in Moskau ergab, dass dem Bonner Druck nicht nahgegeben werden sollte. Eine Entscheidung behielt sich die sowjetische Hegemonialmacht selbst vor. Sie fiel, als Scheel und Gromyko Anfang November 1973 übereinkamen, dass sich West-Berliner Gerichte direkt an Gerichte in einzelnen Ländern wenden konnten. Erst jetzt war der Weg für Brandt und Scheel zur Unterzeichnung des Prager Vertrags am 11. Dezember 1973 frei. Er wurde in der „Absicht“ geschlossen, „dauerhafte Grundlagen für die Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen zu schaffen“.44 Die im Vergleich zu den beiden anderen Ostverträgen mühsamen Verhandlungen mit der Tschechoslowakei waren ein überdeutlicher Beweis dafür, dass Entspannungspolitik eine Mischung aus entgegenkommender Kooperationsbereitschaft und hartnäckiger Interessenwahrung war. Die antagonistische Kooperation blieb das bestimmende Verhaltensmuster im Ost-West-Konflikt bis zu dessen Ende. Die bilateralen Beziehungen waren davon ebenso betroffen wie die multilateral angelegte KSZE. Die Reaktionen auf das janusartige Erscheinungsbild des Entspannungsprozesses waren entsprechend vielfältig. Man konnte vom immer schon vorhergesagten Scheitern der Entspannungspolitik sprechen oder die Ambivalenz im Ost-West-Verhältnis als Fortschritt gegenüber früheren Phasen bezeichnen, die stärker von Konfrontation geprägt waren. Wolfgang Schollwer, einer der entspannungspolitischen Vordenker in der FDP, zeigte sich von auftretenden „Schwierigkeiten“ und „Komplikationen“ überhaupt nicht überrascht. Dass es dazu „kommen könne, daran dürfte doch kein vernünftiger Mensch gezweifelt haben“.45 Man konnte sich auch auf den Standpunkt stellen, dass in der Durchführung der Ostpolitik Fehler gemacht wurden, welche die Sowjetunion „verunsichert und verstimmt“ hätten. Solche Fehler wollte etwa der neu bestallte Staatssekretär im Bundeskanzleramt Günter Gaus entdeckt haben. Die Verhandlungsführung des Auswärtigen Amtes mit der Tschechoslowakei habe in Moskau

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den Eindruck aufkommen lassen, der Bundesregierung fehle es an ostpolitischem Elan.46 Ganz ähnlich klang es in einer Ermahnung, die der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner schon vor Abschluss des Berlin-Abkommens aus seinem Urlaub auf Öland an Brandt schickte. Man dürfe die Sowjetunion „nicht überstrapazieren“.47 Diese Ansicht vertrat Wehner auch in der Folgezeit, als er sich dagegen wandte, das Berlin-Abkommen zugunsten der Bundesrepublik auszulegen. Das Abkommen erwähnte „Bindungen“ zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin, die „erhalten und entwickelt“ werden sollten. Doch was war unter „entwickeln“ zu verstehen? Etwa auch die Einrichtung einer Bundesbehörde wie des Umweltbundesamts? Als entsprechende Pläne bekannt wurden und die DDR mit sowjetischer Rückendeckung darin eine Verletzung des Berlin-Abkommens erblickte, riet Wehner davon ab, das Vorhaben weiterzuverfolgen. Verantwortlich für die in seinen Augen zu forsche Berlinpolitik seien das Auswärtige Amt und auch Bahr. Wehner scheute sich nicht, seine Kritik selbst gegenüber Ausländern wie Botschafter Falin oder polnischen Gesprächspartnern zu äußern.48 Im September 1973 ließ Wehner dann jedes Maß vermissen, als er in Moskau gegen den angeblichen Stillstand in der Ostpolitik und ausdrücklich auch gegen die Person des Bundeskanzlers polemisierte. Als Mitglied einer Bundestagsdelegation traf er außerhalb des offiziellen Programms unter anderem mit dem Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen im Zentralkomitee der KPdSU, Boris Ponomarjow, zusammen. Von ihm hörte er, wie unzufrieden die Sowjetunion mit dem Verlauf der Ostpolitik sei, sodass sich Wehner in seiner eigenen Haltung bestätigt sah. Bei einem abendlichen Empfang in der deutschen Botschaft hatte er dann einen seiner cholerischen Ausbrüche, für die er bekannt war, und äußerte sich in Gegenwart von deutschen Journalisten in abfälliger Weise über Brandt. Unabhängig davon, ob er wörtlich gesagt hatte, was dann in deutschen Zeitungen stand – „Der Kanzler badet gern lau“ oder „Was der Regierung fehlt,

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ist ein Kopf“ –, der Tenor von Wehners Invektiven war eindeutig und führte nicht nur zu einem persönlichen Zerwürfnis mit Brandt, sondern auch zur Aushöhlung von dessen Autorität als Regierungschef. Verstärkt wurde diese Tendenz noch, als der Parteivorstand der SPD mit 12 zu 11 Stimmen Wehners Position guthieß.49 Wehners „Bitte um Verzeihung“ und seine kindlich anmutende Frage, ob Brandt es „noch einmal“ mit ihm „versuchen“ könne, führten nur vordergründig zu einer Bereinigung der Affäre.50 Botschafter Sahm in Moskau war über Wehners „Tiraden und gehässige Formulierungen“ mehr als entsetzt. Bahr musste ihn beruhigen. Es sei schwer, „die richtigen Worte“ für Wehners „Verhalten“ zu finden. Auf die Bonner Politik insgesamt bezogen, fand Bahr Wehners „Sorge“ allerdings „berechtigt“. Auf beiden Seiten gebe es „Rückständige und Kleinkarierte, die nicht dominieren dürfen“. Für unangemessen hielt Bahr Wehners Attacke gegen Brandt. Denn die „führenden Männer auf beiden Seiten“ seien entschlossen, „den Blick für die positive Gesamtentwicklung nicht zu verlieren“.51 Zu einer Eintrübung im Prozess der Entspannung – diesmal von außen – kam es bald danach, als die DDR den Mindestumtausch für Besucher aus dem Westen auf 20 DM verdoppelte, was zu einem Rückgang des Reiseverkehrs führte. Dadurch werde der „Kern der Politik der Bundesregierung“ getroffen, bedauerte Bahr Ende Februar 1974 gegenüber Breschnew. Bahrs ungewöhnlich langer Aufenthalt in Moskau sollte der Vorbereitung einer Begegnung der „führenden Männer“ zur Belebung der Entspannungspolitik dienen, die jedoch wegen Brandts Rücktritt ausfallen musste und erst im Oktober mit Brandts Nachfolger zustande kam. Bahr nutzte seine Kontakte mit den Spitzen von Partei und Regierung, um über die Gründe für die „Stagnation der Ostpolitik“ zu sprechen. Anders als Wehner fand er sie aber auch in der Politik der DDR und der Sowjetunion. Der Dauerkonflikt um WestBerlin müsse „aus der Welt“ geschafft werden. Einer Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen stünden überzogene sowjetische Kreditwünsche und die Langsamkeit der sowjetischen Bürokratie entgegen.52

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Was Bahr vorbrachte, hörte sich wie ein ernüchterter Rückblick auf das schwierige Jahr 1973 an. Eigentlich bestand kein Grund zur Klage. Nichts von dem, was seit dem Regierungswechsel 1969 erreicht worden war, wurde in Frage gestellt. Der Osten Deutschlands und Europas war viel näher gerückt. Das Bild vom Eisernen Vorhang war verblasst, ja, es passte nicht mehr, weil es ihn in der ursprünglichen Form nicht mehr gab. Schritt für Schritt und an zahlreichen Stellen hatte die Annäherung zwischen Ost und West für Wandel gesorgt. Bisher völlig unbekannte Konferenzformate führten 1973 Hunderte von Politikern, Diplomaten und Fachleuten für wirtschaftliche Entwicklung und Rüstungskontrolle aus ganz Europa und Nordamerika zusammen. Als Konferenzorte wurden Helsinki, Genf und Wien zu Zentren internationaler Kommunikation, um Regeln für ein schiedlich-friedliches Zusammenleben auf der Grundlage reduzierter Rüstungsmaßnahmen auszuhandeln. Zugleich trat ein scheinbar paradoxes Phänomen auf: Da mit zunehmender Kommunikation auch bestehende Konflikte ausführlicher zur Sprache kamen und fassbarer wurden, Kommunikation zudem die Akteure einander näherbrachte, traten auch die Unterschiede deutlicher hervor. Die Entspannungspolitik beseitigte Konflikte nicht, etablierte aber eine allseits praktizierte Streitkultur, die Ost und West nicht mehr scharf voneinander trennte, sondern zu einer neuen Beziehungsgeschichte verband. Auch innerhalb der politischen Lager schärfte kommunikative Nähe die Unterscheidungsmerkmale. Im Warschauer Pakt konnte dies ebenso beobachtet werden wie in der NATO oder der EG. Die transatlantischen Differenzen bieten dafür ausgiebig Anschauungsmaterial. Die von Kissingers „Jahr Europas“ ausgelösten Spannungen lebten wieder auf, als die USA nach dem Anfang Oktober 1973 von Ägypten und Syrien ausgelösten Jom-Kippur-Krieg Partei für Israel ergriffen und ohne Konsultation der Bundesregierung von Bremerhaven aus Waffen nach Israel schickten. Dagegen erhob die Bundesregierung Einspruch. Ihre neutrale Haltung sei mit Waffenlieferungen aus Depots auf deut-

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schem Boden nicht vereinbar. Washington reagierte scharf und forderte die Bundesrepublik und andere europäische NATO-Partner zu Solidarität auf, da die Sowjetunion politisch in den Nahostkonflikt involviert sei. Entspannung sei unteilbar.53 Brandt hatte schon im Juni während seines Aufenthalts in Israel auf einer ausgewogenen Nahostpolitik bestanden und Israel keine Sonderstellung eingeräumt. Jetzt spürte er die überlegene Macht der USA. Washington behandele die Bundesrepublik wie eine „Kolonie“.54 Europa wurde von Kriegen verschont. Die Entspannungspolitik galt als Politik zur Entschärfung von Konflikten und letztlich als Politik zur Sicherung des Friedens. In den Ost-West-Beziehungen war ein Zustand der „Normalisierung“ erreicht. „Inhaltlich“ jedoch, so Brandt im Juni 1973, stehe man noch vor „großen Schwierigkeiten“.55 Das galt nicht zuletzt für das Verhältnis zu Polen. Im Auswärtigen Amt rechnete man Anfang 1973 damit, „dass der deutsch-polnische Dialog auf absehbare Zeit belastet bleiben wird“. Kontroverse Themen waren die Zurückhaltung der polnischen Behörden bei der Bewilligung von Aussiedlungsanträgen und die polnische Forderung, Zwangsarbeiter und Lagerhäftlinge zu entschädigen. In Warschau hatte man den Eindruck, die Bundesregierung wolle sich auf dem Warschauer Vertrag „ausruhen“.56 Vermisst wurde vor allem eine größere deutsche Bereitschaft, günstige Kredite zur Verfügung zu stellen. Sie wurden gebraucht, um die von Parteichef Gierek betriebene Verwestlichung der Wirtschaftsbeziehungen und Schaffung einer sozialistischen Konsumgesellschaft voranzubringen. Ein intensives Vieraugengespräch der Außenminister Scheel und Olszowski im Oktober 1973 führte nicht aus dem „Tiefpunkt der Beziehungen“ heraus.57 Die Überwindung des „toten Punkts“, die Brandt vergeblich erhoffte,58 gelang erst Schmidt und Gierek in einem Kraftakt am Rande des KSZE-Gipfels in Helsinki, als sie sich über Ausreisegenehmigungen, einen Finanzkredit und eine Rentenpauschale für polnische Bürger einigten. Polen folgte in der Wirtschaftspolitik dem rumänischen Beispiel.

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In Bukarest hatte man schon etwas früher eine größere Autonomie im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, dem östlichen Gegenstück zur EWG, angestrebt und sein wirtschaftliches Heil im Westen mit der Bundesrepublik als wichtigstem Partner gesucht. Ceaus¸escu war 1973 nach Breschnew der nächste hochrangige Gast aus dem Osten. Er verhandelte sowohl mit der Bundesregierung als auch mit einzelnen Firmen, wie etwa Krupp, um sein ehrgeiziges Programm realisieren zu können, das auf industrielles Wachstum und die Bereitstellung von Konsumgütern abzielte. Seine Kreditwünsche waren entsprechend hoch und wurden nur zum Teil erfüllt. Enttäuschung stellte sich ein, als Rumänien wie alle anderen Staaten des RGW in eine hohe Verschuldung und eine negative Handelsbilanz rutschte. Gleichwohl blieben die Wirtschaftsbeziehungen, was sie schon vor der Normalisierung der politischen Beziehungen gewesen waren: eine Verbindung zwischen Ost und West, die den Interessen beider Seiten entsprach. Gebremste Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen Dies galt in besonderem Maß für die Sowjetunion. Auf den ersten Blick bestand eine ideale Ausgangslage. Moskau benötigte einen westlichen Partner wie die Bundesrepublik, um die bestehende technologische Lücke zum Westen zu schließen und die industrielle Produktion wettbewerbsfähiger zu machen. Die Gasvorkommen, auf welche die energiehungrige Bundesrepublik wartete, konnten nur mit westlicher Hilfe erschlossen werden. Für westdeutsche Großunternehmen des Anlagen- und Maschinenbaus stellte das sowjetische Riesenreich einen potenziell lukrativen Markt dar. Westdeutsche Banken standen als Kreditgeber bereit. Zwischen 1970 und 1975 verdreifachte sich der deutsch-sowjetische Wirtschaftsaustausch. Die Sowjetunion galt als zuverlässiger Partner, der seine Schulden bezahlen konnte. Wirtschaftsbeziehungen mit der östlichen Supermacht schienen keinen konjunkturellen Schwankungen zu unterliegen. Für den Krupp-Manager Ernst Wolf Mommsen zeichneten sich sogar Chancen ab, Wirt-

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schaftsbeziehungen nicht nur als „reines Gegenseitigkeitsgeschäft von Ware gegen Ware“, also z.B. Erdgas gegen Röhren, zu organisieren. Er hielt auch eine Kooperation „jenseits des normalen Warenaustauschs“ für möglich. Deutsche und sowjetische Produzenten könnten sich in Joint Ventures zusammenfinden und damit zu einer echten Verflechtung beider Volkswirtschaften beitragen. Auch Schmidt als Finanzminister hielt dies nicht für abwegig.59 Ermutigt konnten sich die Deutschen vom sowjetischen Werben um Investitionen sehen. Deutsche Firmen sollten, wie über den Geheimkanal mitgeteilt wurde, in „schlecht entwickelte Gebiete“ kommen und dort in „eigener Regie“ arbeiten. Dies stelle „für die Sowjetunion etwas ganz Neues“ dar. Die Initiative erinnerte an die Neue Ökonomische Politik, mit der Lenin 1921 versucht hatte, eine Versorgungskrise zu bewältigen, ging aber weit darüber hinaus. Ähnliche Töne schlug Kossygin gegenüber Wirtschaftsminister Hans Friderichs an. Man habe sich von älteren Autarkievorstellungen verabschiedet, sodass der Weg für eine breit gefächerte wirtschaftliche Kooperation frei sei.60 Den Rahmen bildeten wiederholt abgeschlossene Handelsverträge, zu deren Ausgestaltung eine 1972 ins Leben gerufene deutsch-sowjetische Kommission regelmäßig zusammentrat. Während der Osthandel für Teile der westdeutschen Wirtschaft eine willkommene Ergänzung darstellte, für die Wirtschaft insgesamt aber von zweitrangiger Bedeutung war, handelte es sich für die Sowjetunion um den Nachweis, dass sich in den deutsch-sowjetischen Beziehungen kein „Gefühl der Leere“ ausbreitete.61 Die Sowjetunion zielte vor allem auf Großprojekte wie das Eisenhüttenkombinat Kursk, an dem auch der Kruppkonzern und die bundeseigene Salzgitter AG interessiert waren, oder auf Abschlüsse über die Lieferung von Erdgas. Auf westdeutscher Seite wurde die Einbeziehung mittelständischer Unternehmen vermisst. Außerdem wünschte man sich eine größere Bandbreite im Handel.62 An diesem Punkt wurde die Systemgrenze sichtbar, die dem Austausch zwischen marktwirt-

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schaftlich ausgerichteten Firmen und Staatshandelsländern ohne Privatwirtschaft im Wege stand. Ein anschauliches Beispiel war das Lastkraftwagenprojekt Kama, das nach einem Nebenfluss der Wolga benannt war. Dort wurde ein Werk samt einer neuen Stadt aus dem Boden gestampft. Auf der Suche nach westlichen Firmen, ohne deren Beteiligung das Mammutprojekt nicht in der dafür vorgesehenen Zeit und Qualität realisierbar war, fiel der Blick auf Daimler Benz. Anfangs bestand in Stuttgart erhebliches Interesse an dem Vorhaben. Hans Martin Schleyer, im Vorstand unter anderem für Unternehmensplanung zuständig, und leitende Techniker sondierten in Moskau. Vorstandsmitglied Heinz Schmidt informierte die Bundesregierung über den „jetzt immer interessanter werdenden Gesamtkomplex unserer Beziehungen zur sowjetischen Autoindustrie und zum Staatskomitee für Wissenschaft und Technik“, das die Einladung an Daimler Benz ausgesprochen hatte und mit dem die ersten Gespräche geführt wurden.63 Bald gelangte das Thema auf die oberste politische Ebene. Brandt hatte nach der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags und dem anschließenden Gedankenaustausch mit Breschnew den Eindruck, die Sowjetunion bewerte das Projekt als „Testfall“ für die Bereitschaft deutscher Firmen und Banken, sich in der Sowjetunion zu engagieren. Man solle es „ohne Zeitvergeudung positiv“ fördern. Allerdings solle man zugleich sagen, „was bei uns möglich ist und was nicht“.64 Damit war das noch ungeklärte Finanzierungsproblem gemeint. Die Abteilung für Außenhandel im Auswärtigen Amt und das Bundeswirtschaftsministerium störten sich beide an den als zu undurchsichtig empfundenen sowjetischen Wünschen zu Kreditbedarf und Zinssätzen sowie zur praktischen Umsetzung vor Ort. Für Daimler Benz war gravierend, dass die Sowjetunion ein Prestigeprojekt realisieren wollte, ohne gleichzeitig bereit zu sein, den sowjetischen Markt für die deutsche Automobilindustrie zu öffnen.65 Die Sowjetunion musste ihre Suche nach westlichen Partnern fortsetzen. Die nächste Anfrage ging nach Frankreich, wo Moskau ebenfalls erfolglos blieb.

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Das Beispiel verdeutlicht die systembedingten Schwierigkeiten, die dynamische Handelsbeziehungen bremsten und erst recht eine wirtschaftliche Verflechtung verhinderten. Mommsens Blütenträume konnten schlechterdings nicht reifen. Hinzu kam, dass die Zuständigkeit für den Außenhandel auf die EG überging und die Sowjetunion von ihrer Weigerung, sie anzuerkennen, abrücken musste. Aufs Ganze gesehen, bleibt aber festzuhalten, dass die Wirtschaftsbeziehungen auch in der bestehenden Form einer antagonistischen Kooperation eine Lebensader darstellten, welche die Kontinuität im Prozess der Entspannung gewährleistete. Als Brandts Nachfolger wollte Helmut Schmidt die Ostpolitik „vornehmlich auf wirtschaftlichem Felde“ ausfüllen.66 Natürlich konnte er die bestehenden Grundprobleme nicht lösen, als er im Oktober 1974 mit der sowjetischen Führung in Moskau konferierte. Im Gepäck hatte er Bitten verschiedener Firmen, darunter Volkswagen und Krupp, ihr Interesse an Geschäftsabschlüssen in der Sowjetunion zur Sprache zu bringen. Der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Howaldtwerft bat um Fürsprache, damit ein Auftrag über den Bau von 25 Supertrawlern, der die Arbeitsplätze bis 1980 sichern würde, „nach Deutschland vergeben wird“.67 Schmidt versprach, sich dafür einzusetzen, fand in Moskau aber offensichtlich keine Gelegenheit dazu. Eine Anfrage nach seiner Rückkehr, ob das Thema berührt worden sei, beschied er mit „leider nein“.68 So wichtig die Wünsche einzelner Firmen waren, für die Tagesordnung der Spitzengespräche konnten sie keine zentrale Bedeutung haben.69 Hier wurden die Kernfragen der wirtschaftlichen Kooperation und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten besprochen. Nach wie vor beschäftigte der Dissens wegen der Auslegung des Berlinabkommens beide Seiten. In den Vordergrund schob sich der Komplex Rohstoffund Energielieferungen, der seit der Ölkrise vom Herbst 1973 und den dadurch ausgelösten konjunkturellen Erschütterungen erhöhte Aktualität gewonnen hatte. Vereinbart wurde ein drittes Erdgas-Röhren-Geschäft. Darüber hinaus forcierte Schmidt den Plan, ein Kernkraftwerk

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zu liefern, um im Gegenzug Stromlieferungen zu erhalten, mit denen auch West-Berlin versorgt werden konnte. Schließlich standen weltpolitische Fragen an, die das Verhältnis zur Volksrepublik China einschlossen, sowie sicherheitspolitische Probleme, die Europa betrafen. Die Themen, die das deutsch-sowjetische Verhältnis bestimmten, änderten sich nach Abschluss der Ostverträge nur wenig. Was Brandt nach seinem Treffen mit Breschnew in Oreanda im September 1971 gesagt hatte, galt im Übergang von seiner zu Schmidts Kanzlerschaft immer noch. Man wusste, „wo es Übereinstimmungen, wo es Annäherungen und wo es Unterschiede gibt“.70 Eine Annäherung gelang im Rahmen der KSZE, als es nach zähen Verhandlungen zu einer Einigung über das Prinzip der friedlichen Grenzänderung kam. Ungelöst blieb dagegen das Problem der europäischen Sicherheit, weil sich die Rüstungsspirale weiter drehte. Der entscheidende Schritt zu einer beiderseitigen und gleichgewichtigen Rüstungskontrolle blieb aus. Um im Prozess der Entspannung die Doppelstrategie von Annäherung und Abschreckung in ein Konzept gemeinsamer Sicherheit zu transformieren, bedurfte es einer längeren Zeitspanne. Friedliche Aufhebung von Grenzen Leichter, wenn auch nicht mühelos erreichbar war eine Einigung, die keine unmittelbare politische Relevanz hatte. In eine unbestimmte Zukunft richtete sich das Anliegen der Bundesregierung, deutschlandpolitische Optionen wenigstens auf dem Papier offenzuhalten. Daher musste darauf bestanden werden, dass Nachbarstaaten das Recht hatten, Grenzen im beiderseitigen Einvernehmen zu ändern. Es durfte nicht verboten sein, die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR aufzuheben, wenn beide Seiten dies wünschten. Bei den Verhandlungen mit der Sowjetunion, die 1970 zum Moskauer Vertrag geführt hatten, war es nicht gelungen, dies in den Vertragstext einzufügen. Aber die Sowjetunion war bereit, eine Erklärung zu akzeptieren, in der festgestellt wurde, „dass dieser Vertrag nicht im Wider-

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spruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt“.71 Die KSZE sollte ein solches Recht auf Grenzrevision bestätigen. Schon lange vor Beginn der Konferenz bestand das Auswärtige Amt auf der Wahrung von „Rechtspositionen“, die „auf die Wiedervereinigung gerichtet sind“. Ein multilateraler Gewaltverzicht durfte den friedlichen Wandel von Grenzen nicht ausschließen.72 Im Gegensatz dazu wollten die Staaten des Warschauer Pakts jede Möglichkeit von Grenzrevisionen verhindert wissen. Polen wünschte sich eine Nachbesserung des Warschauer Vertrags. Dort war nur von der Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenze die Rede, nicht aber von ihrer völkerrechtlich verbindlichen Anerkennung. Rumänien beharrte angesichts etwaiger Ungarischer oder bulgarischer Gebietsansprüche auf der Unantastbarkeit seiner Grenzen. „Diskussionen über die Grenzen“ wollte Ceaus¸escu „nicht erlauben“.73 Am stärksten betroffen war die DDR. Für sie handelte es sich bei der Grenze zur Bundesrepublik nicht um eine innerdeutsche Grenze mit Angehörigen der deutschen Nation auf beiden Seiten, sondern um die „Westgrenze des sozialistischen Weltsystems in Europa“, die in aller Form festgeschrieben werden sollte.74 Dieses Ziel wollte auch die Sowjetunion auf der KSZE erreichen. Für Breschnew stellte die DDR einen Eckstein im sowjetischen Imperium dar, „eines der wichtigsten Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs“. „Wir dürfen nicht das Geringste von dem preisgeben, was durch den Kampf unseres Volkes in Europa errungen wurde.“75 Welche „Gefahr“ dieser „Errungenschaft, die mit dem Blut des Sowjetvolkes erzielt wurde“, während der Ära Brandt erwuchs, war Breschnew durchaus bewusst. „Brandt hat in Bezug auf die DDR andere Ziele als wir“, lautete sein – allerdings überflüssiger – Hinweis für Honecker, denn niemand wusste besser um die Gefahr des Sozialdemokratismus als der SED-Chef. Entscheidender war denn auch Breschnews Warnung vor einer Annäherung an die Bundesrepublik. Das dürfe nicht

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passieren, weil damit die Existenz der DDR gefährdet würde. Diese werde allein von der Sowjetunion garantiert. Ein dramatischer Appell Breschnews ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Erich, ich sage Dir offen, vergesse das nie: Die DDR kann ohne uns, ohne die Sowjetunion, ihre Macht und ihre Stärke, nicht existieren. Ohne uns gibt es keine DDR.“76 Für die Sowjetunion ging es in einer Phase internationalen Wandels um die Wahrung ihres imperialen Besitzstands. Die KSZE sollte endlich bestätigen, was im Zuge der Expansion der stalinistischen Sowjetunion zum Verschwinden der baltischen Staaten, zur sogenannten Westverschiebung Polens und zur Gründung der DDR geführt hatte. Breschnew sprach von „territorialen und politischen Realitäten, die in Europa im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs entstanden sind“. Nun ging es ihm darum, „die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen der europäischen Staaten, einschließlich der Grenze zwischen der DDR und der BRD, völkerrechtlich zu fixieren“.77 Damit sollte ein Schlussstrich unter die Nachkriegsentwicklung gezogen werden. Als Breschnews Besuch in der Bundesrepublik anstand, informierte ihn Brandt über die deutsche Gegenposition. „Jegliche gewaltsame Veränderung von Grenzen“ sei abzulehnen. Aber es dürfe nicht ausgeschlossen werden, „dass sich Staaten über Grenzänderungen oder gar über Grenzaufhebungen verständigen“. Brandt wollte „verhindern, dass sich aus dieser Problematik unnötiger Streit ergibt“.78 Doch wie sich bald zeigen sollte, war Streit geradezu vorprogrammiert. Die unterschiedlichen Auffassungen von Entspannung – Sicherung des Status quo auf der einen und seine transformatorische Überwindung auf der anderen Seite – prallten hart aufeinander. Im Kern wurde die KSZE eine „Konferenz über Deutschland“.79 Sie durchlief drei Phasen. Im November 1972 begannen in Helsinki Vorgespräche, die Anfang Juli 1973 mit einem Treffen der Außenminister abgeschlossen wurden. Es folgten seit September 1973 die Expertengespräche in Genf, wo der Gesamtkomplex der Ost-West-Beziehungen

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in vier Bereiche, die sogenannten „Körbe“, unterteilt wurde. Korb I enthielt alle Aspekte, welche die Grundlagen der Sicherheit in Europa betrafen und schließlich zu dem zehn Punkte umfassenden Prinzipienkatalog führten, der ein Regelwerk über die internationalen Beziehungen enthielt. Hier gehörte das Problem der Grenzen, vor allem die Möglichkeit ihrer friedlichen Änderung, zu den umstrittensten Punkten. In den anderen „Körben“ ging es um wirtschaftliche Kooperation, die humanitäre Seite zwischenstaatlicher Beziehungen und Konferenzfolgen. Den Abschluss bildete das Gipfeltreffen in Helsinki, das am 1. August 1975 mit der feierlichen Unterzeichnung der KSZESchlussakte zu Ende ging. Schon während der Vorgespräche wurde befürchtet, die Sowjetunion wolle den Begriff Unverletzlichkeit der Grenzen im Sinne von Unantastbarkeit restriktiv auslegen. Dem trat die Bundesrepublik entschieden entgegen und konnte dabei auf die Unterstützung ihrer Verbündeten in EG und NATO setzen. Denn es handelte sich nicht um ein rein deutsches Anliegen. Für den Fall einer fortschreitenden Integration Westeuropas, die seit dem EG-Gipfel im Oktober 1972 auf eine Europäische Union hinauslaufen sollte, durfte es keine Hindernisse geben, was die eventuelle Aufhebung von Grenzen betraf. Diese Vorsorgemaßnahme war überflüssig. Die innerdeutsche Grenze hingegen verschwand schon 15 Jahre nach Helsinki. Die Bündnissolidarität, welche die Bundesrepublik genoss, hatte allerdings auch Grenzen. Bonn wollte erreichen, dass das Recht auf friedliche Grenzänderung in einem Atemzug mit der Erklärung über die Unverletzlichkeit der Grenzen genannt wurde. Aus sowjetischer Sicht kam dies einer Relativierung gleich. Breschnew höchstpersönlich schaltete sich mit Briefen an westliche Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, ein. Die „Unerschütterlichkeit der Grenzen“ müsse ohne jeden Zusatz im Abschlussdokument der KSZE verankert sein. Informell könne man sich selbstverständlich darüber verständigen, dass Grenzen auf „friedlichem Wege und im Einverständnis zwischen Staaten“ geändert wer-

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den können. Damit konnte Brandt nicht einverstanden sein und drängte auf eine förmliche „Klarstellung auch im Zusammenhang der Genfer Konferenz“.80 Die Westmächte stimmten damit überein, teilten aber nicht durchweg die Forderung der Bundesregierung, die Aussagen über die Unverletzlichkeit von Grenzen und die Zulässigkeit von friedlichem Wandel zu koppeln. Kissinger bemängelte, die Deutschen wollten nachholen, was sie mit dem Moskauer Vertrag nicht erreicht hätten, und nahm diesmal vor allem den „Vollidioten“ Scheel aufs Korn.81 Zugleich half er, einen Ausweg zu finden. Bei einem Zwischenaufenthalt in Bonn auf dem Weg nach Moskau überzeugte er Scheel, das Recht auf friedlichen Wandel zunächst separat zu Papier zu bringen, ohne schon genau festzulegen, an welcher Stelle des Prinzipienkatalogs es eingefügt werden sollte. Tatsächlich wurden im April 1974 in Genf zwei Texte verabschiedet. Zum einen der für die Sowjetunion absolut zentrale Punkt 3 des Katalogs, der die Unverletzlichkeit der Grenzen festhielt. Zum anderen eine Formulierung zum peaceful change, mit der die Konferenzteilnehmer erklärten, „dass ihre Grenzen nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht mit friedlichen Mitteln und durch Vereinbarung geändert werden können“.82 Diese Formulierung betrachtete die Bundesrepublik als vorläufig und gab sogleich ihre Vorbehalte zu Protokoll. Sie wollte erst dann endgültig zustimmen, wenn Klarheit herrschte, an welcher Stelle im Prinzipienkatalog der friedliche Wandel platziert wäre und wie die genauen Bedingungen für friedlichen Wandel lauten würden. Der so entstandene Schwebezustand, zu dessen Annahme die Bundesregierung von ihren Verbündeten gedrängt wurde, konnte erst nach langen Verhandlungen beendet werden. Aus Bonner Sicht war es immerhin bedeutsam, dass die Sowjetunion erstmals bereit war, die Möglichkeit friedlicher Grenzveränderungen in einem offiziellen Dokument zuzugestehen.83 Im deutsch-sowjetischen Antagonismus zeichnete sich ein Kompromiss ab. Keine Seite konnte ihre Maximal-

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vorstellungen durchsetzen. Die Sowjetunion räumte ein, dass eine „Überwindung des Status quo“, von der Bahr schon 1968/69 gesprochen hatte, unter bestimmten Bedingungen möglich wäre. Ihr Ziel, die „Legalisierung des Status quo“ zu erreichen, konnte bei der KSZE nicht realisiert werden. Auf der anderen Seite versuchte die Bundesregierung vergeblich, Formulierungen zu vermeiden, die auf den ersten Blick doch nach einer Bestätigung der sowjetischen Position aussahen und damit den Kritikern der Entspannungspolitik in Deutschland oder den USA ein Argument lieferten. Das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen konnte nicht unmittelbar durch den Anspruch auf friedlichen Wandel ergänzt werden. Friedlicher Wandel wurde erwähnt, aber nur als Zusatz zu einem der insgesamt zehn Prinzipien, die den Fragen der Sicherheit in Europa gewidmet waren. Der Wechsel von Brandt zu Schmidt im Kanzleramt und von Scheel zu Genscher im Auswärtigen Amt stand im Zeichen der Kontinuität. Schmidt wollte in Helsinki nichts unterschreiben, „was dem Gedanken der Wiedervereinigung Deutschlands schaden könnte“.84 Für Genscher blieb die „Frage der friedlichen Grenzänderung ein zentraler Streitpunkt mit den Sowjets“. Gegenüber den Außenministern der für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Westmächte wiederholte er „mit großem Ernst“ Schmidts ultimativen Hinweis, „keine deutsche Regierung“ könne „etwas unterzeichnen“, „wenn die Frage des ‚peaceful change‘ nicht klar geregelt“ und der Verdacht nicht ausgeräumt war, Moskau lehne die deutsche Auffassung von friedlichem Wandel „im Grunde“ ab.85 Die Bundesrepublik befand sich in einer Schlüsselposition. Ohne ihre Mitwirkung würde es keinen Konferenzabschluss geben. Zugleich spielte sie eine einsame Sonderrolle. Niemand sonst teilte wirklich ihr Interesse an einer vielleicht irgendwann möglichen Wiedervereinigung. Kissinger empfand das Insistieren der „bekloppten“ Deutschen als „kindisch“, wie er überhaupt in der KSZE nur einen „unglaublichen Zirkus“ erblickte.86 Doch er war Pragmatiker genug, um sich mit dem Thema und auch dem deutschen Anliegen zu befas-

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sen, weil er vor dem Hintergrund der Watergate-Affäre und im Übergang der Präsidentschaft von Nixon zu Ford die Entspannung mit der Sowjetunion nicht gefährden wollte, für welche wiederum die KSZE von zentraler Bedeutung war. So diente der amerikanisch-sowjetische Dialog wiederholt der Suche nach einer Lösung im deutsch-sowjetischen Disput. Nach der letzten Begegnung zwischen Nixon und Breschnew in Moskau Ende Juni 1974 legte Kissinger auf dem Rückflug wieder einen Zwischenstopp in der Bundesrepublik ein, diesmal in München, um sich das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft anzusehen, das die Nationalmannschaft der Bundesrepublik gegen die Niederlande gewann. Die sowjetische Mannschaft nahm an dem Turnier nicht teil. Zu einem Qualifikationsspiel gegen Chile war sie aus Protest nicht angetreten, weil es in Santiago in jenem Stadion stattfinden sollte, in dem die Militärjunta nach dem Putsch gegen Salvador Allende Tausende von politischen Gegnern zusammengetrieben hatte. Gromyko gönnte den deutschen Fußballern vielleicht den Sieg, politisch aber blieb er hart. Über Kissinger ließ er bestellen, der friedliche Wandel von Grenzen müsse deutlich getrennt bleiben vom Prinzip ihrer Unverletzlichkeit. Als Alternative, welche die spätere Lösung tatsächlich vorwegnahm, schlug er vor, den friedlichen Wandel im Prinzip über die souveräne Gleichheit zu erwähnen. Aus der Souveränität der Staaten sollte unter bestimmten Bedingungen das Recht zur Änderung von Grenzen erwachsen.87 Beendet war die Debatte damit noch längst nicht. Die Bundesrepublik bestand auf einer Fassung des peaceful change, die Grenzänderungen im beiderseitigen Einvernehmen eindeutig als Recht bezeichnete, das jedem Staat zustand. In der bereits erwähnten ersten Fassung des Textes vom April 1974, die von der bundesrepublikanischen Delegation aber von vornherein als revisionsbedürftig bezeichnet worden war, sollte friedlicher Wandel „nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht“ stattfinden dürfen. Das würde, so die deutsche Befürchtung,

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zu einer Bedingung für friedlichen Wandel führen, welche die „Sowjets im Rahmen ihrer bekannten Rechtskonstruktionen“ gegen die Bundesrepublik verwenden könnten.88 Daher musste das Wörtchen „nur“ gestrichen werden, und es durfte keinen missbräuchlichen Bezug zum Völkerrecht geben. Die sowjetische Reaktion fiel absolut ablehnend aus. Mehr noch: Während eines erneuten amerikanischsowjetischen Gipfeltreffens in der Nähe von Wladiwostok, nun mit Ford als US-Präsidenten, mokierten sich Gromyko und Kissinger gemeinsam über die Sturheit der Deutschen. Kurz danach war Kissinger allerdings mit der Prinzipienfestigkeit der Bundesregierung konfrontiert, die erklärte, es dürfe bei der KSZE auf keinen Fall der Eindruck einer „friedensvertragsähnlichen Regelung“ entstehen, die in der deutschen Frage jeden Spielraum versperren würde.89 Langsam wurde die Zeit knapp, wenn die KSZE in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden sollte. Schmidt appellierte über den Geheimkanal direkt an Breschnew, zum peaceful change eine „positive Antwort“ zu geben.90 Den Schlussstein setzten dann Mitte Februar 1975 Kissinger und Gromyko bei einem Treffen in Genf, das verschiedenen Problemen der internationalen Politik galt, darunter auch dem friedlichen Wandel von Grenzen. Gromyko war zweifellos bewusst, dass die Sowjetunion flexibler werden musste, wenn man nicht größere Verzögerungen in Kauf nehmen wollte. Also gab er nach, indem er auf das einschränkende „nur“ verzichtete. Kissinger bedeutete den Deutschen umgehend, dieser „recht große Schritt der Sowjets“ solle gewürdigt werden.91 Er täuschte sich aber, wenn er glaubte, damit seine Mission erfüllt zu haben. Denn noch immer gab es für das Auswärtige Amt ein „gefährliches Element“, weil die bisherige Erwähnung des Völkerrechts so verstanden werden könne, „als sei die Völkerrechtsmäßigkeit einer friedlichen Grenzänderung auch dann von Fall zu Fall eigens nachzuweisen, wenn sie friedlich und im Wege der Vereinbarung erfolgt“. Um zu erreichen, dass friedlicher Wandel auf jeden Fall nicht einer besonderen völkerrechtlichen Begründung bedurfte, wurde ein zusätzliches

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Komma vorgeschlagen, sodass friedlicher Wandel sich immer und in jedem Fall in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht befände. Was wie ein unscheinbares Satzzeichen aussah, erschien dem Auswärtigen Amt als „unerlässlich“. Die Sowjetunion hatte ein Einsehen und erhob keinen Einspruch.92 Nun stimmten Ost und West darin überein, dass „Grenzen, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, durch friedliche Mittel und durch Vereinbarung verändert werden können“.93 Dem Verhandlungserfolg angemessen, fand am 12. März 1975 ein Dinner statt, zu dem die deutsche Delegation ihre sowjetischen Kollegen eingeladen hatte. Über mehrere Stunden hinweg hatten die Teilnehmer Gelegenheit, den Stand der Konferenz und das deutschsowjetische Verhältnis zu erörtern. Der sowjetische Delegationsleiter Anatolij Kowaljow, der wie sein deutscher Kollege Klaus Blech in die letzten klärenden Gespräche nicht einbezogen worden war, wollte jetzt wenigstens seinem Ärger über die deutsche Verhandlungsführung Ausdruck verleihen. Das könne man „auch nicht mit einem Glas Wein fortspülen“. Insgesamt jedoch bemühte sich Kowaljow im Hinblick auf die Schlussphase der Konferenz um eine maßvolle Haltung.94 Am 17. März konnte die Formel zum peaceful change in der dafür zuständigen Kommission angenommen werden. Blech würdigte die Mühe der Beteiligten bei der Überwindung aller Schwierigkeiten. Die lange Konferenzdauer brachte es mit sich, dass sich die Teilnehmer auch persönlich kennenlernten. Die kommunikative Erfahrung ließ trotz sachlicher Differenzen ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl aufkommen. Als die Genfer Phase der KSZE mit der Annahme der Schlussakte zu Ende ging, erhob sich Kowaljow plötzlich, ging auf Blech zu und ergriff erleichtert dessen Hände. Auf Deutsch freute er sich in Anlehnung an Goethes Faust über das Erreichte. Fast überschwänglich kommentierte er den Augenblick: „Verweile doch, du bist so schön.“95 Natürlich wollte er sich nicht wie Faust „in Fesseln schlagen“ lassen. Der Repräsentant der sowjetischen Supermacht im Rang eines stellvertretenden Außenministers war viel

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zu selbst- und machtbewusst, um an eine transformatorische Dynamik der Ostpolitik und die Überwindung des Status quo zum Nachteil der Sowjetunion zu glauben. Ganz anders empfand es Siegfried Bock als Leiter der DDR-Delegation. Er hatte schon im April 1974, als die Sowjetunion entgegen früherer und anderslautender Aussagen den friedlichen Wandel von Grenzen für zulässig erklärte, ein alarmierendes Telegramm nach OstBerlin geschickt. Er wusste allzu gut, dass damit nicht irgendeine Grenze gemeint war. Das SED-Politbüromitglied Hermann Axen schwankte zwischen Empörung und Panik und forderte Honecker auf, sogleich Breschnew anzurufen und den energischen Widerspruch der DDR einzulegen. Honecker war natürlich bewusst, wer das Sagen hatte. Der Anruf unterblieb.96 Seit Beginn der sozial-liberalen Ostpolitik bestand die Grunderfahrung der DDR darin, sich in die Westpolitik der Sowjetunion einfügen zu müssen, die in Europa vor allem mit der Bundesrepublik abgestimmt wurde. Wiederholte demütigende Zurücksetzungen der DDR waren die Folge – angefangen bei der Verweigerung der völkerrechtlichen Anerkennung bis zur bitteren Aussicht auf eine mögliche Aufhebung der Westgrenze. Zum Ausgleich erhielt die DDR Zutritt zur großen Bühne der internationalen Politik, auf der nun zwei deutsche Staaten ihren Part spielten. Die Vereinten Nationen gehörten ebenso dazu wie die KSZE. Aus Bonner Sicht zählte vor allem, dass man an der eigenen Rechtsauffassung mit zwei Staaten unter dem Dach der weiterhin bestehenden deutschen Nation festhalten konnte. Gegen Ende der KSZE konnte Schmidt zufrieden bilanzieren: „,Ersatzfriedensvertrag‘ ist vermieden.“97 Politische Kompromisse ohne militärische Entspannung Beim Abschlussgipfel der KSZE saßen Schmidt und Honecker in der ersten Reihe der Finlandia-Halle in Helsinki einträchtig nebeneinander, nur durch einen Gang voneinander getrennt. Zusammen mit den anderen 33 Staats-, Regierungs- und Parteichefs unterzeichneten sie

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die Schlussakte. Das hundertseitige Dokument war eine völkerrechtlich nicht verbindliche Absichtserklärung, die viel Raum für unterschiedliche Auslegungen ließ. Genau dies war die Voraussetzung dafür, dass verschiedene und zum Teil gegensätzliche Auffassungen von politischer Ordnung, wirtschaftlichen Strukturen und sozialem Gefüge sowie unterschiedliche weltanschauliche Sichtweisen unter einen Hut gebracht werden konnten. Die Bedingung der Möglichkeit von Entspannung bestand darin, nicht alles klären zu wollen, weil man nicht alles klären konnte. Die einzige verbindliche Festlegung war der Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt sowie die Achtung der Integrität jedes Staates. Darüber hinaus aber zeichnete den Prozess der Entspannung gerade die Fortdauer von Spannungen aus. Diese rührten von den unterschiedlichen Bewertungen der KSZESchlussakte her. Während die Regierungen des Warschauer Pakts sie als Schlussstrich unter die Nachkriegsentwicklung und als Garantie für den territorialen Status quo verstanden und das Dokument als Schutz vor westlicher Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten feierten, hegte man im Westen vielfach Erwartungen, die in der KSZE nicht einen Schlussstrich, sondern einen Aufbruch sahen. Dazu passend blickten die Dissidenten und Bürgerrechtler in der kommunistischen Welt hoffnungsvoll auf die KSZE und die Entspannungspolitik ganz allgemein. Immerhin war in der Schlussakte der KSZE von Menschenrechten und Grundfreiheiten die Rede. All dies sei eine gefährliche Illusion, hielten dem die Skeptiker im Westen entgegen. Sie nahmen die Sowjetunion und das gesamte kommunistische Herrschaftssystem als vom Westen abgeschlossene und ihm feindlich gegenüberstehende Bastion wahr. Die politische Praxis der antagonistischen Kooperation vermied solche extremen Wahrnehmungsmuster. Die Bonner Ostpolitiker mussten mit der Gleichzeitigkeit von Annäherung und Abgrenzung umgehen können. Sie wollten Wandel und durften sich von den offensichtlichen Grenzen des Wandels nicht entmutigen lassen. Das härteste Brett im ost-westlichen Antagonismus,

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das nur angebohrt werden konnte, war der Rüstungsbereich. Seit dem „Signal von Reykjavik“, das die Außenminister der NATO im Juni 1968 als „weltpolitisches Kennwort“ für eine Verminderung von Streitkräften in Europa aussandten, galt die beiderseitig ausgewogene Truppenreduktion als sicherheitspolitische Zauberformel, um in den Ost-West-Beziehungen zu einer militärischen Entspannung zu kommen. Die Ausdünnung der unverhältnismäßig starken militärischen Kapazitäten galt als unverzichtbarer Schritt auf dem Weg zu nachhaltiger Entspannung und Sicherheit. Anders als ursprünglich gedacht, kam dieser Punkt nicht auf die Tagesordnung der KSZE. Sie befasste sich lediglich mit einem kleineren sicherheitspolitischen Aspekt, mit der Einleitung vertrauensbildender Maßnahmen in Gestalt von Manöverankündigungen. Über Truppenabbau wurde auf einer eigenen Konferenz gesprochen, die unter dem Kürzel MBFR (Mutual and Balanced Force Reductions) Anfang 1973 ihre Arbeit in Wien aufnahm. Dort würde, wie Brandt meinte, der eigentliche Test für Fortschritte im Entspannungsprozess erfolgen. Die KSZE betrachtete er als „Feuilleton“. Bei den MBFR-Verhandlungen dagegen werde „Tacheles“ geredet.98 Gerade hatte Brandt erfahren müssen, wie schwer es war, die Sowjetunion für entsprechende Absprachen zu gewinnen. Während Breschnews Aufenthalt in Bonn war es nicht gelungen, das Thema der europäischen Sicherheit in der gewünschten Weise anzusprechen. Es hatte schon in Oreanda eine Rolle gespielt. Dort hatte man die für jeden ohne Weiteres zustimmungsfähige Formel gefunden, Truppen sollten ohne Nachteile für die Beteiligten reduziert werden.99 Im Herbst 1972 warnte Bahr die sowjetische Führung, ohne den „Abbau des militärischen Potentials“ drohe die „politische Atmosphäre wieder schlechter“ zu werden. Er bezeichnete MBFR als „konkrete Entspannung und konkrete Friedenssicherung“.100 Die deutsch-sowjetischen Spitzengespräche im Mai 1973 verliefen enttäuschend. Über Truppenreduktionen wollte Breschnew „ernsthaft“ erst nach Abschluss der KSZE sprechen.101

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Doch selbst als in Wien „ernsthaft“ verhandelt wurde, blieb ein Resultat aus. Endlose Debatten über Truppenstärken und Panzerzahlen führten nicht zu einer Einigung darüber, wann von gleichgewichtigen Kräfteverhältnissen gesprochen und wie Gleichgewicht gemessen werden könne. Die Suche nach dem Gleichgewicht glich der Jagd nach einem Phantom, das in einem Strudel von Wahrnehmungen eigener und fremder Machtpotenziale nur „schwer fassbar“ war.102 Erschwerend kam hinzu, dass die Supermächte seit Anfang der 1970er-Jahre an Waffensystemen arbeiteten, die als nukleare Mittelstreckenraketen für zusätzliche Bedrohungswahrnehmungen sorgten. Brandts Anfang 1973 geäußerte Besorgnis über die „Rüstungsentwicklung im Warschauer Pakt“103 konnte nicht nachlassen, weil es nicht gelang, sich in der Rüstungspolitik auf die Bedingungen für eine Kehrtwende zu einigen. Der von vielen Faktoren abhängige Prozess der Entspannung wurde dadurch nicht aufgehalten, aber Entspannung als Zustand lag in weiter Ferne.

BILANZ UND AUSBLICK

In einer kurzen Begrüßungsrede zur Eröffnung des in West-Berlin stattfindenden Historikertags sprach Willy Brandt schon 1964 von einem sich „langsam wandelnden Ost-West-Konflikt“. Der Regierende Bürgermeister erwartete von den „künftigen Historikern“, dass sie seine Politik in diesen Wandel „einzuordnen wissen“. Und er stellte sich vor, dass sie bestätigen würden, was er selbst Mitte der 1960erJahre dachte: „Die deutsche Frage wurde dann gelöst, als der internationale Rahmen es zuließ.“1 Ein Jahrzehnt später konnte Brandt eine überwiegend positive Bilanz ziehen. Die Bundesrepublik konnte ihre Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Pakts normalisieren. Wie nie zuvor durchdrangen Verbindungen und Kommunikationsformen verschiedenster Art den Eisernen Vorhang, sei es in Gestalt von politischen Begegnungen, Wirtschaftsbeziehungen, kulturellem Austausch oder Besuchsreisen. Auf beiden Seiten lösten sich alte Feindbilder auf. Der Kalte Krieg war noch nicht völlig vergessen, aber man hatte mit Erfolg begonnen, ihn zu „begraben“, wie Breschnew im Rückblick auf die Kanzlerschaft Brandts bei Schmidts erstem Aufenthalt in Moskau als Bundeskanzler im Oktober 1974 feststellte. Ein Vierteljahr später knüpfte Schmidt an diese Worte an. Im Bundestag sprach er von dem Wunsch, den Kalten Krieg zu „überwinden“, und fügte hinzu: „Wir sind dabei, ihn zu überwinden.“2 Der Begriff des Kalten Kriegs eignete sich nicht mehr dazu, die gründlich gewandelte Realität im Ost-West-Verhältnis zu erfassen. An

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seine Stelle war der Begriff Entspannung getreten. Jetzt war es möglich, die Ost-West-Beziehungen als antagonistische Kooperation zu verstehen. Ihr lagen auf beiden Seiten sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen zugrunde. Zwischen Westeuropa mit der Bundesrepublik in einer Sonderstellung und der Sowjetunion als Hegemonialmacht konnten Beziehungen aufgebaut werden, die vom Verzicht auf Gewalt und der Selbstverpflichtung zur Friedenswahrung geprägt waren. Auf der Ebene der Supermächte kam es darauf an, dass sich eine Konfrontation wie die Kubakrise nicht wiederholte. Über das europäische Zentrum hinaus entwickelte sich der Ost-West-Konflikt zu einer globalen Auseinandersetzung, die immer mehr Räume erfasste. Überall als Weltmacht aufzutreten, doch den direkten Zusammenstoß zu vermeiden, lautete die Richtschnur sowohl der amerikanischen als auch der sowjetischen Weltpolitik. Eine erste große Bewährungsprobe war der Krieg in Vietnam. Als er 1973 zu Ende ging, dauerte es nicht lange, bis der Nahostkonflikt wieder in einen offenen Krieg mündete, bei dem die USA und die Sowjetunion auf verschiedenen Seiten standen. Auch hier konnte der Interessenkonflikt der nuklearen Supermächte unter Kontrolle gehalten werden. In anderer Hinsicht dagegen hatte der Jom-Kippur-Krieg tiefgreifende Auswirkungen, weil er zum Einsatz des Erdöls als politisches Druckmittel führte. Die arabischen Erdölproduzenten reagierten auf die proisraelische Haltung vor allem der USA und reduzierten als Sanktion gegen den gesamten Westen die Erdölförderung massiv. Der Ölpreis stieg um das Vierfache, was in den Industrieländern zu Zahlungsschwierigkeiten, Rezession und Arbeitslosigkeit führte. Schon die Zeitgenossen spürten, dass die Energie-, Finanz- und Wirtschaftskrise 1973/74 eine Zäsur darstellte. An die Stelle der gewohnten Wachstums- und Fortschrittszuversicht trat ein tief sitzendes Unsicherheitsund Krisengefühl. Es war nun Aufgabe der Politik, Vertrauen wiederherzustellen und Verwerfungen abzuwenden, die nach dem Boom der Nachkriegsjahrzehnte drohten. In dieser Situation war es eine Rück-

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versicherung, dass die Entspannungspolitik der Ära Brandt den OstWest-Konflikt entschärft hatte. Er dauerte zwar an, beherrschte aber die Agenda der internationalen Politik nicht mehr in dem Maße wie zuvor. Für Schmidt stellte das Verhältnis zwischen Ost und West nicht mehr das „Hauptthema der Weltpolitik“ dar.3 Die Gefährdung der internationalen Ordnung und die Destabilisierung westlicher Gesellschaften drohten in seinen Augen eher von Störungen des Welthandels und des Finanzsystems. In Übereinstimmung mit Kissinger erachtete er die wirtschaftlichen Probleme als „größere Bedrohung für den Westen“. Den für November 1975 in Rambouillet geplanten Weltwirtschaftsgipfel vor Augen, ging es ihm um eine Lösung der „größten politischen Krise“ des Westens „seit dem Zweiten Weltkrieg“. Damit verglichen seien andere Probleme wie die „Politik der Sowjetunion“ von „minderem Rang“.4 Die übermäßige Fokussierung auf Ost-WestProbleme konnte nicht mehr überzeugen. So sehr es sich weltpolitisch weiterhin um einen bedeutenden Konflikt handelte, welthistorisch hat er seit den 1970er-Jahren im Vergleich mit anderen Problemen im Bereich von Finanzen und Wirtschaft oder auf dem Gebiet des Nord-SüdKonflikts seine alles beherrschende Stellung verloren. Fast reflexartig kam das alte Bedrohungsgefühl wieder an die Oberfläche, als während der „Nelkenrevolution“ in Portugal 1974/75 die Gefahr einer kommunistischen Machtübernahme mit sowjetischer Unterstützung nicht auszuschließen war. Wie würde es um die „Fortsetzung der Entspannungspolitik“ stehen, fragte sich Schmidt, wenn das NATO-Mitglied Portugal „aus dem westlichen Bündnissystem herausgebrochen“ werden sollte?5 An Breschnew richtete er die Aufforderung, alles zu unterlassen, was zu einer „Belastung oder gar Gefährdung der Entspannung“ führen könnte.6 Als Brandt sich im Juli 1975 auf Einladung Breschnews in Moskau aufhielt, warnte er seinen Gastgeber vor einer „verhängnisvollen Fehleinschätzung der Lage“. Breschnew sagte zu, die Sowjetunion werde sich zurückhalten. Kurz vor dem KSZE-Gipfel in Helsinki wollte er keine Störung der Entspan-

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nung riskieren und wies die DDR an, von jeglicher Unterstützung für die portugiesischen Kommunisten abzusehen.7 Der seit 1969/70 fest etablierte Dialog bewährte sich. Aus der KSZE wurde ein KSZE-Prozess, der mit den KSZE-Nachfolgekonferenzen in Belgrad (1977–78), Madrid (1980–83) und Wien (1986–89) trotz sich oft auftürmender Schwierigkeiten die ost-westliche Kommunikation bis zum Ende des Ost-West-Konflikts in Gang hielt. In Madrid wurde eine neue Konferenz vereinbart, die Konferenz über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die Anfang 1984 in Stockholm zusammentrat. Wie deutlich geworden ist, hob Entspannung niemals den Antagonismus auf, der Ost und West trennte. Entspannung sollte die friedliche Koexistenz sicherstellen, das Eigenleben der Antagonisten aber nicht beeinträchtigen. So einleuchtend dies klang, in der Praxis des Entspannungsprozesses führte dieses Ziel regelmäßig zu der irritierenden Wahrnehmung, dass es immer wieder zu Grenzüberschreitungen komme. Im westlichen Verständnis von Entspannungspolitik war die dynamische Ausrichtung des eigenen Politik- und Gesellschaftsmodells schlechterdings nicht so zu begrenzen, dass sie in kommunistisch organisierten Gesellschaften nicht als Einmischung in die eigenen inneren Angelegenheiten oder als Beeinträchtigung eigener Strukturen empfunden wurde. Die besorgten Blicke der Staaten des sowjetischen Machtbereichs richteten sich dabei sowohl auf die wirtschaftliche Entwicklung des kapitalistischen Westens als auch sein liberales politisches System mit der Garantie individueller Freiheiten. Demgegenüber erschien aus westlicher Sicht das revolutionäre Weltverständnis der Kommunisten, obwohl es ursprünglich – wie das liberale Modell auch – universalistisch angelegt war und seit 1917 vom Sieg über den Westen träumte, weniger bedrohlich, weil die Sowjetunion in Europa als Status-quoMacht mit einem rationalen entspannungskonformen Konfliktverhalten galt und weil die kommunistische Ideologie im Westen auf geringere Zustimmung stieß als umgekehrt die liberale im Osten.

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Ganz anders wurde im Westen auf die nicht nachlassenden sowjetischen Rüstungsmaßnahmen reagiert, die als unvereinbar mit dem Geist der Entspannung galten. Sie verhinderten vor allem, dass der Prozess der Entspannung schon während der Ära Brandt eine neue qualitative Stufe erreichen konnte, um schließlich in den Zustand einer stabilen europäischen Friedensordnung überzugehen. Das heißt nicht, dass die Entspannungspolitik stagnierte oder gar vor ihrem Niedergang stand. Vielmehr wurde deutlich, was den Prozess der Entspannung als Fortsetzung und eben nicht als Überwindung des OstWest-Konflikts ausmachte. Dem gemeinsamen Interesse an der Wahrung des Friedens standen unterschiedliche Erwartungen an den Effekt der Entspannung gegenüber. Im Kern handelte es sich darum, wie lebensfähig das eigene System war und wie optimistisch man in die Zukunft blicken konnte. Die Sowjetunion fühlte sich nur als Militärmacht dem ost-westlichen Wettbewerb gewachsen. Es fehlte ihr und ihren Bündnispartnern jedoch an der dafür nötigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Nur durch Kooperation mit dem Westen, die allerdings eine zunehmende Abhängigkeit vom Westen erzeugte, konnte die eigene Schwäche zum Teil kompensiert, aber nicht wirklich ausgeglichen werden. Der westliche Kapitalismus war weit von der Krise entfernt, über die Anfang der 1970er-Jahre – etwa in Polen – schon gesprochen wurde. Vielmehr folgte auf den Abgesang auf bisherige Wachstumserwartungen im weiteren Verlauf eine Rückkehr zu wirtschaftlicher Dynamik, die den Abstand zum Osten weiter vergrößerte. Auch das westliche Gesellschaftsmodell drang als eine weitere Form von soft power in das östliche Europa ein. Eine erste Gegenwehr erfolgte, als die sowjetischen Behörden Andrej Sacharow 1975 daran hinderten, nach Oslo zu reisen, um den ihm verliehenen Friedensnobelpreises entgegenzunehmen. Die Verleihung der Auszeichnung an einen Dissidenten, der jene Grundfreiheiten einforderte, die in der Schlussakte von Helsinki erwähnt wurden, wies der Kreml als Angriff auf die internationale Entspannungspolitik zurück. Sacharows Begriff

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von Frieden setzte bei den gesellschaftlichen Wurzeln an. Den Gedanken, den Willy Brandt als einer von Sacharows Vorgängern 1971 in Oslo zwar angesprochen, in seiner Politik klugerweise aber zurückgestellt hatte, nämlich Frieden mit der Gewährung von „Gedankenfreiheit“ in Verbindung zu bringen, griff Sacharow 1975 wieder auf. Er postulierte einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen Frieden, Fortschritt und Menschenrechten, wie der Titel seiner Dankesrede lautete. Sie wurde in Oslo von Sacharows Frau Jelena Bonner verlesen, die sich gerade im Westen aufhielt. Danach war sie führend an der Moskauer Helsinki-Gruppe beteiligt, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Umsetzung der KSZE-Vereinbarungen zu überwachen. Auch in anderen Ländern entstanden solche Gruppen, von denen Charta 77 in der Tschechoslowakei besondere Bekanntheit erlangte. Das Thema Menschenrechte blieb in der Folgezeit auf der Tagesordnung. Ins Zentrum der Ost-West-Beziehungen rückten jedoch Rüstungsfragen. Helmut Schmidt hatte das Problem schon in seinem ersten Amtsjahr als Bundeskanzler angesprochen. Internationale Aufmerksamkeit erregte er im Oktober 1977, als er warnend auf das fehlende militärische Gleichgewicht in Europa hinwies. Es betraf den Bereich der konventionellen Streitkräfte, zusätzlich aber die nuklearen Mittelstreckenraketen, mit denen die Sowjetunion Ziele in Europa erreichen konnte. Schmidt plädierte für eine Reduktion im konventionellen Bereich und für die Beseitigung der Raketen. Im weiteren Verlauf fasste die NATO im Dezember 1979 den Doppelbeschluss, mit der Sowjetunion in Verhandlungen einzutreten und im Fall ihres Scheiterns als Gegengewicht selbst Raketen zu stationieren. Kurz danach führte der sowjetische Einmarsch in Afghanistan zu einer weiteren Belastung der Ost-West-Beziehungen. Schmidt ließ keine Gelegenheit aus zu betonen, dass er auf einen Verhandlungserfolg setzte und auf keinen Fall „zum Kalten Krieg zurück“ wollte.8 Sicherheit und Entspannung sollten sich weiterhin ergänzen, wie es die NATO mit ihrer Harmel-Formel schon 1967 vorge-

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sehen hatte. Brandt und Schmidt wünschten sich unisono eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit der Sowjetunion.9 Die Erfolge der Entspannungspolitik – genauer: ihre Teilerfolge, weil ein Erfolg auf dem Sektor der militärischen Entspannung bisher ausgeblieben war – durften nicht aufs Spiel gesetzt werden. Dazu gehörte, dass der friedliche Wandel von Grenzen als zulässig anerkannt war. Die deutsche Frage konnte dadurch offen gehalten werden, dass die Respektierung des Status quo seine spätere Überwindung nicht ausschloss. Als Bedingung galt das Einvernehmen von West und Ost über die Verträglichkeit einer europäischen Friedensordnung mit der Existenz eines wieder erstandenen deutschen Nationalstaats. Anders formuliert: Eine Wiedervereinigungsperspektive hing davon ab, dass der Prozess der Entspannung nicht abbrach. Schmidt betonte wiederholt dieses Sonderinteresse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung der Entspannung. Ein weiterer unstrittiger Teilerfolg war mit den ost-westlichen Wirtschaftsbeziehungen gegeben, die über alle Krisen hinweg erhalten blieben. Breschnews Aufenthalt in Deutschland im Mai 1978 verlief für Schmidt in einem Punkt enttäuschend. Seine Forderung nach der Herstellung eines militärischen Gleichgewichts beantwortete Breschnew routinemäßig mit dem Hinweis, dass es doch bereits bestehe. Der Erfolg der Begegnung bestand in einem langfristigen Wirtschaftsabkommen, dem beide Seiten auch eine politische Bedeutung beimaßen. Schmidt war seit Langem nicht nur von der Wichtigkeit wirtschaftlicher Kontakte für die Normalisierung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses überzeugt. Er scheint auch an die zivilisierende Wirkung wirtschaftlicher Kooperation geglaubt zu haben. Sie werde in den „nächsten zwanzig Jahren“ zu einer größeren sowjetischen Abhängigkeit von westeuropäischen Lieferungen“ führen und damit eine „größere Einflussnahme“ auf die sowjetische Politik ermöglichen.10 Zu Beginn der 1980er-Jahre bot sich ein kontrastreiches Bild. Schmidts Ostkontakte enthielten Termine nicht nur mit Breschnew, sondern auch mit Honecker. Mit der Sowjetunion gelang der Abschluss

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eines weiteren Großprojekts nach dem Muster, das schon während der Kanzlerschaft Brandts für Aufsehen gesorgt hatte. Ein neues ErdgasRöhren-Geschäft sah die Erschließung eines Erdgasfelds im sibirischen Urengoi vor. In Washington wurde Ronald Reagan als neuer amerikanischer Präsident vereidigt. Von dort erfuhr Schmidts Ostpolitik erheblichen Gegenwind, der nach der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 1981 noch zunahm. Das Weiße Haus machte die Sowjetunion für die dadurch ausgelöste Unterdrückung der Solidarno´s´c verantwortlich, einer unabhängigen Gewerkschaft, deren Existenz für ein kommunistisches Land einen ungeheuren Vorgang darstellte. In früheren Zeiten konnte dies, wie es 1968 in der Tschechoslowakei geschah, zu einer Intervention der sowjetischen Hegemonialmacht führen. Jetzt riskierte die Sowjetunion keine Wiederholung des Prager Exempels. Der Gewaltverzicht war seit Helsinki als konstitutives Moment in den zwischenstaatlichen Beziehungen anerkannt. Dass sich die Sowjetunion daran hielt, konnte als Erfolg der Entspannungspolitik verbucht werden. Bundeskanzler Schmidt verstand sich in dieser Phase als „Dolmetscher in beiderlei Richtungen“.11 Er versuchte, seinen entspannungspolitischen Ansatz auf die Beziehungen der Supermächte zu übertragen, die sich während der Präsidentschaft Jimmy Carters stetig verschlechtert hatten. Gleichzeitig hielt Schmidt an seinem sicherheitspolitischen Dogma fest. Auch die NATO müsse Mittelstreckenraketen stationieren, falls eine Verhandlungslösung nicht erreicht werden konnte. Darüber kam es zum offenen Dissens mit Brandt, der den Doppelbeschluss bisher nur aus Loyalität zum Bundeskanzler mitgetragen hatte. Nach eigenen Gesprächen mit Breschnew, zu dem er nach dem Verlust der Kanzlerschaft weiterhin gute Kontakte unterhielt, neigte Brandt im Sommer 1981 dem sowjetischen Vorschlag zu, zunächst einmal keine Beschlüsse zu fassen und sich in der Raketenfrage auf ein Moratorium zu verständigen. Als im Oktober 1981 Hunderttausende in Bonn gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen protestierten, wollte Schmidt erreichen, dass Brandt als Vorsitzender der SPD

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die Teilnahme des Vorstandsmitglieds Erhard Eppler verhinderte. Sehr zum Ärger Schmidts wies Brandt dieses Ansinnen zurück. Eppler war sogar einer der Hauptredner bei der Demonstration, die zeigte, dass die Friedensbewegung zu einer Massenbewegung angewachsen war. Schmidts Gleichgewichtsdoktrin wurde von ihr als gefährliche Verschärfung des Wettrüstens verurteilt. Schmidt verlor den Rückhalt in seiner eigenen Partei und, wenn auch aus anderen Gründen, die FDP als Koalitionspartner. Als die christlich-liberale Bundestagsmehrheit im November 1983 die Raketenstationierung beschloss, schien die kurz zuvor erfolgte abermalige Mobilisierung der Gegner „neuer Atomraketen“ vergeblich gewesen zu sein. Das innenpolitische Klima wurde zusätzlich vergiftet, als der Generalsekretär der CDU Heiner Geißler die Sozialdemokraten als „Fünfte Kolonne“ Moskaus abstempelte und damit an die CDU der 1950er-Jahre anknüpfte, für die „alle Wege des Marxismus nach Moskau“ führten. Das leidige Zwischenspiel der Ära Brandt sollte ausgelöscht und die Entspannungspolitik als gescheitert hingestellt werden. Aus den USA klangen die harschen Töne Präsident Reagans herüber, die an die Wiederkehr des Kalten Kriegs glauben ließen. Was nicht an die Öffentlichkeit drang, war die Nachwirkung des SALT-Dialogs, dem sich Reagan nicht entziehen konnte und auch nicht wollte; war ferner die Suche des neuen US-Außenministers George Shultz nach Ansatzpunkten für eine auch von Reagan gewünschte konstruktive Wende im Machtkonflikt der Supermächte. Parallel zur Raketenstationierung in Europa und zu weiteren massiven Rüstungsprogrammen bereitete Washington 1983 die Schritte vor, die zu neuen Höhepunkten der Gipfeldiplomatie führten, nachdem es in der Sowjetunion zu einem Führungswechsel gekommen war. Ronald Reagan und Michail Gorbatschow konnten an die kommunikative Praxis anknüpfen, die den Austrag des Ost-West-Konflikts richtungweisend verändert hatte. Darüber hinaus trugen ihre Gipfeltreffen dazu bei, ein friedliches Ende des OstWest-Konflikts vorzubereiten.

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In der Bundesrepublik legte sich unterdessen der Streit um den Frieden. Die Regierung Kohl/Genscher trug dazu bei, indem sie die Ostpolitik ungebrochen fortsetzte. In der Entscheidungsphase 1989, nachdem die Berliner Mauer nicht nur durchlässig, sondern auch frei passierbar geworden war, konnte sich Bundeskanzler Kohl auf die KSZE-Beschlüsse berufen, die von den Unionsparteien 1975 noch brüsk abgelehnt worden waren. Nach dem auf den kurzen Kalten Krieg folgenden langen Prozess der Entspannung traten 1989/90 Bedingungen ein, unter denen die innerdeutsche Grenze aufgehoben und die Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschland frei gewählt werden konnte.

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ANHANG

Zeittafel

1966 25.3.

An die Staaten des Warschauer Pakts (mit Ausnahme der DDR) gerichtete Note der Bundesregierung („Friedensnote“): Angebot von Verhandlungen über einen Austausch von Gewaltverzichtserklärungen

5.–6.7.

„Bukarester Erklärung“ des Warschauer Pakts fordert „Anerkennung der real bestehenden Grenzen“ und Einberufung einer „Konferenz zu Fragen der europäischen Sicherheit und Zusammenarbeit“

20.6.–1.7. Aufenthalt des französischen Staatspräsidenten in der Sowjetunion. De Gaulle propagiert den Dreischritt „Entspannung – Verständigung – Zusammenarbeit“ 1.12.

Regierung der Großen Koalition in Bonn aus CDU/CSU und SPD

1967 10.–12.1. Sondierungen in Prag wegen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 31.1.

Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und Rumänien

10.2

Warschauer Pakt blockiert diplomatische Beziehungen weiterer Mitgliedstaaten zur Bundesrepublik.

24.–26.4. Karlsbader Konferenz mit Delegationen von 24 europäischen kommunistischen Parteien. Hauptthema ist die Sicherheit in Europa in Verbindung mit der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR. 5.–10.6. Israelisch-arabischer Sechstagekrieg 3.8.

Abkommen mit der Tschechoslowakei über die Einrichtung von Handels-

3.–7.8.

Außenminister Brandt zu Gesprächen in Rumänien

vertretungen

Z E I T TA F E L

14.12.

„Harmel-Bericht“ der NATO bezeichnet Sicherheit und Entspannung als komplementäre Elemente

1968 31.1.

Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Jugoslawien (nach dem Abbruch 1957)

31.1.

Beginn der Tet-Offensive Nordvietnams im Vietnamkrieg

25.6.

Im „Signal von Reykjavik“ plädiert die NATO für eine Truppenverminde-

1.7.

Vertrag über die Nicht-Verbreitung von Kernwaffen von USA, Sowjetunion

rung in Europa und England unterzeichnet 20./21.8. Intervention des Warschauer Pakts (mit Ausnahme Rumäniens) in der Tschechoslowakei 1969 20.1.

Der neue US-Präsident Nixon kündigt eine „Ära der Verhandlungen“ an.

2.–20.3. Chinesisch-sowjetische Kämpfe am Grenzfluss Ussuri 5.3.

Wahl Gustav Heinemanns (SPD) zum Bundespräsidenten

17.3.

Im „Budapester Appell“ verzichtet der Warschauer Pakt auf Vorbedingungen für eine ESK

28.4.

Mit dem Besuch der Hannover-Messe durch Außenhandelsminister Patolitschew hält sich erstmals seit 1958 wieder ein sowjetischer Minister in der BRD auf

28.4.

Nach dem Rücktritt de Gaulles wird Georges Pompidou französischer Staatspräsident

5.5.

Finnische Initiative zur Einberufung einer ESK

17.5.

Der polnische Parteichef Gomułka schlägt einen Grenz- und Normalisierungsvertrag mit der BRD vor

24.–25.7. Delegation der FDP zu Gesprächen in Moskau 20.–23.8. Delegation der SPD zu Gesprächen in Moskau 28.9.

Bundestagswahl mit knapper Mehrheit für eine sozial-liberale Koalition

21.10.

Bundesregierung mit Bundeskanzler Brandt (SPD) und Außenminister Scheel (FDP)

249

250

ANHANG

28.11.

Beitritt der Bundesrepublik zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen

22.12.

Abkommen mit Rumänien über den Warenverkehr

1970 30.1.

Auftakt der Gespräche zwischen Staatssekretär Bahr und Außenminister

1.2.

Deutsch-sowjetisches Erdgas-Röhren-Abkommen

5.–6.2.

Beginn der deutsch-polnischen Verhandlungen über einen Grenzvertrag

19.3.

Deutsch-deutsches Gipfeltreffen zwischen Brandt und Stoph in Erfurt

26.3.

Beginn der Vier-Mächte-Verhandlungen über Berlin

21.5.

Zweites Treffen zwischen Brandt und Stoph in Kassel

22.5.

Erfolgreicher Abschluss der Bahr-Gromyko-Gespräche

Gromyko über ein Gewaltverzichtsabkommen

22.–26.6. Aufenthalt des rumänischen Ministerpräsidenten Maurer in der BRD 26.7.–7.8. Außenminister Scheel handelt in Moskau den endgültigen Text des Moskauer Vertrags aus 12.8.

Unterzeichnung des Moskauer Vertrags

15.10.

Deutsch-polnisches Abkommen über den Warenverkehr

27.10.

Abkommen über den Warenverkehr mit Ungarn

7.12.

Unterzeichnung des Warschauer Vertrags

12.–13.12. Soziale Unruhen in Polen. Ablösung Gomułkas durch Edward Gierek 17.12.

Abkommen über den Warenverkehr mit der Tschechoslowakei

1971 12.2.

Abkommen über den Warenverkehr mit Bulgarien

3.5.

Ablösung von Ulbricht als SED-Parteichef durch Erich Honecker

17.–20.5. Staatsbesuch von Bundespräsident Heinemann in Rumänien 15.8.

US-Regierung hebt Dollarkonvertibilität auf

3.9.

Unterzeichnung des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin

16.–18.9. Gipfeltreffen zwischen Brandt und Breschnew in Oreanda am Schwarzen Meer

Z E I T TA F E L

1972 21.–28.2. Besuch Nixons in China 20.3.

Breschnew bezeichnet die EG als Realität

27.4.

Gescheitertes Misstrauensvotum gegen sozial-liberale Regierung

17.5.

Ratifizierung des Moskauer und des Warschauer Vertrags im Bundestag

22.–30.5. Gipfeltreffen zwischen Nixon und Breschnew in Moskau mit Unterzeichnung von SALT I 6.7.

Zweites deutsch-sowjetisches Gas-Röhren-Abkommen

13.–14.9. Aufenthalt des polnischen Außenministers Olszowski in Bonn. Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Polen 19.11.

Bundestagswahl führt zu einer soliden Mehrheit für die sozial-liberale

21.11.

Vorgespräche für die KSZE

21.12.

Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR

Koalition.

1973 27.1.

Friedensvertrag im Vietnamkrieg

31.1.

Vorgespräche über MBFR

18.–22.5. Staatsbesuch Breschnews in der BRD. Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit 30.–31.5. Treffen der Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP, Wehner und Mischnick, mit Honecker 18.–25.6. Staatsbesuch Breschnews in den USA. Abkommen zur Verhinderung eines Atomkriegs 26.–30.6. Staatsbesuch Ceauşescus in der Bundesrepublik. Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit 3.–7.7.

Eröffnung der KSZE durch die Außenminister in Helsinki

18.9.

Beginn der 2. Phase der KSZE in Genf

18.9.

Aufnahme von BRD und DDR in die UNO

25.9.–2.10. Aufenthalt einer Delegation des Bundestags in der Sowjetunion

6.10.

Ägyptisch-syrischer Angriff auf Israel (Jom-Kippur-Krieg)

251

252

ANHANG

20.10.

Beginn der Ölkrise mit Drosselung der Fördermengen und Lieferboykott westlicher Länder

30.10.

Beginn der MBFR-Verhandlungen mit Wien

11.12.

Prager Vertrag. Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Tschechoslowakei

21.12.

Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Bulgarien und Ungarn

1974 6.5.

Rücktritt Brandts vom Amt des Bundeskanzlers

16.5.

Neue sozial-liberale Regierung mit Schmidt als Bundeskanzler und Genscher als Außenminister

8.8.

Rücktritt Nixons. Ford neuer US-Präsident

28.–31.10. Aufenthalt von Schmidt und Genscher in Moskau 1.11.

Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Polen und Ungarn

7.11.

EG bietet den Warschauer-Pakt-Staaten Handelsvertragsverhandlungen an

23./24.11. Ford und Breschnew unterstreichen bei einem Treffen in der Nähe von Wladiwostok die Bereitschaft zu SALT II. 1975 22.1.

Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakei

14.5.

Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Bulgarien

30.7.–1.8. Gipfeltreffen von 35 Staats- und Regierungschefs in Helsinki mit Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte

ABKÜRZUNGEN AA AAN AAPD ADL AdsD AFL-CIO AHS AMAE

Auswärtiges Amt Archivum Akt Nowych [Archiv Neuer Akten], Warschau Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland Archiv des Liberalismus, Gummersbach Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn American Federation of Labour and Congress of Industrial Organization Archiv Helmut Schmidt, Hamburg Archives du Ministère des Affaires étrangères, Centre des Archives Diplomatiques, La Courneuve, Paris AMSZ Archivum Ministerstwa Spraw Zagranicznych [Archiv des Außenministeriums], Warschau AN Archives Nationales de France, Pierrefitte-sur-Seine ANIC Arhivele Nationale Istorice Centrale [Zentrales Historisches Nationalarchiv], Bukarest APAG Atlantic Policy Advisory Group AuswA Auswärtiger Ausschuss des Deutschen Bundestags AVPRF Arkhiv vneshnei politiki Rossiskoi Federatsii [Archiv für Außenpolitik der Russländischen Föderation], Moskau BA Bundesarchiv, Berlin BAK Bundesarchiv, Koblenz BRD Bundesrepublik Deutschland BStU Der Bundesbeauftrage für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Berlin BT Bundestag Bulletin Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung CAC Churchill Archives Centre, Churchill College, Cambridge CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands ChernyaevD The Diaries of Anatoly Chernyaev, http://nsarchive2.gwu.edu COMECON Council for Mutual Economic Assistance ČSSR Tschechoslowakische Sozialistische Republik CSU Christlich-Soziale Union DBPO Documents on British Policy Overseas, Series III DDF Documents diplomatiques français, 1966 ff. DDR Deutsche Demokratische Republik Dep. Depositum DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DKP Deutsche Kommunistische Partei DzD IV, V, oder VI Dokumente zur Deutschlandpolitik, IV., V. oder VI. Reihe

254

ANHANG

EA EG ESK EWG FDP FRUS GFPL GV HAS HWA INTERDOC KC PZPR KGB KP KPdSU KSE KSZE KZ MBFR MfAA MOL NARA NATO NL PAAA PCI PHP RG RGW RNPL SALT SAPMO SBZ SED SLA SPD SPDPresse TNA UdSSR UNO USA WBA WP ZK

Europa-Archiv Europäische Gemeinschaft(en) Europäische Sicherheitskonferenz Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Freie Demokratische Partei Foreign Relations of the United States 1969–1976 Gerald Ford Presidential Library, Ann Arbor Gewaltverzicht Helmut Schmidt Archiv im AdsD Herbert Wehner Archiv im AdsD International Documentation and Information Center Komitet Centralny Polskiej Zjednoczonej Partii Robotniczj [Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei] Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR Kommunistische Partei Kommunistische Partei der Sowjetunion Konferenz für Sicherheit in Europa Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Konzentrationslager Mutual Balanced Force Reductions Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Magyar Országos Levéltár [Ungarisches Nationalarchiv], Budapest National Archives and Records Administration, College Park, MD North Atlantic Treaty Organization Nachlass Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin Partito Communista Italiano Parallel History Project on Cooperative Security (http://www.php.isn.ethz.ch) Record Group Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Richard Nixon Presidential Library and Museum, Yorba Linda, CA Strategic Arms Limitation Talks Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Schweizerisches Literaturarchiv, Bern Sozialdemokratische Partei Deutschlands Pressemitteilungen der SPD (http://www.library.fes.de/bibliothek/digitale-bibliothek/pressedienste/pressemitteilungen-der-spd-1958-1998) The National Archives, Kew Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations Organization United States of America Willy Brandt Archiv im AdsD Wahlperiode Zentralkomitee

ANMERKUNGEN

Abschied vom Kalten Krieg

1 Willy Brandt an Helmut Schmidt, 28.10.1966. Woyke (2015), S. 131. 2 Schildt u.a. (2000). 3 Zusammenfassend dazu Conze (2009), S. 328 ff. Vgl. auch Faulenbach (2011), S. 267 ff. 4 Zit. nach Stöver (2007), S. 14. Schon im Oktober 1945 prophezeite George Orwell, der Besitz von Atomwaffen lasse nur die Konfliktform des Kalten Kriegs zu. Westad (2010), S. 3. 5 Als Beispiel nenne ich Sarasin (2015), S. 39 und 41 f., wo an der multiplen Verwendung des Begriffs Kalter Krieg für die „gesamte Zeitspanne von 1946/47 bis 1989/90“ festgehalten, zugleich aber von einer nach 1960 endenden „ersten Phase des Kalten Kriegs“ und seiner „Erneuerung“ Ende der 1970er-Jahre gesprochen wird. 6 Junker (2002), S. 31. 7 Hanhimäki (2010), S. 198; Westad (2017), S. 365 ff. 8 Rede Kennedys vor der American University in Washington am 10.6.1963. http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=9266. 9 Ulbricht während einer Zusammenkunft der ZKs von SED und KPdSU am 21.8.1970 in Moskau. DzD VI, Bd. 1, S. 765.

10 De Gaulle in einer Rundfunk- und Fernsehansprache zum Abschluss seines zehntägigen Aufenthalts in der Sowjetunion am 30.6.1966: „Il s’agit de mettre en oeuvre successivement: la détente, l’entente et la coopération dans notre Europe tout entière.“ De Gaulle (1970), S. 58. 11 Rede Chruschtschows am 14.2.1956, abgedruckt in: Ostprobleme 8 (1956), S. 328–343, hier S. 333. 12 So in Anlehnung an Raymond Arons Definition des Kalten Kriegs aus dem Jahr 1947 („Friede unmöglich – Krieg unwahrscheinlich“) Hildebrand (2011), S. 132. 13 Kiesingers Rede findet sich in Meissner 1970, S. 205-208, hier S. 206 f.; Willy Brandt in einem Aufsatz für die Zeitschrift Außenpolitik, wieder abgedruckt in Brandt (2005), S. 130 f., 136. 14 Kiesinger am 27.8.1968 vor dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. AuswA, Sitzungsprotokolle 1965– 1969. 2. Halbband (2006), S. 1010. 15 Debré am 29.8.1968 vor dem Außenpolitischen Ausschuss der Nationalversammlung. Zit. nach Kroegel (1997), S. 285. 16 Debré an die französischen Botschaften weltweit 31.8.1968. DDF 1968, Bd. 2, S. 327. Eingehend zu den Reaktionen auf die sowjetische Okkupa-

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ANHANG

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tion der Tschechoslowakei in Paris und Bonn. Hofmann (2015), S. 264 ff. und 316 ff. Zum internationalen Kontext die multiperspektivisch angelegte Aufsatzsammlung Bischof u.a. (2010). Nixon in seiner Antrittsrede am 20.1.1969. www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=1 941. Nixon vor dem Kongress am 1.6.1972. FRUS, Bd. 1, S. 392 f. Basic Principles of Relations between the United States of America and the Union of Soviet Socialist Republics, 29.5.1972. Ebd. S. 389-391. Tagebucheintrag vom 3.6.1972. ChernyaevD 1972. Bredow (1972); Bredow (1975). Conze (2011), S. 111. Ähnlich Bredow (2011), S. 138 f. Villaume/Westad (2010), S. 7. Vgl. auch Villaume u.a. (2016). Fink (2013), S. 169. Greiner u.a. (2006), S. 7. Ausgehend von Jürgen Habermas (1981) haben Politikwissenschaftler seit den 1990er-Jahren versucht, einen entsprechenden Forschungsansatz zu entwickeln. Verwiesen sei nur auf Müller (1994); Müller (2007); Albert u.a. (2008); Forum (2017). Rede Johnsons am Virginia Military Institute in Lexington, 23.5.1964. http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=26264. So Willy Brandt zum Abschluss seines offiziellen Israel-Besuchs in einem Vortrag am 11.6.1973 im Weizmann Institut anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde. WBA A3/502. Bange/Lemke (2013), S. 11. Nixon am 13.8.1971: „Is the United States going to continue to be a great nation, number one?“ Haldeman (1994), S. 344. Zum relativen Macht-

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verlust der USA auch Zanchetta (2014). Nixon im Gespräch mit Brandt 6.4.1974. AAPD 1974, S. 491. Bundeskanzler Kiesinger in seiner Regierungserklärung am 13.12.1966, zit. nach Gassert (2015), S. 17. Badalassi (2014). „Katechismus zur deutschen Frage“, in: Kursbuch 4 (1966), S. 1–55. Der Text stammte unter Mitwirkung von Hans Magnus Enzensberger von Walter Euchner, Gert Schäfer und Dieter Senghaas. So aus sozialdemokratischer Perspektive Faulenbach (2011). Schmidt an Brandt 13.8.1970. Woyke (2015), S. 301. Scheel an Brandt 27.06.1974. WBA, A 11.1/27. Schmidt an den SPD-Abgeordneten Friedrich Beermann, 30.7.1970. WBA A8/18. Ähnlich auch Schmidt an Rudolf Augstein, 30.7.1970. Der CDU/CSU-Opposition fehle die Einsicht, „dass nach der geschichtsnotwendigen Versöhnung mit Franzosen und Israelis in der Ära Adenauer nunmehr in der Ära Brandt ebenso die Versöhnung mit Russen, Polen und unseren übrigen osteuropäischen Nachbarn nötig ist“. HSA 5479. Zum Hintergrund für beide Schreiben Soell (2008), S. 104. Dazu Schmidt (2001). So Theo Sommer von der Wochenzeitung Die Zeit, die eine „neue“ Ostpolitik forderte und sich im Meinungskampf nachdrücklich dafür stark machte, in einem Artikel für Foreign Affairs Anfang 1967: „Bonn Changes Course“ (1966/67), S. 488. Sommer ließ Brandt am 23.3.1967 ein Exemplar zukommen. Dieser empfand die publizistische Unterstützung als „hilfreich“. AdsD, NL Bahr 36B/2. Pons und Romero (2011), S. 88. Regierungserklärung von Bundes-

ANMERKUNGEN

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kanzler Brandt am 28.10.1969. BT, 6. WP, S. 20, 21, 30–33. So einer der für diese Materie wichtigsten Bonner Diplomaten: Sahm (1994), S. 247. Brandt (2011), S. 145. Camus (1960), S. 264. Ob Brandt die Nobelpreisrede von Camus kannte, ist ungewiss. Aber bei der Verurteilung der von der Komintern veranlassten und von Brandt 1937 hautnah miterlebten Liquidierung linker Kräfte im Spanischen Bürgerkrieg bezog er sich auf Camus. Brandt (1989), S. 120. Dazu auch das Vorwort Brandts zu Gorkin (1980). Seebacher (2004), S. 353 berichtet, Brandt habe sich im Werk von Camus wiedergefunden. So Brandt in einer Aufzeichnung über sein Zusammentreffen mit Willi Stoph am 19.3.1970 in Erfurt. Brandt (2005), S. 287. Alle Zitate werden in der heute gültigen Orthographie wiedergegeben und sind in den Anmerkungen nachgewiesen. Auf den Einzelnachweis von Literatur, die im Literaturverzeichnis aufgeführt ist, wird dagegen verzichtet.

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15 I Ostpolitik als kommunikatives Ereignis

1 De Gaulle (1970), S. 58. So auch in einer Unterredung mit dem britischen Außenminister am 16.12.1966. DDF 1966, Bd. 2, S. 1031. 2 De Gaulle zu Brandt 15.12.1966. AAPD 1966, S. 1639; DDF 1966, Bd. 2, S. 1020 (wo das Gespräch fälschlicherweise auf den 16.12.1966 datiert ist). 3 Rede vor der DGAP 11.6.1964, Brandt (2004), S. 459 f.; Memorandum für den amerikanischen Außenminister Rusk 26.8.1964, Brandt (1971), S. 115 ff. 4 So Eppler (2015), S. 123. Als einer der

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außenpolitischen Sprecher der SPDFraktion besuchte Eppler seit 1967 fast alle Ostblockstaaten. Bahr an Schuh 6.10.1965. AdsD, NL Bahr 1/EB AA 000029. Haftendorn (1975), S. 232. Dazu Schmidt (2001). Zum „Zonenstaat“ Bahr an Brandt 12.11.1965. AdsD, NL Bahr 1/EB AA 000030. Die Tutzinger Reden von Brandt und Bahr in: DzD IV, Bd. 9, S. 565 ff. und 572 ff. Zu Wehners Reaktion Meyer (2006), S. 267 f. Allgemein zu den Umständen Brandt (1976), S. 56 f.; Bahr (1996), S. 152 ff.; Merseburger (2002), S. 441 ff. Brandt im August 1967 in einem Artikel für die Zeitschrift Außenpolitik. Brandt (2005), S. 131. Brandt (1968), S. 169. Bahr an Bender 14.1.1970. AdsD, NL Bahr 84/1; Bahr an Brandt 7.3.1970. AAPD 1970, S. 403. Bahr am 3.10.1970 während einer Klausurtagung der Berliner SPD. AdsD, NL Bahr 301/2. Leitlinien der Bundesregierung für die ESK 18.5.1972. AAPD 1972, S. 581. Brandt im Februar 1969 in einem Beitrag für die Zeitschrift Der Monat. Schönhoven (2004), S. 408. Für den Text des Moskauer Vertrags Bender (1986), S. 299 ff. Rede Johnsons vor der National Conference of Editorial Writers am 7.10.1966. http://www.presidency.ucsb.edu/ws/? pid=27908. Zum Kontext Schwartz, Johnson, S. 133 ff. Aufzeichnung von Carstens vom 14.11.1966 am Vorabend der Großen Koalition. AAPD 1966, S. 1502–1515; Carstens an Brandt 5.12.1966. AdsD, NL Bahr 425/1. Wichtig auch ein früheres Memorandum von Carstens vom 17.10.1966: „Die Problematik unserer Deutschlandpolitik“. AAPD 1966, S. 1374–1383.

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ANHANG

18 Greschat (2000), S. 552–558; Rohwedder (2010). 19 So von Marion Gräfin Dönhoff in der Zeit vom 2.3.1962. 20 Gerstenmaier an Dönhoff 24.1.1966. Bange und Geiger (2009), S. 275. 21 So noch am 10.5.1972 Bruno Heck (CDU) im Bundestag während der Debatte über die Ratifizierung der Ostverträge. BT, 6. WP, S. 10880 und 10882. Vgl. auch die Reden von Barzel und Kiesinger am 23.2.1972. Ebd., S. 9752–9764 und 9784–9791. 22 Greschat (2009), S. 37. 23 Brandt aus Warschau an Raiser, 7.12.1970. Greschat (2009), S. 47. 24 Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1968–73, S. 525. 25 So im Juni 1966 auf dem Dortmunder Parteitag der SPD. Soell (2009), S. 522. Ferner im Februar 1972, BT, 6. WP, S. 9920. 26 Zit. nach Schönhoven (2004), S. 395. 27 Diskussionsbeitrag Bahrs in Boll (2006), S. 57; Schönhoven (2004), S. 395 ff.; Brandt (1976), S. 187; Duckwitz an Schmidt 22.8.1968, AdsD, HSA 5355; Stickler (2004), S. 260 ff. 28 So Brandt in einem Interview für die italienische Zeitung Paese Sera vom 6.2.1969. SPDPresse, 5.2.1969. 29 Waldemar Besson, „Bonn auf dem Prüfstand. Chancen westdeutscher Außenpolitik“, in: Der Monat 21 (1969), H. 244, S. 42–49; Brandt an Besson 1.2.1969, AdsD, NL Bahr 33. Auf den Artikel waren Brandt und Bahr schon vor dessen Veröffentlichung von dem Publizisten Klaus Harpprecht hingewiesen worden. Bahr schrieb am 17.12.1968 an Harpprecht, er sehe „nur Nuancen-Unterschiede“. Ebd. 1/EB AA 000198. 30 Gespräch zwischen Bahr und v. Weizsäcker am 17.9.1968, AdsD, NL Bahr 399/3. Die Aufzeichnung darüber hat auch Brandt vorgelegen. 31 Smyser (2009), S. 106.

32 Gespräch zwischen Kissinger und Dobrynin am 3.3.1969. Geyer und Selvage (2007), S. 27 ff. 33 So eine Direktive vom 3.12.1969 für die Verhandlungen mit der BRD über einen Gewaltverzicht. AVPRF 0757/14/54/10. Zitiert wird aus dem ins Deutsche übertragenen Bestand, der mit Genehmigung des Archivs von Prof. Dr. Werner Link zur Verfügung gestellt wurde. 34 Handschriftliche Marginalie Helmut Schmidts als Antwort auf die Frage nach politischen Fehlern der Prager Führung 1968: „Sie hätten die Machtinteressen der Sowjets besser beachten müssen. Sie hätten wissen müssen, dass Moskau kein Selbstbestimmungsrecht gestattet. Sie hätten infolgedessen viel langsamer und viel vorsichtiger vorgehen müssen.“ Fragenkatalog der Autorin Heike Doutiné vom 28.7.1971 im Anschluss an Schmidts Buch Strategie des Gleichgewichts, HSA 5707. 35 Diese Versicherung gab Scheel am 17.11.1969 gegenüber dem sowjetischen Botschafter Zarapkin ab. AAPD 1969, S. 1309. 36 Ausführungen von Bundeskanzler Brandt am 20.2. und 20.3.1970. AdsD, Parteivorstandsprotokolle der SPD. 37 Brandt an Cyrankiewicz 25.12.1969. AAPD 1969, S. 1471. 38 Bahr in einer Aufzeichnung für Brandt vom 14.1.1970. AAPD 1970, S. 21. 39 Die Formulierungen finden sich in einem Artikel von S. Kowaljow „Souveränität und internationale Pflichten der sozialistischen Länder“ in der Parteizeitung Prawda vom 26.9.1968. Meissner (1969), S. 64–69. 40 Bahr sah nur „eine Möglichkeit: Mit Moskau so weit zu kommen, dass man dort auf Ostberlin im Sinne der Vernunft einwirkt.“ Bahr am 14.1.1970 an Peter Bender, seinen

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Freund aus Schultagen, der die Ostpolitik seit Längerem publizistisch vorbereitet hatte. AdsD, NL Bahr 84/1. Link (1986), S. 190. Dahrendorf an Wolfgang Schollwer, den ostpolitischen Vordenker der FDP, 9.4.1970. ADL, Bestand Schollwer 6960/66. Allgemein zu dieser Phase in Dahrendorfs Karriere, ohne aber auf diesen Punkt einzugehen, Meifort (2017), S. 183 ff. Aufzeichnung über die Unterredung zwischen Bahr und Gromyko am 30.1.1970. AAPD 1970, S. 105–118. Bahr in einem Hintergrundgespräch mit ausgewählten Journalisten am 18.6.1970. AdsD, NL Bahr 429 B/1. Aufzeichnung über das Treffen am 24.2.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 293–324. Bahr an Brandt 7.3.1970. AAPD 1970, S. 401. Aufzeichnung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR vom 17.11.1969 über eine Unterredung mit Andropow. DzD VI, Bd. 1, S. 58–60; Breschnew im Verlauf von Konsultationen mit der DDR-Führung am 2.12.1969. Ebd., S. 96 f. Seidel (2006), S. 98. So Botschafter Allardt am 27.5.1970 in einer Bewertung der Leitsätze. AAPD 1970, S. 876. Diese Äußerung Gomułkas am 25.2.1970 überliefert Falin (1993), S. 85. Jarząbek (2016), S. 150. Falin im Gespräch mit Bahr 20.5.1970. AAPD 1970, S. 821. Bahr zu Gromyko 30.1.1970. AAPD 1970, S. 113. Ebd. Aufzeichnung von Altens, dem Leiter des für Polen zuständigen Referats im AA, 13.4.1970. PAAA, B 150/200. Darüber grundsätzlich Brandt an Cyrankiewicz 27.10.1970. AAPD 1970, S. 1847. Brandt (1976), S. 529.

58 SPDPresse, 14.12.1970. 59 Brandt (1968), S. 119; Brandt an Kossygin 19.11.1969, AAPD 1969, S. 1314; Notizen Brandts für eine Fraktionssitzung der SPD am 3.11.1970, WBA, A8/91. 60 Aufzeichnung Schollwers vom 2.11.1970 über Scheels Äußerungen vom Vortag. ADL, Bestand Schollwer, 10806/25; Der Spiegel 45/1970, 2.11.1970. 61 Barzel am 23.2.1972 im Bundestag. BT, 6. WP, S. 9763. 62 Aufzeichnungen Schmidts vom 19. und 26.8.1970 über Gespräche mit Barzel und Schröder. AHS, Korrespondenz Innenpolitik 1970. 63 Schulz an Wehner 21.12.1970. HWA, Allgemeine Korrespondenz 100.; P. Brandt (2013), S. 168. 64 Aktennotiz 16.3.1972. WBA, A 11.4/66. 65 Bahr am 6.1.1970 an den Kölner Staatsrechtler Martin Kriele, der in der Zeit zur deutschen Frage publizierte. AdsD, NL Bahr, 84/3. 66 Brandt an seinen schwedischen Kollegen Olof Palme am 15.6.1970. Brandt (2005), S. 319. 67 Sarotte (2001), S. 130 ff.; Faulenbach (2011), S. 249; Suckut (2010), S. 421. 68 Honecker zu Ceaus¸escu während seines Besuchs in Bukarest am 11./12. Mai 1972. Herbstritt (2007), S. 138; ChernyaevD 1972, S. 16 (27.4.1972). 69 So Brandts Redenschreiber Harpprecht (2000), S. 302. 70 Die Zeit, 21.5.1971. 71 Bukarester Erklärung des Warschauer Pakts 5.7.1966. DzD IV, Bd. 12, S. 1066. 72 Aufzeichnung Brandts vom 7.8.1967 über sein Treffen mit Ceauşescu am 5.8.1967. AAPD 1967, S. 1170; Brandt (1976), S. 229 f. 73 Tischrede Brandts in Bukarest am 4.8.1967. DzD V, Bd. 1, S. 1507; Auf-

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zeichnung Ceaus¸escus über eine Unterredung mit dem sowjetischen Botschafter in Bukarest am 8.8.1967. ANIC, Fond CC al PCR, Sectia Relatii Externe 57/1967. Der stellvertretende rumänische Außenminister Macovescu unterrichtete Bahr am 15.11.1969 in Brüssel über die Außenministerkonferenz am 30./31.10.1969 in Prag. AAPD 1969, S. 1293 ff. Brandt (1976), S. 290; Bauer an Wehner 26.5.1967. HWA, Allgemeine Korrespondenz 81; Bauer über Gespräche 1./2.11.1967 und 28.–30.11.1967. Ebd., 1/HW AA 000538 und 586. Vgl. auch P. Brandt u.a. (1983), S. 273 ff.; Scheib (2001), S. 238 ff.; Müller (2017), S. 1242. Grundlegend Dörr (2017), S. 200 ff. Bauer an Brandt 25.3.1969.WBA, A7/2. Handschriftliche Notiz von Staatssekretär Duckwitz für Ministerialdirigent Sahm im AA, 23.3.1969. PAAA, B 150/149. Vgl. auch Hakkarainen (2011), S. 37 ff. Appell der Budapester Konferenz des Warschauer Vertrags an alle europäischen Länder vom 17.3.1969. EA 24 (1969), Dokumente, S. 153. Brandt zu Zarapkin 4.4.1969. AAPD 1969, S. 450; Brandt an Schmidt am 5.4.1969.Woyke (2015), S. 250. Überliefert von dem KGB-General Wjatscheslaw Keworkow (1995), S. 29. Sitzung des Politbüros am 13.2.1967. MOL, M-KS-288.F.5/417.ő.e. Siehe auch Békés (2016); Jarząbek (2005); dies. (2016). Mischnick und Genscher im Interview mit Ernst Dieter Lueg am 25.7.1969. ADL, FDP-Bundespartei 1743; Scheel am 30.10.1969 bei einer gemeinsamen Sitzung von FDP-Bundesvorstand und -Bundestagsfraktion. ADL, Bundesvorstand 154. Zum

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Ablauf des Moskauaufenthalts auch Botschafter Allardt an AA 25.7.1969. AAPD 1969, S. 861 ff. Falin (1993), S. 55; Bericht des MfAA der DDR vom 29.7.1969 über Informationen aus Moskau. SAPMO, Büro Ulbricht, J IV 2/202/81. Schmidt an Brandt 29.7.1969. WBA, A 11.3/14. H. Schmidt (1986), S. 387. Belege bei Soell (2009), S. 830. Schmidt an den Chefredakteur von Bild beziehungsweise Bild am Sonntag Peter Boenisch 15.8.1969. HSA 5379; Kurt Mattick an Schmidt, 18.8.1969. AdsD, NL Mattick 64. Undatierte Notizen Schmidts über eine Sitzung des SPD-Präsidiums. AHS, Ostreise 1969. Mommsen an Bahr, 12.7.1969, und an Brandt, 23.7.1969. AdsD, NL Bahr 121/1. Mommsen an Schmidt, 30.7.1969, und Schmidt an Mommsen, 15.8.1969. HSA 5317. Aufzeichnung des Gesprächs in AHS, Ostreise 1969. Vgl. auch Soell (2009), S. 824 ff. Für eine eingehende Analyse siehe auch die Aufzeichnung von Ministerialdirektor Ruete im AA, 15.9.1969. AAPD 1969, S. 1001 ff. Schmidt in einem Schreiben an Spridonow und Botschafter Allardt 28.8.1969. HSA 5524; Schmidt in einer Rede am 25.8.1969 über Vorgeschichte und Verlauf der Reise. AdsD, SPD-Parteivorstand, Parteirat. Gromyko zu seinem ostdeutschen Kollegen Winzer am 1.9.1969. SAPMO, Büro Ulbricht, J IV 2/202/81. Näher dazu K.-H. Schmidt (1998), S. 201 ff.; Seidel (2006), S. 87 f. Sowjetisches Aide-mémoire, 12.9.1969. AAPD 1969, S. 1022, Anm. 3. Hans-Eberhard Dingels, Leiter der Abteilung für Internationale Beziehungen der SPD, über einen Besuch

ANMERKUNGEN

Sacharows von der sowjetischen Botschaft in Bonn, 15.9.1969. AdsD, Parteivorstand der SPD, Internationale Abteilung 10503. 96 Dazu Vermerke Bahrs vom 16.12.1969 und 14.1.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 149; AAPD 1970, S. 22. 97 Brandt (1976a), S. 105. 98 Jürgen Diesel an Schollwer am 23.10.1969. ADL, Bestand Schollwer 6960/65. Dort auch die von Schollwer übersandte Aufzeichnung. 99 Vermerke dazu aus den Jahren 1969/70, in: WBA, A 11.4/50 und 59; HSA 5383, 5707; AdsD, NL Bahr 63, 66A/1, 84/2. 100 Aufzeichnung Schollwers über den vom 19.–26.3.1970 dauernden Aufenthalt. ADL, Bestand Schollwer 6960/66. 101 Wischnewski an Wehner am 27.6.1970. HWA, Allgemeine Korrespondenz, 100. 102 Vermerk über das Gespräch am 21.8.1973. AAN, KC PZPR, XI A/647. 103 Amos (2015), S. 202; Vermerk von 26.2.1972 über Wehners Aufenthalt in Warschau (5.–10.2.1972). AMSZ, Dep. IV/45/77 w. 10; Meyer (2006), S. 359 f. 104 Wehner und Mischnick am 15.1.1970 im Bundestag. BT, 6. WP, S. 863 und 869; Interview mit Wehner im Spiegel 5/1970, 26.1.1970. 105 Dahrendorf in einem „persönlichen ‚think piece‘“ für Bahr vom 16.2.1970. AdsD, NL Bahr 84/2. 106 So der Moskauer SZ-Korrespondent Josef Riedmiller am 21.6.1971. Metger (2016), S. 165. 107 Wehner an seine Frau am 20.9.1973. Meyer (2006), S. 405. Dort S. 406 ff. zu den Gesprächen in Moskau. 108 Weizsäcker (1997), S. 227 f. 109 Renger (1993), S. 299. 110 Loewe-Hannatzsch (2019), S. 104 f. 111 Aufzeichnung von Eberhard Schulz (DGAP) vom 6.11.1972. AdsD, NL

Mattick 39; Niederschrift über die Sitzung der Studiengruppe Ost-WestBeziehungen der DGAP vom 8.12.1975. BAK, B 492. 112 Süddeutsche Zeitung, 3.2.1970. 113 In einer Unterredung mit Botschafter Allardt am 23.7.1969. AAPD 1969, S. 855. 114 So Staatssekretär Lahr in einem privaten Brief vom 2.10.1966 über die Messe im bulgarischen Plovdiv. Lahr (1981), S. 449. Siehe auch Fritsche (2008), S. 440 ff. 115 Brandt (1968), S. 124; Brandt vor dem SPD-Parteirat am 21./22.6.1968. WBA, A 3/281. 116 Schmidt am 6.11.1974 im Bundestag. BT, 7. WP, S. 8529. 117 Wolff von Amerongen (1992), S. 191; Thies (2005), S. 415 ff.; Rudolph (2004), 231 ff. 118 Mommsen an den Geschäftsführer des BDI Wagner am 11.12.1972. Eine Kopie ging an Brandt. AdsD, NL Bahr, 109. Zur Positionierung von Spitzenmanagern und Verbandsfunktionären Berghahn (1996). 119 Mommsen an Bahr am 20.11.1972. AdsD, NL Bahr, 109. Ein Glückwunschschreiben erhielt Bahr auch von Heinz Schmidt, Vorstandsmitglied bei Daimler Benz, 20.12.1972. Ebd., 56. 120 Zit. nach James (2011), S. 257. Zu Chruschtschows 1963 geäußerten und im Folgenden zitierten Erwartungen ebd. S. 261. 121 Beitz (1995), S. 133. 122 Aufzeichnung von Bahr für Brandt vom 23.9.1965 über einen Besuch des Journalisten Georg-Volkmar Graf von Zedtwitz-von Arnim, der die Öffentlichkeitsarbeit von Beitz erledigte. AdsD, NL Bahr, 1/EB AA 000028. 123 Brandt an Abrassimow am 1.12.1966. WBA, A7/1; Aufzeichnung Brandts vom 21.6.1968. AAPD 1968, S. 752 ff. 124 Vermerk Bahrs vom 7.11.1969 über

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ANHANG

ein Gespräch mit Beitz. AdsD, NL Bahr, 398 A/1. 125 Brandt an Beitz am 8.9.1970. WBA, A8/2. 126 Unterredung Gomułkas mit Breschnew am 3.3.1969. Tomala (2000), S. 182 f. Zu Beitz im Krieg Sandkühler (1996). 127 Brandt an Beitz am 4.6.1969. Brandt (2005), S. 235; Aufzeichnung Brandts vom 15.6.1969 über einen Bericht von Beitz. AAPD 1969, S. 706 f. 128 DzD VI, Bd. 1, S. 126 ff. 129 Brandt an Cyrankiewicz am 25.12.1969. AAPD 1969, S. 1470 f. 130 Darüber berichtet Rakowski (1993), S. 154 f., der als deutschlandpolitischer Berater von Cyrankiewicz bei diesem privaten Treffen zugegen war. 131 So Kossygin am 23.6.1971. Käppner (2010), S. 382; Rudolph (2004), S. 298 f. 132 Jajeśniak-Quast (2010), S. 380 f. 133 Nicht genau datierter Vermerk vom September 1973 anlässlich der Reise einer Bundestagsdelegation in die Sowjetunion. HWA, 1/HWAA 002248. 134 Die Zeit vom 18.4.1969 über die öffentliche Auftaktveranstaltung, bei welcher der sowjetische Botschafter Zarapkin und der Parlamentarische Staatssekretär im AA Gerhard Jahn Grußworte sprachen. 135 Kogon und Mochalski an Schollwer am 15.4.1971. ADL, Bestand Schollwer, 12635/4. 136 Schmidt an den Hamburger Industriellen Körber am 22.4.1968. HSA 5363; Staatssekretär Duckwitz an Bahr am 28.1.1970. AdsD, NL Bahr 429 B/1. Ähnlich auch Kogons Kollege Richard Löwenthal, Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, der kritisierte, dass die „sowjetischen Dienststellen“ nur „mit der von ihnen aufgezoge-

nen Gesellschaft für deutsch-russische Freundschaft (Mochalski etc.) arbeiten.“ Löwenthal an Bahr am 2.9.1971. AdsD, NL Bahr 86A/2. 137 Notiz von Ahlers für Bahr vom 2.2.1971. AdsD, NL Bahr, 102/3. 138 Teilnehmerliste und Ausführungen Onckens in: ADL, Bestand Schollwer 12635/4. 139 Notizen Schollwers über den Diskussionsverlauf. Ebd. 140 Im Gespräch mit Staatssekretär Frank am 12.5.1971. AAPD 1971, S. 749. 141 Schollwer in einer Notiz am 12.10.1973. ADL, Bestand Schollwer 10806/26. 142 Wehner an Kanzleramtschef Grabert am 18.1.1974. HWA 1/HW AA 002375. 143 Dazu die Erinnerungen von Kissinger (1979), S. 138 ff. und Dobrynin (1995), S. 199 ff. Siehe auch Moss (2017) und Geyer/ Selvage (2007). 144 Bahr an Brandt am 1.10.1969. AdsD, NL Bahr 436. 145 Aufzeichnungen Bahrs und Kissingers über das Treffen in: AAPD 1969, S. 1114 ff., und FRUS, Bd. 40, S. 103 ff. Siehe auch Bahr (1996), S. 271, und Kissinger (1979), S. 411 f. 146 Breschnew während eines Treffens der Parteichefs der Warschauer-PaktStaaten am 4.12.1969 in Moskau. DzD VI, Bd. 1, S. 131; Kissinger (1979), S. 410, 528; Bahr (1996), S. 271. 147 Aufzeichnung Schmelzers über den Bericht Lathes, 29./30.11.1969. DzD VI, Bd. 1, S. 83 ff. Näheres zu Lathe Metger (2016), S. 133 ff. 148 Ahlers in einem Vermerk für den Bundeskanzler vom 17.12.1969 mit Randbemerkungen und Paraphen. AdsD, NL Bahr 434. 149 Brandt an Kossygin am 19.11.1969. AAPD 1969, S. 1213 ff. 150 Bahr in einem Vermerk vom

ANMERKUNGEN

24.12.1969, der Brandt am nächsten Tag vorlag. AAPD 1969, S. 1465 f.; Bahr an Wehner am 2.1.1970. AdsD, NL Bahr 398B/2. 151 Bahr (1996), S. 285 f. 152 So Focus vom 6.2.1995 bzw. Der Spiegel vom 13.2.1995. 153 Bahr an Brandt am 1.8.1970. AAPD 1970, S. 1335 ff. Ferner zahlreiche Unterlagen in: AdsD, NL Bahr, 434. 154 Gespräch zwischen Brandt und Breschnew am 12.8.1970; Aufzeichnungen Bahrs vom 13.8.1970 und Brandts vom 19.8.1970. AAPD 1970, S. 1457, 1465–1467, 1505. 155 Vermerk Bahrs vom 10.11.1970. AdsD, NL Bahr, 1/EBAA 000436. 156 Meyer-Landrut (2003), S. 102 f. 157 Brandt an Heath, Nixon und Pompidou am 15.12.1970. AAPD 1970, S. 2274; Brandt zu Botschafter Zarapkin am 15.12.1970. Ebd., S. 2275. 158 Aufzeichnung Kissingers über das Gespräch am 23.1.1970. Geyer/Selvage (2007), S. 265. 159 Kissinger an Bahr am 25.1.1971. FRUS, Bd. 40, S. 500. 160 Bahr (1996), S. 355. 161 Aufzeichnung Kissingers vom 31.1.1971. FRUS, Bd. 40, S. 512 ff. 162 Bahr an Kissinger am 4.2.1971. AdsD, NL Bahr 439. 163 Kissinger an Bahr am 24.5.1971. AdsD, NL Bahr 439/2. 164 Bahr an Kissinger am 6.6.1971. AAPD 1971, S. 919. 165 Bahr an Kissinger bereits am 17.8.1971, als ein positives Ende der Verhandlungen absehbar war. AAPD 1971, S. 1247; Kissinger (1999), S. 604. 166 Bahr an Kissinger am 22.7.1971. AdsD, NL Bahr 439. 167 Brandt an Breschnew am30.7.1971. DzD VI, Bd. 2, S. 345 f.; Bahr (1996), S. 365; Falin (1993), S. 173. 168 Bahr an Kissinger am 19.3. und 27.5.1974. AdsD, NL Bahr, 439. 169 Breschnew in einem Bahr am

27.7.1972 ausgehändigten Schreiben. DzD VI, Bd. 2, S. 575–578. Schreiben Brandts vom 10.8.1972; Unterredung Bahrs mit Lednew am 25.9.1972; Schreiben Brandts an Breschnew vom 6.10.1972 und Gespräch Bahrs mit Breschnew am 10.10.1972. AAPD 1972, S. 1043–1045, 1429, 1485–1491. 170 Text in Bender (1986), S. 309–312. 171 Bahr an Keworkow am 20.11.1972. AdsD, NL Bahr, 434. 172 Lathe an Bahr am 14.11.1972. AdsD, NL Bahr, 62/2. 173 Falin (1993), S. 266 ff.; AAPD 1974, S. 639–642; DzD VI, Bd. 3, S. 598– 600. 174 Bahr an Schmidt am 29.5.1974. AHS, UdSSR 1968–1974. 175 Schmidt an Genscher am 6.6.1974. DzD VI, Bd. 3, S. 612. Der ursprüngliche Entwurf des AA mit Bahrs Veränderungen findet sich in AHS, Ordner UdSSR 1968–1974. Für die endgültige Fassung DzD VI, Bd. 3, S. 612–614. 176 Botschaft Schmidts für Breschnew nach einem Entwurf von Bahr. Marginalie Schmidts: „Über Falin ab am 6.6.“ Marginalie von Ministerialdirektor Sanne: „BM Genscher am 17.6. unterrichtet.“ AHS, Ordner UdSSR 1968–1974. 177 Schmidt (1991), S. 83. 178 Schmidt in einem Vermerk vom 14.6.1974, wo er die erste Begegnung mit Lednew am 10.6.1974 festhält. AHS, Ordner UdSSR 1968–1974. 179 Am 10.6.1974 von Lednew überbrachte Botschaft Breschnews. Ebd. 180 Bahr an Schmidt am 20.10.1974 über ein Treffen mit Lednew am 17.10.1974. AdsD, HSA, 6162. 181 Bahr an Breschnew am 7.6.1974. AdsD, NL Bahr, 1/EB AA 000432. 182 Bahr an Schmidt am 25.11.1974. AHS, Ordner UdSSR 1974–1977. 183 Botschaft Schmidts für Breschnew vom 5.4.1975. Hintergrund war, dass

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ANHANG

die letzte Botschaft Breschnews durch Botschafter Falin übermittelt worden war. AHS, Ordner UdSSR 1974–1975. 184 Schmidt (1991), S. 18 ff. 185 Eine Niederschrift über Ulbrichts Ausführungen am 30.10.1969 in: DzD VI, Bd. 1, S. 26 ff. Zur Sitzung des Politbüros vom 4.11.1969 Kaiser (1997), S. 331 f. Zum Kontext Bange (2010a), S. 63 ff.; Bange (2016), S. 68 ff.; Staadt (1993), S. 283. 186 Aufzeichnung Bahrs über das Gespräch in: DzD VI, Bd. 1, S. 3 ff. Vgl. auch Schönfelder/Erices (2010), S. 20 ff. Zu den seit den 1960erJahren bestehenden informellen Geheimkontakten Amos (2015), S. 162 ff. 187 Zu Breschnews Äußerungen bei den Moskauer Konsultationen am 2.12.1969: DzD VI, S. 97. Über die Kontroverse mit Ulbricht Bock/Seidel (2004), S. 56. 188 Dazu und zum Folgenden Schönfelder/Erices (2010), S. 38 ff.; Neues Deutschland vom 20.1.1970. Mundzeck (2007), S. 90. 189 Brandt (1976), S. 488. 190 Wolff v. Amerongen zu Ulbricht und Stoph am 2.3.1970. BA, SAPMO, J IV 2/202–203; Karl Wienand, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, im vertraulichen Gespräch mit dem stellvertretenden Außenwirtschaftsminister der DDR Heinz Behrendt am 5.3.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 343 ff. 191 Zwahr (2007), S. 336, 338. Zu den Demonstrationen, die sich den ganzen Tag über in Erfurt fortsetzten, Raßloff/Rothbart (2007), S. 62 ff. Für Umfragen in der Bevölkerung Suckut (2008), S. 173 f., und Staritz (1996), S. 266. 192 Aufzeichnungen zu den Gesprächen in: DzD VI, Bd. 1, S. 398 ff.; Vermerk von Oberstleutnant Wagenbreth 22.3.1970. BStU GH 25/87.

193 Politbüro am 28.4.1970, Konsultationen in Moskau am 15.5.1970, Stoph in Kassel am 21.5.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 509, 522, 586; Nakath (2002), S. 76 ff. 194 Brandt (1976), S. 502; Brandt (2005), S. 314. 195 Brandt (1976), S. 509. 196 Notizen Honeckers über eine Unterredung mit Breschnew am 28.7.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 671. 197 Vermerk vom 26.3.1970 über einen Besuch von Lednew bei Lathe am 24.3.1970 um 0:30 Uhr. Lednew wollte umgehend von einer Unterredung mit Breschnew berichten. Bahrs Sekretärin Kirsch formlos dazu: „Auf Weisung von Staatssekretär Bahr Herrn Bundesminister [Ehmke] direkt vorgelegt. Den anliegenden Vermerk hat mir Herr Lathe heute mittag diktiert.“ Der Vermerk hat Ehmke und auch Brandt am selben Tag vorgelegen. AdsD, NL Bahr, 434. 198 Brandt (2005), S. 315. 199 Dolmetscheraufzeichnung in: AAPD 1970, S. 1449 ff. (Zitate S. 1461, 1463); Aufzeichnung Brandts vom 19.8.1970, ebd., S. 1504 ff. (Zitate S. 1504, 1505); Brandt (1976), S. 444 ff. (Zitat S. 444). 200 Brandt zu Pompidou am 4.12.1971. AAPD 1971, S. 1898. 201 Vermerke über Unterredungen mit Falin am 12.5.1971 und 1.9.1971. AAPD 1971, S. 753 und 1311. 202 Breschnew während des Treffens der KP-Chefs am 2.8.1971. PHP, Crimea Meetings. 203 Bahr in einem Vermerk vom 7.9.1971: „SU-Reise/taktischer Ablauf“. AdsD, NL Bahr 430. 204 Brandt an Schmidt am 5.9.1971. Woyke (2015), S. 386. 205 Schmidt an Brandt am 14.9.1971. Woyke (2015), S. 397 ff.; Aufzeichnung des Sowjetunion-Referats vom 14.9.1971. PAAA, B 150/237.

ANMERKUNGEN

206 Vermerk Bahrs über die Unterrichtung der Abgeordneten Marx (CDU) und Wagner (CSU) am 15.9.1971. AdsD, NL Bahr, 430. 207 Aufzeichnung des Gesandten Lüders vom 13.9.1971. PAAA, B 150/237. 208 Notizen Brandts für die Sitzung des Kabinetts am 15.9.1971. WBA, A8/92; Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 24 (1971), S. 283. 209 Aufzeichnung Brandts vom 17.9.1971. AAPD 1971, S. 1383 210 Bahr (1996), S. 499; Notizen Brandts für die Fraktionssitzung der SPD am 21.9.1971. WBA, A8/92. 211 Aufzeichnung Brandts vom 18.9.1971. AAPD 1971, S. 1419. Vgl. auch ebd., S. 1410. 212 So Brandt gegenüber Pompidou am 4.12.1971. AAPD 1971, S. 1897. Zum Atmosphärischen Brandt (1976), S. 462; Schattenberg (2017), S. 493 ff.; Zubok (2015), S. 17. 213 Notizen Brandts vom 18.9.1971. WBA, A8/92. Vgl. auch Brandt (1976), S. 471. 214 Lathes Bericht „Vertrauen in Sicht“ in: Kölnische Rundschau vom 20.9.1971. 215 Vermerk Bahrs vom 11.10.1971 über eine Mitteilung Lednews vom 6.10.1971. AdsD, NL Bahr, 430. 216 Vermerk Bahrs für Brandt vom 22.3.1973 über eine Mitteilung Lednews. AdsD, NL Bahr, 432; Derix (2009), S. 321, 339, 342. 217 Botschaft Breschnews für Schmidt vom 20.9.1975. AHS, UdSSR 1974–77.

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II Ostpolitik als Interessen- und Friedenswahrung

1 Süddeutsche Zeitung vom 20.9.1971. 2 Die Zeit vom 24.9.1971; Scheel in einem Interview für den Südwestfunk am 17.9.1971. ADL, A 35/167;

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Aufzeichnung Meyer-Landruts vom 14.9.1971. PAAA, B 150/237. Le Monde vom 21.9.1971. Schmitz (1990), S. 170 f.; Aufzeichnung des Western European Department vom 21.9.1971. TNA, FCO 33/1413. Der Spiegel vom 27.9.1971; Zusammenstellung von Pressestimmen im Ministerbüro des AA. ADL, A 35/167; FAZ vom 20.9.1971; Barzel in der CDU/CSU-Fraktion am 21.9.1971 und Strauß in der Bild-Zeitung vom 20.9.1971. Grau (2005), S. 204. Brandt (1976), S. 222; Brandt am 15.7.1963 in der Evangelischen Akademie Tutzing. DzD IV, Bd. 9, S. 569 ff. Willy Brandt: “What is Germany’s Ostpolitik?”, New York Times vom 11.11.1970. Zu Binder siehe Hoeres (2013), S. 426, 445 ff. Kiesinger im Gespräch mit John McCloy am 16.12.1966 und mit Botschafter George McGhee am 20.12.1966. AAPD 1966, S. 1656 f.; FRUS 1964–1968, Bd. 15, S. 480. Aufzeichnung Bahrs über sein Treffen mit Kissinger am 13.10.1969. AAPD 1969, S. 1115 f.; Kissinger in einem Vermerk für Nixon vom 20.10.1969. FRUS, Bd. 40, S. 105. Vermerk Bahrs für Brandt vom 3.12.1965. AdsD, NL Bahr, 1/EBAA 000030. Rede Brandts am 11.6.1964 vor der DGAP. Brandt (1976), S. 141; Aufzeichnung Bahrs für Brandt vom 30.1.1967: Die Bundesrepublik habe begonnen, „ihre eigenen Interessen zu definieren, ihre Möglichkeiten und ihre Rolle zu analysieren und in praktische Politik umzusetzen“. AdsD, NL Bahr, 299/3. Bei einer Klausurtagung der Bundesregierung zur Außenpolitik am 2./3.5.1968. AAPD 1968, S. 551, Anm. 27. Aufzeichnung Brandts für eine Kon-

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ferenz der diplomatischen Vertretungen in Lateinamerika am 13.10.1968. WBA, A 7/18; Brandt am 2.11.1968 bei einer Sitzung des SPD-Parteivorstands. Brandt (2005), S. 210. Brandts Regierungserklärung vom 28.10.1969. BT, 6. WP, S. 32; Conze (2009), S. 329. Brandt am 14.1.1970. BT, 6. WP, S. 843. Dahrendorf in einer Aufzeichnung vom 14.2.1970. AdsD, NL Bahr, 1/EBAA 000247. Verlautbarung des SPD-Parteivorstands vom 14.12.1970 nach einem von Brandt vorgelegten „außenpolitischen Bericht zur Lage der Bundesrepublik Ende 1970“. SPDPresse Nr. 477. Schreiben von Ministerialdirigent Gehlhoff vom 1.9.1970. AAPD 1970, S. 1557 f. Besson in Christ und Welt vom 16.4.1971. Mittler (2012), S. 120; Memorandum Löwenthals vom September 1972. AdsD, NL Bahr, 68. So Staatssekretär Duckwitz am 16.2.1970 an Scheel, der sich auf Auslandsreise befand. AAPD 1970, S. 252. Aufzeichnung Bahrs für Brandt vom 15.4.1973. AdsD, NL Bahr, 439. Aufzeichnung Schmidts vom Dezember 1976: „Erwägungen für 1977“. HSA, 6567; Interview Schmidts für den Spiegel vom 6.1.1975. Lahr in einem Brief an seinen Bruder am 30.12.1968. Lahr (1981), S. 504. Seydoux (1978), S. 152. Botschafter von Braun an AA 23.7.1969. PAAA, B 150/157. Memorandum des Außenministeriums vom 15.5.1969. DBPO, Bd. 1, S. 146; Aufzeichnung des britischen Botschafters Jackling vom 9.4.1969. TNA, FCO 33/566. Brandt am 4.3.1969 vor der Bundes-

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tagsfraktion der SPD. AdsD, SPDFraktion, 119. Rush in einem Privatbrief an F.L. Jennings 22.5.1970. NARA, RG 59, Lot Files, Entry 5406, Box 4. Bahr in einem Memorandum für Brandt vom 6.11.1969. AdsD, NL Bahr, 1/EBAA 000436. Brandt an Pompidou am 27.11.1969. AdsD, NL Bahr, 441. Aufzeichnungen vom 6.11. und 8.12.1969. AN, 5 AG 2/1010; Schirmann/Mohamed-Gaillard (2012), S. 306 ff. Zu französischen Grundpositionen Badalassi (2014); Wenkel (2014). Wilson zu Nixon am 27.1.1970 in Washington. TNA, FCO 7/1823. Vgl, auch Hughes (2009), S. 162. Heath während einer Kabinettssitzung am 3.9.1970. TNA, CAB 128/47. Brandt (1989), S. 189; Scheel am 25.4.1970 bei einer Sitzung des Bundesvorstands der FDP. ADL, Bestand Bundesvorstand, 160. Zu den deutsch-französischen Konsultationen am 30./31.1.1970 AAPD 1970, S. 119 ff.; Schirmann/Mohamed-Gaillard (2012), S. 255 ff., 333 ff. Zum Aufenthalt Pompidous in den USA 24.–26.2.1970 RNPL, National Security Council, Presidential-HAK Memcons, 1024. Notiz Brandts vom 31.1.1970. WBA, A 8/91; Brandt an Saragat am 26.2.1970. WBA, A 8/54. Memorandum der Mitteleuropaabteilung im französischen Außenministerium vom 29.5.1970 und des stellvertretenden Leiters der Politischen Abteilung vom 8.6.1970. AMAE, Europe 1961–1970, RFA, 1540. So Claude Arnaud, Leiter der Europaabteilung, am 6.4.1970 gegenüber seinem amerikanischen Kollegen Hillenbrand. NARA, RG 59/2303. Gespräch zwischen Brandt und Pom-

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pidou am 3.7.1970. AAPD 1970, S. 1069 ff. Pressekonferenz Pompidous im September 1970. Wilkens (1990), S. 100. Kissinger bei einem State Department Senior Seminar am 8.10.1969. RNPL, National Security Council, Presidential-HAK Memcons, 1026. Knipping/Schönwald (2004); Knipping (2004), S. 156; Hiepel (2012). Zur Bundesrepublik Conze (2009), S. 332. Kissinger am 20.5.1973 zum Vizepräsidenten der EG-Kommission Christopher Soames. CAC, SOAM 42/2. Es handelte sich um den stellvertretenden Leiter der Politischen Abteilung Jean Jurgensen und Hervé Alphand, Secrétaire General, eine dem deutschen Staatssekretär entsprechende Position. Botschafter Ruete an AA 13.9.1971. AAPD 1971, S. 1370. AAPD 1971, S. 1355 f. AAPD 1971, S. 1371 f., Anm. 15; DDF 1971, Bd. 2, S. 331. Pressekonferenz am 23.9.1971. Pompidou (1975), S. 161 ff. Zu den von Oreanda ausgehenden Irritationen ganz aus französischer Perspektive Soutou (1995), S. 295 f. Memorandum der Mitteleuropaabteilung des Außenministeriums 28.9.1971 und Aufzeichnung des französischen Botschafters in Moskau 21.9.1971 über eine Unterredung mit Breschnew 21.9.1971. AMAE, Direction Europe 1971–1976, RFA, 2988. Brandt (1989), S. 208; Notizen Brandts für die Kabinettssitzung am 15.9.1971. WBA, A 8/92; Rundfunkinterview Scheels am 19.9.1971. Wilkens (1990), S. 108. Botschafter Ruete an AA am 15.9.1971. PAAA, B 150/237; Brandt am 20.9.1971 in der TV-Sendung Panorama. Wilkens (1990), S. 106;

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Ahlers in einer Aufzeichnung für Brandt vom 26.1.1972 über ein Gespräch mit dem Pressesprecher der französischen Regierung Léo Hamon. AdsD, NL Bahr, 441. Vermerk von Gladstone (Western European Department) vom 8.9.1971. TNA, FCO 33/1413; britische an deutsche Botschaft in Moskau am 15.9.1971. TNA, FCO 28/1571; Botschafter von Hase an AA am 13.9.1971. PAAA, B 150/237. Brandt in gleichlautenden Schreiben an Heath, Nixon und Pompidou am 19.9.1971. Brandt (2005), S. 403 f.; Heath an Brandt am 27.9.1971. WBA, A 8/52; Anfrage von Heath und Diskussion im britischen Außenministerium im Oktober/November 1971. TNA, FCO 33/1410. Vgl. insgesamt auch Geppert (2009); Heinz (2013); Rossbach (2009), S. 161 ff. Gesandter Noebel an AA am 14.9.1971. AAPD 1971, S. 1357, Anm. 8; Bahr an Kissinger am 2.9.1971 und Kissingers Antwort vom 3.9.1971. AdsD, NL Bahr, 439. Memorandum Kissingers für Nixon vom 28.9.1971. FRUS, Bd. 40, S. 924. Scheel während einer Kabinettssitzung am 8.8.1970. Kabinettsprotokolle 1970, S. 331. Kissinger in einem Gespräch mit dem französischen Botschafter in Washington am 7.8.1970. AMAE, Europe 1944–1970, RFA, 1539. Kissinger in einem Telefonat mit Außenmister Rogers am 20.12.1970. FRUS, Bd. 40, S. 419 f. Siehe auch ebd., S. 335. Grundlegend Klitzing (2007). Aufzeichnung Sonnenfeldts vom 16.10.1970 über die Unterhaltung bei einem privaten Abendessen am 4.10.1970. FRUS, Bd. 40, S. 372 f. Unterredungen zwischen Nixon und Pompidou im Februar 1970 und Dezember 1971. RNPL, National

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Security Council, Presidential-HAK Memcons, 1024; DDF 1970, Bd. 1, S. 238 f.; Burr (1999), S. 34 ff. Pompidou zwischen Juni 1970 und Dezember 1972 in Unterredungen mit Gromyko, Marschall Gretschko und dem polnischen Parteichef Gierek. Heyde (2017), S. 84, 88. Schmidt in einer Unterredung mit dem Chefredakteur der Prawda Michail Simjanin am 2.8.1966. HSA, 5517. Brandt an den protestantischen Theologen Hermann Schlingensiepen am 18.2.1969. WBA, A 11.1/7. Brandt gegenüber dem rumänischen Ministerpräsidenten Maurer am 22.6.1970. DzD, Bd. 1, S. 628. Im Gespräch mit Pompidou am 3.7.1970. AAPD 1970, S. 1075. Tschernjajew am 9.3.1972 über eine Äußerung Breschnews: „Wir müssen Brandt helfen.“ ChernyaevD 1972. Dazu auch Mueller (2011). Ähnlich diverse Empfehlungen bei Beratungen der Warschauer-Pakt-Führungen zwischen August 1971 und Juli 1972. AAN, KC PZPR, XI A/21 (2.8.1971); PHP, Crimea Meetings (31.7.1972). So auch Gromyko zum polnischen Außenminister Olszowski 24.7.1972. AMSZ, Dep. IV, 46/77 w. 10. Vermerk Bahrs vom 7.5.1973 über eine Mitteilung Lednews, der über eine Rede Breschnews im Plenum des ZK informierte. AdsD, NL Bahr, 432/2; Breschnew während des Treffens der Warschauer-Pakt-Staaten auf der Krim 30.–31.7.1973. PHP, Crimea Meetings. Zur Expliziten Erinnerung an den Krieg gegen die Sowjetunion als Vorstufe einer deutsch-sowjetischen Annäherung Morina (2008), S. 277 f., und Morina (2011), S. 636 f. Peter (2015), S. 22. Erklärung der Bundesregierung am 8.5.1970. BT, 6. WP, S. 2564 ff. Dazu

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auch Wolff-Poweska (2016), S. 293 ff. Zum breiteren Kontext Meyer (2015). Bei dem schon erwähnten Treffen mit Pompidou am 13.12.1971. Burr (1999), S. 34 ff. Brandt (1976), S. 526. So Tono Eitel, der als Bahrs persönlicher Referent im Bundeskanzleramt tätig war und später unter einem Pseudonym eine Darstellung zu den Ostverträgen publizierte. Zündorf (1979), S. 111. Zum Prinzip der Versöhnung als „Eckstein“ der Außenpolitik in der Ära Brandt Feldman (2012), S. 21 ff. Zum Zusammenhang von Schuldanerkennung und demonstrativem Selbstbewusstsein als internationaler Akteur Kießling (2005). Brandt (1989), S. 214; Bahr (1996), S. 341. Dies berichtet Eppler (2015), S. 155. Zur öffentlichen Reaktion Wilkens (2016), S. 87. Interview im Spiegel, 14.12.1970. Brandt (2005), S. 351. Trommler (2016), S. 799. Hermann Schreiber, „Ein Stück Heimkehr“, Der Spiegel 51/1970, S. 29. Darauf Bezug nehmend Brandt (1989), S. 214. Brandt am 14.12.1970 vor dem SPDParteivorstand. SPDPresse, 14.12.1970; Brandt an Breschnew am 9.2.1972. AAPD 1972, S. 111; Brandt an Golo Mann am 29.11.1972. SLA, NL Mann, B-4-a-BRA. Vgl. auch Niedhart (2000). Brandt (2011). Sirges (2013). Sternberger (1961), S. 18. Sternbergers Blick war auf innerstaatliche Verhältnisse gerichtet. Er wies aber auf die Analogie zur internationalen Politik ausdrücklich hin. Brandt am 28.10.1969. BT, 6. WP, S. 30. Vgl. Nehring (2016) und Hauswedell (1997). Zum weiteren Kontext Metzler (2005).

ANMERKUNGEN

81 Schmidt (1969). Schmidt an den Hamburger Theologieprofessor Thielicke 29.10.1969. Dieser hatte sich von Schmidt ein „kritisches Wort zu dem Thema Friedensforschung“ gewünscht. AHS, Korrespondenz 1969. 82 Schmidt in einer Rede zum Volkstrauertag am 14.11.1971. HSA, 5697; Garton Ash (1993), S. 546. 83 Bahr an Duckwitz am 20.2.1970 und Bahr gegenüber dem CDU-Vorsitzenden Kiesinger am 23.2.1970. AdsD, NL Bahr, 429 B/1. 84 Schmidt an Brandt am 21.10.1970. AHS, NATO 1967–78; Schmidt bei einer Sitzung des Parteirats der SPD am 13./14.11.1970. AdsD, Vorstandsprotokolle der SPD 1970; Schmidt an Brandt am 13.8.1970. Woyke (2015), S. 300 f.; Memorandum des Planungsstabs im Verteidigungsministerium vom 28.8.1970. HSA, 1649 A; handschriftliche Stellungnahme Schmidts vom 28.8.1970 zu einem Papier von Richard Löwenthal über das Verhältnis der SPD zum Kommunismus. HSA, 5197. Vgl. auch Spohr (2016), S. 75 ff.; Dülffer (2015), S. 169 f. 85 Später nicht verwandter Entwurf für eine Rede Brandts anlässlich des 100. Geburtstags von Otto Wels am 15.9.1973. Brandt wollte seine Würdigung ursprünglich mit Ausführungen zu Grundpositionen aktueller sozialdemokratischer Politik verbinden. WBA, A 3/513. 86 Schmidt bei einer SPD-Veranstaltung in Eckel (Kreis Harburg) am 13.3.1969. HSA, 6042; Schmidts Einführung zu einem Vortrag von US Finanzminister Shultz in der DGAP am 5.10.1973. HSA, 5990; Schmidt anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde am Newberry College, South Carolina am 11.1.1973. HSA, 6063.

87 Soell (2008), S. 339; Bresselau (2015), S. 87 ff; G. Hofmann (2015), S. 181. 88 Scheel am 23.2.1972. BT, 6. WP, S. 9743. 89 Brandt zu Pompidou am 27.11.1973. AAPD 1973, S. 1938; Schmidt zum stellvertretenden Außenminister Chinas 9.10.1974. HSA, 130. Zur Erwartung eines friedensfördernden Effekts von Wirtschaftsbeziehungen auf sowjetischer beziehungsweise ungarischer Seite ChernayevD 29.4.1973; Békés (2016), S. 136. Allgemein auch Copeland (2015), S. 247 ff. 90 Schmidt (1970), S. 43; Brandt in einer Aufzeichnung für eine Ministerbesprechung am 7.6.1970. WBA, A 8/91. Es handelte sich um eine Sitzung einzelner Minister, an der wegen ihrer Bedeutung auch die Fraktionsvorsitzenden Wehner und Mischnick teilnahmen und die am 7.6.1970, einem Sonntag, stattfand, um über die Ergebnisse der Verhandlungen Bahrs mit Gromyko und über das weitere Vorgehen zu beraten. Es gibt kein Protokoll. Eine Mitschrift hat Schmidt für sich angefertigt, die gekürzt in Brandt (2005), S. 315 ff., abgedruckt ist. 91 Darin sah Scheel den „eigentlichen Erfolg der Bahr’schen Gespräche“ in Moskau. Aufzeichnung Schmidts über dieselbe Ministerbesprechung am 7.6.1970. AHS, UdSSR 1968–74. 92 Brandt an Palme am 15.6.1970. Brandt (2005), S. 318. 93 Kiesinger und Brandt am 23.2.1972 im Bundestag. BT, 6. WP, S. 9789 und 9794. 94 Ebd. S. 9794. 95 Gomułka in Bukarest zu Ceauşescu am 12.11.1970. ANIC, CC al PCR, Sectia Relatii Externe, 77/1970; von einer „Wende“ war 1973 in der von Außenminister Gromyko herausgegebenen Neuauflage des Diplomatischen Wörterbuchs die Rede. Wieder-

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kehr (2003), S. 68. Ähnlich Breschnew beim Treffen der KP-Führer auf der Krim 30./31.7.1973. PHP, Crimea Meetings und AAN, KC PZPR, XI A/21; Breschnew an Brandt am 10.7.1973. AdsD, NL Bahr, 1 EB AA 000432. Dass der Kalte Krieg der Vergangenheit angehörte beziehungsweise seine Rückkehr verhindert werden müsse, findet sich verschiedentlich. Aufzeichnung im polnischen Außenministerium 20.6.1972. AMSZ, 45/77 w. 10; Erklärung des ungarischen Politbüros 19.6.1973. Békés (2016), S. 136; Ceaus¸escu bei der Konferenz des Warschauer Pakts in Prag 25.1.1972 und gegenüber Brandt 27.6.1973. PHP, Party Leaders und AAPD 1973, S. 1062. 96 Breschnew während des Treffens der KP-Führer des Warschauer Pakts auf der Krim am 31.7.1972. PHP, Crimea Meetings. 97 Nannen an Bahr am 14.5.1973. AdsD, NL Bahr, 62/3. 98 So die New York Times vom 13.6.1973. Westad (2017), S. 475. 99 Von dieser Äußerung Brandts berichtet Bahr (2013), S. 226. Zum absoluten Vorrang der Friedenssicherung auch Brandt in der Ministerbesprechung am 7.6.1970. WBA, A 8/91. 100 Kissinger nach einem Moskauaufenthalt zum britischen Außenminister Callaghan am 28.3.1974. TNA, PREM 16/290. 101 Wandel durch Annäherung. Egon Bahr in Tutzing 1963 und 1973. Dokumentation, in: Deutschland Archiv 6 (1973), S. 862 ff. 102 Schmidt am 23.6.1972. BT, 6. WP, S. 11489. 103 Schmidt (1991), S. 187. Zwei Beispiele aus der wissenschaftlichen Literatur: Hanhimäki (2010), S. 198; Morgan (2018), S. 67 ff. 104 Brandt (2011), S. 146. In seinen Erinnerungen hat Brandt diese Passage

weitgehend übernommen. Brandt (1989), S. 187. 105 Marion Gräfin Dönhoff: „Ein Kreuz auf Preußens Grab. Zum deutsch-polnischen Vertrag über die Oder-NeißeGrenze“, Die Zeit vom 20.11.1970; G. Hofmann (2019), S. 300 f. 106 Rede Dönhoffs am 17.10.1971. Dönhoff (1971), S. 54. 107 Strauß zu US-Botschafter Rush am 16.4.1970. FRUS, Bd. 40, S. 228. 108 Brandt an Kossygin am 19.11.1969. AAPD 1969, S. 1314. 109 Brandt am 12.1.1970 bei einer Sitzung des Fraktionsvorstands. AdsD, SPD-Fraktion, 6. WP, 130, und in seinen Ausführungen zur „Lage der Nation im gespaltenen Deutschland“ am 14.1.1970. BT, 6. WP, S. 843 und 847. 110 Focke am 25.2.1970. BT, 6. WP, S. 1626. 111 Brandt zu Pompidou am 3.12.1971. AAPD 1971, S. 1877; Brandt bei der schon wiederholt zitierten Ministerbesprechung am 7.6.1970. WBA, A8/91. Ähnlich auch Brandt als Außenminister 13.10.1967. BT, 5. WP, S. 6332; Brandt während einer Sitzung des Parteirats der SPD am 21./22.6.1968. WBA, A 3/281; Brandt (1968), S. 222. Vgl. auch Loth (2011), S. 115. 112 Memorandum der Mitteleuropaabteilung vom 4.12.1970. DDF 1970, Bd. 2, S. 727 f. 113 Memorandum vom 16.2.1970. FRUS, Bd. 40, S. 150 ff. 114 Nixon zu Heath am 17.12.1970. TNA, FCO 7/1842. 115 National Security Decision Memorandum 91 vom 6.11.1970. FRUS, Bd. 40, S. 392 ff. 116 Bahr an Kissinger am 24.7.1970. AAPD 1970, S. 1231 f. 117 Frank (1985), S. 287. Zu dieser von Frank überlieferten Äußerung gibt es in den Akten leider keinen Beleg.

ANMERKUNGEN

Siehe aber Kissinger gegenüber dem französischen Botschafter Charles Lucet am 14.4.1970. Wenn es eine Ost-West-Entspannung gibt, „il sera fait entre les Etats-Unis et l’URSS, et non pas entre les Allemands et l’URSS.“ Soutou (2013), S. 203. 118 Kissinger zum französischen Botschafter am 7.8.1970. AMAE, Série Europe 1944–1970, sous-série RFA, 1539. 119 Kissingers Antwort im März 1970 zu Vertretern von CDU und CSU. Waske (2013), S. 68 f. 120 Vermerk vom 11.12.1970 über Ausführungen Bahrs vor dem Außenpolitischen Arbeitskreis der SPD-Fraktion am 9.12.1970. AdsD, NL Bahr, 86 A/2. 121 Washington Post vom 10.12.1970 und Botschafter Pauls an AA am 10. und 18.12.1970. AAPD 1970, S. 2294, Anm. 4. Zum Folgenden auch Hoeres (2013), S. 443 ff. 122 FRUS, Bd. 40, S. 403 und 406; RNPL, Kissinger Telephone Conversation Transcripts, Box 8. 123 Telefongespräch von Rogers mit Kissinger am 20.12.1970. FRUS, Bd. 40, S. 415 ff.; Gespräch zwischen Brandt und Rush am 11.12.1970. Ebd., S. 414. 124 Den Ausdruck gebrauchte Denis Healey, bis 1970 langjähriger Verteidigungsminister in der Labour-Regierung, während der BilderbergKonferenz in Woodstock, Vermont im April 1971. Unterlagen dazu in: AdsD, NL Bahr, 301/4. 125 Harpprecht an Brandt am 17.12.1970 mit dessen Marginalie. WBA, A8/8. 126 Brandt an McCloy am 24.3.1971. WBA, A8/43. 127 Aufzeichnung Ehmkes vom 13.10.1970 über seinen zurückliegenden USA-Aufenthalt. AdsD, NL Ehmke, HE AA 000788; Erklärung des Vorstands der AFL-CIO vom 19.2.1971 und Versuch einer Richtig-

stellung von Schmidt an den Vorsitzenden Meany 18.3.1971. HSA, 5813. Davon unbeeindruckt Meany an Schmidt 1.4.1971. AHS, Politische Korrespondenz 1971; Brandt folgte dem Rat von Botschafter Pauls, man solle die Erklärung nicht überbewerten. In Washington sei sie „gar nicht notiert“. Pauls an Bahr 22.2.1971. AdsD, NL Bahr, 86 B/1. Von Pauls’ Brief veranlasste Brandt eine Kopie an Schmidt, „der im Parteirat die AFL-Sache angesprochen und überbewertet hatte“. Notiz Brandts vom 26.2.1971 auf dem Schreiben von Pauls. Zur Rolle der US-Gewerkschaften und zu ihrem Antikommunismus Angster (2003); Angster (2006); Waters/Van Goethem (2013). 128 Brandt an die drei Westmächte 15.12.1970. AAPD 1970, S. 2273 f.; Bahr (2013), S. 100. 129 Pauls in zwei Fernschreiben am 18.12.1970 an AA über sein Gespräch am 17.12.1970 mit Kissinger. AAPD 1970, S. 2282 ff.; Aufzeichnung Sahms über die Unterredung mit Fessenden am 16.12.1970. AdsD, NL Ehmke, 1/HE AA 000788. 130 Aufzeichnung Ehmkes vom 13.10.1970 über die USA-Reise 27.9.– 3.10.1970. AdsD, NL Ehmke, 1/HE AA 000788. 131 Aufzeichnung Ehmkes vom 23.12.1970. AdsD, NL Ehmke, 1/HE AA 000788. Zu Kissingers Wahrnehmung des internationalen Kommunismus Heurtebize (2014). 132 Bahr an Brandt am 30.12.1970. AdsD, NL Bahr, 436. 133 Klaus Bölling an Helmut Schmidt am 24.1.1971. HSA, 5701. 134 Aufzeichnung Mommsens vom 22.2.1971 über seinen vom 14.–23.1.1971 dauernden USA- und Kanada-Aufenthalt. AdsD, NL Bahr, 109. 135 Unterredung Scheels mit Rogers in

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Washington am 16.2.1971. AAPD 1971, S. 313; Pauls an Bahr 22.2.1971. AdsD, NL Bahr, 86 B/1. 136 Nachweise bei Klitzing (2007), S. 251, 276, 307; Kissinger zu Rogers am 20.12.1970. FRUS, Bd. 40, S. 419; Kissinger im Gespräch mit Präsident Ford am 24.5.1975. FRUS, Bd. 31, S. 1004. 137 Nixons Marginalie zu einem Memorandum Kissingers vom 17.7.1970. FRUS, Bd. 40, S. 281; Nixon in einem Telefonat mit Kissinger 29.5.1971. Ebd., S. 722. 138 Unterredung zwischen Nixon und Kissinger am 3.2.1973. FRUS, Bd. E-15, Teil 2, S. 25 f. 139 An Sahm 29.12.1972. AdsD, NL Bahr, 102. Näher dazu Michel (2010), S. 262 ff., und Hoeres (2013), S. 473 ff. 140 Bahr in zwei Aufzeichnungen für Brandt vom 1.4.1972 über seine Gespräche in Washington am 28.3.1972. AAPD 1972, S. 347 ff. 141 Pompidou zu Oppositionsführer Barzel in Bonn 22.3.1972. Schirmann/Mohamed-Gaillard (2012), S. 287. Siehe auch Aufzeichnung Kissingers vom 21.5.1972. FRUS, Bd. 14, S. 968. Zur wohlwollend-distanzierten Haltung gegenüber CDU/CSUPolitikern, die in Washington vorstellig wurden, Michel (2010), S. 332 ff. Zum Vatikan Cerny-Werner (2011), S. 336 ff. 142 Unterredung zwischen Rush und Nixon am 10.1.1972. FRUS, Bd. 40, S. 963; Rush zu Bahr am 31.1.1974. AdsD, NL Bahr, 302; Memorandum Kissingers 26.9.1974. GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Box 5. 143 Bahr in einem Memorandum des Planungsstabs „Überlegungen zur Außenpolitik einer künftigen Bundesregierung“, 18.9.1969. AAPD 1969, S. 1050, 1053.

144 Schmidt an Brandt am 21.10.1970. AHS, NATO 1967–1978. 145 Von entsprechenden Äußerungen Lairds berichtete der Bundestagsabgeordnete Peter Petersen, der an einer Konferenz der Nord-Atlantischen Versammlung teilgenommen hatte. Petersen an Schmidt am 29.9.1970, HSA, 5493. 146 Bölling an Brandt am 28.3.1970. AdsD, NL Bahr, 84/1. 147 Aufzeichnung von Ludz, der sich zusammen mit Leo Bauer vom 14.– 18.1.1971 in Washington und New York aufhielt. AdsD, NL Ehmke, HE AA 000306. Ähnlich auch Bauer an Brandt am 27.1.1971. AdsD, NL Bahr, 425/1 und Mommsen an Bahr am 22.2.1971. Ebd., 109. 148 Die seit den 1950er-Jahren bestehende Agentur war schon von der Regierung Adenauer in Anspruch genommen worden. Etheridge (2016), S. 75 ff., 258 f. Unterlagen zur Kooperation mit der Regierung Brandt/Scheel in AdsD, NL Bahr, 81. 149 Stone an Brandt am 9.5.1972. AdsD, NL Bahr, 440/1; Berghahn (2001), S. 278 ff. 150 Kissinger an Bahr am 9.4.1973. AdsD, NL Bahr, 439. Zu Kissingers Motivlage vor seiner „Year of Europe“-Rede am 23.4.1973 Kissinger (1982), S. 174. 151 Unterredung Brandts mit Nixon am 1.5.1973. AAPD 1973, S. 615 ff. Brandt darüber an Pompidou am 4.5.1973. WBA, A 8/51. 152 Memorandum der Mitteleuropaabteilung im französischen Außenministerium vom 1.6.1973. AMAE, Europe 1971–1978, RFA, 2989. 153 Dolmetscheraufzeichnung vom 16.7.1973 über Scheels Unterredung mit Nixon und Kissinger am 12.7.1973. PAAA, B 150/284. 154 Bahr an Kissinger am 14.4.1973. AdsD, NL Bahr, 439. 155 Unterredung zwischen Luns und

ANMERKUNGEN

Kissinger am 13.4.1973. FRUS, Bd. 39, S. 422 f. 156 Hahn (1972/73). Siehe auch Walter F. Hahn: „Whither Germany“, in: Orbis 16/1 (1972/73), S. 289–293. 157 Unterredung zwischen Brandt und Pompidou am 21.6.1973. AAPD 1973, S. 1019 ff. 158 Kohl zu Pompidou am 15.10.1973. Schirmann/Mohamed-Gaillard (2012), S. 293. 159 Maihofer an Brandt am 16.4.1973. HSA, 342. Zu den Flügelkämpfen in der SPD Faulenbach (2011), S. 301 ff. 160 Schwarz (1974), S. 949 f. Das Manuskript stammte vom August 1973. 161 Habe an Kissinger am 5.3.1973, von Kissinger am 15.3.1973 weitergeleitet. RNPL, National Security Council, Kissinger Office Files, 61. 162 Unterredung zwischen Kissinger und Lovestone am 25.4.1973. Klitzing (2007), S. 375. 163 Schmidt an Brandt am 5.4.1973 mit einem Vermerk Schmidts über sein Treffen mit Meany und Lovestone 27.3.1973. AHS, Korrespondenz 1973; Schmidt an Meany am 18.3.1971. HSA, 5813. 164 Doering-Manteuffel (2017), S. 26. 165 Brandt (1976), S. 290 ff. 166 Wehner an Brandt am 15.10.1969. AdsD, SPD-Fraktion, Büro Wehner, 2010. 167 Wehner an Brandt am 30.8.1970. WBA, A 11.3/18. 168 Bauer an Bahr am 24.1.1972. AdsD, NL Bahr, 425/1. 169 So S.J. Woelker in Scheels Ministerbüro im AA 9.2.1971. ADL, Bestand Scheel, A 35/30. 170 Brandt an Kogon am 28.9.1970. WBA, A 8/11. 171 Interdoc stand für International Documentation and Information Center. Scott-Smith (2014), S. 139; Dülffer (2018), S. 508, 537 ff. 172 Siehe Brandts Reaktion auf einen

Vorschlag Breschnews am 17.9.1971 in Oreanda. AAPD 1971, S. 1389; Vermerk Bahrs vom 11.10.1971 zu einem via Kanal übermittelten Hinweis, es dürfe in Moskau nicht zu dem Missverständnis kommen, die positive Bilanz der zwischenstaatlichen Beziehungen könne zu Aktionseinheiten auf Parteiebene führen. AdsD, NL Bahr, 430. 173 Zarapkin äußerte sich „besorgt“ über die scharfe Distanzierung der SPD von der DKP. Aufzeichnung von Hans-Eberhard Dingels, dem Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen beim Parteivorstand der SPD, am 4.11.1970. WBA, A 11.4/59. 174 Wischnewski an Burkhard Koettlitz (Berlin) am 17.2.1971. AdsD, NL Wischnewski, 11. 175 Aufzeichnung von Eberhard Zachmann (Arbeitskreis Sicherheit beim Parteivorstand) vom 31.3.1970. WBA, 11.4/61. 176 Schultz (2009), S. 104. 177 So die plausibel erscheinende Deutung von Brandts Sohn Peter, der 1975 bei seiner Anstellung als Universitätsassistent aufgrund seiner Rolle in der Organisation „Spartacus“ selbst überprüft wurde. P. Brandt (2013), S. 150 f.

III Entspannung als Prozess

1 Überliefert wird Gomułkas Einschätzung von Rakowski (2001), S. 241; Aufzeichnung vom 2.8.1971 zum Treffen der Warschauer-Pakt-Führungen auf der Krim. AAN, KC PZPR, XI A/21. Siehe auch Jørgensen (2006). 2 Brandt am 24.1.1974. BT, 7. WP, S. 4769. Zur Perzeption der Sowjetunion Albert (1995). 3 Brandt vor dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags am 27.8.1968. AuswA 1965–1969, 2. Halbbd.,

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S. 1041. Siehe auch Brandt (1968), S. 223. Brandt am 26.1.1973 vor dem Parteivorstand der SPD. Link (1986), S. 227; Brandt an Breschnew 30.12.1973. AAPD 1973, S. 2076 ff. Rey (2008), S. 60; Peter (2015), S. 82. Umfassend Morgan (2018). Andréani (2005), S. 41. Aufzeichnung Bahrs vom 18.9.1969. AAPD 1969, S. 1040. Aufzeichnung von Ministerialdirektor Günther Diehl 1.2.1967. AAPD 1967, S. 216; Interview Kiesingers für die Stuttgarter Nachrichten 28.2.1967. DzD V, Bd. 1, S. 654. Sonnenfeldt in einem Memorandum für Kissinger 7.11.1972. FRUS, Bd. 40, S. 1090. Grundlegend zur Dialektik von Stabilität und Wandel Haftendorn (2005). Vgl. auch Rother (2014), S. 338 ff. Begriffe bei Weizsäcker (1997), S. 232. Wahlkampfrede Brandts am 16.11.1972. WBA, A3/475. Tschernjajews Rückblick auf das Jahr 1975. ChernyaevD 1975. Zum „revolutionary-imperial paradigm“ Zubok (2015), S. 21. Notiz Brandts für eine Ministerbesprechung am 7.6.1970. WBA, A8/91. Notizen Brandts für eine Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags am 27.1.1972. WBA, A8/93. Aufzeichnung vom 25.4.1972. DBPO, Bd. 2, S. 41. Zu dem APAG-Treffen am 18.4.1969 liegen zwei Niederschriften vor. NARA, RG 59, Lot 73 D 363, Subject and Country Files of the Policy Planning Council and the Planning and Coordination Staff 1967–1973, box 401; TNA, FCO 49/265. Siehe auch eine Aufzeichnung Bahrs vom 1.10.1968. AAPD 1968, S. 1281. Unterredung zwischen Breschnew und Ceauşescu am 19.5.1970. ANIC,

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CC al PCR, Sectia Relatii Externe, 19/1970. Breschnew am 2.8.1971 beim Treffen der Warschauer Pakt-Staaten auf der Krim, zu dem Ceaus¸escu nicht eingeladen war. PHP, Crimea meetings. Siehe auch (Herbstritt (2016). Ceauşescu im Gespräch mit Tito am 1.12.1971. Baev (2016), S. 170. Wischnewski nach einer Polenreise am 1.12.1972 an Brandt. WBA, A8/74; Brandt (1976), S. 542. So der stellvertretende polnische Außenminister Czyrek zum französischen Botschafter am 30.9.1971. DDF 1971, Bd. 2, S. 429. Zu Giereks Neuansatz Röttger (2000), S. 288, 294. Reden Brandts im Bundestag am 26.9.1968 und vor den Spitzengremien der SPD am 2.11.1968. Brandt (2005), S. 196 f., 208, 214. Bahr in einer Mitteilung an Kissinger vom 14.4.1973. AdsD, NL Bahr, 439. Tagebucheinträge 19.3., 19.5. und 22.5.1973. ChernyaevD 1973. Vermerk Bahrs vom 7.5.1973. AdsD, NL Bahr, 1/EB AA 000432. Tagebucheintrag 14.7.1973. ChernyaevD 1973. Eine Linie bis 1989 zieht Pons (2014). Gomułka zu Breschnew 3.3.1969. Tomala (2000), S. 182 f. Bahr zum amerikanischen NATOBotschafter Donald Rumsfeld am 22.5.1973. AdsD, NL Bahr, 440; Falin zu Tschernjajew am 12.3.1973. ChernyaevD 1973. Honecker während der Krim-Konferenz am 31.7.1973. PHP, Crimea meetings. Vgl. auch Suckut (2008). Breschnew vor dem Plenum des ZK der KPdSU am 31.10.1968. Karner u.a. (2008), S. 1073. Breschnew während einer Konferenz der Warschauer-Pakt-Staaten in OstBerlin am 2.12.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 930 f. Dazu auch Suckut (2010). BStU, Ministerium für Staatssicherheit, SdM 1471.

ANMERKUNGEN

34 Axen an Ulbricht am 7.4.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 465; Seidel (2002), S. 52. 35 Bahr an Kissinger am 18.2.1971. AAPD 1971, S. 339. 36 Brandt (2011), S. 145; Brandt (2003), S. 204. 37 Brandt in einer Unterredung mit Pompidou 10.2.1972. AAPD 1972, S. 125. 38 Wehner an Josef Šadek am 9.9.1970. HWA, Allgemeine Korrespondenz, 100. Brandt sprach im September 1968 von der „Selbstverständlichkeit eines Naturereignisses“. Brandt (2005), S. 198. 39 Interview Golo Manns mit Brandt am 23.3.1972. SLA, NL Golo Mann, A-2-1972-6. 40 Schmidt und Genscher in einem deutsch-belgischen Regierungsgespräch am 3.7.1974. AAPD 1974, S. 860. 41 Unterredung Schmidts mit Breschnew am 29.10.1974. AAPD 1974, S. 1377 f. 42 Brandt an Breschnew am 24.4.1973. AAPD 1973, S. 565. 43 Bahr (1996), S. 452, über das Zustandekommen dieser Formel. 44 Präambel des Prager Vertrags. Bender (1995), S. 313. 45 Notiz Schollwers am 30.8.1973 über ein Gespräch mit dem sowjetischen Diplomaten Ditschenko. ADL, Bestand Schollwer, 10806/26. 46 Gaus in zwei Vermerken für Brandt vom 24.8. und 5.9.1973. WBA, A 8/180. 47 Wehner an Brandt am 26.8.1971. WBA, A 11.3/21. 48 Falin zu Bahr am 8.3.1973. AdsD, NL Bahr, 432; Jarząbek (2010), S. 81. Bei Meyer (2006), S. 405 ff. findet sich eine Darstellung ganz aus der Perspektive Wehners. 49 Schmidt (2014), S. 227 f. 50 Briefwechsel zwischen Brandt und Wehner zwischen dem 7. und

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24.10.1973 und Notiz Brandts vom 26.10.1973. WBA, A 8/75. Sahm (1994), S. 340 f.; Bahr an Sahm am 9.10.1973. AdsD, NL Bahr, 102. AAPD 1974, S. 241 ff. Bahr hielt sich vom 27.2. bis 9.3.1974 in Moskau auf. Siehe ebd., S. 289 ff., 306 ff., 327 ff., 340 ff., 361 ff. Nixon an Brandt am 30.10.1973. Kissinger (1982), S. 716. Eine deutschsprachige Fassung des Briefs findet sich in Brandt (2005), S. 514 ff. Fink (2015); Harpprecht (2000), S. 369, 375; Blumenau (2010). Brandt zu Pompidou 21.6.1973. AAPD 1973, S. 1020. Aufzeichnung von Stadens vom 19.2.1973 über seine Gespräche mit dem stellvertretenden polnischen Außenminister Czyrek 7.–9.2.1973. AAPD 1973, S. 258 ff.; Aufzeichnung Czyreks dazu in: AMSZ, 45/77 w. 12. Aufzeichnung vom 18.10.1973. AAPD 1973, S. 1573 ff.; Bingen (1998), S. 157. Notiz Brandts vom 11.4.1974. Brandt (1974), S. 162. Mommsen an Bahr am 4.4.1970 und 8.4.1972. AdsD, NL Bahr, 109; Mommsen an den CDU-Abgeordneten Walther Leisler Kiep am 9.3.1972 mit Kopie an Schmidt. HSA, 5949; Schmidt an Pirelli am 12.10.1973. HSA, 5995; Mommsen an Schmidt am 7.3.1975. HSA, 6193. Vermerk Bahrs vom 11.10.1971. AdsD, NL Bahr 430; so auch schon Breschnew zu Brandt am 17.9.1971. AAPD 1971, S. 1399; Kossygin zu Friderichs am 14.2.1973. Kieninger (2018), S. 20. Vermerk Bahrs vom 30.6.1972 über vertrauliche Hinweise, die ihn über den Kanal erreichten. AdsD, NL Bahr, 434. Kontrovers verlaufender Meinungsaustausch zwischen Breschnew und deutschen Industriellen 20.5.1973. Lippert (2011), S. 115.

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63 Hachmeister (2004), S. 273 f.; Schmidt an Bahr am 26.11.1969. AdsD, NL Bahr, 56. 64 Brandt in einer Aufzeichnung vom 19.8.1970. AAPD 1970, S. 1507. 65 Aufzeichnung von Staatssekretär von Braun vom 27.8.1970 mit Fußnoten zu weiteren Stellungnahmen im AA und Wirtschaftsministerium Anfang Oktober 1970. AAPD 1970, S. 1536 ff.; Lippert (2011), S. 34, 67. 66 Schmidt (1991), S. 68. 67 Schreiben der Vorstände von Howaldtwerft vom 7.10.1974, Volkswagen vom 21.10.1974, Krupp vom 22.10.1974. HSA, 6640. 68 Schmidt an Henke (Howaldtwerft) am 17.10.1974; Randbemerkung Schmidts zu einem Vermerk im Bundeskanzleramt vom 11.11.1974. HSA, 6640. 69 Zu den Gesprächen zwischen dem 28. und 30.10.1974 AAPD 1974, S. 1339 ff. 70 Brandt (1976), S. 471. 71 Der sogenannte Brief zur deutschen Einheit wurde am Tag der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags dem sowjetischen Außenministerium übergeben und von der Sowjetunion als offizielles Schriftstück anerkannt. Für den Text Bender (1995), S. 301. 72 Runderlass von Staatssekretär Frank vom 25.10.1971. AAPD 1971, S. 1618. 73 Jarząbek (2016), S. 152 ff.; Sitzung des Politbüros der KP Rumäniens am 20.8.1973. ANIC, Fond CC al PCR, Sectia Cancellarie 133/1973. 74 Axen an Ulbricht am 7.4.1970 über interne Einschätzungen der Bonner Ostpolitik. DzD VI, Bd. 1, S. 468. Vgl. auch Bange (2016), S. 84. 75 Breschnew vor dem Plenum des ZK der KPdSU 20.6.1967. www.digitalarchive.wilsoncenter.org/document/113 381. 76 Breschnew zu Honecker am

28.7.1970. DzD VI, Bd. 1, S. 669 ff. 77 Breschnew am 31.7.1972 während einer Konferenz der WarschauerPakt-Staaten auf der Krim. PHP, Crimea Meetings. 78 Brandt an Breschnew am 24.4.1973. AAPD 1973, S. 566. 79 So das Mitglied der amerikanischen KSZE-Delegation Maresca (1987), S. 81. 80 Breschnew in einem undatierten Schreiben im Januar 1974; Brandt an Breschnew am 7.2.1974. AAPD 1974, S. 153, Anm. 2 und 154. 81 Kissinger während einer internen Besprechung am 22.3.1974. NARA, RG 59, Sonnenfeldt Records, box 8. 82 Unterredung zwischen Scheel und Kissinger am 24.3.1974. AAPD 1974, S. 438; für den Text zum peaceful change AAPD 1974, S. 424, Anm. 7. 83 Aufzeichnung von Grolls (AA) 8.4.1974. PAAA, ZA 111534. Diese Bilanz zog auch Kissinger gegenüber dem britischen Außenminister Callaghan 28.3.1974. TNA, PREM 16/290. 84 Schmidt zum US-Botschafter Hillenbrand am 6.6.1974. AAPD 1974, S. 678. Zu dem ganzen Komplex Peter (2015), S. 103 ff. 85 Genscher am 18.6.1974 gegenüber seinen Kollegen. AAPD 1974, S. 789. 86 Kissinger gegenüber der sowjetischen Führung am 24.10.1974. GFPL, National Security Advisor, Kissinger Reports on USSR, box 1; Kissinger bei einer Mitarbeiterbesprechung am 5.12.1974. FRUS, Bd. 39, S. 765, 767. 87 Genscher über sein Gespräch mit Kissinger am 6.7.1974. AAPD 1974, S. 889. 88 Genscher bei dem schon erwähnten Treffen der Außenminister am 18.6.1974. AAPD 1974, S. 789. 89 Meinungsaustausch zwischen Gromyko und Kissinger am 24.11.1974. GFPL, National Security Advisor, Kissinger Reports on USSR, box 1, fol-

ANMERKUNGEN

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der Vladivostok; van Well in einer Aufzeichnung über die Gespräche von Schmidt und Genscher in Washington 4.–7.12.1974. AAPD 1974, S. 1594. Schmidt an Breschnew am 13.2.1975. AHS, Ordner UdSSR 1974–1977. FRUS, Bd. 39, S. 791 ff.: Kissinger an die US-Botschaft in Bonn am 18.2.1975 zur Weitergabe an das AA. GFPL, National Security Advisor, Country Files for Europe, box 16. Vermerke von van Well vom 24.2.1975 mit verschiedenen Anlagen und Meyer-Landrut vom 3.3.1975. PAAA, B 150/323 und 324. Die zwischen Kissinger und Gromyko zunächst ausgehandelte Formulierung lautete: „The participating States consider that their frontiers can be changed in accordance with international law, by peacful means and by agreement.“ Auf deutschen Wunsch hin wurde nach „changed“ ein weiteres Komma eingefügt. AAPD 1975, S. 184, Anm. 13. Außenpolitik (1995), S. 418. Dort S. 417 ff. die gesamte „Erklärung über die Prinzipien“, von denen sich die Konferenzteilnehmer leiten lassen wollten. Bericht Blechs über dieses Dinner in: AAPD 1975, S. 271 ff. Blech an AA am 18.3.1975. PAAA, ZA 100010; Blech im Gespräch mit dem Autor am 24.11.2005. Bock (2004), S. 110 f. Zu den Auswirkungen der KSZE-Vereinbarungen auf die DDR Bange (2017), S. 53 ff., 241 ff. Randbemerkung zu einer undatierten Aufzeichnung über „Wertung der bisherigen übersehbaren Ergebnisse der KSZE-Beratungen unter deutschland- und berlinpolitischen Aspekten“. HSA, 6655. Brandt während einer Ministerbesprechung am 28.5.1973. AAPD 1973, S. 901, Anm. 3.

99 Bahr (1996), S. 499. 100 Bahr zu Gromyko am 9.10.1972. AAPD 1972, S. 1474 f. 101 Aufzeichnung Brandts über seine Unterredung mit Breschnew am 22.5.1973. AAPD 1973, S. 767. Vgl. auch Bahr (1996), S. 453. 102 Wohlforth (1993). Grundsätzlich dazu Jervis (2017). 103 Brandt 18.1.1973. BT, 7. WP, S. 123.

Bilanz und Ausblick

1 Rede Brandts am 8.10.1964. Brandt (2004), S. 473. 2 Breschnew zu Schmidt am 30.10.1974. AAPD 1974, S. 1392; Schmidt in seiner Rede „Zur Lage der Nation“ am 30.1.1975. BT, 7. WP, S. 10040. 3 Schmidt zum bulgarischen Außenminister Mladenoff am 5.3.1975. HSA, 136. 4 Schmidt am Vorabend des KSZE-Gipfels während eines deutsch-amerikanischen Meinungsaustauschs in Bonn 27.7.1975. AAPD 1975, S. 1035; FRUS, Bd. 31, S. 311. Zu Schmidts konzeptionellem Ansatz Spohr (2016), S. 45 ff. Zu Kissinger Sargent (2015), S. 163, 308 f. Siehe auch Böhm (2014). 5 Schmidt an Kissinger am 10.4.1975. AAPD 1975, S. 356. 6 Schmidt über dem Kanal an Breschnew am 5.4.1975. AHS, Ordner UdSSR 1974–1977. 7 Brandt (1989), S. 349. Fonseca (2009), S. 49 f. 8 Schmidt im September 1980. Hansen (2016), S. 1. Ausführlich dazu Spohr (2016), S. 241 ff. 9 Hansen (2016), S. 54. 10 Schmidt zum britischen Premierminister Callaghan am 24.4.1978, zit. nach Kieninger (2018), S. 8. 11 Spohr (2016), S. 284.

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QUELLEN UND LITERATUR

Unveröffentlichte Quellen Für die Ära Brandt als Gegenstand sowohl der deutschen als auch der internationalen Geschichte steht in großem Umfang gedrucktes Material zur Verfügung. Darüber hinaus wurden in Deutschland und anderen Ländern mehr als zwanzig Archive ausgewertet, die im Abkürzungsverzeichnis aufgeführt sind. Die Recherchen wurden für unterschiedliche Forschungsprojekte zur Entspannungspolitik von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fritz Thyssen Stiftung und der Volkswagen-Stiftung unterstützt. Bei der Erschließung von Nachlässen, Parteiarchiven und staatlichen Überlieferungen und nicht zuletzt bei deren Auswertung war die Kooperation mit Reiner Albert (Mannheim) und Oliver Bange (Mannheim/Berlin) von großem Wert. Bestände aus polnischen, ungarischen und rumänischen Archiven wurden von Wanda Jarząbek (Warschau), Csaba Békés (Budapest) und Carmen Rijnoveanu (Bukarest) bereitgestellt. Übersetzungen ins Deutsche fertigten Wilhelm Feyer und Peter Kretek an. Übersetzungen aus westlichen Sprachen stammen vom Autor. Herauszuheben ist das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, wo sich die für jede Studie zur Ostpolitik unverzichtbaren Nachlässe von Egon Bahr, Willy Brandt und Helmut Schmidt befinden. Einige Zeit nach Beginn der Arbeit zur Thematik dieses Buches wurden neue Archivsignaturen vergeben, die leider nicht in allen Fällen berücksichtigt werden konnten. Doch sind die zitierten Unterlagen auch mit den alten Signaturen auffindbar. Hilfreich waren Gespräche mit Politikern, Diplomaten und Journalisten. Auskunft über ihre Sicht der Dinge gaben Jacques Andréani, Egon

Bahr, Klaus Blech, Siegfried Bock, Ralf Dahrendorf, Marion Gräfin Dönhoff, Horst Ehmke, Valentin Falin, Horst Grabert, Klaus Harpprecht, Günter Joetze, Robert G. Livingston, John Maresca, Karl Moersch, Hans-Georg Schachtschabel, Walter Scheel, Helmut Schmidt, Wolfgang Schollwer, James S. Sutterlin und Barthold Witte.

Gedruckte Quellen und Literatur

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REGISTER

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- und USA 95, 180, 184 f. - Wandel durch Annäherung 39 f., 168, 201, 204 Baruch, Bernard 9 Barzel, Rainer 59, 60, 62, 134 Bauer, Leo 66, 189 f. Beitz, Berthold 85 ff. Berg, Hermann von 112, 114 ff. Berlin-Abkommen, -verhandlungen 35, 58, 93, 95, 101 ff., 175 f., 214 f., 223 Berlinguer, Enrico 67 Besson, Waldemar 48, 138 Binder, David 136 Blech, Klaus 232 Blumenthal, Roy 182 Bock, Siegfried 233 Bölling, Klaus 177, 182 Bonner, Jelena 243 Brandt, Willy 38, 80 f., 87 - Antikommunismus 187 ff. - Berlin-Verhandlungen 101, 175 f., 214 - und Breschnew 105, 120 ff. - DDR 65, 114 ff. - Deutsche Frage 14, 25, 44, 48, 51, 63, 65, 68, 106, 114, 138, 208, 228, 238 - Entspannungsprozess 199, 240 - Europapolitik 183, 186 - europäische Friedensordnung 57, 139, 160, 164, 166 - Frieden, Friedenssicherung 27, 160 ff., 168

30 0

ANHANG

- Gleichberechtigung der BRD 71, 133, 135 ff., 142, 172, 219 - Interessendefinition 26, 137 f., 165 - Kontaktpolitik, Kommunikation 37 f., 41, 71, 86, 89, 116, 124, 202, 206, 238 - NS-Vergangenheit 157 ff. - Osthandel 84, 165, 222 - Ostpolitik 39, 58, 135, 143, 170 ff. - und Polen 46 f., 50 f., 56, 76, 88 f., 158 ff., 219 - und Rumänien 64 ff. - territorialer Status quo 48, 73 f., 119 f., 201 - Transformationsstrategie 201, 203, 206, 211 - Truppenreduktion 235 f. - UdSSR-Perzeption 15, 41, 50, 147, 156, 166 f., 183 - Versöhnungspolitik 158 ff. - Westbindung 27, 143, 151, 171 ff., 181, 186 Braun, Sigismund von 141 Breschnew, Juri 82 Breschnew, Leonid 97, 123 - BRD-Besuch 1973 183, 207, 214, 226 f., 235 - BRD-Perzeption 157 - und DDR 113, 118 f., 209, 225 f. - Entspannungspolitik 15, 68, 167, 199, 240 - Führungsanspruch im Bündnis 96, 119, 204 - Kontakte mit Brandt und Schmidt 106 ff., 119 ff. - Status quo-Sicherung 200, 209, 226 Breschnew-Doktrin 51 Budapester Appell 67 Bund der Vertriebenen 47 Bundesrepublik Deutschland - und DDR 51, 55, 106, 110 ff., 138 - eigenständige Außenpolitik 25, 133 ff. - nationales Interesse 25, 135 ff. - und Polen 51 f., 88 f., 158 f., 219 - Rolle in NATO und EG 22, 140 - und UdSSR 50 f., 73, 98 ff., 166, 199 - und USA 96, 136, 180 f.

- Westbindung 25, 27, 148 f., 163 ff., 170 ff., 181 f., 186 - s. auch Bahr; Brandt; Scheel; Schmidt C Camus, Albert 28 Carstens, Karl 43 Carter, James 245 Ceaus¸escu, Nicolae 11, 64 f., 168, 204, 220, 225 Chruschtschow, Nikita 10, 13, 85 f., 122 Clay, Lucius 174 Conze, Werner 61 Cramer, Dettmar 112 Cyrankiewicz, Józef 50, 88 f. D Dahrendorf, Ralf 51 f., 77 Dänemark 23 DDR 11 f., 22, 25, 42, 63, 105, 110 ff., 147, 208 ff., 217, 225, 233 Debré, Michel 15 Détente s. Entspannung Deutsche Frage 14, 21, 25, 43 f., 48, 52, 55, 208, 213, 225 f., 231, 244, 247 Diehl, Günter 97, 201 Diesel, Jürgen 74 Dobrynin, Anatoly 94, 100 f. Dönhoff, Marion Gräfin 61, 79, 171 Doering-Manteuffel, Anselm 18 Duckwitz, Georg F. 47, 75, 92 Dulles, John F. 204 E Ehmke, Horst 96, 98, 176 f. Eiserner Vorhang 11 f., 19, 218, 238 Entspannung, -spolitik - divergierende Erwartungen 19, 28 f., 200 f., 226, 234, 241 f. - friedliche Koexistenz 8, 11 ff.,16 - Konflikthaltigkeit 9 ff., 16, 198, 202 - als Prozess 17 f., 28, 197 ff., 241 - Respektierung des Status quo 10, 15, 49 Eppler, Erhard 108, 246 Erhard, Ludwig 7, 43

REGISTER

Europäische Gemeinschaft(en) 20 f., 84, 149, 182 f. F Falin, Valentin 69, 93, 103, 106, 122, 208 Fazio, James 102 Fessenden, Russel 176 Finnland 18 Focke, Katharina 172 Ford, Gerald R. 231 Frank, Paul 160, 173 Franke, Egon 70 Frankreich 12, 15, 122, 141 ff., 150 ff., 155, 186 Frelek, Ryszard 74 Friderichs, Hans 221 Frieden, -ssicherung 25, 27, 57, 139, 160 ff., 165, 168, 239, 242 friedliche Aufhebung von Grenzen 213, 224 ff., 244 friedliche Koexistenz s. Entspannung G Gaulle, Charles de 12, 36, 143 Gaus, Günter 160, 215 f. Geißler, Heiner 246 Genscher, Hans-Dietrich 69, 107, 164 f., 212, 229 Gerstenmaier, Eugen 45 Gewaltverzicht 12, 22, 239 Gierek, Edward 75, 205, 219 Göring, Hermann 111 Gomułka, Władysław 47, 55, 88, 198, 208 Gorbatschow, Michail 16, 122, 246 Grass, Günter 160 Gromyko, Andrej 50 ff., 54 f., 55, 58, 62, 69 ff., 83, 104, 109, 215, 230 f. Großbritannien 141 f., 144, 152, 203 Guillaume, Günter 63 Guttenberg, Karl Theodor 60 H Habe, Hans 188 Hahn, Walter F. 185 f., 188 Harmel-Bericht s. NATO Harpprecht, Klaus 175 Hartmann, Eggert 125 Heath, Edward 144, 152

Heinemann, Gustav 64, 113, 127, 161 Hillenbrand, Martin 95, 153 Hillgruber, Andreas 62 Honecker, Erich 63, 110 f., 208, 233 Hupka, Herbert 60 I Israel 219, 239 Italien 145 J Jäckel, Eberhard 160 Jackling, Roger W. 141 Japan 20 Johnson, Lyndon B. 15, 18, 43 Jurgensen, Jean 150 K Kádár, János 68 Kalter Krieg - Begriff 8 - Ende in 60er-Jahren 14 ff., 23 f., 36, 41, 167 f., 186, 198, 238 ff., 243 - Forschungsdiskussion 9, 17 - Phase im Ost-West-Konflikt („kurzer“ Kalter Krieg) 9, 12 ff. Kennedy, John F. 10, 37, 39, 49 Keworkow, Wjatscheslaw 99 f., 106, 125 Kiesinger, Kurt Georg 7, 14, 68, 95, 136 f., 166, 201 Kissinger, Henry 49, 168, 228 f., 231 - Deutschlandbild 153 f. - Führungsanspruch im Bündnis 21, 96, 173, 183 f. - Geheimdiplomatie 94 ff., 100 ff. - Skepsis gegenüber Ostpolitik 137, 149, 153, 173 ff., 182, 185 - Verhältnis zu Brandt und Bahr 178 f., 188 Klemm, Barbara 128 Kogon, Eugen 91 ff. Kohl, Helmut 187, 247 Kohl, Michael 105, 113 f. Kommunikation - Begriff 17, 37 f., 238 - Geheimkontakte („Kanäle“) 94 ff. - Gipfeldiplomatie 15 f., 19, 35, 94, 114 ff., 246

301

302

ANHANG

- Ost-West-Kontakte 10, 11, 18 f., 29, 36 f., 41, 71, 74, 76 ff., 91, 218, 246 Koselleck, Reinhart 18 Kossygin, Alexej 69, 83, 90, 120, 221 Kowaljow, Anatolij 125, 232 KSZE 18 f., 197 f., 200 f., 205, 210, 212 f., 218 f., 226 ff., 241 Kubakrise 9, 35 L Lahr, Rolf 140 Laird, Melvin 181 Lathe, Heinz 97, 99, 127 Lednew, Waleri 97, 99 f., 105, 107 f., 113, 125 Leffler, Melvyn P. 16 Lenin, Wladimir I. 221 Link, Werner 24 Löwenthal, Richard 138, 189, 192 Longo, Luigi 66 Lovestone, Jay 188 Ludz, Peter C. 182 Luns, Joseph 185 M MacArthur, Douglas 13 Maihofer, Werner 187 MBFR 235 f.; s. auch Schmidt Mann, Golo 160, 186 Marx, Werner 60 McCloy, John 174 f., 178 Mende, Erich 60 Menschenrechte 59, 200, 212, 234, 242 f. Meyer-Landrut, Andreas 124 Mielke, Erich 208 ff. Mischnick, Wolfgang 69, 76, 78 Mochalski, Herbert 92 Möller, Alex 70 Mommsen, Ernst Wolf 71, 84 f., 177 f., 220 f., 223 Mommsen, Hans 61 Moskauer Vertrag 22, 42, 120, 135, 224, 228 N Nahostkonflikt 219, 239 Nannen, Henri 167 NATO 19, 181, 185, 200, 218 f., 243, 245

Niemöller, Martin 92 Nixon, Richard 95 f., 104, 158, 180, 184 - Aversion gegen Brandt 178 f. - Entspannungspolitik 15 f., 20, 64 - Skepsis gegenüber Ostpolitik 144, 154, 173 ff., 182 f., 188 NS-Vergangenheit 27 f., 154 f., 157 f. O Oder-Neiße-Linie 46 f., 55, 89 Österreich 23 Olszowski, Stefan 79, 219 Oncken, Dirk 93 Ostdenkschrift der EKD 46 Osthandel 82 ff., 90 f., 205 f., 220 ff., 244 f. Ostpolitik - Meinungsstreit 8, 59 ff., 70, 83, 85, 171, 185 f. - Ost-West Normalisierung 8, 25, 28, 58 f., 127, 203 - Realitätsbereitschaft 47 ff., 59 - Stagnation 214 ff. - Teil der Europapolitik 143, 172 - Versöhnungspolitik 157 ff. Ost-West-Konflikt 11, 21, 24, 239 f. P Palme, Olof 212 Partito Communista Italiano 66 f. Patolitschew, Nikolaj 83 Paul VI. 23 Pauls, Rolf 174, 176, 178 Péter, János 68 Picht, Georg 44 Podgorny, Nicolai 23 Polen 47, 50, 54 f., 74 f., 89, 198 f., 205, 210 f., 219, 245 Pompidou, Georges 122, 143, 180 - Deutschlandbild 155 - Vorbehalte gegen Ostpolitik 145 ff., 154 - Warnung vor Neutralisierung 186 Ponomarjow, Boris 216 Portugal 240 f.

REGISTER

R Raimond, Jean-Bernard 143 f. Raiser, Ludwig 44, 46 Rakowski, Mieczysław 79 Rapallo-Vertrag 86, 134, 151, 187 Reagan, Ronald 245 f. Renger, Annemarie 78 Rogers, William P. 95, 175 Ruete, Hans 150 Rumänien 11, 41 f., 64 ff., 204 f., 220, 225 Rush, Kenneth 103, 142, 175, 180 S Sacharow, Andrej 242 f. Sahm, Ulrich 93, 106, 176, 217 Samjatin, Leonid 77 f. Sanne, Carl-Werner 108 Scheel, Walter 7, 23, 42, 74, 109, 124, 158, 161, 178 - Friedensinteresse 165 - Gewicht der BRD 133, 151, 153 - und Polen 219 - und UdSSR 50, 58, 69, 99 - West-Berlin 215 - Westbindung 144, 184 Schelepin, Alexander 81 Schieder, Theodor 61 Schiller, Karl 83, 140 Schleyer, Hans Martin 222 Schmelzer, Robert 97 Schmidt, Heinz 222 Schmidt, Helmut - Antikommunismus 92,188 f. - Deutsche Frage 213, 229, 233, 244 - Entspannungspolitik 24, 168, 212, 238, 240, 243, 245 - Gewicht der BRD 140 - Gleichgewichtspolitik 163 f., 243 f. - Kontakt mit Breschnew 106 ff., 231 - Osthandel 71, 84, 165, 221, 223, 244 - und Polen 219 - Realitätsbereitschaft 46 - Truppenreduzierung 124, 126, 166, 213, 243 - und UdSSR 37, 70 f., 107, 155 f., 240 - und USA 70

- Westbindung 180 Schollwer, Wolfgang 74 f., 215 Schreiber, Hermann 159 Schröder, Gerhard 60 Schulz, Klaus-Peter 60 Schumann, Maurice 150 f. Schwarz, Hans-Peter 61, 187 f. Selbmann, Eugen 70 Semjonow, Wladimir 72 Seydoux, François 141 Shulman, Marshall 13 f. Shultz, George 246 Smirnow, Andrej 86 Sonnenfeldt, Helmut 96, 154, 201 Sowjetunion - und BRD 42, 52 ff., 68 ff., 97 ff., 156 f., 201 f., 207, 209 ff. - und DDR 111 ff., 118 f., 225 f. - Entspannungspolitik 15, 167 - imperialer Machtanspruch 15, 20, 50 ff., 199, 203, 205 - Westhandel 71, 220 ff. - s. auch Breschnew Sozialdemokratismus 209 ff. Sozial-liberale Koalition 23, 60, 62 f., 72, 74, 93 Spangenberg, Dietrich 112 f. Spiridonow, Iwan 69 Staden, Berndt von 154 Stalin, Josef 8, 77 Stehle, Hans-Jakob 79 Sternberger, Dolf 161 Stone, Shepard 182 Stoph, Willi 35, 54, 112, 114 ff. Strauß, Franz-Josef 60, 83, 134, 140, 171 Stücklen, Richard 78 T Tolkunow, Lew 93 Tomala, Mieczysław 74 Transformationsstrategie 19, 28, 38 ff., 164, 201 f., 204, 206, 211. s. auch Bahr; Brandt Tschechoslowakei 11, 15, 20, 50, 214 f., 242 Tschernjajew, Anatolij 16, 202 f., 207 Tübinger Memorandum 44 f.

303

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ANHANG

U Ulbricht, Walter 12, 52, 110 ff., 192 Ungarn 68 f., 76, 205 f. USA - und BRD 95 f., 144, 153, 173 ff. - Entspannungspolitik 10, 15, 20 - Jahr Europas 1973 21, 183 f., 218 - s. auch Nixon; Kissinger V Vatikan 23, 179 f. Vetter, Oskar 81 Vietnamkrieg 15, 20, 179, 199, 239 Voigt, Karsten 192 Volksrepublik China 20, 104, 167 Voß, Hans 113 f. W Wandel durch Annäherung 39 f., 201 Warschauer Pakt 11, 19, 66 f., 203, 205, 218

Warschauer Vertrag 55 f. Wehner, Herbert 24, 40, 76 ff., 94, 189 f., 211, 216 f. Weizsäcker, Carl Friedrich von 44, 48 f., 161 Weizsäcker, Richard von 78 Wettrüsten 19, 242 f. Wienand, Karl 62 Willman, Adam 74 Wilson, Harold 144, 152 Winzer, Otto 112 Wischnewski, Hans-Jürgen 36, 75 f., 191 f. Wolff von Amerongen, Otto 84, 114 Z Zarapkin, Semjon 87, 191 Zwahr, Hartmut 115