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German Pages 258 [262] Year 1936
KUNSTWISSENS CHAFTLICHE STUDIEN I. Kloer, Hans. DAS ZISTERZIENSERKLOSTER ELDENA in Pommern. 1929. 92 Seiten Text, 32 Lichtdrucktafeln mit 47 Bildern und einem rekonstruierten Grundriß der Klosteranlage. Broschiert RM 7.50 II. A l v e n s l e b e n , Udo von. HERRENHAUSEN, Die Sommerresidenz der Weifen. 1929.160 S. Text, 48 Lichtdrucktafeln m. 51 Bildern. Brosch. RM 6.— Gebd. RM 7.50 III. H e t z e r , Theodor. DAS DEUTSCHE ELEMENT in der italienischen Malerei des sechzehnten Jahrhunderts. 1929. 160 Seiten Text und 48 Lichtdrucktafeln mit 50 Bildern. Broschiert RM 9.— IV. K o n s t a n t i n o w a , Alexandra. EIN ENGLISCHES BESTIAR DES ZWÖLFTEN JAHRHUNDERTS in der Staatsbibliothek zu Leningrad. Mit einem Vorwort von Adolph Goldschmidt. 1929. 32 Seiten Text mit 32 Bildern in Filmlichtdruck. Broschiert RM 3.— V. Sick, Ilse von. NICOLAES BERCHEM, ein Vorläufer des Rokoko. 1930. 72 S. Text u. 32 Lichtdrucktafeln m. 35 Bildern. Brosch. RM 7.— In Ganzin. RM 9.— VI. T h i e n e n , Frithjof van. DAS KOSTÜM DER BLÜTEZEIT HOLLANDS 1600 bis 1660. 1930. 180 Seiten mit 88 Zeichnungen im Text, 32 Lichtdrucktafeln mit 72 Bildern und 6 Tabellen. In Ganzleinen RM 25.— VII. Brieger, Peter. DIE DEUTSCHE GESCHICHTSMALEREI des 19. Jahrhunderts. 1930. 56 S. Text u. 16 Lichtdrucktafeln m. 20 Bildern. Brosch. RM 4.50 VIII. Erich, Oswald A. DIE DARSTELLUNG DES TEUFELS in der christlichen Kunst. 1931. 120 S. Text mit 76 Zeichnungen. Brosch. RM 10.— In Ganzin. RM 12.— IX. Gillen, Otto. IKONOGRAPHISCHE STUDIEN zum Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg. 1931. 88 Seiten mit 18 Textbildern und 4 Tafeln mit 7 Bildern. Broschiert RM 7.50 X. Martius, Lilli. DIE FRANZISKUSLEGENDE in der Oberkirche von S. Francesco in Assisi und ihre Stellung in der kunstgeschichtlichen Forschung. 1932. 154 Seiten Text und 4 Tabellen. Broschiert RM 25.— XI. Michalski, Ernst. DIE BEDEUTUNG DER ÄSTHETISCHEN GRENZE für die Methode der Kunstgeschichte. 1932. 252 Seiten Text und 32 Tafeln mit 56 Bildern. Broschiert RM 15.— XII. K l u m p p , Hermann. ABSTRAKTION IN DER MALEREI — Kandinsky, Feininger, Klee. 1932. 68 Seiten Text mit 18 ganzseitigen Bildern. Brosch. RM 2.90 XIII. S o b o t t a , Rudolf. MICHELANGELO UND DER BAROCKSTIL. 1933. 80 Seiten Text und 16 Lichtdrucktafeln mit 18 Bildern. Broschiert RM 5.— XIV. W i t t , Ernst. ST. GEORG, die Wehrkirche zu Rastenburg. 1933. 64 Seiten Text mit 22 Zeichnungen und 8 Lichtdrucktafeln mit 26 Bildern. Broschiert RM 5.— XV. Christensen, Sigrid Flamand. DIE MÄNNLICHE KLEIDUNG in der süddeutschen Renaissance. 1934. 80 Seiten Text mit 20 Textbildern und 32 Lichtdrucktafeln mit 61 Bildern. Broschiert RM 9.— XVI. R u d o l p h , Herbert. DIE BEZIEHUNGEN DER DEUTSCHEN PLASTIK ZUM ORNAMENTSTICH in der Frühzeit des siebzehnten Jahrhunderts. 1935. 88 Seiten Text und 16 Lichtdrucktafeln mit 45 Bildern. Broschiert RM 5.— XVII. W e i g e r t , H a n s . DIE HEUTIGEN AUFGABEN DER KUNSTWISSENSCHAFT. 1935. 64 Seiten Text. Broschiert RM 1.90 XVIII. S u h r , Paul. DER BACKSTEINGIEBEL des norddeutschen Bürgerhauses im Mittelalter. 1935. 68 Seiten Text mit 26 Zeichnungen und 16 Seiten mit 50 Autotypien. Broschiert RM 5.—
DEUTSCHER KUNSTVERLAG BERLIN W35
SUSE
PFEILSTÜCKER
SPÄTANTIKES UND
GERMANISCHES
KUNSTGUT
IN
DER
FRÜHANGELSÄCHSISCHEN KUNST Nach l a t e i n i s c h e n und a l t e n g l i s c h e n Schriftquellen
1 9 3 6 DEUTSCHER KUNSTVERLAG
BERLIN
INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG I.ARCHITEKTUR DER ANGELSÄCHSISCHE WOHNBAU Unterstützung der Schriftquellen durch Miniaturen und durch Rückschlüsse aus späteren erhaltenen Bauten Die Wurzeln des angelsächsischen Wohnbaus und seine Verwandtschaft mit kontinentaler Bauweise Das Baumaterial und seine Verwendung (Konstruktion) . . Das angelsächsische Haus in seinen einzelnen Teilen Die Verzierung des Hauses Vier Einzelbeispiele des angelsächsischen Profanbaus Finnsburghalle Northumbrische Königshalle Gutshaus Halle Heorot SCHIFFSBAUKUNST HEIDNISCHE KULTSTÄTTEN UND GÖTTERVEREHRUNG DER ANGELSÄCHSISCHE KIRCHENBAU Material und Bautechnik Die Gestalt des angelsächsisch-christlichen Kultbaus Die Kenter Gruppe Kirchengründungen im Mittelland Die Basiliken Wilfrids in Nordengland Die Klosterkirchen Benedict Biscops Aldhelms Kirchen in Westsachsen Das Problem des Zentralbaus im angelsächsischen England Kirchen des 8. Jahrhunderts Ergebnisse und Ausblick II. PLASTIK DAS ENGLISCHE HOCHKREUZ ARCHITEKTURPLASTIK AN KIRCHEN DAS GRABMAL HEIDNISCHER UND CHRISTLICHER ZEIT SCHNITZEREIEN AUS ELFENBEIN UND WALROSSZAHN III. MALEREI TAFELBILDER UND MONUMENTALMALEREI IN ALTENGLAND ANGELSÄCHSISCHE BUCHKUNST
9 18 18 18 19 25 30 36 38 38 40 41 42 55 62 69 69 76 76 85 86 92 98 103 107 109 112 112 120 124 131 137 137 142 5
IV. K U N S T G E W E R B E ANGELSÄCHSISCHE METALLKUNST Der Goldschmied und seine K u n s t
155 155 155
Schmuckgegenstände 160 Halsschmuck (160). Kronen und Stirnreifen (164). Fingerring und Armreif (165). Fibeln (168). Pferdeschmuck Ringgeld und Münzgeld
170 172
Gefäße zu häuslichem Gebrauch Liturgische Geräte
177 182
Geschichtliches (182). Der Altar (185). Tragkreuze und Altarkreuze (187). Der Abendmahlskelch (189). Die P a t e n e (190). Das Ziborium (191). Schalen und B e c k e n (191). Gefäße für Weihwasser und Wein (192). K a n n e n für geweihtes Öl (192). Das Weihrauchfaß (192). Das Reliquiar (194). Weihekronen (194). Beleuchtungskörper (194) Waffen 196 Das Schwert (197). Die Brünne (203). Der Helm (205). Der S a x (208). Der Speer (211). Pfeil und Bogen (213). Die A x t (215). Der Schild (215) GLASFABRIKATION MÖBEL TEXTILIEN Gewebe, F ä r b u n g und Musterung Behänge Die weltliche Kleidung Die T r a c h t der Geistlichen und Nonnen SCHLUSSBETRACHTUNG LITERATURNACHWEIS
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220 223 229 229 233 234 237 239 241
VORWORT Die Anfänge dieser Arbeit liegen nun schon vier Jahre zurück. Aus meiner Neigung zu Kunstwissenschaft wie zu altgermanischer Literatur entstand damals in mir der Wunsch, die Kunst der germanischen Volksstämme durch Belege aus alter Poesie herauszustellen. Herr Geheimrat Prof. Dr. P. Clemen gab mir die Anregung, neben idiomatischen auch lateinische Schriftquellen heranzuziehen und den Inhalt örtlich und zeitlich zu begrenzen. Dadurch wurde die Arbeit von lückenhafter Einseitigkeit befreit, schloß sich mehr zu einem Ganzen zusammen, und die Herausarbeitung der beiden großen Komponenten, Spätantike und Germanentum, ergab sich zwanglos. Auch für anderen wertvollen Rat bin ich Herrn Geheimrat Clemen zu wärmstein Dank verpflichtet. Viele Hülfe erhielt ich von mancher Seite, für die ich hier danken darf. Herr Professor Dr. E. Lüthgen bekundete stets großes Interesse an meiner Arbeit und hat mir in kunstgeschichtlichen Einzelfragen in eingehender und liebenswürdiger Weise Auskunft erteilt. Herr Professor Dr. W. Levison unterzog sich der Mühe der Durchsicht des Manuskriptes und gab aus seinem reichen Wissen wichtige Hinweise. Von Herrn Professor Dr. G. Hübener erhielt ich eine Fülle von Anregungen und Bereicherungen, insbesondere durch seine Darstellung des Beowulfepos. Der Inhalt und die Abgrenzung meiner geplanten Arbeit wurden hierdurch entscheidend bestimmt. Sollte es mir aber annähernd gelungen sein, in den bearbeiteten Schriftquellen die germanische Komponente herauszustellen, so gaben mir die Vorlesungen und Schriften von Herrn Professor Dr. H. Naumann wertvolle Aufschlüsse in dieser Hinsicht. Frau Dr. Eismarie Anrich-Knögel gestattete mir bereitwillig die Einsichtnahme in ihre nunmehr in den „Bonner Jahrbüchern" (Band 140/141) erschienene Dissertation über „Merowingische Schriftquellen zur Kunstgeschichte". Auch bei der Drucklegung der Arbeit erhielt ich Hülfe in Rat und Tat. Vor allem von Herrn Prof. Dr. A. Stange, der mich in gütigsterWeise unterstützte. Sodann half man mir von England aus in zuvorkommender Art. Aufrichtig rühmen muß ich die Liebenswürdigkeit der Herren des Verlages John Murray, London, und der Clarendon Press, Oxford, welche mir Auskunft über das englische Reproduktionsrecht gaben und mir entweder selbst die Erlaubnis zur Reproduktion von Abbildungen erteilten bzw. für mich einholten oder die nötigen Anschriften mitteilten. Allen denen, die mir Photographien verschafften und den Abdruck von Abbildungen erlaubten, sei hier mein Dank ausgesprochen; ihre Namen stehen an anderer Stelle im einzelnen verzeichnet. 7
Zum Schluß bekenne ich gern, daß ohne die hervorragende englische Forschung meine Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Sie beruht ganz auf den englischen Untersuchungen, beleuchtet sie jedoch von anderer Warte aus gesehen. Meinem Dank verbindet sich der Wunsch, daß diese Studien beitragen mögen zur ferneren Verständigung der stammverwandten Völker! Bonn, Sommer 1936.
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EINLEITUNG Seit dem Erscheinen der W e r k e L. L i n d e n s c h m i t s 1 ist von vielen Seiten d a r a n gearbeitet worden, die K u n s t der germanischen F r ü h z e i t h e r a u s z u stellen. Einen Markstein auf dem Wege bildete A. H a u p t s „Älteste K u n s t insbesondere die B a u k u n s t der G e r m a n e n " 2 . H e u t e , wo alle K r ä f t e zu einer nationalen E r n e u e r u n g z u s a m m e n g e f a ß t werden, ist die E r s c h l i e ß u n g der K u n s t unserer V o r f a h r e n W u n s c h u n d P f l i c h t zugleich. Verschiedene Wege sind eingeschlagen worden, u m den Nachweis zu erbringen, d a ß die germanischen V o l k s s t ä m m e in ihrer F r ü h z e i t keineswegs b a r b a r i s c h u n d k u n s t f r e m d gewesen, s o n d e r n daß sie im Gegenteil d u r c h F r e u d e an schönen, künstlerisch gestalteten Dingen ihr Lebensgefühl zu erh ö h e n w u ß t e n u n d a u c h n i c h t eigenen Schaffens u n d eines ihrer E i g e n a r t gemäßen Kunststils entbehrten. I n erster Linie k o n n t e n a t ü r l i c h die B e s c h ä f t i g u n g m i t den F u n d e n Aufk l ä r u n g bringen. Doch sind diese ä u ß e r s t l ü c k e n h a f t , da E r h a l t u n g u n d Auff i n d u n g dem Zufall anheimgestellt ist. Als E r s a t z e m p f i e h l t P. Giemen dort, wo sich wenig altes K u n s t g u t e r h a l t e n h a t , in h ö h e r e m Maße „ S c h r i f t q u e l l e n f ü r die historische R e k o n s t r u k t i o n " 3 heranzuziehen. F ü r die karolingische Zeit bieten sich freilich Schriftquellen genug, sorgfältig von J . Schlosser gesammelt u n d herausgegeben 4 . Die weiter z u r ü c k liegenden J a h r h u n d e r t e sind bis j e t z t n i c h t gleicherweise erschlossen gewesen; d a h e r suchte m a n das Bild der sogenannten „merowingischen E p o c h e " gern im N o r d e n , suchte es in der Saga u n d den Heldenliedern der E d d a , weil diese in vielem eine getreue Widerspiegelung f r ü h g e r m a n i s c h e n Lebens u n d f r ü h g e r m a n i s c h e r K u n s t ausstrahlen. I n der vorliegenden U n t e r s u c h u n g ist der Blick n i c h t auf den s k a n d i n a vischen Norden des 11./12. J a h r h u n d e r t s gerichtet, sondern auf die A n g e l s a c h s e n d e s 7. u n d 8. J a h r h u n d e r t s (aus dieser Zeit s t a m m e n die e r s t e n reichen Schriftquellen des Inselreichs) m i t der B e g r ü n d u n g , d a ß dieser germanische S t a m m u n s n ä h e r s t e h t als die N o r d g e r m a n e n . Die Angelsachsen waren, w i e d i e D e u t s c h e n , W e s t g e r m a n e n . Sie w o h n t e n vor i h r e r Ubersiedlung bei uns, d. h. im heutigen d e u t s c h e n R a u m . Menschen ihres S t a m m e s leben noch h e u t e in der alten angelsächsischen H e i m a t a n Nordu n d Ostsee, u n d auf den friesischen Inseln h a t sich ein Dialekt b e w a h r t , der d e m a l t e n Angelsächsisch der großen L i t e r a t u r d e n k m a l e ganz n a h e k o m m t . Z u d e m sind die Angelsachsen damals erst 150 bis 350 J a h r e abgelöst v o n 1
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L. Lindenschmit, Die Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. Mainz 1858ff. Derselbe, Handbuch der dtsch. Altertumskunde. Braunschweig 1889. A. Haupt, Die älteste Kunst, insbes. die Baukunst der Germanen. Leipzig 2. Aufl. 1923. P. Clemen, Die Merowingische Plastik. Bonn 1892. S. 68. H. v. Schlosser, Schriftquellen zur Geschichte der Karolingischen Kunst. Wien 1892.
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ihren kontinentalen Wohnsitzen, — eine geringe Zeitspanne für das Leben eines Volkes! Noch haben sie ihre Eigenart bewahrt, haben sich noch ziemlich unvermischt erhalten. J a , sie wissen noch um die alte Zugehörigkeit, wie ein höchst bemerkenswerter Ausspruch des gelehrten Beda verrät. Es gäbe, so sagt der northumbrische Mönch, in Deutschland verschiedene Völkerschaften, „von denen bekanntlich die Angeln und Sachsen, die nun Britanien bewohnen, ihre Abstammung herleiten; aus diesem Grunde werden sie noch bis heute vom benachbarten Volk der Briten (Kelten!) sprachwidrig G a r m a n e n (Garmani) genannt." 1 Eine unbewußte Hinneigung zum mütterlichen Kontinent war sicherlich eine der Triebkräfte zu ihrer ausgedehnten Missionstätigkeit, mit der sie, wie vorher die Iren, heidnische festländische Germanenstämme dem Christentum zuführten. Noch verstand man in Norddeutschland ihre Sprache, so daß sie ohne Dolmetsch die Heilsbotschaft verkünden konnten. Auch der, den wir den „ A p o s t e l der D e u t s c h e n " nennen, Bonifatius, Mrar ein A n g e l s a c h s e aus vornehmem Geschlecht, Winfrid (Wynfri[>) mit Namen. Durch die in das 7./8. Jahrhundert fallende Missionsarbeit waren Britannien und germanischer Kontinent e n g v e r b u n d e n . Eine starke k ü n s t l e r i s c h e B e e i n f l u s s u n g durch die Angelsachsen (wie auch durch die Iren) mußte die naturgemäße Folge sein, zumal in den mit dem Gottesdienst in Zusammenhang stehenden Kunstzweigen. Nachgewiesen ist sie für die Miniaturmalerei; noch nicht ernstlich untersucht, doch ebenfalls als sicher anzusetzen auf dem Gebiet der Sakralarchitektur. Bei dieser V e r b u n d e n h e i t d e r A n g e l s a c h s e n d e s 7./8. J a h r h u n d e r t s m i t d e m d e u t s c h e n M u t t e r l a n d kann eine Untersuchung der insularen Kunstverhältnisse A u f s c h l ü s s e über manchen Wesenszug der Kunst auch des g e r m a n i s c h - d e u t s c h e n K o n t i n e n t s geben. Ein vergleichendes Hinüber- und Herüberschauen ist aber im Folgenden nur gelegentlich in besonders beachtenswerten Fällen gemacht worden, da es außerhalb des Rahmens dieser Arbeit liegt. Durch einen glücklichen Zufall ist eine äußerst umfangreiche Literatur aus frühangelsächsischer Zeit erhalten, nicht nur an lateinischen Schriften, sondern auch an alliterierender heimischer Poesie. Beide Quellen e r g ä n z e n sich g e g e n s e i t i g . Die lateinischen Schriften, poetische wie Prosawerke, geben vorwiegend T a t s a c h e n b e r i c h t e , sie lassen in meist knappen Worten Kunstwerke mehr oder weniger deutlich vor uns sichtbar werden. Sie berühren fast ausschließlich den k i r c h l i c h e n I d e e n k r e i s , das heißt, sie beleuchten auf dem Gebiete der Kirche die Einführung und Ubertragung der s p ä t a n t i k e n Formenwelt auf ein nördliches Land. Dagegen ist die stabreimende heimische Poesie der Angelsachsen von a l t g e r m a n i s c h e m Geist erfüllt. Hier erfahren wir vor allem Näheres über die alt1
Baeda, Hist. Ecclesiastica V, 9. Ed. Plummer. Oxford 1896.
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überlieferte E i n s t e l l u n g des V o l k e s zu K u n s t w e r k e n u n d der K u n s t ü b e r h a u p t . Wollen wir b o d e n s t ä n d i g germanisches K u n s t g u t sehen, z u m a l die große, reiche Metallkunst, so müssen wir u n s a n die heimischen Dicht u n g e n wenden, d o r t f u n k e l t es bald heller, bald schwächer v o n goldenen H e l m e n u n d edelsteinbesetzten Schwertgriffen, von S c h m u c k r e i f e n u n d getriebenen Goldschalen. A m s t ä r k s t e n ist der Widerschein im H e l d e n l i e d zu s p ü r e n . U n d w ä h r e n d wir a u s althochdeutscher Zeit n u r einen einzigen kleinen Rest (allerdings einen sehr wertvollen!) eines Heldenlieds h a b e n , so besitzt das Angelsächsische neben m e h r e r e n F r a g m e n t e n das große Beo wulfepos. D a diese schöne H e l d e n d i c h t u n g i m m e r wieder als G r u n d l a g e f ü r heimisch-germanische K u n s t g a t t u n g e n wie W o h n b a u u n d M e t a l l k u n s t in der vorliegenden U n t e r s u c h u n g herangezogen worden ist, so b e d a r f es einer Klarstellung in Bezug auf die u m s t r i t t e n e D a t i e r u n g des Liedes. D a s E p o s ist meines E r a c h t e n s — u n d es wird im L a u f e der Arbeit eine archäologische B e s t ä t i g u n g d a f ü r gegeben werden 1 — zur Zeit der n o r t h u m b r i s c h e n B l ü t e des 7. J a h r h u n d e r t s (oder n u r ein wenig später) e n t s t a n d e n ( H a n d s c h r i f t 10. J a h r h u n d e r t ) . Die Geschehnisse selbst spielen f e r n a b v o n E n g l a n d auf den dänischen I n s e l n u n d gruppieren sich u m eine geschichtliche Begebenheit 2 von etwa 515. E i n T r u p p anglischer Nachzügler h a t die Sage n a c h E n g land m i t g e b r a c h t , wo sie d a n n s p ä t e r aufgeschrieben w u r d e . A b e r : m a g die Königshalle der Sage u r s p r ü n g l i c h identisch gewesen sein m i t L e t h r a , d e m alten Königssitz der D ä n e n auf Seeland, gelegen ,,in einem s a n f t e n Tal, d u r c h dessen Mitte ein kleiner F l u ß f l i e ß t " 3 —, so ist die Halle H e o r o t des 1
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Kurz seien hier schon einige wichtige Merkmale aufgezählt: 1. Die oft erwähnten „Ringschwerter" verschwinden in England vor 700 (wie in Skandinavien auch!). (S. 202.) 2. Die Ringschwerter besitzen die nur in England übliche Form mit dem losen, gebrauchsfähigen Ring. (S. 202.) 3. Die Brünne ist in der frühen Form der lorica hamata geschildert. (S. 204). 4. Der Saal liegt nicht i m ersten Stockwerk, ist noch kein Söller, wie er u m 750 zu existieren scheint. (S. 31.) 5. Die ungeheure Freude am Gold. Kein einziges Mal ist das Wort „Silber" gebraucht! 6. Eine Eigenkirche, wie sie die Gutshöfe christlicher Zeit haben, ist noch nicht erwähnt. (S. 20.) 7. Möglicherweise sind die christlichen Züge gemäß der Irischen Mission des 7. Jhdts. gestaltet. Vgl. Hoops, Kommentar zu Beowulf, S. 30. 8. Kein Schiffsbegräbnis (ab 7. Jhdt. in Skandinavien), sondern die mythische Schiffsaussendung wird geschildert. (S. 59.) 9. Streitäxte, die zur spätangelsächsischen Dänenzeit üblich sind, werden nicht erwähnt. (S. 215.) Vergl. Gregor v o n Tours, Hist. Franconum III, 3. Vergl. R. W. Chambers, Beowulf. Cambridge 1932. 2. Auflage. — Ein mit der Ortsschilderung des Epos mehr übereinstimmender Lageplatz der alten Halle in Seeland wird herausgestellt von St. H . Herben (PMLA, Dez. 1935, S. 933).
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angelsächsischen Beowulfepos eine N o r t h u m b r i s c h e Königshalle. N i c h t S e e l a n d , s o n d e r n die n o r t h u m b r i s c h e K ü s t e ist geschildert m i t den Worten: . . . sie erblickten L a n d , F l u t u m b r a n d e t e Vorgebirge, ragende Felsen. U n d so liegt H e o r o t auf einer A n h ö h e : Sie eilten bergauf, bis ihr Auge schaute D a s glänzende H a u s , das goldgezierte. F e r n h i n leuchtet es über viele L a n d e 1 . So sind a u c h a l l e ü b r i g e n D i n g e d e r U m w e l t d e n a n g e l s ä c h s i s c h e n V e r h ä l t n i s s e n u m 700 a n g e p a ß t , genau wie Christus im „ H e l i a n d " ein altsächsischer Gefolgschaftsführer (daneben a b e r a u c h R e x Coelorum) ist, der v o n B u r g zu B u r g w a n d e r t , genau wie im N i b e l u n g e n l i e d Begebenheiten der Völkerwanderungszeit u n t e r s t a u f i s c h e n R i t t e r n spielen. Historische T r e u e k a n n t e m a n damals n i c h t ! E s b e d u r f t e dieser Auseinandersetzung, da i m m e r wieder die H a l l e Heor o t , die W a f f e n u n d die Goldbecher des Beowulfepos v o n s k a n d i n a v i s c h e r W a r t e gesehen dargestellt w u r d e n , wie es z. B. K n u t S t j e r n a in sein e m sehr fesselnden Buch " E s s a y s on B e o w u l f " (London 1912) g e t a n h a t . I m Gegensatz dazu s u c h t R. W . Chambers 2 alle Dinge in die angelsächsische U m w e l t einzuordnen, u n d mit R e c h t . Die Schwierigkeit bei einer U n t e r s u c h u n g angelsächsischer idiomatischer T e x t e liegt darin, d a ß viele angelsächsische W o r t e noch n i c h t n a c h Bedeut u n g u n d B e g r i f f s u m f a n g klar festgelegt worden sind. E s ist in solchen Fällen in der vorliegenden Arbeit v e r s u c h t worden, d e n W o r t i n h a l t auf e t y m o l o g i s c h e r G r u n d l a g e herauszustellen. N i c h t ohne Absicht ist gerade dieser Z e i t a b s c h n i t t — v o n 600 bis 800 — (mit n u r gelegentlichem Uberschreiten dieser Z e i t s p a n n e u m einige J a h r z e h n t e ) gewählt worden. Z u n ä c h s t sind diese a n S c h r i f t t u m reichen J a h r h u n d e r t e ebenso ergiebig an ganz oder teilweise e r h a l t e n e n K u n s t d e n k m ä l e r n aller A r t . S o d a n n ist es die Zeit der C h r i s t i a n i s i e r u n g u n d der d a r a u s sich ergebenden großen A u s e i n a n d e r s e t z u n g d e s N o r d e n s m i t d e r K u n s t d e r S p ä t a n t i k e . Endlich ist dieser Z e i t r a u m in sich abgeschlossen, bildet e i n G a n z e s in seinem Aufstieg zu einem w u n d e r b a r e n H ö h e p u n k t , der n o r t h u m b r i s c h e n B l ü t e u m 700, u m s o d a n n l a n g s a m a b z u e b b e n , worauf die Däneneinfälle der E n t w i c k l u n g ein vorschnelles E n d e bereiten. Z u m n ä h e r e n Verständnis der K u n s t des 7-/8. J a h r h u n d e r t s ist ein k u r z e r Uberblick ü b e r die p o l i t i s c h e wie ü b e r die r e l i g i ö s e G e s c h i c h t e Alte n g l a n d s notwendig. D i e L a n d n a h m e b e g a n n u m die Mitte des 5. J a h r h u n d e r t s u n d war m i t d e m E n d e des 6. J a h r h u n d e r t s ziemlich abgeschlossen. Die Sachsen setzten 1
Beowulf 221 und 306.
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a. a. O.
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v o n F l a n d e r n aus n a c h B r i t a n n i e n ü b e r u n d besetzten das L a n d u m die T h e m s e ; die J ü t e n , ein kleinerer Volksstamm, besiedelten K e n t u n d die Insel Wight, w ä h r e n d die Angeln u n m i t t e l b a r von Schleswig k a m e n u n d sich im L a n d nördlich der T h e m s e i m m e r m e h r ausbreiteten (vergl. A b b . 1). Nicht ganz geklärt ist die Auseinandersetzung der germanischen E r o b e r e r m i t den keltischen (romano-britischen) E i n w o h n e r n der Insel. Sicher ist, d a ß viele Briten getötet w u r d e n , d a ß andere „Gegenden jenseits des Meeres 1 " a u f s u c h t e n , wieder a n d e r e sich „in Berge, W ä l d e r u n d steile Fels e n " zurückzogen, wo sie sich allmählich wieder ganz der ihnen eigenen, abstrakt-geometrischen K u n s t z u w a n d t e n . Die A u f n a h m e keltischer L e h n wörter d u r c h die Angelsachsen ist damals gering; i m m e r h i n v e r r a t e n diese wenigen W o r t e wie auch britische Siedlungsnamen (Walton, Walcot, Bretby) innerhalb des angelsächsischen Gebietes eine gewisse V e r b i n d u n g zwischen E r o b e r e r n u n d U n t e r w o r f e n e n . U m die Mitte des 6. J a h r h u n d e r t s h a t t e n sich sieben angelsächsische Reiche in Britannien gebildet, n ä m l i c h Sussex, Essex, Wessex (zusammen „ S a c h s e n " ) , Ostanglien, Mercien u n d N o r t h u m b r i e n (zusammen „ A n g l i e n " ) ; u n d K e n t . I n f o r t w ä h r e n d e n K ä m p f e n aller dieser S t a a t e n u n t e r e i n a n d e r gewann im 7. J a h r h u n d e r t N o r t h u m b r i e n u n t e r seinen großen Königen E d w i n (Eadwine), O s w a l d , O s w i o u n d E c g f r i J ) die V o r h e r r s c h a f t . I m 8. J a h r h u n d e r t b e h a u p t e t e n die M e r c i e r die sogenannte „ B r e t w a l d a s c h a f t " 2 , u n t e r A e ö e l w a l d u n d O f f a ; letzterer n a n n t e sich stolz ,,rex A n g l o r u m " u n d w u r d e von K a r l d e m Großen f a s t als Gleichgestellter b e h a n d e l t . (Erst u m 800 begann die Vorh e r r s c h a f t der S a c h s e n . ) I n der Zeit von 600 bis 700 w u r d e der g a n z e k e l t i s c h e W e s t e n der Insel in Besitz genommen m i t A u s n a h m e h a u p t sächlich von Wales (siehe A b b . 1 oben). König I n e v o n W e s s e x (um 700), dessen F r e u n d u n d R a t g e b e r der hochgelehrte Bischof u n d K u n s t f r e u n d Aldhelm war (f 709), n a h m sogar die K e l t e n als ziemlich gleichberechtigte Untertanen auf. Von ä u ß e r s t e r Wichtigkeit ist die Geschichte der C h r i s t i a n i s i e r u n g der Angelsachsen. Bis zu der E i n w a n d e r u n g der G e r m a n e n h a t t e eine christliche Kirche der B r i t e n b e s t a n d e n , die sich weiterhin in k ü m m e r l i c h e n R e s t e n b e h a u p t e n k o n n t e . A m A n f a n g des 5. J a h r h u n d e r t s gab es sogar noch ein B i s t u m Y o r k ! Die Angelsachsen dagegen waren Heiden u n d h u l d i g t e n h a u p t s ä c h l i c h d e m W o d a n s k u l t . I h r e Christianisierung erfolgte von z w e i S e i t e n , v o m Norden wie v o m Süden. Aus I r l a n d , wo sich das C h r i s t e n t u m in einer f r ü h e n , o r i e n t a l i s c h 3 b e e i n f l u ß t e n u n d s e h r i n n e r l i c h e n A r t gehalten 1 3
2 Baeda, Hist. Ecclesiast. I, 15. = die Vorherrschaft. Vergl. J. Fendel, Ursprung und Entwicklung der christl. Klosteranlage. Bonn 1927. S. 12. J. Strzygowski, Der Norden in der bildenden Kunst. Wien 1926. S. 130. L. Gougaud, Christianity in Celtic Lands. London 1932. S. 633.
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hatte, kam 565 S t . C o l u m b a nach Iona (Schottland) und gründete dort ein Kloster. Bald waren Schottland und das nördliche und mittlere Angelsachsen für die i r o k e l t i s c h e („iro-schottische") Form des Christentums gewonnen. Aber fast gleichzeitig (597) kam, durch Papst Gregor den Großen gesandt, der R ö m e r A u g u s t i n nach dem S ü d e n Englands, nach Kent 1 . Die Möglichkeit einer Bekehrung war hier dadurch gesichert, daß die Königin Berhta, eine fränkische Königstochter, bereits in Canterbury den christlichen Gottesdienst gepflegt hatte. Bald trat auch ihr Gemahl, König Aeöelberht, dem römisch-katholischen Glauben bei. Nachdem 601 das Erzbistum Canterbury und das Bistum Rochester gegründet worden waren, breitete sich der römische Ritus mit wechselnden Erfolgen nach Norden aus. Bald stießen beide Kirchenformen, die irisch-keltische und die römische, aufeinander. Keine wollte weichen. 627 taufte der Römer Paulinus in York den mächtigen Northumbrerkönig Edwin, aber schon 633 wurde nach Edwins jähem Tod das Land wieder heidnisch. Sein Nachfolger Oswald (der Heilige) berief an Stelle der geflohenen angelsächsischen Geistlichen den Iren Aidan, der 634 das berühmte Kloster Lindisfarne gründete. So wurde das große nördliche Reich irisch-christlich. In anderen Gebieten Altenglands hielt sich das Heidentum noch lange; erst 681 wurde Südsachsen christlich, während gleichzeitig nach der Insel Wight Glaubensboten geschickt wurden. — Um die Mitte des 7. Jahrhunderts war es d u r c h a u s f r a g l i c h gewesen, welche der beiden christlichen Bekenntnisformen den Sieg davontragen würde, da ganz Northumberland, Mercien und Essex, eine starke Gemeinschaft, irisch-christlich waren. Dennoch s i e g t e R o m auf der zum Zwecke der Einigung nach W h i t b y einberufenen Synode 664. Es gelang dies durch die glänzende Beredsamkeit und überragende Persönlichkeit W i l f r i d s (WilfriJj, Wilferd), des späteren Bischofs von York, der auch in der Kunstentwicklung Altenglands eine große Rolle spielt. Alle Reiche nahmen nun den römisch-katholischen Ritus an. Es war, zumal für die kommenden Jahrzehnte, nicht nur ein Sieg der römischen Kirche, sondern auch der r ö m i s c h e n K u n s t . Aber nicht nur dieser allein. Sehr eigenartig und auffallend ist die starke o r i e n t a l i s c h e Zuströmung in der angelsächsischen Kunst. Sie ergibt sich aus d r e i Q u e l l e n . Zunächst war hierbei von Bedeutung die Berufung des in Athen erzogenen T h e o d o r von Tharsus auf den erzbischöflichen Stuhl zu Canterbury (669—690). Er ist der erste Erzbischof, dem g a n z England gehorchte. Sein Einfluß war ungeheuer groß, zumal auf den northumbrischen Norden, wo er den Bischofssitz York wieder an Wilfrid zurückgab. Mit Theodor kam Abt Hadrian — ein Afrikaner von Geburt ; durch diese beiden überragenden Männer wurde ö s t l i c h e K u l t u r nach England iiber1
Vergi. G. Hübener, England und die Gesittungsgrundlage der europäischen Frühgeschichte. Frankfurt a. M. 1930. Kapitel V.
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t r a g e n . Beda (672—735) b e r i c h t e t , d a ß zu seiner Zeit m a n c h e Angelsachsen des Griechischen u n d des Lateinischen so gut wie ihrer M u t t e r s p r a c h e m ä c h t i g gewesen seien. E s ist als sicher a n z u n e h m e n , d a ß viele der hellenistischen F o r m b i l d u n g e n , die in der angelsächsischen K u n s t in der letzten H ä l f t e des 7. J a h r h u n d e r t s a n g e t r o f f e n werden, u n m i t t e l b a r oder mittelb a r auf das W i r k e n dieser beiden Männer z u r ü c k z u f ü h r e n sind. E i n e z w e i t e Quelle sei hier n u r m u t m a ß l i c h g e n a n n t . Von 650 ab weilten viele einflußreiche Angelsachsen besuchsweise in R o m . Z u dieser Zeit n a h m e n die Orientalen eine b e d e u t e n d e Stelle in der P e t e r s s t a d t ein (im 7./8. J a h r h u n d e r t sind n i c h t weniger als acht P ä p s t e Griechen, f ü n f Syrer 1 ), u n d eine Beeinflussung der angelsächsischen Pilger im orientalischen Sinne ist d u r c h a u s möglich. — Hingewiesen sei a u c h d a r a u f , d a ß Benedict Biscop, der kunstliebende A b t von W e a r m u u t h - J a r r o w , zwei Ausbildungsj a h r e im Kloster Lérins (St. H o n o r a t bei Cannes) z u b r a c h t e . Wahrscheinlich ist er n i c h t der einzige Angelsachse, der dort gelernt h a t ! Dieses ber ü h m t e Kloster s t a n d bis 661 ganz u n t e r ägyptisch-orientalischem E i n f l u ß u n d wird a u c h in der Folgezeit der orientalischen K u n s t a u f f a s s u n g nicht völlig entzogen worden sein 2 . Als d r i t t e r A n t r i e b h a t t e die orientalische Beigabe in der irokeltischen K i r c h e m i t g e w i r k t . N a c h der Synode von W h i t b y (664) w a r zwar der irische R i t u s in E n g l a n d aufgegeben worden, aber d e n n o c h war die so lange i m N o r d e n des L a n d e s beliebt gewesene A u f f a s s u n g nicht t o t u n d f ü h r t e — A l d h e l m klagt d a r ü b e r 8 — ein heimliches Weiterleben in K u l t u r u n d K u n s t , z u m a l in einer leisen B e g ü n s t i g u n g östlicher F o r m e n s p r a c h e . Neben den m e d i t e r r a n e n (und zwar römischen wie östlichen) K ü n s t a n trieben b r a c h t e das 7. J a h r h u n d e r t den Angelsachsen a b e r a u c h einen ungeheuren Z u s t r o m von k e l t i s c h e m F o r m e n g u t . D a ß die keltische K u n s t m i t ihrer s t a r k a b s t r a k t e n Art der angelsächsischen K u n s t a u f f a s s u n g gem ä ß e r w a r als die s p ä t a n t i k e F o r m e n w e l t , liegt auf der H a n d . D u n k e l a b e r u n d noch nicht e i n w a n d f r e i gelöst erscheint die Frage, wie es möglich w a r , d a ß v o m s p ä t e r e n 6. J a h r h u n d e r t a b (und i m m e r m e h r z u n e h m e n d ) keltische K u n s t e l e m e n t e sich so sieghaft in die K u n s t der britischen Inseln e i n d r ä n g e n k o n n t e n , d a ß der G e d a n k e einer „keltischen W i e d e r e r s t e h u n g " n i c h t f e r n liegt. Sicherlich t r u g die irische Missionstätigkeit wesentlich dazu bei. Aber wir d ü r f e n n i c h t übersehen, d a ß das, was wir u n t e r „irischem S t i l " v e r s t e h e n , erst im L a u f e des 7. J a h r h u n d e r t s geschaffen w u r d e (vgl. S. 147). Die eigentlichen U r g r ü n d e m ü s s e n anderswo liegen. Vielleicht k a m ein H a u p t a n s t o ß d u r c h die politische Eingliederung der im westlichen Mit1
Vergi. L. Brehier, Les Colonies d'Orientaux en Occident. ( V e — V I I e siècle). Byz. Zeitschrift V I I , Leipzig 1903, S. 1—39.
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H. Moris, Cartulaire de l'Abbaye de Lérins 1905, Bd. II, S. VII. Aldhelmi Opera. Auct. ant. X V . M. G. H. 1919, S. 492.
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telengland wohnenden Kelten, die sich von 600 bis etwa 700 vollzog. Gerade in dieser Gegend Englands, die von den Westsachsen erobert wird, macht sich schon gegen 600 der Einfluß keltischer Kunst durch das Auftreten von Scroll-Ornamentik und von Grubenschmelz (émail champlevé) an Metallschalen bemerkbar 1 . Von Wichtigkeit ist dabei die noch offene Frage, in wie weit die Sachsen, die schon auf dem Kontinent ihre eigenartigen Schalenfibeln mit Spiralornamenten zierten und damals schonin der Technik des Grubenschmelzes bewandert waren, 2 der keltischen Kunst e n t g e g e n k a m e n . Die kräftig aufblühende keltische Kunst erreicht in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts das nördliche England. Hier, wo das iroschottische Christentum lange im keltischen Sinne eingewirkt hat, trifft sie aufnahmefähigen Boden. Hier entsteht wahrscheinlich der sogenannte „irische Stil". Aber so stark ist andererseits der nationale Kunstwille der dort wohnenden Angeln, dieses germanischen Kernvolkes, daß sie von ihrem Eigenen mächtig zuströmen lassen. Aus dieser neuen Verbindung, in die sich ebenfalls kräftige mediterrane Züge einmischen, entsteht die große „northumbrische Kunstblüte". So treffen sich in Alt-England die m a n n i g f a c h s t e n Formantriebe: Die letzten Ausstrahlungen der brito-römischen Provinzialkunst; der ganze Reichtum der Spätantike mit ihren beiden Komponenten, der römischen (zumal der stadtrömischen) wie der östlich-hellenistischen Kunst, wovon letztere doppelt wirksam wird durch orientalische Beziehungen innerhalb der irisch-christlichen Kirche ; schließlich der Einfluß der keltischen Kunst, die einmal durch irische Missionierung, ein andermal durch die Eingliederung des keltischen Westenglands Antriebe erhalten hat. Wie werden sich die Angelsachsen, die bis zu ihrer Übersiedlung nach England nur wenig mit artfremder Kunst in Berührung gekommen waren, mit diesen verschiedenartigen Kunstströmungen auseinandersetzen ? Was werden sie annehmen, was fallen lassen ? Werden sie dem lockenden Fremden unterliegen, oder gelingt es ihnen, ihre Eigenart zu bewahren? Alles Fragen, die nun im Einzelnen behandelt und entschieden werden sollen. Die Untersuchung ist so angelegt, daß die verschiedenen Kunstzweige, angefangen von der Architektur über Plastik zu Malerei und Kunstgewerbe, zunächst nach Schrift quellen dargestellt werden, daß dann durch Betrachtung von Grabfunden oder noch in situ erhaltenen Kunstwerken die Wahrheit der Schriftquellen untersucht wird, und daß zuletzt eine Unterscheidung gemacht wird, was an bodenständigen, was an fremden Elementen in der angelsächsischen Kunst des 7./8. Jahrhunderts vorhanden ist, wobei die g r u n d l e g e n d e F r a g e d e r U m s t i l i s i e r u n g fremden Formguts in g e r m a n i s c h e s K u n s t e r l e b e n im Mittelpunkt stehen wird. 1
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A. W . Clapham sieht in den Pikten das Bindeglied; sie „säten die Saat". Vergl. Origins of Hiberno-Saxon Art. Antiquity 1934, S. 43. Vergl. F. Roeder, Die sächs. Schalenfibel der Völkerwanderungszeit. Göttingen 1927. S. 22.
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I. A R C H I T E K T U R DER ANGELSÄCHSISCHE WOHNBAU W e n n wir v o m H a u s b a u irgend eines germanischen S t a m m e s sprechen, so meinen wir d a m i t germanische B a u k u n s t ü b e r h a u p t . Z u wenig wissen wir von germanischen Tempelanlagen, als d a ß sie ernstlich m i t r e d e n k ö n n t e n , u n d der christliche S a k r a l b a u in germanischen L a n d e n ist s p ä t a n t i k e n , ist südlichen Ursprungs. Leider ist uns kein frühangelsächsischer P r o f a n b a u e r h a l t e n . Wir sind daher ganz auf S c h r i f t q u e l l e n angewiesen. Wie aber k ö n n e n wir die weit zerstreut liegenden, vielfach m e h r d e u t i g e n schriftlichen Hinweise auf W e r t u n d Richtigkeit hin p r ü f e n ? D u r c h a u s trügerisch wäre ein Bild, das auf G r u n d von M i n i a t u r e n aufg e b a u t w ü r d e . Freilich ist dies f r ü h e r gemacht w o r d e n ; so v o n W r i g h t in einem sonst verdienstvollen u n d w e g b a h n e n d e n W e r k 1 u n d in einer Dissert a t i o n v o n Files 2 . Beide Schriften gehen d a v o n aus, d a ß die in angelsächsischen codices dargestellten Gebäude n a t u r g e t r e u e Abbilder v o n zeitgenössischen B a u w e r k e n sind. Vergleichen wir aber diese m i t solchen anderer u n d noch f r ü h e r e r H a n d s c h r i f t e n , so f i n d e n wir überall die gleichen auf a n t i k e r T r a d i t i o n b e r u h e n d e n G e b ä u d e . D a r u m t a d e l t schon Stephani 3 , d a ß W r i g h t die I l l u s t r a t i o n e n zum 111. P s a l m im H a r l e i a n Nr. 603 als angelsächsische G e h ö f t a n l a g e hingestellt h a t . S t e p h a n i sieht als angelsächsisch n u r den Hirschschädel auf dem D a c h f i r s t an •—• wir werden s p ä t e r d a r ü b e r noch hören — u n d vielleicht noch die Schindel u n d Ziegel. N u r auf diese Weise, d a ß m a n nämlich kleine b o d e n s t ä n d i g e E i n z e l h e i t e n d u r c h sorgfältige Vergleichung möglichst vieler H a n d s c h r i f t e n verschiedenster J a h r h u n d e r t e h e r a u s k l a u b t , lassen sich M i n i a t u r e n als Quellen heranziehen. So k a n n m a n auch der oben e r w ä h n t e n Dissertation von Files n u r d a n n zustimmen, w e n n sie D a c h b e d e c k u n g e n , gedrehte Holzsäulen, F e n s t e r m i t K n i c k b o g e n u n d Ähnliches b e r ü h r t . Ganz anders ist die U n t e r s t ü t z u n g , die wir d u r c h R ü c k s c h l ü s s e aus e r h a l t e n e n B a u t e n s p ä t e r e r J a h r h u n d e r t e gewinnen. I n B e t r a c h t k o m m t vor allem das englische M a n o r - H a u s des 13./14. J a h r h u n d e r t s . I n dieser Zeit war die H e r r s c h a f t der N o r m a n n e n gebrochen, alte S t a m m e s sitten k a m e n b e w u ß t wieder auf, die D i c h t k u n s t schloß sich mit i h r e n wieder s t a b r e i m e n d e n Versen a n die Poesie der Angelsachsen an ( L a y a m o n ; Langland), u n d der alte v o r n o r m a n n i s c h e H a u s t y p k a m wieder zu E h r e n , w e n n a u c h d a n e b e n der n o r m a n n i s c h e T u r m w o h n b a u , der „ k e e p " , f ü r Kriegsfälle bestehen blieb. Bei dem K o n s e r v a t i v i s m u s d e r E n g l ä n d e r 1 2 3
Thomas Wright, Domestic Manners and Sentiments. London 1862. Files, The Anglosaxon House. Leipzig 1893. K. G. Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau. Leipzig 1902. I. S. 415.
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dürfen wir solche Rückschlüsse mit Recht machen; sie werden, wenn wir gewisse fortschrittliche Entwicklungen abziehen, ein richtiges Bild ergeben. Die U r s p r ü n g e d e s a n g e l s ä c h s i s c h e n W o h n b a u s liegen weit zurück und sind auf dem K o n t i n e n t zu suchen. Man könnte da mit einigem Recht sowohl das heutige niedersächsische Bauernhaus als auch das anglodänische Haus als geschwisterlich verwandt mit dem insularen angelsächsischen Haustyp betrachten und von dort aus ein Urbild zu rekonstruieren versuchen, wenn es sich in Wirklichkeit nicht so verhielte, daß zwischen dem heutigen niedersächsischen Haustyp einerseits und dem anglo-dänischen andererseits grundlegende Unterschiede bestehen 1 . Welcher von beiden ist für das insulare Haus maßgebend gewesen ? Andrews 2 nimmt an, daß der s ä c h s i s c h e E i n b a u der in England gleich nach der Übersiedlung übliche Haustyp gewesen wäre, daß dann aber unbekannte, „fremde Einflüsse" gekommen seien. Wenn diese Hypothese richtig ist, so können die „fremden Einflüsse", die vor den Schriftquellen und damit jedenfalls vor dem 7. Jahrhundert liegen, von später nachkommenden Angeln herrühren. (Wir wissen j a , daß die Wanderung schubweise vor sich ging!) Diese Nachfahrer hatten mittlerweile auf dem Kontinent von den einrückenden Dänen den n o r d i s c h e n Y i e l b a u kennen gelernt — wenn sie ihn nicht von jeher besessen haben! Leicht läßt sich denken, daß das zahlreiche Volk der Angeln, das zumal im 7. Jahrhundert den mächtigsten und kulturell wichtigsten Staat in England bildete, auch in Bezug auf den Wohnbau bestimmenden Einfluß ausgeübt hat. Jedenfalls zeigt die angelsächsische Bauart des 7./8. Jahrhunderts, wie sie uns in den Schriftquellen geschildert und durch die Entwicklung zum mittelalterlichen Manor-Haus bestätigt wird, Merkmale s o w o h l d e s h e u t i g e n a n g l o - d ä n i s c h e n wie d e s n i e d e r s ä c h s i s c h e n Gehöfts. Mit dem a n g l o - d ä n i s c h e n Haustyp hat das insulare angelsächsische Gehöft die G e s a m t a n l a g e gemeinsam. Es ist kein Einbau wie das niedersächsische Haus, das Wohnraum und Stallungen unter e i n e m großen Dach birgt, sondern besteht aus einzelnen „Häusern", (ags. „aern" 3 ), die sich aneinander anlehnen. „On burgum" (in den Burgen) oder „in geardum" (in den Höfen), diese im Plural gebrauchten Ausdrücke für ein Gehöft geben schon zu erkennen, daß es sich um eine Reihe von Einzelbauwerken handelt. Der gesamte bauliche Besitz ist nach germanischer Sitte fest umschlossen, und zwar der Adelsbesitz mit Mauern und Wällen (weallas), der kleine 1
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Vergi. Rudolph Henning, Das deutsche Haus. Straßburg 1882. Derselbe, Die deutschen Haustypen. Straßburg 1886. K . Rhamm, Urzeitliche Bauernhöfe in germ. slaw. Waldgebiet. Braunschw. 1908. C. M. Andrews, The Old English Manor. Baltimore 1892. Noch heute heißt der Hausflur im Niedersächsischen „ E m " . 2*
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Bauernhof mit einem Zaun (edor) 1 . „Under burglocan" (im Burgverschluß) waltet die Fürstin, und die Bewohner des umfriedeten Platzes sind die „ceaster-buend" 2 (in einem befestigten Ort wohnend). Streng bestrafen die Gesetze die „burgbryce", d. h. Einbruch in ein Adelsgehöft, und die „edorbryce", d. h. Einbruch in ein Bauerngehöft 3 . Unter den Einzelgebäuden werden folgende Bezeichnungen später in den Gesetzen erwähnt: heall (Herrenhalle), cycene (Küche), cirice (die Eigenkirche, die jedes große Besitztum hatte) 4 , bell-hus (Glockenhaus), heddern (Vorratshaus), hordern (Schatzhaus); für Klöster besonders noch beodern („Schlüsselraum" = Refektorium) und slaepern(Schlafsaal, Dormitorium) 5 . Nach „Beowulf" muß auch ein Fremdenhaus vorhanden gewesen sein 6 . Die Bedeutung einiger Gebäude geht aus folgendem Gesetz hervor: „Wenn ein Gemeinfreier (ceorl) fünf Hufen eigenen Landes hat, eine Kirche, ein Glockenhaus (bell-hus) und eine Küche, steigt er zum Rang eines Adelsherrn (]3egn) auf. 7 " Unter den Einzelgebäuden sind zwei besonders wichtig. Da ist zunächst das Wohn- und Schlafhaus, ,,bur" genannt. Ein Rätsel (Rätsel 30) sagt, daß ein „wunderliches Wesen" wolde hyre o n j i a e r e b y r i g 8 b u r atimbran (wollte in der B u r g sich einen B u r zimmern) König HroJjgar und seine Gemahlin gehen des Abends ,,ut of healle" (hinaus aus der Halle) und ruhen im „brydbur" (Brautgemach, Frauenhaus). Das wichtigste Gebäude für einen Adelssitz ist aber die Halle, die „heall", ein Wort, das in vielen Kompositis (Gabenhalle, Methalle usw.) auftritt und variiert wird mit aern (Gebäude), heahhus (Hochhaus), reced (weites Gebäude) und sele (Saal; dazu die Komposita: Goldsaal, Dachsaal, Ringsaal, Gefolgschaftssaal u. a. m.). Wie bezeichnend die Halle für den altenglischen Wohnbau ist, geht aus einem Vers des Genesisepos hervor; Adam und Eva, so heißt es da, haben vor ihrer Austreibung aus dem Paradies „noch keine Saalhäuser besessen und nichts von Sorgen gewußt." Haben wir in der Vielbau-Gehöftanlage ein anglisches Merkmal kennen 1 2
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Bayr. heute „ E t t e r " . Vergl. auch „G-itter". Beowulf 768. ceaster ist Lehnwort aus dem Lateinischen ( = Castrum). Unter ceaster wird gewöhnlich jedes mit Mauern bewehrte Besitztum verstanden, besonders aber ein Flecken, eine Stadt. So rettet sich Lot aus Sodom in eine "heaburh, lytle ceastre" (Gen. 2518). Vergl. Liebermann, Gesetze d. Angelsachsen. Halle 1898—1916 II, 2. Artikel „ E i n b r u c h " . Vergl. auch Baeda, Hist. Eccl. V, 4. Vgl. Liebermann, II, 2. Artikel „ H a u s ' ; . „ — e r n " = „ a e r n " = Haus. 7 Vergl. Liebermann, I, 456. GeJjyncöo 2. Beow. 1300. „ b y r i g " ist dat. plur. mit der Bedeutung „ G e h ö f t " .
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gelernt, so finden wir auch andererseits Zusammenhänge mit dem heutigen n i e d e r s ä c h s i s c h e n Haustyp von Holland bis Dithmarschen. Da ist zunächst die Bezeichnung „ f l e t " (Fletz, Fleet), und damit verbunden eine Dreischiffigkeit des Innenraums. Das Fletz als Wohnraum ist zwar im heutigen niedersächsischen Bauernhaus auf die hintere Hälfte des Gebäudes beschränkt, während beim angelsächsischen Hallenbau die ursprüngliche Art festgehalten ist, daß nämlich der g a n z e innere Raum Wohnraum ist und flet heißt. Wie Salome im altsächsischen Heliand „fagar on flettie" (schön im Fletz) tanzt, so gibt Loth in der „Genesis" die Bewirtung „on flette" (Gen. 2447). Mehrfach ist der Terminus „flet" im Beowulfepos in Bezug auf die Halle Heorot gebraucht. Da völkische Zusammenhänge uns augenblicklich besonders wertvoll sind, so möge hier eine Aufzählung der wichtigsten Stellen erfolgen, zumal da Rhamm wegen der vermeintlichen geringen Erwähnung des „flet" im Beowulf eine Verwandtschaft zwischen niedersächsischem und angelsächsischem Hausbau ablehnt 1 . Zunächst finden wir flet in der Bedeutung „ F u ß b o d e n " : „heo on flet gebeah 2 (Sie fiel zu Boden, d. h. auf den Boden des Fletz). — Als „ H a l l e n i n n e r e s " tritt es auf in folgenden Stellen: „Beowulf gefall ful on flette" 3 . (Beowulf empfing einen Becher im Fletz). Ebenso: „Hebt jja eorla hleo eahta mearas on flet teon" 4 (Der Herrscher ließ acht Pferde hinein in das Fletz ziehen). Daß mit „ f l e t " auch die beiden Seitenschiffe gemeint sind, wo die Gefolgschaft sitzt, geht hervor aus: „ewen flet eall geondhwearf, baelde byre geonge" 5 (die Königin ging durch den ganzen Fletz hindurch und ermunterte die Jünglinge). Flet heißt aber auch das M i t t e l s c h i f f der Halle: Hrade waes gerymed, swa se rica bebead Fedegestum flet innanweard 6 (Rasch war da geräumt, wie es der Reiche gebot, den Reisegästen der Flet im Innern) Schließlich steht flet — als pars pro toto — in der Bedeutung H a l l e n gebäude : . . . ac hig him geJ)ingo budon f>aet hie him oder flet eal gerymdon healle ond heahsetl 7 . . . . aber sie gaben das Anerbieten, daß sie ihnen einräumten ein anderes Fletz, Halle und Hochsitz. Rhamm a. a. 0 . S. 397; er sagt, das Wort flet sei nur „zweimal nebensächlich und niemals in zusammenhängender Rede" gebraucht worden. 2 B . 1540 u.ähnl. 1568. 3 B. 1024. 4 B. 1037. 6 B. 2016. 9 B. 1975. ' B. 1085. 1
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Ähnlich f i n d e n wir in den Gesetzen des Hlotaire u n d E a d r i c (685/6) „ f l e t " gleichbedeutend m i t „ H a u s " a n g e w a n d t . Das W o r t f l e t („Deele" gibt es im Angelsächsischen nicht!) ist in E n g l a n d lange heimisch geblieben. I m Mittelalter hieß d o r t ein Adelshaus „ h a l l " u n d ein B a u e r n h a u s „ f l e t " , u n d bis ins vorige J a h r h u n d e r t hinein b e d e u t e t e der stabreimende A u s d r u c k „ f i r e a n d flet"' den inneren H a u s r a u m . F e r n e r m ö c h t e n wir — i m Gegensatz zu Klebel 1 u n d R h a m m 2 — das a n g e l s ä c h s i s c h e D a c h als das dem n i e d e r s ä c h s i s c h e n v e r w a n d t e alte deutsche S p a r r e n d a c h ansehen u n d nicht als das nordisch b e e i n f l u ß t e First- oder A n s d a c h , bei dem die R a f t e r (Sparren) an einem der Länge nach d u r c h g e h e n d e n F i r s t b a l k e n befestigt sind, der seinerseits d u r c h senkrechte P f o s t e n getragen wird 3 . — Als Beweise f ü r ein F i r s t d a c h w u r d e n bislang h a u p t s ä c h l i c h zwei Feststellungen angegeben. 1. Die s t ü t z e n d e große Mittelsäule (stapul) der Halle H e o r o t , die bei einem S p a r r e n d a c h keine k o n s t r u k t i v e Notwendigkeit h ä t t e . Da s p ä t e r a u s g e f ü h r t werden wird, d a ß die A n n a h m e einer Mittelsäule auf G r u n d einer falschen Ü b e r s e t z u n g des W o r t e s s t a p u l e n t s t a n d e n ist, fällt dieser Beweis f ü r ein F i r s t d a c h glatt aus. — 2. I n E n g l a n d wird h e u t e das W o r t „ r a f t e r " , das a u s dem Nordischen s t a m m t u n d auf ein R a f t e r d a c h ( = F i r s t d a c h ) hinweist, allgemein im Sinn von D a c h s p a r r e a n g e w a n d t , das auf ein S p a r r e n d a c h weisende „ s p a r " aber n u r landschaftlich b e d i n g t 4 . A u c h die angelsächsischen W ö r t e r b ü c h e r geben n u r „ r a e f t e r " an. D e m ist entgegenzuhalten, d a ß n a c h S k e a t 5 das neuenglische W o r t „ s p a r " (das er als „ a b e a m , b a r , r a f t e r " erklärt) zweifellos altenglischen U r s p r u n g s ist. D e n n w e n n auch die angelsächsische nominale E n t s p r e c h u n g n i c h t zu f i n d e n ist, so gibt es doch ein schwaches — also von einem H a u p t w o r t abgeleitetes — V e r b „ s p a r r i a n " . — So können diese beiden B e w e i s f ü h r u n g e n nicht überzeugen 6 . E s gibt aber 1
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Ernst Klebe] in J. Strzygowski, Heidnisches und Christliches um das Jahr 1000. Wien 2 1926. S. 168 u. 206. R h a m m , a. a. O. S. 240. Es soll aber nicht verschwiegen sein, daß die sehr primitiven Häuser von Sutton Courtenay (Berks) 2 Pfostenlöcher meist in der Längsrichtung aufwiesen, was auf ein Firstdach deuten könnte. Aber diese Häuser sind so primitiv — zudem ist kein Aufschluß über die Wandkonstruktion möglich —, daß die Pfostenlöcher nichts Bestimmtes aussagen. Nach dem Fund einer gleicharmigen sächs. Fibel könnten die Häuser auf rund 450 datiert werden. Vergl. Archaeologica Bd. L X X I I I S. 147 u. L X X V I . Dagegen ist neuerdings bei einem Hausfund in Selsey (Südengland), das auf 500 oder später datiert wird, kein Pfostenloch gefunden worden. Vergl. The Antiquaries Journal 1934, S. 393. Und zwar wird spar nach Wright gerade in den Gegenden Englands gebraucht (nw. Derby, Northumberland, ehester, Northhampton), die im alten A n g l i e n (nicht Sachsen) liegen, wo man schon eher ein Firstdach vermutet hätte. Walter W. Skeat, Etymol. Dictionary of the English Language. Oxford 1910. 4. Aufl. R h a m m a. a. O. S. 241 gibt einen anderen Beweis (aus ByrjDferths handboc) für ein Rafterdach an, hält ihn freilich selbst für nicht stichhaltig. Hierzu ist zu bemerken, daß " t o öaere fyrste" ebenso gut „in der Richtung auf den First" oder „zur Dachspitze" heißen kann.
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ein wichtiges Argument, das wir hier als Gegenbeweis anführen möchten, und das ist die Höhe und S p i t z g i e b l i g k e i t des angelsächsischen Hauses, die auf ein S p a r r e n d a c h schließen lassen. Die erhaltenen Kirchenbauten des 7./8. Jahrhunderts zeigen uns noch heute ihre alten, spitzen Giebel; für den Hausbau können wir sie freilich nur durch Schriftquellen beweisen, und auch dies ist nur dann möglich, wenn wir eine irrtümliche, aber allgemein verbreitete Auffassung auf ihre richtige Bedeutung zurückführen. Es handelt sich hierbei um den aus angelsächsischer Poesie wohlbekannten Ausdruck „hornsele" („Hornsaal"). Ein Beispiel: Abraham sieht die Bauten der Ägypter blinken, „hornsele white ond hea byrig" 1 ) (die glänzenden Hornsäle und die hohe Burg.) Man hat nun „Hornsaal" so ausgelegt, als ob es sich hierbei um ein Haus handele, das ein H i r s c h g e w e i h a l s G i e b e l s c h m u c k führt 2 . Wenn auch nichts im Wege steht, daß die Angelsachsen so gut wie andere germanische Stämme gelegentlich die Hausgiebel mit Geweihen zieren, so wäre es i r r i g , hierin ein angelsächsisches Charakteristikum zu sehen3. Auch der Name der Halle Heorot ( = Hirschhalle) beweist nichts. Wir haben es hier wohl mit einem geweihgeschmückten Haus zu tun, — der Ausdruck „bän-fah" (knochenbunt) wird gebraucht — aber diese Halle führte ihren Namen wohl durch ganz besondere Beziehungen. Nein, es h a n d e l t sich bei e i n e m h o r n s e l e n u r um e i n e n S a a l m i t e i n e m s p i t z e n , hohen Giebel, und zwar aus folgenden Gründen. „Horn" steht im Angelsächsischen in der Verbindung mit „Gebäude" nicht in der Bedeutung „Geweih", sondern in der Nebenbedeutung „spitzer Winkel, Ecke, Zinne". Diese Nebenbedeutung wurde schon aus dem Indogermanischen ins Gemeingermanische übernommen und ist noch heute im Skandinavischen in der Umgangssprache vorhanden. Auch im Deutschen zeugen Sprachrelikte von dieser zweiten Bedeutung, z. B. heißt die südlichste Spitze von Sylt „Hörnum", was deshalb besonders erwähnenswert ist, weil das heutige Inselfriesisch die dem alten Angelsachsen am nächsten verwandte Sprache ist. Die Bedeutung von „hornsele" als „hochgiebliger Saal" läßt sich unschwer nachweisen. Man beachte die Übersetzung von Lukas 4, 9 „Er stellte ihn auf des Tempels Zinne" in das angelsächsische „sette hine ofer h o r n p i c 1 2
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Genesis 1821. So wie die heutigen Ost- und Westfalen die Sparrenhölzer zu Pferdeköpfen ausgebildet haben, die Engern eine kleine Holzsäule lotrecht auf dem Dachfirst zeigen, die Skandinavier mit drachenartigen Gebilden den Giebel zieren. (Vergl. Hartmann, Giebelschmuck der altsächs. Bauernhäuser. Monatsschrift d. Gesch. Westdtschls. VII. Das Rätsel 85 ist nicht als Beweis anzuführen. Es bedeutet nicht, wie Heyne in „Lage u. Konstr. d. Halle Heorot" angab, ein in zwei Teile gespaltenes Geweih, deren eine Stange am vorderen Giebel, die andere an der Rückseite sitzt. Die Lösung ist vielmehr „Tintenhorn" (vergl. Trautmann). Schon Stephani (S. 400) kam Heynes Annahme verdächtig vor.
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t e m p l e s " . F e r n e r lesen wir bei E d d i u s 1 von einem Regenbogen, beginnend „ a cornibus basilicae". Auch diese lateinische E n t s p r e c h u n g k a n n keinesfalls ein Gehörn meinen, da der Giebelschmuck einer Basilika in einem K r e u z b e s t a n d . So bezeichnet a u c h das angelsächsische Gedicht „Die R u i n e " , das sehr sinnfällig die zerfallene S t a d t B a t h beschreibt, m i t dem W o r t „ h e a h h o r n g e s t r e o n " (Fülle der h o h e n Zinnen) hochragende r ö m i s c h e B r u n n e n säle. Völlig überzeugend ist a b e r der U m s t a n d , d a ß „ H o r n s ä l e " a u c h im a l t s ä c h s i s c h e n Heliand a u f t r e t e n 2 : „burges wal endi b u J u d e o n o , h o h a hornseli endi ok t h a t h u s g o d e s " (die S t a d t m a u e r u n d die W o h n u n g e n der J u d e n , hohe Hornsäle u n d a u c h das H a u s Gottes) — m a n bedenke, d a ß die F i r s t s p a r r e n im Sachsenland seit ältester Zeit zu P f e r d e k ö p f e n ausgebildet worden sind! F e r n e r erstreckt sich die Bezeichnung auch auf S c h i f f e sowohl im angelsächsischen wie im altsächsischen Sprachschatz. Ein „ h o c h g e h ö r n t e r N a c h e n " 3 ist sowohl h ü b e n wie d r ü b e n ein Schiff m i t h o c h r a g e n d e m S t e v e n ; also ist a u c h ein „ h o c h g e h ö r n t e s H a u s " (heah hornsele) ein H a u s mit h o c h r a g e n d e m Giebel. Sehen wir uns n u n n a c h U n t e r s t ü t z u n g in angelsächsischen Miniaturen u m , die h ä u f i g heimische Firstzeichen an antikisierenden B a u w e r k e n zeigen ! D a k ö n n e n wir die u n s n u n nicht m e h r ü b e r r a s c h e n d e Feststellung m a c h e n , d a ß — abgesehen v o n a n t i k e n Akroterien — n u r a u f r e c h t stehende oder auch nach vorn geneigte Stangen mit kugelo d e r s c h e i b e n f ö r m i g e n E n d e n zu f i n d e n sind, nirgends ein Hirschgeweih. E s gilt hier der Vollständigkeit halber einen besonderen U m s t a n d noch einmal zu klären. M a n h a t f r ü h e r , u m einen „ H o r n s c h m u c k " an angelsächsischen Giebeln zu beweisen, auf eine M i n i a t u r der H a n d s c h r i f t H a r l e i a n N r . 603 hingewiesen, wo in der Darstellung des 111. (112.) P s a l m s auf d e m Scheitelpunkt einer Vorhalle ein Hirschschädel s a m t S t a n g e n ang e b r a c h t ist 4 . N u n ist gerade dieser P s a l t e r eine K o p i e des in H a u t v i l l e r s (Reims) geschriebenen U t r e c h t p s a l t e r s , u n d der Hirschschädel wäre demn a c h ebensogut f r ä n k i s c h a l s a n g e l s ä c h s i s c h 5 . I n Wirklichkeit ist es bei a l l e n germanischen S t ä m m e n ohne Unterschied Sitte gewesen, Geweihe als H a u s s c h m u c k a n z u b r i n g e n . Der altenglische „ H o r n s a a l " h a t aber nichts m i t einem Geweih zu t u n u n d b e d e u t e t nichts anderes als ein H a u s m i t einem hohen, s p i t z z u l a u f e n d e n Giebel! So h a b e n wir die U r s p r ü n g e des angelsächsischen G e h ö f t s k e n n e n ge1 3 1 6
2 Eddius, Vita Wilfridi c. 68. Heliand 3685. "hea hornscip" (Andreas 274) und (höh hurnidskip) Heliand 2266. Abb. s. bei Wright, a. a. O. S. 15. Vergl. Springer, Die Psalterillustration im frühen Ma. Lpzg. 1880. S. 275. Das Hirschgeweih soll V. 9 des Psalmes 111 (112) illustrieren: „Cornu eius exaltabitur in gloria!"
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lernt. E s i s t d u r c h die A r t der G e s a m t a n l a g e m i t d e m h e u t i g e n anglo-dänischen H a u s t y p verwandt, aber durch seine Dachk o n s t r u k t i o n (hochgiebliges Sparrendach) und durch das Vorhandensein eines dreischiffigen, „ f l e t " genannten Wohnraum e s h a t es s t a r k e B e z i e h u n g e n zu N i e d e r s a c h s e n . E s ist also durchaus g e r m a n i s c h e r Herkunft. Das Baumaterial und seine Verwendung. Der germanische Bau war ein H o l z h a u . Auch die nach England gewanderten germanischen Stämme der Angeln, Sachsen und Jüten haben eine alte H o l z b a u t r a d i t i o n schon vom Festland mitgebracht. So bedeutet das angelsächsische Wort für bauen „timbrian" = „zimmern". In Stein bauen wird dann ausgedrückt „staenen timbrian", wörtlich „in Stein zimmern". Der Steinbau kommt beim Wohnbau im 7./8. Jahrhundert nicht in Frage; wir haben es also in diesem Abschnitt nur mit Holzbau und anderen landesüblichen Bauweisen zu tun. Einen i n d i r e k t e n B e w e i s für das Vorherrschen einer Holzarchitektur haben wir in den vielen Bränden, von denen immer und immer wieder berichtet wird. Vor dem „Flammenschrecken" (lig-egesa) 1 , vor der „Lohe Umarmung" (liges faeöm) 2 bangen die Gemüter so sehr, daß der Teufel nicht besser die Leute in Verwirrung zu setzen weiß, als daß er ein Haus in Brand steckt: „Jener höllische Feind, übernatürliches Feuer mit sich führend, steckte das Nachbarhaus in Brand 3 ." Für „ W a n d " haben wir im Angelsächsischen zwei Worte: w a g und w e a l l . Diese sprechen für sich. Bei w a g haben wir eine urgermanische Wortbildung vor uns, die nichts anderes als ein „Geflochtenes" 4 bedeutet und die zunächst eine g e f l o c h t e n e Wand, dann j e d e Wandbildung in l a n d e s ü b l i c h e r B a u w e i s e , vor allem eine H o l z w a n d , bezeichnet. W e a l l dagegen, das lateinische Lehnwort, deutet hin auf eine aus S t e i n e n errichtete Mauer (neben der Bedeutung „Wall"). Bei einer genauen Durchprüfung ergab sich, daß diese Unterscheidung in den angelsächsischen Schriftquellen streng eingehalten wird. Häufig heißt es „weall oööe (oder) wag," oder genauer noch „staenen weall ne bryden w a g " (steinerne Mauer noch geflochtene Wand). Vielfach hören wir von einer „ w a g " , die durchstochen, durchlöchert ist, was auf eine geflochtene Wand schließen läßt. Nur zwei Stellen fanden sich, 5 wo „ w a g " einwandrei für „Steinmauer" gebraucht wurde. So dürfen wir im allgemeinen annehmen, daß jedesmal das Wort wag auf einen Holzbau hinweist, weall aber auf einen Steinbau, zum mindesten auf ein Steinfundament. 1 3 4
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2 Beow. 781. Beow. 2780. Baeda, Vita Cuthberti. c. X I I I . „Wand" bedeutet dasselbe, nämlich „Gewundenes", eine „geflochtene Wand" ist also ein Pleonasmus! In „Andreas" und „Ruine", also in Poesie.
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D a s g e s a m t e l ä n d l i c h e B a u m a t e r i a l stellt sich uns d a r in einem Bericht B e d a s : K ö n i g P e n d a von Mercien will die n o r t h u m b r i s c h e S t a d t B a m b o r o u g h (651) e i n n e h m e n ; da es i h m nicht gelingt, beschließt er, sie durch F e u e r zu v e r n i c h t e n . Zu diesem Zweck reißt er alle D ö r f e r der Umgegend ein u n d errichtet u m B a m b o r o u g h einen gewaltigen S c h e i t e r h a u f e n : „ A d v e x i t illo p l u r i m a m congeriem t r a b i u m , t i g n o r u m , p a r i e t u m , virgeorum et tecti fenei 1 ". Die angelsächsische Ü b e r s e t z u n g der Kirchengeschichte f ü h r t diesen Satz genauer aus, u n d es h e i ß t n u n so, d a ß eine Menge z u s a m m e n k a m an „ b e a m u m " (festen u n d b e h a u e n e n S t ä m m e n oder Balken), „ r a e f t r u m " (Dachsparren), „ w a g u m " (Wänden), „ w a t e l u m " (Geflecht), „ s t u ö u m " (Pfosten, Holzpfeiler), u n d Jjace (Dachstroh oder Strohdächer). Wir werden später hören, wie die einzelnen W e r k s t o f f e v e r w a n d t worden sind. F ü r größere G e b ä u d e wie f ü r den B a u einer Adelshalle b e d u r f t e es eines sachkundigen B a u m e i s t e r s . S u m m a e g wraetlice weorc a h y c g a n h e a h t i m b r a gehwaes. H o n d biö gelaered wis u n d gewealden, swa biö w y r h t a n r y h t sele a s e t t a n : con he sidne raeced faeste gefegan wi|) f a e r d r y r u m . 2 E i n e r k a n n herrliches W e r k a u s d e n k e n , E i n hohes G e b ä u d e . Die H a n d ist geschickt, Weise u n d k r ä f t i g , wie es einem W e r k m a n n ziemt, Den Saal zu setzen. E r k a n n die weite Halle Fest f ü g e n gegen plötzlichen Fall. F ü r einfache B a u t e n war j e d e r selbst der Z i m m e r m a n n . Ic m e a n u m her eaöe getimbre hus and h l e o n a ö . . . 3 Mir E i n s a m e n z i m m r e ich hier ohne Mühe E i n H a u s u n d eine Z u f l u c h t s s t ä t t e . . . sagt der f r o m m e Einsiedler GuJ)lac. Wie m a n dabei zu W e r k e ging, k ö n n e n wir a u s einer B a u a n w e i s u n g aus d e m J a h r e 1000 ersehen: 4 „ A e r e s t m a n a s m e a ö j j a e s huses stede a n d eac m a n Jjaet t i m b e r b e h e a w ö ond |)a syllan m o n faegere gefegö ond ):>a b e a m a s gelegö. . . " („Zuerst ü b e r l e g t m a n des H a u s e s S t a n d o r t , u n d d a n n b e h a u t m a n das Bauholz u n d f ü g t die Dielen sauber z u s a m m e n u n d legt die S t ä m m e (Balken) d a r a u f . . . " ) Leider ist nirgendwo genau angegeben, auf welche 1 2 4
Plummer's Baeda, Hist. Ecclesiastica Gentis Anglorum III, XVI. 3 „Der Menschen Gaben" 44. Guthlac 222. S. J. Crawford, Byrhtferth's Manual. Early Engl. Text Soc. 177, S. 142.
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Weise die Konstruktion der Wände vor sich ging! Nach obiger Bauanweisung möchte man einen liegenden Blockverband vermuten, — die Stämme werden gelegt — aber wir haben sonst n i r g e n d w o B e w e i s e f ü r l i e g e n d e n B l o c k b a u ; außerdem stammt diese Schriftquelle erst aus dem 10. Jahrhundert. Dagegen besitzen wir einen tatsächlichen Beleg für s t e h e n d e n B l o c k v e r b a n d in dem einzigen erhaltenen Holzgebäude aus altenglischer Zeit, nämlich in der Kirche von Greenstead 2. N o r d w e s t - E c k e d e r K i r c h e v o n G r e e n s t e a d (Essex) (Essex) aus dem Jahr 1013. Daß man es hier mit einer Kirche und nicht mit einem Profanbau zu tun hat, macht bei der Betrachtung keinen Unterschied aus, da es sich um einen in heimischer Holzbauweise errichteten Bau handelt. Die Bauart ist höchst einfach. Roh b e h a u e n e E i c h e n s t ä m m e s i n d h a l b i e r t und mit der flachen Seite nach innen dicht nebeneinander gestellt worden. Unten waren sie bis zu einer Erneuerung (im Jahre 1848) in einer Holzschwelle eingelassen, oben sind sie durch Holzpinnen an einer horizontalen Planke befestigt. Die Ecke besteht aus einem Dreiviertelstamm (Abb. 2 und 3). Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei diesem für das 11. Jahrhundert ungewöhnlich rohen Bau um jene „capella lignea", die nur zu dem Zwecke hergestellt worden war, um für die Dauer einer Nacht die Leiche des hl. Edmund aufzunehmen, die von London nach Suffolk überführt wurde. Bei dieser eilig aufgeführten Kapelle wird man ganz gewiß zu einer Bauweise gegriffen haben, die seit Jahrhunderten üblich und den Verfertigern am besten von der Hand ging. Wir haben hier einen Ständerbau vor uns und dürfen auch für das 7-/8. Jahrhundert die Verwendung dieser Konstruktion annehmen, zumal da sie d u r c h f r ü h e S c h r i f t q u e l l e n v i e l f a c h b e s t ä t i g t zu sein scheint; darüber wird später zu reden sein. Der Ständer- oder Reisbau ist gemeingermanisch und noch heute besonders im hohen Norden beliebt. Die Konstruktion von Greenstead, die wir als a n g e l s ä c h s i s c h e S t ä n d e r k o n s t r u k t i o n betrachten dürfen, u n t e r s c h e i d e t sich a b e r vom n o r d i s c h e n S t ä n d e r b a u dadurch, daß die ganze Last des (Sparren-)Daches von den halbierten bzw. Dreiviertelstämmen a l l e i n getragen wird. Bei der nordischen Konstruktion jedoch wird der Schub des (Rafter-)Daches aufgefangen von pfeilerartigen Stämmen, die in bestimmten Abständen auf der I n n e n s e i t e der W a n d v o r g e s e t z t sind. (So gebildete „Seitenschiffe" bei Kirchen sind nicht breiter 27
als 80 bis 90 cm.) Bei kleineren Räumen genügen auch starke in die Wände eingearbeitete Eckpfosten; außerdem wird dann das Dach durch einen einzeln in der Mitte stehenden Pfeiler unterstützt. Die nordische Ecke wird also entweder durch einen starken Pfosten oder aber nur durch einfach aneinander stoßende Planken oder Halbstämme gebildet, da dann als e i g e n t l i c h e r T r ä g e r innen ein freistehender starker Eckpfeiler dahinter steht 1 (Abb. 4). Wir können uns gut vorstellen, daß bei der angelsächsischen Ständerkonstruktion mit ihrer schwachen Eckbildung noch ein b e s o n d e r e r U m s t a n d h i n z u t r e t e n mußte, damit die Stämme der Wände dem Druck des Daches Widerstand leisten können. Wie das geschah, wird sich später bei der Besprechung der Halle Heorot ergeben (vgl. S. 51). Neben dieser Verwendung halbierter Stämme (wie bei Greenstead) wurde in Altengland auch ein weniger kostspieliges Verfahren des Ständerbaus angewandt, nämlich das Bauen mit g e s c h n i t t e n e n B r e t t e r n 2 . So berichtet Beda von einem Oratorium des hl. CuJjbert, daß dessen Wände „aus wenig sorgfältig ausgesuchten B r e t t e r n (tabulis) zusammengesetzt waren" und nun die Zugluft hereinließen3. Gumbert füllte die Lücken mit Stroh und Lehm aus, während sein Nachfolger die Ritzen mit einer darübergenagelten Kalbshaut überdeckte. Was nun die uns so wohlbekannte F a c h w e r k k o n s t r u k t i o n mit verputzter Flechtwerkfüllung anlangt, so hat man diese für Alt-England allgemein stark in Zweifel gezogen. Warum sollte aber diese sehr früh in Deutschland erwiesene Bauart nicht auch drüben angewandt worden sein, wo doch noch heute auf der Insel auch Häuser größeren Umfangs, z. B . schloßartige Gutshäuser in ungemein reizvollem Fachwerk errichtet werden ? Es erscheint uns fast unbegreiflich, daß Baldwin Brown 4 Strzygowskis 5 Annahme, daß die Verzierung angelsächsischer Steinkirchen des 10. Jahrhunderts mit Streifen und Bändern auf eine Erinnerung an Fachwerk zurückgehe, widerlegen möchte (Tafel 10). Selbst wenn diese anderseits unseren Lisenen verwandt sind und auf italienische Einflüsse zurückgehen mögen, so ist doch die W i r k u n g dieser schmalen Streifen ganz anders, und besonders sich kreuzende Bänder erinnern deutlich an Fachwerkbalkenkreuze. Daß im 10. Jahrhundert Fachwerkhäuser durchaus üblich waren, bezeugt das Hausbild auf einem Denar König Aeöelstans (925/941 vergl. Abb. 5). E s zeigt einen unverkennbaren Fachwerkbau, der auf einer Grund1 2 3 4 6
Vgl. Gerda Boethius, „Hallar, Tempel och Stavkyrkor". Stockh. 1931. S. 35—53. Vergl. „de robore secto" der Kirche von Lindisfarne. S. 72. Baeda, Vita S. Cuthberti, c. X L V I . Baldwin Brown, The Arts in Early England. Bd. II. S. 198. London 1925. Vergl. auch Haupt, Baukunst der Germanen. Lpzg. 1909. S. 266.
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mauer ruht. Auch Schriftquellen finden sich als Beleg. Zunächst dürfen wir einige Bestandteile des weiter oben erwähnten um die Stadt Bamborough errichteten Brandmaterials als zu einem Fachwerk gehörig ansehen, nämlich „diePfosten (stuöas), 3. G r u n d r i ß zu A b b . 2 die „Wände" (wagas), sowie das 1 „Flechtwerk" (watelas) . Einen stärkeren Beweis gibt die Vorrede der wahrscheinlich durch Alfred angefertigten Übersetzung von Augustins Soliloquien 2 (Ende des 9. Jahrhunderts). Es heißt darin, daß der Verfasser in den Wald gegangen sei, um sich Bauholz zu besorgen. Er habe seinen Wagen gefüllt mit ,,stu|)an sceaftas" (Stützbalken, Pfosten) und „lohsceaftas" (Längsbalken, horizontalen Riegeln), mit bohtimbru" (gebogenem Holz für Rundslreben) und „bolt timbru" (Bolzenholz, d. h. 4. N o r d i s c h e E c k b i l d u n g ( S t . M a r i a gerades Holz, vielleicht für SchrägMinor, Liind) streben.) Er habe sodann den Wagen versehen „mid fegrum gerdum" (mit hübschen Ruten). Jeder solle es so machen wie er, in den Wald gehen und das passendste Holz zu jedem Werk holen, „J)at he mage windan manigne smicerne wah and manig aenlic hus settan and faegerne tun 3 timbrian" (daß er manche ordentliche Wand flechten kann und manches ansehnliche Haus setzen und ein hübsches Gehöft bauen.) Es bestehen also unter den einzelnen Häusern des „hübschen Gehöfts" einige vielleicht aus Holzverband, andere s i c h e r aus F a c h w e r k mit verputzter Flechtwerkausfüllung4.
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Das primitive Haus bei Athelnay scheint aus Geflecht und Lehm errichtet zu sein. Vergl. Archaeologia 1923. S. 147. Vergl. Paul und Braunes Beiträge. Bd. IV. S. 110. „ t u n " , das Gehöft, das mit einem Zaun umhegt war. Interessant ist, daß der Name „ T u n " auch für die a l t s ä c h s i s c h e n Burgenanlagen gebraucht wird. (Bei Celle, Gifhorn, Wentorf, Stade (Gr. Thun). — Tun ist nhd. „Zaun", hat sich englisch zu „town" entwickelt. Zu erwähnen wäre auch noch, daß der stehende Webstuhl das Bild des „ F a c h s " im Bauwesen bot; hier war der Ausdruck s t u ö a n - s c e a f t (Standbalken) gebraucht, was der Bildung nach zusammengeht mittirol. „ s t u e d l " = Webstuhl zum Tuchwirken. Neuenglisch s t u d w o r k — Fachwerkbau.
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Das Wohnhaus in seinen einzelnen Bauteilen. In den ältesten Tagen und auch später bei einfachen Verhältnissen wurden die Wandhaiken nur der Erde ein- oder aufgesetzt. Der Fußboden („flor") bestand aus f e s t ges t a m p f t e m L e h m . Wir hören, daß der hl. Cujabert in der Mitte seiner Behausung ein Loch graben läßt 1 , das wie durch ein Wunder am nächsten Morgen mit. Wasser sches Hausbild gefüllt ist, obgleich der Boden hart und steinig ist. Der (vergröß.) a u f „ f l o r " dieser Hütte war also keineswegs gedielt. Dagegen einem Denar des besitzt der „brydbur" (Wohn- und Schlafhaus, F r a u e n Königs Aeöelr a u m ) im Beowulf eine H o l z d i e l e : s t a n (925—941) „Gang Jja aefter flore fyrd-wyröe man mid his hand-scale, h e a l - w u d u d y n e d e " 2 „Den Flur entlang ging der furchtlose Mann Mit der treuen Schar, d a s H a l l e n h o l z d r ö h n t e . " Die holzbelegte Diele bedingt eine F u n d a m e n t i e r u n g . Sie hat zunächst aus kurzen festen Stämmen bestanden. Dafür spricht, daß „stemn ond staöol" (Stamm und Fundament) als ein Begriff gebraucht wird. Auch weisen folgende Glossen 3 auf eine H o l z b a s i s hin: Getimbrung — aedificum post — basis sylle — postis vel fulcimentum für eine aus S t e i n sprechen jene Glossen: grundstanas — cementum syll — basis fotstan — fultura. Deutlich ist ein S t e i n f u n d a m e n t gemeint im Epos „ J u l i a n a " , wenn unter dem Bild des Wohnungsbaues kirchliches Gedankengut übermittelt wird mit den Worten: Forjaon ic . . . laeran wille. . . . . .Jjaet ge eower hus gefaestnige, J)y laes hit ferblaedum windas toweorpan . . . Ge mid lufan sibbe leohte geleafan t o Jaam lifgendan s t a n e s t i ö h y g d e s t a ö o l faestniaö 4 1 1
Baeda, Vita S. Cuthberti. c. 18. Juliana 648.
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Beow. 1316.
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W. W. S. 164,32 u. 191,33.
I c h will euch lehren d r u m , . . . d a ß auf das sorgsamste E u r e W o h n u n g ihr befestigt, d a m i t nicht W i n d s t ö ß e jählings sie u m w e r f e n . . . I h r sollt mit lichtem G l a u b e n a n d e m l e b e n d i g e n S t e i n 1 d a s F u n d a m e n t befestigen. D a s hier gebrauchte W o r t „ s t a ö o l " f ü r F u n d a m e n t ist neben „ g r u n d w e a l l " 2 so o f t in den altenglischen T e x t e n zu f i n d e n , auch als „ s t a ö o l - f a e s t " (stabilis) u n d „ s t a ö o l i a n " (eine W o h n u n g gründen), d a ß m a n schon v o n da aus auf die allgemeine Üblichkeit eines (Holz- oder Stein-) F u n d a m e n t s schliessen k a n n . Das F u n d a m e n t war zuerst niedrig, d a n n aber w u r d e es beim H a l l e n b a u e r h ö h t , u m die „ h e a l l " über die a n d e r n „ H ä u s e r " der Anlage e m p o r r a g e n zu lassen. W i r k e n n e n diese E n t w i c k l u n g von Naranco, v o n Aachen her, wir sehen auch, d a ß der Saal des E n g l ä n d e r s H a r o l d auf d e m Teppich v o n B a y e u x (11. J a h r h u n d e r t ) in einem Obergeschoß liegt 3 . Von Wichtigkeit ist die Frage, w a n n der Hallensaal in ein O b e r g e s c h o ß verlegt worden ist. I m „ B e o w u l f " liegt der Saal n o c h n i c h t im ersten Stock, das geht aus der Schilderung des G r e n d e l k a m p f e s h e r v o r , a u c h werden acht P f e r d e in den Saal g e f ü h r t ; andererseits liegt er n i c h t m e h r ganz ebenerdig, d e n n es b e f i n d e t sich ein „ e r h ö h t e r V o r p l a t z " d a v o r . Die Verlegung der H a l l e in ein h ö h e r e s S t o c k w e r k m u ß aber vor 750 s t a t t g e f u n d e n h a b e n , d e n n der Dichter Cynewulf, der wahrscheinlich in der zweiten H ä l f t e des 8. J a h r h u n d e r t s lebte, stellt in seinen E p e n ein e r h ö h t e s Geschoß als v o r h a n d e n hin. E r bringt einmal das nicht ganz g r e i f b a r e W o r t „selegescot" 4 (Saalgeschoß), das als erhöhtes Stockwerk (contignatio) wie a u c h als a b g e s o n d e r t e r Teil der Halle (secretarium) angesehen w e r d e n k a n n ; d a n n aber a u c h das deutlicher sprechende „ s a l o r " 5 , „Söller", wie a l l e n t h a l b e n in germanischen L a n d e n ein im oberen Stock liegender Saal hieß (von l a t . Solarium). E r s a g t : E o w jjeos cwen laj)af) Seegas t o s a l o r e . . . Is eow raedes Jpearf On m e ö e l s t e d e , modes s n y t t r o . 1
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Übersetzung frei nach Grein. Es handelt sich nicht u m ein Steinhaus mit einem Eckstein, sondern u m das Steinfundament eines Holzhauses. grundweall deutet entschieden auf ein Steinfundament hin = Grundwall, Grundmauer. Ob das Untergeschoß der Harold-Halle aus offenen Tonnengewölben aus Holz besteht oder ob wir in den durch Holzpfeiler geschiedenen Arkadenbögen eine vorgelegte Laube zu erblicken haben, ist unklar. Beides ist möglich. Christ 1481. Oft wird tabernaculum so übersetzt. Der „Söller" übernahm die Aufgaben der Halle, er diente als Gerichtssaal, Speisesaal. I n England hieß im Mittelalter „Söller" ein der „Halle" angefügter R a u m , in den sich der Hausherr zurückziehen konnte. Darunter lag der „cellar".
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„ . . . die Königin lädt euch Zum Söller, ihr Männer. Rat ist euch von Nöten An der V e r s a m m l u n g s s t ä t t e 1 und Sinnes Klugheit." Als „Söller" ist sehr kennzeichnend das Nest des Vogel Phönix umschrieben (Gedicht aus dem Cynewulf-Kreis): Jjaer se wilda fugel in |iam westenne Ofer heanne beam hus getimbreö. . . . . . and gewicaö jDaer sylf in Jiam s o l e r e 2 ,,. . . in dem wüsten Wald der wilde Vogel Auf h o h e m B a u m ein Haus sich zimmert. . . Da wohnt er nun selbst in dem S ö l l e r " In spätangelsächsischer Zeit wird Solarium mit „upflor" glossiert, was noch genauer auf einen erhöht liegenden Fußboden hinweist. — Durch die Höherlegung des Saales wurde eine T r e p p e notwendig. Sie führte von außen her zur Saaltür und ließ oben Raum für einen V o r p l a t z frei. Dieser Vorplatz hat den Namen „ s t a p o l " oder „stapul". Man vergleiche damit das mittelniederdeutsche „Stapel" -- „Unterlage, Block, aufgeschichteter Haufe" und die neuhochdeutsche Bedeutung des Wortes ? ; Stapel" 3 . In Aelfrics Glossar 4 (10. Jahrhundert) sind eine Reihe Ausdrücke über Hausbau zusammengestellt. Darunter befinden sich „Patronus 5 = stapul (Vorplatz); Ascensorium = staeger (Treppe, neuenglisch stairs)"; „Patronus" ist ein Schreibfehler für spätlateinisch „petronus"; danach wäre der Vorplatz aus Stein erbaut gewesen, vermutlich auch die dahin führende Treppe. Darüber, ob ein, ob mehrere Eingänge vorhanden waren, wird später bei der Besprechung namentlich aufgeführter Bauwerke gehandelt werden. Wie stand es aber mit den F e n s t e r n ? Die landesfremde Kunst des Verglasens fand um 700 ganz vereinzelt Eingang in Alt-England und zwar nur bei den Klöstern und Kirchen (vergl. S. 222). Beim Hausbau blieb man bei der alten Überlieferung, die Wände möglichst dicht verschlossen zu halten. Nur ganz sparsam wurden ziemlich dicht unter dem Dach kleine viereckige oder runde Öffnungen eingelassen, die „eagdura" (Augentüren) oder „eag1 3
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2 „ P h ö n i x " 201. „Elene" 551. Die ausführliche Deutung dieses f ü r spätere. Ausführungen hochwichtigen Wortes stapol ist v o n Miller in der Anglia 12, S. 396 nachgewiesen worden. W . W . 126, 3 — 1 5 . Petronus v o n petra. Uns ist heute noch die frz. Entsprechung perron bekannt. Hier seien die bei Aelfric zusammengestellten Glossen wiedergegeben: arcus, forbigels. Columna, swer. Excussorium, f l o r on huse. Tectum, Jiecen vel rof. Valua, hlidgata (Schwinggatter). Patronus, stapul. Ascensorium, staeger. Destina vel postis vel fulcimen, stipere. Secessus, diglehus. Tignum, raefter. Asseres, laetta. Laquear, f y r s t .
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Jjyrlas" (Augenlöcher) hießen1. Zur Abwehr gegen Wind und Kälte konnten sie mit einer Kalbshaut überspannt werden. Von der Nachahmung eines „eagjjyrel" lesen wir bei Beda. Die Tumba des Bischofs Ceadda (f 669) ist wie ein kleines Holzhaus gebildet, „habens foramen in pariete" 2 , was in König Alfreds Ubersetzung lautet: „is on ]pam wage medmycel Jjyrel geworht" („In der Wand befindet sich ein kleines Fensterloch"). Der ;5 staöolfaestan heall" (standfesten Halle) wird die „ h r o f f a e s t e he a l l " (dachfeste Halle) an die Seite gestellt. Auf eine solide Konstruktion des D a c h e s scheinen die Angelsachsen von jeher großen Wert gelegt zu haben. Nach dem nächtlichen Kampf zwischen Beowulf und Grendel ist die Halle Heorot schwer beschädigt, aber „das Dach allein blieb unversehrt" 3 . Wir sehen schon dort den Beginn jener im Mittelalter aufs höchste gesteigerten Kunst des englischen Dachstuhlbaus! Bei Regenwetter floß von dem vorspringenden Dachrand das Wasser ab, und zwar hieß diese Trauflinie die „yfesdrippe" 4 . Das S p a r r e n d a c h (daß es ein solches war, davon ist weiter oben5 schon gesprochen worden) zeigte sich nach außen oft als W a l m d a c h . Wir sehen es auf Nachbildungen, z. B. bei dem Haus auf Aejielstans Münze (Abb. 5). Auch scheint das Walfischbeinkästchen von Ely (Abb. 40) ein Haus mit einem Walmdach nachzubilden. Einen Schornstein hat das frühe angelsächsische Dach noch nicht gehabt, nur ein R a u c h l o c h . Auf dem gerade erwähnten Münzbild ist ein kreisförmiges Gebilde zu sehen, welches ein — perspektivisch verfehltes — Rauchloch darstellt. (Die Bezeichnung „lover", die ein Rauchloch mit darüber gestelltem Windschutz angibt, kommt aus dem altfranzösischen l'ouvert ( ?) und ist erst in mittelenglischer Zeit belegt.) Die D a c h b e d e c k u n g geschah auf mannigfache Weise. Von frühester Zeit an waren die Häuser mit S c h i l f bedeckt — „quae harundine tegebantur" 6 . Im 7-/8. Jahrhundert haben einfache Gutshäuser eine Dachdeckung von geflochtenen Ruten mit daraufgelegtem Schilf 7 . Diese Bedeckung, die noch heute in England beliebt ist, muß damals derart allgemein gewesen sein, daß das Wort „J)eacen" (wörtlich „das mit Stroh oder Schilf Gedeckte") gleichbedeutend mit „hrof" (tectum) steht 8 . — Bessere Häuser waren mit H o l z s c h i n d e l n 9 belegt; wir kennen das Wort freilich nur aus Glossaren: „scindula= scide". Ziegel sind wohl beim Profanbau erst 1 2 4
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Das neuenglische window (Windauge) ist ein späteres nordisches Lehnwort. 3 Beow. 999. Hist. Eccl. IV, III. Vergl. bei Grabmal, S. 130. Neuengl. „eaves" = Dachtraufe. Zu ags. yfes oder efese gehört „efsian", scheren, was auf den geschorenen Rand eines Strohdaches hinweist. Vgl. auch aisl. „ups" („Vorsprung am Dach") und got. „ubizwa", ahd. „obasa" (Vorhalle, Laube). 7 Ebda. III, X. Vergl. auch S. 42. Vergl. S. 22. « Baeda, Hist. Ecclest. I, I X X . Jaeacen ist neuengl. thatch (Dach). Vergl. auch W. W. 326,25. Ags. seid entspricht njid. „Scheit" und bedeutet ein gespaltenes Holzstück.
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benutzt worden, als aus dem Holzhaus ein Steinhaus wurde, also erst nach der hier behandelten Periode 1 . Wo immer in den frühen Schriftquellen Ziegelbedachungen für Profanbauten erwähnt werden, handelt es sich um Schilderungen fremdländischer Bauten. Das Land der „Marmedonier" wird gesichtet : . . . ymbe harne stan t i g e l f a g a n t r a f u , torras stodon 2 windige weallas . . . an grauen Berggehängen standen z i e g e l b u n t e H ä u s e r und Türme, windgepeitschte Wälle. Da aus dem Beispiel nicht klar hervorgeht, ob es sich um Mauer- oder Dachziegel handelt, sei hier noch folgende Stelle genannt: tigelum sceadaö hrost beages rof 3 Entwöhnt der Ziegel starren die Dächer. Gemeint ist hier ein Römerbau der Stadt Bath. Dem heimischen Wohnbau aber bleibt zunächst der Ziegel fern; er ist fremdes Gut, wie sich schon im Wort zeigt. — Die verschiedenen Arten der Dachbedeckung lassen sich aus (allerdings späteren) Miniaturen herausfinden. Ein Strohdach ist deutlich erkennbar durch quergelegte Strohwische mit darüber genagelten Latten (Abb. 6 a). Schindeln werden in verschiedenen Arten gezeigt; wir haben Zeichnungen, die einen Nagel in der Mitte jeder Schindel aufweisen, bei anderen bleibt der Nagel unsichtbar. Typisch ist die Abrundung am unteren Ende. Auch sind die Schindeln stets so angelegt, daß die Mitte der oberen Schindel die Spalte zwischen den beiden darunter liegenden sorgfältig bedeckt (Abb. 6 b, c). Eine andere Dachbedeckung beruht sicher auch auf wirklich vorhanden gewesenem Vorbild: vertikale Bretter mit rund ausgesägten Zacken werden durch schmale Planken festgehalten (Abb. 6e). Von den Ziegeln (die für Klöster- und Kirchenbau verwandt wurden) sei bei dieser Gelegenheit gesagt, daß eine merkwürdig flache Form üblich gewesen zu sein scheint, denn so finden wir sie in den Miniaturen gezeichnet (Abb. 6 d). Früh ist dem angelsächsischen Haus eine V o r h a l l e angegliedert worden. Wir werden aber wohl davon absehen müssen, uns das insulare Haus mit „ L a u b e n " — im Geviert umlaufend oder nur an den Längsseiten —• ver1
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Für Kirchen und Klöster werden oft Ziegel gebraucht worden sein. Bradford-on-Avon hat aber noch heute ein Schindeldach. „ A n d r e a s " 841. „ R u i n e " 31. Übersetzung von H. Naumann im „Frühgermanentum" München 1926. S. 75.
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sehen zu d e n k e n , wie sie V e n a n t i u s F o r t u n a t u s (um 600) an den f r ä n k i s c h e n H ä u s e r n preist 1 oder wie sie im P l a n v o n St. Gallen verzeichnet sind. D a s W o r t „ p o r t i c u s " , das in k o n t i n e n t a l e n Quellen f ü r solche Holzgalerien üblich ist, h a t in A l t - E n g l a n d eine abweichende B e d e u t u n g . I n kirchlicher B a u k u n s t m e i n t es „ S e i t e n s c h i f f " oder „ S e i t e n k a p e l l e " oder gelegentlich eine Vorhalle („in porticu ingressus"), in der p r o f a n e n K u n s t wird mit „ p o r t i c u s " ein ü b e r d a c h t e r H a u s e i n g a n g bezeichnet u n d mit d e m angelsächsischen „ p o r t i c " wiedergegeben 2 . D a s Bild der Vorhalle wird deutlich durch eine Bedastelle, wo v o n einem „ a t r i u m d o m u s " die Rede ist. Alfred ü b e r s e t z t dies m i t „ c a f e r t u n e " . „ P o r t i c " u n d „ c a f e r t u n e " scheinen dasselbe zu besagen 3 . I n den M i n i a t u r e n sehen wir die „ c a f e r t u n a s " (oder „ p o r t i c a s " ) als kleine vorgesetzte Eingangshalle m i t einem v o n P f o s t e n getragenen S a t t e l d a c h dargestellt (Abb. 7). A u f unserer A b b i l d u n g einer p r i m i t i v e n Vorhalle 1
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„Lustig umziehen den Bau ins Geviert die stattlichen Lauben." Die ganze Stelle findet sich übersetzt bei A. Haupt, D. Baukunst d. Germ. Lpzg. 1923. S. 69. Neuengl. porch. „cafertune": „cafer" kommt a. d. vulgärlat. capreus = Sparren, „tune" = Zaun, Einhegung. 3*
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tragen Säulen rechts und links einen unorganisch aufgesetzten Knickbogen, der das Satteldach nach vorn hin abschließt. Aus dieser einfachen Form entwickeln sich bald vollendete Lösungen der Holzarchitektur, wobei der anfänglich offene Giebel mit einem gezierten Holzdreieck verschlossen wurde (Abb. 6d). Wir sehen darin den Beginn jener freundlich anmutenden Reihe von holzgefügten „porches", die noch heute englischen Landhäusern wie auch englischen Landkirchen eine eigenartige Note geben. Verzierung des Hauses. Der bei den Angelsachsen stark ausgeprägte Sinn für zierliches Ornament und farbige Oberflächen 1 verlangte eine Architektur, die bei der nüchternen Zweckform nicht stehen blieb. Die schon erwähnte 2 spätangelsächsische Bauanweisung schließt deshalb mit der Aufforderung: „syööan Jjaet hus w y n s o m l i c e g e f r a e t w a ö " 3 . (Sodann v e r z i e r e man das Haus auf g e f ä l l i g e Weise!) Selbst des Einsiedlers Hütte, „nicht größer und nicht kleiner als einem Kempen taugt, der . . . Gottes Willen im Dulden ausübt," ist hübsch geschmückt worden; es heißt davon: „Smolt waes se sigewong and sele niwe" 4 „Freundlich war die Wiesenflur und das neue Haus." Die Verzierung geschah nach germanischer Art durch S c h n i t z w e r k und B e m a l u n g . Dazu trat M e t a l l b e s c h l a g mannigfacher Art. Die S c h n i t z e r e i e n beschränkten sich wohl auf Türpfosten, Türstürze und auf andere wichtige Architekturteile, wie Giebel, vorkragende Balken und Eckpfeiler 5 . „Stondeö nu. . . weal wundrum heah wyrmlicum fah" 6 „ E s stehen wunderhohe Mauern von Wurmbildern bunt." Dieser Vers aus der Elegie „Wanderer" ist die einzige schriftliche Bestätigung, daß das an Schmucksachen so wohlbekannte germanische Tierornament auch zur Zier der Hauswände benutzt worden ist. Aber es hat sich ein tatsächliches Beispiel dieser Zierart erhalten, wenn auch nicht in Holz: an der Portalleibung der im 8. Jahrhundert erbauten Steinkirche von Monkwearmouth befindet sich ein merkwürdiges Schlangenornament noch heute in situ 7 (Abb. 28). Es ist zwar einfacher, als wir es sonst gewohnt sind, da es aus einem fremden Material herausgemeißelt werden mußte und nicht wie sonst mit Geißfuß und Messer aus dem gewohnten Holzmaterial herausgeschnitzt. — In Analogie mit angelsächsischen Schmuckgegenständen dür1 a 4 6 6 7
2 S. 26. Vergl. S. 141. „ f r a e t w e " heißt allgemein „ S c h m u c k " , bedeutete aber urspT. „geschnitzte Ornamente". „Gu}3lac" 714. Nach Analogie der schwedischen Stabkirche zu Hemse. „Wanderer" 97. weal steht hier statt wag, wohl um den Reim zu vermeiden. Vergl. kirchl. Baukunst S. 93 wie auch Plastik S. 123.
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fen wir auch (wie überall in germanischen Ländern) Kerbschnittornamentik als Hausschmuck verwandt denken. Vielleicht auch ein Hineinritzen von Umrißlinien, besonders wenn es sich um symbolische Abwehr- und Segenszeichen oder um einen schützenden Runenspruch handelte. Eine Zierde anderer Art bildeten Holzpfosten oder Holzsäulen im Äußeren oder im Inneren des Hauses. Die Pfosten waren vierkantig und wohl mit Schnitzerei bedeckt, die Säulen waren rund und gedrechselt. Gerade die gedrehte Säule scheint eine angelsächsische Besonderheit gewesen zu sein, da sie in Stein von der sakralen Baukunst vielfach nachgebildet worden ist 1 . 7. A n g e l s ä c h Die (späteren) Miniaturen zeigen uns diese typisch s i s c h e V o r h a l l e germanischen Säulen versteckt unter antikisierenden n a c h e i n e r M i niatur Bauformen. Neben einer glatten zylindrischen Säule mit einfacher Basis und einem Kapitell, das bald mehr Becherform, bald mehr Pilzform zeigt (Abb. 7), steht eine Säule aus aufeinandergesetzten konvexen und konkaven Formen mit dazwischengefügten horizontalen Zwischenteilen (Abb. 6a). Bei letzterer ist — gänzlich unantikisch — ein besonderer Fuß und Knauf nicht vorhanden; bei anderen finden sich nach Zimmermannsart nur kleine Kopf- und Fußplatten. Dieselben Hausteile, die zur Verzierung durch Schnitzwerk geeignet waren, boten auch gute Ansatzstellen für bunte Bemalung. Die Bemalung der Häuser beruht auf altgermanischer Sitte, die schon Tacitus erwähnt: „Einige Stellen des (Bauholzes) überstreichen sie sorgfältiger mit einer so reinen Erde, daß es wie farbige Linien aussieht (ac lineamenta colorum imitetur)" 2 . Wir werden an anderer Stelle Näheres über den fein ausgebildeten Farbensinn der Angelsachsen hören, von ihrem häufigen Gebrauch des Wortes „schillernd" oder „bunt"3. So ist die Wand „von Wurmbildern (Tierornamenten!) bunt"4. Das läßt auf eine Schnitzerei mit nachfolgender wirkungsvoller Ausmalung schließen, wahrscheinlich in den oft bewundernd erwähnten Farben Gelb und Rot, und zwar in fein abschattierten Tönungen. An den Säulen werden die einzelnen Teile durch verschiedene Farben betont worden sein (wie es die Miniaturen zeigen). Auch die Türstürze werden durch Farbe hervorgehoben und die kleinen „eagjayrelas" (Gucklöcher) farbig umrandet worden sein. Als drittes Schmuckmoment kommt eine Verzierung durch S c h m i e d e w e r k hinzu. Die Eingangstür bewegt sich in schöngeformten Türangeln 1 2 3
Vergl. S. 98. Tacitus' Germania, c. 16. Ob „lineamenta" aufFIecht- und Schlangenornamen t hinweist ? 4 Wanderer 98. („wyrmlicum fah"). Siehe S. 141.
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(„heorras" 1 ) und ist gesichert durch „im Feuer geschmiedete Bänder" („fyrbendas" 2 ) und durch feste Riegel („clustor" 3 ). Vielleicht gab es damals schon einen eisernen Türklopfer, wenigstens wird uns in der angelsächsischen Vita St. Guthlaci berichtet, daß die Einlaßbegehrenden „das Zeichen schlugen" („takn slogon"). Prächtig muß eine solche Pforte ausgesehen haben mit ihrem Nägelbeschlag, den eisernen Bändern und kunstvoll gewundenen Ornamenten, die sich in ihrem dunklen Glanz stark von dem leuchtend bemalten Holzuntergrund abhoben. Wie der Dichter des „Christ" die Pforte des ewigen Lebens schildert, so mag auch der Eingang zu einer Königshalle ausgesehen haben. eal waes. . . duru ormaete Wundurclommum bewrijjen; wende swijje Jiaet aenig elda aefre ne meahte swa faestlice forescyttelsas on ecnesse o inhebban oööe öaes ceasterhlides clustor onlucan 4 . E s war die Tür ohn Massen Bewunden all mit Wunderbanden. Er wähnte sehr, daß nicht einer möcht der Erdbewohner So feste starke Vorlegbalken In Ewigkeit je aufheben Oder des Burgtores Bande lösen. In der Kunst, Schlösser und Beschläge zu schmieden, scheinen die Angelsachsen groß gewesen zu sein. Nicht nur wird dies „Werk der Hämmer" (homra geweorc 5 ) häufig erwähnt, sondern es wird auch in den Miniaturen dargestellt. So sehen wir in der „Caedmon-Genesis" neben einfachen, aber eigenartigen Verschlüssen (Abb. 11) eine wahre Pracht von Schlössern und Beschlägen, Ketten und Nägeln aller Art — ob aber nicht ein gut Teil Ornamentfreudigkeit des Miniators zu diesem vielgestaltigen Linienwerk beigetragen hat ? Weiterer Schmuck durch Schmiedewerk wurde durch Verklammerung der Hauswandung hervorgerufen. Über diese technisch sehr merkwürdige Tatsache wird bei der Besprechung der Halle Heorot ausführlicher die Rede sein. Die Finnsburghalle. Wir haben somit ein allgemeines Bild der angelsächsischen Wohnarchitektur entworfen, das an Hand kleiner und zerstreut liegender Hinweise zusammengestellt worden ist. E s seien nun einige bestimmte Bauten i m e i n z e l n e n besprochen. E s handelt sich jedesmal um 1 5
Beowulf 999. „ J u l i a n a " 237.
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Beowulf 721.
3
Christ 314.
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„Christ" 308.
ein H a l l e n g e b ä u d e , d. h. u m den im M i t t e l p u n k t der gesamten G e h ö f t anlage stellenden größeren oder kleineren Saal. Aus d e m D u n k e l der Heldenzeit t a u c h t die „ F i n n s b u r g h a l l e " empor, f l ü c h t i g u n d blitzartig b e l e u c h t e t . Doch e r f a h r e n wir aus d e m n u r 48 Zeilen zählenden F r a g m e n t des Finnsburgliedes m a n c h e s Wertvolle f ü r u n s e r e Aufgabe. E s h a n d e l t sich u m eine hochgieblige Halle, so w e i t r ä u m i g im G r u n d r i ß , d a ß „sechzig goldgeschmückte K r i e g e r " b e q u e m darin auf n ä c h t l i c h e m Lager r u h e n k ö n n e n . A u c h diese Halle ist aus Holz g e b a u t u n d wird in der üblichen Weise m i t Schindeln oder Stroh gedeckt sein; d e n n erschreckt f r a g e n die d u r c h hellen Schein u n d L ä r m geweckten Krieger, ob der Halle „Giebelspitzen b r e n n e n " (hornas b y r n a ö ) , d. h. ob m a n den Giebelwalm des Daches durch B r a n d p f e i l e angezündet h a b e . Der F u ß b o d e n ist gedielt. Wir erfahren, d a ß b e i m K a m p f „die Burgdielen d r ö h n t e n " (burugh-pelu dynede). B e m e r k e n s w e r t sind folgende Zeilen: ,,]3a t o d u r a eodon drihtlice c e m p a n Sigeferö ond E a h a , h y r a sword getugon, ond aet, o ö r u m d u r u m Ordlaf o n d Guölaf, ond Hengest s y l f . " „ E s schritten z u r T ü r e , die Schneiden entblößend, Sigferd u n d E a w a , edele Gesellen, U n d z u r a n d e r n T ü r Ordlaf u n d Gudlaf U n d H e n g e s t selbst." D a r a u f m a h n t ein d r a u ß e n stehender Angreifer seinen A n f ü h r e r , sich n i c h t k ä m p f e n d „ z u r T ü r dieser H a l l e " (to J)aere healle d u r u m ) v o r z u w a g e n . E r selbst e r k u n d i g t sich l a u t ü b e r die K ö p f e der a n d e r n hinweg, „wer diese T ü r h i e l t e " (hwa Jja d u r u heolde). Der Ausgang des K a m p f e s l a u t e t : „ H i g f u h t o n fif dagas, swa h y r a n a n ne feol drightgesiöa, ac hig Jja d u r u h e o l d o n . " „ S i e f o c h t e n f ü n f Tage, u n d keiner fiel Von der t a p f e r n Schar, u n d sie hielten die T ü r e n . " D e r K a m p f u m d i e S a a l t ü r e , der noch im Nibelungenlied des 13. J a h r h u n d e r t s einen s p ä t e n Widerglanz erhielt, ist hier in ganzer Ursprünglichkeit geschildert. W i c h t i g ist f ü r uns die Feststellung, d a ß die F i n n s b u r g h a l l e z w e i E i n gänge h a t . D a r a u s ist mancherlei zu e n t n e h m e n . Allgemein üblich ist bei d e n Angelsachsen n u r eine T ü r gewesen, wie es a u c h die Volksgesetze k ü n d e n 1 . Gnomische Sprüche sagen: 1
Knuts Gesetze in Liebermann, Ges. d. Ags. II, 2. S. 689 „Tür" 2.
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„ D u r u sceal (be) on healle, Rum recedes m u d . " „Eine Tür sei an der Halle d e r g r o ß e M u n d des Bauwerks." E i n e Tür haben wir dort, wo das Hallengebäude nach allen Seiten frei steht. In diesem Fall hat die Tür höchstwahrscheinlich in der Mitte der Schmalseite gesessen. Sobald aber die Halle in eine Reihe anderer „ H ä u s e r " eingebaut war, so daß — wie wir aus den Grundrissen mittelalterlicher Manorhäuser rückschließend entnehmen dürfen — die Schmalseiten verdeckt waren und nur noch die Langseiten frei standen (die dann später die Fensterreihen erhielten), wurden die beiden freistehenden Langseiten mit je einer Außentüre versehen 1 . Die Finnsburghalle muß demnach in andre „ H ä u s e r " der Hofanlage eingegliedert sein. Fragen wir uns nun nach der Stelle, wo diese Türen angebracht sind, so ergibt sich folgende, ebenfalls am Manorhaus beobachtete Möglichkeit: die erste Tür, der H a u p t e i n g a n g , befindet sich ganz vorne an der vorderen Längswand; eine zweite Tür, die „andere T ü r " des Finnsburgliedes, befindet sich ihr g e g e n ü b e r an der hinteren Längswand, sie führt zu Küche und Vorratshäusern. Zu beiden Eingängen steigt man auf kleinen Treppen hinauf, der Haupteingang hat obendrein einen Vorplatz, den schon erwähnten „ s t a p o l " = „petronus". Diese Anordnung dürfen wir auch für die Finnsburghalle annehmen! Hinzuweisen wäre noch auf den Ausdruck „aet odrum durum" („an der andern Tür"). „ D u r u m " ist dat. pl. mit Singularbedeutung. Diese Erscheinung ist bei dem Wort „ T ü r " auch schon im Gotischen vorhanden gewesen und verrät eine ursprüngliche germanische Zweiflügligkeit des Eingangs 2 . Für das Angelsächsische ist aber eine Zweiflügligkeit nicht bewiesen; im Gegenteil, die Türen auf den Miniaturen zeigen oft eine auffallend hohe und schmale Form. Die Northumbrische Königshalle von 627. Während das Finnsburglied ins Reich der Heldensage führte, steht die Erwähnung der northumbrischen Königshalle auf dem Boden der geschichtlichen Tatsache, denn wir hören darüber in Bedas „Historia Ecclesiastica" im Zusammenhang mit der Einführung des Christentums in Northumberland (627) 3 . Das Bild der alten Aula Regia ersteht vor uns in den ergreifenden Worten eines Gefolgschaftsältesten, der seinem König Edwin zur Annahme des Christentums rät: 1
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Die Halle wurde im Mittelalter mit dem an der vorderen Schmalseite vorgelagerten Gebäude durch (drei) Türen verbunden. Man vergleiche damit den Bericht des Priscus über die Attilawohnung. (Ausgehoben bei Stephani, a. a. 0 . I. S. 173. Hist. Eccl. II, 13. die folgende Rede ist in ihrem ganzen Umfang wiedergegeben; dies wunderbare Beispiel altgermanischer Nachdenklichkeit ist wert, allgemein bekannt zu sein.
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„ 0 König, es erscheint mir das gegenwärtige Leben des Menschen auf Erden im Vergleich zu einem unbekannten zukünftigen Dasein wie der schnelle Flug eines Sperlings durch den Raum, worin du mit deiner Gefolgschaft beim Mahle sitzest zur Winterzeit, wohlgewärmt durch ein F e u e r , d a s in d e r M i t t e a n g e z ü n d e t , während draußen Sturm und Schnee und Schlossenfall toben. Der Sperling fliegt herein d u r c h d i e e i n e T ü r und schnell d u r c h d i e a n d e r e hinaus; für die Zeitspanne, die er drinnen weilte, war er sicher vor dem Sturm, aber nach diesem Augenblick der glücklichen Geborgenheit entschwindet er schnell unseren Blicken in den dunklen Winter, woher er gekommen. So ist auch das menschliche Leben — was vorher war und was kommen wird, das wissen wir nicht." Wieder sind es nur wenige Einzelheiten, die wir ableiten können, aber sie bestärken und ergänzen das Gesamtbild. Wir sehen vor uns ein f e s t g e f ü g t e s G e b ä u d e , das dem stärksten Wintersturm zu widerstehen vermag. Die Fugen der Wände sind gut abgedichtet, das trotz des Sturmes der große Einraum behaglich warm ist und kein „windig sele" 1 , wie ein charakteristischer Beiname der angelsächsischen Hölle lautet. Wichtig ist die einwandfreie Feststellung, daß sich die F e u e r s t ä t t e in d e r M i t t e des Saales befindet: „accenso quidem foco in medio". Auch sind z w e i T ü r e n da, die b e i d e i n s F r e i e führen. Es heißt vom Sperling, daß er „per unum ostium ingrediens, mox per aliud exierit". Diese zwei ostia sind von Philologen wie Kunsthistorikern durchweg nicht als „Türen" angesehen worden, obgleich auch die angelsächsische Übersetzung „ostium" mit „duru" wiedergibt. Es wurde dagegen eingewendet, daß der König samt Gefolgschar doch wohl kaum zur Winterzeit zwischen zwei Türen gesessen habe 2 . An Stelle der Türen wurden Luken als Durchwege für den Sperling angesehen oder die schon erwähnten Gucklöcher. Da aber „ostium" mit „duru" 3 übersetzt worden ist, haben wir kein Recht, an dem Vorhandensein zweier Türen als Durchwege zu zweifeln. Es liegt doch hier ein Gleichnis vor, und der Ratgeber darf der Idee zuliebe schon angenommen haben, daß zufällig beide Türen gleichzeitig geöffnet wurden. Da sich ferner nach unserer Auffassung beide Türen einander gegenüber ganz am unteren Ende der Laugwände (fern dem Hochsitz!) und nicht an den beiden Giebelwänden befanden, so blieb der König wie die Gefolgschar in der langen Halle von der Zugluft verschont. Ein Gutshaus. Das folgende Beispiel finden wir ebenfalls in Beda's Historia Ecclesiastica. Es handelt sich diesmal um ein einfaches Gutshaus. Während Beda sowohl die Aula des Königs Edwin wie dieses Gutshaus mit „ d o m u s " bezeichnet, unterscheidet die angelsächsische Übersetzung ge1 3
„ S a t a n " 1 3 6 (Klagen der gefallenen Engel). „cume Jjurh ojire duru in, j jurh oöre ut."
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Vergl. Stephani, a. a. 0 . I, 395.
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nauer zwischen „heall" und „ h u s " . Immerhin ist das „ h u s " ein Herrensitz, denn es hat seinen „hlaford" (Herrn; Lord). In diesem Einraum, wo Hausherr und Nachbarn beim Schmaus versammelt sind, kommt ein Wanderer mit einem Beutel voll Erde, die mit dem Blute des erschlagenen Königs Oswald 1 getränkt ist. Er hängt den Beutel „an einen Wandpfosten" (angelsächsisch „on ane s t u d u ]paes waeges"). Es heißt nun weiter: „ S i e saßen lang beim Schmaus und tranken tüchtig, mit einem großen Feuer in der M i t t e des Raumes. Da geschah es, daß die Funken aufflogen und das D a c h ergriffen, das aus R u t e n g e f l o c h t e n u n d m i t S t r o h g e d e c k t w a r " (virgis contextum ac foeno tectum 2 ). Das ganze Haus brennt nun im Handumdrehen gänzlich nieder, nur der Pfosten, an dem der Beutel hing, „blieb völlig unversehrt vom Feuer übrig". Die Glaubwürdigkeit der Wundererzählung als solche steht natürlich — hier wie in ähnlichen Anführungen — außerhalb unserer Untersuchung, denn diese beschäftigt sich nur mit der Schilderung des tatsächlichen Milieus. Bestätigt wird uns die offene Feuerstelle in der Mitte, auch bei diesem primitiven und wohl nur einschiffigen Raum. — Das Dach besieht aus einem rohen Holzgespärre mit einer Bedeckung von geflochtenen Ruten und darübergelegtem Stroh. Es erhebt sich immerhin so hoch, daß unter gewöhnlichen Umständen keine Feuersgefahr besteht, hier aber durch Anzünden eines besonders großen Feuers und durch Fahrlässigkeit der trunkenen Gäste doch eintritt. Ein Rauchloch scheint nicht einmal vorhanden zu sein, und der Rauch hat durch Dachritzen und Offnungen unter dem First einen Ausweg suchen müssen. Da das Feuer mit äußerster Schnelligkeit das ganze Haus verzehrt — es wird erzählt, daß die Insassen Hals über Kopf hinausstürzen und knapp das nackte Leben retten können — muß die B a u a r t s e h r l e i c h t gewesen sein. Aber welche käme in Betracht ? Aufschluß darüber gibt uns die Wendung, daß der Wanderer den Beutel an einen „Pfosten der Wand" hängt und daß der „Pfosten" allein unversehrt bleibt. Ein alleinstehender Pfosten (posta, angelsächsisch studu) weist bei diesem k l e i n e n Haus nur auf S t ä n d e r b a u o d e r auf F a c h w e r k hin, niemals auf liegenden Blockverband. Die Halle Heorot. Die „Hirschhalle" des Beowulfepos hat von jeher im Mittelpunkt aller Untersuchungen gestanden, die sich mit der Konstruktion und dem Aussehen eines altgermanischen Fürstenhauses befassen, doch ist bislang kein eindeutiges Ergebnis erzielt worden. Das liegt zunächst daran, daß der Dichter des Beowulf an Tatsächlichem so gut wie nichts, an stimmungerregenden Andeutungen aber ungemein viel gegeben hat, so daß 1
Oswald der Heilige, König von Northumberland, wurde 642 in einer großen Schlacht ge2 Hist. Eccl. III, 10. tötet.
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man stets ein die Phantasie befriedigendes Bild vor Augen hat, das aber bei näherer Zergliederung wie eine Luftspiegelung wieder verschwindet 1 . Ein weiterer Mißstand ist der, daß die meisten der untersuchenden Kunsthistoriker über die angelsächsische Sprache nicht so gut Bescheid wissen, als daß sie sich ohne Übersetzung behelfen könnten. Wie schwerwiegend dieser Umstand ist, erhellt daraus, daß ein e i n z i g e s W o r t und dessen u n r i c h t i g e A u s l e g u n g mehr oder weniger die Grundlage zu sämtlichen Untersuchungen bildete. D i e s e s s c h w e r w i e g e n d e W o r t h e i ß t „ S t a p e l " (Stütze, Pfeiler, Säule, Block) 2 . Die das Wort „stapol" enthaltenden Verse, die hier in vollem Umfang zitiert werden müssen, erzählen das Ende des nächtlichen Ringkampfes zwischen Beowulf und dem fürchterlichen Grendel, wobei dem Ungeheuer der Arm ausgerissen wird. Lic-sar gebad atol aglaeca; him on eaxle wearö syn-dolh sweotol, seonowe onsprungon burston ban-locan. . . . . .]Daet waes tacen sweotol syööan hilde-deor hond alegde earm ond eaxle (J)aer waes eal geador) Grendles grape u n d e r g e a p n e h . . . 3 J)a waes on morgen mine gefraege y m b ]sa g i f - h e a l l e guö-rinc monig. . . .Eode scealc monig swiöhicgende t o s e l e ]} a m h e a n searo-wundor seon, swylee seif cyning of bryd-bure, beah-horda weard, tryddode tir-faest getrume micle, cystum gecyöed, ond his ewen mid him m e d o - s t i g g e m a e t maegöa hose. Hroögar maöelode, (he t o he a l l e geong, s t o d on s t a p o l e , g e s e a h s t e a p n e h r o f g o l d e f a h n e ond G r e n d l e s h o n d ) „Jjisse ansyne alwealdan {Dane lungre gelimpe . . . . " 4 1
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Vermutlich überschneiden sich auch bei den Aussagen über die Halle verschiedene Schichten der Überlieferung, die zu trennen vorderhand nicht möglich ist. Heyne-Schücking, Beowulf mit ausführlichem Glossar. Paderborn 1929. S. 271. So die Handschrift jetzt. Thorkelins 2. Abschr. hr(of). Ob hrof (Dach) aber richtig ergänzt ist ? Beowulf 815—818. 833—838. 918—929. 43
Der grimme Unhold Ward endlich wund: an der Achsel klaffte Ein riesiger Spalt, es rissen die Sehnen, Es barst der Körper. . . Als sichtbares Zeichen Legte der Held u n t e r m h o h e n ( D a c h ) Die Hand mit Arm und Achsel nieder, Was Grendel zurückließ, die ganze Tatze. Am Morgen nun ging, wie ich melden hörte, U m d i e H a l l e h e r u m 1 gar mancher Krieger. . . . von den Lehnsleuten Ging mancher jetzt zu dem Metsaal hin Das Wunder zu schauen. Auch der würdige König, der Hüter des Hortes, der hochberühmte, Schritt mit großem Gefolg aus der Gattin Gemach, Und die edle WealhJ)eow, dem Eheherrn folgend, D e n M e t s t e i g d u r c h m a ß mit der Mägde Schar. Hrodgar sagte: (er g i n g zur H a l l e , S t a n d (on s t a p o l e ) , sah d a s s t e i l e D a c h Das g o l d e n b u n t e , u n d G r e n d e l s H a n d ) „ F ü r diesen Anblick sei Dank dem ewgen Lenker des Alls. . . " Das ,,stod on stapole" wurde früher allgemein (und wird noch heute vielfach), gemäß der Hauptbedeutung des Wortes „stapol" übersetzt mit „er stand am P f e i l e r " 2 . Demzufolge nahm Moritz Heyne an in seinem grundlegenden kleinen Werk „Uber die Lage und Konstruktion der Halle Heorot" 3 , daß die Halle nur eine e i n z i g e stützende M i t t e l s ä u l e besitzt, wodurch „die quadratische Anordnung bewiesen" sei. Er bezieht sich dabei auf norwegische quadratische Kirchen wie Flo und Nes in Hallingdal. Heyne denkt den H o c h s i t z n e b e n der S ä u l e in der M i t t e d e s S a a l e s b e f i n d l i c h und Grendels Klaue an einem Träger des Dachstuhls aufgehängt. Dieser Auslegung folgen alle Ubersetzungen des Beowulfliedes. Die Annahme Heynes (1864), daß Heorot quadratischen Grundriß und nur ein Zeltdach mit einer tragenden Mittelsäule habe, wird von Kunsthistorikern im allgemeinen übernommen. Doch kamen auch früh schon Zweifel auf. So bezeichnet C l e m e n in seiner Schrift „Der karolingische 1
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Diese Zeile sowie 925—928 übersetzte ich wörtlich, entgegen dem Wortlaut von Gering „Beowulf", Heidelberg, 1929, dem die Übersetzungen zu Beowulf entnommen sind. 3 Paderborn 1864. S. 48. So auch Gering.
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Kaiserpalast zu Ingelheim" 1 (1890) die Halle Heorot als einen o b l o n g e n Holzbau. S t e p h a n i (1902) 2 vermutet ebenfalls einen oblongen Raum, da „in Heorot der Hochsitz des Königs, welcher weit ab von der Rückwand der Halle frei im Raum stand, noch ein b e t r ä c h t l i c h e s I n t e r v a l l u m z w i s c h e n s i c h u n d d e r T ü r f ü r die Gäste voraussetzt". Er behält Heynes „stapol", d. h. die Mittelsäule, bei, allerdings mit dem Hinweis: „Wenn auch hier die Firstsäule eingerückt Wirde, so geschah es. . . aus Pietätsrücksichten," undfährtspäter 3 so fort: „Bei der außerordentlichen Höhe. . . ist sie nach Analogie der Mastbäume der norwegischen Kirchen aus mehreren sich verjüngenden Stücken zusammengesetzt und seitlich gestützt (Nach Stephani) zu denken." Stephani verlegt die Feuerstelle hinter die mächtige Holzsäule, sodann hinter die Feuerstelle den Hochsitz, also daß sich nach seinem Grundriß die Tatsache ergibt, daß der König, von der Hochsäule verdeckt, weder die Eintretenden sehn kann, noch sie ihn (Abb. 8). A. H a u p t weist in seinem Werk „Die älteste Kunst insbesondere die Baukunst der Germanen" (1909) nur kurz auf Heorot hin 4 . Es befände sich dort „inmitten die Holzsäule (Kaiserstiel ?), eine in angelsächsischen Bauwerken verbreitete mittelste Holzstütze, die wohl beweist, daß die hierbei notwendige Form des steilen Daches nach allen Seiten abgewalmt gewesen sein muß und eine mittlere Spitze oder gar einen turmartigen Aufbau (nach Art der nordischen Holzkirchen) besaß." K . R h a m m (1908) 5 erscheint der „ s t a p c l " wieder verdächtig, aber er führt ihn an, um die „dunkle Herkunft" des „ K r ü z b o m " zu erhellen, eines in manchen niedersächsischen Bauernhäusern vorhandenen geschnitzten Balkens an der Seite des Herdes (nicht in der Mitte des Raumes). Er fahrt dann fort: „Freilich verträgt das Sparrendach keine Firstsäule schlechterkings, und die Möglichkeit, daß der alte niedersächsische Saal . . . ohne donstruktive Nötigung eine solche Mittelsäule besaß, liegt ganz entfernt 1 1
3 S. 406. S. 21. 2 Stephani, a. a. O. S. 401. 6 Rhamm, a. a. O. I, S. 239. Berlin 1909. 2. Auflage 1923. S. 72.
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u n d wird auch d u r c h einen H i n w e i s auf den stapol der angelsächsischen Halle H e o r o t . . . nicht n ä h e r g e r ü c k t . " K . E i c k e (1919) 1 geht wieder ganz auf H e y n e z u r ü c k , indem er eine k r ä f t i g ausgebildete Mittelsäule u n d einen q u a d r a t i s c h e n G r u n d r i ß s a m t Zeltdach a n n i m m t . Treues F e s t h a l t e n an H e y n e s „ s t a p o l " zeigt auch der Aufsatz von E . K l e b e l „ A l t g e r m a n i s c h e H o l z b a u k u n s t " (1926) 2 , obgleich hier eine gründliche u n d n e u e U n t e r s u c h u n g v o r g e n o m m e n worden ist. „ N a h e dem Eingange steht die H a u p t s ä u l e , die einzige, die e r w ä h n t wird, von der aus m a n den R a u m ü b e r b l i c k t . E b e n s o k o m m t die Königin den Recken entgegen — « d e n S a a l e n t l a n g « . E s schiene d a n a c h n i c h t unwahrscheinlich, d a ß entgegen den norwegisch-isländischen Anlagen n u r e i n H o c h s i t z v o r h a n d e n ist, d e m g e g e n ü b e r s i c h d e r E i n g a n g b e f i n d e t , zwischen beiden die H a u p t s ä u l e . " N a c h letzteren sehr wichtigen Feststellungen k o m m t aber der Verfasser auf G r u n d des „ s t a p o l " zu folgendem S c h l u ß : „ D e r R a u m gewinnt auf diese Weise eine eindeutige B r e i t e n a c h s e . " Das Bild der Halle H e o r o t v e r ä n d e r t s i c h n u n m i t e i n e m S c h l a g e , wenn m a n u n t e r s t a p o l hier k e i n e n M i t t e l p f e i l e r , s o n d e r n den schon oben e r w ä h n t e n 3 b l o c k a r t i g e n U n t e r b a u oder e r h ö h t e n V o r p l a t z v e r s t e h t . Bei der Situationsschilderung „ s t o d on s t a p o l e " weist die P r ä p o sition „ o n " schon d a r a u f hin, d a ß „ P f e i l e r " nicht die richtige Ü b e r s e t z u n g ist 4 . Der h e u t e allgemein als vorzüglich a n e r k a n n t e „ K o m m e n t a r zu Beow u l f " von Hoops 5 erklärt ebenfalls so die S i t u a t i o n : „Als sichtbares Zeichen seines Sieges legt Beowulf die K l a u e Grendels. . . a u ß e n ü b e r d e m E i n g a n g u n t e r d e m breiten D a c h der Halle n i e d e r . . . d i e Ü b e r s e t z u n g „ M i t t e l s ä u l e " ist auf j e d e n Fall a b z u l e h n e n " . Die sinnrichtige Ü b e r s e t z u n g der ausschlaggebenden Verse m u ß also lauten: . . . er ging zur Halle, s t a n d auf d e m V o r p l a t z , sah das steile D a c h , das g o l d b u n t e , u n d Grendels H a n d . Man lese u n t e r diesem n e u e n B l i c k p u n k t die schon weiter oben zitierten Verse im Z u s a m m e n h a n g , u n d m a n wird erkennen, d a ß die gesamten U m s t ä n d e besser zu „ V o r p l a t z " als zu „ M i t t e l s ä u l e " passen. Von dem e r h ö h t e n Vorplatz aus h ä l t der K ö n i g seine R e d e f ü r all die Vielen h ö r b a r , die v o n n a h 1 2 3
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Eicke, Die bürgerliche Baukunst Niedersachsens. Straßburg. 1919. I. In Strzygowski, a. a. O. S. 173. Vergl. S. 32. Es sei noch einmal hier auf den Aufsatz von Miller "The Position of Grendel's Arm" hingewiesen: Anglia XII, 396. Es hieße dann richtiger "stod be stapole" wie "be maeste" (an dem Mast), "be fyre" (bei dem Feuer) = Beispiele aus Beowulf. Heidelberg 1932. S. 103.
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und fern herbeigeströmt waren 1 . Die beste Beweiskraft besitzt aber eine folkloristische Überlegung: der Dämon ist besiegt, sein Arm ist ihm ausgerissen worden, d. h. er kann nicht mehr schaden 2 . Zum Abschrecken anderer dämonischer Mächte wird die Hand a u ß e n angebracht, ebenso wie im Volksglauben ein vor die Tür gesetzter Besen bedeutet, daß die Hexe erkannt sei und sich hüten möge. — Die Hand oberhalb der Tür war den Angelsachsen zudem kein durchaus fremdes Bild. Ein Gesetz des Aeöelstan (925/35) besagt, daß, wenn ein Münzer bei einer Fälschung ertappt würde, ihm die Hand abgehauen werden und „über der Tür der Münzschmiede aufgehängt werden sollte" 3 . Unsere weitgreifende Auseinandersetzung sei damit entschuldigt, daß, wo einmal dem ,,Stapel" solche Wichtigkeit beigelegt worden war, auch glaubhaft bewiesen werden mußte, daß „stapol" nicht „Mittelsäule", sondern „erhöhter Vorplatz" heißt. Bei einer Rekonstruktion der Halle Heorot ist die richtige Anbringung des V o r p l a t z e s (stapol) nicht leicht. Im Auge zu behalten ist die Tatsache, daß acht Pferde in den Saal geführt werden. Der „stapol" darf danach nur eine geringe Erhöhung darstellen, war vielleicht nichts anderes als der freie Teil eines p l a n i e r t e n H ü g e l s , jene „ H o c h s t ä t t e " ( „ h e a h s t e d e " ) , auf der die Halle lag und zu der der „Metsteig" (medostig) hinaufführte (Abb. 9). Wir können nun Heorot von dem Bild einer nordischen Mastenkirche lösen — aber mit dem Wegfall der „Mittelsäule" verschwindet auch der einzige Anhalt, der eine Rekonstruktion des Grundrisses möglich machte! Wo werden wir Ersatz finden ? Da schon in der Einführung klargelegt war, daß wir im Heorot des Beowulfepos keine dänische, sondern eine northumbrische Königshalle zu sehen haben, fällt Skandinavien als Vergleichsgebiet fort. Wir müssen uns an a n g e l s ä c h s i s c h e Verhältnisse halten und die bis jetzt zusammengestellten kleinen Hinweise aus den Schriftquellen durch Rückschlüsse aus dem angelsächsischen Profanbau späterer Zeit stützen, und zwar kommt hier, wie schon weiter oben (S. 18) ausgeführt, der Manorbau des 13./14. Jahrhunderts in Betracht. Die Manorhalle des feudalen Englands hatte dieselbe Bedeutung wie Heorot. Hier wurden die täglichen Zusammenkünfte von Herr und Gefolge abgehalten, hier versammelte man sich zu Mahlzeiten und Festen 4 . Des Nachts schlief das gesamte Gefolge auf dem Boden der Halle wie im „Beowulf" und im „Finnsburgfragment". Die Manorhalle war langgestreckt, aber nicht allzu 1 2
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In späterer Zeit wurde dort Recht gesprochen, also ein geeigneter Platz für Ansprachen. Eine Deutung des Grendelkampfes im Lichte neuester Forschung s. bei G. Hübener, England u. d. Gesittungsgrundlage der europ. Frühgeschichte. Frankfurt. 1930. S. 72. ags.: „sette up an Jja mynetsmyööan." Vergl. Liebermann, a. a. 0 . I. S 159. Muthesius, a. a. 0 . S. 21. u. J . A. Gotch, The Growth of the English House. London 1903.
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schmal 1 . Der Sitz f ü r die H e r r s c h a f t b e f a n d sich a m E n d e e i n e r S c h m a l s e i t e auf einem e r h ö h t e n P l a t z . An den Langseiten entlang s t a n d e n die Tische f ü r das Gefolge. I n der Mitte der B o d e n f l ä c h e (richtiger gesagt etwas m e h r n a c h d e m H e r r s c h a f t s s i t z zu) b e f a n d sich die große offene Feuerstelle. Der R a u m w u r d e n a c h oben abgeschlossen d u r c h einen offenen D a c h s t u h l oder eine gewölbte Holzdecke. I n ä l t e s t e n Zeiten wurde das D a c h d u r c h Holz- oder Steinpfeiler g e s t ü t z t u n d war dreischiffig, später erst v e r s t a n d m a n das D a c h ohne diese S t ü t z e n zu b a u e n , u n d der R a u m w u r d e einschiffig. D e r E i n g a n g b e f a n d sich dem H e r r e n s i t z gegenüber u n d war durch einen schmalen E i n b a u a u s Holz, den „ s c r e e n " (oben Spielmannsgalerie), eigenartig ausgestaltet. I n den so gebildeten V o r f l u r m ü n d e t e n die E i n g a n g s t ü r e n , w o d u r c h Z u g l u f t f e r n g e h a l t e n w u r d e . Beispiele sind O a k h a m Castle ( R u t l a n d ) u n d P e n h u r s t Place (Kent) (Tafel 7). I n gewisser Weise ist hier auch die b e k a n n t e W e s t m i n s t e r Halle heranzuziehen, deren (nicht mehr erhaltener) U r b a u etwa im letzten D r i t t e l des 10. J a h r h u n d e r t s errichtet wurde. (William von M a l m e s b u r y berichtet, d a ß der angelsächsische König E d w a r d der Bekenner (1042—66) einst, hier speisend, eine Vision gehabt habe.) Der heutige B a u , v o n dem m a n annehm e n k a n n , d a ß er dem G r u n d r i ß des U r b a u s folgte, diesen aber s t a r k vergrößerte, w u r d e 1099 w ä h r e n d der N o r m a n n e n h e r r s c h a f t g e b a u t u n d 1394 in den oberen Teilen gänzlich g e ä n d e r t . W e s t m i n s t e r Hall ist sehr langgestreckt (73 x 2 1 m) u n d w a r ehemals d u r c h zwei Reihen S t ü t z e n in d r e i S c h i f f e geteilt 2 . Bei dem K o n s e r v a t i v i s m u s der E n g l ä n d e r , der diese a l t e Hallenform — natürlich in A b w a n d l u n g e n — bis h e u t e e r h a l t e n h a t 3 , d ü r fen wir u m g e k e h r t auch z u r ü c k g r e i f e n u n d H e o r o t im S i n n e des M a n o r h a u s e s bzw. von W e s t m i n s t e r Hall, r e k o n s t r u i e r e n . D e m n a c h stellen wir u n s H e o r o t a l s e i n e l a n g g e s t r e c k t e H a l l e vor, deren offener D a c h s t u h l von zwei Pfeilerreihen getragen wird. D a s Feuer — es wird zwar nicht e r w ä h n t , aber die Gefolgsleute werden als „ H e r d g e n o s s e n " bez e i c h n e t — b r e n n t in der Mitte des R a u m e s in einer v e r t i e f t e n F e u e r g r u b e . I m H i n t e r g r u n d befindet sich auf einer E s t r a d e ( „ y p p e " ) 4 der große Hochsitz („heah-setl"). E s ist also n u r e i n Hochsitz v o r h a n d e n , n i c h t zwei sich gegenüberliegende wie in der hochnordischen Halle. •— A n den Längsseiten stehen die B ä n k e der Krieger. Die Mitte ist völlig f r e i der L ä n g e nach, so1
In einer Inschrift wird Deerhurst als aula regis bezeichnet. Auch hier ist der Grundriß stark oblong.
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Vgl. Lethaby in Archaeologia 1906, S. 131. In den engl. Colleges ist das offene Mittelfeuer bis ins 19. Jhdt. noch erhalten geblieben, wie auch die Sitte, daß die Professoren an der erhöhten Schmalseite, die Studenten an den Längstafeln speisten.
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Beowulf 1815. Vgl. auch 404 „on heoöe", das ich ebenfalls als den Unterbau des Hochsitzes ansehe.
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10. N e u e r G r u n d r i ß d e r H a l l e H e o r o t . M a ß s t a b 1 : 4 0 0
daß die Eintretenden vom König gesehen und geradeswegs zu ihm hingehen konnten, nur am Feuerplatz nach rechts und links ausbiegend (Abb. 10). Nicht einfach ist die Frage des F u ß b o d e n s zu erledigen. Wir finden nämlich die Bemerkung „on fagne flor" (auf dem bunten Fußboden). Danach müßte es sich um einen aus bunten Feldsteinen mosaikartig zusammengesetzten Fußboden handeln. Bunte Steinfußböden sind bei den Angelsachsen sehr beliebt gewesen; in frühen Kenter Kirchen fanden sich ausgezeichnete opus signinum Böden, in Glastonbury ein Flur von polierten Steinen mit eingelegten Dreiecken und Quadraten. Dem widerspricht aber, daß die Krieger „benc-Jjelu beredon" 1 (die Bankdielen entblößten), d. h. die auf D i e l e n stehenden Bänke forträumten. Zum m i n d e s t e n müßten also dort, wo die Bänke stehen, H o l z d i e l e n gewesen sein, vielleicht auch waren diese Seitenschiffe e t w a s e r h ö h t . Die Mitte aber, wo sich j a auch die Feuerstätte befand, wäre dann der ganzen Länge nach bis gegen den Hochsitzplatz hin aus gemustertem Stein gewesen. Es ist für uns selbstverständlich, daß dieser echt germanische Bau aus H o l z errichtet ist. Wir haben aber auch einige Beweise dafür. Da heißt es, daß die ans Land gestiegenen Krieger vorwärts eilten, „oö-J)aet hy sael timbred, geatolic ond gold-fah" 2 „bis daß sie den g e z i m m e r t e n Saal, schmuck und goldbunt" erblicken konnten. Wäre Heorot aus Stein gebaut, so wäre sicher diese Ausnahme bezeichnet worden als „sael staenen timbred" (vergl. S. 25). Ferner hören wir: keiner konnte Heorot zerstören, „wenn nicht der Lohe Umfassung im Schwall es verschlänge" (nymöe liges faeöm swulge on swaöule) 3 . Da ist doch wohl nur an einen Holzbau zu denken. Auch sind die Wände als „wagas" bezeichnet; „goldfah scinon web aefter w a g u m " (goldbunt 1
Beowulf 1239.
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Ebda. 307.
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Ebda. 781.
glänzten Gewebe an den Wänden), und wag, so hatten wir festgestellt, bedeutet fast ausnahmslos eine Wand im ortsüblichen Material (vergl. S. 25). Welche Art des Holzverbandes angewandt worden ist, kann nur dem einzigen Hinweis auf die Technik des Hallenbaus entnommen werden: he J)aes faeste waes innan ond utan i r e n - b e n d u m searo-Jponcum besmiöod 1 Fest war er Innen und außen mit E i s e n b ä n d e r n Kunstvoll umspannt. Die größte konstruktive Nötigung zu solch einer Eisenverklammerung würde ein S t ä n d e r b a u besitzen, und wir dürfen wohl annehmen, daß Heorot aus vollrunden Stämmen oder in der Art von Greenstead aus halbierten Stämmen errichtet worden ist. Es handelt sich hier wohl nicht um eine Reihe von Eisenankern, sondern um zwei oder vier durchlaufende Eisenbänder, die die Ständer regelrecht umflochten haben, abwechselnd nach innen und nach außen greifend. Die Nötigung dazu wird uns klar, wenn wir den Unterschied zwischen der nordischen und der angelsächsischen Bauweise bedenken (vergl. S. 27). Die geheimnisvollen Eisenbänder Heorots bewirken, daß die Ständer der Längs- wie der Giebelseiten als ein geschlossenes und widerstandsfähiges Ganzes die Last des gewaltigen Daches auffangen können.2 Fragt man sich aber, woher die Angelsachsen den Gedanken dieser merkwürdigen Sicherung nahmen, so kann man auf die damals noch zahlreichen Römerruinen hinweisen; dort sahen sie die großen Eisenanker, die Steinblock mit Steinblock verbanden 3 , wie j a auch ein Vers des Gedichtes „Ruine" lautet: hygerof gebond weallwalan wirum wundrum togaedre 4 . Ein Kühner verband einst Die Quadern kunstvoll mit Klammern von Erz. Eine eiserne Verankerung an Heorot ist demnach ein u n g e r m a n i s c h e r Zug; stellt man sich aber anstatt der Anker ein durchlaufendes Flechtband 1 2
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Beowulf 773. Ähnlich 997. Oder wollen wir annehmen, daß die Ständer noch nicht durch Schwellen zusammengefaßt wurden ? So weist die Porta Nigra in Trier tiefe Löcher auf, in denen die später entwendeten Eisenanker gesessen haben. „Ruine" 20, Übersetzung von H. Naumann in „Frühgermanentum", a. a. O. —
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vor, so ist die römische A n r e g u n g i n s G e r m a n i s c h e u m g e b o g e n . E i n e m i n d e r große Halle wie H e o r o t h a t t e a u c h wohl die besondere Sicherung n i c h t nötig. N u r e i n e e i n z i g e T ü r f ü h r t e in die Halle, v o n eisernen H a s p e n g e h a l t e n : d u r u sona o n a r n f y r - b e n d u m faest, syööan he hire f o l m u m h r a n onbraed . . . recedes m u ö a n 1 (Grendels) F a u s t g r i f f wich Die T ü r , in geschmiedeten B ä n d e r n fest. E r zerbrach . . . des Hauses M ü n d u n g . Die e i n e T ü r zeigt uns schon an, d a ß die Halle f r e i liegt; das E p o s bes t ä t i g t uns dies auch. Von F e n s t e r n wird u n s nichts b e r i c h t e t , desto m e h r aber v o m D a c h der Halle. Das ist ein d u r c h a u s f r ü h e r Zug. Noch ist das D a c h die H a u p t s a c h e , die W ä n d e sind nicht so h o c h r a g e n d , j a ü b e r m ä ß i g hoch, wie sie t y p i s c h f ü r die angelsächsische Steinkirche sind u n d wie sie wahrscheinlich a u c h das W o h n h a u s später (etwa im 8./9. J a h r h u n d e r t ) h a b e n w i r d : die Elegie „ W a n d e r e r " spricht von den ,,weal w u n d r u m h e a h " ( „ w u n d e r h o h e n W ä n d e n " ) eines Gefolgschaftssaales! — „ S t e i l " (steap) wird H e o r o t s D a c h g e n a n n t , dazu „ h o c h ; u n d geräumig zwischen den G i e b e l n " ( „ h e a h ond h o r n g e a p " ) . Unsre P h a n t a s i e wird aufs s t ä r k s t e angeregt, wir sehen ein hohes, steiles D a c h vor uns, aber w e n n wir genauer b e s t i m m e n wollen, ob wir ein Giebeldach vor uns h a b e n oder aber ein W a l m d a c h , so k ö n n e n wir das eine wie das a n d r e a n n e h m e n , u m endlich doch dem W a l m d a c h den Vorzug zu geben, weil die Grendelklaue auf d e m V o r d e r w a l m a u f g e h ä n g t worden ist u n d die L e u t e sie „over h e a n n e h r o f " („über das D a c h h i n " ) schauen, u n d weil der König, von vorn sich der Halle n ä h e r n d , D a c h u n d H a n d zugleich sieht. E i n e Besonderheit des Daches h a t von j e h e r viel K o p f z e r b r e c h e n gemacht : H e t o healle geong stod on stapole, geseah s t e a p n e hrof g o l d e f a h n e ond Grendles hond 2 . E r ging zur Halle, S t a n d auf dem Vorplatz, sah das steile D a c h , d a s g o l d b u n t e , u n d Grendels H a n d . H e y n e , der j a stapol mit Mittelsäule übersetzte, m u ß t e folgerichtig auch a n n e h m e n , d a ß das D a c h i n n e n mit Gold geschmückt sei u n d findet dies 1
Beowulf 721.
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2
Beowulf 925.
kaum glaubhaft, da doch der aufsteigende Rauch das Gold schwärzen müsse. Dieser Zweifel fällt weg, wenn wir stapol mit „Vorplatz" übersetzen. Daß ein a u ß e n goldbuntes Dach gemeint ist, ergibt sich auch durch folgende Stelle. Grendel kommt nach Heorot geschritten: wod under wolcnum, to Jpaes-Jie he win-reced gold-sele gumena gearwost wisse f a e t t u m fahne1. Unter Wolken schritt er, bis daß er die Weinhalle, Den Gabensaal der Menschen, nah erkannte Von G o l d b l e c h b u n t . Setzen wir hinzu, daß die Halle „schmuck und goldbunt" genannt wird und daß ihr „Lichtschein" über viele Lande , blitzt" 2 , so müssen wir unbedingt ein g o l d g e s c h m ü c k t e s D a c h annehmen. Ein Dach aus Gold — als Dichterphantasie, als Märchenelement ist es angesehen worden. Wenn man aber bedenkt, daß Adalbert von Bremen einen Tempel in Upsala als ganz aus Gold hergestellt bezeichnet, ferner daß König Ine von Wessex ( | 722) ein Oratorium in Glastonbury mit Edelmetall bekleiden ließ und dazu 2640 Pfund Silber und 264 Pfund Gold verwandte 3 , so wird die Sache schon glaubwürdiger, und man erblickt darin eine angelsächsische, eine germanische Sitte. Zudem ist bei Heorot nicht von einem „goldenen" Dach die Rede, sondern von einem „goldbunten" Dach, d. h. es ist ein Dach mit bunten Schindeln belegt, von denen e i n i g e mit Goldblech („faet") beschlagen sind. Gerade durch dies Hervorblitzen einiger verstreuter Goldschindeln wird der Eindruck des Leuchtenden, Blinkenden hervorgerufen: „lixte se leoma over landa f e l a " („es blinkte der Lichtschein weit über die Lande"). Wir dürfen sogar ein ganzes Muster annehmen von bunten Schindeln, vielleicht rote, blaue und goldbeschlagene, in Zickzackstreifen angeordnet (siehe S. 231!). Altertümlicher noch würde ein Strohdach mit aufgenageltem und angehängtem Goldblechzierat wirken. Wahrscheinlich wird der First Heorots ( = „Hirsch") bekrönt von einem riesigen Hirschgeweih, das den Namen der Halle auch nach außen hin kundtun soll. Diese Annahme wird uns bestätigt — nicht durch den Ausdruck „horngeap", denn das bedeutet „steil in den Giebeln" — sondern durch den Hinweis, daß die Halle „ b ä n f a h " („knochenbunt", d. h. geweihgeschmückt) sei4. Das Geweih kann aber auch oberhalb der Vorhalle angebracht sein, wie es die erwähnte Miniatur des Utrechtpsalters zeigt. 1 3
4
2 Ebda. 306—311. Beowulf 714. Malmesbury, De antiquitatibus Glastoniensis ecclesiae. ed. Hearne, Oxford 1727, S. 55. Diese Schrift Malmesburys ist allerdings wegen späterer Interpolationen nicht ohne Vorbehalt zu benutzen. Beowulf 780.
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Freilich wird nichts von einer V o r h a l l e gesagt. Wenn wir aber bedenken, daß Bänke vor der Halle stehn, auf der fremde Krieger nach dem Gesetz 1 zu warten hatten, bis ihnen Einlaß gewährt wird: Es setzten die Männer, vom Segeln ermüdet, An des Hauses Wand 2 die harten Schilde, Zur Bank nun eilend. . . so sähen wir gerne zum Schutze der Wartenden eine Vorhalle angebracht, in der Art, wie wir sie — noch erhalten — an frühen Kirchen finden. (Vergl. Abb. 28. 34. Auch 6 d und 7). Leicht erhebt sich in uns die Frage, wie g r o ß Heorot war, dieser „riesige Bau, wie ihn Menschenkinder noch nie erschauten- c3 („medo-aern micel. . . fjonne yldo-bearn aefre gefrugnon"). Einige Anhaltspunkte sind da. Lojsta Hall in Gotland, dieser primitive Dachsaal aus dem 5./6. Jahrhundert, hat eine Grundfläche von 26:10 m. Ferner: in der Finnsburghalle (S. 39) können „sechzig goldgeschmückte Krieger" schlafen. Beansprucht jeder mit seinen Waffen einen Platz von 2 : 1 m, so müßte der Saal mit Hinzurechnung von Feuerstelle, Pfeilern und Möbeln eine Mindestfläche von etwa 2 0 : 8 m haben. Nun wird aber Finnsburg nicht als groß gerühmt. Wir dürfen Heorot darum auf eine Bodenfläche von 34:12 m und eine Firsthöhe von 14 m schätzen (Abb. 9 und 10). Die ganze Hallenanlage befindet sich — aus Platzmangel ? — außerhalb der Hauptbefestigung. Während des nächtlichen Kampfes (Beowulfs mit Grendel) stehen die aufgeschreckten Dänen auf dem Wall, nach Heorot hinhorchend : North-Denum stod atelic egesa anra gehwyleum Jsara-Jje of w e a l l e wop gehyrdon 4 Lähmender Schrecken Drang in das Herz den Norddänen allen, Die v o m W a l l e aus den Wehruf hörten. Von der eigentlichen Burg führte ein gepflasterter Weg zur Halle hin, und eine ebenfalls gepflasterte Straße (straet Waes stan-fag 5 ) lief von der Küste aus dorthin, wo sich auf „erhöhter Stätte" Heorot erhob, das „schönste der Häuser" (on heahstede husa seiest) 6 . Ergebnisse. Fassen wir a l l e s b i s h e r ü b e r d e n a l t e n g l i s c h e n H a u s b a u Gesagte noch einmal zusammen, so ergibt sich ein eindeutiges 1 2
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Liebermann, a. a. 0 . II, 2. Abschnitt: „Tür" 2 und 2a. Beowulf 325. Wand hier „weal". Wahrscheinlich ist damit die Fundamentmauerung (grund-weal) aus Stein gemeint. 4 Beowulf 784. 6 Ebda. 320. 8 Ebda. 285. Bewoulf 69.
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Bild. Das angelsächsische Haus ist ein typisch germanischer Bau, dessen Ursprünge bis zum Kontinent reichen und das mit dem heutigen anglodänischen Gehöft durch seine Gesamtanlage, mit dem heutigen niedersächsischen Haus durch seine Dreischiffigkeit und sein hohes Sparrendach verwandt ist. Mit der skandinavischen Langhalle hat der angelsächsische Saal gemeinsam: den oblongen Grundriß, die Einteilung in drei Schiffe, die Ständerbauart, den offenen Dachstuhl. Er unterscheidet sich durch die andersartige Sicherung der Wände, durch das hohe Sparrendach, durch die Lage des Hochsitzes. Das Baumaterial des angelsächsischen Hauses besteht aus Holz oder Flechtwerk. Ständerbau sowie Fachwerk kann für das 7./8. Jahrhundert nachgewiesen werden. Das Dach ist mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt; es ist ein Walm- oder ein Satteldach. Früh gliedert sich eine besondere Vorhalle an. In der Mitte der vorderen Schmalseite befindet sich die Eingangstür. Ist die Halle in andere Häuser eingebaut, so befinden sich zwei einander gegenüberliegende Türen am vorderen Ende der beiden Längsseiten, weitab vom Hochsitz. Der Hochsitz steht an der hinteren Schmalseite des Saales, der Platz für die Gefolgschaft ist an beiden Längswänden. Ein auf dem Fußboden in der Mitte brennendes Feuer ist mehrfach bezeugt. Die Verlegung des Saales in ein Obergeschoß (Söller) muß vor 750 stattgefunden haben. Das Obergeschoß verlangt eine hinaufführende Außentreppe mit einem Vorplatz oben. Auch die auf niedrigem Sockel liegende eingeschossige Halle Heorot hat schon einen Vorplatz (stapol), wenn auch von geringerer Höhe und wahrscheinlich breiterer Form (Erdhügel ?). Fremde Einflüsse dringen in den angelsächsischen Wohnbau nur so spärlich (än, daß man ihn als d u r c h a u s h e i m i s c h - g e r m a n i s c h bezeichnen kann. SCHIFFSBAUKUNST Zur angelsächsischen Holzbaukunst gehört als wichtiges Glied der Schiffsbau. Seitdem das herrliche Osebergschiff (9. Jahrhundert) in Norwegen ausgegraben ist, wissen wir, daß wir germanischen Schiffsbau als edelste Werkkunst betrachten müssen. Auch in angelsächsischen Schriftquellen haben wir deutliche Hinweise, daß schon damals dem Inselvolk das Schiff als schöne Zier des Lebens erschien, als ein K u n s t w e r k , das weit über die bloße Zweckform hinausgeht. Is {Des middangeard missenlicum wisum gewlitegad, wraettum gefraetwad. siöum sellic ic seah s e a r o hweorfan, grindan wiö greote, giellende faran. 55
n a e f d e sellicu wiht syne ne folme, exle ne e a r m a s , sceal on a n u m f e t searoceap swifan, swiöe f e r a n , f a r a n over feldas, h a e f d e fela r i b b a . . . 1 Dieser Mittelkreis ist a u f m a n n i g f a c h e Weisen verschönert, mit Wunderzier geschmückt. S e l t s a m im Beginnen s a h ich schweifen ein K u n s t w e r k , knirschen wider den K i e s u n d klingend fahren. Nicht besaß d a s s e l t s a m e D i n g Gesicht noch H ä n d e , Nicht Achseln, noch A r m e . E s soll a u f e i n e m F u ß e d a s K u n s t w e r k schweifen, k r ä f t i g wandern, fahren über Felder. E s h a t t e viele R i p p e n . . . Dies alte R ä t s e l s a g t viel a u s über den schönheitsempfänglichen Sinn der A n g e l s a c h s e n ! Überall dort, wo in ihren Gedichten u n d E p e n v o n Schiffen, v o n Meerfahrt die R e d e ist, fügen sich die schönsten, urtümlichsten W o r t e zu anschaulicher B e s c h r e i b u n g z u s a m m e n . Als l e b e n d i g e s Wesen erscheint d a s Schiff, als d a s den Sachsen so liebe P f e r d . E i n e Stelle aus vielen gleicher A r t sei zitiert: . . . fearoö h e n g e s t a s y m b geofenes staeö gearwe stodon, saelde s a e m e a r a s sunde getenge. . . L e t o n }ja ofer fifelwaeg f a m i g e scriöan b r o n t e brimjjisan. . . s e a h m e a r h p l e g a n 2 . . .die W o g e n h e n g s t e s t u n d e n bereit zur R e i s e an dem R a n d des Ozeans, die geseilten Seerosse a u f der S c h a u m f l u t ruhend. . . . Sie ließen schaumig schreiten über die Salzflut d r a u f die B r a n d u n g s r a u s c h e r . . . die S e e r o s s e t a n z t e n . Wie sehr diesem germanischen Volk Schiff u n d S e e f a h r t heilig war, geht a u s den schönen Versen des „ A n d r e a s " 3 hervor, wo Christus selbst der „Holmwart" ist: aeghwylcum wearö on merefaroöe m o d geblissed. den K e m p e n allen W a r d a u f der Meerfahrt d a s G e m ü t beseligt. Wie ganz anders klingt es, wenn B e d a oder andere lateinisch schreibende Schriftsteller von einer Meerfahrt berichten, wobei es sich m e i s t u m die 1
Rätsel 33. 56
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„Elene" 226.
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Andreas 350.
Reise eines Priesters nach Frankreich oder Rom zu einem kirchlichen Oberhaupt handelt. Da finden wir nur Andeutungen wie „nachdem er den Ozean überquert h a t t e . . . 1 4 1 oder noch bezeichnender: „Er verließ das Vaterland und ging nach Rom" 2 . Hier ist Rom alles, die Meerfahrt nichts! — Freilich, als einmal eine wunderbare Errettung aus Seenot beschrieben wird, finden wir auch bei Beda eine kurze, aber sinnfällige Beschreibung: fünf Schiffe wurden auf das offene Meer hinausgetrieben, „so daß sie schon wie fünf kleine Vögel aussahen" 3 . Eine lange Ü b e r l i e f e r u n g lag der altenglischen Seefreudigkeit zu Grunde. Zunächst ist der Schiffsbau eine jedem germanischen Volk nahestehende Werkkunst, was sich schon daraus ersehen läßt, daß in der gesamten Schiffsterminologie der Germanen kaum fremdsprachliche Bestandteile vorkommen, dagegen steht mancher dem Germanischen entlehnte Ausdruck im romanischen Wortschatz 4 . Zumal die Angelsachsen sind als echte Küstenbewohner Seefahrer gewesen, lange schon vor jenem Briefe des Sidonius Apollinaris (5. Jahrhundert) an einen römischen Feldherrn, worin er von den „kurvigen Kielen" der Sachsen spricht und hinzufügt: „Diesen Leuten ist Schiffbruch mehr eine Übung als ein Schrecken". Aus der kontinentalen Zeit der Angelsachsen ist das Boot von Nydam erhalten (jetzt in Kiel), ein 28rudriges Fahrzeug, noch ohne Mast; es ist wie alle germanischen Schiffe klinkergebaut, und die übereinanderfassenden Planken, die ehemals wohl in verschiedenen Farben gegeneinander abgesetzt waren, sind mit mehreren Tausend Nägeln zusammengehalten. Scip sceal (be) g e n a e g l e d ! Das Schiff soll g e n a g e l t sein! 5 so wollen es die „Denksprüche". Im „Heliand", dem altsächsischen Epos von etwa 820, das in Stil und Auffassung der christlichen Poesie der stammverwandten Angelsachsens nahe steht, finden wir ein Kompositum „neglitscip" (das genagelte Schiff) 6 . Daß die großen eisernen Nägel gleichzeitig als Zier angesehen wurden, ist der Rolle zu entnehmen, die der „naegled sine" (genagelter Schmuck) 7 einnimmt. Das Nydam-Schiff, mag es ein altsächsisches oder altdänisches Seeschiff gewesen sein, darf als Prototyp der altenglischen Schiffe angesehen werden, die wir uns aber als vollkommener in Größe, Gestalt und Ausstattung denken müssen. „On J)rim ceolum", d. h. „auf drei Langschiffen" kommen die Angelsachsen um die Mitte des 5. Jahrhunderts nach Britannien 8 . Aus den Ge1 3 1 6 8
2 Bedae Historia Abbatum, ed. Plummer. Hist. EccI. IV, 16. Vita Cuthberti, c. III. Giles IV, S. 216. Vgl. H. Schnepper, Die Namen der Schiffe und Schiffsteile im Ags. Kiel 1908. 6 Heliand Vers 1186. Gnomische Sprüche VIII, 6. ' Beowulf 2023. Earle-Plummer, Two Anglo-Saxon Chronicus. I, S. 13. Oxford 1892—99. E, 499.
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setzen Aeöelreds1 wissen wir, daß solch ein Langschiff („ceol") von beträchtlichen Dimensionen gewesen ist. Die äußere Form des Schiffes tritt in folgenden Versen aus „Beowulf" in Erscheinung: Gewat J)a ofer waegholm winde gefysed, flota famihals fugle gelicost oö-jpaet ymb an-tid oberes dogores w u n d e n - s t e f n a gewaden haefde J)aet ]pa liöende land gesawon.2 Vom Winde geflügelt durchflog seinen Weg Das Schiff wie ein Vogel, das schaumhalsige, Bis am nächsten Tag zur nämlichen Zeit Der g e w u n d e n e S t e v e n so weit gelangte, daß Land die Segler erlugen konnten. Hier haben wir das schlanke, vogelschnelle Schiff mit schöngeschwungenem Steven, das „Schiff mit gewundenem Hals" (wudu wundenheals) 3 . Wie schmal es unten zuläuft und wie fest der Kiel ist, ersieht man daraus, daß das Schiff unbeschadet am Strande auffahren kann. . . .Ceol up gej)rang, lyft-geswenced on lande stod.4 . . .Der Kiel drang aufwärts, und am Lande stand er luftgeschaukelt. Daß trotz der schlankgeschwungenen Umrißlinie das Innere geräumig ist, wie „sid-faeöme seip" (das weitbusige Schiff) 5 erkennen läßt, muß auf große Fertigkeit in der Schiffsbaukunst zurückgeführt werden. Besonders große Sorgfalt wird auf die Gestaltung des B u g s verwandt. Der Bug ist „brant", d. h. steilaufragend 6 ; nach der Form des Bugs werden die Schiffe insgesamt als „brentingas" 7 bezeichnet. — Als Variation zu „brant ceol" (steilaufragendes Langschiff) steht der Ausdruck „heah hornseip" (das hochgehörnte Schiff) 8 (vergl. S. 23ff.). Wie schon an anderer Stelle erwähnt wurde, findet sich der gleiche Ausdruck auch im altsächsischen „Heliand", als das Schiff beschrieben wird, in dem Jesus während des Seesturms schläft: . . .the naco furöor screid, höh hurnidskip 9 . . . . der Nachen fuhr weiter, das hochgehörnte Schiff. 1 2 6
Liebermann, Gesetze der Ags. IV A II. R. Schmid, Gesetze der Ags. S. 218. Leipzig 1858. 3 Ebda. 298. 4 Ebda. 1912. 5 Ebda. 1917. Beowulf 217. 7 Beowulf 2807. 8 Andreas 274. 9 Heliand 2265. „Andreas" 273.
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Der „hochgehörnte", d. h. schöngeschwungen emporragende Steven wird obendrein noch verziert. Ein Schiff ist „hringed-stefna", 1 es hat einen „beringten Steven". Es geschieht dies durch Aufnageln von Toppstücken auf Vorder- und Achtersteven, welche aus schneckenhausartig geringelten und bunt bemalten Gebilden aus Holz bestehen. Am deutlichsten sind die „Ringelstücke" auf dem gotländischen Grabstein von Stenkyrka zu erkennen (Abb. in J . Hoops, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Artikel Schiff), sie müssen aber auch an altenglischen Schiifen zu finden gewesen sein. Das beweisen nicht nur zahlreiche Belege aus der Literatur 2 , sondern auch Schiffsbilder auf den „ S c e a t t a s " , den angelsächsischen Silbermünzen des 6. bis 8. Jahrhunderts. So stellt die Rückseite einer Münze einen Mann dar mit einem Kreuz in der rechten und einem Vogel in der linken Hand, der in einem Boote steht; der Achtersteven schwingt hoch aus in einer Linie mit einem Punkt, worin man das aufgenagelte Ringelstück erkennen darf. (Abb. 44a). An Stelle des Ringelstücks erhielt der Vordersteven wohl schon zu dieser Zeit ein Toppstück in Gestalt eines geschnitzten Tier- oder Menschenkopfes. Alle Einzelheiten, an Hand derer wir uns das Bild eines angelsächsischen Schiffes aufbauen konnten, zeigen deutlich, daß die vollendete Zweckform hier zur vollendet schönen Zierform gesteigert wurde. Der Schiffsbau bestätigt uns die hochentwickelte Holzbaukunst der Angelsachsen, wie der Germanen überhaupt. Seit dem Fund des Osebergschiffes ist das Interesse für S c h i f f s b e g r ä b n i s s e rege geworden. Im „Beowulf" wird uns nun eine Schiffsbestattung geschildert, merkwürdigerweise aber in der allerfrühesten, auf mythische Zeiten zurückgreifenden Form: man setzte den Toten auf das Schiff, das auf See geschoben und von den Fluten davongetragen wurde — die Seele des Menschen, aus unbekannten Fernen gekommen, ging wieder in unbekannte Fernen zurück. Aledon £>a leofne Jpeoden, beaga bryttan, on bearm scypes maerne be maeste. jaaer waes madma fela of feorwegum, fraetwa gelaeded. . . J)a gyt hie him asetton segen gyldene heah ofer heafod, leton holm beran, geafon on garsecg. 3 1
2 3
Grein-Köhler, Sprachschatz der ags. Dichter. Heidelberg 1912: rostro prorae annuliformi instructus." Beowulf 32, 1131, 1897 u. a. m. Beowulf 34. ,,of feorwegum", „Ferngold" = römisches Gold.
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E s legten die M a n n e n den lieben König, D e n Brecher der Ringe, a n B o r d des Schiffes Beim Mäste nieder. Gar m a n c h e s Kleinod U n d S c h m u c k aus F e r n e w a r d eingeladen. . . Sie h i ß t e n i h m noch zu H ä u p t e n ein B a n n e r , E i n goldgefärbtes, d a n n gab m a n ihn preis den t o s e n d e n Wellen. Diese vorhistorische B e s t a t t u n g s a r t ist die innere Voraussetzung zu d e m s p ä t e r d a r a u s e n t s t e h e n d e n historischen Schiffsbegräbnis. Aus diesem ist wiederum abzuleiten (oder a u c h gleich d e m f r ü h e n B r a u c h entspringend) die sogenannte „ S c h i f f s s e t z u n g " , wobei ein G r a b m i t Steinen in der F o r m eines Schiffes besetzt wird. Die Schiffsbegräbnisse findet m a n in Norwegen u n d Schweden, v e r s t r e u t in K ü s t e n g e g e n d e n (Schottland, B r e t a g n e , R u ß l a n d ) u n d auf Inseln (Island, Gotland), also überall dort, wohin Wikinger gekommen sind. I n D ä n e m a r k gibt es dagegen n u r Schiffssetzungen. E s ist also ganz altes E r i n n e r u n g s g u t aus der Ostseeheimat, was das Beowulfepos mit der Schilderung einer Schiffsbestattung in ihrer wahrscheinlich ursprünglichen F o r m b r i n g t ! U n d doch ist die anschauliche Beschreib u n g völlig richtig. An den Mast lehnen sie den T o t e n , legen ihm Kleinodien in den Schoß u n d u m g e b e n i h n m i t R ü s t u n g e n u n d W a f f e n . So f a n d m a n im V e n d e l - G r a b Nr. 9 (Schweden) den H ä u p t l i n g beigesetzt, den Schild im Schoß, das Schwert zur Seite u n d (ursprünglich) gegen den Mast gelehnt. Die Schiffsbegräbnisse S k a n d i n a v i e n s b e g i n n e n u m die Mitte des 7. J a h r h u n d e r t s 1 u n d d a u e r n bis z u m 10. J a h r h u n d e r t an. D a ß im Beowulf die m y t h i s c h e F o r m der Schiffsaussendung 2 u n d nicht die historische des Schiffsbegräbnisses geschildert wird, v e r r ä t , d a ß die E r z ä h l u n g im L a u f e des 6. J a h r h u n d e r t s , b e v o r die Schiffsbegräbnisse einsetzten, von dem E n t stehungsland (Südschweden—Seeland) gelöst sein m u ß t e . Hier h a b e n wir also in einer westgermanischen D i c h t u n g die Schilderung einer nordgerm a n i s c h e n B e s t a t t u n g s s i t t e (wenn auch in einer Vorform) g e f u n d e n , f ü r die wir keine E n t s p r e c h u n g in E n g l a n d aufweisen k ö n n e n . Allerdings e n t d e c k t e m a n 1862 in einem T u m u l u s der Bronzezeit bei A l d e b u r g h (in Suffolk, a m Meer gelegen) ein großes k l i n k e r g e b a u t e s Boot. I n der Mitte des B o o t e s f a n d e n sich Reste von H a a r e n u n d ein S t ü c k v o n einem Rüsselbecher, dazu ein goldner Fingerring m i t Filigranarbeit, die eine römische G e m m e u m f a ß t e . Lose im Hügel a u ß e r h a l b des Bootes f a n d m a n eine anglische U r n e 1
2
Es gab Übergangsformen schon etwa 100 Jahre früher: damals ist das Schiff samt dem Toten verbrannt und die Asche in einer Urne gesammelt worden. Die ersten richtigen Bootgräber zeigen verbrannte Knochen in einem unverbrannten Schiff, dann erst wird der unverbrannte Tote im Boot beigesetzt. Möglicherweise sprechen auch keltische Züge mit: die Fahrt ins Blaue.
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11.
G o t t v a t e r s c h l i e ß t d i e A r c h e zu. N a c h e i n e r M i n i a t u r der Caedmon Genesis
und eine Urne aus der Bronzezeit. Die Sachlage ist folgende: In einem bronzezeitlichen Tumulus ist zur frühen angelsächsischen Zeit •— das bezeugt die anglische Urne — eine Brandbestattung gemacht worden und als drittes ein Schiffsbegräbnis, letzteres nicht vor Ende des 6. Jahrhunderts, was der Rüsselbecher beweist. Höchstwahrscheinlich ist das Bootsbegräbnis nicht von Angeln, sondern von Wikingern gemacht worden, die an dieser Küste landeten, denn die mögliche Zeitspanne für ein anglisch-heidnisches Begräbnis umfaßt nur wenige Jahrzehnte, zwischen 600 (Rüsselbecher!) und 627 (Christianisierung). — Eine „Schiffssetzung" wie in Dänemark ist in England überhaupt nicht gefunden worden. Eine besondere Rolle in der frühen Poesie wie in der bildenden Kunst nimmt ein eigenartiges „Schiff" ein, das nicht vergessen werden darf: die A r c h e N o a h ! Sie ist ebenso Haus wie Schiff, ein „merehus micel" 1 (großes „Meerhaus"), eine „micle merecieste" 2 (große Meereskiste) und „holm-aerna maest" 3 (das gewaltigste der Wogenhäuser). Wohl ist es nach biblischer Anweisung in den vorgeschriebenen Maßen hergestellt und mit „eoröan Iime \>y selestan" 4 (dem allerbesten Erdenlehm) gefestigt, aber doch kann der Dichter seine germanische Anschauung nicht verleugnen. Er spricht vom „naegled bord", dem genagelten Bord des Schiffes, und dann wieder gibt er die Arche unter dem Bild eines Gehöfts wieder. Wie anschaulich und volkstümlich klingt dies : 1
Genesis 1303.
2
Ebda. 1316.
3
Ebda. 1422.
4
Ebda. 1323.
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Siööan wide r a d wolcnum u n d e r , ofer holmes hrincg hof seleste for m i d f e a r m e . . . 1 W e i t h i n r i t t d a u n t e r den W o l k e n , D e r H ö f e bester ü b e r Meeres T o s e n , F a h r e n d m i t der F r a c h t . Dies Zweierlei, das Biblische v e r b u n d e n m i t der germanischen Anschauung, m a c h t sich auch b e m e r k b a r in den D a r s t e l l u n g e n der Arche, wie wir sie in angelsächsischen H a n d s c h r i f t e n finden. Die Caedmon-Genesis (Bodleian L i b r a r y ) , die zwar erst aus dem 10. J a h r h u n d e r t s t a m m t , aber sicher auf ältere A n s c h a u u n g z u r ü c k g r e i f t , zeigt deutlich diese Mehrgesetzlichkeit (Abb. 11). Die I d e e eines Schiffes ist zu m ä c h t i g im I l l u s t r a t o r gewesen, als d a ß er etwas anderes h ä t t e zeichnen k ö n n e n als ein genageltes Boot, dessen r a g e n d e Steven sich zu z o o m o r p h e n Gebilden auswachsen. Dieses Schilf n u n t r ä g t die eigentliche Arche. W ä h r e n d aber der Dichter v o n dieser noch v o n einem „ G e h ö f t " sprechen k a n n , gibt der a u f Vorbilder angewiesene Zeichner einen a n t i k e n T e m p e l b a u wieder. Hier s t e h t also, wie so oft, f r e m d e Bildung u n d eigenes Volksgut d i c h t n e b e n e i n a n d e r , diesm a l sich zu einer seltsamen E i n h e i t z u s a m m e n f i n d e n d . Überblicken wir noch einmal alles, was altenglischen Schiffsbau b e t r i f f t , so e r k e n n e n wir ein Gebiet r e i n g e r m a n i s c h e r V o l k s k u n s t o h n e j e d e f r e m d e B e i m i s c h u n g . D a ß in der C a e d m o n - H a n d s c h r i f t die Arche N o a h n i c h t anders als in V e r b i n d u n g m i t einem Schiff gedacht werden k a n n , b e s t ä t i g t die den Angelsachsen e i n g e b o r e n e V o r l i e b e f ü r alles, was m i t M e e r f a h r t u n d Schiffsbau z u s a m m e n h ä n g t ! HEIDNISCHE KULTSTÄTTEN UND
GÖTTERVEREHRUNG
„Sie (die Germanen) h a l t e n es im übrigen u n v e r e i n b a r m i t der Größe der Himmlischen, die Götter in W ä n d e einzuschließen oder irgendein Bild m i t menschlichen Zügen von ihnen zu m a c h e n 2 . " Viel zu wenig w i r d b e a c h t e t , d a ß neben diesem oft zitierten Satz a u s der „ G e r m a n i a " des T a c i t u s sich a n d e r e , d e m widersprechende Hinweise finden. „Gewisse B i l d n i s s e u n d Z e i c h e n holen sie a u s den H a i n e n u n d t r a gen sie ins G e f e c h t 3 . " I m 40. K a p i t e l h e i ß t es, d a ß sieben Völker ( d a r u n t e r die A n g e l n ) die N e r t h u s verehren, die auf einem W a g e n feierlichen U m z u g hält, „bis d a ß der Priester die G ö t t i n d e m H e i l i g t u m ( t e m p l o ) w i e d e r g i b t " . F e r n e r e r w ä h n t T a c i t u s in seinen A n n a l e n , d a ß G e r m a n i k u s einen T e m p e l der T a n f a n a z e r s t ö r t 4 . 1 4
Genesis 1337. Annales I, 50, 51.
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2
Comelii Taciti Germania, c. 9.
3
Ebda. c. 7.
Dieser Widerspruch ist so zu erklären, daß sich bei Tacitus zwei Bilder durcheinanderschieben, ein Bild der frühesten Zeit, wo tatsächlich eine unsichtbare Gottheit in einem Hain verehrt wurde und ein zweites, der Taciteischen Zeit angehörendes Bild, welches ein Vorhandensein von Kultstätten und Götterbildern irgendwelcher Art verrät. Sicherlich verpflanzten die Angelsachsen — als ein stark irrational eingestelltes Volk — die gewohnten Kultübungen nach England, vor allem den Wodanskult. Hier fanden sie neben christlichen Kirchen — die ihnen nichts bedeuten konnten — eine große Reihe britorömischer heidnischer Heiligtümer vor, manche davon schön gebaute Tempel, andere aber — und diese mußten ihnen auffallen — aus der Umwallung eines heiligen Baumes oder Felsens bestehend, wie es Chanctonbury Ring (Sussex) mit seinem unregelmäßigen Oktogon (von 17 m größter Ausdehnung) zeigt. 1 Sie sahen auch britische Göttergestalten, die nach Gildas Bericht als „teuflische Schreckgestalten. . . mit finsteren Mienen in verlassenen Kultstätten langsam verwitterten 2 ". Sicherlich ist der britische Götzendienst nicht ohne Einwirkung auf die Angelsachsen geblieben. J . E. Couehman3 nimmt an, daß die sogenannte „Sussex Carving", ein romanobritischer Steinklotz mit ausdrucksvollem Kopf, auch von den Angelsachsen verehrt worden sei. Vor allem berührte sich der germanische Kult mit dem britischen dort, wo es galt, Bäume, Quellen und dergleichen zu verehren. Doch ergäbe sich uns ein falsches Bild vom frühen angelsächsischen Heidentum, wenn wir die zahlreichen aus der Dänenzeit (9./10. Jahrhundert) stammenden Gesetze „gegen die Heiden" für das 7. Jahrhundert anziehen wollten. Diese verbieten in allgemein gehaltenen Ausdrücken ein Heidentum in Gestalt von Opfer, Wahrsagung, Zauberei, sowie Verehrung von Sonne, Mond, Feuer und Flut 4 . Es sind Warnungen vor Rückfällen unter dein Einfluß der heidnischen Wikinger. In unsrer Darstellung müssen wir vielmehr auf Verordnungen des 7. Jahrhunderts zurückgreifen, wie sie uns z. B. das „Poenitentiale" des Bischofs Theodorus von Canterbury (668—690) gegeben hat, und auf Berichte von frühen Chronisten, vor allem auf Beda. Wir erfahren durch sie, daß es im 7. Jahrhundert sowohl Idole wie auch Kultstätten gegeben hat. Alte Spruchweisheit sagt: „Wodan wirkte G ö t z e n , der allwaltende Gott den weiten Himmel" (Wodan worhte weos, wuldor alwalda rume roderas). — „Idolorum cultus insequere, fanorum aedificia everte!" („Unterdrücke die Verehrung der G ö t z e n , zerstöre die Bauten der Heiligtümer") mahnt der sicher wohl unterrichtete Papst Gregor in einem Handschreiben von Vergl. H. Koethe, Die keltischen Rund- und Vielecktempel der Kaiserzeit. 23. Ber. d. röm.-germ. Komm. 1934, S. 77. 2 M. G. Auct. ant. XIII, p. 29. Ed. Mommsen. 3 s. The Antiquaries Journal Bd. 4, S. 19. Jahrg. 1924. * Aus Knuts Gesetzen. Vergl. Liebermann II, 2. S. 503. Artikel „Heidentum". 1
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601 den kentischen König Acöelberht 1 . Wie es scheint, nicht mit dem besten Erfolg, denn erst von einem seiner Nachfolger Earconberht von Kent (640 bis 664) wird erzählt, daß er „als erster der englischen Könige in seinem ganzen Reich die G ö t z e n b i l d e r (idola) zu zerstören befahl 2 ". Gerne würden wir etwas Näheres über diese I d o l e erfahren haben! Die Stufe eines Pfahls mit einer menschlichen Gestaltandeutung ist vielleicht noch nicht vorüber. König Edwin von Northumberland dient noch „ a b o m i n a n d i s idolis", (verabscheuungswürdigen Götzenbildern), wie ein besorgter Brief des Papstes Bonifatius (um 626) besagt. Es kann zweierlei darunter verstanden sein. Entweder handelt es sich um menschliche Darstellungen, dann wären diese primitiv und ungeschlacht wie alle diese Bildungen, vielleicht in Nachahmung romanobritischer Götzenbilder (wie das oben erwähnte). Es können aber auch Holzblöcke bedeckt mit zoomorphen oder anthropomorphen Ornamenten gemeint sein, solcher Art wie wir sie auf Schmucksachen finden; in letzterem Fall dürfen wir hohe Kunst darin erblicken. Beides mußte dem Papste vom christlichen wie von seinem künstlerischen Standpunkt aus „verabscheuungswürdig" vorkommen. Ein anderes Schreiben desselben Papstes scheint bestimmt f i g ü r l i c h e B i l d u n g e n im Sinne zu haben. Bonifatius klärt darin Edwin auf, daß er zwar durch menschliche Fertigkeit den Götzen eine „Gleichheit der Gliedmaßen" verschafft habe, aber, so fährt er fort, „wenn du sie nicht selber fortbewegst, so können sie keinen Schritt gehen 3 ." Ahnlich klingt ein Vers aus „ J u l i a n e : Naefre [)u gelaerest, J>aet ic laesingum dumbum and deafum deofolgieldum gaesta geniölum gaful onhate. . . 4 Du treibst mich nimmer, daß den Trugbildern, den tauben und stummen Teufelsgötzen, den Geisterverderbern, ich Gaben opfre. Die Verehrung von T i e r g e s t a l t u n g e n ist ebenfalls anzusetzen: wir finden auf einem in Benty Grange (Derbyshire) gefundenen Helm eine kleine, fast rundplastische Eberdarstellung (Abb. 49), etwas steif zwar, aber doch so typisch, daß eine gewisse Übung in rein figürlichen Tierbildungen vorauszusetzen ist, besonders in solchen dem Gotte Freyr geweihten „swinlicum" (Eberbildern) 5 . Was das M a t e r i a l der I d o l e betrifft, so belehren uns darüber Gespräche König Oswios von Northumberland mit dem Ostsachsenkönig Sigbert (653), also eines Angelsachsen mit einem andern. Das könnten keine Götter sein, so ermahnt Oswio, die von Menschenhänden geschaffen wären: 1 4
Hist. Eccl. I, 32. Juliane 149.
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2 6
Ebda. III, 8. Beowulf 1453.
3
Hist. Eccl. II, 11 und I I , 10.
„ a u s Holz oder aus Stein k a n n m a n keine Götter erschaffen 1 ". D e m n a c h war das gebräuchliche Material f ü r Götzenbilder Holz oder Stein. E i n e heidnische K u l t s t ä t t e wird in lateinischen Schriftquellen jedesm a l m i t dem W o r t „ f a n u m " wiedergegeben. Es ist dies ein vieldeutiges W o r t , u n d wir sehen uns deshalb besser in altenglischer L i t e r a t u r um 2 . D o r t finden wir das merkwürdige W o r t „ e a l h s t e d e " , das ursprünglich eine S c h u t z h ü t t e , im 7-/8. J a h r h u n d e r t a b e r schon ein größeres G e b ä u d e bed e u t e t e , da es variiert wird mit „ w e i t e B u r g " . I n der B e d e u t u n g „ T e m p e l s t ä t t e " s t e h t es in folgendem V e r s : „ H e Babilone a b r e c a n wolde, a l h s t e d e eorla 3 ." „ E r wollte B a b y l o n zerbrechen, den T e m p e l s i t z der J a r l e . " D a s gebräuchlichste W o r t ist „ h e a r g " 4 . E s e n t s p r i c h t d e m nordischen „ h g r g r " ( H a u f e n v o n z u s a m m e n g e t r a g e n e n Steinen als O p f e r s t ä t t e ) . I m Angelsächsischen ist jedoch u n t e r „ h e a r g " etwas anderes als im Nordischen zu verstehen, z u m m i n d e s t e n n i c h t ein S t e i n h a u f e n allein. E i n „ h e a r g " ist vielmehr immer eine größere Anlage u n d ein besonders wichtiger Ort. I n F l u r n a m e n treffen wir das W o r t an, z. B. „ a e t h a e ö e n u m h e a r g e " 5 (am heidnischen Heiligtum). I m m e r wieder erhebt sich die Frage, ob „ h e a r g " (oder f a n u m ) nur einen h e i l i g e n H a i n bezeichnen soll oder auch ein darin befindliches t e m p e l a r t i g e s G e b ä u d e . Wir h a b e n zwei Beweise, d a ß letzteres der Fall w a r . Z u n ä c h s t gibt es im Angelsächsischen ein anderes W o r t f ü r „heiliger H a i n " , nämlich „ b e a r w e " . B a e r b u r h t i m b r e d e ond b e a r o sette, weobedd w o r h t e . . . 6 E r setzte eine B u r g u n d einen heiligen H a i n , W i r k t e einen A l t a r . A u c h bearwe findet sich als O r t s n a m e . Beda e r w ä h n t eine K l o s t e r g r ü n d u n g „ i n einem Ort, der A d b a r v a e g e n a n n t wird, das h e i ß t „ i m H a i n " (nemus), in der P r o v i n z Lindsey 7 ". Ä u ß e r s t wichtig ist ein Beowulf-Vers: H w i l u m hie g e h e t o n aet h e a r g - t r a f ' u m wigweoröunga 8 . Inzwischen t r i e b e n sie in K u l t t e m p e l n Götzenverehrung. 1 2 3 5 4
Hist. Eccl. III, 22. Vgl. R. Jente, Die mythol. Ausdrücke im aengl. Wortschatz. Heidelberg 1921. 4 Daniel 690. Neuenglisch „harrow" (in Ortsnamen!). W. de Gray-Birch, Cartularium Saxonicum, II, 309, 2. London 1883—93. 8 Genesis 2840. ' Hist. Eccl. IV, 3. Beowulf 175. 5
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Das Kompositum hearg-traef bedeutet in seinem zweiten Bestandteil ein ,, G e b ä u d e " 1 . Von „tigelfahan t r a f u " (ziegelbunten Häusern) lesen wir in dem Epos „Andreas" 2 . Dies wie die Herkunft des Wortes von lat. „tra-bs" gleich „ B a l k e n " weist darauf hin, daß es f e s t g e b a u t e t e m p e l a r t i g e K u l t s t ä t t e n bei den Angelsachsen gegeben haben muß. Die ausführlichste Beschreibung einer Kultstätte enthält die schon in einem früheren Abschnitt erwähnte Bekehrungsgeschichte der Northumbrer (S.40). Als gefragt wird, „wer die Altäre und die Kultstätten samt den Zäunen, mit denen sie umgeben sind, als erster entweihen sollte", bietet sich der Hohepriester Coifi (Cefi) selbst dazu an; er sei am meisten dazu geeignet, die Dinge zu zerstören, die er in Unwissenheit verehrt habe. „Sofort bat er den König um Waffen und ein Pferd. Er umgürtete sich mit dem Schwert, nahm eine Lanze in die Hand, und, das Pferd besteigend, drang er zu den Idolen vor. Er zögerte nicht, sobald er sich der Kultstätte (fanum) näherte, diese zu entweihen, indem er die Lanze hineinschleuderte. . . Er befahl dann seinen Gefährten, das Heiligtum (Tempel ?) mit all seinen Umzäunungen zu zerstören und anzuzünden 3 ". Diesem Bericht läßt sich zweierlei entnehmen: Der Tempel ist aus Holz, denn er schleudert die Lanze darauf, und diese — wie die angelsächsische Ubersetzung hinzufügt — „bleibt fest darin stecken" (sticcode faeste on ¡)am herige). Zweitens: zu einem Tempel gehören eine größere Anzahl von U m z ä u n u n g e n (cum omnibus septis suis), die, wahrscheinlich geschnitzte Balken und Tore mit symbolischen Darstellungen enthaltend, einen oder mehrere Vorhöfe abtrennten. Dies ist g e r m a n i s c h e Sitte. Wir sehen die Bedeutung der Umzäunung bei dem Palast Attilas, beim Plan von St. Gallen, wo die Gesamtanlage von einem Zaun umschlossen und eine innere wichtige Stätte noch einmal besonders für sich eingehegt wird 4 . Das Northumbrische Heiligtum befand sich in Godmunddingaham, heute Goodmanham (Yorkshire). Dort befindet sich jetzt eine Normannische Kirche mit Resten eines angelsächsischen Baus, der vielleicht auf der zerstörten Kultstätte errichtet worden ist. Die Kirche befindet sich auf der Spitze eines Hügelzugs und schaut wie ein Wahrzeichen auf das Dervent Tal hinab. Uber den G r u n d r i ß e i n e s T e m p e l s erhalten wir eine indirekte Auskunft ebenfalls durch Beda 5 . Der König der Ostanglier, Redwald, war auf traef heißt auch „Zelt", doch das kommt hier nicht in Frage. Noch heute ist das Wort, im Wallisischen in einer Wortgruppe enthalten, die W'ohnung, Dorf usw. bezeichnet. Siehe Spurreil, English-Welsh Dictionary. Carmarthan 1864. traef ist neuengl. trave (Notstall). 2 Andreas 844. 3 Hist. Eccl. II, 13. 4 Welche Bedeutung der Zaun für ags. Wohnsitten hatte, läßt sich ermessen aus der Wendung : „eoden in under edoras", wörtlich: „sie gingen ein durch die Zäune". Zur Zeit unserer Untersuchung bedeutet es einfach „hinein", d. h. hinein in das Haus. ' Hist. Eccl. II, X V . 1
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einer Reise n a c h K e n t m i t d e m C h r i s t e n t u m in B e r ü h r u n g g e k o m m e n (etwa 620). Der E r f o l g war der, d a ß er, h e i m g e k e h r t nach Ostanglien, „in derselben K u l t s t ä t t e sowohl einen A l t a r h a t t e zur V e r e h r u n g Christi als a u c h ein Altärchen, u m d a r a u f den U n h o l d e n zu o p f e r n 1 " . Dieses f a n u m s t a n d noch bis Bedas Zeit. Es enthielt also zwei Altäre, einen großen christlichen u n d einen kleinen heidnischen. M a n k ö n n t e einen einzigen rechteckigen R a u m a n n e h m e n , in dem beide A l t ä r e s t e h e n ; doch d a m i t ist die A n o r d n u n g der Altäre nicht geklärt. D e s h a l b d ü r f e n wir a n ein dem nordischen T e m pel ähnliches G e b ä u d e denken, b e s t e h e n d aus zwei rechteckigen hintereinanderliegenden R ä u m e n m i t einer T r e n n u n g s w a n d in der Mitte. I n Skandinavien enthielt der kleinere, chorartige R a u m den A l t a r ; im größeren Vord e r r a u m b e f a n d sich die Gemeinde u m einen m i t t l e r e n H e r d , das Opferm a h l bereitend 2 . Vielleicht h a t K ö n i g Redwald den christlichen Altar h i n t e n im kleineren R a u m aufgestellt u n d das heidnische „ A l t ä r c h e n " vor der R ü c k w a n d des v o r d e r e n R a u m e s , in erreichbarer N ä h e des Opferherdes. Es ist b e a c h t e n s w e r t , d a ß der G r u n d r i ß des nordischen Tempels d e m vieler altenglischer K i r c h e n gleicht. Auch hier liegt ein kleinerer rechteckiger R a u m h i n t e r einem größeren. Beide sind zwar d u r c h eine Choröffnung v e r b u n d e n , die aber a u f f a l l e n d schmal u n d o f t n u r 1 m b r e i t ist, gerade, als h ä t t e m a n die V e r b i n d u n g beider R ä u m e nicht geplant. Die Möglichkeit einer U m w a n d l u n g v o n h e i d n i s c h e n T e m p e l n i n c h r i s t l i c h e K i r c h e n , wie sie auf d e m K o n t i n e n t s t a t t f a n d , ist a u c h f ü r E n g l a n d n i c h t ausgeschlossen. Als Beweis dient ein Brief des P a p s t e s Gregor an Melittus m i t Anweisungen f ü r Augustin 3 . Baldwin B r o w n 4 m e i n t freilich, der P a p s t h a b e in diesem Schreiben n u r die Verhältnisse der südlichen L ä n d e r vor Augen. D a s d ü r f t e wohl auf einem I r r t u m b e r u h e n , d e n n dieser Brief ist geschrieben, als A u g u s t i n schon vier J a h r e in E n g l a n d war, u n d ist sicherlich die A n t w o r t 5 auf eine ganz b e s t i m m t e A n f r a g e Augustins, über die der P a p s t länger n a c h g e d a c h t h a t : „Teile i h m (Augustin) m i t , was ich n a c h l a n g e m N a c h d e n k e n ü b e r die Sache der Angeln beschlossen h a b e , nämlich d a ß bei diesen die G ö t z e n - K u l t s t ä t t e n (fana idolorum) keineswegs z e r s t ö r t werden sollen. Wohl aber sollen die Idole zerstört werden, die sich darinnen b e f i n d e n (quae in eis sunt, idola). Mit geweihtem Wasser bespritze er die T e m p e l selbst, er errichte Altäre u n d versehe sie m i t Reliquien. D e n n wenn es sich dabei u m g u t g e b a u t e T e m p e l h a n d e l t (si f a n a e a d e m bene 1 2 3 6
Bezeichnung für die Übergangszeit. Vgl. Landnamabök III, 12. Vergl. J. Hoops, Reallexikon. Artikel „Göttertempel". 4 Hist. Eccl. I, 30. Baldwin Brown, a. a. O. I S. 273. Diesem Brief gehen in Hist. Eccl. I, 27 voraus neun Fragen Augustins m i t neun Antworten des Papstes, deren Echtheit allerdings bestritten wird. (M. Müller, Theol. Quartalsschrift 113, S. 94—118.) Ebenso enthält das 29. Kapitel ein Antwortschreiben. 5*
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constructa sunt), so ist es erforderlich, daß sie von der Verehrung der Unholden in den Dienst des wahren Gottes übergeleitet werden." Dieser Brief bezieht sich also auf speziell englische Verhältnisse, was der folgende Satz noch klarer zeigt: „Und weil das Volk daran gewöhnt ist, seinen Götzen eine große Zahl Ochsen zum Opfer darzubringen, so muß man ihnen irgendeine Festlichkeit als Ersatz dafür geben." Er schlägt nun vor, Augustin möge an Festtagen „tabernacula" (Zelte, Hütten) rings um das in eine Kirche verwandelte fanuin errichten und zur Ehre Gottes die Tiere schlachten lassen, man ginge am besten schrittweise vor im Missionswerk! — Da gar keine Anweisung gegeben ist, welche baulichen Abänderungen Augustin machen solle, so muß eine gewisse Übereinstimmung zwischen heidnischer und christlicher Kultstätte bestanden haben. Augustin wird die fana beschrieben und vielleicht auch hinzugefügt haben, daß einige von ihnen „bene constructa" seien. Nun erhebt sich die Frage: waren diese „gutgebauten" Heiligtümer aus Holz oder aus Stein ? Das weiter oben erwähnte Heiligtum von Godmunddingaham war aus Holz, wie wir sahen; und sicher war dies der Fall bei allen ursprünglich angelsächsischen Tempeln nach germanischer Baugewohnheit. Es läßt sich aber denken, daß die Angelsachsen in einer Zeit der Unschlüssigkeit und Erkenntnis der Ohnmacht ihrer Götter einen oder den anderen der zahlreich im Lande vorhandenen romanokeltischen Tempel für sich in Anspruch nahmen; wenn auch nicht im ganzen Land, so doch in Kent mit seiner reichen Hinterlassenschaft an alten Steinbauten. Die Überlieferung erzählt, daß König Aeöelberht von Kent (568—616) vor seiner Bekehrung einen heidnischen Tempel besaß, den Augustin reinigte und dem heiligen Pancraz weihte (vergl. S. 78 u. Abb. 18). Da der Charakter der heutigen Pancraz-Ruine sehr altertümlich ist, wird die Richtigkeit der Überlieferung von führenden Archäologen nicht von der Hand gewiesen 1 . Die Situation ist vielleicht folgendermaßen zu klären: die Reste eines romanobritischen Tempels nahm Aeöelberht oder einer seiner Vorgänger für seinen Götzenkult in Anspruch. Vielleicht bestand sein Tempel nur aus dem elliptischen Bauteil, und die Säulen davor mochten zu einer Vorhalle gehört haben. Auch andere alte Kenter Kirchen galten lange in der Tradition als umgewandelte Heidentempel. Beweisen läßt sich nichts, doch wird der Brief Gregors auf bestimmte Einzelfälle hinzielen. E r g e b n i s . Leider hat sich wenig über eine Frage ermitteln lassen, von der wir gern Genaueres wüßten. Soviel steht fest, daß angelsächsische Kultstätten im Sinn der alten vom Festland mitgebrachten g e r m a n i s c h e n Tradition in heiligen Hainen liegen, aus Holz errichtet und mit mehrfachen 1
Vergl. C. R. Peers und A. W. Clapham, St. Augustine's Abbey Church, Canterbury. Archaeologia X X V I I .
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Zäunen umgeben sind. Wenn Idole vorhanden sind, so bestehen sie aus Holz oder Stein. Möglich ist, daß in manchen Gegenden des Landes ein gewisser k e l t i s c h e r (keltoromanischer) Einfluß auf die Bildung der Idole wie der Kultstätten mitgewirkt hat, doch kann er nur gering gewesen sein. DER ANGELSÄCHSISCHE KIRCHENBAU Material und Bautechnik. Uber die Fülle der erhaltenen angelsächsischen Kirchen und Kirchenreste sind bereits weitgehende Forschungsergebnisse vorhanden und niedergelegt worden, vor allen Dingen in Baldwin Brown's „Anglo-Saxon Architecture" 1 und, neu beleuchtet und ergänzt, in A. W. Clapham's „English Romanesque Architecture before the Conquest" 2 . Es kann sich hier also nur darum handeln, an der H a n d v o n Q u e l l e n u n t e r s u c h u n g e n d e n a l t e n g l i s c h e n c h r i s t l i c h e n S a k r a l b a u in s e i n e r G e s a m t h e i t zu b e t r a c h t e n , U r s p r ü n g e u n d E n t w i c k l u n g e n zu e r f o r s c h e n , n a t i o n a l e v o n f r e m d e n S t r ö m u n g e n zu s c h e i d e n o d e r d e r e n D u r c h d r i n g u n g f e s t z u s t e l l e n . Ein ähnliches Ziel, aber von anderen Grundlagen ausgehend, verfolgte Strzygowski in seinem Sammelband „Der Norden in der bildenden Kunst Westeuropas" 3 . Wir haben in einem vorhergehenden Abschnitt gesehen, welche Bautraditionen die Angelsachsen mit zur Insel brachten. Es erhebt sich nun für uns die Frage: Was fanden sie an Bauten vor ? Als die germanischen Eroberer 449 nach England kamen, waren die Römer seit rund 40 Jahren abgezogen. Obwohl Schauergeschichten von den Zerstörungen durch die „Barbaren" berichten, so blieben doch noch viele Zeugen der römischen Bautechnik bestehen: „Dies beweisen noch heute Städte, Leuchttürme, Brücken und Straßen (civitates, farus, pontes et stratae)' 4 '. Mit „heute" meint der Schreiber, Beda, seine eigene Zeit (um 700). Sein Kloster (Wearmouth-Jarrow) lag ganz nah an der starken römischen Grenzmauer, dem „Piktenwall". Die mächtigen römischen Ruinen flößten dem empfänglichen Sinn der Angelsachsen ehrfürchtige Bewunderung ein, und als „Riesenwerk" (enta geweorc) gehen sie in die Poesie ein. Ceastra beoö feorran gesyne oröanc enta geweorc. . . wraetlic weallstana geweorc 6 . Das Kastell von fern wird gesehen, Das kunstvolle Riesenwerk Aus herrlichen Mauersteinen. 1 3 4
2 Oxford 1930. Baldwin Brown II. London 1925. a. a. O. bes. in dem Aufsatz „Die irisch-ags. Blüte". 6 „Versus Gnomici" III. (Denksprüclie 1.) Hist. Eccl. I, 11.
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Römische Baureste gelten nun als Sehenswürdigkeit, das beweist eine Episode in der Vita Cuthberti 1 . Die Bewohner von Lugubalia (Carlisle) führen ihren Gast Cuöberht aus, „daß er die Mauern der Stadt und die Brunnenanlage (fontem) besehen sollte, ein staunenswertes Werk der Römer (miro Romanorum opere exstructam)". Wie sehr sich dies junge, aber doch stark ästhetisch empfindende Volk für die Mächtigkeit und die feine Farbenwirkung des römischen Quaderbaus begeistern konnte, erhellt ein angelsächsisches Gedicht, das die Ruinen von Bath 2 beschreibt. Es lautet in der schönen Ubersetzung von Hans Naumann 3 : Herrlich ist der Steinwall. Doch gestürzt vom Schicksal Barsten die Burgstätten, zerbrach das Antenwerk 4 . Die Dächer sind vertilgt, zertrümmert die Türme, Der Zier beraubt, voll Reif und Harz, Schartig die Sturmdächer, zerschlissen, zerrissen, Vom Alter benagt. . . Die Mauern erblicken Rehgrau und rotbunt, ein Reich nach dem andern, Stehn unter Stürmen. . . Ein Kühner verband einst Die Quadern kunstvoll mit Klammern von Erz. Licht waren die Burghallen, Brunnensäle viele. . ., . . . Bis daß so geschwinde das Schicksal es wandte. Es fielen weithin die Krieger. Krankheiten kamen. . . . .Der Burgstall barst. . . Die Höfe trauern, Die weitgefügten; entwöhnt der Ziegel Starren die Dächer. Bedeckt mit Trümmern Liegen die Halden, wo viel Helden dereinst Goldgeschmückt und fröhlich... in Waffen schauten. . . Auf die blinkende Burg des breiten Reiches. Steinhöfe standen. . . Der Wall umfing alles Mit schimmerndem Busen, wo die Bäder waren Warm im Innern. Wonnesam war das. Sie ließen sich ergießen Uber graue Steine, die Ströme, die heißen . . . in heiße Wasserbecken. . . Neben der römischen bestand auf der Insel die k e l t i s c h e Bautradition, deren Wesen z w i e s p ä l t i g ist. Einerseits bevorzugten die Kelten (Briten, Schotten, Iren) den H o l z b a u . „More Scottorum 5 " bauen heißt „in Holz bauen". Im Leben von 1 2 3 5
„Vita Cuthberti" c. 27 in Giles "Works of B e d e " 1843. Bd. IV, 294. Bath (Aquae Solis), wurde 577 von den Westsachsen eingenommen. 4 Wörtlich: Riesenwerk. Frühgermanentum a. a. 0 . S. 75. Unter Scotti sind Iren und Schotten (soweit sie irische Einwanderer sind) zu verstehen.
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St. K e n t i g e r n 1 lesen w i r : „ N a c h britischer Sitte fingen sie a n eine K i r c h e . . . aus geglättetem Holz . . . zu b a u e n . D e n n sie k o n n t e n noch n i c h t m i t Stein e n b a u e n , auch war es n i c h t bei i h n e n S i t t e " .— F e r n e r w i r d die H ü t t e des hl. Columba m e h r m a l s als „ T u g u r i o l u m t a b u l i s s u f f u l t u m ( „ B r e t t e r h ü t t e " ) bezeichnet 2 . U n d als der Brite Nynias, ein römischer Christ, der mit M a r t i n von T o u r s b e f r e u n d e t , von i h m B a u l e u t e erhält 3 u n d eine Steinkirche h o c h im N o r d e n E n g l a n d s b a u t (um 400), wird die S t ä t t e „ z u m weißen H a u s e " g e n a n n t , „weil er hier eine Kirche aus Stein errichtet h a t t e , was den B r i t e n u n g e w o h n t war (insolito B r e t t o n i b u s m o r e ) 4 " . „ W b i t e r n e " h e i ß t h e u t e der O r t ; es k o m m t von „ W h i t a e r n " (weißes Haus), weil N y n i a s helle Steinkirche sich seltsam v o n den d u n k l e n , aus L e h m u n d F l e c h t w e r k g e b a u t e n H ü t t e n der E i n g e b o r e n e n a b h o b . D e n n F l e c h t w e r k oder eine M i s c h u n g v o n L e h m , k l e i n e n S t e i n e n u n d F l e c h t w e r k ist die z w e i t e bei den K e l t e n übliche B a u a r t . So errichten die Briten 429 m i t t e n im K r i e g s j a h r e eine „ecclesia f r o n d i b u s e o n t e x t a " („eine K i r c h e aus R u t e n geflochten") 5 . Diese einfachste B a u weise h ä l t sich lange in Wales, u n d , was erstaunlicher ist, auch in nördlichen Teilen Angelsachsens. So ist 995 i n D u r h a m e i n zur A u f n a h m e v o n C u ö b e r h t s Reliquien eilig aus R u t e n hergestelltes Kirchlein (facta citissime de virgis ecclesiola) 6 " als Gegenstück zur hölzernen Greenstead-Kirche bemerkenswert. D a n e b e n ist noch eine d r i t t e , aber n i c h t so v e r b r e i t e t e B a u a r t der Inselkelten zu finden, die ganz besonders religiösen Zwecken dient, n ä m l i c h das B a u e n in S t e i n . Megalithisches G e f ü h l war bei den K e l t e n v o n prähistorischer Zeit h e r v o r h a n d e n , es sprach sich aus in rohen S t e i n d e n k m ä l e r n (den Menhirs) und Steinsetzungen (den Croinlechs) von großartiger Monum e n t a l i t ä t ; zur Römerzeit in schönen S t e i n t e m p e l n . B e i m frühchristlichen irischen Sakralbau h a n d e l t es sich u m unregelmäßig u n d ohne Mörtelverb i n d u n g aufeinandergesetztes Mauerwerk. So e n t s t a n d e n kleine Oratorien zuerst v o n q u a d r a t i s c h e m G r u n d r i ß , deren Mauern durch allmähliches Zur ü c k s e t z e n der Steine ohne Absatz in eine Dachwölbung übergehen, z. B. Skellig Michael in I r l a n d 7 (Abb. 12). — S p ä t e r e Oratorien b e s t e h e n a u s einem oblongen E i n r a u m ; sie h a b e n vertikale M a u e r n u n d ein deutlich ab1
Forbes, Lives of St. Ninian and St. Kentigern. 1874, S. 203. Vita St. Columbae I, 19. Ed. Reeves. Oxford 1874. 3 4 Forbes, S. 143. Siehe Anm. 10. Hist. Eccl. III, 4. 6 Hist. Eccl. I, 20. Aus Vita Germani Autissiod. c. 17 (S. S. rer. Merow. V I I , 264). 6 Symeon of Durham I, 179. Vergl. auch Hist. Eccl. III, 16. ' Merkwürdig erinnert diese Art Bauwerk an den rätselhaften Rundbau Arthurs Oon (Sterling, Schottland), einen bienenkorbförmigen, ohne Absatz gewölbten Bau aus wahrscheinlich kelto-romanischer Zeit. Das Mauerwerk besteht aus verzahnten, nicht verfugten Quadern. Vergl. Harald Koethe, Die keltischen Rund- und Vielecktempel der Kaiserzeit. 23.Bericht der Rom.-Germ. Kommiss. 1934, S. 99.
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12. O r a t o r i u m a u f S k e l l i ; ; M i c h a e l b e i
Irland
gesetztes Dach. Eine dritte Gruppe dieser Steinbauten zeigt etwas behauene Steine mit Mörtelverbindung. Der Grundriß zeigt zwei Räume: einen Betraum und einen dahinter liegenden Altarraum (Abb. lo). Manchmal gesellt sich noch ein dritter Raum, eine Vorhalle, dazu. Uber diese sehr wichtige Grundrißbildung wird später noch zu sprechen sein. Das ist's, was die Sachsen v o r f a n d e n — die mächtige Steinarchitektur der Römer, Holz-, Flechtwerk- und rohen Steinbau der Kelten. Was sie m i t b r a c h t e n , ist schon im Abschnitt über den Profanbau ausführlich dargelegt worden: es war eine ziemlich hoch entwickelte Holzbaukunst. Daher handelt es sich auch überall da, wo Bauten aus alter ererbter Gesittung entstehen, um ein Bauen in Holz. So beim Wohnbau, so bei der Errichtung der heidnischen Weihtümer! Als nun das Christentum eingeführt wurde, wollten die Angelsachsen aus eigener Gefühlseinstellung und bodenständiger Uberlieferung auch dem Christengott Kultstätten aus H o l z bauen. So entstanden dort Holzkirchen, wo der Volkswille unbehindert schalten konnte, vor allem im Norden. Denn der Norden Englands war schon dreißig Jahre vor der römischen Missionierung von den Iren bekehrt worden (565), die von Schottland (Iona) ausgehend, allmählich zum Süden vorrückten. Ihre Bauweise, die zumeist in Holzarchitektur (More Scottorum) und in Lehmflechtwerk bestand, ist den Angelsachsen nicht fremd. K e l t i s c h - i r i s c h e u n d g e r m a n i s c h e B a u g e w o h n h e i t e n t r e f f e n s i c h in N o r d e n g l a n d . So baut Finan die Kirche von Lindisfarne aus Holz: „Er stellte die Kirche her nach 72
der Sitte der Schotten (More Scottorum) nicht aus Stein, sondern ganz aus geschnittenem Kernholz (de robore secto) und deckte sie mit Ried (harundine"). 1 Und die Einsiedelei Cudberlits auf der Insel Farne ist aus „tabulis" („Brettern") 13. G r u n d r i ß e i n e s z w e i r ä u m i g c n i r i s c h e n hergestellt, wobei die Ritzen Oratoriums mit Gras und Lehm verschmiert worden sind. A n d e r s , ganz anders wird die Sachlage, als die s t a d t r ö m i s c h e Mission 597 ins Land kommt und von Süden (Kent) her vordringt. Wohin römisch-christlicher Einfluß dringt, entstehen aus lateinischer Tradition heraus S t e i n k i r c h e n . Es scheint, daß in England schon zu Bedas Zeit (700) alle irgendwie bedeutenderen Kirchen aus Stein waren! Nicht allein, daß Beda Gründungen von etwa 60 Kirchen und Klöstern erwähnt, von denen die meisten Steinbauten waren, sondern es spricht dafür auch die Tatsache, daß es noch heute in England über 200 kleine steinerne Kirchen gibt, die aus angelsächsischer Zeit stammen oder frühe Baureste enthalten. Es ist ein völliger Sieg der christlich-lateinischen Architektur, — so s c h e i n t es. x\ber in Wirklichkeit ist es ein heimliches Ringen gewesen, m i t S i e g u n d V e r z i c h t auf beiden Seiten! Am Anfang steht freilich eine völlige Selbstaufgabe von Seiten der Angelsachsen, als in kurzer Zeit nach Augustins Eintreffen eine Steinkirche nach der anderen entsteht. Sehr lehrreich ist es nun, an der Hand von Bedas „Historia Ecclesiastica" und anderen Schriftquellen zu verfolgen, w i e s i c h d e r S t e i n b a u v o m S ü d e n E n g l a n d s , wo die römische Mission einsetzte, n a c h N o r d e n h i n f o r t p f l a n z t 2 . (Siehe dazu Karte von England Abb. 14.) Zuerst kommen die Bauten in K e n t . Und zwar 598, ein J a h r nach der Bekehrung, die Klosterkirche St. Peter und Paul in Canterbury. Um 600 folgen die übrigen Kirchen in Canterbury. 604 wird St. Andreas in Rochester gebaut, wo der Römer Justus Bischof wird. 604 auch St. Paul in London. 3 627/31 Lincoln. Paulinus, der Römer, baut diese Kirche „von ausgezeichneter Werkarbeit, aus Stein". Aber zu Bedas Zeit (um 700) steht sie „durch Nachlässigkeit und den Einfall der Feinde ohne Dach" da. 4 1 2 3
Hist. Eccl. III, 25. Nur solche Kirchen werden hier aufgezählt, die einwandfrei als Steinbau erwiesen sind. Siehe Hist. Eccl. II, 3. Daß die gleichzeitig entstandene Londoner Kirche ein Steinbau 4 Hist. Eccl. II, 16. war, ist anzunehmen.
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633 wird S t . Peter in York gebaut. Schon einige J a h r e vorher (627) hatte dort der K ö n i g (Edwin von Northumberland) eine kleine Kirche aus H o 1 z zum Zweck seiner T a u f e errichtet ( „ a u s Holz. . . erb a u t e er sie in eiliger Arbeit" 1 ). Aber auf Veranlassung des Bischofs Paulinus, eines Römers, („docente Paulino") erbaut der König 633 „ a u f demselben Platz eine größere und prächtigere Basilika aus Stein (maiorem et augustiorem de lapide . . . basilicam). . . Nachdem er die Fundamente vorbereitet hatte, fing er so an zu bauen, daß er im Viereck das alte Oratorium einschloß (in gyro prioris oratorii per quadrum coepit aedificare basilicam)". B a l d nach 664 entsteht Lastingham (Yorkshire). „ I n demselben Kloster wurde zu Ehren der gött14. S i e g e s z u g d e r S t e i n k i r c h e lichen Mutter eine Kirche aus Stein e r b a u t 2 . " Und zwar ersetzt diese Kirche eine frühere Holzkirche, aus der Zeit, als noch die irische Mission hier wirkte. N a c h d e m S i e g d e r r ö m i s c h e n K i r c h e durch das Konzil zu Whitby (664) wird hier also b e z e i c h n e n d e r w e i s e d i e H o l z k i r c h e d u r c h e i n e S t e i n k i r c h e abgelöst! 670 (671 ?) wird St. Peter in Ripon angefangen, 678 beendigt (von Wilfrid erbaut). 672—78 entsteht die berühmte Kirche in H e x h a m (auch von Wilfrid). 675 St. Peter in Wearmouth, 684 S t . P a u l in J a r r o w , beide durch Benedikt Biscop. 710 schickt Naihton, der König der Pikten, (Schottland) zum letzterwähnten Doppelkloster Wearmouth-Jarrow und bittet, m a n möge ihm Baumeister schicken, „welche nach römischer Sitte ( j u x t a morem Romanorum) eine Steinkirche in jenem Volk zu errichten v e r s t ä n d e n " . 3 Also auch ein König in Schottland will nicht mehr „more S c o t t o r u m " , sondern „more Romanorum" bauen! E s m a g erstaunlich scheinen, daß die Angelsachsen so bald ihre nationale Holzbauweise aufgegeben haben. E s liegt dies an dem Bereitsein der Ger1
E b d a . I I , 14.
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Hist. Eccl. I I I , 23.
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Hist. Eccl. V, 21.
manen zu jedem Verzicht, wenn ihnen ein großes geistiges Gut geboten wird. Erleichternd hatte eingewirkt, daß zugleich mit der aus Rom kommenden Lehre das Interesse für alles, was mit Rom zusammenhing, wachgeworden war, so auch für die über ganz England verstreuten römischen Steinruinen. Zudem hatte j a auch schon die irische Mission, wie wir oben hörten, kleine megalithisch empfundene Stein-Oratorien gebaut. So war es nicht allzu schwer, die fremde ungermanische Technik zu übernehmen; sie wurde gelernt, wie andre fremde Kunstfertigkeiten auch, und bald zählte auch der Steinmetz mit seiner fremdländischen Fertigkeit zu den „Künstlern", wie der heimische Dichter und der heimische Goldschmied. Es spricht sich aus in den Versen: B a seo ewen bebead c r a e f t u m getyde sundor asecran, j3a selestan J)a ]ae wraetlicost wyrean cuöon, stangefogum, on fiam stedewange girwan godes tempel. 1 — Da hieß die Königin aus den K u n s t g e ü b t e n Aussuchen besonders die allerbesten, Die da am wundersamsten wirken konnten Mit S t e i n g e f ü g e n , an der Stätte zu erbauen Einen Gottestempel. Aber doch war die M a u e r t e c h n i k der Angelsachsen ganz a n d e r s wie d i e d e r R ö m e r . Wohl lernte das Volk außerordentlich gut von den Römern das Mörtelbereiten, das Setzen und Ausfugen der Steine, aber die Mauern selbst führte man weit dünner auf, mit einer Stärke von höchstens 60 bis 75 cm. Trotzdem trugen diese in unbekümmertem Selbstvertrauen eines jugendlichen Volkes errichteten Mauern große Turmbauten viele Jahrhunderte hindurch! Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Angelsachsen Baumaterial aus zerfallenen römischen Bauwerken wiederverwandten, wo es nur eben anging. So sind alle frühen Kenter Kirchen ganz aus römischen Ziegeln gefertigt, die späten aus Stein mit dazwischengesetzten Zierstreifen aus römischen Ziegeln. Die Ruinen alter Kastelle wurden regelrecht abgetragen. Wilfrid baut seine Basiliken in Nordengland aus behauenen römischen Quadersteinen, die nahe gelegenen römischen Stationen entnommen waren. Man betrachtete also die Römer als Lehrherren und Vorbild, so bald es sich um ein Bauen in S t e i n handelte. Wie stark der Steinbau mit der aus Rom kommenden neuen Religion zusammenhängt, ergibt sich schon daraus, daß nur der altenglische Sakralbau aus Stein gefertigt wird, der Wohnbau aber bei der heimischen Holztechnik verbleibt. Ebenso werden auf dem konservativeren Lande, in abgelegenen Ortschaften, auf könig1
„Elene" 1017.
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liehen Gütern und in fernen Gebirgsgegenden auch nach der allgemeinen Annahme des römischen Christentums kleine Kirchlein in H o l z errichtet. So baut König Edwin, der auf des römischen Paulinus Gebot in York eine Steinkirche errichtet hatte, in der Provinz Deira in Campodono eine Holzkirche (Slack in der Nähe von Leeds); sie wird von den heidnischen Angelsachsen zerstört, nur der Altar entgeht dem Feuer, „weil er aus Stein war" 1 . •— Auch bleibt die Holzkirche in Lindisfarne bestehen, selbst als dieser nördliche Distrikt das irische Christentum aufgibt. Bischof Eadberht (f 698) begnügt sich damit, „nachdem er das Dachstroh abgenommen hatte, sie ganz und gar, sowohl Dach wie Wände, mit Bleiplatten (plumbi lamminis) bekleiden zu lassen" 2 . Auch die auf Adelsgütern erbaute E i g e n k i r c h e , die schon durch Beda 3 ganz beiläufig erwähnt wird, ist sicher aus Holz gewesen, zumal da sie wohl auf d e r e c h t g e r m a n i s c h e n S i t t e d e s E i g e n t e m p e l s heidnischer Zeit beruht 4 . Sie lag meist neben der Halle und war turmlos, denn das ..Glockenhaus" („bell-hus") wird gesondert genannt. Zu erwähnen ist noch — obwohl aus späterer Zeit stammend — die einzige erhaltene Holzkirche Alt-Englands, die nur zu vorübergehendem Zweck erbaute Kirche von Grecnstead (vergl. S. 27 und Abb. 2). Immer wieder werden Landleute unter sich und auch Landgeistliche, fern von Stadt und Bischofssitz, altheimische Bauweise pflegen. In der Stadt dagegen triumphierte die Steinkirche, prangte die römische Basilika! Die Gestalt der römisch-angelsächsischen Kirchenbauten. 1. Die Kenter Gruppe. Die erhaltenen Baureste von Kenter Kirchen des 7. und 8. Jahrhunderts sind nicht bedeutend. Aber die erhaltenen Bauten zusammen mit den Schriftquellen (über die nicht mehr erhaltenen) geben ein deutliches Bild, w i e d i e A u f n a h m e d e r f r e m d e n B a u f o r m g e s c h a h . Dabei unterscheiden wir erstens Kirchen, für die bereits eine Gestalt festgelegt war, und zweitens solche, die völlig neu erbaut wurden. Wir wenden uns der ersten Gruppe zu. Augustin erhält nach seiner Landung in Thanet 597 von König Aeöelberlit von Kent die Erlaubnis, „ecclesias fabricandi vel r e s t a u r a n d i " („Kirchen neu zu erbauen oder wiederherzustellen" 5 ). Als „zu restaurierende" Kirchen sind zunächst eine Reihe von frühchristlichen Gotteshäusern aufzufassen, die noch aus römisch-britischer Zeit übriggeblieben waren, wenn auch in schlechtem Zustand. Wir wissen von solchen b r i t i s c h e n Kirchen. Da ist S t . A l b a n s im römischen Yerulamium, im 5. Jahrhundert zur Erinnerung an das Martyrium des hl. Alban gebaut, „in wundervoller Ausführung (mirandi operis) und seinem Martyrium angemessen" 6 . Der Ort ist „noch wunder1 1 6
2 Ebda. III, 25. Hist. Eccl. II, 14. Vgl. A. Stutz, Internationale Wochenschrift 1909, S. 1577. 6 Hist. Eccl. I, 7. Hist. Eccl. I, 26.
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3
Ebda. V, 4.
t ä t i g " zu B e d a s Zeit. 793 wurde d o r t v o n König Offa eine „Basilika in herrlichster A u s f ü h r u n g (pulcherrimi operis)" errichtet, vielleicht in N a c h a h m u n g des altbritischen B a u w e r k s ; aber auch von dieser zweiten Kirche ist keine Spur erhalten. Glücklicher mit
steht
Silchester,
es dem
^
15
G r u n d r i ß der f r ü h c h r i s t l i c h e n z u
Basilika
Silchester
römischen Calleva Atreb a t u m . Hier ist d u r c h umfangreiche A u s g r a b u n g e n der altchristlichen Kirche n a c h g e s p ü j t u n d dabei festgestellt worden, d a ß sie eine Vorhalle besaß, ein Mittelschiff m i t h a l b r u n d e r Westapsis (damals s t a n d der Priester h i n t e r d e m A l t a r mit dem Gesicht n a c h Osten!), dazu Seitenschiffe, welche rechts u n d links von der Apsis a b g e t r e n n t e R ä u m e b e s a ß e n (Abb. 15). Diese A n o r d n u n g e n t s p r i c h t n i c h t römischer, sondern afrikanischer u n d orientalischer Baugewohnheit. Ob Silchester a u c h in angelsächsischer Zeit als Kirche b e n u t z t wurde, l ä ß t sich n u r v e r m u t e , nicht beweisen. — Eine bemerkenswerte Feststellung m a c h t e n A u s g r a b u n g e n (1923/25) in C a e r v e n t (Monmouthshire). Man f a n d die R e s t e einer britischen (nicht angelsächsischen!) Steinkirche aus n a c h r ö m i s c h e r Zeit. Der B a u b e s t a n d aus einem breiten N a r t h e x u n d einem sehr kleinen Schiff mit v e r k ü m m e r t e r h a l b r u n d e r Apsis, war also n a c h römischem, a b e r schon e n t a r t e t e m P l a n g e b a u t . Dabei war ein Teil eines römischen B a d e h a u s e s m i t in den B a u einbezogen worden 1 . — Auch in N o r t h u m b e r l a n d müssen m a n c h e derartige B a u r e s t e geblieben sein, denn Wilfrid verlas 778 „eine Liste von geweihten P l ä t z e n (loca sancta) in verschiedenen Gegenden, welche der Britische K l e r u s verlassen h a t t e , fliehend vor d e m feindlich geschwungenen Schwert der Krieger unserer N a t i o n " 2 . Die erste solch alter britischer K i r c h e n , die A u g u s t i n i n A n s p r u c h n i m m t , ist S t . M a r t i n , östlich v o n C a n t e r b u r y . Sie s t a m m t „ a u s alten Zeiten, da noch die R ö m e r B r i t a n n i e n b e w o h n t e n " 3 . Schon vor Augustinus h a t t e die Königin dort gebetet, die eine Christin u n d v o n fränkischer Abs t a m m u n g w a r . Die K i r c h e wird also n o c h gut erhalten gewesen sein. Der 1
2 3
Vergl. V. E. Nash-Williams, Further Excavations at Caervent, Monmouthsh. Arcliaeologia 1930. Eddius Stephanus, Vita Wilfridi, c. 17. Hist. Eccl. I, 26. Vgl. Peers and Stephan, „St. Augustine Abbey Church Canterbury." Archaeologia 1927. S. 201.
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Bau von 600 war eine kleine einschiffige Kapelle mit langem Chorhaus (Abb. 19); daran schloß sich eine wahrscheinlich h a l b r u n d e A p s i s . Regelmäßig gelegte römische Ziegel und Mörtel aus kleingestoßenen roten Ziegelsteinen in der Süd- und Südostwand des noch heute erhaltenen Baus ließen die Vermutung aufkommen, daß der ganze Bau tatsächlich eine aus den ersten Jahrhunderten stammende Kirche sei. Neuere Ausgrabungen aber haben festgestellt, daß das Chorhaus einer früheren Zeit angehört als das Schiff. Demnach ist das Chorhaus mit seiner Apsis allein das ursprünglich romanobritische Kirchlein und Königin Berhtas Betstätte gewesen, während das Schiff als augustinische Zutat anzusehen ist. So erklärt sich auch der ganz unrömische Grundriß St. Martins, der einem original-sächsischen Plan folgender Jahrhunderte gleicht — mit Ausnahme freilich des h a l b r u n d e n Chorschlusses. Wichtiger als diese kleine Kapelle ist die K a t h e d r a l e von Canterbury; sie ist sicher ein hervorragender Bau gewesen, da Augustin, der nunmehr Erzbischof geworden, sie zu seiner Hauptkirche erkor (603): „ E r gewann eine Kirche wieder, welche, wie gesagt wurde, hier ehemals von den römischen Christen gebaut worden war (antiquo Romanorum fidelium opere) und weihte sie im Namen unseres Heilandes. . . Jesu Christi 1 ". — Von der damals umgebauten Kirche sind keine Spuren mehr zu finden, da die Kathedrale nach einem Brande 1067 völlig neu erstand. Wir wissen aber aus späteren Dokumenten, daß sie „in gewisser Art eine Nachahmung der Kirche des hl. Apostelfürsten Petrus in Rom", und eine dreischiffige Basilika war, eine halbrunde Apsis über einer Ring-Krypta im Osten besaß und eine ebenfalls durch Stufen erhöhte Apsis im Westen, wo sich der erzbischöfliche Thron und davor ein Altar befand (Abb. 16). Der Grundriß war im allgemeinen gegeben; die alte britische Kirche wird gleich Silchester nur eine Apsis im Westen und den Eingang im Osten gehabt haben, so daß die Ostapsis mit der darunterliegenden Ring-Krypta erst von Augustin (oder später) angebaut worden ist. Dazu kommen im 7. Jahrhundert, wahrscheinlich gegen Mitte oder Ende, zwei seitliche Vorhallen, „ s u b medio longitudinis aulae. . . p r o m i n e n t e s u l t r a ecclesia alas" (etwa in der Mitte der Längenausdehnung des Baus, über die Seitenschiffe hinaus vorspringend") 2 . Uber diese Vorhallen, die aus dem Schema einer römischen Basilika herausfallen, wird später mehr gesagt werden. Zu dem Kreis der durch Restaurierung gewonnenen Kirchen gehört auch S t . P a n c r a z , Canterbury. Einer Überlieferung nach ist St. Pancraz aus einem h e i d n i s c h e n Tempel entstanden, und zwar aus König Aeöelberhts fanum außerhalb der Stadt 3 . Man wundert sich, daß der germanische Herr1 3
2 Gervasii Opera histórica. Rolls Series, Lond. 1879, S. 8. Hist. Eccl. I, 33. William Thorne, Chronica de rebus gestis Abbatum Sancti Augustini. § 5. In „Twysden, Decem Scriptores", London 1652, p. 1760.
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0. A n g e l s ä c h s i s c h e K a t h e d r a l e ,
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Canterbury
scher keine landesübliche K u l t s t ä t t e aus Holz besaß, und die Lösung kann nur die sein, daß Aeöelberht einen alten brito-römischen Heidentempel zum germanischen Heiligtum umgewandelt hat — ähnlich so wie seine Gemahlin in einer alten brito-römischen Kirche zu beten pflegte. Wenn dem so ist, so haben wir hier einen Beleg für eine Briefstelle P a p s t Gregors an Melittus. Dieser möge Augustin ermahnen, daß er nicht die „ f a n a idolorum" in England zerstören möge: „ W e n n es sich um gutgebaute Tempel handelt, so ist es nötig, daß sie von der Verehrung der Dämonen in den Dienst des wahren Gottes übergeleitet werden" (vergl. S. 67). So wird also, da es sich bei dem Urbau von St. Pancraz u m einen in römischen Ziegeln dauerhaft aufgeführten B a u handelte, dieser nach Vorschrift in einen christlichen B a u umgewandelt worden sein, indem die Idole entfernt, das Innere mit Wasser besprengt, Altäre gesetzt und diese mit Reliquien versehen wurden. Zeigt sich nun die Herkunft aus einem Tempel irgendwie im Grundriß von St. Pancraz an (Abb. 18) ? Wir sehen in den noch heute stehenden Resten ein rechteckiges Schiff, eine gestelzte, rund geschlosseneApsis; sie wurde durch vier Säulen, die einen mittleren Ziegelbogen tragen, vom Schiff getrennt 1 . Bemerkenswert sind eine Vorhalle und zwei Seitenkapellen; diese drei Annexe stehen nicht in Verband mit der Außenmauer; sie sind wie auch der obere Teil der H a u p t m a u e r n mit weißem Mörtel verputzt. In der Südkapelle stand lange der Altar, an dem Augustin ministriert haben soll. Hier darf man vielleicht •—• ähnlich wie bei St. Martin — das elliptische Chorhaus (mit den Säulen d a v o r ? ) als Reste des f r ü h e r e n k e l t i s c h e n Tempels ansehen. Vielleicht gehörte auch das Schiff d a z u ; es ist aber 1
Die Seitenöffnungen zur Apsis sind später blockiert worden.
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wahrscheinlicher, daß es erst unter Augustin entstand vie auch — aber etwas später — die drei Annexe. Wir kommen nun zu den Kirchen, die von der frühen Mission n e u err i c h t e t wurden und fragen uns, ob diese im Schema abstechen. Es sind 1. St. Peter und Paul in Canterbury, 2. St. Maria in Reculver, 3. St. Peter in Bradwell, 4. St. Andreas in Rochester, 5. St. Maria zu Lyminge. Vor allem ist wichtig S t . P e t e r 17. S t . P e t e r u n d P a u l , C a n t e r b u r y und P a u 1 (St. Austin) in Canterbury, eine Kirche, die König Aeöelberht auf Veranlassung Augustins „ a fundamentis" (von Grund auf") errichtete. Sie wurde 598 begonnen, aber erst 613 vollendet. Diese Klosterkirche wird ausdrücklich als B e g r ä b n i s k i r c h e bestimmt; „in dieser sollten sowohl Augustin selber wie alle Bischöfe von Canterbury, auch die Könige von Kent beigesetzt werden". 1 Als Grabkirche liegt St. Peter und Paul nach r ö m i s c h e r Sitte außerhalb der Stadt. Augustin und die nachfolgenden Erzbischöfe wurden ,,in porticu aquilonali" („in der nördlichen Seitenhalle") begraben, mit Ausnahme von Theodor und Berhtuald, „deren Überreste in der Kirche selber (in ipsa ecclesia) beigesetzt wurden", weil im „Portikus" kein Platz mehr war (Abb. 17). König Aeöelberht (f 616) wurde in dem entsprechenden südlichen Portikus begraben, „im Sankt Martins Portikus, wo auch die Königin Berhta begraben worden ist". Die Kirche, vielfach umgebaut, existiert heute nur als Ruine. Umfangreiche Ausgrabungen 2 haben aber den ursprünglichen Plan klargestellt und gezeigt, daß mit „porticus" hier ein S e i t e n s c h i f f gemeint ist, das nicht durch Arkaden, sondern durch f e s t e W ä n d e vom Hauptschiff a b g e t r e n n t und wieder in sich selbst in einzelne Abschnitte zerlegt ist. Der Zugang geschieht durch schmale Türöffnungen. Die Fenster saßen wie bei einer Basilika in dem sich höher erhebenden Mittelteil der Kirche; man hat aber die Kirche wohl damals schon nicht als wirkliche Basilika betrachtet, sonst hätte man nicht den mittleren Teil allein als „ipsa ecclesia" bezeichnet. St. Peter und Paul ist neben Winchester die einzige angelsächsische Kirche, die einen Narthex und ein (späteres) Atrium besitzt, beides typisch südliche Züge. Von der Kirche zu R e c u l v e r (Abb. 21) berichtet die „Angelsächsische Chronik" vom Jahre 669: „Her Ecbright cyning salde Basse maesse prioste 1 2
Hist. Eccl. II, 3 und I, 33. Vgl. Peers and Clapham, St. Augustine Abbey Church Canterbury, Archaeologia 1927. S. 201 und R. N. Potts, The Plan of St. Austin's Abbey. Archaeol. Cantiana. 1934. S. 179.
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Reculf, mynster on to tymbranne" („Hier schenkte König Ecbright dem Messepriester Bassus Reculver, um ein Kloster darauf zu errichten"). Es existiert auch noch eine Original-Urkunde in angelsächsischer Sprache über eine Landverleihung (679). 692 wird Abt Brihtwald von Reculver Erzbischof von Canterbury. 761 findet die Beisetzung König Eadberhts von Kent in Reculver statt. Das alles zeigt die Bedeutung dieser Kirche. AJber die noch von Baldwin Brown 1925 vertretene Annahme 1 , daß Reculver eine „vollständig basilikale Anlage" gewesen sei, ist durch Ausgrabungen später widerlegt worden 2 . Der Grundriß zeigt vielmehr im Norden und im Süden rechteckige Räume, die das Schiff und auch einen Teil der Apsis begleiten. Die Apsis schließt innen rund, außen polygonal und wird vom Schiff getrennt durch eine dreifache Arkade, ruhend auf zwei schweren Säulen. Merkwürdig ist der Stil dieser noch erhaltenen Säulen: die Kapitelle gearbeitet in nachempfundener Klassik, die Basen verziert mit germanischem Tauband! In etwas späterer Zeit wurden noch weitere laterale Räume angefügt, die sich an die ersten Räume in westlicher Richtung anschlössen, so daß, da die Seitenräume durch schmale Eingänge vom Schiff aus zugänglich gewesen sind, eine pseudobasilikale Anlage — wie St. Peter und Paul — entstand. G. R. Peers 3 nennt sie eine „aisle-less basilica". — Erhalten ist hier, wie in der vorigen Kirche, ein gut gearbeiteter Fußboden in opus signinum (Zement mit feingestoßenen Ziegelsteinen). Zu der kentischen Gruppe, obgleich erst von der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts, stammend, gehört die noch erhaltene Kirche von B r a d well (Essex), genannt „ S t . Peter-on-the Wall", weil sie tatsächlich mit Benutzung einer römischen Mauer der Küstenstation Othonae, dem angelsächsischen Ythancaester, gebaut worden ist (Abb. 22). Beda berichtet, daß Cedd vom Oberhaupt der Irischen Christen in Lindisfarne zum Bischof der neubekehrten Ostsachsen bestimmt wurde (653). „Mit größeren Machtmitteln ausgestattet, führte er das angefangene Werk weiter, baute Kirchen an verschiedenen Orten (per loca ecclesias), setzte Presbyter und Diakone ein, damit sie ihn in der Ausbreitung des Glaubens und der Ausübung des Taufens beistehen sollten, besonders in der Stadt, welche auf sächsisch Ithancaestir heißt" 4 . E s erscheint aber kaum glaublich, die Kirche von Bradwell als den Bau eines Vertreters der keltischen Mission anzusehen, da diese doch fast alle Kirchen in ihren angelsächsischen Missionsgebieten „more Scottorum", d. h. aus Holz errichtete. Nun sind die Ecken Bradwells nach römischer Art hergestellt und auch sonst noch viel römisches Material in den Mauern verwandt, so daß es immerhin möglich wäre, daß 1 2
3
Baldwin Brown II, S. 95. Reculver ist erst 1805 niedergerissen worden. Ein Stich von H. Adlard zeigt aber den Bau während der Zerstörung. 4 Hist. Eccl. III, 22. In dem auf S. 80, Anm. 2 genannten Aufsatz. 6
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Cedd alte römische Mauern mitbenutzt hat. Betrachten wir aber den Grundriß der Kirche, so möchten wir wegen der Ähnlichkeit mit den Kenter Kirchen im heutigen St. i: JJ Peter-on-the-Wall einen Bau der r ö m i s c h e n M i s s i o n erblicken, wenn auch erst im letzten Viertel des 7. Jahrhunderts. — Bradwell hat ein noch erhaltenes langes Schiff ST. MARTIN CANTERBURY (in seiner gestreckten Gestalt freilich anderes Raumgefühl als die übrigen Kenter Kirchen zeigend) und eine halbkreisförmig geschlossene, gestelzte Apsis; sie wurde früher durch eine von Pfeilern getragene ROCHESTER. Arkadenreihe vom Schiff getrennt. Die Fenster sitzen wie bei St. Peter und Paul in Canterbury und wie bei CnaiueL. • Reculver oben in den Mauern, da wieder rechteckige Räume seitlich S angefügt sind, die von außen Apsis und Schiff verbinden. Im Westen bestand ein zweistöckiger Vorbau. 18—20. G r u n d r i s s e v o n S t . P a n c r a z R o c h e s t e r und L y m i n g e sind und St. M a r t i n in C a n t e r b u r y u n d kleinere, ebenfalls einschiffige KirSt. A n d r e a s in R o c h e s t e r chen. Beide haben eine halbrunde, gestelzte Apsis, die •— in etwas geringerer Breite als das Schiff — durch Säulen oder Pfeiler abgetrennt wird. Bei beiden ergaben die Ausgrabungen die Möglichkeit angehängter Seitenräume (Abb. 20 und 23). Und zwar ist L y m i n g e eine Gründung der Witwe Edwins von Northumberland, einer kentischen Prinzessin „nachdem Kent bekehrt worden war". Als treue Anhängerin des Bischofs Paulinus wird sie wohl von diesem Ratschläge für den Bau von Kirche und Kloster empfangen haben, genau wie ihr Gemahl für den Bau der Kirche von York. Sicher wird der Römer Paulinus diese Anweisungen im Sinne römischer Baugewohnheiten erteilt haben! St. Andreas in der alten Römerstadt R o c h e s t e r ist gleichzeitig mit St. Paul in London gebaut worden (604). Beda berichtet darüber: „Was Justus anbetraf, so setzte ihn Augustin zum Bischof in Kent ein, in der Stadt, die dem Volk der Angeln den Beinamen Hrofaescaestrae erhalten h a t . . . hier baute König Aeöelberht eine Kirche zu Ehren des hl. ST. PANCRAS CANTERBURY after H.yj
::-J1
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Apostels A n d r e a s " 1 . E i n a n d e r m a l wird e r w ä h n t , d a ß der König die K i r c h e des hl. A n d r e a s in Rochester „ a f u n d a m e n t i s " („von G r u n d a u f " ) errichtet h a b e u n d d a ß in der Sakristei („in secretario") der Erzbischof P a u l i n u s seine letzte R u h e s t ä t t e f a n d 2 . Die „ S a k r i s t e i " wird ein seitlicher A n b a u gewesen sein. H u n d e r t BRadwe-U, J a h r e s p ä t e r wird ein „ P o r t i c u s " gei Fortini/ b a u t : D e r gelehrte Tobias v o n Rochester ("I" 726) w u r d e b e g r a b e n „ i m St. P a u l s - P o r t i k u s , den er i n n e r h a l b der St. Andreas-Kirche sich selbst als Begräbnisplatz errichtet h a t t e " 3 . Da m a n in dieser s p ä t e r e n Zeit möglichst n a h dem H a u p t a l t a r die GrabLyMlNGE: r "1 s t ä t t e anlegte, k a n n dieser „porti: fortioi/i ; c u s " als A n b a u in der N ä h e der Apsis angesehen werden u n d das vorher erw ä h n t e „ s e c r e t a r i u m " als ein entKJax/a CrxúJKiL I sprechender A n b a u auf der a n d e r n Seite der Apsis (wie bei A b b . 22). « Pert » Die Möglichkeit einer zweiten Apsis m ö c h t e n wir den A n g a b e n nicht ent21—23. G r u n d r i s s e d e r K i r c h e n i n nehmen. — Reculver, Bradwell, Lyminge Vergleichen wir nunmehr G r u p p e I (wiederhergestellte Bauwerke) mit G r u p p e I I („a f u n d a m e n t i s " errichtete Kirchen). Zu G r u p p e I gehören die K a t h e d r a l e von C a n t e r b u r y u n d St. M a r t i n u n d sozusagen auch St. P a n c r a z . Hier ist der G r u n d r i ß gewissermaßen in der Anlage gegeben (die bei d e n drei B a u t e n sehr verschieden ist!). 1. E r ist basilikal, w e n n es sich u m einen größeren B a u h a n d e l t ( K a t h e drale). 2. Die Apsis ist halbkreisförmig geschlossen (bei allen). 3. A n g e h ä n g t w e r d e n Seiten- u n d W e s t p o r t i k u s ( K a t h e d r a l e u n d P a n craz). Zu G r u p p e I I gehören St. P e t e r u n d P a u l in C a n t e r b u r y , Reculver, Bradwell, L y m i n g e , R o c h e s t e r .
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1 Hist. EccI. II, 3. Ebda. III, 14. 3 Hist. Eccl. V, 23.
2
6*
Vgl. Hope, Archaeologia Cantiana X X I I I . S. 212 Anm.
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Bei diesen zeigt der Grundriß zwei g e m e i n s a m e Z ü g e mit Gruppe I, nämlich die nach römischer Tradition halbkreisförmig sich schließende Apsis; bei Gruppe I I erhält die Apsis aber durchweg eine mehr oder weniger ausgesprochene Stelzung, was weder in Rom noch in Gallien, sondern in Nordafrika zu finden ist. Ferner sind gemeinsam (bei einigen) mittlere Seitenkapellen und ein Westportikus. Diese Annexe, die bei Gruppe I erst in augustinischer Zeit oder noch später angefügt wurden, sind gänzlich unrömisch, j a , ohne Vorbild aus dem Süden überhaupt und lassen sich bloß aus heimischen Baugewohnheiten erklären; und zwar einerseits aus der frontal oder seitlich vorgesetzten „cafertune" (Eingangshalle) des Profanbaus, andrerseits durch einen den frühen irischen Oratorien vorgesetzten Raum (Vgl. S. 72). Das jugendlich Eigenwillige dieser Hinzufügung ist auffallend. Die fest umrissene Gestalt wird gesprengt durch die fast schnörkelhaft angefügten Vorbauten, die erst durch Turmüberhöhung in spätangelsächsischer Zeit eine festere Stellung erhielten. Wir kommen nun zu den U n t e r s c h i e d e n zwischen den Gruppen I und II. Da ist die Tatsache ganz auffallend, daß sich bei den ,,a fundamentis" errichteten Kirchen keine einzige Basilika befindet, wohl aber mehrere p s e u d o b a s i l i k a l e Anlagen mit abgetrennten Seitenräumen, welche wie die in syrischen Kirchen verwandten Nebenapsiden („Prothesis" und „Diakonikon") die Chorpartie teilweise begleiten. Man ist erstaunt, daß der Römer Augustin nicht die römische Basilika, sondern eine Kirchenanlage östlicher Herkunft begünstigte und kann sich dies nur so erklären, daß mehrere ähnlicher östlicher Vorbilder schon im alten England vorhanden waren, wie z. B. Silchester (Abb. 15). J a , sogar bei ausgesprochenen Saalkirchen finden sich solche Nebenräume zur Seite der Apsis, so daß der Grundriß wie mit kleinen Flügeln versehen erscheint (Bradwell, Lyminge). Ferner ist bei Gruppe II die Arkadenreihe auffallend, die im Inneren zwischen Schiff und Apsis als trennendes Glied eingesetzt wurde. Es ist gleichfalls eine östliche Sitte; sie reichte bis in frühchristliche Zeit zurück, ist aber noch in der Einhardsbasilika in Michelstadt anzutreffen 1 . Diese Abtrennung des Ortes der gottesdienstlichen Handlung wird von den Angelsachsen nicht als fremd angesehen worden sein, da dem heidnischen Kultbau vermutlich ein ähnlicher Gedanke zugrunde lag. In der Gesamtheit betrachtet, ist der angelsächsische Kirchenbau der ersten christlichen Zeit u n e i n h e i t l i c h . Römische Tradition wirkt mit, mehr aber östliche Baugewohnheit, die vielleicht dem jungen Volk wegen ihrer mehr auf Innerlichkeit und weniger auf Prunk ausgehenden Formen besser behagte, sie auch an bereits bekannte Raumbildungen erinnerte. Kräftig regt sich aber auch schon eigenes, nationales Kunstwollen. Keime werden gelegt zu späterem Wachstum. 1
Die Säulenreihe ist noch erhalten in Torcello, in St. Maria in Valle bei Cividale.
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2. Kirchengründungen im Mittelland. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts werden im südlichen Mittelengland zwei für unsere Betrachtung wichtige Kirchen gebaut, die Klosterkirchen von Abingdon und Peter borough. Die Kirche (Basilika?) von A b i n g d o n ist leider nicht mehr erhalten. Wir lesen aber in der Chronik Abingdons, daß nach erfolgter Klostergründung 675 eine Kirche durch Abt Hean gebaut worden sei 1 , die 120 Fuß (36,6 m) lang gewesen sei und „ e b e n s o a b g e r u n d e t im O s t e n wie im W e s t e n " . — D e m n a c h ist hier schon im 7. Jahrhundert eine d o p p e l c h ö r i g e A n l a g e geschaffen worden, in der Art wie die Kathedrale von Canterbury, wenngleich diese auch erst nachträglich den zweiten Chor erhalten hat. Diese Z w e i c h ö r i g k e i t wie die — anscheinend — g r o ß e S t r e c k u n g d e s S c h i f f e s sind n e u e P h a s e n in einem Bau, der vom nahen Silchester, wo sich neben der christlichen Basilika eine z w e i c h ö r i g e z i v i l e B a s i l i k a befand, stark beeinflußt worden ist. Rivoira 2 nimmt die Möglichkeit an, daß F u l d a aus englischen Beispielen doppelchöriger Anlagen gelernt habe. — Eigenartig war auch die K l o s t e r a n l a g e in Abingdon, bestehend aus „zwölf Einzelzellen (habitacula) und ebensoviel Oratorien" und einem gemeinsamen Refektorium, alle Gebäude mit der Kirche in ihrer Mitte von einer hohen Mauer umschlossen 3 . (Grabungen am Platz der berühmten Abtei zu Whitby haben ebenfalls eine beträchtliche Zahl von Einzelzellen ergeben, alle rechteckig und roh gebaut, während ein größeres Gebäude als Refektorium angesehen werden kann; verschiedene gepflasterte Wege verbinden die einzelnen Anlagen. So sah also die Gründung der berühmten Äbtissin Hilda aus, deren „Klugheit so groß war, daß. . . sogar Könige und Fürsten. . . ihren Rat fragten und erhielten. . . Nach dem Beispiel der ersten Christen war dort keiner arm und keiner reich, sondern alles allen gemeinsam" 4 .) Diese typisch k e l t i s c h e K l o s t e r a n l a g e nach der Leriner Form entstammte zwar orientalischen Gewohnheiten, paßte aber den Angelsachsen besser als die römische Klosteranordnung. E s mochte sie erinnern an alte heidnische Kultstätten mit ihren Umzäunungen; oder besser noch an große Gehöfte mit den vielen Einzelhäusern und der Methalle des Gefolgsherrn in der Mitte, wo man sich zur Aussprache und Mahlzeit zusammenfand. Ebenfalls unter doppeltem Gesetz stand die Kirche von P e t e r b o r o u g h (Medeshamstead). Die „Sachsenchronik" gibt die beiden Könige Peada und Oswio als Erbauer an und berichtet, daß die Abteikirche deshalb St. Peter 1 2 3 4
Chronicon Monasterii de Abingdon, Rolls Series no. 2/2 S. 272. Rivoira, Le Origini della Architettura Lombarda. Milano 1908. S. 689. Vergl. Fendel, a. a. O. S. 11. Zitat in Chronicon Monasterii de Abingdon II, 272. Hist. Eccl. IV, 21.
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und Paul genannt wurde, weil sie ein Ersatz für St. Peter in Rom sein sollte allen denen, die nach Rom „nicht reisen konnten" („ne magan faren"). 656 wurde die Kirche begonnen, und „in fevna geare Waes mynstre gare" (in wenigen Jahren war das Münster vollendet). Die Einweihung wurde mit großen Festlichkeiten begangen im Beisein aller Großen und Bischöfe Altenglands. Der Grundriß von Peterborough — oder die spätsächsische, auf denselben Grundmauern erbaute Kirche — läßt sich aus den Fundamenten rekonstruieren, die unter dem gegenwärtigen Bau aus normannischer Zeit liegen. Man erkennt daraus einen crux commissa Plan römischer Art, d. h. der Grundriß gleicht einem T. Die Weite des Querschiffs und sein Hinauswachsen nach Süden und Norden mit mächtigen Armen (eine Übertreibung des Vorbildes!) steht kaum im Verhältnis zu dem wahrscheinlich einräumigen Längsschiff und sicherlich nicht zu der kleinen Apsis. Letztere ist r e c h t e c k i g und scheint in Form und Maß kleinen Landkirchen entnommen zu sein (Abb. 24b). Wir sehen also, wie in Mittelengland im Laufe des 7. Jahrhunderts altrömische und orientalische Anregungen zwar benutzt, aber eigenartig u m g e d e u t e t und f o r t e n t w i c k e l t werden. Auf diese Weise entstehen N e u e r u n g e n v o n W i c h t i g k e i t ; es bildet sich erstens die d o p p e l c h ö r i g e A n l a g e , zweitens ein deutlich betontes Q u e r s c h i f f , drittens die Möglichkeit eines r e c h t e c k i g e n Chorschlusses. Von einem ebenfalls im Mittelland entstandenen höchst bemerkenswerten Bau, der wieder andere Neuerungen bringt, nämlich Brixworth, wird erst im folgenden Abschnitt die Rede sein. 3. Die Basiliken Wilfrids in Nordengland. Nachdem der Angelsachse Wilfrid durch seine Geistesgaben und die Kraft seiner Persönlichkeit auf der Synode von Whitby (664) obgesiegt und dadurch Fortbestand und Weiterverbreitung des römischen Christentums gesichert hatte, bekundete er die Macht Roms in großartigen Sakralbauten. Er war ein weitgereister Mann, der in seinem wechselvollen Leben häufig in Rom und in Gallien gewesen und dort Anregungen gesammelt hatte. Von seiner Konsekration in Compiegne nach England zurückgekehrt, weilte er zuerst zur Ausübung bischöflicher Pflichten in Kent. Dann ging er in seine nördliche Diözese „mit den Sängern Aedde und Eonan wie mit Bauleuten und Künstlern fast jeder Art (caementariis omnisque paene artis institoribus)" 1 . Da die Sänger, wie aus den Namen ersichtlich, Angelsachsen sind, so dürfen wir auch die Bauleute als heimische Kräfte ansehen. Aber sie sind in K e n t geschult worden. Für sein späteres großes Bauwerk (Hexham) werden sie freilich nicht ausgereicht haben, und wir dürfen einer späten Quelle 2 ruhig Glauben schenken, wenn sie sagt: „Aus Rom, aus 1 2
Eddius Stephanus, Vita Wilfridi, c. 14. Prior Richard of Hexham. Vergl. Raine „Priory of Hexham" Surtees Society I, 20.
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Italien, aus Frankreich ebenso wie aus anderen Ländern, wo immer er sie auftreiben konnte, brachte er Bauleute nach England" (caementarios in Angliam adduxerat)." Wilfrid begann 669 mit der Ausbesserung der Hauptkirche seiner Bischofstadt Y o r k . Diese war 40 Jahre vorher von König Edwin von Northumbrien unter Anleitung des Römers Paulinus (vergl. S. 74) als Säulenbasilika gebaut worden: Die Kathedrale von York, gestützt durch kräftige Säulen, Erhaben stehet sie da, blendend in herrlichem Schmuck 1 . Nun war sie aber reparaturbedürftig geworden und auch sonst Wilfrids Kunstgeschmack nicht genehm: „Denn die alten Giebeldächer, die den Regen durchließen, die offenen Fenster, durch welche die Vögel herein- und hinausflogen und drinnen nisteten, und die schmutzigen Wände sahen erschreckend aus 2 ". Wilfrid reparierte zuerst das Dach „artificiose p l u m b o puro detegens" („es kunstvoll mit reinem Blei bedeckend"). Von den Fenstern entfernte er das hölzerne (oder steinerne) Gitterwerk und die leinenen Vorhänge und setzte dafür Glas ein. Dann tünchte er die Mauern mit Kalk, so daß sie „weißer als Schnee" aussahen 2 . In dieser Aufmachung stand die Kirche bis zu einem Brande 741. Die eigentlichen Gründungen und Hauptwerke Wilfrids sind die Kirchen von Ripon und Hexham. Beide wurden gleichzeitig gebaut (Ripon 671—78; Hexham 672—78), bei beiden ist von dem ursprünglichen Bau nur die Krypta erhalten, aber auch schon diese sehr beachtenswert. R i p o n . Ein großes Grundstück, „an einem Ort, der Ripon genannt", war schon vorher den s c h o t t i s c h e n Missionaren zur Errichtung eines Klosters gegeben worden, dann aber nach der Synode von Whitby fortgenommen und an Wilfrid verliehen. Es war selbstverständlich, daß Wilfrid gerade hier eine Kirche errichtete, die die Macht Roms sichtbarlich zur Schau brachte, zumal da er damals noch beabsichtigte, in Ripon einen Bischofssitz zu errichten. Ripon wurde seine letzte Ruhestätte; die Grabschrift auf der Tumba nennt ihn als Erbauer der Kirche: „Hier ruhn die sterblichen Reste des großen Prälaten Wilfrid, Der diese Kirche hier einst mit frommen Herzen erbaute Und sie im Namen alsdann des heiligen Petrus geweiht hat 3 ." Über den Bau selber lesen wir bei Eddius, seinem Biographen: „In Ripon errichtete und vollendete er eine Basilika, von den Fundamenten in der Erde 1 2 3
Alkuin, De Pontif. et sanctis eccl. Eboracensis v. 220. Diimmler, M. G. Poetae I. Eddius, Vita Wilfridi c. 16. ed. Colgrave. Cambr. 1927. Auch S. S. Merow. VI, 211. Hist. Eccl. V, 19.
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bis zur höchsten H ö h e a u s geglätteten Steinen e r b a u t (polito lapide a f u n d a m e n t i s in t e r r a usque a d s u m m u m aedificatam), u n d getragen von verschiedenen S ä u l e n u n d Seitenhallen (variis columnis e t porticibus suffultam) 1 ." Dieser Bericht ist k u r z , aber aufschlußreich. E r legt klar, d a ß Ripon erstens eine u m f a n g r e i c h e Säulenbasilika war, zweitens, d a ß sie v o n oben bis u n t e n aus geglätteten (polierten ?) Q u a d e r n b e s t a n d , d r i t t e n s , d a ß sie besonders starke F u n d a m e n t e h a t t e . Auf letztere wie auch a u f unterirdische K a m m e r n d e u t e t wohl auch M a l m e s b u r y ' s „eine Kirche m i t erstaunlichen Gewölben (miro f o r n i c u m inflexu)". Es war ein B a u , der mit seinem polierten Mauerwerk nicht n u r die K e n t e r Basiliken ü b e r t r a f , sondern a u c h neben kontinent a l e n K i r c h e n b e s t e h e n k o n n t e . D a s lag j a auch wohl in Wilfrids A b s i c h t ! Die allein erhaltene K r y p t a h a t einen tonnengewölbten H a u p t r a u m ; die Steine sind alle sauber geschnitten, u n d die V e r m a u e r u n g ist ordentlich u n d technisch einwandfrei 2 . H e x h a m . Die Kirche von H e x h a m , ein bis drei J a h r e später als Ripon angefangen, war ein noch kühneres, j a , f ü r jene Tage k a u m f a ß b a r e s W u n derwerk. „ N i r g e n d w o diesseits der Alpen h a b e n wir von einem ähnlichen B a u w e r k ( d o m u m . . . t a l e m aedificatam) v e r n o m m e n ! " r u f t E d d i u s aus. I h m v e r d a n k e n wir einen kurzen Bericht über das G e b ä u d e . Doch gibt es ü b e r H e x h a m , u n d das beweist die Großartigkeit der Anlage, noch eine Reihe allerdings s p ä t e r e r Berichte (12. J a h r h u n d e r t ) , die wortreicher sind, aber doch im wesentlichen n u r dasselbe wie E d d i u s bringen 3 . Hier ist E d d i u s ' B e r i c h t : „ E s ist meinen schwachen K r ä f t e n unmöglich, all dies in W o r t e n zu beschreiben, nämlich wie die tieferen Teile (des Gebäudes) in die E r d e gearbeitet sind mit K a m m e r n aus schön b e h a u e n e n S t e i n e n (cum d o m i b u s mire politis lapidibus f u n d a t a m ) , wie über der E r d e das v i e l t e i l i g e H a u s v o n m a n n i g f a c h e n Säulen u n d vielen Säulengängen get r a g e n wird, ( m u l t i p l i c e m d o m u m columnis variis et porticibus m u l t i s s u f f u l t a m ) , p r a n g e n d in erstaunlicher Länge u n d H ö h e der Mauern u n d umgeben v o n vielfach sich windenden Wegen, die in schneckenartigen T ü r m e n (per cocleas) bald aufsteigen, bald a b w ä r t s f ü h r e n 4 . " Als E r g ä n z u n g lese m a n den ebenfalls zeitgenössischen Bericht Bedas ü b e r die Tätigkeit Accas, Wilfrids Nachfolger: „(Acca) b e m ü h t e sich. . ., n a c h d e m er von überallher Reliquien der hl. Apostel u n d M ä r t y r e r Christi gesammelt h a t t e , zu ihrer V e r e h r u n g Altäre aufzustellen in besonders d a f ü r a b g e t r e n n t e n R ä u m e n (distinctis porticibus) innerhalb der M a u e r n (intra muros) der K i r c h e 5 . " 1 2
3 4
Eddius, c. 17. Neuere Ausgrabungen haben ergeben, daß die Tonnen durch parallel laufende und 60 cm von einander entfernte Rippen gehalten werden. Siehe The Antiquaries Journal. Oxford. Jahresband 1931, S. 116. Vergl. Baldwin Brown II, S. 152, wo die verschiedenen Berichte nebeneinander gesetzt sind. 6 Eddius, c. 22. Hist. Eccl. 5, 20.
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A
rz:
jr.
24a. V e r m u t l i c h e r P l a n v o n S t . A n d r e a s , Hexham
24b. G r u n d r i ß d e r F u n d a mente von Peterborough
Zur Verdeutlichung mögen noch folgende Sätze aus einer späteren, aber zuverlässigen Quelle dienen: „(Wilfrid) errichtete aus Quadersteinen Mauern von ungeheurer Länge und Höhe (parietes autem quadratis. . . immensae longitudinis et altitudinis), getragen von mannigfachen und schön polierten Säulen und unterschieden in drei Stockwerke (tribus tabulatis distinctos). Diese Mauern und die Kapitelle der Säulen, die sie tragen (capitella columnarum quibus sustentantur) und den Chorbogen (arcuum sanctuarii) schmückte er mit Historien und Bildern und mannigfachen skulptierten Figuren, die aus dem Stein vorsprangen 1 ." Hexham war demnach eine großartige Basilika von besonderer Höhe und Länge. Sie besaß eine Krypta und erstreckte sich oberhalb der Erde in drei Stockwerken: Arkadenreihe, Emporenstockwerk und Obergaden. Die Emporen waren durch Wendeltreppen, die in Türmen aufstiegen und abwärts führten, zugänglich. Dieses Wunderwerk besaß mehrere Schiffe, von denen die beiden äußeren wahrscheinlich durch (halbhohe ?) Wände untergeteilt waren, um möglichst viele Altäre zu errichten; letzteres ergibt besonders der Bericht Bedas, daß Acca „in abgetrennten Räumen (distinctis porticibus) i n n e r h a l b der M a u e r n " 2 Altäre aufgestellt habe. — Die Emporen, mögen sie einräumig oder zweischiffig gewesen sein, faßten eine große Menschenmenge. Die Öffnungen der Emporen zum Mittelschiff scheinen sparsam gewesen zu sein und die Höhe des Arkadengeschosses so beträchtlich, daß man von unten aus nicht die Anzahl der Anwesenden irgendwie beurteilen konnte: „Die Anlage machte er so kunstvoll (artificiosissime), daß 1
2
Aelred von Rievaulx in Raine, Hexham I, 175. Der Satz „parietes autem quadratis et variis et bene politis columnis suffultos" hat die Vermutung aufkommen lassen, es handele sich hier um Stützenwechsel, ein wegen der nahen Verwandtschaft mit den Festlandssachsen verlockender Gedanke! Bei genauerer Untersuchung ergab sich aber: nicht „quadratis et columnis suffultos", sondern „parietes quadratis" (Mauern aus Quaderstein) gehört zusammen, siehe auch Du Cangc: „ Q u a d r a t u s , nude pro quadratus lapis". Das soll nicht etwa heißen, daß Nischen innerhalb der Mauern gebildet waren. Das ags. Mauerwerk ist zu dünn dafür!
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eine ungeheure Menschenmenge sich dort a u f h a l t e n u n d sogar das Mittelschiff u m g e b e n k o n n t e (et i p s u m corpus ecclesiae circumdare possit), ohne von einem der u n t e r h a l b Befindlichen gesehen zu w e r d e n 1 . " Man k a n n ann e h m e n , daß diese E m p o r e n m i t ihren geheimnisvoll verborgenen Zugängen auch zu dein Zweck e r b a u t worden waren, d a ß sie in Zeiten der G e f a h r einen Zufluchtsort f ü r Menschen u n d einen Versteck f ü r Kirchenschätze u n d Reliquien bilden sollten. Der ganze B a u h a t t e als Schema die D u r c h d r i n g u n g e i n e r B a s i l i k a m i t e i n e r m e h r g e s c h o s s i g e n Z e n t r a l a n l a g e ; es m a g Wilfrid dabei eine Vereinigung etwa von St. Lorenzo in Mailand u n d der alten Peterskirche in R o m vorgeschwebt h a b e n 2 . W e n n ein Urbild zu dem B a u vorh a n d e n war, so k a n n es n u r in Italien existiert haben, d e n n „seinesgleichen war nicht diesseits der Alpen zu finden", so b e h a u p t e n m e h r e r e Schriftsteller von Wilfrids B a u . N a c h g r a b u n g e n n a c h F u n d a m e n t e n des alten Baus h a b e n ergeben, d a ß der G r u n d r i ß als c r u x commissa geplant war (Abb. 24a). Das Querschiff war nach den Seitenschiffen hin geschlossen, die T r e n n u n g s m a u e r öffnete sich in einem Bogen. D a s Querschiff scheint außergewöhnlich b r e i t gewesen zu sein, aber doch ist das Verhältnis fast das gleiche wie in P e t e r b o r o u g l i . Die Apsis ist wie bei den K e n t e r K i r c h e n gestelzt, aber so schmal (4,50 m Durchmesser), d a ß m a n a n N e b e n r ä u m e zur Rechten u n d L i n k e n d e n k e n m ö c h t e . Die sonderbare Breite des Querschiffs (und Bildung v o n Nebenapsiden) k ö n n t e sich erklären lassen d u r c h den Satz „ c o r p u s ecclesiae appentieiis et portieibus u n d i q u e c i r c u m c i n x i t " („das Kirchenschiff u m g a b er r i n g s u m m i t a n g e h ä n g t e n K a p e l l e n u n d G a l e r i e n " ) ; es k o n n t e also a u c h hier R a u m f ü r Einzelaltäre geschaffen worden sein. Der m u t m a ß l i c h e P l a n bleibt s e h r u n s i c h e r , z u m a l da die W e s t - O s t - A u s d e h n u n g von 46 m (150 F u ß ) n i c h t genügend erscheint f ü r solch einen „ W u n d e r b a u " . 1 2
Prior Richard; vergl. S. 86 Anm. 2! Als Emporenkirchen kommen St. Lorenzo fuori und St. Agnes in Frage. Vergl. auch P. Clemenin „ D i e Roman. Monumentalmalerei i. d. Rheinlanden." Düsseldorf 1916. S.690.
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H i n z u z u d e n k e n sind noch eine R e i h e v o n R u n d t ü r m e n , die zwar a u ß e r h a l b der M a u e r n e r r i c h t e t , aber doch d u r c h Z u g ä n g e m i t dem Kircheninneren, u n t e n wie a u c h im E m pr o '
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Monkwearmouth
renstock, v e r b u n d e n waren. A u c h in diesen T ü r m e n d ü r f e n wir v e r s t e c k t a n g e b r a c h t e O r a t o r i e n v e r m u t e n 1 . A u c h bei H e x h a m ist die K r y p t a das einzige, was auf uns g e k o m m e n ist 2 . Sie b e s t e h t a u s einem H a u p t r a u m , einem V o r r a u m u n d drei Zugangsstollen (Tafel 6). Alle u n t e r i r d i s c h e n R ä u m e sind mit T o n n e n eingewölbt. Das M a u e r w e r k der K r y p t a b e s t e h t aus römischen Quadersteinen, die, wie das Material des G e s a m t b a u s , d e m n a h e gelegenen Corstopitum (Corbridge) e n t n o m m e n w o r d e n sind. Sind Wilfrids R i p o n u n d H e x h a m v o m E r d b o d e n verschwunden, so ist Wilfrids B r i x w o r t h (Merzien) geblieben (Abb. 25 u n d Tafel 8). Wir d ü r f e n B r i x w o r t h aus d e m G r u n d e als sein W e r k b e t r a c h t e n , weil Wilfrid längere Zeit in Merzien geweilt h a t 3 u n d diese Kirche f ü r eine L a n d k i r c h e außerg e w ö h n l i c h p r ä c h t i g g e b a u t ist. Es ist eine vier J o c h große P f e i l e r b a s i l i k a ; h e u t e sind die Seitenschiffe v e r s c h w u n d e n u n d die großen A r k a d e n ö f f n u n g e n d u r c h B l e n d m a u e r n geschlossen. T r o t z d e m w i r k t der R a u m noch groß u n d frei. Die O b e r g a d e n f e n s t e r sind noch u r s p r ü n g l i c h ; sie sind groß, römischen M a ß v e r h ä l t n i s s e n e n t s p r e c h e n d . F e r n e r sind F e n s t e r u n d A r k a d e n b o g e n n a c h römischer A r t m i t radial gestellten Ziegeln eingefaßt. Auf das Mittelschiff folgt n a c h Osten, ehemals d u r c h eine dreifache A r k a d e g e t r e n n t , ein rechteckiger P r i e s t e r r a u m , d a r a n rechts u n d links kleine Seitenräume, so d a ß in B r i x w o r t h der erste A n f a n g z u e i n e r k r e u z f ö r m i g e n B a s i l i k a m i t V i e r u n g g e m a c h t worden i s t ; die e r h ö h t liegende Apsis ist n a c h r a v e n n a t i s c h e m Vorbild innen r u n d , a u ß e n p olygonal geschlossen . R e c h t s u n d links v o n der Apsis f ü h r t e n f r ü h e r T r e p p e n h i n a b u n d h i n a u s in einen die Apsis u m f a s s e n d e n , v e r t i e f t liegenden gewölbten R u n d g a n g , der wohl zu einer Confessio g e f ü h r t h a b e n m o c h t e . I m W e s t e n s t e h t h e u t e a u ß e r einem Trepp e n t u r m ein t r u t z i g e r W e s t t u r m , der ü b e r d e m zweistöckigen W e s t p o r t i k u s des 7./8. J a h r h u n d e r t s errichtet worden ist. Man m e r k t , der G r u n d r i ß ist v o n einem K e n n e r u n d L i e b h a b e r i t a l i e n i s c h e r B a u k u n s t angeregt worden, w e n n a u c h die A u s f ü h r u n g , von einheimischen W e r k l e u t e n u n t e r n o m men, vereinzelt b o d e n s t ä n d i g e G e d a n k e n aufweist. 1 2
3
Prior Richard vergleicht sie mit „propugnacula". Es existiert eine malerische mittelalterliche Kirche dort, die ab 1907 wiederhergestellt worden ist; bis dahin standen nur Chor und Querschiff. Vgl. Sir H. Howard, Golden Days of the Early English Church. London 1917. II, 187. Die einzigen Schriftquellen beziehen sich nur auf die Gründung einer klösterlichen Kolonie durch Mönche von Peterborough 680.
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Wilfrids Basiliken zeigen, daß der mächtige Vorkämpfer des römischen Christentums auch die römisch-italienische Art zu bauen mit allen Mitteln gefördert hat. W i l f r i d , n i c h t A u g u s t i n , i s t d e r j e n i g e g e w e s e n , d e r d i e B a s i l i k a i n E n g l a n d v e r b r e i t e t h a t . Sein Ideal war, „citra Alpes montes" eine kirchliche Kunst zu schaffen, die der „ultra montes" völlig ebenbürtig war. Daher sind Wilfrids Basiliken fremde, römische Bauwerke in germanischem Land. 4. Die Klosterkirchen Benedict Biscops. Ein ganz anderes Aussehen haben die fast gleichzeitig mit der Andreaskirche in Hexham entstandenen Kirchen des Doppelklosters Wearmouth- Jarrow, in derselben Diözese und nur wenige Meilen östlicher gelegen. Wearmouth-Jarrow ist Bedas Heimstätte! Leider ist der große Geschichtsschreiber stets sehr wortkarg in der Beschreibung von Bauwerken, sogar hier. Zwar hören wir viel von der Innenausstattung der beiden Kirchen, wenig aber über den Bau selbst, und dann auch nur über St. Peter in Wearmouth. — Ein J a h r nachdem das Doppelkloster gegründet worden ist (674), fährt Abt Benedict Biscop, der englischem Adelsgeschlecht entstammt, nach Gallien: „Dort forderte er Bauleute, die ihm eine s t e i n e r n e Kirche errichten konnten, nach r ö m i s c h e r A r t , d i e er i m m e r so l i e b t e" 1 . Die „Anonyme Geschichte der Abte 2 " weiß, daß Benedict die Bauleute in Gallien von Abt Torhthelm bekommen habe. So groß ist Benedicts Baueifer, daß innerhalb eines Jahres die „Fundamente gelegt, die Giebel (culmina) aufgesetzt" sind (675). Von den Glasern, welche die Kirche mit verglasten Fenstern versehen, wie von der reichen Innenausstattung wird an anderer Stelle die Bede sein (S. 221 und S. 137). Neun Jahre nach diesem Bau entsteht in dem 681 gegründeten Schwesterkloster Jarrow die St. Paulskirche „mit Wissen, j a auf Wunsch des Königs Ecgfrid". Sie war auch bald vollendet: „Der Bau wuchs von Tag zu Tag so sehr, daß er schon zwei Jahre nach dem Arbeitsbeginn geweiht werden konnte, obwohl die Zahl der Handwerker nur gering gewesen war 3 ", und zwar geschah die Weihe unter dem von Benedict für Jarrow ernannten Abt Ceolfrid. Ein Vergleich ist wichtig: Wilfrid hatte fast ein Jahrzehnt an St. Andreas in Hexham und an der Basilika in Ripon gebaut, Benedict nur ein J a h r an Wearmouth und zwei an Jarrow und wäre bei einer größeren Anzahl Arbeiter auch hier wohl schneller fertig geworden; die kurze Bauzeit stimmt überein mit dem g e r i n g e n U m f a n g d e r K i r c h e n Benedicts. Wertvoll für die Forschung ist vor allem die gut erhaltene St. Peterskirche in W e a r m o u t h (Abb. 26 u. 27). Der Grundriß zeigt einen l a n g e n s c h m a l e n Raum (ca. 20 X 6 m). Es läßt sich nicht mehr ersehen, wo die Ansatzstelle des Chors gewesen ist, da der heutige Chorbogen aus normannischer 1 3
Hab. c. 5. Hab. Anon. c. 12.
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2
Hab. Anon. c. 7 (Anonyme Geschichte der Äbte).
27. W e s t t u r m v o n S t . P e t e r Monkwcarmouth,
vor
der
in
28.
P o r t a l v o n St. P e t e r
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Monkwearm out h
R e s t a u r a t i o n v o n 1266
Zeit s t a m m t . Der Chor schloß flach. Von a u ß e n gesehen ist der B a u dauerh a f t hergestellt aus ungleich großem H a u s t e i n (Abb. 27). Feste P l a t t e n gesimse teilen die Stockwerke des T u r m e s a b . Die E c k e n sind sämtlich m i t festen Q u a d e r n n a c h römischer A r t sorgfältig eingefaßt, eine A n d e u t u n g schon des in der späteren angelsächsischen Bauzeit so beliebten „ K u r z - u n d L a n g w e r k s " . Der q u a d r a t i s c h e W e s t t u r m ist im oberen Teil normannisch u n d deckt zwei angelsächsische F e n s t e r in der oberen W e s t w a n d zu, die aber innen noch sichtbar sind. Der alte angelsächsische T u r m endete m i t einem spitzen G i e b e l u n d t r u g ein S a t t e l d a c h . (Noch deutlich erkennbar!) A u c h die einstige B r e i t e n a u s d e h n u n g des Schiffes l ä ß t sich aus der Vorderansicht ablesen. Die S ü d m a u e r ist noch u r s p r ü n g l i c h (und d a r u m die südwestliche E c k e des Schiffes noch aus alter Zeit s t a m m e n d ) , aber die Nordseite ist u m g e b a u t ; doch k a n n m a n an einem M a u e r v o r s p r u n g die ursprüngliche Nordw e s t k a n t e des Schiffes in vertikaler Linie verfolgen u n d e r k e n n t d a n n , wie m e r k w ü r d i g hochgetrieben die Mauer ist u n d wie schmal u n d hoch das Schiff im I n n e r n wirken m u ß . I m e r s t e n Stock des T u r m e s , also noch aus angelsächsischer Zeit h e r r ü h r e n d , befindet sich ein kleiner R a u m , ein
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29.
K i r c h e i n E s c o m b ( D i i r l i a i n ) v o n SO
Aufenthaltsort wahrscheinlich für den Küster, der durch eine Fensteröffnung zum Innern hin den Gottesdienst beobachten konnte. Die Westvorbauten anderer Kirchen zeigen eine östliche Türöffnung im Obergeschoß, die zu einer ehemaligen Holzgalerie geführt hat. Das berühmte Hauptzierstück von Monkwearmouth ist das alte Portal am unteren, tonnengewölbten Raum des Westvorbaus (Abb. 28). Der kräftige Sockel zeigt in der Leibung merkwürdige Tierornamentik. Er trägt zwei Balustersäulen ohne Kapitell und Fuß, auf denen ein mächtiger Kämpfer ruht. Dieser trägt seinerseits den aus neun sorgfältig zugeschnittenen Steinen gebildeten Torbogen — ein Bild erlesener Werkmannskunst! Ähnliche Säulenschäfte befinden sich in den verdeckten Westfenstern im Kircheninnern. Die P a u l s k i r c h e i n J a r r o w enthält auch erhebliche Reste aus angelsächsischer Zeit, aber es läßt sich nicht ermitteln, ob diese vom ursprünglichen oder von einem späteren Bau herrühren. Zwei Steine (ursprünglich an der Nordseite) deuten auf die Gründungsgeschichte hin: Dedicatio Basilicae Sei Pauli V i l l i Kl Mai Anno XV Ecfridi Reg Ceolfridi Abb Eiusdemq Q Eccles Do Auetore Conditoris Anno I U I 1 1
„Die Einweihung der Basilika von St. Paul den 9. vor den Kaienden des Mai, im 15. Jahr des Königs Ecgfrid und im 4. des Abts Ceolfrid, der mit Gottes Hilfe diese Kirche gründete."
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Mauerwerk und Grundriß von Jarrow waren ähnlich wie in Wearmouth. Auch hier läßt sich ein l a n g e s , s c h m a l e s Schiff mit einem a u s g e s o n d e r t e n C h o r r a u m feststellen. Wir haben damit in Wearmouth- Jarrow Maßverhältnisse, Anordnungen und bauliche Einzelheiten gesehen, die so sehr von den Kirchen Augustins und Wilfrids a b w e i c h e n und sich als so u n r ö m i s c h erweisen, daß die Frage sich aufdrängt, ob diese zwei Kirchen tatsächlich die von Benedict ,,more Romanorum" erbauten sind. Als römisch oder romano-fränkisch erscheint hier nichts als das gutgefügte steinerne Mauerwerk mit seinen festen Ecken und die Tonnenwölbung des Narthex im Westturm. Da wir aber ohne Zweifel die ursprünglichen Bauten Benedicts vor uns haben, müssen wir dies architektonische Rätsel zu lösen suchen. Als erstes ist in Betracht zu ziehen, daß es sich hier um einfache Klosterkirchen handelt, die nie die Bedeutung der Bischofskirchen Wilfrids und Augustins haben konnten. Auch liegen jene in ländlicher Einsamkeit. Möglich ist ferner, daß mit dem Bauen more Romanorum nur das Bauen in S t e i n und die Mauertechnik gemeint ist und daß die gepriesene Vorliebe Benedicts für das Römische mehr als auf das Bauwerk selbst auf die Innenausstattung der Kirchen hinzielte (vergl. S J.37). Auch gibt der Name des gallischen Abtes zu denken, dem Benedict seine Bauleute verdankt. „Torhthelm", das klingt so durchaus sächsisch! Man könnte annehmen, dieser Torhthelm sei einer der vielen Angelsachsen gewesen, die in den ersten Jahren der Bekehrung „conversationis gratia" in gallische Klöster auswanderten. Bei dem Konservativismus der Angelsachsen ist es durchaus möglich, daß Torhthelm im Laufe der Zeit wieder zu heimischen Bauformen zurückgriff und auch die von ihm geschulten Werkleute in dieser Richtung arbeiten ließ. Was ist es nun, das uns bei Wearmouth-Jarrow als unantik und somit als b o d e n s t ä n d i g e B e s o n d e r h e i t auffällt? Vor allem ist die R a u m b i l d u n g bemerkenswert. Benedict hat auch nicht im geringsten versucht, die Anlage einer Basilika in kleinem Maßstabe nachzuahmen, er errichtet vielmehr einen e i n s c h i f f i g e n S a a l . Und dieser Saal sieht wieder den kentischen Einraumkirchen ganz unähnlich, er ist lang und schmal, s e h r l a n g u n d s e h r s c h m a l . Man vergleiche nur die Grundrisse: Rochester in Kent mißt etwa 12 x 8 m, Wearmouth etwa 20 X 6 m ! Die einschiffige Saalkirche geht einerseits stark auf irisch-christliche Gewohnheiten zurück, die hier im Norden so lange sich behaupten konnten, ja, sogar auch nach dem römischen Kirchensieg von Whitby nicht ganz zu beseitigen waren. — Andererseits möchte man wegen der eigentümlichen Maßverhältnisse einen Einfluß des angelsächsischen H a l l e n b a u s auf den Sakralbau annehmen — auch die Adelshalle Altenglands war lang und schmal (vergl. S. 47f.)! — Zum Dritten sei darauf hingewiesen, daß die 95
dürftigen Reste fränkischer Kirchen ebenfalls eine ziemlich große Länge des Schiffes aufweisen. Benedict Biscop hatte auf seiner vierten Romreise eine Zwischenstation bei guten Freunden in Viennes gemacht, dort muß er die ziemlich langgestreckte Kirche St. Peter gesehen haben; ihre Längenausdehnung reicht freilich nicht an die northumbrische Einraumkirche heran. — Die abnorme Höhe der Wände, die in spätangelsächsischen Kirchen allgemein wird, läßt sich schwer erklären. A. W. Clapham 1 leitet sie ab aus dem Verlangen, daß man die unverglasten Fenster über die Kopfhöhe hinauf erheben wollte (vergl. dazu Cuöberhts Einsiedelei S. 104). Vielleicht hat aber auch die Einführung der römischen Felderdecke dazu beigetragen. Durch die flache Decke erschien ein Raum mit niedrigen Mauern gedrückt, beengt. Der Wohnbau hatte zwar auch niedrige Wände, doch gab der kunstgerecht hergestellte offene Dachstuhl mit seinen steilen Sparrenstellungen dem Auge freien Blick bis in die schummerig verdämmernde Firstlinie. Durch Ü b e r h ö h u n g der Wände konnte man auch bei der Felderdecke den g e - w o h n t e n R a u m e i n d r u c k wiederherstellen und behielt dann die hohen Wände bei, auch wenn man wieder zum offenen Dachstuhl griff. Wie sehr man daran gewöhnt war, das innere Dach selbst als Raumabschluß anzusehen, zeigen die altenglischen Übersetzungen für laquear (Felderdecke 2 ): „fyrst-hrof" (Firstdach) und „heben-hrof" (Himmelsdach). Typisch angelsächsisch ist bei Wearmouth und Jarrow auch der r e c h t e c k i g e S c h l u ß d e s C h o r r a u m s , und zwar ist der Chorraum bei diesen Planungen, die dreimal so lang wie breit sind, nichts anderes als das abgetrennte letzte Drittel des Gesamtbaus. Meist haben derart angelegte Kirchen im nördlichen England die Richtung nach Ostnordost, was auf britische Gewohnheit zurückgeht 3 . Nur die Kirchen in der Grafschaft Durham sind nach römischer Sitte peinlich genau geostet, — der Einfluß Benedict Biscops und Wilfrids ist hier zu spüren! Eine zweite, ebenfalls sehr bodenständige Art (aber schon mit Westostrichtung) besitzt ein deutlich g e s o n d e r t e s C h o r h a u s , so E s c o m b . Keine Schriftquelle berichtet von diesem über 1200 Jahre unverändert gebliebenen Gotteshaus, aber es redet selbst zu uns (Bilder Nr. 29 u. 30). Das Chorhaus wird gebildet durch einen schmaleren und niedrigeren Raum, der nach außen hin sich deutlich vom Schiff absetzt. War in den Kenter Kirchen durch eine Säulenreihe eine „Verschleierung" des Priesterraumes hergestellt (Abb. 21—23), so wird bei den nordenglischen Saalkirchen das Chorhaus durch eine Wand getrennt, die nur in ihrer Mitte durch ein nicht allzu großes Portal den Einblick in den 1 2
3
Roman. Arch. a. a. O. S. 100. Siehe W. W. unter laquear und lacunar. (Thomas Wright und R. Wülcker, Anglo-Saxon and Old Vocabularies. London 1884.) Vgl. H. L. Honeyman, Some early Masonry. Archaeologia Aeliana, Newcastle. 1935, S. 158.
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heiligen R a u m gestattet. Auf das E m p f i n d e n der Gläubigen m u ß t e n diese Trennungslinien verschiedenartig einwirken. W ä h r e n d d u r c h die frühchristlich-orientalische Säulenreihe n u r ein Hineinlugen wie d u r c h ein Gitter in eine schöne f r e m d e Welt gegeben war, zu der m a n nicht zugelassen wurde, so k ö n n t e m a n die Gefühle der in E s c o m b lauschenden Angelsachsen vergleichen mit denen eines Kindes, das einen Blick d u r c h die geöffnete T ü r ins Weihnachtsz i m m e r t u n darf, z u k ü n f t i g e Freuden v o r a h n e n d . — Sehr u n w a h r scheinlich ist auch, d a ß hierbei die angelsächsische A r t von der orientalischen beeinflußt worden ist. Man k a n n besser bodenständige Einflüsse a n s e t z e n : E r s t e n s das Vorbild des a l t e n germanisch-heidnischen Tempels mit seiner a b g e t r e n n t e n Cella, u n d zweitens stärker noch wirkend die R a u m e i n t e i l u n g des schottisch-christlichen Gotteshauses (Abb. 13). Unrömisch bei W e a r m o u t h ist f e r n e r der t u r m a r t i g ü b e r h ö h t e W e s t p o r t i k u s , in dem vielleicht ein A l t a r s t a n d . Wieder k a n n m a n diese kleine Eingangshalle v o m irischen S a k r a l b a u wie v o m W o h n b a u mit seiner schützenden Eingangshalle ableiten (Abb. 9). U n d wie beim W o h n b a u s p ä t e r ein seitlicher E i n g a n g a m E n d e j e d e r L ä n g s w a n d a n g e b r a c h t wurde, so sind auch bei d e m Landkirchlein laterale Vorhallen angeordnet, die, E i n g a n g u n d Kapelle zugleich, oft a m westlichen E n d e der L ä n g s w ä n d e zu f i n d e n sind. Neben der R a u m b i l d u n g sind es a r c h i t e k t o n i s c h e E i n z e l f o r m e n , die a n W e a r m o u t h u n d J a r r o w als b o d e n s t ä n d i g auffallen. Die Mauer ist bei beiden sockellos. Die E c k b i l d u n g , die bei W e a r m o u t h noch auf römische A r t geschehen ist, zeigt bei J a r r o w z u m ersten Mal das charakteristische altenglische „ K u r z - u n d L a n g w e r k " , wobei ein a u f r e c h t s t e h e n d e r Q u a d e r m i t einem liegenden wechselt, n a c h beiden Seiten tief ins Mauerwerk eingreifend (Tafel 10). A u c h der Chorbogen wird n u n m e h r m i t a u f r e c h t e n u n d liegenden Steinen eingefaßt, wie es die I n n e n a u f n a h m e von E s c o m b zeigt (Abb. 30). E s sind w i e d e r b e n u t z t e römische Q u a d e r n , a u s d e n e n der Chorbogen v o n E s c o m b e r r i c h t e t ist, doch ist der Sturz z i m m e r m a n n s m ä ß i g a u s g e k l i n k t u n d bildet eine A b a r t des echt germanischen T r e p p e n m u s t e r s , das besonders bei den Angelsachsen beliebt war.
Die F e n s t e r , die vielfach hoch in der Wand angebracht werden (gemäß den „Augenlöchern" des Profanbaus), nehmen ihre besondere Gestalt an. Typisch ist nicht das breite, römische Kirchenfenster, das sich z. B. in Brixworth befindet, sondern eine schmale Öffnung von mannigfaltigen Formen. Manchmal erweitert sie sich nach oben hin in Hufeisenform, manchmal auch wird der obere Abschluß durch eine Sparrenstellung gebildet; beides ist vom Holzbau herzuleiten. Oft wird das Fenster nach unten hin breiter; solche Parabelform mag von den angelsächsischen Missionaren nach Deutschland gebracht worden sein (Goldbach am Bodensee). — Nicht unerwähnt bleibe, daß sich in einigen spätangelsächsischen Kirchen oberhalb einer Reihe größerer Fenster merkwürdig konstruierte runde Fensterchen hoch oben in der Wand befinden. Diese Form ist weder keltisch noch römisch und kann nur zusammenhängen mit dem „Augenloch" des Profanbaus 1 . In Wearmouth-Jarrow treffen wir die ersten erhaltenen gedrehten B a l u s t e r , kleine Zwergsäulen, die zwar die römischen nachahmen, aber mit der Zeit eigene Formen annehmen. Sie werden allmählich ein unentbehrliches Werkteil der Kirchenarchitektur, seien sie einzeln konstruktiv verwandt als Mauerträger der Mittelschiffwand und des Tür- und Fenstersturzes, oder mehr schmückend in Fenster- und anderen Offnungen als Zierreihen nebeneinandergesetzt. So zeigt die Pforte von Jarrow eine ganze Reihe nebeneinander gesetzter Zwergsäulchen; in Wearmouth befanden sich an jeder Seite des Torbogens nur zwei, aber größere. Die frühen Balustersäulen (7. Jahrhundert) sind richtig auf der Drehbank gedreht, obwohl sie aus Stein sind; das l ä ß t a u f ihren Ursprung schließen. Die späteren (bis 10. Jahrhundert) werden mit dem Meißel bearbeitet, sie sind schlanker, bekommen Kopf und Fuß, haben aber dann immer noch sehr stark die Form von gedrechselten Holzsäulen (Abb. 6a u. 7). Dehio 2 nimmt an, daß das sogenannte „Pilzkapitell", das sich vereinzelt in Deutschland, z. B. in W7erden findet, eine Weiterführung der gedrehten angelsächsischen Steinsäule ist, — ein durchaus möglicher Gedanke. 5. Aldhelms Kirchen in Westsachsen. Westsachsen ist schon früh die Stätte bedeutender Kirchen gewesen. Hier bekehrte der Römer Birinus König Cynegils. Ein Bistum, Dorchester, wird 634 errichtet, in dem „Kirchen gebaut und geweiht" werden 3 . Nachdem König Cenwealh durch mehrere Siege über die Briten, besonders zu Bradford-on-Avon, sein Reich befestigt hatte, wurde ein zweites Bistum, W i n c h e s t e r , errichtet. Die Sachsenchronik berichtet darüber zum J a h r 648: „ H e r wearö getimbrod 9 min1
2 3
Vgl. Baldwin Brown II, S. 37; 132; 201. Regelmäßig verteilte Rundfenster oberhalb von großen Fenstern zeigt auch die Darstellung der Abtei zu Echternach im Gothaer Echternach Codex. G. Dehio und G. v. Bezold, Kirchliche Baukunst d. Abendlandes I. Stuttg. 1887. S. 194. Hist. Eccl. III, 7.
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31. K i r c h e i n B r a d f o r d - o n - A v o n , W i l t . s , v o n
NO
ster on Winceastre Cynwalh cing let maciaii on S. P e t r e s n a m a u . . - 1 " ( „ H i e r wird d a s Münster zu Winchester e r b a u t , das König Cenwealh m a c h e n ließ in St. P e t e r s N a m e n . . . " ) , u n d Wilhelm v o n Malmesbury, der ber ü h m t e Geschichtsschreiber des f r ü h e n 12. J a h r h u n d e r t s , schreibt: „ I n W i n c h e s t e r e r b a u t e er das schönste (pulcherrimum) G o t t e s h a u s dieser Z e i t " 2 . Von dieser „alten K i r c h e " in Winchester wissen wir allzuwenig. Vielleicht w a r schon eine K r y p t a v o r h a n d e n , d e n n Bischöfe der ersten Zeit sind d o r t — den späteren Schriftquellen zufolge — „ i n der K r y p t a " beigesetzt w o r d e n . Vermutlich h a t t e die Kirche damals a u c h schon ein A t r i u m , denn das wird s p ä t e r „wiederhergestellt mit hohen Mauern u n d neuen D ä c h e r n " , a b e r der N a r t h e x wird im 7. J a h r h u n d e r t noch n i c h t mit d e m gewaltigen T u r m ü b e r b a u gekrönt gewesen sein, den W o l s t a n (10. J a h r h u n d e r t ) besingt. Die große Zeit des K i r c h e n b a u s f ü r Wessex beginnt gegen E n d e des 7. J a h r h u n d e r t s durch die B a u t ä t i g k e i t des gelehrten Bischofs Aldhelm, der d e m westsächsischen Königshaus n a h v e r w a n d t war. I n M a l m e s b u r y , wo er 675 A b t w u r d e , b a u t e er a n Stelle einer bescheidenen K i r c h e die „ a u g u s t i o r e m ecclesiam St. P e t e r " , eine Basilika ähnlichen A u s m a ß e s wie St. A n d r e a s in H e x h a m ; sie w u r d e von den D ä n e n z e r s t ö r t . S t e h e n blieb a b e r seine M a r i e n k i r c h e in M a l m e s b u r y . Sie wird hochgepriesen als die schönste weit u n d breit, „ ü b e r s t r a h l e n d a n Schmuck (vincens decore) u n d Größe jede a n d e r e v o r h e r in E n g l a n d g e b a u t e K i r c h e " 3 . Sie w a r a u s Stein gebaut. F ü r das D a c h h a t t e m a n sehr lange Sparren1
S a x o n Chroniclcs. E d . P l u m m e r . I , S. 28.
3
Gesta P o n t i f i c . S. 361. 7*
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Gesta R e g u m A n g l o r u m I, 23.
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balken nötig, die, v o n weither geholt, recht kostspielig waren. Eine Legende erzählt, wie d u r c h Aldhelms Gebet ein zu k u r z e r D a c h b a l k e n die richtige L ä n g e erhielt; sie zeigt das aktive Interesse des B a u h e r r n auch an Einzelheiten seiner Schöpfung. Ferner b a u t e Aldhelm Kirchen in B r u t o n , i n seinem Bischofssitz S h e r b o r n e (,.mirificeconstruxitecclesiam"), a u f seinem G u t z u W a r e h a m („ihre W ä n d e stehen noch, aber d a s D a c h f e h l t " 1 ) , in F r o m e v(Somer-
1 32. G r u n d r i ß d e r K i r c h e i n
.
"
Set
) u n d ln Bradford-on-Avon (Wilts), wo er A b t gewesen war. Uber letztere schreibt Wilhelm von M a l m e s b u r y : „Bis heute steht in jen e m Ort das Kirchlein (est ad hunc diem eo loco ecclesiola), das er dem hl. L a u r e n t i u s zugeeignet h a b e n soll 2 . Wie gerne sähe m a n in dem 1869/74 aus einem W i r r w a r r v o n Gebäuden u n d E i n b a u t e n herausgeschälten Kirchlein zu Bradford-on-Avon die Aldhelmsche „ecclesiola" (Abb. 31 u n d 32)! I m G r u n d r i ß , der ein saalartiges SehiiF (8 m hoch u n d lang, 4 m breit) mit deutlich sich absetzendem C h o r r a u m und zwei Seitenportikus aufweist, zeigt sich die hübsche Kirche als d u r c h a u s der Zeit von etwa 700 angehörend 3 . E i n e n derartig engen (gerade 1 m breiten) Chorbogen w ü r d e m a n später vergeblich suchen. Auch die geringe M a u e r s t ä r k e (74 cm) ist ein Zeichen der F r ü h e ; s p ä t e angelsächsische K i r c h e n h a b e n Mauern von 75 bis 90 cm, n o r m a n n i s c h e höchst selten u n t e r 90 cm. E b e n s o ist der Quaderstein in f r ü h e r Zeit, wie Schriftquellen besagen, nicht ungewöhnlich, in spätangelsächsischer Zeit b e s t e h t das Material aber a u s unregelmäßigem Feldstein („rubble" 4 ). A m B r a d f o r d e r Kirchlein sehen wir das ausgezeichnete örtliche Steinmaterial, das „ d e r ganzen S t a d t B r a d f o r d ein so hübsches Aussehen gibt" 5 . Dieser f r ü h e n D a t i e r u n g scheint aber der A u s p u t z des Kirchleins m i t seinem S o c k e l , seinen B l e n d a r k a d e n u n d seiner L i s e n e n e i n teilung zu widersprechen, die n a c h deutschen B a u v e r h ä l t n i s s e n v o m 10. J a h r h u n d e r t ab e n t s t a n d e n sein k ö n n t e n . I n E n g l a n d b e s t e h t aber i m 1 0 . / I I . J a h r h u n d e r t ein ganz anderer Mauerschmuck, die sog. pilaster-strips, Bradford-on-Avon
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Gesta Pontific. S. 363.
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Th. G. Jackson, Byz. and Romanesque Architecture (Cambr. 1913) ist nicht abgeneigt, das Kirchlein so früh anzusetzen, „obgleich das Mauerwerk so gut sei." (S. 99.) H a u p t schreibt den Bau auch dem 8. Jhdt. zu, da er „mit spanischen Werken der gleichen Zeit die größte innere Verwandtschaft zeigt." „Älteste Kunst", S. 292. — Baldwin Brown setzt ihn u m 1000 an. 6 Clapham, a. a. O. S. 23 u. 24. Baldwin Brown II, 298.
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Gesta Pontific. S. 346.
schmale wie a u f g e s e t z t wirkende Bänder und holztechnisch empfundene Halbkreise und Schrägkeuze (Tafel 10). Die Verzierung des Bradforder Kirchleins zeigt aber fast klassisch gedachte, sehr flach e i n g e t i e f t e Blendbögen, die von Pflastern mit schräg geschnittenen Kapitellen und Fußplatten unterbrochen werden. Etwas Ahnliches ist in England nur in Normannischer Zeit (nach 1066) geschaffen worden, vor allem in Dunhelm Magna, wobei es sich aber um einen Schmuck des K i r c h e n i n n e r e n handelt. So nennt auch Rivoira das Bradforder Kirchlein „eine Mischung von Angelsächsischem, was Grundriß und Türen betrifft, und von L o m b a r d o N o r m a n n i s c h e m in Bezug auf die Blendarkaden 1 ." Er gibt als beste Zeit der Erbauung die ersten Regierungsjahre Wilhelm des Eroberers an (also etwa 1070). Bloß ist dann nicht einzusehen — Baldwin Brown nennt auch diese Schwierigkeit — warum W. v. Malmesbury, der mit der Örtlichkeit bekannt ist und großes Verständnis für Architektur hat, in einer bis spätestens 1125 vollendeten Schrift die Kirche als 400 Jahre alt angibt und nicht als unlängst erbaut. Folglich kann einerseits nicht das 10./II. Jahrhundert in Frage kommen (wegen der dann herrschenden rohen Bruchsteinmauern und der „pilasterstrips"), andererseits auch nicht die normannische Zeit (wegen Malmesburys Aussage und der geringen Mauerstärke des Kirchleins); und das frühe 8. Jahrhundert (besser besagt: das 8. Jahrhundert überhaupt) bleibt als mögliche Erbauungszeit übrig, aber nur dann, wenn man für Aldhelms Kirchen i t a l i e n i s c h e Einflußmöglichkeiten ansetzt. Auch Aldhelms Marienkirche wird von Malmesbury als „vincens decore" bezeichnet! Gehen wir nach Italien, so finden wir dort schon im 5./6. Jahrhundert die schwere Arkade unterbrochen von Lisenen als römisch-ravennatisches Schmuckelement und eine reicher und zierlicher angewandte Art von Blendbogen und Lisenen von etwa 700 ab bei den L o m b a r d e n (Arliano 712). Nun ist eine u n m i t t e l b a r e V e r b i n d u n g d e r W e s t s a c h s e n in Aldhelms Zeitalter n i c h t n u r m i t R o m , sondern auch mit der L o m b a r d e i nachweisbar. Zunächst mit R o m . KönigCeadwalla vonWessex dankt 688 (zu Gunsten seines Vetters Ine) ab und zieht nach Rom. Dasselbe tut Ine im Jahre 726. „Zu dieser Zeit", berichtet Beda, „pflegten viele der angelsächsischen Nation in frommem Wetteifer Pilgerfahrten zu unternehmen, Adlige und Unfreie, Laien und Geistliche, Männer und Frauen." 2 Auch Aldhelm, Ines Verwandter und Freund, war nachweisbar in Rom, zuletzt vor 701. Für angelsächsische Pilger war in Rom ein hospitium, vielleicht von Ine, eingerichtet worden, die schola Saxonum. Die zweite derzeitige Verbindung bestand zwischen den Inselsachsen und den L a n g o b a r d e n . Als König Ceadwalla 688 nach Rom pilgert, empfängt ihn mit großem Gepränge König Chunibert von der Lombardei, der Ge1
G. Rivoira, Arehitettura Lombarda, Milano 1908, S. 533.
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Hist. Eccl. V, 7.
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33. D i e f r ü h a n g e l s ä c h s i s c h e K i r c h e z u
Glastonbury
m a h l der angelsächsischen Hermelinde. Aber a u c h schon dessen Vater h a t t e in V e r b i n d u n g m i t den Inselsachsen gestanden 1 . So sind Einflüsse von R o m wie von der L o m b a r d e i in Westsachsen d u r c h a u s möglich. D a ß Aldhelin dies Kirchlein so schmuck h e r a u s p u t z t , erscheint nicht unwahrscheinlich, wenn m a n b e d e n k t , d a ß zu B r a d f o r d ein sehr folgenreicher Sieg König Cenwealhs über die Briten s t a t t g e f u n d e n h a t t e (652) u n d d a ß Aldhelm ein n a h e r V e r w a n d t e r Cenwealhs, vielleicht sein Neffe, war. All diese Beziehungen sprechen f ü r eine E r b a u u n g etwa u m 700—710. E s ist diese f r ü h e Zeit schon deswegen möglich, weil die sog. Torhalle zu Lorsch in der zweiten H ä l f t e desselben J a h r h u n d e r t s 2 antikisierende Bildungen im gleichen R h y t h m u s aufweist. Mehr n o c h : v e r t i e f t e Felder (unter lombardischem Einfluß) sind an den A u ß e n w ä n d e n der Kirchen von Disentis u n d Münster in G r a u b ü n d e n , also an Kirchen des 8. J a h r h u n d e r t s , v o r h a n d e n gewesen 3 . Neben seinen eigenen K i r c h e n g r ü n d u n g e n v e r a n l a ß t e Aldhelm seinen König Ine, in G l a s t o n b u r y zu b a u e n . Dort s t a n d schon die „ealde chirche", die u r a l t e Holzkirche aus britisch-christlicher Z e i t ; dieses Heiligtum h a t t e einen F u ß b o d e n aus polierten Steinen, u n d a n b e s t i m m t e n Stellen lagen „ b a l d Dreiecke, bald Q u a d r a t e geflissentlich gelegt u n d m i t Blei eingelassen 4 ." I n e s „größere K i r c h e " war eine S t e i n k i r c h e u n d s t a n d östlich u n d in einer Achse mit der „ a l t e n K i r c h e " . Die „ S a c h s e n c h r o n i k " v e r m e r k t Ines B a u u n t e r dem J a h r 688: „ h e getimbrede (baute) J)aet minstre aet Glae1
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Lappenberg, Gesch. von England. I. S. 255. Nach Paulus Diac. „ D e gestis Langobard." VI, c. 15. — Überhaupt sind mehrfach Beziehungen zwischen Lang, und Ags. nachgewiesen. Vergl. Lappenberg I, S. 101. H. Walbe setzt entgegen anderen Vermutungen die Torhalle neuerdings w i e d e r auf 774 an. Vgl. „Deutsche Kunst- und Denkmalspflege" 1935, Heft 6/7, S. 128. Vgl. E. A- Stückelberg, Germanische Frühkunst. Monatsh. f. Kunstwissensch. 1909, S. 119. Malmesbury, Gesta Regum I, 24. Er vermutet Heiligtümer darunter.
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stingabyrig." Da Ine aber erst 689 zur Regierung kam, so müssen wir den Bau später und zwar etwa 700 ansetzen. Fundamente dieser Kirche sind in den letzten Jahren freigelegt worden 1 . Ist schon der Fußboden aus rosa opus signinumbemerkenswert,soistder Grundriß überraschend (Abb. 33). Erzeigt dasselbe Schema wie Bradwell und Reculver, d. h. die pseudobasilikale Anlage mit je einem Portikus nördlich und südlich von außen Schiff und Chorraum zusammenfassend. Der Chorbogen ist weit. Eine kleine Krypta, halb über, halb unter der Erde, stand frei östlich vom Chor. — Erstaunlich ist die Tatsache, daß der König sich in Glastonbury nicht nach dem berühmten Basilikenbau Wilfrids in Hexham (oder Brixworth) richtete, sondern den älteren Kenter Plan wieder aufgriff. Dieser muß also schon eine gewisse Bodenständigkeit gezeigt haben. Oder wirkte die größere Nähe mit ? Aldhelm starb — so wird berichtet —• auf der Reise, und zwar in einem H o l z k i r c h l e i n in Doulting. Man könnte es als Ironie des Schicksals auffassen, daß der Erbauer so vieler südlich beeinflußter Steinkirchen in einer heimatlich bescheidenen Landkirche endete —• und doch hatte dieser Aldhelm das römische Wesen nur wie ein prächtiges Gewand übergezogen, er selbst blieb Angelsachse. Und wie er in seinem dichterischen Werk beides vereinigte: Verse in gedrechseltem Latein und fromme altenglische Lieder 2 , so scheinen auch in seinen architektonischen Ideen, so pomphaft die Berichte klingen, b o d e n s t ä n d i g e Z ü g e n i c h t g a n z v e r d r ä n g t gewesen zu sein, wenigstens nach Bradford und Glastonbury zu urteilen. Denn seine „ecclesiola" zu Bradford ist r ö m i s c h in der Technik des Mauerwerks, in Sockelbildung, B l e n d a r k a d e n und L i s e n e n , aber angelsächsich in der R a u m b i l d u n g mit dem hohen, saalartigen Schiff, der Eingangshalle und den Seitenportikus, dem abgesonderten niedrigeren Chorraum. Und Glastonbury zeigt nicht den Plan einer Basilika, wie er dieser rund 30 m langen Kirche wohl angestanden hätte, sondern den in England beliebteren Plan der P s e u d o b e s i l i k a mit angefügtem Seitenportikus. 6. Der Zentralbaugedanke im angelsächsischen England. Es gilt nun, einen Blick auf die Entwicklung des Zentralbaus zu werfen. Der Zentralbaugedanke ist den Angelsachsen nicht durchaus fremd. Ganz abgesehen davon, daß der frühgeschichtliche germanische Rundbau — wie ihn die Colonna Antonina in Rom darstellt — immer noch irgendwie in den baulichen Ideen eines jeden germanischen Volkes lebendig ist, abgesehen davon bestand in England eine römisch-keltische Zentralbautradition, z. B. Rundtempel und Thermenanlagen 3 . Durch die irische Mission wurden, zumal in Nordengland, der quadratische und der runde Zentralbau für kleine 1
2
Vgl. Peers and Clapham, Excavations at Glastonbury Abbey. The Antiquaries Journal. Bd. 10. S. 24. Aldhelms ags. Lieder sind leider alle verloren; sie waren so schön, daß König Alfred sie 3 Vgl. auch S. 71, Anm. 7. an die Spitze aller ags. Poesie stellte.
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kirchliche Baulichkeiten auch den Angelsachsen vertraut. So berichtet Beda 1 von St. Cuöberhts Klause auf der Insel Farne: „ D a s Bauwerk ist von f a s t r u n d e r Form, von Mauer zu Mauer etwa vier bis fünf Ruten (mensura quatuor ferme, sive quinque perticarum distentum) messend. Die Mauer ist außen höher als ein stehender Mann, aber im Inneren ist sie dadurch, daß der felsige Untergrund ausgehöhlt worden ist, viel höher an Maß, um das zügellose Umherschweifen von Augen und Gedanken zu verhindern. Diese Mauer ist nun nicht aus zurechtgehauenem Stein oder aus Ziegel und Bruchstein hergestellt (non secto lapide, vel latere et caemento), sondern gänzlich aus unbehauenen Steinen und Rasenstücken (cespite), die er durch das Ausgraben aus dem Innern des Hauses gewonnen hatte . . . Das Haus enthielt zwei Räume, nämlich ein Oratorium und einen Raum für Wohnzwecke. . . . Das Dachgespärr machte er aus Holz und bedeckte es mit Stroh . . . " Daß der beieinem Rundbau naheliegende Gedanke einer k u p p e l a r t i g e n W ö l b u n g öfters durchdacht worden war, beweisen die oben erwähnten kleinen, sinnreich und naiv gewölbten keltischen Oratorien und ähnliche Bauten. Auch die Angelsachsen mußten mit dieser naiven Art der Kuppelwölbung bekannt sein: Das altenglische Gedicht „Christ" fängt mit dem bekannten Vergleich „Christus als Eckstein" 2 an, meint aber nicht einen Eckstein, sondern den Schlußstein eines Kuppelgewölbes: D u eart se weallstan, Joe öa wyrhtan iu wiöwurpon to weorce! Wel J)e geriseö J)aet J)u h e a f o d sie healle maerre and gesomnige side weallas faeste gefoge, flint unbraecne . . . . . . sona forlaet weall wiö wealle! Nu is |>am weorce (jearf, Jjact se craeftga cume and se cyning sylfa and Jjonne g e b e t e , nu g e b r o s n a d is hus under hrofe.3 Du bist der Mauerstein, den die Maurer einst Verwarfen zu dem Werke! Wohl geziemt es dir, Daß du das H a u p t d e r H a l l e seist, Daß du verbindest zu weiten Wänden In festem Gefüge den harten Stein . . . . . . Laß ohne Säumen steigen Nun Mauer wider (mit ?) Mauer. Es ist dem Werke Not, Daß nun der Künstler komme und der König selber, Daß er b e s s e r e d a n n , d a s o g e b r e c h l i c h i s t Der S a a l u n t e r m Dache. 1
Vita Cuthberti c. 17 in Giles, a. a. O. S. 264.
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2
Psalm 118, 22.
3
„Christ" 2—14.
Wir wollen n u n m e h r zusammenstellen, was a n Z e n t r a l b a u t e n i n A l t E n g l a n d v o r h a n d e n war, soweit es u n s die Schriftquellen mitteilen. Baptisterien w a r e n n a c h südlichem B r a u c h stets zentrale Anlagen. So w u r d e im 8. J a h r h u n d e r t eine oktogonale oder kreuzförmige T a u f k a p e l l e an die K a t h e d r a l e von C a n t e r b u r y a n g e f ü g t , „östlich v o n der größeren Kirche, beinahe a n s t o ß e n d " 1 (vergl. A b b . 16). Vielleicht war auch die erste Y o r k e r K i r c h e eine zentrale Anlage, da sie die a u s Holz gebaute T a u f k a p e l l e E d w i n s einschloß, u n d zwar „ f i n g m a n an zu b a u e n , im Viereck (im Q u a d r a t ?) das f r ü h e r e O r a t o r i u m u m f a s s e n d " (in gyro prioris oratorii p e r q u a d r u m coepit aedificare besilicam) 2 . A u c h ohne d a ß ein gleicher oder ähnlicher A n l a ß vorlag, m a g die K i r c h e Bugges (Eadburg) auf der Insel T h a n e t einen q u a d r a t i s c h e n G r u n d r i ß geh a b t h a b e n , wenigstens k ö n n t e m a n dies Aldhelms Versen e n t n e h m e n : . . . Sol per vitreas illustret forte fenestras L i m p i d a q u a d r a t o d i f f u n d e n s lumina templo 3 . Die Sonne erleuchtet (den R a u m ) taghell d u r c h gläserne F e n s t e r , I n dem V i e r e c k der Kirche strahlende Lichter verbreitend. Der b e d e u t e n d s t e Z e n t r a l b a u des 7-/8. J a h r h u n d e r t s aber ist Wilfrids M a r i e n k i r c h e , die der große P r ä l a t an der Südostecke seiner b e r ü h m t e n Andreasbasilika in H e x h a m errichten u n d wahrscheinlich d u r c h einen gedeckten Gang mit dieser v e r b i n d e n ließ. W e n n wir die E n t s t e h u n g s geschichte der Kirche in B e t r a c h t ziehen, so wird es sich u m einen großzügigen B a u gehandelt h a b e n . E d d i u s berichtet, daß, als Wilfrid t o t k r a n k in M e a u x lag (705), i h m der Erzengel Michael im T r a u m erschienen sei u n d i h m noch vier J a h r e Leben verheißen h a b e : „ D e n k e d a r a n , d a ß du zwar zu E h r e n der Apostel St. P e t e r u n d St. A n d r e a s K i r c h e n errichtet h a s t , aber noch keine f ü r die J u n g f r a u Maria, die deine Fürsprecherin i s t " 4 . — N a c h seiner Gesundung b a u t e Wilfrid in D a n k b a r k e i t die Marienkirche zu Hexham. Die Beschreibung dieser Kirche finden wir bei Prior R i c h a r d : „ E i n e K i r c h e herrlicher A r t (mirandi operis); diese ist sehr m e r k w ü r d i g in der F o r m eines T u r m e s (in m o d u m turris) errichtet u n d beinahe r u n d (fere r o t u n d a ) ; n a c h den vier H i m m e l s r i c h t u n g e n h a t sie ebenso viele P o r t i k u s (a q u a t u o r p a r t i b u s t o t i d e m porticus h a b e n s . " 5 E r erzählt ferner, d a ß das W e r k erst u n t e r Wilfrids Nachfolger, Acca, zu E n d e g e f ü h r t sei. (Man h a t also länger als vier 1 2 4
6
Eadmer, Vita S. Bregwini. In Wharton, Anglia Sacra II. Lond. 1691, S. 75 u. 186. 3 Baeda II, 14. Aldhelm ed. Ehwald. M. G. Auct. ant. X V , 17. St. Peter ist ebenfalls in Hexham. Der Traum ist berichtet in Eddius c. 56. — Vergl. P. Clemen, „Roman. Monumentalmalerei i. d. Rheinl." Düsseldorf 1916. S. 698. Anm. 46 u. S. 700. Raine, H e x h a m , I, 14.
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J a h r e d a r a n gebaut.) Aelred von R i e v a u l x n e n n t es „ o p e r e r o t u n d o " . — Die Kirche, d u r c h die D ä n e n zerstört u n d d a n n wieder a u f g e b a u t , h a t bis 1700 gestanden u n d ist d a n n abgetragen u n d als B a u m a t e r i a l v e r w a n d t worden. W a s können wir aus den o b e n g e n a n n t e n Schriftquellen herauslesen ? E r s t e n s : die vier A u s b a u t e n sind n i c h t i n d i e r u n d e A u ß e n l i n i e m i t eingeschlossen. Z w e i t e n s : es ist k e i n N i s c h e n b a u ; d e m steht schon die geringe M a u e r s t ä r k e angelsächsischer B a u t e n der Wilfridischen Zeit entgegen. An positiven Ergebnissen e r h a l t e n w i r : es ist ein d e u t l i c h a b g e s e t z t e r R u n d b a u (in m o d u m turris) v o n leicht elliptischer D e h n u n g in der W e s t - O s t r i c h t u n g (fere rotundo). Dieser M i t t e l b a u r a g t hoch empor, sonst würde er nicht als „ T u r m " angesehen. E r ist möglicherweise mehrstöckig. Die — niedrigeren — A u s b a u t e n (porticus) heben sich als solche deutlich von d e m H a u p t b a u ab. Sie sind sichtbarlich n a c h den vier Himmelsrichtungen orientiert, sind demnach schmal, aber ausladend. Der Westp o r t i k u s h a t als E i n g a n g sicher einen rechteckigen G r u n d r i ß , dagegen bleibt unklar, ob die drei a n d e r n A u s b a u t e n f l a c h oder halbkreisförmig schließen; zu erwarten ist letzteres von d e m O s t p o r t i k u s . I m Sinne Wilfrids wäre ein halbkreisförmiger Abschluß nach Osten, N o r d e n u n d Süden (nach heimischer Gewohnheit aber m ü ß t e n alle A u s b a u t e n f l a c h geschlossen sein!). Gerne w ü ß t e n wir, ob Wilfrid den B a u mit einer K u p p e l w ö l b u n g versehen h a t , u n d seien es auch nur zwei sich kreuzende T o n n e n . Man darf es bei seiner K ü h n h e i t in bezug auf bauliche N e u e r u n g e n wohl a n n e h m e n . D e n n sicherlich h a t Wilfrid bei der E r r i c h t u n g seiner Marienkirche nicht die heimische T r a d i t i o n im Auge g e h a b t , sondern n u r die N a c h a h m u n g eines römisch-italienischen Bauwerks beabsichtigt. D a ß der Z e n t r a l b a u g e d a n k e im alten Angelsachsen weiter d u r c h d a c h t wurde, zeigt König Alfreds Kirche in A t h e l n e y (9. J a h r h u n d e r t ) : „Vier in den E r d b o d e n eingelassene Pfeiler (postes) h a l t e n den ganzen B a u ( t o t a m s u s p e n d u n t m a c h i n a m ) : vier Apsiden mit r u n d e m Abschluß sind ringsum h e r u m g e s e t z t . " 1 F a n d hier der G r u n d r i ß von Wilfrids Marienkirche eine Wiederaufnahme ? A m E n d e der angelsächsischen E p o c h e s t e h t der R u n d b a u A b t Wulfrics I I . in C a n t e r b u r y (1050), der in großartiger K ü h n h e i t St. P e t e r u n d P a u l mit der n a c h Osten hin in einer Achse stehenden Marienkirche verb u n d e n hat 2 . U m f a n g r e i c h e A u s g r a b u n g e n 3 der letzten J a h r e h a b e n die Mauerachsen freigelegt; sie zeigen den G r u n d r i ß eines ä u ß e r e n Oktogons, das sich im I n n e r n zu einem kreisförmigen R a u m öffnet — A a c h e n h a t hier eingewirkt. 1 2 3
Gest. Pont. S. 199. Vergl. W. Hope, Round-naved churches in England. Arch. Cantiana 1918. S. 63. Vergl. d. diesbez. Aufsatz von Peers und Clapham in der Archaeologia 1927.
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Es geht in England mit dem Zentralbaugedanken ähnlich wie auf dem Kontinent. Immer und immer wieder müssen germanische Völker christlicher Konfession ihn durchdenken, gerade wenn sie etwas besonders Vollkommenes schaffen wollen, und es läßt sich schwer sagen, wie weit ein eigener innerer Ansporn urtümlichen Erlebens sie dazu treibt, und wie stark der Süden — Rom und der Orient — sie darin beeinflußt, wozu in England außerdem das keltische Vorbild hinzukommt. So steht der Zentralbau Englands durchaus unter Mehrgesetzlichkeit. Durch einen dreifachen Anstoß getrieben, gedeiht er die ganze angelsächsische Zeit hindurch, wenn auch nur vereinzelt. 7. Kirchen des 8. Jahrhunderts. Das 8. Jahrhundert ist unergiebig für unsere Aufgabe aus mancherlei Gründen. Zunächst einmal ist Northumberland nach einem Zeitabschnitt reichster Kunsttätigkeit erschöpft. Indessen behauptet die northumbrische Gelehrsamkeit ihren Platz, und ihr Mittelpunkt York bringt es auch zu einer großen baulichen Leistung, aber erst am Ende des Jahrhunderts. An Stelle von Northumberland erhält Merzien die politische Führung. Leider sind die westlichen Gebirgsgegenden Englands, der Schauplatz des alten Merziens, nicht reich an Überresten angelsächsischer Kunst. In Eves h a m wurde eine große Abtei gegründet; die Gegend war vorher „unbebaut und voll stachlichten Dorngestrüpps, hatte aber ein Kirchlein von altersher, vielleicht ein Werk der Briten." 1 Von dem im 8. Jahrhundert errichteten Bau ist nichts erhalten. Dafür ist in der Kirche von R e p t o n (Westmerzien) eine Krypta erhalten, deren älteste Teile aus jener Zeit stammen, wo Repton als Begräbnisplatz der merzischen Könige bestimmt wurde. König Offa von Merzien, ein gewaltiger Herrscher, war wie sein großer, in seinem Alter ihm erstehender Gegenspieler auf dem Festland (Karl der Große) ein eifriger Schützer der Baukunst. Er gründete die große Abtei St. A l b a n 793, und errichtete daselbst eine „basilica pulcherrimi operis" („eine Basilika herrlichster Bauart") 2 . Auf jenem Platz steht jetzt eine normannische Kirche. In L i c h f i e l d schuf er das dritte Erzbistum der Insel, das allerdings nur 16 Jahre bestand. Auf dem hochragenden Platz, wo heute die schöne gotische Kathedrale steht, hatte wahrscheinlich schon im 7. Jahrhundert die ärmliche Kirche Bischof Ceaddas gestanden, von der berichtet wird: „Die Kirche war eng und offenbarte die Bescheidenheit und Enthaltsamkeit der Leute von ehemals." 3 Dort lag auch der heilige Kirchenfürst (Ceadda) begraben, seine Gebeine wurden später in eine vom Bischof Headda (691 bis 721) errichtete zweite Kirche überführt: „Nachdem die Kirche zu Ehren des allerheiligsten Apostelfürsten Petrus erbaut worden war, brachte man seine 1
Gest. Pont. S. 296.
2
Gest. Pont. S. 316.
3
Gest. Pont. S. 307.
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Gebeine d o r t h i n . " 1 Welche K i r c h e n u n Offa a u s b a u t e oder ob er eine ganz n e u e g r ü n d e t e , weiß m a n nicht, doch soviel darf m a n a n n e h m e n , d a ß es eine Basilika v o n einigem U m f a n g war. W ä h r e n d v o n den großen merzischen B a u t e n n i c h t s erhalten blieb u n d wir auch k a u m etwas wegen der D ü r f t i g k e i t der Schriftquellen ü b e r sie aussagen können, so sind eine Reihe k l e i n e r L a n d k i r c h e n des 8. J a h r h u n derts in allen Teilen E n g l a n d s ganz oder teilweise auf unsere Tage gekomm e n , z. B. B a r d s e y im D i s t r i k t des alten E l m e t e - W a l d e s , v o n dem Beda spricht 2 . An dieser K i r c h e s t a m m t noch die W e s t v o r h a l l e u n d das Westende des Schiffs a u s alter Zeit. B i s h o p s t o n e in Sussex h a t noch einen gut e r h a l t e n e n seitlichen Portikus,^ d e m freilich ein kleiner normannischer Eingangsbogen vorgesetzt worden ist (Abb. 34). Obgleich Bishopstone keine E r w ä h n u n g in den Schriftquellen f a n d , so sei doch dies Beispiel eines echt angelsächsischen Spitzgiebels hier a n g e f ü h r t , — dieser P o r t i k u s darf m i t R e c h t als ,,heahh o r n e d " ( „ h o c h g e h ö r n t " , vergl. S. 23) bezeichnet w e r d e n ! Gegen E n d e des 8. J a h r h u n d e r t s bringt es N o r t h u m b e r l a n d , alle merzische u n d sächsische B a u t ä t i g k e i t ü b e r s t r a h l e n d , zu der großen L e i s t u n g v o n Y o r k . Die K a t h e d r a l e von York, die von Wilfrid 669 wiederhergestellt worden war (vergl. S. 87), b r a n n t e im J a h r e 741 ab. An ihrer Stelle erricht e t e Bischof Aelbert einen glänzenden N e u b a u . Diese ,,nova s t r u c t u r a " ist uns wieder aus dem Lobgedicht Alkuins b e k a n n t : H a e c nimis alta d o m u s solidis suffulta c o l u m n i s , Suppositae q u a e s t a n t c u r v a t i s a r c u b u s , i n t u s E m i c a t egregiis l a q u e a r i b u s a t q u e f e n e s t r i s , P u l c h r a q u e p o r t i c i b u s fulget c i r c u m d a t a m u l t i s , P l u r i m a diversis retinens s o l a r i a tectis, Quae t r i g i n t a t e n e t variis o r n a t i b u s a r a s 3 . Dieses h o c h r a g e n d e H a u s , getragen v o n k r ä f t i g e n Säulen, Welche u n t e r g e s e t z t sind kurvigen Bogenreihen, I n n e n strahlend im S c h m u c k der Felderdecken u n d F e n s t e r , Herrlich ist es, u m g e b e n v o n zahlreichen Seitenhallen; Mehrere Stockwerke h ä l t es u n t e r verschiedenen D ä c h e r n , Auch h a t es, dreißig an Zahl, verschieden geschmückte Altäre. N a c h dieser Beschreibung ist die Anlage v o n Y o r k der von H e x h a m (St. Andreas) ähnlich, aber n i c h t so kompliziert. E s ist eine wahrscheinlich dreischiffige Basilika m i t A r k a d e n r e i h e n , E m p o r e n u n d O b e r g a d e n . N a c h oben hin ist die Y o r k e r K a t h e d r a l e abgeschlossen d u r c h eine g e 1 3
2 Hist. Eccl. IV, III. Ebda. II, 14. Alcuin, De pontif. et sanctis eccl. Eboracensis a. a. 0 . V. 1508—1513.
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34. K i r c h e i n B i s h o p s t o n e ( S u s s e x ) m i t f r ü h a n g e l s iic h si s e h e r V o r h a l l e
t ä f e l t e u n d in F e l d e r g e t e i l t e Decke (laquear), von der Lampen herabhingen (vergl. S. 194). Da die Fenster besonders erwähnt werden, so übertrafen sie sicher die sonst üblichen kleineren Kirchenfenster an Größe wie auch dadurch, daß sie verglast waren. Unter den „multis portieibus", von denen der Bau umgeben ist, versteht man wohl am besten (neben Atrium und Kreuzgang ?) kapellenartige Räume, die die Seitenschiffe und wohl auch das Querschiff begleiten. Es mußten schon eine große Reihe Einzelräume geschaffen werden, um die Zahl von dreißig Altären unterzubringen, freilich kann dies auch durch Unterteilung der Seitenschiffe und Errichtung von halbhohen Wänden geschehen sein1. An der Stelle im Mittelschiff, wo früher das hölzerne Baptisterium König Edwins gestanden hatte, erhob sich nun ein besonders großer und besonders kostbar geschmückter Altar. So ergänzt und bestätigt die Bautätigkeit des 8. die Ergebnisse des 7. Jahrhunderts. Die Schriftquellen sind aber zu spärlich und die erhaltenen Reste zu unbedeutend, als daß irgendwelche besonderen architektonischen Neuerungen verzeichnet werden konnten. Ergebnisse und Ausblicke. Die Sakralarchitektur Angelsachsens bedient sich gleich nach der Einführung des römischen Christentums (597) der stammfremden Steinbautechnik. Anscheinend werden in England mehr Steinkirchen errichtet als in anderen westgermanischen Ländern nach Annahme des Christentums; römisch-britisches sowie keltisches Vorbild wirken 1
Solche Kompartimente finden wir auf dem Plan von St. Gallen. Die dortige Klosterkirche ist rund 80 Jahre später als York errichtet.
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dabei als T r i e b k r ä f t e . Gerne w e r d e n Steine aus alten römischen B a u w e r k e n herausgebrochen u n d wieder v e r w a n d t . Der H o l z k i r c h e n b a u , der schon v o n 563 a b v o n der iroschottischen Mission gepflegt w o r d e n ist, z u m a l in N o r d e n g l a n d , m u ß n a c h d e m Sieg des römischen C h r i s t e n t u m s bei W h i t b y (664) d e m S t e i n b a u weichen. Da j edoch der H o l z b a u germanischen Gewohnheiten besser entspricht, w e r d e n auch weiterhin in entlegenen O r t s c h a f t e n u n d auf G u t s h ö f e n Holzkirchen erricht e t , doch h a n d e l t es sich d a n n stets u m B a u t e n bescheidenen U m f a n g s . Was die R a u m f o r m des angelsächsischen S a k r a l b a u s betrifft, so ist ihre E n t w i c k l u n g d u r c h a u s n i c h t einheitlich. I m A n f a n g t r i t t die basilikale F o r m n u r ganz vereinzelt a u f , d a f ü r aber h ä u f i g eine pseudobasilikale Anlage mit östlichen Zügen, aber heimischer A b w a n d l u n g . Die reine Basilikaform wird vor allem v o n Wilfrid gefördert. I m Verlaufe des 7. J a h r h u n d e r t s zeigt die englische Basilika in Weiterentwicklung des gegebenen Grundrisses b e d e u t s a m e N e u e r u n g e n gegenüber der römisch-frühchristlichen F o r m : Doppelchörigkeit, die Ausbildung eines weiten Querschiffes u n d die Möglichkeit eines rechteckigen Chorschlusses. Auch zeigen sich schon eine Reihe unterirdischer K r y p t e n . Neben der Basilika und der seltener bezeugten F o r m der R u n d k i r c h e steht gleich v o n A n f a n g an die S a a l k i r c h e , die sich freier in der E n t w i c k l u n g nationaler Eigenzüge erweist. I n der alten angelsächsischen Saalkirche leben b o d e n s t ä n d i g germanische u n d keltische B a u e l e m e n t e weiter, abgeleitet v o m germanischen T e m p e l b a u , v o n d e m irisch-keltischen G o t t e s h a u s u n d v o n der Gefolgschaftshalle. D a s Schiff der Saalkirche ist lang u n d schmal, die W ä n d e hoch. Das meist flachschließende Chorhaus ist s t a r k gesondert u n d öffnet sich z u m Schiff mittels eines t ü r a r t i g e n Chorbogens. Auffallend ist die Bildung von seitlichen Kapellen (je einer n a c h N o r d e n u n d nach Süden) u n d eines E i n g a n g s p o r t i k u s mit darüberliegendem K ü s t e r r a u m (Anfang eines Westt u r m s ) . E i g e n a r t i g u n d z u m Teil a u f H o l z a r c h i t e k t u r z u r ü c k g e h e n d sind die F o r m e n der Fenster- u n d Chorbogen, die E c k b i l d u n g der Mauern, die gedrehten Balustersäulen. (Von den erst in der s p ä t e r e n angelsächsischen Bauzeit a u f t r e t e n d e n „ p i l a s t e r - s t r i p s " setzen sich die B l e n d a r k a d e n Bradford-on-Avon's ab). So geht die E n t w i c k l u n g der Saalkirche u n a b h ä n g i g von der Basilika vor sich. Man ist leicht geneigt, der E i n r a u m k i r c h e den Sieg zuzuschreiben, d a viele f r ü h e angelsächsische Saalkirchen e r h a l t e n geblieben u n d alle Basiliken bis auf F u n d a m e n t e v e r s c h w u n d e n sind. Die Schriftquellen jedoch, u n d seien sie a u c h noch so d ü r f t i g , weisen d a r a u f h i n , d a ß m a n die V e r b r e i t u n g der Basilika nicht u n t e r s c h ä t z e n d a r f 1 . Bis 800 1
Schnaase in semer „Geschichte der bild. Kunst" III, S. 41 und S. 525, Anm. 5 weist nach, daß der Ausdruck „basilica" für die Form des Bauwerks nichts beweist. Die engl. Schriftquellen scheinen aber — so weit sie herangezogen sind — den Ausdruck in unserm Sinne zu gebrauchen. Nur Thanet ist nicht sicher.
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sind viele und auch für die Zeit sehr großartige Basiliken gebaut worden. Man denke an die B a u t e n Wilfrids in Ripon und Hexham, an die Aldhelms in Malmesbury, an die merzischen Kirchen, an den Neubau von York im 8. J a h r h u n d e r t . Sicherlich sind von Wilfrids Zeit ab alle Kirchen von einiger Bedeutung, vor allem alle Bischofskirchen, basilikal angelegt worden. Werfen wir einen Blick ü b e r d i e a n g e l s ä c h s i s c h e E p o c h e h i n a u s , so sehen wir, daß die alte Saalkirchenform mit ihren so typischen Kennzeichen ein Ende findet. Doch lebt sie unter andern Bedingungen weiter. Sie wird umgewandelt zur normannischen Saalkirche; sie bildet nunmehr — wie vorher die Holzkirche — das Gotteshaus des Dorfes und der Kleinstadt und erhält ihre bodenständige Art aufrecht. Der zweistöckige Westportikus war schon in spätangelsächsischer Zeit m i t einem Turmüberb a u gekrönt worden; der W e s t t u r m erhält nun in normannischer Zeit ein wehrhaft trutziges Aussehen (Abb. 34). In der größeren Stadt herrscht aber die von Süden importierte basilikale Anlage. Von der Basilika des 7./8. J a h r h u n d e r t s hat sie die Neigung zur Bildung von Emporen und K r y p ten sowie zu ausladenden Querschiffarmen übernommen. Aber der Sieg der Basilika, der in der ersten Periode der Normannenherrschaft vollständig zu sein scheint, wird später in der Zeit nationalen Wiedererwachens wieder geschmälert. Zug um Zug hat die englische Basilika des Mittelalters von der bodenständigen altangelsächsischen Saalkirche übernehmen müssen, und zwar handelt es sich u m folgende Charakteristiken: 1. D a s L a n g h a u s w i r d ü b e r m ä ß i g g e d e h n t , i s t l a n g u n d s c h m a l . Die Chorpartie n i m m t an der Streckung oft teil. (Peterborough). 2. D i e S e i t e n p o r t i k u s l e b e n w e i t e r in eigenartig angehängten Seitenkapellen (Tewksbury, Canterbury). Die Wiederholung des Querschiffs betont das Bestreben seitlichen Ausladens. 3. Der f l a c h e C h o r s c h l u ß h a t sich schon in spätangelsächsischer Zeit so durchgesetzt, daß er von den Normannen späterhin übernommen wurde 1 . Auch die Chöre mittelalterlicher Dome schließen o f t r e c h t w i n k l i g (Salisbury). 4. Nachdem die Wölbung durch starke Widerlager vorbereitet, bleibt vielfach die alte flache H o l z d e c k e bestehen (Hexham), oder der o f f e n e D a c h s t u h l lebt weiter in künstlerisch vollendeter Form (Harwell, Berkshire, 13. J a h r h u n d e r t ) . Es ist selbstverständlich, daß diese der Basilika aufgezwungenen Züge die südliche Harmonie und Klarheit des Baukörpers zerstören. Betrachten wir aber die genannten Charakteristiken als kräftige Äußerungen germanisch-angelsächsischer Eigenart, so müssen wir die unbekümmerte Selbständigkeit des englischen S a k r a l b a u s sowie das Festhalten an heimischen Formen gebührend anerkennen. 1
Th. G. Jackson, Byzantine and Romanesque Architecture. Cambr. 1913. S. 203.
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II. PLASTIK. DAS E N G L I S C H E HOCHKREUZ Nicht Stein, sondern H o l z ist das Material gewesen, dessen reiches Vork o m m e n u n d b e q u e m e H a n d l i c h k e i t die G e r m a n e n zu künstlerischer Bea r b e i t u n g , u n d zwar zu R e l i e f i e r u n g aller A r t lockte. Ganz vereinzelt e n t s t a n d e n a u c h r u n d p l a s t i s c h e Bildungen. E i n Beweis d a f ü r sind die vollr u n d e n T i e r k ö p f e der Osebergschlitten u n d die flacheren, aber auch noch r u n d p l a s t i s c h zu n e n n e n d e n Tiergestalten der Bettleisten desselben F u n des 1 . Aber doch ist hierbei n i c h t der W u n s c h , eine m e h r oder weniger n a t u r n a h e F i g u r zu bilden, die künstlerische T r i e b k r a f t gewesen, sondern das Verlangen, die M a t e r i a l f o r m — also (bei den Schlitten) das runde, s t a m m artige Holz u n d (bei den Bettleisten) das b r e t t a r t i g e Material zu einer Z i e r f o r m u m z u a r b e i t e n . (Daß u r s p r ü n g l i c h eine kultische Absicht den geheimnisvollen O r n a m e n t i i g u r e n z u g r u n d e gelegen h a t , ist wohl anz u n e h m e n ) vergl. S. 229). Stets ist bei diesen Schnitzereien die G r u n d f o r m sichtbar, Block bleibt Block, u n d B r e t t bleibt B r e t t . Mehr n o c h : die herausgeschnitzte r u n d p l a s t i s c h e Figur genügt d e m S c h m u c k b e d ü r f n i s nicht, sondern der Schnitzer h a t diese noch an der Oberfläche mit reliefierten Schnitzereien b e d e c k t (Schlittendeichsel im Osebergfund). Das zeigt ein deutliches B e v o r z u g e n des R e l i e f s gegenüber der R u n d p l a s t i k . E s ist dies begründ e t im Wesen der germanischen K u n s t ; sie ist eine a b s t r a k t e K u n s t u n d will d a m a l s nichts a n d e r e s als den z u m Leben notwendigen Dingen eine schöne F o r m verleihen u n d diese schöne F o r m obendrein in gefälliger Weise verzieren. Leider sind Holzschnitzwerke der Angelsachsen n u r ganz ausnahmsweise e r h a l t e n , vor allem in d e m Cuöberht-Sarg, doch ist dieser nicht nach germanischer A r t b e a r b e i t e t worden (vergl. S. 128f.). Die G ü t e der verlorenen Holzplastik k ö n n e n wir ermessen a u s den erhaltenen altenglischen S t e i n p l a s t i k e n . D a ß die Angelsachsen — anders wie die ü b r i g e n germanischen S t ä m m e — zu solch f r ü h e r Zeit (um 700) eine h o c h e n t w i c k e l t e Steinp l a s t i k besessen h a b e n , m u ß d u r c h ganz b e s o n d e r e U m s t ä n d e hervorgerufen sein. Mitgebracht a u s der s t e i n a r m e n n o r d d e u t s c h e n H e i m a t h a b e n sie diese T e c h n i k nicht, a b e r a u f der Insel (England) müssen sie bald d a m i t irgendwie b e k a n n t geworden sein, w e n n a n d e r s n i c h t der H o c h s t a n d der Steinplastik im 7./8. J a h r h u n d e r t als eine plötzlich emporgeschossene B l ü t e g e d e u t e t werden m ü ß t e . W a s die Angelsachsen a n S t e i n s k u l p t u r e n auf der Insel v o r f a n d e n , war zweierlei H e r k u n f t , nämlich die ihnen a r t f r e m d e n f i g ü r l i c h e n römischen P l a s t i k e n u n d zweitens die i h r e m eigenen Empfin1
Abb. bei A. W. Brögger, „Osebergfundet", Christiania 1920. Bild X und VIII.
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den näher stehenden S t e i n m o n u m e n t e der keltischen B r i t e n mit o r n a m e n tal-abstraktem Schmuck. Die von beiden zuerst auf die Angeisachsen einwirkende S t e i n k u n s t war n a t u r g e m ä ß die k e l t i s c h e . Die B i n d u n g w u r d e u m so fester, als i h n e n d u r c h Kelten (Iren) das C h r i s t e n t u m schon seit Mitte des 6. J a h r h u n d e r t s ü b e r m i t t e l t w u r d e u n d Nord- u n d Mittelengland f a s t 100 J a h r e bei dieser F o r m des C h r i s t e n t u m s verblieben. D u r c h Augustin w u r d e u m 600 das römische C h r i s t e n t u m u n d d a m i t a u c h der Sinn f ü r r ö m i s c h e , f i g ü r l i c h e Steinplastik erschlossen. Mit derselben B e w u n d e r u n g , die das künstlerisch empfängliche Volk den römischen S t e i n b a u t e n entgegenbrachte, u m f a ß t e es auch römische S k u l p t u r e n . Beides, die a b s t r a k t e k e l t i s c h e wie die f i g ü r l i c h e r ö m i s c h e P l a s t i k w i r k t e so auf die — wie jedes germanische Volk schnitzbegabten —• Angelsachsen ein, d a ß , wenige J a h r e n a c h d e m der Norden f ü r das römische C h r i s t e n t u m gewonnen war, eine w u n d e r b a r e Blütezeit der S t e i n m e t z k u n s t h e r v o r g e b r a c h t w u r d e . Sie ist zuerst u n d zumeist im N o r d e n E n g l a n d s zu finden, u n d so s t a r k s p ü r b a r ist der keltische Einfluß in den u m 700 e n t s t a n d e n e n Bildwerken, d a ß sie lange als „ i r i s c h " bezeichnet w o r d e n sind. E i n irriger A u s d r u c k ; d e n n es h a n d e l t sich hier u m angelsächsische, insbesondere a n g l i s c h e K u n s t , die freilich starke E i n w i r k u n g e n m e h r n o c h der britischen K e l t e n als der I r e n in sich t r ä g t . Die große S c h ö p f u n g dieser Blütezeit ist das H o c h k r e u z , jenes b e k a n n t e p r a c h t v o l l e M o n u m e n t m i t d e m k r ä f t i g e n , hoch a u f r a g e n d e n u n d nach oben sich v e r j ü n g e n d e n Schaft, g e k r ö n t von einem gleicharmigen Kreuz. Die große Reihe der H o c h k r e u z e h a t eine längere E n t w i c k l u n g h i n t e r sich, die u n s d u r c h Schriftquellen erschlossen wird. Seit j e n e m Tag, an d e m Augustin u n d die Seinen dem K ö n i g Aeöelberht v o n K e n t m i t erhobenem K r e u z g e g e n ü b e r t r a t e n — „sie k a m e n , ein s i l b e r n e s K r e u z als Feldzeichen t r a g e n d " 1 — ist die V e r e h r u n g des heiligen Kreuzes im Inselreich groß gewesen. Sie spricht sich nicht n u r in der Poesie in ergreifender Weise aus, sondern h a t auch zur E r r i c h t u n g zahlloser, z u m Teil noch erhaltener K r e u z e g e f ü h r t , von den einfachsten G e s t a l t u n g e n bis hin zu den herrlichen S c h ö p f u n g e n v o n R u t h w e l l u n d Bewcastle. K r e u z e w u r d e n e r r i c h t e t als G r e n z b e z e i c h n u n g 2 , sie s t a n d e n a n W e g k r e u z u n g e n 3 . F r o m m e H a u s v ä t e r pflanzten ein K r e u z in ihrem G a r t e n a u f : „ . . . es ist Sitte b e i m Volk der Sachsen, d a ß sie auf vielen G ü t e r n ihrer Adeligen u n d Freien n i c h t eine Kirche, sondern das Zeichen des hl. Kreuzes h o c h e r r i c h t e t h a b e n u n d d o r t . . . die täglichen Gebete zu h a l t e n pflegen." 4 1 2 3 4
Hist. Eccl. I, 25. Cod. Dipl. C C X X X I I I Birch, Cart. Sax. Nr. 919. Journal of Arcbeological Association X L I I I , 372. Vita Willibaldi. M. G. Scriptores X V , S. 88. Gemeint sind d. Inselsachsen. 8
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Dieser B r a u c h wird u n s d u r c h das K r e u z b e s t ä t i g t , das der hl. Cuöberht a u ß e r h a l b seines Bethauses im freien L a n d e r r i c h t e t h a t . Andere K r e u z e w u r d e n zur E r i n n e r u n g an denkwürdige Begebenheiten oder z u m Gedächtnis ehrwürdiger P e r s o n e n errichtet — sie dienen als D e n k m ä l e r . Hierzu gehört das K r e u z aus Holz, das König Oswald v o n N o r t h u m b e r l a n d vor der Schlacht v o n H e f e n f e l t h (642) aufpflanzte 1 . Obgleich „ h a s t i g a n g e f e r t i g t " , war es doch sicher in festem Blockverband z u s a m m e n g e f ü g t , d e n n es s t a n d moosbewachsen noch lange J a h r e n a c h der E r r i c h t u n g . „ O n w u r ö m y n t e öaer s t o d " 2 („zu ehrendem Gedächtnis s t a n d es d a " ) , erzählt Aelfric in seiner Lebensbeschreibung des hl. Oswald. — E i n Holzkreuz wird s p ä t e r (745) an j e n e r Stelle in Ripon errichtet, wo der L e i c h n a m Wilfrids gebadet u n d das Wasser auf die E r d e gegossen worden ist 3 . —• Ein steinernes K r e u z mit einer R u n e n i n s c h r i f t , das bis auf unsere Tage gekommen ist, w u r d e in Coldingham aufgestellt zu E h r e n des heimtückisch ermordeten Königs Oswine von Deira (651), von dem Beda berichtet 4 . E s h a t F l e c h t w e r k - O r n a m e n t u n d rohe Darstellungen der E v a n gelisten. — I n der K a t h e d r a l e von E l y sieht m a n heute noch das grobe D e n k m a l , das dem Mönch Owinus, dem t r e u e n Begleiter C.aeddas v o n Lichfield, einst gewidmet worden ist (670—680). — Kreuze w u r d e n am Wege von D o u l t i n g n a c h Malmesbury errichtet, woher 734 die Leiche Aldhelms getragen w u r d e ; das Volk n a n n t e sie „ B i s c h o f s s t e i n e " . (Nach gleicher Sitte ist 754 bei der Ü b e r f ü h r u n g der Leiche des hl. Bonifatius v o n Mainz n a c h F u l d a v e r f a h r e n worden, nämlich d a ß die Begleiter „ a n allen Orten, wo m a n über M i t t a g oder über N a c h t blieb, das Kreuzeszeichen aufsetzten." 5 E i n e n dieser Kreuzsteine f a n d m a n unlängst beim B a u der A u t o s t r a ß e F r a n k f u r t / M a i n — W i e s b a d e n ; er w u r d e im F r a n k f u r t e r Historischen Museum aufgestellt.) Erinnerungssteine waren a u c h die einstens auf d e m Friedhof in Glastonb u r y dicht bei der K i r c h e aufgestellten zwei „ S t e i n p y r a m i d e n " , die Wilhelm v o n Malmesbury (Anfang des 12. J a h r h u n d e r t s ) beschrieben h a t 6 . Abgebrochene H o c h k r e u z e sind es, die d e m Bewcastle Kreuz (Tafel 12) geglichen h a b e n werden. Die größere „ P y r a m i d e " h a t t e f ü n f Zonen ( t a b u l a t u s ) u n d eine H ö h e von 28 F u ß . Sie w a r m i t zwei bildlichen Darstellungen von Königen u n d Bischöfen geziert u n d m i t vierzehn N a m e n versehen, deren Träger uns u n b e k a n n t sind. Anders s t e h t es mit dem zweiten D e n k m a l . „ E s ist 26 F u ß hoch u n d e n t h ä l t vier Zonen, auf welchen zu lesen i s t : K e n t w i n , Bischof H e d d a , Bregored u n d B e o r w a r d . " K e n t w i n n u n w a r K ö n i g von Westsachsen 676—685, H e d d a d o r t Bischof 677—705; u n d 1 3 5 8
2 Hist. Eccl. III, 2. Early English Text Society Nr. 94. S. 127. 4 Eddius, Vita Wilfridi, c. 66. Hist. Eccl. III, 14. Vitae S. Bonifatii. ed. Levison (Hannover 1905) S. 103. W. von Malmesbury, De gestis Regum Anglorum. London 1887. I. S. 25.
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die beiden L e t z t g e n a n n t e n Ä b t e von Glastonb u r y a m E n d e des 7. u n d A n f a n g des 8. J a h r h u n d e r t s . So h a b e n wir hier den Beweis, d a ß H o c h k r e u z e zur E r i n n e r u n g a n weltliche u n d geistliche W ü r d e n t r ä g e r u m 700 errichtet worden sind. I h r e G r ä b e r werden wir wohl ebenfalls in G l a s t o n b u r y , nicht weit v o n den Hochkreuzen, zu suchen h a b e n . A u s n a h m s w e i s e ist das H o c h k r e u z auch als richtiges G r a b d e n k m a l b e n u t z t worden. W i r hören, d a ß Bischof Acca 740 nicht innerh a l b von St. Andreas in H e x h a m beigesetzt wurde, sondern „ a u ß e r h a l b der Mauer, in östlicher R i c h t u n g ; zwei Steinkreuze, geschmückt m i t herrlichem Meißelwerk (mirabili caelatura decoratae) w u r d e n hier aufgestellt, eins zu H ä u p t e n u n d eins zu F ü ß e n . Auf demjenigen, das sich a m K o p f e n d e befindet, s t e h t schriftlich v e r m e r k t (literis i n s c u l p t u m est), wer an diesem P l a t z begraben liegt." 1 (Es scheint germanischer B r a u c h gewesen zu sein, d a ß ein Grabstein a m Kopfende, einer zu F ü ß e n aufgestellt w o r d e n ist 2 .) I n der n ä c h s t e n Umgebung von H e x h a m sind verschiedene K r e u z r e s t e mit schöner S k u l p t i e r u n g g e f u n d e n worden, die als „ A c c a k r e u z " bezeichnet w e r d e n (Abb. 35). Der K r e u z s c h a f t weist drei Seiten mit ä u ß e r s t genau F r a g m e n t des A c c a gemeißelten Verzierungen auf, w ä h r e n d sich kreuzes (Durham) auf der v i e r t e n Seite eine (unleserliche) Inschrift befindet. Die S k u l p t i e r u n g b e s t e h t aus reliefierten W e i n r a n k e n mit h ä n g e n d e n T r a u b e n u n d B l ä t t e r n . Der S t a m m , aus d e m der Wein emporwächst, ist oft geteilt in zwei oder in vier Einzelstämme. Die einzelnen Abspaltungen sind so vielfach verschlungen, j a , m a n c h m a l beinahe v e r k n o t e t , die R a n k e n so n a t u r f e r n , d a ß stellenweise die W i r k u n g einer a b s t r a k t e n B a n d v e r s c h l i n g u n g angestrebt erscheint. W i r erkennen an diesem Zug die Arbeit des g e r m a n i s c h e n Künstlers, der das aus den ersten christlichen J a h r h u n d e r t e n überlieferte Motiv des „ W a h r e n W e i n s t o c k s " n a c h seiner A u f f a s s u n g u m w a n d e l t e . B e m e r k e n s w e r t ist stets die Umrißlinie der K r e u z a r m e , sie zeigt jene 1 2
Raine, The Priory of Hexham. London 1864. I, S. X X X I V . Ein Grabmonument, eingeschlossen von zwei großen aufrechtstehenden skulptierten Steinen, ist in Husaby (Westergötland) gefunden worden (11. Jhdt.).
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d o p p e l t e n K u r v e n , die so c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r die e n g l i s c h e n H o c h k r e u z e sind. W i r f i n d e n sie z . B . schön a u s g e p r ä g t an dem Fragment des Kreuzes von Cropthorne (Tafel 14). Auch schottische Hochkreuze zeigen diese D o p p e l k u r v e , n i c h t aber i r i s c h e . Noch ein wichtiges Unterscheidungsm e r k m a l sei hier m i t g e t e i l t : anglische H o c h k r e u z e h a b e n eine fast q u a d r a t i s c h e G r u n d f o r m u n d zeigen d a r u m n a c h allen Seiten einen gleich m o n u m e n t a l e n C h a r a k t e r ; die irischen (meist viel späteren) Hochkreuze haben einen flacheren S c h a f t , ihre Basis zeigt ein l ä n g l i c h e s R e c h t e c k . F ü r unsere U n t e r s u c h u n g ist es unerläßlich, die beiden "wichtigsten anglischen H o c h k r e u z e zu besprechen, das B e w c a s t l e - u n d d a s R u t h w e l l K r e u z (Tafel 11, 12, 15.). Zwar melden keine Schriftquellen von ihnen, aber sie sind sozusagen selbst literarische D e n k m ä l e r . So steht auf dem R u t h w e l l - K r e u z eine religiöse H y m n e in angelsächsischer Sprache u n d R u n e n s c h r i f t (also nationales G u t bestätigend), welche in ergreifenden Wort e n das K r e u z selbst sprechen l ä ß t , das, z i t t e r n d vor Weh, den j u n g e n Helden (Christus) t r u g , ganz ü b e r s t r ö m t v o n seinem Blut. Die Inschrift des Bewcastle-Kreuzes sagt uns, d a ß es von drei Getreuen zur E r i n n e r u n g an Alhfriö, den Sohn des n o r t h u m b r i s c h e n Königs Oswio, errichtet worden ist (670); es ist ein D e n k m a l , kein G r a b m a l . Das R u t h w e l l - K r e u z i s t einZeichen der V e r e h r u n g d e s hl. Kreuzes, d i e j a in E n g l a n d besonders s t a r k war. E s zeigt auf den Schmalseiten Weinlaub und Tiere; u n d auf Vorder- u n d Rückseite figürliche Darstellungen in Streifen. Das B e w c a s t l e - K r e u z ist abwechslungsreicher gestaltet. Seine Vorderseite e n t h ä l t Figuren u n d Inschriften, die Rückseite zeigt eine aufsteigende W e i n r a n k e mit Tieren, die sich a n den T r a u b e n zu schaffen m a c h e n . Die Schmalseiten sind in j e f ü n f Einzelfelder a u f g e t e i l t ; u n d zwar weist die südliche Seite zwei Felder auf m i t B l a t t w e r k u n d drei Felder mit Flechtwerk in ausgesprochen geometrischer F o r m . Auf der nördlichen Schmalseite befindet sich W e i n l a u b , F l e c h t w e r k , u n d in der Mitte ein Schachbrettm u s t e r . Alles ist wundervoll aus der Tiefe gearbeitet, malerisch u m w o g t von Licht u n d S c h a t t e n u n d doch nie die Strenge des Reliefstils aufgebend. W o h e r s t a m m e n n u n die verschiedenen Zierweisen ? 1. D a s B l a t t w e r k ist, wie das des Accakreuzes, das a l t - c h r i s t l i c h e W e i n s t o c k m o t i v , a b e r es ist n a c h germanischer Art umgewandelt. Vor allem sind die Tiere, die das Weinlaub beleben, nicht die frühchristlichen, sondern heimische Vögel, E i c h h ö r n c h e n u n d (vielleicht) ein Otter, a u ß e r d e m geheimnisvolle Vierfüßler, denen g e r m a n i s c h e F r e u d e a m T i e r o r n a m e n t den Leib umstilisiert u n d zwar zu einem langen, n a c h Skrollart gebogenen Schwanz ausgezogen h a t — fast wie Drolerien a n m u t e n d . 2. Der U r s p r u n g des F l e c h t w e r k s ist u m s t r i t t e n . Vielleicht ist es spont a n bei verschiedenen Völkern zugleich e n t s t a n d e n . Die Kelten h a b e n es f r ü h gepflegt, aber in altgermanischen G r a b f u n d e n wird es ebenfalls sieht -
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bar 1 . Meister des Flechtwerks sind vor allem die Langobarden, die einstigen Nachbarn der Angeln in der Ostseeheimat. Auch das angelsächsische Flechtwerk ist hervorragend. Es besteht am Bewcastle-Kreuz aus schmalen Bändern von gleichmäßiger Breite, die zu einem ausgeglichenen, meist symmetrischen Gewebe verschlungen sind. (Magisches Gut wird wohl ursprünglich aus diesem Knotenwerk gesprochen haben, und es nimmt uns nicht Wunder, daß gerade Leonardo da Vinci mit sichtlichem Wohlgefallen solche Gespinste entworfen hat.) 3. Das S c h a c h b r e t t m u s t e r ist ein zu allen Zeiten und in allen Ländern gebräuchliches Motiv, wird aber vorzugsweise von den K e l t e n , zumal den Iren, benutzt (Book of Durrow). 4. Der wichtigste Schmuck der Kreuze sind die f i g ü r l i c h e n G r u p p e n . Man betrachte die Darstellung des triumphierenden Christus auf dem Bewcastle-Kreuz (Tafel 12, Mitte). Das schöne, faltenreiche Gewand, die lange, schmale Kopfform mit dem weich herabfallenden Haar, die zartgestreckte Gestalt, alles das geht, wie Baldwin Brown vermutete und Strzygowski bestätigte, auf ö s t l i c h e Anregungen zurück 2 . In der Tat ist hier nichts von dem römischen Rundkopf, nichts von dem gedrungenen, kräftigen Körper, der aus Stadt-Rom stammt. Es lebt in dieser Christusdarstellung die empfindsame Zartheit des hellenistischen Ostens, der neuattischen Schule, in der Praxiteles nachwirkt. Dieselbe Zartheit schwingt auch in den anderen figürlichen Darstellungen, vor allem in der leider stark beschädigten Flucht nach Ägypten und der Verkündigung des Ruthwell-Kreuzes, und in dem Johannes Evangelista des Bewcastledenkmals. Der Sandstein ist malerisch behandelt mit starker Helldunkelwirkung. Tief dringt der Bohrer ein; einzelne Teile sind sogar so stark unterschnitten, daß die Hand durchgreifen kann. Das deutet wieder auf östlichen Einfluß. E l f e n b e i n e und S c h m i e d e a r b e i t e n aus dem O r i e n t müssen den angelsächsischen Künstlern vorgelegen haben. Es war Erzbischof Theodor von Canterbury, der zu dieser Zeit der Hochblüte (letztes Viertel des 7. Jahrhunderts) griechische Sprache und hellenistische Kunst in England zur Anerkennung brachte. Und doch sind in den fast fremdländisch anmutenden Reliefs Merkmale der n o r d i s c h e n Arbeit deutlich zu spüren. Der anglische Bildhauer verrät sich bald hier, bald dort. Vor allem in der Auffassung des Johann Evangelista (Bewcastle-Kreuz. Tafel 12, unten). Wir sehen eine leicht seitwärts geneigte Gestalt in langem, biblischem Gewand. Erstaunlicherweise aber hält dieser Johannes auf der behandschuhten linken Hand einen großen Vogel, der 1
2
Vgl. B. Salin, Altgerm. Tierornamentik. (Stockholm 1904. S. 340). — Nach Schuchhardt aber ist das eigentl. „Flechtband" dem nördl. Germanentum fremd und östl. Völkern vertraut. (C. Schuchardt, Alteuropa. Berl. u. Leipz. 1935. S. 301.) Baldwin Brown V, S. 284. Strzygowski, Der Norden i. d. bildenden Kunst a. a. 0 . S. 123.
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zwar als J o h a n n e s s y m b o l gelten k a n n , a b e r einem F a l k e n sehr nahe k o m m t . D a z u schwingt die r e c h t e H a n d einen leichten Stock, wie er g e b r a u c h t wurde, u m aus Buschwerk u n d Schilf Vögel a u f z u s c h e u c h e n : J o h a n n e s ist hier in einen F a l k n e r u m g e d e u t e t w o r d e n ! W e r die angelsächsische Poesie k e n n t , weiß, welche Rolle der Falke in A l t - E n g l a n d gespielt h a t . ,,Der gute Falke fliegt n i c h t m e h r d u r c h den S a a l " (ne god hafoc geond sael swingeö) 1 , so klagt die Elegie, u n d ein Rätsel 2 gibt ihn wieder u n t e r dem Bilde des t r e u e n ,, Gefolgsmannes" (eaxl-gestealla, \vt>tlich ,.Achselgefährte"). In dem Gedichte,, Geschicke der Menschen" wird der Beruf des F a l k n e r s erw ä h n t : ,,Sum sceal wilne fugel, wloncne a t e m i a n . . . " (Mancher soll den wilden Vogel, den stolzen, 36. K r e u z s t u m p f v o n J e d b u r g h zähmen.) — Bei dieser Vorliebe (R o x b u r g h ) f ü r die Falknerei d ü r f e n wir ann e h m e n , daß auch der Vogel, der v o m obersten K r e u z e s a r m v o n R u t h w e l l herabblickt, ein Falke u n d kein Adler ist. Unkonventionell u n d n a t u r n a h sind die Einzelheiten dieses Tieres gebildet, wie u n m i t t e l b a r n a c h einem n a h e n Vorbild geformt. Zu diesem Vogel gehört (nach Baldwin Brown) der „ B o g e n s c h ü t z e " , ein Mann mit langem H a a r u n d einem k n a p p e n , von der Schulter h e r a b h ä n g e n d e n Rock, der mit k ü h n e r Bewegung den Bogen gespannt h a t u n d gerade a b d r ü c k e n will (Tafel 15). — Der J o h a n n e s des Ruthwell-Kreuzes ist zwar m i t einem richtigen Adler abgebildet, aber auch diese G r u p p e ist völlig selbständig a u f g e f a ß t . Es entspricht der E i g e n a r t des Künstlers, d a ß er den Vogel groß u n d eindrucksvoll neben einem bedeutungslosen, k a u e r n den J o h a n n e s bildet. Selbst kleinere Einzelheiten: d a ß Christus zweimal mit einem Schnurrb a r t dargestellt ist, d a ß die K l a u e n der Vögel besser geraten sind als die H ä n d e der Menschen, d a ß die F r a u e n der Visitatio Holzschuhe an den F ü ß e n h a b e n , sind nicht belanglos; d e n n a u c h sie beweisen die H a n d des A n g e l s a c h s e n an diesem Werk. 1 2
Beowulf 2263. hafoe ist neuenglisch hawk. Trautmann Nr. 78.
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In der Art dieser beiden berühmtesten Kreuze sind noch manche anderen Werke gebildet. Sehr schön sind die Weinranken und Tiere des J e d b u r g h Steins. Die skrollartigen Ranken sind schon um ein Weniges germanischer gesehen, aber doch noch gegen 700 entstanden (Abb. 36). Der Süden Englands ist arm an Hochkreuzen, besaß aber (bis zum 16. Jahrhundert) ein hervorragendes Beispiel im Kreuz von R e c u l v e r . Wir haben einen sehr späten (1540), aber beachtenswerten Bericht über dies Hochkreuz in einem alten Reiseführer 1 . Er lautet: „Yn the enteryng of the quyer (Chor) ys one of the fayrest and the most auncyent (der ältesten) Crosse that ever I saw, a IX footes, as I ges (vermute), yn highte (an Höhe). It standeth lyke a faer columne (schöne Säule). The base greate stone (Basis) ys not wrought (bearbeitet). The second stone being r o w n d (rund) hath curiously wrought and payntcd(!) the images of Christ, Peter, Paule, Johannes and James. Christ sayeth: Ego sum Alpha etc. Peter sayeth: Tu es Christus filius dei vivi. . . The tliird stone contheineth (stellt dar) the XII Apostles. The I U I hath the image of Christ hanging and fastened with III nayles (Nägeln) and sub pedibus sustentaculum (Fußbalken). The hiest (höchste) part of the pyller (Säule) liath the figure of a Crosse. . . " Das so beschriebene Hochkreuz weicht etwas von den anderen ab. Es hat zwar eine viereckige Basis, aber die anderen, darüber gesetzten Einzelteile sind zylindrisch. Die Bemalung wird erst aus dem Mittelalter herrühren. Nun sind im Opus signinum des Fußbodens der Kirche zu Reculver Spuren eines darauf gestellten Kreuzsockels zu vermerken, die darauf hindeuten, daß das Kreuz gleichzeitig mit der Kirche (670) oder sogar früher errichtet worden ist. Und in einer jüngeren Kirche in Reculver sind Reste von Skulpturen gefunden, die C. R. Peers als zu dem verschwundenen Kreuz gehörig ansieht. Es sind kleine Blöcke mit Darstellungen von Weinranken und feingefältelten Gewandpartien (Tafel 13). Wir spüren die Nähe Canterburys, wo Theodor, der Grieche, Erzbischof w a r ! Nach der Art des Steins zu urteilen, ist dieses Hochkreuz in S ü d e n g l a n d selbst gearbeitet worden, ein Zeichen dafür, daß der zuerst im Norden gepflegte Kunstzweig auch im Süden Nachahmung fand, wenn auch seltener. Eine große Reihe beachtenswerter Kreuze ist dagegen in M i t t e l e n g l a n d gefunden worden, aber nicht vor dem 8. Jahrhundert, — die politische Macht ging erst zu dieser Zeit dorthin über! Während im mittelenglischen Merzien die Meißelkunst bis ins 9. Jahrhundert bewahrt bleibt, obgleich hier niemals die anglische Kunsthöhe erreicht wurde, ist Nordengland schon um 750 abgeglitten. Es entfernt sich immer mehr von den klassischen Vorbildern, die heimische, abstrakte Kunst dringt wieder vor, und das Figurenwerk wächst zu sonderbaren Gestaltungen aus. Aber die alte Kraft ist dahin, die Blüte der Plastik vorbei, schon ehe die Wikingereinfälle eine Ruhepause erzwingen. 1
John Leland, Itinerary, Ed. Toulmin-Smith IV, S. 59.
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Z u s a m m e n f a s s u n g . I n E n g l a n d e n t s t e h t f r ü h eine H o c h b l ü t e der Steinplastik u n t e r s t a r k e r Mitwirkung des keltischen Elements. Die große S c h ö p f u n g ist das H o c h k r e u z , das in der Bildung seines mächtigen, eigenartigen G e s a m t a u f b a u s eine bodenständig anglische Erscheinung ist, in der Ausbildung der Einzelheiten aber auf A n r e g u n g e n verschiedenster Herk u n f t z u r ü c k g e h t . Die geometrische Verzierung ( S c h a c h b r e t t m u s t e r u n d Flechtwerk) ist keltischen, bzw. keltogermanischen Ursprungs. D a s Blattwerk mit seinen Tieren zeigt ein frühchristliches Motiv, ist aber teilweise s t a m m e s g e m ä ß abgewandelt. Der F i g u r e n s c h m u c k ist hellenistisch östlicher P r ä g u n g , doch fehlt es selbst bei diesen glänzend n a c h e m p f u n d e n e n Skulpt u r e n nicht an bodenständiger Auffassung. Diese wundervollen W e r k e bestätigen e r n e u t , wie s t a r k sich die germanischen Angelsachsen, wenn auf einem Gebiet eigenes K ö n n e n vorlag, in f r e m d e s K u n s t g u t vertiefen konnt e n , ohne ihre Persönlichkeit aufzugeben. A R C H I T E K T U R P L A S T I K AN K I R C H E N Das E p o s „ A n d r e a s " berichtet u n s von einem W e r k der A r c h i t e k t u r p l a s t i k ; es ist dies das einzige Mal, daß eine S t e i n s k u l p t u r in der beimischen Poesie e r w ä h n t wird. I n den betreffenden Versen sieht J e s u s Engelsfiguren an der W a n d des T e m p e l s : Swylce he wraetlice w u n d o r - a g r a e f e n e a n l i c n i s s e e n g l a sinra geseh sigora f r e a on seles wage on t w a healfe t o r h t e gefraetwed . . . H e worde c w a e ö . . H e r amearcod is haligra hiw J m r h h a n d m a e g e n a w r i t e n on wealle. . - 1 E s g e w a h r t e einstmals w u n d e r s a m g e h a u e n Die E b e n b i l d e r der Engel Des Siegruhms König a n des Saales Mauer, Die blinkend verziert w a r so rechts wie l i n k s . . . E r sprach m i t W o r t e n . . . „ H i e r sind abgebildet Die heiigen Gestalten, d u r c h d e r H ä n d e K r a f t G e w i r k t an der W a n d . " J e s u s befiehlt n u n einem Engelsbildwerk, d a ß es von der W a n d z u r E r d e herabsteigen möge, was es d a n n a u c h v o l l f ü h r t : Of wealle ahleop f r o d fyrngeweorc, J)at he on foldan stod, s t a n fram s t a n e . . . 1
„Andreas" 712 u. ff.
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37. E n g e l r e l i e f a u s
Bradford-on-Avon
Von der Mauer s p r a n g Das u r a l t e W e r k , d a ß es auf der E r d e s t u n d . Der Stein sprang v o m Steine. Aus dem I n h a l t geht hervor, d a ß es sich u m Relieffiguren h a n d e l t , u n d zwar u m hochgewölbtc. I n t e r e s s a n t ist die Feststellung, daß es völlig an angelsächsischen Ausdrücken f ü r figürliche Plastik j e d e r Art fehlt. D a s Relief wird als „ a w r i t e n " (eingeritzt) u n d „ a g r a e f e n " (eingegraben) hingestellt, wie j a auch wohl m a n c h e figürlichen Darstellungen in Holz, aber a u c h in Metall gemacht worden sind, z u m a l in der ersten Zeit. Es sind dies Ausdrücke, die, f ü r das Schreiben von R u n e n z e i c h e n geprägt, j e t z t ganz verallgemeinert u n d als E n t s p r e c h u n g f ü r das lateinische „ c a e l a r e " geb r a u c h t werden. Z u m Beispiel l a u t e t die ags. Ü b e r s e t z u n g v o n Deuteron o m i u m 27,15: „ a g r a f e n e godas oöe gegotene" ( S c u l p t i l e et conflatile) 1 . I m weiteren Verlauf des Gedichtes m ü ß t e n u n das W o r t „ S t a t u e " gesetzt w e r d e n ; d a f ü r hören wir aber W e n d u n g e n wie ,,se seyna s t a n " (der schöne Stein) u n d das echt germanische ,,]jry}}weorc" ( K r a f t w e r k ) . D a ß der „ B i l d h a u e r " nicht v o m A r c h i t e k t e n unterschieden wird, n i m m t uns n i c h t W u n d e r , da im f r ü h e n Mittelalter beide B e r u f e n i c h t getrennt w a r e n ; das Angelsächsische bezeichnet den einen wie den a n d e r n als „ s t a n c r a e f t i g a " (Steintechniker, Steinkünstler). E n g e l s k u l p t u r e n , wie die von d e m angelsächsischen Dichter geschilderten, sind sicherlich a n den K i r c h e n w ä n d e n zu sehn gewesen, vielleicht in St. Andreas in H e x h a m , wo die W ä n d e , die K a p i t e l l e u n d der Chorbogen neben Bilderschmuck a u c h Reliefierung aufwiesen „variis c a e l a t u r a r u m figuris e x l a p i d e p r o m i n e n t i b u s " („verschiedenartige aus d e m Stein 1
Für „conflatile" ist eine Entsprechung da, m a n kannte diese Technik sehr wohl aus der Schmiedekunst!
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vorspringende S k u l p t i e r u n g e n " ) 1 . Das H e x h a m Bischof Wilfrids ist verschwunden, aber sonst sind uns R e s t e v o n A r c h i t e k t u r f i g u r e n erhalten, z. B. die zwei flach reliefierten Engel v o n B r a d f o r d - o n - A v o n (Abb. 37). Sie h a b e n ersichtlich, v o n rechts u n d v o n links h e r a n s c h w e b e n d , zu einer K r e u z i g u n g s g r u p p e gehört. Hier ist ein getreues F e s t h a l t e n an der f r ü h christlichen Vorlage zu sehen, die b y z a n t i n i s c h e n Ursprungs ist, und wenig ist da von der Freiheit u n d E i g e n a r t , mit der die Steinmetzen der anglischen H o c h k r e u z e arbeiteten. Sie mögen gleichzeitig mit der E r b a u u n g der Kirche (Anfang des 8. J a h r h u n d e r t s , siehe S. 100) oder gegen E n d e des 8. J a h r h u n d e r t s wie der Engel v o n B r e e d o n (Leicestershire) mit seinem wallenden G e w a n d u n d gleichfalls wulstigen G e w a n d s ä u m e n gemeißelt worden sein 2 . (Letzterer ist abgebildet in A. W . Clapham's Engl. R o m a n . Architecture bef. t h e Conquest.) Neuerdings h a t m a n ein etwas grobes, aber packendes Relief mit der D a r stellung der drei Weisen e n t d e c k t u n d zwar in K i r k n e w t o n 3 . I n dieser Gegend t r u g e n sich im J a h r 627 religionsgeschichtlich wichtige Dinge z u : König E d w i n von N o r t h u m b e r l a n d ließ sich dort mit seiner ganzen Familie von Bischof P a u l i n u s t a u f e n . „So g r o ß " — schreibt Beda — „ w a r damals das Verlangen nach der g n a d e n b r i n g e n d e n T a u f e , d a ß P a u l i n u s sich m i t dem König u n d der Königin in die königliche Villa, Adgefrin genannt, b e g a b u n d dort 36 Tage mit ihnen blieb, n u r b e s c h ä f t i g t mit Lehren u n d T a u f e n 4 . " Adgefrin gehört zur P f a r r e i K i r k n e w t o n , u n d ein alter Steinwall wird als Überrest der königlichen Villa angesehen. Das Relief mit den drei Weisen im G o t t e s h a u s zu K i r k n e w t o n s t a m m t wohl aus dem 8. J a h r h u n d e r t . . . F r e m d e W e r k l e u t e waren es, die zuerst die Angelsachsen in der Bildung von figürlichen Darstellungen u n t e r w i e s e n . „ V o n jenseits des O z e a n s " h a t t e Wilfrid H a n d w e r k e r m i t g e b r a c h t , u n d zwar war er begleitet „ v o n B a u l e u t e n u n d K ü n s t l e r n beinahe jeder A r t 6 . " E s werden wohl auch Steinmetzen dabei gewesen sein, vielleicht aus R o m , wahrscheinlicher aus Gallien, die n u n Verkündiger u n d Lehrmeister einer neuen plastischen K u n s t wurden. Die Angelsachsen, die schon d u r c h keltischen E i n f l u ß Verständnis u n d vielleicht sogar schon Ü b u n g in der Steintechnik besaßen (vergl. S. 113) lernten schnell die Feinheiten plastischer F o r m u n g . F r a g m e n t e von Archit e k t u r p l a s t i k sind in den St. Andreas zu H e x h a m u m g e b e n d e n G ä r t e n gef u n d e n worden. Es h a n d e l t sich dabei u m s p ä t a n t i k e Motive (Weinlaub). Man k ö n n t e denken, d a ß ein F r a g m e n t , das klassischer a u f g e f a ß t ist, v o n 1 2
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Raine, H e x h a m I, 11. Bericht v o n Prior Richard of H e x h a m . Baldw. Brown sieht in den Gewandsäumen Anklänge an die Winchester School und datiert sie auf Ende 10., Anfang 11. Jhdt. — T h . G. Jackson, Byz. and Rom. Architecture Cambr. 1913), S. 196, hält sie für früh. — A. Haupt: „In bescheidenem Flachstil etwa l a n g o b a r d i s c h e n (Vgl. dazu S. 101!) Charakters." Er hält sie für früh.a. a. O. S. 292. Vgl. Archaeologia Aeliana 1935. S. 166 und Tafel X X I . 6 Hist. Eccl. II, 14. Eddius c. 14.
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uü
38. O r n a m e n t ( K ä m p f e r p l a t t e ) i n H a c k n e s s , Y o r k s L i r e
den fremden Bildhauern gearbeitet worden ist, ein anderes aber schon von einem. Angelsachsen, der zwar die schön gebogenen Ranken kopiert, aber gleich in eine Art Flechtwerk hineingezwängt hat. Von Benedict Biscop, dem Abt von Wearmouth-Jarrow, berichtet Beda, daß er Werkleute aus Gallien für den Bau seiner Kirchen kommen ließ. Es waren schon an anderem Ort Zweifel darüber ausgesprochen, ob die Handwerker, die ihm sein Freund Torhthelm besorgt hat, tatsächlich k l a s s i s c h geschult waren. Dieselbe Frage erhebt sich, wenn man die kärglichen Reste einer lebensgroßen Skulptur betrachtet, die auf fünf Steinen im ehemaligen Giebeldreieck des Turms von W e a r m o u t h gefertigt war (Abb.27). Diese, eine K r e u z i g u n g s g r u p p e , läßt deutlich erkennen, daß Christus mit einem Schnurrbart dargestellt ist (wie Christusfiguren der Hochkreuze). Neben figürlichen Skulpturen sind auch solche o r n a m e n t a l e r Art sehr beliebt gewesen. In B r e e d o n (Leicestershire) sind in den Wänden der Kirche 18 m lange schöne, hoch herausgearbeitete Mäanderbänder, Weinranken und Peltamuster zu sehn, die aus dem späten 8. Jahrhundert stammen. Am Ende der von uns behandelten Zeit (800) stehen die bemerkenswerten, kassettenartig unterteilten Türbogen im Inneren der Kirche von Britford (Wilts) mit etwas leblosen Weinranken und kompliziertem Flechtwerk (Tafel 9). Lag schon diese Art von Ornamentfüllung dem Meißel des AngeT ichsen näher, so waren z o o m o r p h e Bildungen ganz nach seinem Herzen. Ein Relief, das vier ineinander verschlungene Vögel ( ?) in bester Ausführung zeigt, erinnert ganz an das altgermanische Schlangenornament (Abb. 38). Es befindet sich noch in situ, und zwar im Chorbogen von Hackness (Yorkshire), und wird auf 750 datiert. Doch das erstaunlichste Beispiel von gemeißelter Tierornamentik befindet sich in St. Peter in Wearmouth, eben an demselben Westturm, an dem oberhalb die gerade erwähnte Kreuzigung oder vielmehr deren kärglicher Rest zu sehen ist (Abb. 28). Rechts und links vom Eingang zeigen die Balustersockel des Portals auf ihrer Innenseite zwei zu Schlangen verlängerte Vögel, deren Schwänze zopfartig verflochten sind und deren Köpfe auf Flechtbandmanier durcheinander gesteckte Schnäbel zeigen, ein ganz einzigartiges Kunstwerk aus dem J a h r 675. Eine gewisse Leere des Ornaments fällt uns auf, die so gar nicht mit dem germanischen „horror vacui" übereinstimmt; sie mag wohl durch die ungewohnte Steintechnik verursacht sein. 123
Man fragt sich, wie es möglich war, daß solch weltliches, j a heidnisches Ornament an einer Klosterkirche angebracht werden durfte, an derselben Kirche, deren Inneres mit Schätzen, aus Rom importiert, ganz im frühchristlich-spätantiken Sinne ausgestattet worden ist! Es kann nur in der Großzügigkeit der Kirchenoberen begründet sein, daß so manche angelsächsisch-germanische Eigenart bestehen blieb 1 . Zudem mag bei Benedict Biscop, der (nach Beda) einem vornehmen Adelsgeschlecht Nordenglands entstammte, ein altes Erbe germanischer Gesinnung mitgesprochen haben, das selbst seine mehrjährige Lehrzeit in Lerins und seine zahlreichen Romreisen nicht vernichten konnten. U b e r b l i c k . So zeigt sich in der angelsächsischen Architekturplastik, so weit sich aus den allgemein gehaltenen Schriftquellen und den geringen erhaltenen Resten ersehen läßt, im allgemeinen dasselbe Bild wie bei den Hochkreuzen. Figürliche Darstellungen sind spätantiker Vorlage entnommen und teils genauer, teils eigenwillig nachgebildet. Ornamente, aus derselben Quelle stammend, werden ebenso behandelt. Daneben findet sich das altgermariische Tierornament, nun aber in Stein, nicht in Holz, gearbeitet und vielleicht aus diesem Grunde eine sonst ungewohnte Leere des Motivs zeigend.
DAS GRABMAL HEIDNISCHER UND CHRISTLICHER ZEIT. Die Beschaffenheit der Grabmäler hängt eng mit den jeweiligen Bestattungssitten zusammen. Die Schiffssetzung, die samt dem Schiffsbegräbnis der mythischen Schiffsaussendung gefolgt war, ist in England nicht anzutreffen. Bei den Angelsachsen ist vielmehr der T u m u l u s mit seiner steingekrönten Kuppe das älteste Grabmal. Eines der ersten im Lande errichteten Denkmäler dieser Art ist der Grabhügel des H o r s a im östlichen Kent (wahrscheinlich der Cromlech von Horsted bei Aylesford) 2 . Noch zu Bedas Zeit kannte man Horsas „Denkmal (monumentum), das mit seinem Namen bezeichnet war 3 ." Der Bestattung im Tumulus ging gewöhnlich die L e i c h e n v e r b r e n n u n g voraus. Für diese haben wir manche literarischen Belege. Fast überall im Beowulfepos ist die Verbrennung 4 , und nicht das Begräbnis, üblich. Viel zitiert wird die Totenfeier und die Errichtung eines Grabmals für den heldischen König Beowulf 6 . 1
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Man vergleiche damit die Freude der Mönche an germanischer Heldensage in der Literatur. „Quid Hinieldus (Ingeld, vergl. Beow. 2064) cum Christo", schrieb Alcuin vom Festland aus an Mönch Hygbald in Lindisfarne. Vergl. Earle-Plummer, Two Saxon Chron. II, S. 11. 4 Beowulf 1108 und 2124. 6 Beowulf 3137. Hist. Eccl. I, 15.
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D o r t schichteten n u n den Scheiterhaufen Die t r e u e n G a u t e n d e m t o t e n Recken. D r a n h ä n g t e n sie H e l m e u n d Heerschilde, Wie geboten der Held, u n d blinkende P a n z e r . D a n n legten sie t r a u e r n d den t e u r e n H e r r n I n des Holzes Mitte, den herrlichen König. N u n w a r d von den M ä n n e r n ein mächtiges F e u e r Auf d e m Stoße e n t f a c h t . . . Die sterbliche Hülle W a r h u r t i g v e r z e h r t v o n den heißen G l u t e n . . . E s w ö l b t e n n u n der W e t t e r m a r k L e u t e Den H ü g e l a m A b h a n g , gar h o c h u n d breit Und w e i t h i n s i c h t b a r den Wogenfahrern. I n der F r i s t von zehn T a g e n war fertig das W e r k , Des R u h m r e i c h e n M a l . Die Reste des B r a n d e s Umschloß der W a l l . . . das w e i t e G r a b N a h m a u c h Ringe u n d S c h m u c k u n d R ü s t u n g e n a u f , D e n ganzen S c h a t z . . - 1 Die T u m u l i , wie sie in S k a n d i n a v i e n u n d D ä n e m a r k noch J a h r h u n d e r t e s p ä t e r üblich sind, u n d wie sie im übrigen Germanien n u r in Süddeutschland zu gleicher Zeit (5. u n d 6. J a h r h u n d e r t ) errichtet werden, sind geradezu t y p i s c h f ü r E n g l a n d . Das keltische Vorbild des Cairn h a t hier wohl eingewirkt. I n der G r a f s c h a f t K e n t finden sich T u m u l i zu H u n d e r t e n . B e s t a t t u n g eines Einzelnen im H ü g e l g r a b ist seltener, wo sie aber geschehen ist, da finden sich besonders reiche Beigaben. D a s deckt sich mit der Schild e r u n g im „ B e o w u l f " . Auch die Lage des Heldengrabes „ a m Ufer des Meeres. . . weithin s i c h t b a r " — e n t s p r i c h t angelsächsischen Verhältnissen. So h a t m a n eine B e g r ä b n i s s t ä t t e in der N ä h e v o n Folkestone in einem Kreideriff, 500 F u ß ü b e r der See, g e f u n d e n . E s fehlt i m Beowulfepos aber a u c h nicht an einigen eingestreuten Hinweisen auf die andere B e s t a t t u n g s a r t , das Versenken des u n v e r b r a n n t e n Leichnams in die E r d e 2 . D a s B e g r a b e n ist bei den G e r m a n e n schon zu heidnischer Zeit üblich, besonders dort, wo sie den R ö m e r n nachbarlich n a h w o h n t e n . Die Sitte d r a n g in E n g l a n d l a n g s a m v o n Süden n a c h N o r d e n vor, also d a ß die J ü t e n (im S ü d e n E n g l a n d s ) schon vor der Ubersiedlung bei dem n e u e n R i t u s a n g e l a n g t waren, die Sachsen (an der Themse) in bes t i m m t e n Gegenden die V e r b r e n n u n g noch pflegten, aber bald aufgaben 3 , 1
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Es mag verwunderlich scheinen, daß bei der ausführlichen Beschreibung das Sammeln der Asche in eine Urne fehlt, wie es doch üblich war. Auch gibt es trotz der Menge der Gefäßnamen keine Entsprechung für „Urne", es sei denn laem-faet (irdenes Gefäß). Z. B. Beowulf 1006 und 3105. Vgl. F. Roeder, Neue Funde auf Kontinental-sächs. Friedh. der Völkerwanderungszeit. Halle 1933. Danach sind jetzt auch auf dem Kontinent Begräbnisse gefunden worden und
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die Angeln (im Norden) noch lange d a r a n festhielten. I n Anglien h a t m a n B r a n d g r ä b e r noch aus dem 7. J a h r h u n d e r t g e f u n d e n , also d a ß es dem aus N o r d e n g l a n d s t a m m e n d e n Dichter des Beowulf nicht schwerfallen k o n n t e , eine L e i c h e n v e r b r e n n u n g u n d die Setzung eines T u m u l u s zu schildern; war es doch eine B e s t a t t u n g s s i t t e , die dort erst vor k u r z e m a u f g e h ö r t h a t t e 1 . I n erster christlicher Zeit, so bald einmal die Sitte der T o t e n v e r b r e n n u n g in A l t - E n g l a n d erloschen war, finden sich wenig Unterschiede zwischen christlichen u n d heidnischen B e s t a t t u n g s w e i s e n . So e n t b i e t e t der s t e r b e n d e Einsiedler GujDlac seiner Schwester folgende B o t s c h a f t : B u h y r e eac saga, jpaet heo £>is b a n f a e t b e o r g e bifaeste, lame biluce lic orsawle I n jDeostorcofan, ]Daer hit J)rage sceal I n sondhofe siJ)J)an w u n i a n . D a n n sage du ihr a u c h , D a ß sie dies Beingefäß im B e r g begrabe U n d mit L e h m überdecke den Leib, den entseelten, I n der d ü s t e r n Grube. D o r t soll er lange I n d e m Sandhofe bleiben seitdem. 2 Hier ist echt c h r i s t l i c h e G r u n d s t i m m u n g ; die B e s t a t t u n g s f o r m selbst k ö n n t e ebenso gut heidnisch sein. Lange u n d zäh wird f e s t g e h a l t e n a m Setzen eines T u m u l u s , d e m G r a b u n t e r S t e i n g e h ä n g e n ( „ b y r g e n n a u n d e r s t a n h l e o ö u m " 3 ) . Ob der n u n christliche T u m u l u s gekrönt war von einem großen Stein, der das Kreuzeszeichen t r u g , oder ob der k r ö n e n d e Stein selbst die K r e u z e s f o r m a n n a h m , wissen wir nicht, d ü r f e n aber beides ann e h m e n , wenn wir die E n t w i c k l u n g der angelsächsischen G r a b m a l e in Bet r a c h t ziehen. E r s t im 8. J a h r h u n d e r t f i n d e t eine genaue U n t e r s c h e i d u n g zwischen „ F r i e d h o f " u n d „ T u m u l u s " s t a t t . Wir e r f a h r e n , d a ß illegitime Söhne von N o n n e n „ i n t u m u l i s " u n d n i c h t a u f dem Friedhof beerdigt werden sollen 4 . D a s B e s t a t t e n im T u m u l u s wird also als m i n d e r w e r t i g hingestellt; die Sitte erlischt d a r a u f . Nicht so schnell verschwinden andere B r ä u c h e aus heidnischer Zeit. Die N o r d - S ü d r i c h t u n g der Gräber wird ü b e r n o m m e n , wie der Friedhof des Nonnenklosters v o n W h i t b y aus dem 7. J a h r h u n d e r t zeigt. B e i b e h a l t e n wird a u c h das u n t e r den K o p f gelegte „ T o t e n k i s s e n " a u s Stein. Beda e r w ä h n t ein solches Steinkissen („cervical"), das d e m t o t e n K ö n i g Sebbi
1
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zwar von Vornehmeren, die anscheinend mit romanisierten Galliern in Verbindung gestanden hatten. U n d zwar scheint in Anglien eine Teilverbrennung in dieser Übergangszeit stattgefunden zu haben, wie es Beowulf 3137—3168 geschildert wird. 3 4 Guthlac 1165. Elene 652. Haddan und Stubbs, Councils III, 354.
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v o n Ostsachsen u n t e r das H a u p t geschoben w i r d ; B e d a sagt es so beiläufig, d a ß m a n v o n da aus auf die allgemeine Üblichkeit des B r a u c h s noch u m 700 schließen d a r f 1 . Die Kissensteine sind rechteckig oder r u n d , die F o r m entspricht den weiter u n t e n e r w ä h n t e n Hartle-pool Stein e n , aber sie e n t b e h r e n der Reliefierung. E n t s c h e i d e n d f ü r die christliche A u f f a s s u n g der B e s t a t t u n g w u r d e die Beziehung des Grabes z u m K i r c h e n g e b ä u d e , — der K i r c h h o f e n t s t e h t . Lange Reihen v o n G r ä b e r n scharen sich dicht ge- 39. Teilansicht des Cuthbert Sarges d r ä n g t im S c h a t t e n des heiligen Gebäudes. Auf den kleinen Hügeln liegen oder stehen rechteckige G r a b s t e i n e von verschiedener Größe. Die d a r a u f geritzten oder reliefierten Verzierungen stellen ein K r ü c k e n k r e u z dar mit k a n t i g oder g e r u n d e t ausm ü n d e n d e n A r m e n von germanischem (nicht irischem) C h a r a k t e r 2 . Das K r e u z n i m m t die ganze Fläche des Steins ein, wobei in d e m freigelassenen P l a t z neben den Kreuzesarmen der N a m e des Verstorbenen v e r m e r k t s t e h t . E i n e ganze Serie v o n Grabsteinen f a n d sich in H a r t l e p o o l , die wegen ihrer Kleinheit f r ü h e r fälschlich als „ K i s s e n s t e i n e " angesehen w u r d e n . Auf ihrer glatten Oberseite erscheint das Kreuzeszeichen in einfacher oder verzierter F o r m , hergestellt d u r c h Gravieren in der Fläche, d u r c h H e r a u s a r b e i t e n v o n schmalen Schnürchen oder d u r c h regelrechte Reliefierung; daneben ist der N a m e des Verstorbenen angegeben (Hild, HildiJ>ry]3, Aeöelwini u . a. m., die auf Persönlichkeiten des 7. J a h r h u n d e r t s hindeuten), zuweilen in R u n e n s c h r i f t . — Andere Grabsteine f a n d e n sich in Lindisfarne u n d H e x h a m . Alle sind rein christlich in der O r n a m e n t i e r u n g , m i t A u s n a h m e etwa des Steins von Wensley (Yorkshire); hier füllen in germanischer A r t D r a c h e n u n d Vögel den v o m K r e u z freigelassenen R a u m aus. — Besonders wichtige G r ä b e r erhielten ein „ H o c h k r e u z " . Die „ H o c h k r e u z e " aber sind m e h r D e n k m ä l e r als G r a b m ä l e r u n d sind deshalb in einem besonderen Abs c h n i t t b e h a n d e l t worden. E i n R u h e p l a t z möglichst n a h a m K i r c h e n g e b ä u d e w u r d e a m meisten b e g e h r t . H o c h s t e h e n d e Persönlichkeiten erhielten a b e r als besondere E h r u n g ein G r a b i n n e r h a l b d e r K i r c h e , u n d zwar in f r ü h e r Zeit bescheiden in einem Seitenportikus der Kirche. So wird Augustin, der Mis1
Hist. EccI. IV, 11.
2
Vgl. Baldwin Brown, V, S.84ff.
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sionar, in der Abteikirche St. P e t e r u n d P a u l „ i m nördlichen P o r t i k u s würdig (decenter) beigesetzt 1 ." I n demselben S e i t e n r a u m f a n d e n auch die a u f ihn folgenden Erzbischöfe ihre R u h e s t ä t t e m i t A u s n a h m e von Theodor u n d B e r h t w a l d , die seitlich im Mittelschiff begraben wurden, aber n u r , „weil der obenerwähnte P o r t i k u s nichts m e h r a u f n e h m e n k o n n t e . " I n einer südlichen Seitenkapelle sind König Aeöelberht u n d seine Gemahlin B e r h t a beigesetzt worden 2 (vergl. A b b . 17). Allmählich h ä l t m a n den Platz in der Seitenkapelle f ü r nicht würdig genug. Die Gebeine zweier Ä b t e v o n W e a r m o u t h - J a r r o w , von denen der eine „ i n der Eingangshalle", der a n d e r e „ a u ß e n vor der Sakristei" b e g r a b e n war, werden später „ i m I n n e r e n derselben K i r c h e " beigesetzt 3 . Der folgende Schritt war, d a ß ein Begräbnisplatz in der N ä h e des H a u p t a l t a r s der würdigste schien. Bischof Wilfrid von Y o r k w u r d e beigesetzt „in der K i r c h e St. P e t r i (in Ripon) dicht beim Altar, an dessen Südseite 4 ." Mehr noch als der Ort der Beisetzung fesselt uns die Frage, wie die Grabs t ä t t e angelegt u n d wie sie a u s g e s c h m ü c k t w u r d e . Die ersten Särge w a r e n H o l z särge. Die Gebeine K ö n i g Oswalds werden in eine „ t l i e c a " gelegt, angelsächsisch „ c y s t e " , was auf Holz d e u t e t . E i n f ü r die F o r s c h u n g wichtiger Holzsarg ist uns e r h a l t e n geblieben. Es h a n d e l t sich u m die R e s t e eines Eichensargs, 1827 ans Licht gehoben, der die Gebeine des hl. Cuöb e r h t enthielt. ( K a t h e d r a l b i b l i o t h e k zu D u r h a m . ) H ö r e n wir zunächst, was Beda über Cu&berhts Tod erzählt 5 . Der sterbende Heilige b i t t e t , begraben zu werden in seiner Einsiedelei auf der Insel F a r n e , südlich von seinem O r a t o r i u m u n d rechts von dem „heiligen K r e u z " , das er d o r t errichtet habe. D o r t liege ein S a r k o p h a g in der E r d e , den der A b t Cudda ihm v e r e h r t habe. Auf Vorstellungen der Mönche gibt er schließlich zu, d a ß m a n seine Leiche n a c h Lindisfarne, seinem Bischofssitz, bringen darf. I n der T a t wird er in der P e t e r s k i r c h e in Lindisfarne beigesetzt „ l i n k s v o m A l t a r in einem steinernen S a r k o p h a g " (687). Elf J a h r e später wird v o n C u ö b e r h t s Nachfolger E a d b e r h t angeordnet, d a ß der Leichnam in einen neuen Sarg getan u n d über den E r d b o d e n e r h o b e n werden soll „ v e n e r a tionis c a u s a 6 " . Dieser neue Sarg ist ein H o l z s a r g . Wir sehen, d a ß das nördliche Lindisfarne, das erst seit k u r z e m der r ö m i s c h - c h r i s t l i c h e n K i r c h e a n g e h ö r t , einen Holzsarg f ü r ebenso w ü r d i g hält wie einen Steinsarg. „ L e g t ihn in den Sarg (arca), den ihr z u b e r e i t e t h a b t " , so befiehlt E a d b e r h t den M ö n c h e n ; sie h a b e n also den Sarg selbst v e r f e r t i g t . B a l d w i n Brown 7 sieht den noch h e u t e erhaltenen „Coffin of St. Cuthb e r t " in D u r h a m als die „ t h e c a " von 698 an u n d , wie es scheint, m i t R e c h t . 1 3 6 6
2 Hist. Eccl. II, 3. Vergl. S. 80. 4 Historia Abbatum c. 20. Hist. Eccl. V, 19. Baedae Vita Cuthberti. c. 37. Ed. Giles a. a. 0 . 7 Hist. Eccl. IV, 28. Baldwin Brown V, S. 397.
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D e n n der Stil der d a r i n eingegrabenen Figuren ist ähnlich d e m der figürlichen Darstellungen des gleichzeitigen Evangeliars v o n Lindisfarne (Abb. 39 u n d T a f e l 19). Freilich, die Illuminationen im E v a n g e l i a r sind k ü n s t lerischer, die Umrißlinie leichter. Aber das liegt an der U m d e u t u n g einer b e s t i m m t e n Vorlage f ü r B u c h m a l e r e i in eine Schnitztechnik u n d zwar in eine u n g e w o h n t e A r t der H o l z b e a r b e i t u n g : tiefe R i l l e n in F o r m eines V ergeben die einfache, a b e r m o n u m e n t a l wirkende Zeichnung. Auf d e m Deckel ist Christus, u m g e b e n v o n Evangelistensymbolen, dargestellt, auf den Langseiten H a l b f i g u r e n der Erzengel u n d Apostel, a u f einer Schmalseite ebenfalls zwei Erzengel, auf der a n d e r e n —• n a i v a u s g e f ü h r t — Maria m i t d e m K i n d . Von diesen himmlischen Erscheinungen u m g e b e n sollte der Heilige r u h e n , den herrlichen Gestalten, welche die B r ü d e r i m Scriptorium so o f t aus den f r e m d e n , v o n f e r n h e r gesandten H a n d s c h r i f t e n kopierten. E s b e d e u t e t einen Sieg der römischen Kirche u n d der m e d i t e r r a n e n K u n s t , d a ß solche r e i n f i g ü r l i c h e D a r s t e l l u n g o h n e j e d e Z u t a t v o n O r n a m e n t den w ü r d i g e n B r ü d e r n a u s der H o l z s c h n i t z w e r k s t a t t von Lind i s f a r n e als das Beste erschien, w o m i t sie den Sarg des v e r e h r t e n Gottesm a n n e s schmücken k o n n t e n . N u r ein geringes Zugeständnis an Nationalem e r l a u b t e n sie sich u n b e w u ß t : d a ß sie bei der B e s c h r i f t u n g a u c h R u n e n z e i c h e n neben lateinischen B u c h s t a b e n v e r w a n d t e n ! W i e die Holzkirchen v o n Steinkirchen abgelöst w u r d e n , so die schlichten Holzsärge d u r c h S t e i n s ä r g e . U m einen Steinsarg herzustellen, setzte m a n e n t w e d e r in a l t n a t i o n a l e r Weise P l a t t e n zu einem B e h ä l t n i s z u s a m m e n , oder es w u r d e aus einem Monolith ein Sarg herausgehaueil, dessen trogartige Gestalt m a n a u s der ags. Bezeichnung ,,]iruh" (Trog) gleich Sarg erk e n n e n k a n n . Die ä l t e s t e n Steinsärge sind völlig unverziert. Solch ein einfacher S a r k o p h a g wird f ü r König Sebbi v o n Ostsachsen gea r b e i t e t : „ Z u r Beisetzung bereiteten sie einen Steinsarkophag v o r 1 " . Beda erzählt weiter, wie der Steinsarg sich als zu klein erweist, so d a ß m a n einf a c h ein S t ü c k d a r a n s e t z t ; als das noch nichts hilft, soll ein anderer Sarg beschafft werden, bis schließlich d u r c h ein W u n d e r der erste sich plötzlich doch als geräumig genug erweist. Sebbis G r a b m a l in der St. Paulskirche in L o n d o n blieb bis z u m großen Feuer 1666 e r h a l t e n . A m liebsten beschaffte m a n sich einen echten s p ä t a n t i k e n Sarkophag. A b t H a d r i a n , der Mitarbeiter Theodors, war lange Zeit in einem reich verzierten Marmorsarg beigesetzt, der v e r m u t l i c h römischer H e r k u n f t war. — Reizvoll ist eine Geschichte, die in E l y spielt 2 . D o r t ist die Äbtissin Aeöeld r y ö gestorben. Sie wird z u n ä c h s t der Ordensregel gemäß in einem bescheidenen Holzsarg („ligneo in locello") b e g r a b e n . N a c h sechzehn J a h r e n befiehlt aber ihre Nachfolgerin, die Gebeine der Aeöeldryö zu heben u n d in einem neuen, w ü r d i g e r e n Sarg innerhalb der K i r c h e beizusetzen. Einige 1
Hist. Eccl. IV, 11. 9
2
Ebda. IV, 17.
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Brüder werden ausgesandt mit dem Auftrag, einen großen Stein passend zu einem Sarg herbeizuschaffen. Sie begeben sich zu Schiff (Ely lag in Sümpfen wie auf einer Insel) zu einem verlassenen Städtchen, einem ehemaligen Römersitz, Grantacaestir genannt, und finden dort „einen Sarkophag, auf's herrlichste aus weißem Marmor gearbeitet, und einen Deckel aus dem gleichen Stein kunstfertig (aptissime) hergestellt." Sie danken Gott freudig für diese erwünschte Gabe und kehren zum Kloster zurück. So geschehen um 700. Man sieht, die Bewunderung für die Antike ist durch den Einfluß der römischen Kirche wieder in vollem Maße erwacht. Sollte der Tote in der Kirche beigesetzt werden, so wurde eine Grube unter dem Fußboden ausgehoben, der Sarg hineingestellt und der Zwischenraum mit einer zementartigen Masse ausgefüllt. Eine Erhöhung oberhalb des Fußbodens gab die Grabstätte an. Diese T u m b a konnte bloß 10 cm hoch sein, sie durfte aber auch bis zu einem Meter Höhe aufragen. „Würdig", so ist Augustin beigesetzt worden, d. h. seine Tuinba wird irgendwelchen plastischen Schmuck aufgewiesen haben, zum mindesten ein Kreuz. Beda erzählt nur von einer Inschrift, die auf Augustins Tumba zu lesen war. Sie war in Prosa. Ein poetisches Epitaphium dagegen schmückte die Grabstätte Wilfrids in Ripon, seiner vieler Schenkungen gedenkend 1 . Gelegentlich erfahren wir auch von anderem Schmuck. Uber die Tumba König Oswalds von Northumberland wird „dessen Fahne (vexillum) aus Gold und Purpur aufgehängt 2 ", später wird Oswalds Tumba durch König Offa von Merzien reich geschmückt. Leider wird uns die Verzierung nicht beschrieben, wir können aber aus der Art von sonstigen Stiftungen annehmen, daß sie in einer skulptierten oder reliefierten Platte bestanden hat, eventuell auch aus einer Auflage von Gold mit getriebenen Figuren. Daß die F o r m der Tumba recht verschieden gestaltet war, ergibt sich aus dem Bericht über Ceaddas Grab in der Peterskirche von Lichfield. Die Tumba (aus H o l z ) war hierbei „in Gestalt eines kleinen H a u s e s gemacht" („in modum domunculi facta") und besaß ein kleines rundes Fensterloch oben in der Wand, wodurch die gläubigen Verehrer die Hand hineinstreckten und etwas Asche herausholten 3 . Wie sonderbar volkstümlich ist diese Tumba gedacht; aus Holz ist sie und besitzt obendrein die Gestalt eines Wohnhauses, sicherlich auch mit Schnitzerei geziert! Z u s a m m e n f a s s u n g . Wir sahen, daß heidnisch-germanische Sitte das ragende Totenmal des Tumulus schuf, daß sie Leichenverbrennung, aber auch das Begraben der Toten übte. Das Christentum übernimmt zunächst eine Reihe heidnischer Bestattungsriten, z. B. die „Totenkissen". Der Kirchhof mit seinen Grabsteinen entsteht im Gegensatz zum Tumulus. Ausgezeichnete Personen werden in der Kirche begraben, eine Tumba mit 1 3
Hist. Eccl. II, 3 und V, 19. Hist. Eccl. IV, 3.
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2
Hist. Eccl. III, 11.
I n s c h r i f t u n d reliefiertem S c h m u c k bezeichnet die G r a b s t ä t t e . Der antikisierende Steinsarg, gelegentlich auch der echte s p ä t a n t i k e S a r k o p h a g bildet den Gegenpol z u m heimischen Holzsarg. Doch a u c h dieser wird mit figürlichen Darstellungen versehen, die südlicher A u f f a s s u n g a n g e h ö r e n .
SCHNITZEREIEN AUS E L F E N B E I N UND WALROSSZAHN Wir finden in angelsächsischen G r ä b e r n einfache E l f e n b e i n r i n g e , die als E i n f a s s u n g f ü r metallene Schmuckscheiben gedient h a b e n , wie es a u c h auf d e m K o n t i n e n t üblich war (z. B. ein R i n g aus Meckenheim s t a m m e n d , im L a n d e s m u s e u m , Bonn). Oder a u c h größere u n d o r n a m e n t i e r t e Ringe, die als Armringe gedient h a b e n . Vor allen Dingen w u r d e n K ä m m e aus Bein u n d H o r n in reicher Fülle mit ins G r a b gegeben, meist in alter u n d einfachster Schmuckweise mit kleinen eingeritzten Kreisen versehen, oder e r h a b e n e R o s e t t e n auf ausgehobenem G r u n d zeigend. Alles sind einfachste G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e u n d unähnlich j e n e m aus Italien s t a m m e n d e n P r a c h t s t ü c k , das P a p s t Bonifatius V. a n Königin AeÖelberga von N o r t h u m b e r l a n d schickte, d a m i t sie desto geneigter wäre, auf ihren wieder d e m H e i d e n t u m verfallenen G a t t e n einzuwirken. „ W i r senden E u c h " —• so schreibt er — „einen silbernen Spiegel u n d einen vergoldeten K a m m a u s Elfenbein (pectinem e b o r e u m i n a u r a t u m 1 " ) . Ob solche P r a c h t k ä m m e damals N a c h a h m u n g in E n g l a n d g e f u n d e n h a b e n , hören wir nicht. Der K a m m , der in d e m b e k a n n t e n C u ö b e r h t - S a r g g e f u n d e n w u r d e , ist sehr einfach, u n d das wird auch der Fall gewesen sein bei d e m K a m m von Cuöberhts Lehrer Boisil, den die Mönche v o n D u r h a m aufbewahrten2. G a b es ü b e r h a u p t eine f r ü h e Elfenbeinplastik in E n g l a n d ? B l ä t t e r n wir in B e a n t w o r t u n g dieser F r a g e die einschlägigen P u b l i k a t i o n e n durch, z. B. Goldschmidts großes W e r k 3 , so f i n d e n wir u n g e h e u e r viele fränkische Elfenbeinarbeiten verzeichnet, u n d u n t e r diesen b e f i n d e n sich m a n c h e , die als „ u n t e r angelsächsischem E i n f l u ß s t e h e n d " g e n a n n t werden, Schnitzereien englischen U r s p r u n g s w e r d e n aber so gut wie gar nicht a u f g e f ü h r t . „ E s scheint charakteristisch f ü r die angelsächsische K u n s t im eigenen Lande, d a ß sie die E l f e n b e i n p l a s t i k nie a u f n a h m " , sagt P a u l Clemen in seinem W e r k ü b e r „Merowingische u n d Karolingische P l a s t i k 4 " . Dieser Satz gibt einen Fingerzeig. W e n n wir n a c h den G r ü n d e n suchen, w a r u m in E n g l a n d bei d e n vielen i m p o r t i e r t e n E l f e n b e i n a r b e i t e n besonders helle1 2
3
Hist. Eccl. II, 11. Hist. Dunelmensis Scriptores Tres. appendix. CCCCXXII. Ed. Raine, Surtees Soc. London 1839. A. Goldschmidt, D. Elfenbeinskulpt. ausd. Zeit d. Karol. u. Sachs. Kaiser d. 8./11. Jhdts. 4 Bln. 1918. Bonn, 1892, S. 124.
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nistisch-syrischer H e r k u n f t (denn ohne diese w ä r e n die S k u l p t u r e n der H o c h k r e u z e u n d e n k b a r ) keine m e h r oder m i n d e r t r e u e n K o p i e n in Elfenbein e n t s t a n d e n sind wie z. B. im f r ä n k i s c h e n Gallien, so k a n n dies n u r d a r a n liegen, d a ß der Angelsachse diesem K u n s t z w e i g irgendwie behindert gegenüber s t a n d . Einen seltsamen Beleg f ü r eine rein gefühlsmäßige Einstellung gegen Elfenbein geben u n s die v o l k s t ü m l i c h e n altenglischen T r a u m d e u t u n g e n : . . . „ Y l p e s b a n h a n d l e a n lettincge getaknajj. ylpes b a n becgan oööe beceapan u n r o t n y s s a m a e s t e g e t a k n a j j 1 " ( I m T r a u m . . . Elfenbein in die H a n d n e h m e n , k ü n d e t Hindernisse a n . E l f e n b e i n k a u f e n oder in Elfenbein handeln h e i ß t große U n a n n e h m l i c h k e i t e n erfahren.) Der Elfenbeinschnitzer, der als A u s ü b e n d e r einer Kleinkunst leicht volkstümlichen B i n d u n g e n u n t e r l a g , k o n n t e sich anscheinend nicht so schnell mit dem ausländischen u n d d u r c h ein böses Omen belasteten Material a n f r e u n d e n . Der eigentliche G r u n d war aber der, daß es der angelsächsischen N a t u r n i c h t lag, eine völlig ungermanische u n d d u r c h ikonographische Festsetzungen a u c h vielfach unverständliche Darstellung einfach zu kopieren. Unterzog sich einmal ein Bildschnitzer einer solchen Aufgabe, so w u r d e keine Kopie d a r a u s , sondern etwas höchst Selbständiges wie die P l a t t e n von Genoels-Elderen (in Brüssel) (Tafel 4 u. 5). Diese beiden T a f e l n (Buchdeckel), die in der F o r s c h u n g z u n ä c h s t als englische Arbeiten 2 , d a n n als maasländisclie 3 , f e r n e r als langobardische 4 angesehen w u r d e n , sind von Goldschmidt bezeichnet worden als ,,in m a n c h e r Beziehung die ungeschickten u n d u n b e w e g t e r e n Vorläufer derjenigen Reliefs, deren Stil m i t den j ü n g e r e n Codices der A d a g r u p p e parallel g e h t 6 " . U n t e r letzteren n e n n t er besonders das 781/83 f ü r K a r l den G r o ß e n geschriebene Godescalc-Evangeliar. Aber ganz abgesehen d a v o n , d a ß wir n i c h t wissen, ob dieser Schreiber „ G o d e s c a l c " vielleicht in einer der vielen k o n t i n e n t a l e n „irischen" Schreibs t u b e n ausgebildet war u n d sein E v a n g e l i a r aus diesem G r u n d in einigen Einzelheiten mit d e m Buchdeckel von Genoels-Elderen ü b e r e i n s t i m m t 6 , so weichen doch die beiden P l a t t e n v o n d e n E l f e n b e i n e n der A d a g r u p p e , in die sie Goldschmidt einordnet, b e t r ä c h t l i c h ab, u n d zwar darin, d a ß sie 1
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3 4 6 6
Oswald Cockayne, Leechdoms, Wordcunning and Starcraft of Early England. Lond. 1864. III. 204. F. J. Westwood, Fictiles Ivories. London 1876, S. 479. P. Clemen, Merow. u. Karol. Plastik. Bonner Jahrbücher 1892, S. 125. E. Molinier, Les Ivoires. S. 152 und 157. Heibig, L'art Mosan. I. Brüssel 1906. S. 24. J. Destree, Catalogue des Ivoires (Mus. Roy. des Arts dec. et indust. Brüssel 1902, S. 9). A. Goldschmidt a. a. O. Bd. I. S. 9. Vergl. A. Boeckler, Abendland. Miniat. bis z. Ausgang d. Roman. Zeit. Bln. 1930, S. 25. I. Baum, Malerei u. Plast, des Mittelalters. Potsdam 1930. S. 51: „stilistisch dem Lindisfame-Evangeliar vergleichbar, mit stark insularem Einschlag".
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einschließlich des R a h m e n s d u r c h b r o c h e n gearbeitet sind, d a ß die Augen eine F ü l l u n g von b l a u e m Glasfluß h a b e n , d a ß die O r n a m e n t e (Zickzackm u s t e r u n d Bandverschlingung) gänzlich unklassisch u n d ebenso meisterh a f t gearbeitet sind wie die menschlichen Gestalten f l a c h , eckig u n d u n geschickt. Diese Merkmale, vor allem die D u r c h d r i n g u n g m i t nordischen Gefühlselementen, lassen die E n t s c h e i d u n g der f r ü h e r e n Forschung als richtig erscheinen u n d weisen die T a f e l n — m i t t e l b a r oder u n m i t t e l b a r — d e m a n g e l s ä c h s i s c h e n K u n s t k r e i s zu, u n d zwar als W e r k des f r ü h e n oder m i t t l e r e n 8. J a h r h u n d e r t s . D e r t r i u m p h i e r e n d e Christus auf unserer ersten P l a t t e ist nordisch aufg e f a ß t , es ist ein jugendlicher Held mit großem, zwingendem Blick! Die zweite P l a t t e ist m e r k w ü r d i g in m a n c h e r Beziehung. Auf der oberen H ä l f t e b e f i n d e t sich eine V e r k ü n d i g u n g : Maria h ä l t Spindel u n d Rocken, eine Dienerin scheint ihr zu helfen, w ä h r e n d v o n links der E n g e l n a h t . Die Heimsuchungsszene auf der u n t e r e n H ä l f t e zeigt die herzlichste U m a r m u n g . Bei diesen beiden Bildern sind die ü b e r a u s weiten u n d faltigen Gewänder b e m e r k e n s w e r t , die mit reichem B o r t e n s c h m u c k verziert sind — eine angelsächsische Besonderheit (vergl. S. 235). E i g e n a r t i g ist a u c h der K o p f p u t z der F r a u e n , die r u n d e Mantelschließe des Zacharias. Überall erscheint das orientalische Vorbild ins volkstümlich Germanische abgebogen. Die P l a t t e n von Genoels-Elderen sind A u s n a h m e s t ü c k e . Wenigstens k e n n t die F o r s c h u n g keine a n d e r e n frühangelsächsischen Elfenbeine antikisierenden Stils, u n d a u c h diese sind, wie wir sahen, u m s t r i t t e n . U n d doch waren die Angelsachsen der darstellenden Beinschnitzerei nicht d u r c h a u s abhold, a b e r sie schnitzten lieber in W a l r o ß z a h n u n d bevorz u g t e n volkstümlich-heimische Darstellungsweisen. D a s W a l r o ß wie der Walfisch spielen eine große Rolle in altenglischer L i t e r a t u r wie im W o r t s c h a t z (z. B. , , h r o n - r a d " = W a l f i s c h s t r a ß e = Meer). Eine I n t e r p o l a t i o n — der Reisebericht des O h t e r e — in König Alfreds Ü b e r s e t z u n g des Orosius b e r i c h t e t ü b e r W a l r o ß f a n g in nördlichen Meeren: „SwiJ)ost h e (Ohtere) for öider for ]aaem horschwaelum, for öaem hie h a b b a ö swijpe a e j ^ e l e b a n o n hiora t o j j u m ; J)a t e ö hie b r o h t o n s u m e j j a e m cyninge (Aelfred) 1 . („So geschwind wie möglich f u h r er (Ohtere) d o r t h i n wegen der Walrosse, d e n n sie h a b e n s e h r e d e l e s B e i n a n ihren Z ä h n e n ; einige der Z ä h n e b r a c h t e n sie d e m Könige (Alfred)". Zwei K ä s t c h e n aus W a l r o ß b e i n , obwohl auf d e m K o n t i n e n t g e f u n d e n , geben d u r c h angelsächsische R u n e n i n s c h r i f t einwandfrei ihr Ursprungsland zu erkennen. Sie zeigen so r e c h t die ganz eigene künstlerische Sprache der Angelsachsen. Beide s t a m m e n a u s d e m 8. J a h r h u n d e r t , sie sind a b e r sehr verschieden in der Q u a l i t ä t , d a das eine die u n g e w o h n t e Darstellung von Menschen, das a n d e r e aber die geläufige T i e r o r n a m e n t i k b r i n g t . 1
Alfreds Orosius. Early Engl. Text Soc. Bd. 79. S. 17.
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F ü r unsere U n t e r s u c h u n g ist d a s erste, das sogenannte R u n e n k ä s t c h e n v o n A u z u n (Brit. Museum), obwohl technisch minderwertiger, wichtiger. E s ist ü b e r h a u p t , so klein es ist, eines der wertvollsten K u l t u r d e n k m ä l e r aus dieser f r ü h e n Zeit 1 . E s berichtet ü b e r sich selbst in R u n e n s c h r i f t : „Die Fischflut setzte des Wales Bein auf das t r o c k e n e L a n d , der Ozean wurde t r ü b e , wo er ü b e r den kiesigen G r u n d geschwommen w a r . " Das durch w u n d e r b a r e n Zufall auf die n o r t h u m b r i s c h e K ü s t e geworfene Walroß sollte n u n auch besonders geschickt v e r w e n d e t werden, u n d sicher h a t m a n den besten Schnitzer ausersehen, d a ß er das „aejDele b a n " (das edle Bein) zu einem schönen K ä s t c h e n (Reliquienkästchen?) verarbeiten sollte (Tafel 1—3). Dieser, da er Christ war u n d a u c h ein wenig in klassischer Bildung e r f a h r e n , k o n n t e nicht anders, als die n e u e erzählend-belehrende Darstellungsweise in seiner Arbeit anwenden. So schuf er Bilder wie die A n b e t u n g der Könige, die Geschichte von R o m u l u s u n d R e m u s u n d die E r o b e r u n g Jerusalems durch Titus. Die Anregung zu diesen beiden letzten Stoffen h a t t e er vielleicht geschöpft aus j e n e m „Codex Cosmographiorum mirandi operis", den A b t Benedict in R o m f ü r sein Kloster W e a r m o u t h g e k a u f t h a t t e , oder aus einem ähnlichen B u c h . Von dort h a t t e er auch wohl die lateinische U m s c h r i f t zu dem Titusbild — nicht ganz fehlerfrei! — abgeschrieben. Koptische Elfenbeine m o c h t e n i h m die Vorlage gegeben h a b e n zu gewissen Einzelheiten wie den R ü c k e n an Rücken sitzenden Vierfüßlern, u n d a u s einer orientalischen H a n d s c h r i f t e n t n a h m er die getreppten P y r a miden sowie die strenge A n o r d n u n g Marias mit d e m Kinde. Aber als echter N o r t h u m b r e r u n d G e r m a n e zog er die i h m so lieben heimischen Sagen ebenfalls h e r a n u n d schnitzte die Geschichte des Schmiedes Wieland gleich links neben der A n b e t u n g der Könige, n u r d u r c h einen schmalen Flechtstab getrennt. Auf dem Deckel schuf er den Angriff auf Egil, Wielands B r u d e r , auf einer Schmalseite Szenen aus der Sigurdsage ( ?), u n d zu j e d e m Bild gab er eine E r l ä u t e r u n g in R u n e n s c h r i f t . O b e n d r e i n setzte er die germanischen wie auch die christlichen Stoffe in seine eigene heimische W e l t hinein; er bewaffnete die Krieger m i t R i n g b r ü n n e n , mit Rundschild u n d dem angelsächsischen geradkreuzigen Schwert, gab den F r a u e n ein weites, faltiges Gewand, u n d der G o t t e s m u t t e r verlieh er einen germanisch e m p f u n d e n e n Hochsitz 2 . Auch k o n n t e er n i c h t u m h i n , aus der u n g e w o h n t e n figürlichen 1
2
Ausführl. Beschreibung b. Baldwin Brown, VI, S. 18. Ferner 0 . M. Dalton, Catalogue of the Ivory Carvings in the Brit. Mus. London 1900. S. 27. Ferner A. Goldschmidt, a. a. O. II, S. 56. Vielfach Franks Casket benannt. Hochsitz, nicht Haus, denn es befindet sich auf dem Deckel (Egilscene) ein entsprechendes Gebilde i n n e r h a l b des Hauses, dessen Tür Egil verteidigt. Baldwin Brown, VI, S. 30 sieht den „Hochsitz" als „Schrein" an, weil man nicht die Beine Marias sieht. Aber sitzende Figuren sind mehrfach ohne Beine dargestellt. Die Kugeln halte ich für Goldkugeln („aepplede gold") zu Füßen der Gottesmutter. Den Vogel möchte ich für ein Weihrauchfaß halten.
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40. R u n e n k ä s t c h e n aus Ely Darstellungsweise gelegentlich in seine gewohnte, a b s t r a k t - o r n a m e n t a l e zur ü c k z u f a l l e n : d e m auf einem B a u m hockenden Wolf gab er eine schnabelartige Schnauze u n d m e r k w ü r d i g verlängerte Beine (Romulus-Szene), Vögeln verlieh er Spiralen als Flügelansatz (Wieland-Szene rechts, wo Egil ein zauberisches F e d e r h e m d herstellt). Die Darstellungsmittel sind p r i m i t i v . Die Geschehnisse spielen sich auf einer Fläche a b ; eine Figur s t e h t neben der a n d e r n , j a m a n c h m a l , w e n n der R a u m nicht ausreicht, a u c h oberhalb der a n d e r n . Die Figuren sind flach gearbeitet, die K o n t u r e n scharf u n d ungeschickt. T r o t z allem sind die Szenen u n g e h e u e r lebendig u n d wirkungsvoll, u n d die grobklotzigen Gestalten scheinen doch irgendwie n a c h dem lebenden Modell gearbeitet zu sein, — m a n b e a c h t e d a r a u f h i n den b o g e n s p a n n e n d e n Egil oder den (auf demselben Bild) a m -weitesten n a c h links s t e h e n d e n Krieger! Alles ist erfüllt v o n n o r d i s c h e m E x p r e s s i o n i s m u s . Welche T r a u e r in d e m P f e r d ( G r a n e ?), das s t u m p f e n Auges auf d e n G r a b h ü g e l seines H e r r n h e r a b b l i c k t , welch dämonische H o h e i t in den drei m a n t e l u m h ü l l t e n Gestalten rechts d a n e b e n , die meist als „ B r u n h i l d , G u n t h e r u n d H a g e n z u m Mord überr e d e n d " gedeutet w e r d e n ! F ü g e n wir noch hinzu, d a ß j e d e r freie P l a t z m i t einem w a h r e n horror v a c u i d u r c h lose eingestreute Gebilde (gebrochene Armreifen ?) angefüllt ist, so daß, a u s einiger E n t f e r n u n g gesehen, der I n halt der Darstellung u n k l a r wird u n d n u r ein r h y t h m i s c h e s Gewoge zu sein 135
scheint, so h a b e n wir ein sprechendes Beispiel v o n angelsächsisch-germanischer K u n s t a u f f a s s u n g vor uns. Ganz anderer A r t ist das zweite K ä s t c h e n , das sich j e t z t in B r a u n s c h w e i g befindet (Abb. 40). Eine R u n e n i n s c h r i f t auf dem B o d e n : „Heilige J u n g f r a u , sei d e m dir gehörenden Kloster E l y eine L e u c h t e ! " zeigt die H e r k u n f t aus Südengland an. (Das alte Kloster E l y w u r d e 673 gestiftet u n d 866 von den Wikingern zerstört. Beda gibt in IV,17 seiner Hist. Eccl. eine Beschreibung Elys.) Die F o r m des K ä s t c h e n s ist einem H a u s m i t einem W a l m d a c h nachgebildet 1 . Auffallend ist die strenge E i n t e i l u n g in Einzelfelder. J e d e s Feld wird ausgefüllt m i t einem Tier, dessen Schwanz in ein wohlangeordnetes u n d lose sich verschlingendes F l e c h t b a n d a u s l ä u f t . D a d u r c h erscheint das Tier — es ist abwechselnd ein geflügeltes u n d ein ungeflügeltes — ganz u m schlungen v o m O r n a m e n t , u n d m a n k ö n n t e z u m Vergleich einen Satz a u s einem altenglischen Gebet h e r a n z i e h e n : „ I c e a m o f e r f o n g e n mid sin u m t o w y r m l i c u m " , auf d e u t s c h : „ I c h bin so u m s p o n n e n m i t Sünden, d a ß ich einem W u r m b i l d gleiche 2 ". Vergleichen wir solch ein T i e r o r n a m e u t mit a n d e r e n , meist f r ü h e r e n , so sehen wir eine auffallende Veränderung. E s ist nicht m e h r das rein germanische, sondern das d u r c h die keltische Schulung durchgegangene T i e r o r n a m e n t , was die keltischen Spiralen a u f der Rückseite des K ä s t c h e n s bestätigen. — Die A n o r d n u n g in Felder, die R h y t h m i k v o n Tier u n d Flechtwerk bringen dieses K ä s t c h e n in Vergleich m i t ähnlichen Darstellungen (nicht mit den figürlichen!) auf verschiedenen Hochkreuzen. Vor allem gleicht es dem K r e u z v o n J e d b u r g h (Abb. 36) im B a u des Ornam e n t s . (Besonders d. Seitenteil des Kästchens.) D a s K ä s t c h e n von E l y , dessen E n t s t e h u n g s z e i t d u r c h zwei D a t e n festliegt (siehe weiter oben!), bildet einen weiteren Beweis d a f ü r , d a ß die ber ü h m t e n H o c h k r e u z e im 7./8. J a h r h u n d e r t wohl möglich w a r e n . U b e r b l i c k . So zeigt die Beinschnitzerei in E n g l a n d ein d u r c h a u s eigenes Gepräge. Die einzige insulare Elfenbeinschnitzerei des 7./8. J a h r h u n d e r t s kopiert zwar frühchristliche Motive, gestaltet aber die Szenen im Sinne nordischer Vergeistigung. Das W a l r o ß z a h n k ä s t c h e n von A u z u n bringt eine Mischung v o n Nördlichem u n d Südlichem u n d m a c h t den b e m e r k e n s w e r t e n Versuch, ohne Vorlage heimische Stoffe frei zu gestalten 3 . D a s K ä s t c h e n von E l y ist eine völlig b o d e n s t ä n d i g e Arbeit, es zeigt germanische O r n a m e n t i k v e r b u n d e n m i t keltischem R h y t h m u s . 1 8
2 Höhe 12,6 cm, Länge 12,6 cm, Breite 6,8 cm. Anglia XII, S. 501, 22. 200 Jahre später macht Tutilo von St. Gallen einen ähnlichen Versuch in der Darstellung des Kampfes von St. Gallus mit dem Bären.
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III. MALEREI T A F E L B I L D E R UND
MONUMENTALMALEREI
W e n n wir v o n Malerei in A l t - E n g l a n d reden, so k a n n es sich in dieser f r ü h e n Zeit z u n ä c h s t n u r u m i m p o r t i e r t e oder von f r e m d l ä n d i s c h e n K ü n s t lern a n g e f e r t i g t e W e r k e h a n d e l n . Als A u g u s t i n u n d seine Schar bei ihrer A n k u n f t in E n g l a n d d e m K ö n i g Aeöelberht v o n K e n t entgegengehen (597), t r a g e n sie „gleichsam als Feldzeichen" n e b e n einem silbernen K r e u z „ d a s Bild des Heilands auf einer T a f e l gemalt (in t a b u l a d e p i c t a m ) " 1 . Dies l a u t e t in König Alfreds Übers e t z u n g : „anlicnesse D r i h t n e s Haelendes on brede afaegde ond a w r i t e n e " („auf einem B r e t t b u n t gemalt u n d g e z e i c h n e t " ; wahrscheinlich ist ged a c h t , d a ß die Umrißlinien eingeritzt u n d die F i g u r e n b e m a l t sind). Hier wird ganz e i n w a n d f r e i die Möglichkeit eines als Feldzeichen v o r a n g e t r a g e n e n T a f e l b i l d e s in so f r ü h e r Zeit b e s t ä t i g t . W e n n wir b e d e n k e n , d a ß w ä h r e n d der ganzen A n t i k e die Tafelmalerei b e k a n n t war, d a ß Tafelgemälde des J a h r h u n d e r t s in Ä g y p t e n g e f u n d e n worden sind, d a ß Gregor v o n T o u r s im 6. J a h r h u n d e r t „iconicae" e r w ä h n t , auf denen die Apostel in einer Kirche zu Clermont dargestellt waren 2 , f e r n e r das gerade berichtete Beispiel aus E n g l a n d d a n e b e n h a l t e n , sodann noch ein W o r t der Libri Carolini ( I I I , 16) h i n z u f ü g e n : , , . . . n e c a m b i u n t (sancti) a b opificibus in t a b u l i s nec in parietibus p i n g i " („die Heiligen h a l t e n n i c h t d a r u m an, v o n K ü n s t l e r n a u f T a f e l n oder W ä n d e n gemalt zu w e r d e n " ) , so stellt sich u n s eine w e n n auch schwache, so doch u n u n t e r b r o c h e n e T r a d i t i o n v o n T a f e l b i l d e r n im A b e n d l a n d d a r . Demzufolge d ü r f e n wir a u c h mit Schlosser 3 u n d S t e i n m a n n 4 u n d gegen die Meinung a n d e r e r K u n s t h i s t o r i k e r a n n e h m e n , d a ß die vielbesprochenen „ p i c t u r a e " u n d „ i m a g i n e s " , die A b t Benedict Biscop v o n R o m n a c h Wearm o u t h - J a r r o w b r i n g t , ebenfalls Tafelbilder gewesen sind. Der E i n w a n d , d a ß der T r a n s p o r t von Tafelbildern zu u m s t ä n d l i c h gewesen wäre, ist n i c h t stichhaltig, w e n n m a n b e d e n k t , d a ß Benedict stets eine w a h r e Fülle v o n K u n s t w e r k e n m i t b r i n g t u n d d a ß die d a r u n t e r befindlichen codices a u c h nicht leicht zu b e f ö r d e r n waren. (Z. B. ist der Codex A m i a t i n u s , der v o n E n g l a n d n a c h I t a l i e n gesandt w u r d e , v o n solchem Gewicht, d a ß i h n ein einzelner M a n n k a u m t r a g e n k a n n . ) A u ß e r d e m wird es sich u m kleinere Bilder 1 2
3
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Hist. Eccl. I, 25. E. Steinmann, Die Tituli u. d. kirchl. Wandmalerei im Abendland vom 5.-11. Jhdt. Lpzg. 1892. S. 57. J. Schlosser, Beiträge zur Kunstgesch. aus d. Schriftquellen des frühen Mittelalters. Wien 1891. S. 66. Steinmann, a. a. 0 . S. 129.
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gehandelt h a b e n , die vielleicht n a c h Benedicts A n g a b e in R o m auf besonders leichtem Holz hergestellt w u r d e n , wobei d a n n wie üblich der K r e i d e g r u n d m i t T e m p e r a ü b e r m a l t worden ist. Der erste der beiden Berichte, die diese W e r k e b e t r e f f e n , l a u t e t : „(Benedict) b r a c h t e auch Gemälde von heiligen Bildern mit (picturas imaginum s a n c t a r u m ) , u m die eben e r b a u t e P e t e r s k i r c h e (in W e a r m o u t h 675) zu s c h m ü c k e n ; nämlich ein Bild der heiligen, allzeit j u n g f r ä u l i c h e n Gottesgebärerin Maria u n d ebenso Bilder der zwölf Apostel, womit er die Mitte der Apsis einfassen wollte, indem er von W a n d zu W a n d ein Gestell anb r a c h t e („ducto a pariete ad p a r i e t e m t a b u l a t o " ) ; sodann Bilder der E v a n gelien, mit denen er die S ü d w a n d der K i r c h e schmücken wollte; Darstellungen der Visionen aus der geheimen O f f e n b a r u n g des heiligen J o h a n n e s , die in entsprechender Weise die N o r d w a n d zieren sollten. . . " 1 . Angegeben f i n d e n wir hier z u n ä c h s t eine s e r i e n h a f t e R e i h u n g von zusammengehörenden Darstellungen. Die A n o r d n u n g — a p o k a l y p t i s c h e Szenen an der Nordwand, evangelische an der S ü d w a n d 2 — ist m e r k w ü r d i g u n d weicht von d e m üblichen Schema ab (z. B. in S. Maria Maggiore). Die Bilder in der Apsis, Maria u n d die Apostel darstellend, sind zwar ungewöhnlich, aber nicht ohne Parallele (Venantius-Oratorium des L a t e r a n Baptisterium, beendet 649). Wichtig f ü r unsere U n t e r s u c h u n g ist die A r t der Befestigung. E s heißt, d a ß Benedict ein „ t a b u l a t u m " von W a n d zu W a n d g e f ü h r t habe, ein Gestell also; oder eine niedrige W a n d , an deren oberem Teil die Bilder befestigt w u r d e n . Sie m u ß etwa 6 m lang gewesen sein, d e n n die kleine Kirche h a t nicht m e h r als dies an Breite b e t r a g e n . D a n a c h k a n n m a n auch u n g e f ä h r die Größe u n d die Z a h l der Bilder schätzen. Diese Art der Bildbefestigung weist deutlich auf eine neugriechisch-östliche E i n r i c h t u n g hin, auf die sog e n a n n t e I k o n o s t a s i s , eine hölzerne Bildwand mit Heiligendarstellungen 3 . Wir f r a g e n uns, woher Benedict diese I d e e a u f g e n o m m e n h a t . E s ist meines Wissens noch nie auf den wichtigen U m s t a n d a u f m e r k s a m gemacht worden, d a ß Benedict, der eine m a ß g e b e n d e Persönlichkeit f ü r die K u n s t Nordenglands war, seine zweijährige klösterliche Ausbildung in Lerins (Lerinum, Insel St. H o n o r a t bei Cannes) e m p f a n g e n h a t . Dieses Kloster m i t seinen (auch wohl damals noch) d u r c h Ä g y p t e n u n d den Orient b e e i n f l u ß t e n Bräuchen wird wahrscheinlich die Sitte der Ikonostasis ü b e r n o m m e n h a b e n . A u c h die Maria als F ü r b i t t e r i n — eine solche stellt wohl das Mittelbild der Apsis dar — spielt gerade zu dieser Zeit i m byzantinischen K u n s t k r e i s eine 1 2 3
Baeda, Hist. Abbatum Wiremuthensium et Girovensium, c. 6. Ed. Plummer. Vergl. Schlosser, Beiträge a. a. 0 . S. 66. Die Ikonostasis hat 2 Türen und bildet eine Art Chorverschluß, eine Vorläuferin des mittelalterl. Lettners. Vergl. Schlosser, Beitr. a. a. O. S. 64. Vgl. auch Brit. Museum Guide to Early Christian and B y z . Antiquities. S. 102.
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größere Rolle. E s ist aber ebenso gilt möglich, d a ß Biscop die A n r e g u n g a u s einem der orientalischen Klöster in R o m m i t g e b r a c h t h a t (vergl. S. 16). Wir k o m m e n n u n zu d e m zweiten Bericht, der uns mitteilt, d a ß Benedict auf seiner letzten Romreise (684—686) wieder „eine Menge heiliger B i l d e r " g e k a u f t h a t , u n d zwar „ G e m ä l d e a u s der Geschichte des H e r r n , u m die Marienkirche, welche er im H a u p t k l o s t e r ( W e a r m o u t h ) e r b a u t h a t t e , r i n g s u m („in gyro") gänzlich zu schmücken. E b e n s o b r a c h t e er z u m S c h m u c k e des Klosters u n d der Kirche des hl. P a u l u s (Jarrow) Bilder mit aus der C o n c o r d i a des A l t e n u n d N e u e n T e s t a m e n t s , m i t g r ö ß t e m V e r s t ä n d n i s geordnet, so z. B. stellte er ein Gemälde z u s a m m e n , wie I s a a k das H o l z b ü n d e l zu seiner O p f e r u n g t r ä g t u n d wie der H e r r gleichfalls das K r e u z t r ä g t , an d e m er leiden m u ß t e . E b e n s o die Schlange des Moses in der W ü s t e u n d den Menschensohn a m K r e u z e r h ö h t " 1 . W i r h a b e n hier einen f r ü h e n Beweis t y p o l o g i s c h e r Gegenüberstellung. D a ß Bilderzyklen in zwei Reihen n a c h neu- u n d a l t t e s t a m e n t l i e h e n Szenen angeordnet w u r d e n , ist schon f ü r S a n t a Costanza (4. J a h r h u n d e r t ) nachgewiesen worden 2 . Sodann h a t Helpidius R u s t i c u s (j" 533) in seinem „ C a r m e n de Christi J e s u beneficiis" den Parallelismus d u r c h g e f ü h r t , u n t e r a n d e r e m I s a a k s O p f e r u n g als Hinweis auf Christi Kreuzigung angesehen. E i n e gewisse Gegenüberstellung h a t t e Benedict schon in der oben besprochenen A u s s c h m ü c k u n g der P e t e r s k i r c h e geschaffen, indem er Szenen der G n a d e auf der einen Seite u n d Szenen des Gerichts auf der a n d e r n a n g e b r a c h t h a t t e , dazu in der Apsis Maria, die als F ü r b i t t e r i n beide Darstellungen zu einem Z u s a m m e n s c h l u ß b r a c h t e . A u c h das war schon „ m i t g r ö ß t e m Vers t ä n d n i s " angeordnet, doch noch n i c h t n a c h typologischen G e s i c h t s p u n k t e n . Diesen weiteren Schritt u n t e r n a h m Benedict erst j e t z t . Leider w e r d e n n u r zwei Gegenüberstellungen mitgeteilt, u n d zwar die wichtigsten u n d f r ü h e s t e n , die den K e r n der Concordia bilden. — H i l p e r t 3 v e r n e i n t eine Typologie in so f r ü h e r Zeit u n d sieht den Fall W e a r m o u t h - J a r r o w nicht f ü r eine d u r c h g e f ü h r t e K o n k o r d a n z an, sondern n u r eine auf die beiden g e n a n n t e n Ü b e r e i n s t i m m u n g e n b e s c h r ä n k t e . Bedas Bericht (und wir d ü r f e n i h m glauben, da er die Bilder täglich sieht) widerlegt diese A n n a h m e . Die b e t r e f f e n d e Stelle h e i ß t wörtlich: „ i m a g i n e s . . .de concordia veteris et novi T e s t a m e n t i s u m m a ratione compositas exibuit, v e r b a g r a t i a . . . " u n d n u n folgen die zwei Bildpaare. Das „ v e r b a g r a t i a " ( „ z u m Beispiel") spricht deutlich f ü r w e i t e r e typologisch angeordnete Gemälde. Bilderzyklen, vor allem solche n a c h typologischen G e s i c h t s p u n k t e n geordnete, h a t t e n b e l e h r e n d e n C h a r a k t e r , z u m a l in ländlichen u n d der K u l t u r ferner s t e h e n d e n Gegenden. I h r Zweck ist der (so f ü g t B e d a bei d e m 1 2 3
Baeda, Hist. Abbatum a. a. O. c. 9. Vergl. Fr. X. Kraus, Geschichte d. christl. Kunst. Freiburg 1896. I, S. 384. J. W. Hilpert, Ikonographie der christlichen Kunst. S. 33.
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ersten Bericht ü b e r die Bilder der P e t e r s k i r c h e hinzu), „ d a ß alle Besucher der Kirche, auch die des L e s e n s U n k u n d i g e n , wohin sie immer die Blicke richten, entweder den i m m e r d a r liebenswerten Anblick Christi u n d seiner Heiligen, w e n n a u c h n u r im Bilde h a b e n , u n d so die Gnade der Menschw e r d u n g des H e r r n m i t gewecktem Geist b e d e n k e n , oder die Schrecken des letzten Gerichtes gleichsam vor Augen h a b e n u n d sich desto strenger zu p r ü f e n b e d a c h t seien" 1 . Den G e d a n k e n „ B e l e h r u n g d u r c h B i l d e r " spricht Beda noch m e h r m a l s an anderer Stelle a u s ; in „ D e Templo Salomonis" (729/31) w e h r t er sich gegen die B i l d e r s t ü r m e r dieser Z e i t : „ W e n n es z. B. erlaubt ist, eine eherne Schlange in der W ü s t e a u f z u r i c h t e n , . . . w a r u m soll nicht die A u f r i c h t u n g des H e r r n a m K r e u z e d e m Gedächtnis der Gläubigen durch M a l e r e i eingeprägt werden, oder eines seiner W u n d e r . . .denn ihr Anblick gibt denen, die nicht lesen k ö n n e n , einen lebendigen U n t e r r i c h t in der Geschichte des H e r r n " 2 . — Ähnlich ä u ß e r t er sich in einer Homilie; die Bilder dienten „nicht n u r z u m Schmuck der Kirche, sondern vielmehr auch zur Unterweisung der B e s c h a u e r " 3 . Wie f e r n liegt diese Belehrung durch K u n s t w e r k e der frohen, u n b e k ü m m e r t e n S c h m u c k f r e u d e der G e r m a n e n ! F a r b e n u n d Linien dienten ihnen, n a c h d e m d u r c h das C h r i s t e n t u m deren m a g i s c h e r U n t e r g r u n d g a n z o d e r t e i l w e i s e a u s g e s c h a l t e t w a r , zu nichts a n d e r e m als zu f r o h e r Augenweide, bedeuteten f ü r sie einen Widerschein von Glanz u n d M a c h t . Aber, bei der Tiefe des germanischen G e m ü t s , m u ß t e nicht dies das n a h e E n d e ihrer n u n m e h r i n h a l t s a r m gewordenen K u n s t bedeuten ? Machte n i c h t a u c h dies das j u n g e Volk reif f ü r die mit n e u e m G e d a n k e n g u t erfüllte frühchristliche K u n s t der M i t t e l m e e r l ä n d e r ? Die B e a c h t u n g des Didaktischen ist ebenfalls m a ß g e b e n d gewesen in d e m Bilderschmuck von St. A n d r e a s in H e x h a m , j e n e r so b e r ü h m t e n u n d überaus herrlichen Basilika, die Wilfrid 672/78 e r b a u t e . E r ließ von ausländischen K ü n s t l e r n die K i r c h e s c h m ü c k e n : „ U m das noch i m m e r rohe Volk z u r F r ö m m i g k e i t hinzuleiten, s t a t t e t e er (den R a u m ) m i t Bildern (picturis) u n d S k u l p t i e r u n g e n a u s " 4 . A n d e r e N a c h r i c h t e n 5 über die Malereien in H e x h a m 1 a u t e n : „Die W ä n d e u n d den Chorbogen s c h m ü c k t e er m i t Historien u n d mit Darstellungen u n d einer gefälligen Mannigfältigkeit sowohl an F o r m e n wie an F a r b e n , d a z u m i t herrlichem d e k o r a t i v e n S c h m u c k . " So deutlich die Gemälde Benedict Biscops als Tafelbilder zu e r k e n n e n sind, so deutlich zeigen sich die D a r s t e l l u n g e n in H e x h a m als W a n d m a l e r e i e n . U n d zwar h a n d e l t es sich u m d e k o r a t i v e n S c h m u c k (decor mirabil is) u n d u m erzählende Gemälde (historiae). 1 3 6
2 Baeda, Hist. Abb. c. 6. Gües, Baeda VIII, 336. Bilderstreit ab anno 725. 4 Giles, Baeda V, S. 184. Aelred von Rievaulx in Raine, Hexham I, S. 175. Prior Richard in Raine, Hexham a. a. O. I, S. 12.
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So haben wir Wandmalerei wie Tafelgemälde in Alt-England angetroffen, beides freilich nicht von einheimischen Künstlern verfertigt. Wir dürfen aber annehmen, daß der von fernher verpflanzte Kunstzweig bald Wurzel geschlagen hat. Für die Wandmalerei war j a auch eine Vorstufe geschaffen in der Verzierung der Hauswände, die im Kolorieren geschnitzter „Wurmbilder" bestand. Vor allen Dingen scheint der Angelsachse großes V e r s t ä n d n i s f ü r F a r b e n u n d F a r b e n w i r k u n g e n gehabt zu haben. Die Literatur gibt uns Kunde davon. Immer wieder stoßen wir auf den Ausdruck „fag" (schillernd, bunt, vielfarbig) mit seinen unzähligen Kompositis, z. B. goldfag (goldbunt), ban-fag (knochenbunt), sinc-fag (kleinodbunt), blod-fag (blutbunt = mit Blut überspritzt), stan-fag (steinbunt) 1 . Auch feinere Farbunterschiede werden sorgfältig aufgezählt. Ein geübtes Auge im Erkennen von Ocker- und Röteltönen — gerade dies ist ein echt germanischer Zug! — verrät die Schilderung der Ruinen von Bath; „rehgrau und rotbunt" 2 (raeghar ond readfah) werden die Mauern genannt. „Hasu-fag" bedeutet von grau nach gelb spielend, „brun-fag" ein Glänzen in dunkeln Metalltönen. Dieser vielfache Gebrauch des Wortes „fag" verrät, daß schon früh bei den Angelsachsen jene Vorliebe für schillernde, weich ineinander übergehende Farben bestand, die später so kennzeichnend für die englische Buchmalerei der romanischen Zeit wurde. — Geradezu erstaunlich ist der Reichtum an Farbbezeichnungen in dem Gedicht „Phönix". Is se fugel faeger forweard hiwe B l e o b r y g d u m fag ymb ]sa breost foran; Is himjpaet heafod hindan g r e n e , wraetlice wrixleö wurman geblonden. jponne is se finta faegre gedaeled, sum b r u n , sum b a s u , sum b l a c u m splottum searolice beseted. Sindon J)a fi{)ru h w i t hindanweard ond se hals g r e n e . . . 3 Von vorn ist herrlich der Vogel zu schauen, bunt von Farben um die Brust herum, das Haupt ist ihm von hinten grün, schillernd schön mit Scharlachglanz. Dann ist der Schwanz ihm schön geteilt, halb braun, halb purpurn, mit Punkten zierlich schwarz gesprenkelt; es schimmern die Flügel hellweiß nach hinten, und der Hals ist grünlich.. . 1
Alle Belege aus Beowulf.
2
Ruine 10.
3
Phönix 291.
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Bei diesem ausgesprochenen Sinn f ü r Schönfarbigkeit werden die Angelsachsen bald v e r s u c h t h a b e n , die f r e m d e A r t der Malerei n a c h z u a h m e n , wie sie auch die Buchmalerei a u f g e n o m m e n u n d Großes darin geleistet h a b e n . J a , wir d ü r f e n wohl a u c h die E n t w i c k l u n g der M o n u m e n t a l m a l e r e i als analog zu der Buchmalerei a n n e h m e n . F ü n f z i g J a h r e n a c h der Ausm a l u n g H e x h a m s d u r c h Wilfrid, u n d fast ebenso lang n a c h der A u s s c h m ü k k u n g W e a r m o u t h - J a r r o w s d u r c h Biscop, k o n n t e der alternde Beda in b e z u g auf die Bilderstürmer schreiben: „sie glauben, Gott h a b e es v e r b o t e n , d a ß wir Abbilder der Dinge (rerum similitudines) in den Kirchen meißeln oder m a l e n " 1 . Dies Einsetzen f ü r figürliche Darstellungen — m a n b e a c h t e dies „ w i r m a l e n " — w ü r d e n i c h t so l e b h a f t geklungen h a b e n , w e n n es sich n u r u m einen einmaligen u n d zeitlich weit zurückliegenden I m p o r t v o n Bildern gehandelt h ä t t e ! Z u s a m m e n f a s s u n g . So h a b e n uns ausführliche u n d b e a c h t e n s w e r t e Schriftquellen die E i n f ü h r u n g der Tafel- u n d Monumentalmalerei in E n g land geschildert. E s ist f r e m d e K u n s t in bezug auf die D a r s t e l l u n g s m i t t e l , in bezug auf den I n h a l t , f r e m d auch in ihren Absichten (Belehrung!). Ob eine reichere N a c h a h m u n g dieses Kunstzweigs durch die Angelsachsen selber s t a t t g e f u n d e n , l ä ß t sich n u r v e r m u t e n . Nichts ist d a v o n erhalten, u n d die Schriftquellen schweigen. ANGELSÄCHSISCHE
BUCHKUNST
E i n hübsches Rätsel 2 sei gleichsam als Motto diesem Kapitel v o r a n g e s e t z t . Die A u f l ö s u n g l a u t e t „ B u c h " , u n d zwar das B u c h als Fell a m Tier, zweitens als H a u t z u m E i n b i n d e n u n d P e r g a m e n t z u m Beschreiben u n d M a l e n ; u n d drittens als fertiges, reichgeschmücktes Evangelienbuch. Mec feonda s u m feore besnyfjede,. . . d y f d e on waetre, d y d e e f t ]jonan, sette on s u n n a n , Jjaer ic swijte beleas h e r u m J)am Jdc ic h a e f d e . H e a r d mec sij)f>an snaö seaxses ecg, s i n d r u m begründen, f i n g r a s feoldan, ond mec fugles w y n geond s p e d d r o p u m , spyrede geneahhe ofer b r u n n e b r e r d ; beamteige swealg, streames daele, stop e f t on mec sijsade sweartlast. Mec sippan w r a h haeleö h l e o b o r d u m , h y d e bej)enede, gierede mec m i d golde: forjjon m e gliwedon wraetlic weorc smijja wire befongen. 1
Giles, Baeda, VIII, 336.
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2
Rätsel 27.
N u J>a gereno ond se r e a d a telg ond J)a wuldorgesteald wide m a e r e d r y h t f o l c a h e i m . . . Frige, h w a e t ic h a t t e ny]jum t o n y t t e . N a m a m i n is m a e r e haelej)um gifre ond haldig sylf. D a s L e b e n r a u b t e m i r der Leidigen einer,. . . T a u c h t e m i c h in Wasser, t a t m i c h d a r a u f v o n d a n n e n , Setzte mich an die Sonne, wo ich gar sehr verlor Die H a a r e , die ich h a t t e . H a r t s c h n i t t mich d a n n Die Schärfe des Messers, geschliffen mit Kieseln; E s f a l t e t e n mich Finger, u n d des Vogels W o n n e Ü b e r s p r e n g t e mich m i t T u p f e n , f u h r reichlich Ü b e r den b r a u n s c h w a r z e n R a n d , (des Tintenfasses!) schlang B r a u n f a r b e ein, E i n wenig des Stromes, ging wieder auf mich, Schritt schwarzspurig einher. Mich schirmte d r a u f Mit H ü l l b r e t t e r n ein Held, m i t H a u t mich u m s p a n n e n d , Mit Gold mich z i e r e n d : d r u m ergötzte mich Kunstvolles Schmiedwerk m i t S p i r a l d r a h t u m f a n g e n . N u n sind die Geheimnisse u n d die hellrote F a r b e U n d die W o h n u n g e n der Glorie weithin b e k a n n t , Sind der Volksscharen S c h u t z . . . Forsche, wie ich heiße Z u Schutz den Menschen! Mein N a m e ist b e r ü h m t , Heilsam den Helden u n d heilig selbst. Wie schon dies Rätsel e r k e n n e n läßt, f a ß t e n die Angelsachsen freudiger als j e d e a n d e r e aus d e m Süden i m p o r t i e r t e K u n s t die F e r t i g k e i t des Buchschreibens u n d Illuminierens auf. Das lag einerseits b e g r ü n d e t in ihrer Wißbegierde, ihrem Lerneifer f ü r f r e m d e Sprachen 1 , vor allem in ihrer aufrichtigen F r ö m m i g k e i t . Andererseits k a m e n aber Schreiben u n d Illuminationsk u n s t in gewisser Weise d e m germanischen H a n g zur O r n a m e n t i e r u n g entgegen, u n d die Goldschmiede w a r e n zufrieden, i m S c h m ü c k e n der Buchdeckel ein neues Feld der B e t ä t i g u n g g e f u n d e n zu h a b e n . N i c h t i m m e r w u r d e das B u c h m i t einem festen E i n b a n d versehen, wie es das R ä t s e l zu erkennen g i b t ; es k a m a u c h vor, d a ß die B l ä t t e r lose in einem Schrein ( „ t h e c a " ) a u f b e w a h r t w u r d e n (wie es die irischen „ C u m d a c h s " waren). Unser Rätsel b e r i c h t e t v o n einem Buchdeckel, der m i t Filigrano r n a m e n t a t i o n geschmückt ist, w ä h r e n d m i t d e m „Codex v i t r e u s " , der in A d a m n a n s „ V i t a St. C o l u m b a " sichtbar wird, wahrscheinlich ein Buchdeckel m i t reicher Zellenverglasung gemeint ist. Wilfrid schenkte der Abteikirche von Ripon die vier Evangelien in einem k o s t b a r e n K ä s t c h e n : „ t h e c a m 1
Vergl. Hist. Eccl. IV, 2.
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e rutilo his c o n d i g n a m condidit a u r o " . N ä h e r beschrieben wird Wilfrids Geschenk d u r c h E d d i u s 1 : „ W i l f r i d . . .ließ die B u c h k a s s e t t e (bibliothecam), die ganz aus d e m reinsten Gold u n d den k o s t b a r s t e n Edelsteinen gearbeitet werden sollte, von den Juwelieren (inclusores gemraarum) z u s a m m e n f ü g e n " . Malmesbury b e r i c h t e t , d a ß K ö n i g I n e v o n Wessex (um 725) f ü r Glastonb u r y S t i f t u n g e n m a c h t , d a r u n t e r die „ E i n b a n d d e c k e (coopertoria) der Evangelienbücher v o n 20 P f u n d u n d 60 Mancus G o l d " ; sicherlich ein kostbarer Einband. D a s Schreiben wird gleich d e m B a u e n , dem Skulptieren, der Goldvera r b e i t u n g als „ W u n d e r k u n s t " angesehen: W a e s h i r a M a t h e u s sum, se m i d J u d e u m ongan godspell aerest wordum w r i t a n w u n d o r c r a e f t e 2 . Dieser Helden einer war der heilige M a t t h ä u s , Der zuerst bei den J u d e n das E v a n g e l i u m D u r c h W u n d e r k u n s t b e g a n n m i t W o r t e n zu s c h r e i b e n . Wie schnell sich die f r e m d e Fertigkeit einbürgert, erhellt d a r a u s , d a ß die altenglischen W o r t e „ w r i t a n " ( = ritzen in R u n e n s t ä b e ) f ü r „ s c h r e i b e n " , „ r u n " (Rune) f ü r „ B u c h s t a b e " weitergebraucht werden. Aus „ W o r t r u n e n in G o t t e s b ü c h e r n " ( „ w o r d r y n o on godesbocum") 3 e r f ä h r t Kaiser K o n s t a n t i n K u n d e von Jesus, „ r u n e n v e r s t ä n d i g e M ä n n e r " (Schriftgelehrte) sollen Belsazar die geheimnisvolle Schrift an der W a n d d e u t e n . W e n n n u n auch die Angelsachsen die f r e m d e Schreibkunst gern a n n a h men, so geschah es doch in einer f ü r sie charakteristischen A r t . E s war ein K a m p f mit wechselnden Erfolgen zwischen der d u r c h Augustin a u s R o m e i n g e f ü h r t e n U n z i a l e (einer K a p i t a l s c h r i f t mit A b r u n d u n g e n ) u n d der römischen H a l b u n z i a l e einerseits u n d der d u r c h die iro-schottische Mission beeinflußten Schrift andererseits, die aber auf englischem B o d e n in n a t i o n a l e m Sinn weitergebildet w u r d e ; es w a r eine a u s der H a l b u n z i a l e e n t s t a n d e n e Buch- u n d Geschäftsschrift. Obgleich n a c h der Synode v o n W h i t b y (664) die römische Unziale wieder k r ä f t i g a u f g e n o m m e n u n d sozusagen als K a m p f m i t t e l gegen die irische Kirche v e r w a n d t w u r d e (es w a r jene Zeit, wo Biscop, Wilfrid u n d Ceolfrid reiche B ü c h e r s c h ä t z e a u s R o m m i t b r a c h t e n ) , so s i e g t e d o c h d i e n a t i o n a l e S c h r i f t , die „ I n s u l a r e " , a u c h „anglo-irische M i n u s k e l " g e n a n n t . Die „ I n s u l a r e " ist n i c h t m e h r mit d e m Schreibrohr, sondern m i t der Gänsefeder geschrieben, w o d u r c h eigenartig spitze Züge e n t s t e h e n (Tafel 16). Charakteristisch sind die vielen Tiefstriche (z. B. /j^ = s, y , = r) u n d der kolbenförmige A n s a t z der S c h a t t e n s c h ä f t e . Lehrreich ist ein Vergleich dieser 1
Vita Wüfridi, c. 17.
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2
Andreas 11.
3
Elene 289.
nationalen Schrift mit einem typisch angelsächsisch aufgefaßten Kunst werk derselben Zeit, dem Runenkästchen von Auzun (Tafel 1—3). Nicht nur, daß die Insulare der steilen und winkeligen Runenbeschriftung des Kästchens gleicht (und tatsächlich sind die zwei Runen |> und f = th und w mit in das angelsächsische Alphabet aufgenommen) und daß bestimmte Schriftzüge in gewissen Formen der bildlichen Darstellung wiederkehren, sondern auch in der Füllung des Leerraums herrschen gleiche Absichten. Man vergleiche die Tiefstriche der Schriftprobe mit den vielen eingestreuten Senkrechten der Schnitzerei, z. B. in der Darstellung des Tumulus (sog. Siegfriedszene). Ferner halte man zusammen die spitzbogenförmigen Kappen der Buchstaben m und n, das mandelförmige o und a mit Füllornamenten der Schnitzerei, z. B. zwischen den Beinen des Pferdes; endlich die kolbenförmigen Ansätze, den punktartigen Ausstrich mancher Buchstaben mit dem Punkt- und Schnörkelfüllwerk des Kästchens (Anbetung der Könige; Egilszene). Bei der Insulare ist alles rhythmisch bewegt und ausgefüllt, aber trotz der Vielfältigkeit wohlgeordnet, trotz der Krausheit übersichtlich, trotz der Spitzen und Haarstriche kräftig und ausdrucksvoll, — es ist die Schrift eines g e r m a n i s c h e n Volkes! Und während die irische Schrift immer kleiner und spitziger wird, bleibt, die Insulare stets erfreulich klar und wohlgeformt. Daß die angelsächsische Schrift die irische und nicht die römische nachahmte, lag neben der Verwandtschaft der irischen Schrift mit heimischen Formen vor allem auch an der Fortschrittlichkeit der irischen Schreibstuben, der irischen Gelehrsamkeit überhaupt. Immer wieder lesen wir in Beda, in Aldhelm, in den Viten der Heiligen, daß man nach Irland reiste „gratia legendi scripturas" („um Schriftwerke zu lesen" 1 ), zumal da die Iren „Bücher zum Lesen und Unterricht umsonst zu geben pflegten" 2 . Wie die von den Iren auf dem Festland gegründeten Klöster (z. B. Luxeuil, Bobbio, St. Gallen) großartige Schreibstuben und Bibliotheken besaßen, so übertrug die irische Mission seit 565 nach Schottland und von dort nach England ihre Vorliebe für Bücher und Buchwissenschaft. Gleich am Anfang ihrer Missionstätigkeit steht die Erbauung des Klosters Hy (Iona) durch St. Columba, einem äußerst schreib- und lesebegierigen Mann. In Adamnans Lebensbeschreibung dieses liebenswürdigen Heiligen spielt demgemäß „das Buch" eine große Rolle 3 . Oft beginnt die Situationsschilderung folgendermaßen „Columba saß schreibend in seiner Hütte. . .", und zwar ist der Heilige so in seine Arbeit vertieft, daß er einmal, als er von einem fremden Mann gebeten wird, ein Messer zu segnen, „das Antlitz dem Buch zugewandt, aus welchem er abschrieb, nur ein wenig die Hand mit dem Schreibrohr (cum calamo — also hier noch Schreibrohr!) ausstreckte 1 3
2 Ebda. Historia Abbat. Anonyma, c. 3. Adamnan, Vita St. Columbae. Ed. Reeves. Oxford 1874.
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u n d das Segenszeichen m a c h t e . . . " , u m n a c h h e r zu e r f a h r e n , d a ß er ein Schlachtmesser mit d e m Kreuzzeichen versehen h a b e . — Der T o d ereilt ihn, als er gerade einen P s a l t e r a b s c h r e i b t : „ H i e r a m E n d e der Seite, sagte er, m u ß ich a u f h ö r e n ; das folgende soll d a n n B a i t h e n e schreiben". Aus kleinen Zügen ersteht die U m w e l t des schreibbeflissenen Columba, jedes Schreibbeflissenen der damaligen Zeit ü b e r h a u p t . Da v e r s c h ü t t e t ein ungeschickter Besucher das T i n t e n h o r n (corniculum) ü b e r des Heiligen Gewand 1 , oder es k o m m t ein B r u d e r u n d b i t t e t , m a n m ö c h t e den Psalter korrigieren, den er geschrieben h a b e , worauf Columba e r w i d e r t : „ W a r u m sollen wir uns ohne G r u n d dieser M ü h e unterziehen, da doch in d e i n e m . . . Psalter kein überflüssiger B u c h s t a b e zu finden ist u n d keiner fehlt a u ß e r einem I " 2 . Oder ein Buch, das ins Wasser gefallen ist, wird d u r c h ein W u n d e r trocken wieder herausgezogen, „als ob es in einem Bücherschrein (in scriniolo) a u f b e w a h r t gewesen w ä r e " 3 . W ä h r e n d Beda v o n sich selbst a u s s a g t : „ I p s e mihi dictator simul notarius et librarius" 4 (Ich bin selbst Verfasser sowie mein Schreiber u n d mein Kopist gewesen), ist in den größeren Schreibstuben ein ganzer S t a b von Kopisten beschäftigt, oft u n t e r ä u ß e r e n Schwierigkeiten. So entschuldigt sich A b t Cuöberlit v o n W e a r m o u t h - J a r r o w bei Lullus von Mainz wegen nicht gesandter B ü c h e r : die strenge W i n t e r k ä l t e h ä t t e die H a n d der j u n g e n Schreiber stocken lassen, obgleich sie sich n a c h „ K r ä f t e n a n g e s t r e n g t h ä t ten"». Geschrieben wird mit schwarzer F a r b e auf Weiß, die I n i t i a l e n m i t R o t . W ä h r e n d irische u n d irisch beeinflußte H a n d s c h r i f t e n keine Metallfarben aufweisen, so ist es eine aus d e m S ü d e n e i n g e f ü h r t e Sitte, k o s t b a r e Werke mit Gold auf P u r p u r zu schreiben. „ I c h b i t t e Dich, d a ß D u mir mit Gold die Briefe St. Petri, meines H e r r n , schreibst" 6 , h e i ß t es in einem Brief des Bonifatius an die Äbtissin E a d b u r g (Bugge) von T h a n e t . — Wilfrid befiehlt, d a ß vier Evangelienbücher f ü r R i p o n geschrieben werden „ d e a u r o purissimo in m e m b r a n i s d e p u r p u r a t i s coloratis" („mit reinstem Gold auf purpurfarbenen Blättern")7. D a s Illuminieren ist mit einbegriffen in der A u f g a b e des Schreibens (Irische Miniaturen z. B. w u r d e n mit der F e d e r gezeichnet u n d d a n n illuminiert, d. h. die F a r b e w u r d e gleichmäßig aufgetragen). Wir hören v o n einem gewissen U l t a n in Lindisfarne u m 700, der so schön ausmalen k o n n t e , wie h u n d e r t J a h r e später kein S c h r e i b e r („scriptor") es m e h r v e r s t a n d : 1 4
6 7
2 3 Adamnan, I, 19. Adamnan, I, 17. Adamnan, II, 8. Plummer, Baeda S. X X , wo „dictator" mit „amanuensis", „notarius" mit „shorthandwriter" übersetzt wird. 6 Tangl, M. G. Epistolae selectae I, 1916, S. 251. Tangl Nr. 35 S. 60. Eddius, Vita Wilfridi, a. a. 0 . , c. 17.
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„Ein Priester war jener, ein seliger, entstammend dem Volke der Schotten, Der mit gefälligen Zeichen verstand die Büchlein zu schmücken, Bis heute kann sich kein Schreiber in dieser Kunst ihm vergleichen". 1 Solange es nur galt, die Initiale mit S c h n ö r k e l w e r k zu umgeben oder große ornamentale S c h m u c k b l ä t t e r herzustellen oder schließlich auch Canones-Bogen mit Rankwerk zu zieren, war der Germane (wie der Ire erst recht) in seinem Element. Auch die Umpünktelung der Buchstaben, die die Iren nach östlichem Vorbild pflegten, ahmten die Angelsachsen gerne nach, vielleicht weil es sie an den beliebten „Nagelschmuck" („naegled sine") im Kunstgewerbe erinnerte. Die Schwierigkeit kam erst mit der figürlichen Darstellung. Es hieß, entweder sie Linie für Linie kopieren oder sie umwandeln, bzw. neu erfinden. Hier trennten sich die Iren von den Angelsachsen. Die Iren mußten zwar aus kirchlichen Gründen die menschliche Gestalt aufnehmen, aber was sie daraus machten, war ein anthropomorphes Ornament. (Buch von Keils, vielleicht in Iona entstanden; Buch von Durrow.) Von dieser unter dem Namen „irische Buchkunst" wohlbekannten Malerei ist in den Klöstern Bobbio und Luxeuil, die im frühen 7. Jahrhundert von der irischen Mission gegründet waren, noch nichts zu spüren. Sie gelangte vielmehr zu der ihr eigentümlichen Prägung erst in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts, wahrscheinlich in Nordengland, und zwar unter Einwirkung der starken keltischen Kunstantriebe (vergl. S. 16), die gegen 600 im westlichen Mittelland aufkamen und sich nach Norden hin ausbreiteten. Der ganz abstrahierende„irische Stil" ging von Nordengland nach Irland; er findet sich in England nur in den keltischen Gegenden (Evangeliar des hl. Chad aus Wales, zweites Viertel des 8. Jahrhunderts), aber seine Ausstrahlungen sind auf dem Kontinent von der Mitte des 8. Jahrhunderts ab noch lange wirksam. Bei den Angelsachsen Nordenglands aber entstand im Verlaufe jener keltischen Wiedererstehung eine M i s c h u n g von g e r m a n i s c h - k e l t i s c h e r O r n a m e n t i k (Initialen, Schmuckseiten) u n d e i n g e s c h o b e n e n m e d i t e r r a n b e e i n f l u ß t e n f i g ü r l i c h e n D a r s t e l l u n g e n (Book of Lindisfarne). Während aber auf dem Gebiet der Schrift die nationale Insulare noch lange herrschend blieb, gewann in der Buchmalerei von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ab der fremde, m e d i t e r r a n e E i n s c h l a g die O b e r h a n d über die keltischen und germanischen Elemente. Wir wollen nun die g e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k l u n g in England an der Hand e i n z e l n e r , in den Schriftquellen erwähnter Codices betrachten, wobei der große Zustrom von Büchern aus Italien und dem Osten offenbar wird. 1
Aedivulfi Carmen. M. G. Poetae I, S. 589. 10*
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Als A u g u s t i n 597 n a c h E n g l a n d k o m m t , — u n d mit i h m k o m m t R o m u n d seine K u l t u r — soll er die Cura Pastoralis bei sich getragen h a b e n ; so versichert uns König Alfred. 601 schickte P a p s t Gregor a n Augustin „codices p l u r i m o s " (sehr viele Bücher) aus Rom 1 . Sie werden noch 1397 als existierend e r w ä h n t : „ U n d dies sind die Erstlinge der B ü c h e r der ges a m t e n K i r c h e E n g l a n d s , " sagt der Geschichtsschreiber C a n t e r b u r y s , William T h o r n e . E r z ä h l t u n t e r a n d e r e m a u f : eine Gregorianische Bibel, zweibändig, v o n der einige B l ä t t e r rosarot u n d p u r p u r n gefärbt sind; den P s a l t e r von St. A u g u s t i n ; ein Evangelienbuch, dessen Deckel die Bildnisse Christi u n d der vier Evangelisten in Silber a u f w e i s t ; zwei Martyrologien, der Dekkel des einen mit einer Silberfigur Christi, der Deckel des a n d e r n mit Edelsteinen geschmückt. W a s ist v o n diesen ersten d u r c h R o m n a c h E n g l a n d gekommenen B ü c h e r n h e u t e noch e r h a l t e n ? Zwei alte M a n u s k r i p t e in reiner Unziale geschrieben sind bislang als Überbleibsel der Gregorianischen Codices angesehen worden. Eines davon, in O x f o r d befindlich, (Bodleian Auct. D. I I 14) h a t sich aber als A b s c h r i f t eines römischen Evangeliars herausgestellt. Das andere, ein Cambridger Codex (C C C ¡Nr. 286), gilt noch als echtes aus Italien stammendes W e r k , wenn auch vielleicht erst von Theodor m i t g e b r a c h t . A. Boeckler (in seinem W e r k „Abendländische M i n i a t u r e n " ) 2 schiebt freilich die eing e k l a m m e r t e Frage ein: „ O d e r in C a n t e r b u r y n a c h altchristlicher Vorlage gemacht ?" E s ist ein Q u a r t b a n d mit b r a u n e r Tinte geschrieben, h a t rote A n f a n g s b u c h s t a b e n u n d e n t h ä l t n u r zwei b l a t t g r o ß e Miniaturen m i t je zwölf Szenen. B e t r a c h t e t m a n die einzelnen Bildchen genauer, so fallen unrömische Besonderheiten auf (Abb. 41). Bei der Szene „Christus wird v o n Kriegsknechten f o r t g e f ü h r t " h a t Christus kein K r e u z , sondern Strahlen im N i m b u s . Die „ K r e u z t r a g u n g " weist, abgesehen von einer ikonographisch m e r k w ü r d i g e n Auffassung, folgende Einzelheiten a u f : das K r e u z h a t einen langen S t a m m u n d kleine, geschwungene Balken, was an ein H o c h k r e u z erinnert. Die Krieger h a b e n n a c h germanischer A r t die Beine kreuzweise umwickelt u n d t r a g e n Schilde mit spitz z u l a u f e n d e m Buckel. Vergleicht m a n diese beiden Bildchen d a r a u f h i n mit der Darstellung des „ J u d a s k u s s e s " oder a n d e r e n Szenen, so k ö n n t e m a n denken, es sei hier ein angelsächsischer K o p i s t a m Werke gewesen, der zwar sehr genau n a c h a h m t e , aber doch z u g u t e r l e t z t ein wenig eilig u n d u n g e n a u e r kopierte u n d dabei an E i g e n e m zugab. D a ß der gelehrte Erzbischof T h e o d o r eine große Reihe B ü c h e r e i n g e f ü h r t h a t , vor allem griechische, ist als gewiß a n z u n e h m e n . Doch v e r l a u t e t nichts d a r ü b e r , n u r B e d a e r w ä h n t in seinen „ R e t r a c t i o n e s " ein griechisches E x e m 1
2
Hist. Eccl. I, 29. Vergl. M. Rh. James, The Ancient Libraries of Canterbury and Dover. Cambr. 1903. S. LXIV. A. Boeckler, Abendländische Miniaturen. Bln. 1930. S. 21.
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41. T e i l e i n e r M i n i a t u r a u s d e m G r e g o r i a n i s c h e n aus Cambridge
Codex
p l a r der A c t u s A p o s t o l o r u m ; es m a g mit d e m Codex E (Laud. Gr. 35 in der Bodleian Library) zu identifizieren sein, dessen letzte Seite die I n s c h r i f t „Theodoras" trägt. I n E n g l a n d v e r f e r t i g t w u r d e das k o s t b a r e E v a n g e l i e n b u c h , das W i l f r i d der K i r c h e in R i p o n schenkt. E d d i u s schildert es als „ein bis dahin u n e r h ö r t e s W u n d e r " 1 , w ä h r e n d d a r ü b e r im E p i t a p h Wilfrids v e r l a u t e t : „ Q u a t t u o r a u r o scribi evangelii praecepit in ordine libros". ( E r l i e ß die vier B ü c h e r der Evangelien der Reihe n a c h in Gold schreiben) 2 . — Noch im 16. J a h r h u n d e r t befinden sich u n t e r den zu Y o r k gehörigen Codices „zwei T e x t e des hl. Wilfrid, geschmückt m i t Silber u n d Gold, von denen einer das Bild des Gekreuzigten a u f w e i s t ; im u n t e r e n Teil stehen Maria u n d J o h a n n e s , u n d im oberen Teil die hl. Dreieinigkeit u n d zwei E n g e l aus Elfenbein ; das a n d e r e B u c h e n t h ä l t das Bild des Gekreuzigten im u n t e r e n Teil, 1
Eddius, c. 17.
2
Hist. Eccl. V, 19.
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u n d im oberen das Bild des Welterlösers oder seiner Majestas m i t P e t r u s und Paulus"1. Wilfrids Nachfolger A c c a m a c h t sich verdient u m die Ausgestaltung der Bibliothek von H e x h a m : „ E r s a m m e l t e m i t d e m größten Fleiß die Leidensgeschichten der Heiligen, zugleich mit a n d e r e n kirchlichen Schriften (ecclesiasticis voluminibus) u n d errichtete daselbst eine ä u ß e r s t große u n d schöne Bibliothek (amplissimam ac nobilissimam bibliothecam)" 2 . —• Die gesamte Bibliothek von H e x h a m ging in den S t ü r m e n der Dänenzeit verloren (875). U n t e r den vielen A u s s t a t t u n g s s t ü c k e n , die B e n e d i c t B i s c o p von seinen zahlreichen Reisen n a c h R o m z u m S c h m u c k v o n W e a r m o u t h - J a r r o w heimbringt, befinden sich natürlich auch Bücher, die er teils k a u f t , teils geschenkt b e k o m m t . Bei E r w ä h n u n g seines vierten Besuchs von R o m h e i ß t es: „ E i n e große Menge Bücher j e d e r göttlichen Wissenschaft b r a c h t e er m i t , die er teils selber günstig g e k a u f t , teils von F r e u n d e n zum Geschenk erhalt e n h a t t e " . Andere W e r k e k a u f t er unterwegs in Vienne: „Als er h e i m k e h r e n d über Vienne k a m , n a h m er die dort g e k a u f t e n B ü c h e r mit, die er bei F r e u n den hinterlegt h a t t e " 3 . Von der f ü n f t e n Romreise k e h r t er z u r ü c k mit einer „ u n z ä h l b a r e n Menge von Büchern jeder A r t " 4 . Vielleicht h a t er damals den Cosmographen m i t g e b r a c h t , von dem später die Rede sein wird. — Vom sechsten Rombesuch bringt er neue Bücher m i t , „eine reiche Fülle v o n heiligen B ü c h e r n " 6 . Als Benedict stirbt, befiehlt er aufs dringlichste, diese „ u n s c h ä t z b a r e u n d ü b e r a u s reichhaltige Bibliothek (bibliothecam nobilissimam copiosissimamque). . ., die so notwendig f ü r die kirchliche Unterweisung sei, u n v e r s e h r t a u f z u b e w a h r e n , sie weder d u r c h U n a c h t s a m k e i t zu beschmutzen noch ringsumher zu v e r s t r e u e n " 6 . Wie gern h a t Beda diesen A u f t r a g Benedicts niedergeschrieben, h a n d e l t es sich doch u m die k o s t b a r e B ü c h e r s a m m l u n g , deren Schätze i h m selbst z u m S t u d i u m vorgelegen h a b e n : „ E r h a t t e vor seinen Augen die Fülle von B ü c h e r n j eder Art, die A b t Benedikt in seinem Kloster angesammelt h a t t e " 7 . W e n n n u n A b t C e o l f r i d ( C e o l f r i ö ) eine von Benedict g e k a u f t e prachtvolle Erdbeschreibung gegen ein großes S t ü c k L a n d dem König Aldfrid (Aldfriö) ü b e r l ä ß t , so vergißt Beda nicht h i n z u z u f ü g e n , d a ß dies sozusagen im Auft r a g Benedicts gewesen sei: „ E r g a b den Cosmographen herrlichster Arbeit, den Benedikt aus R o m m i t g e b r a c h t h a t t e , gegen ein A c h t f a m i l i e n l a n d . . . an Aldfrid, den so schriftkundigen König. Schon Benedikt h a t t e zu seinen Lebzeiten mit König Aldfrid ü b e r den Preis v e r h a n d e l t , s t a r b aber, bevor der Tausch vollzogen werden k o n n t e " 8 . Sicherlich wird das Kloster v o r h e r eine Abschrift des Cosmographen ge1
2 7
H . Raine, Historians of the Church of York III. London 1894. S. 387. Irrtümlich sah Wattenbach ein Manuskript der Hamilton Collection als das v o n Wilfrid geschenkte an. 3 4 6 6 Hist. Eccl. V, 20. Hist. Abbatum c. 4. c. 6. c. 9. c. 11. 8 Symeon of Durham 1, 227. Hist. Abbatum, c. 15.
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macht oder ein zweites derartiges Werk besessen haben, das Beda —• neben Isidor von Sevillas „De Natura rerum" — zu seinen kosmologischen Studien benutzt haben wird. Eine andere Notiz über Ceolfrid ist ungleich wichtiger: „Die Bibliothek beider Klöster vermehrte er mit gleich großem Fleiß um das Doppelte. . . so daß er d r e i B i b e l n in der n e u e n Ü b e r s e t z u n g hinzufügte zu der e i n e n B i b e l in der a l t e n Ü b e r s e t z u n g , die er aus Rom mitgebracht hatte." („ita ut t r e s p a n d e c t e s n o v a e t r a n s l a t i o n i s , ad u n u m v e t u s t a e t r a n s l a t i o n i s quem de Roma adtulerat, ipse super adiungeret"). Wir sind in der glücklichen Lage, das Schicksal einer der erwähnten drei Vulgata-Abschriften bis auf unsere Tage verfolgen zu können. Ceolfrid nahm dies Exemplar als Geschenk mit auf eine Romreise, kam aber bloß bis Langres, wo ihn der Tod ereilte. Einige seiner Gefährten bringen die Handschrift nach Rom: „Unter. . .den Geschenken befand sich auch eine Bibel (Pandectes), vom hl. Hieronymus aus der griechischen und hebräischen Quelle übersetzt, die folgende Versehen (versículos) als Aufschrift trug: „ . . . Ceolfridus, Anglorum extremis de finibus abbas, Devoti affectus pignora mitto mei, Meque meosque optans tanti inter gaudia patris In caelis memorem Semper habere locum" 1 . „Ich, Ceolfridus, ein Abt von den äußersten Grenzen der Angeln, Schicke das Unterpfand meiner ergebensten Liebe, Bittend für mich und die Meinen um einen Platz des Gedenkens Im Himmel unter den Freuden unsres so großen Vaters." Mit Hilfe dieser Verse (der Name war mittlerweile ausradiert und durch einen anderen ersetzt worden) hat De Rossi scharfsinnig nachweisen können, daß das als Geschenk dargebrachte Manuskript identisch ist mit dem Codex A m i a t i n u s der Laurenziana in Florenz. Es ist anzunehmen, daß hier eine Abschrift des Codex Grandior des Cassiodorus vorliegt, da dem Amiatinus eine wichtige Einlage echter( ?) Miniaturen des Codex Grandior vorgebunden ist, wohl um den Wert des Geschenks zu erhöhen.2 Vorher hatte man sie in Wearmouth-Jarrow kopiert, was aus dem Umstand hervorgeht, daß Beda viele Jahre später in seinem „De Templo Salomonis" den Tempel von Jerusalem so beschreibt wie auf einer Miniatur der Einlage. Ein anderes Bild der Einlage, der „Schreiber", gibt das Vorbild zu dem Matthäus des Evangeliars von Lindisfarne, wovon weiter unten die Rede sein wird. Beim Betrachten der Miniaturen der Handschrift bemerken wir sogleich die Hand eines nicht geschickten Kopisten. Er ver1 2
Hist. Abbatum Anonyma, c. 37. A. Boeckler (a. a. O.) sieht auch die Einlage als Kopistenaxbeit an. 151
sucht die f r e m d e n Linien so gut er k a n n n a c h z u a h m e n , doch h a t er nicht v e r h i n d e r n k ö n n e n , d a ß die Gestalten lange Gesichter u n d p l u m p e Glieder erhielten; bei der H e r s t e l l u n g der E v a n g e l i s t e n s y m b o l e versagt seine K u n s t völlig. Begreiflicherweise; denn die Tierdarstellung des germanischen Nordens geht ganz a n d e r e B a h n e n u n d w ü r d e z. B. den Schwanz des geflügelten Stiers, der hier so kläglich gebrochen d a r n i e d e r h ä n g t , zu den merkw ü r d i g s t e n W i n d u n g e n u n d Verflechtungen sich h a b e n auswachsen lassen. Die einzige o r n a m e n t i e r t e Initiale, die ihm Gelegenheit zu Eigenem gibt, ist auch n u r sehr bescheiden, wenn auch künstlerischer, a u s g e f ü h r t . Der K o p i s t ist b e f a n g e n , er s t e h t im B a n n e R o m s . I m s t ä r k s t e n Gegensatz z u m Codex A m i a t i n u s s t e h t das gleichzeitig entstandene „ E v a n g e l i a r v o n L i n d i s f a r n e " ( B o o k of D u r h a m ) . H i n t e n im B u c h befindet sich eine angelsächsische N a c h s c h r i f t , die ü b e r den etwas s p ä t e r angefertigten E i n b a n d b e r i c h t e t : „ U n d Edilwald m a c h t e es (das Buch), u n d bedeckte es so gut er es k o n n t e , u n d Billfrid arbeitete in Schmiedearbeit die O r n a m e n t e , die a u ß e n sind, u n d s c h m ü c k t e es m i t Gold u n d Edelsteinen u n d eingelegtem Silber." Die H a n d s c h r i f t war wohl der k o s t b a r s t e n Hülle w ü r d i g ; sie ist eine der schönsten, die es gibt. Hier herrscht echte große K u n s t , bodenständige K u n s t , „ t h e t r i u m p h of Nordic Christian a r t " , wie Roger Hinks b e m e r k t 1 ) . Sie offenbart ihre Eigena r t nicht n u r in der Schönheit der O r n a m e n t i k , die gegenüber der irokeltischen (von der sie gelernt h a t ) geklärter, großzügiger, dazu r h y t h m i s c h e r in der F a r b e n g e b u n g erscheint, sondern auch —• u n d das ist besonders herv o r z u h e b e n — in der freien B e h a n d l u n g figürlicher Darstellungen. Man h a t das Vorbild z u m M a t t h ä u s dieser H a n d s c h r i f t (Tafel 19) im oben besprochenen Codex A m i a t i n u s , u n d zwar im „ S c h r e i b e r " (Esra ?) e n t d e c k t (Tafel 17). J . B a u m 2 schreibt ü b e r diese E n t l e h n u n g : „ D e r R a h m e n des Bildes ist b e i b e h a l t e n , ebenso die Stellung der B a n k , worauf der Schreiber sitzt, Kissen, H a l t u n g , G e w a n d u n g , K o p f n e i g u n g u n d K o p f t y p des Schreibers, selbst die Stellung des N i m b u s , über dem in der N a c h b i l d u n g das M a t t h ä u s symbol h i n z u g e f ü g t ist; abgesehen von der T i e f e n a n d e u t u n g der B a n k ist im Lindisfarne-Codex jedoch alles P e r s p e k t i v i s c h e ausgeschieden. Die F ü ß e r u h e n nicht m e h r auf einem e r h ö h t e n Schemel, die Z i m m e r e i n r i c h t u n g m i t d e m B ü c h e r s c h r a n k ist vollständig weggelassen. D a f ü r erscheint seitlich ein flächiger V o r h a n g , v o n der n i m b i e r t e n Gestalt des hl. Geistes g e r a f f t . . . E n t s c h e i d e n d f ü r die Stilwandlung gegenüber der Vorlage ist d a s Flachw e r d e n des T i e f e n r a u m e s . . . " Dies „ F l a c h w e r d e n des T i e f e n r a u m e s " will nichts anderes als eine A n - , n ä h e r u n g d e s F i g ü r l i c h e n a n d a s O r n a m e n t a l e , also eine A b s t r a k t i o n i m g e r m a n i s c h - a n g e l s ä c h s i s c h e n Sinn. Diese geschieht auch n o c h d u r c h andere Mittel, nämlich zuerst durch die V e r ä n d e r u n g d e s 1
R. Hinks, Carolingian Art. London 1935, S. 93.
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2
J. Baum, a. a. O. S. 66.
K o m p o s i t i o n s s c h e m a s . Während bei der Vorlage ein f e s t e r Aufbau fast in Dreieckform gegeben ist, wird bei der Entlehnung ein r h y t h m i s c h e s Gegeneinanderschieben der Diagonale der Apostelfigur gegen die des Vorhangs bewirkt, wobei die senkrechte Linie links oben (Oberkörper samt Symbol) der Senkrechten rechts unten (Vorhang) das Gleichgewicht hält. Der leere Raum in der Mitte wird durch die Schrift und durch den nimbierten Kopf ausgefüllt. Zur Erhöhung des rhythmischen Schwunges ist jetzt des Bild nicht mehr in einem breiten Rahmen fest eingefügt (der beim „Schreiber" stark zur Tiefenraumwirkung beiträgt), sondern nur mit einem schmalen Saum abgekantet, der an allen vier Ecken ein schräg gesetztes, und daher die Stabilität ebensoviel aufhebendes wie unterstützendes Zierstück trägt. Als zweites trägt bei zur Unterstützung des Ornamentalen eine Stilisierung des Umrisses und der Binnenzeichnung. Linien, die auf der Vorlage die Plastizität unterstützen, werden nunmehr ornamental umgewandelt. Dazu gehört die starke Durchfurchung des Gewandes mit einseitig verlaufenden Grätenlinien, und die scharfe Aufteilung des Matthäuskopfes in Schädel, Gesicht und herabhängendes Haar; auch die starke Stilisierung des Kopfes rechts, dessen Locken und Bartenden sich zu „Scrolls" aufrollen. So deutlich wie hier kann wohl selten die Eigenart des germanischen Künstlers nachgewiesen werden! Dem Evangeliar von Lindisfarne ist nur eine unbedeutende Nachfolge beschieden. Zu mächtig kommt nach diesem Aufleben altgermanischer Kunstauffassung der lateinische Geist wieder hoch. Er herrscht im Norden in Y o r k , wo eine „nobilissima bibliotheca" von Bischof Ecgbert (f766) gegründet worden ist, demselben, den Bonifatius um Zusendung von Bedas „Kommentaren" bittet 1 . Sein Nachfolger Aelbert (767—778) holt aus Rom neue Bücher und macht A l k u i n , der erst Zögling der Yorker Schule gewesen, zu seinem Bibliothekar. Alkuin äußert sich in begeisterten Versen über den ihm anvertrauten Bücherschatz: „Dorten werdet ihr finden die Spuren der alten Väter, Alles, was an Latein der Römer im Erdkreis besessen, Was das ruhmreiche Hellas dem römischen Volke vermachte, Und das Volk der Hebräer trank aus göttlicher Quelle, Alles, was Afrika auch an strahlendem Lichte hergab" 2 . Er zählt nun Schriftsteller mit Namen auf, eine lange, lange Liste gelehrter Bücher. Der erste Bibliothekskatalog! Wie gut die Yorker Bibliothek war, geht daraus hervor, daß Alkuin später, als er im Frankenland weilt, seinen Kaiser bittet, er möchte einige Kopisten nach York schicken, „daß nicht in York allein der Paradiesesgarten (hortus conclusus) sei, sondern in Tours Setzlinge des Paradieses mit 1
Tangl a. a. O. I. S. 207.
2
Alcuin, de pont. et sanct. Ebor. eccl. 1535.
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den Früchten der Obstbäume (emissiones paradisi cum pomorum fructibus 1 ). Ein Beweis auch der engen Verbindung angelsächsischer mit kontinentaler Buchkunst! Während York im Norden blüht, selbst ohne daß dort entstandene Codices auf uns gekommen sind, ersteht in C a n t e r b u r y und in S ü d e n g l a n d eine vielfach bezeugte Handschriftengruppe unter starkem Einfluß von Italien und Byzanz. Die Figuren streben Dreidimensionalität und Wirklichkeitsnähe an (Codex Aureus, Stockholm). Auch diese Codices sind noch voll Eigenart und geben ihre angelsächsische Herkunft zu erkennen. Das wird besonders deutlich im Wiener Cuthbert-Evangeliar (Tafel 18). Hier haben wir neben einer Rankenborte südlichen Ursprungs auch Flechtwerk als Rand, aber beides zurücktretend vor der gewaltigen Gestalt des Apostels, die klassisch ist in Gesichtszügen und Haltung, aber germanisch in ihrer fast erschreckenden Vergeistigung. Das sind dieselben übergroßen Augen, dieselbe bohrende Eindringlichkeit, die wir am Christus von Genoels-Elderen (Tafel 3—5) beobachten konnten. Z u s a m m e n f a s s u n g . Die Buchkunst, obwohl fremden Ursprungs, erweist sich dennoch als heimisch in England geworden, sowohl was Schriftbild wie Illuminierung betrifft. Die „Insulare", eine ursprünglich irische Schrift, hat sich in England weiterentwickelt und römische Unziale und Halbunziale verdrängt. Die Entwicklung der Illuminierung steht unter Mehrgesetzlichkeit. Ein riesiger und dauernder Zustrom von fremdem Gut fließt nach England, so daß es verwunderlich ist, daß sich die Angelsachsen doch zeitweise dem schier erdrückenden Einfluß entziehen können. Es gelingt dadurch, daß ein ebenso starker keltischer und kelto-irischer Einfluß ausgeübt wird. Rein irische Art aber hat sich in England nur in den keltischen Gegenden halten können. Drei Gruppen von angelsächsischen Handschriften sind danach zu unterscheiden : G r u p p e I : (meist 7. Jahrhundert) umfaßt bedingungslose Kopien römischer Vorlagen, so daß man manchmal im Zweifel sein kann, ob Codices der Art in England oder Italien entstanden sind (C C C C Nr. 286 und Codex Amiatinus). G r u p p e I I : Künstlerisch freie Umformung ist hier das Wesentliche. Keltischer (kelto-irischer) Einfluß mischt sich mit italienisch-byzantinischem, und es entsteht etwas Einmaliges, Erstklassiges durch die Verbindung beider, aber umgeformt durch das ungestüme Vorwärtsdrängen germanischen Kunstwollens (Schule von Lindisfarne um 700). G r u p p e I I I : zeigt erneute Unterwerfung unter fremde Formen, aber mit Bewahrung nationaler Eigenart. (Mitte und Ende des 8. Jahrhunderts.) Beispiel: Cuthbert-Evangeliar. 1
Jaffe, Alcuini Epistolae Nr. 78. M. G. Epist. IV.
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IV. KUNSTGEWERBE ANGELSÄCHSISCHE METALLKUNST Der Goldschmied und seine Arbeitsweisen. Wir kommen nun zu einem Gebiet, das im Mittelpunkt aller germanischen Kunst steht, und auf dem auch die Angelsachsen Großes geleistet haben: die Schmiedekunst. Die S t e l l u n g des G o l d s c h m i e d s ist dabei von grundlegender Bedeutung. Denn wenn der Schmied (neben dem Dichter) als der Künstler schlechthin gilt, so bedeuteten damals die von ihm gefertigten Arbeiten hohe K u n s t ; sie dürfen sich im Range messen mit Schöpfungen der Dichtung und Musik, sicherlich mit denen der Architektur und Plastik. Die angelsächsischen Schriftquellen des 7./8. Jahrhunderts geben reichen Aufschluß über Schmiedekunst, wenn sie auch nicht so reichhaltig sind an Tatsachenberichten wie die gleichzeitigen fränkischen, in deren Mittelpunkt Leben und Wirken des hl. Eligius steht. Wie bei allen germanischen Stämmen, so hatte auch bei den Angelsachsen der Schmied einhohes W e r g e i d . So heißt es in den Gesetzen des Aeöberht1 (Anfang 7. Jahrhundert): „Wenn jemand des Königs beamteten Metallarbeiter" („ambiht smiö" = Dienstmann-Schmied) erschlägt, entgelte er ihn mit mittlerem Wergeid." Mittleres Wergeid wurde für die Gemeinfreien bezahlt. Also auch dann, wenn ein Schmied unfrei geboren war, so wurde der Totschlag berechnet, als ob er an einem freien Mann verübt worden sei. Nicht ersichtlich ist aus diesem Gesetz, ob es sich um einen Goldschmied oder einen Waffenschmied handelt. Denn daß es einen Goldschmied (faber aurifex) neben einem Waffenschmied (faber ferrarius) gab, ist erwiesen durch das Gedicht „Des Menschen Gaben" (By monna craeftum), wo die den Menschen verliehenen Fertigkeiten nacheinander aufgeführt werden. S u m is s e a r o c r a e f t i g g o l d e s ond g i m m a , Jaonne him gumena weard hateö bim to maerjaum ma]3]3um renian. S u m maeg waepenjpraece wige to nytte Modcraeftig smiö monige gefremman, Jjonne he gewyrceö to wera hilde heim oööe hupseax oööe heajpubyman scirne mece oööe scyldes rond faeste gefegan wiö flyge gares 2 . Einer ist kunstreich In Gold und Gemmen, wenn ihm sein Gefolgsherr Heißt zu seiner Ehre ein Kleinod herstellen. 1
Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, S. 6.
2
„By monna craeftum", 58.
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E i n a n d r e r k a n n Waffen dem K a m p f zu n u t z e als geschickter Schmied m a n c h e v e r f e r t i g e n . D a n n a r b e i t e t er z u m K a m p f e der Menschen H e l m oder H ü f t m e s s e r oder hiebfeste B r ü n n e , oder glänzendes Schwert. Des Schildes R a n d m a c h t er s t a r k u n d fest gegen Speeres W u r f . Die hier beginnende Spezialisierung scheint in s p ä t e r e r Zeit viel weiter fortgeschritten zu sein. I m 10. J a h r h u n d e r t w e r d e n alle an einem H o f lebenden H a n d w e r k e r a u f g e z ä h l t : „ I c h h a b e Eisenschmiede, Goldschmiede, Silberschmiede u n d K u p f e r s c h m i e d e . . . 1 " . F ü r u n s e r e Epoche b r a u c h e n wir aber bloß Goldschmied, Waffenschmied u n d d a n e b e n wohl auch einen Münzschmied ansetzen. E i n anderes Gedicht, „ D e s Menschen Geschicke" (By m o n n a w y r d u m ) , beleuchtet Ansehen u n d Stellung des Goldschmieds. Sumum w u n d o r g i e f e jaurh goldsmi^e gearwad weorjaeö f u l oft t h e g e h y r d e ö ond gehyrsteö wel B r y t e n c y n i n g e s b e o r n , ond he him b r a d lond t o l e a n e ; h e hit on lust Jjigeö 2 .
syleö
Wunderbegabung W i r d zur Goldschmiedekunst gegeben einem a n d e r n . Gar oft s c h m ü c k t u n d h ä r t e t ein Geschmeide er, des B r i t e n k ö n i g s M a n n , u n d b r e i t e s L a n d gibt der ihm z u m L o h n ; mit L u s t e m p f ä n g t er es. Der Goldschmied lebt also a m Hofe u n d s t e h t im Dienste des adligen H e r r n ; doch ist hier nicht „ B r y t e n c y n i n g e s b e o r n " als Leibeigener anzus e h e n ; „ b e o r n " h a t (nach Grein) vielmehr folgende B e d e u t u n g : „ v i r f o r t i s et nobilis, miles, h o m o " . D a ß er das z u m Lehen verliehene L a n d „ m i t L u s t " e m p f ä n g t , ist sehr v e r s t ä n d l i c h , denn d a d u r c h wird er „ T h e g n " u n d gehört z u m Gefolgsadel. Der Schmied spielt in angelsächsischer Sage u n d D i c h t u n g eine große Rolle. Die Sage von W i e l a n d d e m S c h m i e d , der ein u r a l t e r K u l t u r m y t h u s z u g r u n d e liegt, w u r d e v o m K o n t i n e n t mit n a c h E n g l a n d g e n o m m e n u n d f a n d dort m a n n i g f a c h e Ä u ß e r u n g e n , z. B. sind auf der Vorderseite des R u n e n k ä s t c h e n s v o n A u z u n (Tafel 1) Szenen aus der Wielandsage n e b e n der A n b e t u n g der Könige dargestellt. Die ganze angelsächsische E p o c h e h i n d u r c h bleibt diese Sage lebendiger Volksbesitz, u n d K ö n i g Alfred weiß seinen L a n d s l e u t e n nicht besser die Vergänglichkeit des R u h m e s k l a r z u 1
W. W. I, 99.
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2
By monna wyrdum, 72.
stellen, als daß er in seiner Übersetzung der Metra des Boethius die bezeichnenden Verse aus Eigenem hinzufügt: „Hwaer sint nu Jpaes wisan Welandes ban, Jpaes goldsmiöes jje waes geo maerost ? foröy ic cwaeö Jpaes wisan Welandes ban foröy aengum ne maeg eoröbuendra se craeft losian ¡le him Christ onlaenö. . . Hwa wat nu Jpaes wisan Welandes ban on hwelcum he hlaewa hrusan beccen ?" 1 Wo sind nun des weisen Wielands Gebeine, des Goldschmieds, der vor Jahren so berühmt war ? Ich nenne darum des weisen Wielands Gebeine, Weil keinem einzigen der Erdbewohner Kann die Begabung schwinden, die ihm Christ verleiht. . . .Wer weiß aber von des weisen Wielands Gebeine, In welchem Grabhügel sie die Erde deckt ? Genau so wie Alfred den zauberkundigen Schmied als eine Persönlichkeit auffaßt, die wirklich gelebt hat, so gilt in poetischer Sprache jedesmal das wertvollste, schönste Schmiedewerk als von Wielands Hand stammend, als „Welandes geweorc" 2 . Die angelsächsische Goldschmiedekunst hat, wie die germanische Metallkunst überhaupt, d u r c h a u s b o d e n s t ä n d i g e n C h a r a k t e r . Wohl sind ab und zu Einflüsse fremden Stilgefühls zu beobachten, diese können aber die heimische Eigenart nicht untergraben; sie dienen nur zur Bereicherung. Die verschiedenen T e c h n i k e n , in denen der angelsächsische Goldschmied bewandert war, spiegeln sich in der Literatur wider. Das reine Gold3 („scir gold" oder „smaete gold") hält der Schmied in der Hand entweder in Kugelform („aepplede gold") oder in flachen Platten als „breites Gold" („brad gold"). Das Gold in Kugelform, — oder wie es ausgedrückt wird — das „geäpfeite Gold" — wird er zum G u ß benutzen, eine Technik, auf die sich der angelsächsische Schmied sehr wohl verstand, wie die verschiedenartigsten Funde sowohl an gegossenen Metallgegenständen als auch an Terrakotta-Guß formen beweisen. Seine Geschicklichkeit, ganz dünne Wandungen zu gießen, ohne daß ein Ornament flau herauskäme, ist sogar so groß, daß man nur mit Mühe manche gegossenen angelsächsischen Bronzeschalen von getriebenen unterscheiden kann. — Das „breite Gold" aber walzt er weiter aus zu „ G o l d b l e c h " (faet-gold), teilt dies dann in flache Bänder, versieht sie mit zierlich gravierten oder gepunzten Ornamenten und besetzt damit die Mundöffnungen der hölzernen Becher und der 1 3
2 „Beowulf" 455. „Metra" X, 33. Es gilt dasselbe auch für andere edle Metalle.
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Hörner, die Spitzen der Schwertscheiden und die herabhängenden Enden des Ledergürtels. Manchmal walzt er das Goldblech noch breiter und dünner aus; es dient zum Bekleiden von Holzkernen oft größten Umfanges wie Säulen, Türen, Möbel, vielleicht von Dachschindeln; j a sogar eine ganze Kapelle wurde in Glastonbury mittels 2640 Pfund Edelmetall verkleidet 1 (um 725). Seltener benutzt der angelsächsische Schmied das faet-gold zu T r e i b a r b e i t e n , und wenn er dazu greift, so hämmert er lieber das Gold über einer Form zurecht, als es in freihändiger Arbeit herauszutreiben. Im allgemeinen kann man sagen, daß er durch seinen geschickten Guß dieselben Wirkungen erzielt wie durch Treibarbeit (Tafel 21). Sehr oft wird aber das faet-gold zu ganz dünnen Fäden ausgezogen und zu der sehr beliebten F i l i g r a n a r b e i t benutzt: „ W i r " (neuenglisch wire), so lautet der Ausdruck für „Metalldraht", und die Filigranarbeit selbst wird mit „wir-bogan" bezeichnet; so ist ein Buchdeckel das „wraetlic weorc smijpa wire befongen" („das kunstvolle Werk der Schmiede mit Filigrandraht geschmückt"). Filigranarbeiten werden in mannigfacher Art ausgeführt. Entweder wird der Golddraht in glattrunder Form aufgelegt (Tafel 30, Glieder der Halskette), oder der Draht wird, eine Granulationsarbeit nachahmend, in kleinen regelmäßigen Abständen vertieft (Tafel 28, Verzierung des Schwertgriffs). Manchmal wird auch eine Art Flechte aufgesetzt wie bei einem in Twickenham gefundenen Goldanhänger (Tafel 22). — Wie beliebt ein feines Gespinst von Metallfäden war, geht daraus hervor, daß es dem angelsächsischen Dichter nicht unglaubhaft erscheint, wenn er um des Holofernes' Zelt ein Fliegennetz aus Goldfäden aufleuchten l ä ß t : ,,. . .J)aer waes eallgylden fleohnet faeger ond ymbe Jjaes folctogan bed ahongen, Jjaet se bealufulla mihte wlitan Jaurh. . . ond on hyne naenig" 2 . ,,. . .Es war da allgülden Ein Fliegennetz herrlich um des Volksfürsten Bett da gehangen, daß der Bosheitsvolle Hindurch konnte schauen. . . doch keiner auf ihn. „Eallgylden" wird das Fliegennetz genannt. Ob freilich alle Goldarbeiten, die als „schier Gold" („scir gold") hingestellt werden, echt sind, ist eine offene Frage. Schon die häufige Betonung der Echtheit erweckt Zweifel, zumal da sich der angelsächsische Schmied ausgezeichnet auf S i l b e r v e r g o l d u n g und P l a t t i e r u n g verstand; so sind viele Fibeln aus goldplattierter Bronze. Adami de Domerham, Historia de Rebus Gestis Glastoniensibus, Oxford 1727. S. 55; (Ed. Heame). 2 „Judith", 46.
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E i n Gebiet gibt es aber, auf welchem der germanische Goldschmied seinen G e s c h m a c k u n d seine künstlerische A u s d r u c k s f ä h i g k e i t a m besten zeigen k o n n t e , nämlich das E i n h ä m m e r n von Steinen u n d b u n t e m Glas in Goldzellen. E s m a g u n s besonders b e a c h t e n s w e r t erscheinen, wie die angelsächsische L i t e r a t u r diese K u n s t der Z e l l e n v e r g l a s u n g 1 widerspiegelt. W i r lesen in dem Gedicht „ R e d e n der Seele an d e n L e i c h n a m " (ein Gedicht auf d u r c h a u s neuer, christlichcr Grundlage) ,,Ne magon J>e n u heonon a d o n h y r s t a J)a r e a d a n , Ne gold n e seolfor" 2 Nicht k ö n n e n dich e n t r ü c k e n von hier die r o t e n Weder Gold noch Silber.
Zierden
H i e r m i t sind wahrscheinlich r o t e Almandineinlagen gemeint. E i n d e u t i g e r ist ein a n d e r e r Beleg, wo es v o n des P h o e n i x Auge h e i ß t : ,,. . . I s seo eaggebyrd stearc ond hiwe stane gelicast g l a d u m gimme, jjonne in g o l d f a t e smijja orjjoncum biseted weorjpeö" 3 . Sein A u g a p f e l ist s t a r k u n d prächtig, einem Steine gleich, einer glänzenden Gemme, die m i t G o l d e s F a s s u n g ein kunstreicher Schmied bekleidet h a t . I n einem „ g o l d - f a t " ( „ G o l d - F a ß " ) also, in einem goldenen Gefäßlein sitzt der Edelstein — ein bezeichnender A u s d r u c k f ü r die Zellentechnik! Englische Cloison-Arbeiten, w e n n sie a u c h v e r w a n d t sind m i t fränkischen, h a b e n eine eigene F o r m herausgebildet. E s sind dies die sogenannten „ K e n t e r B r o s c h e n " , Arbeiten von höchster Q u a l i t ä t (Tafel 24). Die einzelnen Zellen aus vergoldeter Bronze sind oft zickzackförmig angeordnet (Vgl. dazu T a f e l 30 Mitte) u n d umschließen rote A l m a n d i n e u n d s p a r s a m verteilte grüne u n d b l a u e G l a s p a s t e n ; neuerdings ist auch eine Brosche m i t Lapis Lazuli-Einlage g e f u n d e n worden 4 . Besonders auffallend ist die en cabochon E i n s e t z u n g eines Steines auf eine buckeiförmig vorgetriebene weiße Masse v o n u n b e k a n n t e r A r t (jetzt m e i s t als Meerschaum a u f g e f a ß t ) , die d e n M i t t e l p u n k t der Brosche ziert, m a n c h m a l a u c h an a n d e r e n Stellen a n g e b r a c h t ist. Alle freien Goldstellen sind m i t feingebogtem Filigran belegt. D a s Ganze gibt einen so schönen Z u s a m m e n k l a n g v o n Gold u n d 1
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Es handelt sich um das auf k a l t e m Wege hergestellte Einhämmern von Steinen oder Glas in Goldzellen. „Verroterie cloisonnée." 3 „Reden der Seele", 57. „Phoenix", 301. Vergl. Antiquity 1934, S. 226.
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f a r b i g e m Gestein, d a ß m a n a n d e n v i e l g e b r a u c h t e n Ausdruck „kleinodb u n t " („sincfah") g e m a h n t wird. — E s b e d a r f noch eines Wortes über die V e r a r b e i t u n g „ e n c a b o c h o n " . Diese T e c h n i k ist v o n den R ö m e r n v e r e r b t u n d wahrscheinlich d u r c h B r i t e n d e n Angelsachsen überliefert w o r d e n ; sie ist zu j e n e r E p o c h e ganz heimisch in E n g l a n d gewesen. So h a l t e n m a n c h e S c h m u c k a n h ä n g e r einen einzigen ovalen oder dreieckigen h o c h g e f a ß t e n Stein (Tafel 30). „ S e steapa g i m " 1 („der steile Edelstein") d e u t e t auf diese A r t F a s s u n g hin. Wir sehen, die angelsächsische S c h m i e d e k u n s t steht in v o r t e i l h a f t e m Lichte da. Dieselben Techniken, die die G e r m a n e n auf dem K o n t i n e n t pflegen, sind a u c h auf der Insel b e k a n n t . W e n n auch b e s t i m m t e Arbeitsv e r f a h r e n , wie Niellieren, weniger (und erst s p ä t e r mehr), Tauschieren fast gar nicht a n g e w a n d t wurden 2 , so sind doch andere Zweige der Schmiedek u n s t zu h e r v o r r a g e n d e r Ausbildung gebracht. Künstlerische E i n f ü h l u n g , Zierlichkeit u n d Sauberkeit der Arbeit, eine sichere H a n d , E i g e n a r t der Erfindungsgabe auf der Basis des a l t g e r m a n i s c h e n F o r m g u t e s , das sind die E i g e n s c h a f t e n des angelsächsischen Schmiedes. Mit Recht k o n n t e der D i c h t e r von einer „ W u n d e r b e g a b u n g " s p r e c h e n ! Schmuckgegenstände. Zu den vorzüglichsten A u f g a b e n des Goldschmiedes gehört es, „ m a ö m a s " (Kleinodien, Schmucksachen) herzustellen wie Halsringe, Diademe, Arm- u n d Fingerringe, Fibeln, Broschen u n d Schmucka n h ä n g e r mancherlei A r t . 1. H a l s s c h m u c k . W e n n wir hier von H a l s r i n g e n reden, so meinen wir nicht die einfachen, sehr häufig in G r ä b e r n gefundenen Halsketten aus d u r c h b o h r t e n u n d a n e i n a n d e r g e r e i h t e n Kügelchen aus Stein, Glas, T o n , obgleich K e t t e n von prächtigen F a r b e n z u s a m m e n s t e l l u n g e n gefunden worden sind 3 , sondern drei verschiedene A r t e n Halsschmuck, die in der Literat u r e r w ä h n t werden. E s sind dies: a) der n u r wenig verzierte, schwergoldene oder silberne Ring, der dicht u m den Hals schließt; b) das auf die B r u s t herabreichende Ziergehänge; c) der Halsring m i t A n h ä n g e r n . E i n Halsring der ersten A r t m a g es sein, den der sterbende Beowulf einem Krieger s c h e n k t : „ D y d e h i m of healse h r i n g g y l d e n n e " 4 D e n Halsring streifte der H e l d d a n n ab. Der festanschließende Reif w u r d e a u c h von F r a u e n getragen: „ S c e a l l . . . maegö scyne h a b b a n on healse h r i n g - w e o r ö u n g e " 6 („die schöne J u n g f r a u 1 3 4
2 „Salomo", 284. Vergl. Baldwiu Brown III, S. 175. Vergl. Die Buntbilder in Archaeologia 1906 S. 325. 6 „Beowulf", 2809. „Beowulf", 3017.
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habe am Halse Ringschmuck"). Diesen in der Literatur oft erwähnten Halsring hat man wenig in Gräbern gefunden. Zwei Arten treten uns entgegen: ein einfacher, oft hohlgegossener und in der Mitte stark verdickter Reif von großem Gewicht (ein in Pattingham, Staffordshire, gefundener wiegt mehr als drei Pfund), und halbmondförmige Reifen, von denen zwei, aus angelsächsischer Zeit stammend, in Market Overton (Rutland) gefunden worden sind und ein reicher punziertes Exemplar in Warwick. Weitaus zahlreichere Funde weisen auf S c h m u c k g e h ä n g e hin. Durch das Mosaikbild der oströmischen Kaiserin Theodora (in San Vitale, Ravenna) wissen wir, wie ein kostbares Halsgehänge ausgesehen hat. Daß auch germanische Herrscherinnen ähnliche, die ganze Brust bedeckende Gehänge trugen, ergibt sich daraus, daß noch die Kaiserin Gisela (f 1043) einen zierlichen Hängeschmuck in heimischer Arbeit besessen hat; er befindet sich jetzt im Deutschen Museum, Berlin. An einen solchen Halsschmuck denkt der Dichter der „Elene", wenn er die freudige Erregung der Kaiserin Helena über die Auffindung der Kreuzesnägel beschreiben will: Tearas feollon ofer wira gespon1. Tränen fielen über des Golddrahts Gespann. Wir sahen schon weiter oben, daß „wir" Golddraht und Filigran bedeutet, so daß unter „wira gespon" ein aus feiner Filigranarbeit hergestellter Schmuck zu verstehen ist, der in Bogen quer über die Brust gespannt wird. — Ein Schmuck wie Helenas „wira gespon" ist freilich nicht in Gräbern gefunden worden, aber die Lage von Schmuckperlen ergab, daß sie „in Bogengehängen quer über die Brust getragen worden sind2. Der H a l s r i n g m i t A n h ä n g e r n ist die bekannteste Art Halsschmuck. Er besteht aus einem kräftigen anschließenden Ring oder einer etwas längeren zierlichen Kette mit daran gehängtem Zierat. In dieser Art wird der vielgepriesene „healsbeag maest" 3 („hervorragender Halsschmuck") gewesen sein, von dem im Beowulf-Epos mehrfach die Rede ist. Kein besseres „Hortkleinod" gab es auf dem weiten Erdenrund, siööan Hama aetwaeg to jDaere byrhtan byrig Brosinga-mene, sigle ond sinc-faet. . . 4 seitdem Heime der Brisinge Halsband zur Hochburg, der glänzenden, brachte, Halsschmuck und kunstvollen Schrein. 1
2 4
„Elene", 1133. — Ich sehe „wira gespon" nicht als „Spange, Fibel" an wie Auguste Hansen in ihrem Werkchen über Ags. Schmucksachen. Düsseldorf 1913. 3 „Beowulf", 1195. Guide to Anglosaxon Antiquities. London 1923, S. 88. sigle ist mehrdeutig; hier heißt es Halsschmuck, es entspricht dem altnordischen „sigli", Halsband. Alfred übersetzt Baedas „monilium" mit „gylden sigle". Hist. Eccl. 4, 19.
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Wieder h a b e n wir hier die E r i n n e r u n g an eine v o m K o n t i n e n t m i t zur Insel gebrachte Sage, eine Anspielung auf das H a l s b a n d der Sonnengöttin, Brisingamen g e n a n n t . D a s angelsächsische d e m Brisingamen vergleichbare „herrliche W u n d e r k l e i n o d " („wraetlic w u n d u r - m a ö ö u m " ) wird von Beowulf der Königin H y g d geschenkt, u n d , wie es in echt germanischer Auffassung heißt, es h e b t i h r e n p e r s ö n l i c h e n W e r t , steigert die W i r k u n g ihrer Persönlichkeit: Hire waes a e f t e r beah-]jege b r e o s t g e w e o r ö o d 1 I h r war d u r c h die Baugenverleihung die B r u s t geschmückt (eigentlich „ w e r t v o l l g e m a c h t " ) Später t r ä g t König Hygelac den S c h m u c k auf seiner — historischen •—Friesenfahrt: . . . he Jia f r a e t w e waeg, e o r c l a n - s t a n a s ofer yöa f u l rice J j e o d e n . . . 2 Über's Meer n a h m m i t der mächtige König Die D e m a n t s t e i n e . . . Aus all diesen A n d e u t u n g e n geht hervor, d a ß es sich u m ein H a l s b a n d mit auf die B r u s t h e r a b h ä n g e n d e n Kleinodien (Gold mit Edelsteinen) h a n delt. Beachtenswert ist die Tatsache, d a ß dieser selbe H a l s s c h m u c k zuerst Beowulf geschenkt wird, d a n n t r ä g t ihn die Königin H y g d , u n d s p ä t e r ihr Gemahl. Wir k ö n n e n d a r a u s e n t n e h m e n , d a ß es keinen Unterschied zwischen dem H a l s s c h m u c k der F r a u e n u n d d e m der M ä n n e r gegeben h a t . — Suchen wir n u n n a c h Vorbildern zu diesen Schilderungen des BeowulfD i c h t e r s ! Baldwin Brown berichtet z w a r : „ I n den britischen S a m m l u n g e n sind H a l s b ä n d e r von auffälliger Schönheit u n d großem W e r t zu finden" 3 , aber das Bild, das wir uns von Hygelacs w u n d e r b a r e r H a l s k e t t e m a c h e n , wird durch keinen der F u n d e erfüllt. Freilich, es sind schöne Stücke d a r u n t e r , z. B. das „ D e s b o r o u g h necklace" ( P l a t t e 30) mit aufgereihten, golddrahtumwickelten, konischen Goldgliedern u n d d a r a n g e h ä n g t e n t r o p f e n f ö r m i g e n A n h ä n g e r n aus en cabochon gefaßten Edelsteinen. E s h a t als M i t t e l s t ü c k ein kleines gleicharmiges Goldkreuz, s t a m m t also aus christlicher Zeit (7. J a h r h u n d e r t ) . E i n J a h r h u n d e r t vorher t r u g m a n s t a t t des Kreuzes ein z a u b e r k r ä f t i g e s A m u l e t t als A n h ä n g e r , vielleicht eine in Metall g e f a ß t e Kristallkugel, Bernsteinperlen, K u h - u n d E b e r z ä h n e , auch zylindrische Büchschen. D a ß n a c h dem Glauben der G e r m a n e n d e m H a l s s c h m u c k eine magische K r a f t innewohnt, geht a u s folgenden W o r t e n des „ H e l i a n d " (9. J a h r h u n d e r t ) 1
„Beowulf", 2175.
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2
„Beowulf", 1207.
3
Baldwin Brown IV, 424.
hervor, — und zwar handelt es sich um einen bekannten Vers der Bergpredigt, aufs schönste Heidnisch-Germanisches mit Christlichem mischend — Vor die Säue sollt ihr nicht Eure Perlen werfen oder schimmernden Schatz, h e i l i g e n H a l s s c h m u c k 1 . — Denn sie treten's in den Kot, Wälzen es im Schmutz, wissen nicht, was schön ist, Kennen keine Kleinode. Außer den Amulett-Anhängern findet man Z i e r a n h ä n g e r a u s Gold in verschiedensten Formen, meist lose in den Gräbern verstreut, weil das sie zusammenhaltende Kettchen zerfallen ist. Diese Anhänger sind in der Literatur mit „sigel" oder „sigl" wiedergegeben, das „Sonne" (auch zugleich den Namen der Rune S) und „sonnenförmiger Schmuck" bedeutet 8 , ferner mit „mene-scilling" (Halsband-Schilling"). In den Glossen steht letzteres als ,,menescillingas = lunules" 3 , was einen interessanten Bedeutungswandel bezeugt: der mondförmige Schmuck früherer Zeiten, der freilich, wie wir sahen, nicht ohne Spuren in angelsächsiccher Zeit geblieben ist, ist abgelöst worden durch sonnenförmigen (runden) Schmuck, doch die alte lateinische Bezeichnung ist geblieben! Fragen wir uns nun, was den ,,siglu" und den „mene-scillingas" in Wirklichkeit entspricht, so müssen wir vier Sorten von runden Schmuckanhängern berücksichtigen, nämlich Brakteaten, Münzen, Goldscheiben, Filigranscheiben. Die Zeit für B r a k t e a t e n ist für England nur bis 650 anzusetzen. Es sind dünne Hohlmünzen aus Gold. Ihre Prägung, auf ursprünglich klassischem Vorbild beruhend, wird aber mit der Zeit vom angelsächsischen Goldschmied (ähnlich wie die sceattas) stark phantastisch umgestaltet, so daß etwa ein römischer Imperator sich in eine Figur der nordischen Mythologie verwandelt: Odin auf dem Pferd sitzend und von Raben umflogen. Wie das Halsband von Sarre (Tafel 24) zeigt, werden in derselben Art auch Münzen mit einer Öse versehen und zwischen Perlen aufgereiht. Oder man setzt eine Münze in einen zierlichen Rand von Cloisonarbeit (Tafel 30 oben). Oft werden auch durchbrochen gearbeitete Gold- u n d S i l b e r s c h e i b e n als Anhänger verwandt (Tafel 22). Die stehen gebliebene Figur zeigt manchmal das Hakenkreuz oder die Triskele. Filigran und Zellenverglasung zieren die wunderschönen „Kenter Schmuckstücke". Manche sind als Broschen verarbeitet, andere als Anhänger. 1 2
3
Auf altsächsisch „helag halsmeni". Heliand 1720. sigi bedeutet zuerst uur Halsbandanhänger, wird aber dann auch auf das Halsband selbst übertragen; heißt auch „scheibenförmige Fibel". Wright-Wülcker 30, 40. 11*
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Das Tragen von Halsringen und Ziergehängen beruht a u f g e r m a n i s c h e r Sitte. Sie steigern den Persönlichkeitswert, sie verleihen magische Kräfte. — Es nimmt uns daher nicht Wunder, wenn fromme Christen das Tragen von Halsschmuck ablehnten. Nichts zeigt uns deutlicher die große Wandlung in der Auffassung als eine Episode, die Beda berichtet 1 . Die fromme Äbtissin Aeöeldryö von Ely leidet an einem Tumor am Halse und erduldet große Schmerzen. Doch freut sie sich ihrer und erklärt: „Ich weiß genau, daß ich verdientermaßen den Schwerpunkt meiner Krankheit am Halse trage, auf welchem ich, wie ich mich gut entsinne, in meiner Jugend die L a s t e n u n n ü t z e r H a l s b ä n d e r (supervacua moniliorum pondera) 2 zu tragen pflegte; und ich glaube, daß die Güte Gottes mir gerade den Hals mit Schmerzen beladen wollte, daß ich so der Anklage unnützer Leichtfertigkeit (supervacuae levitatis) enthoben werde, da ich doch nun an Stelle von Gold und Schmucksteinen (pro auro et margaritis) eine rote Geschwulst und brennende Schmerzen am Halse trage." — Zwei Welten offenbaren sich uns in zwei Ausdrücken; hier die „Lasten unnützer Halsbänder" der frommen Nonne, dort der „heilige Halsschmuck" („helag halsmeni") des Helianddichters! 2. K r o n e n u n d S t i r n r e i f e n . Angelsächsische Diademe und Stirnreifen kennen wir nur durch Schriftquellen. ]m cwom Wealhjjeo forö gan under gyldnum beage 3 Da kam Wealhtheow daher, sie ging unter goldenem Reif, so heißt es von der Königin. Es mag ein goldener, mit Edelsteinen gezierter Reif von kunstvollem Schmiedewerk gewesen sein, ein „bend agimmed and gesmiöed = diadema", wie ein Glossar mitteilt. So ziemte es sich für hochstehende Personen. — Doch war das Tragen eines einfachen Stirnbandes, das die Haare zurückhalten sollte, bei Männern und Frauen allgemein üblich. Es waren schmale Reifen aus Gold, Silber oder Bronze, oft auch eine Seidenborte, die mit Golddraht durchwirkt und mit Schmucksteinen besetzt war. Reste des Golddrahts sind noch gefunden worden. Die Glossare geben uns eine Menge Ausdrücke für Kopfbinden und Stirnreifen, doch ist in der Literatur nichts in zusammenhängender Rede darüber vermerkt, es sei denn in einer Beschreibung von Beowulfs Helm, der als „befongen frea-wrasnum" 4 („umgeben von der Fürstenbinde") hingestellt wird. Bei der Bezeichnung „frea-wrasn" steigt die Erinnerung an die Hauptbinde der germanischen Könige und Edlen auf, die zuerst nur aus einem schmalen 1 2 3
Hist Eccl. IV, 17. Alfred übersetzt: „Jja idlan byrj)enne gyldenra sigla." 1 „Beowulf", 1451. „Beowulf", 1162.
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42. A r m r i n g , O h r r i n g e u n d
Fingerring
Band besteht, dann aus einem dem griechischen Diadem nachgebildeten goldenen Reifen, der prächtig mit Granaten besetzt wird. Als später das Tragen eines Hehns aufkommt, wird die „Fürstenbinde" um den Helm geschlungen, zur Kennzeichnung des Führers. Die Sitte, einen Kopfreif zu tragen, muß so ausgeprägt germanisch, speziell angelsächsisch, gewesen sein, daß der Dichter einen H e i l i g e n s c h e i n nicht anders als eine K r o n e hinstellen kann: jpaer se beorhta beag b r o g d e n wundrum e o r c n a n s t a n u m eadigra gehwam hlifaö ofer heafde. Heafelan lixaö J)rymme bi]peahte. öeodnes c y n e g o l d 1 soöfaestra gehwone sellic glengeö... 2 . . .wo der f u n k e l n d e R e i f , g e f l o c h t e n wunderbar mit E d e l s t e i n e n , allen Seligen hoch und herrlich überm Haupte leuchtet, mit Glanz umgeben. Gottes Edelgold ziert einzig da alle die Gerechten. Die Glossare geben den Begriff „Heiligenschein" sehr anschaulich wieder mit „bend mid golde gesiwud= nimbus" 3 , also als ein „mit Gold umsäumtes Kopfband". 3. F i n g e r r i n g u n d A r m r e i f . Judith kommt ins Zelt des Holofernes ',beagum gehlaeste, hringum gehrodene" („unter der Last der Baugen, mit Ringen geschmückt"), wobei „beag" einen Armreif und „hring" einen Fingerring bezeichnet4. Soll es hier Judiths Persönlichkeit nach germani1
8 4
„cyne" ist uijklar. Es befindet sich in richtiger Bedeutung („Fessel") im ahd. cuoniowidi und ist im Ags. volksetymologisch umgedeutet in cynegold = Königsgold. 3 W. W. 152, 27. Phönix, 603. „beag" ist auch auf Kopf- und Halsreif ausgedehnt, „hring" bezeichnet nur den Fingerring. ,,ear-hring" (Ohrring) wird in späteren Schriftquellen bezeugt.
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scher Sitte heben, so haben wir ein Gegenbeispiel in einem Ausspruch Aldhelms, klagend über die Eitelkeit der Frauen: „ J e n e dort. . . begehrt leichtsinnig danach, sich die Arme mit Reifen zu schmücken oder die Finger mit edelsteinbesetzten Ringen (gemmiferis annulis)" 1 . F i n g e r r i n g e hat man — aber nicht allzu viele — in Gräbern gefunden: schmale Ringe mit verknoteten Enden, Reiflein aus Silber- oder Golddraht mit aufgereihten Schmuckperlen, auch manchmal kleine Spiralringe (Abb. 42). Niemals scheint der angelsächsische aurifex jener Zeit eine besondere Vorliebe zur Herstellung von Fingerringen gehabt zu haben wie sein Berufsgenosse auf dem Kontinent, erst später kommt eine hübsche Art mit Filigran und Nielloeinlage auf. A r m r i n g e sind verhältnismäßig wenig und nur in einfachster Form gefunden worden. Es nimmt uns Wunder, da doch der Armring der in der alten Literatur am meisten bezeugte Schmuck ist. K a u m ein angelsächsisches Epos, das ihn nicht erwähnt, und sogar die althochdeutsche Poesie, die nicht reich an Hinweisen auf Kunstgegenstände und Zierat ist, läßt im Hildebrandslied „wuntane bauga cheiseringu gitan" 2 sichtbar werden. Doch haben wir es in vielen Zitaten nicht mit dem Ring als Schmuckstück zu tun, sondern mit dem Ring als BeZahlungsmittel, kann er doch auch dann entzwei gebrochen und stückweis verteilt werden (siehe S. 173). Die Bedeutung des Schmuckringes ist für Männer und Frauen nicht dieselbe. Für den Mann ist er anspornende Gabe, Auszeichnung und Belohnung, für die Frau ein Zierstück, das sie „im Werte h e b t " ; für beide aber liegt im Tragen des Armreifs eine letzte Erinnerung an seine ehemals kultisch-symbolhafte Bedeutung 3 . — Es mag sich nun allgemach so ergeben haben, daß der Mann wohl den ehrenden Armring in Empfang nimmt, aber wenig trägt, die Frau aber, da er zur Vollendung ihrer Persönlichkeit gehört, ihn anlegt. So ist auch in der Literatur der Armreif mehr in bezug auf die Frau erwähnt. Häufig finden wir die formelhafte Wendung: „bryd beaga hroden" 4 („die Frau geschmückt mit Ringen"). In der „Anrede der Seele an den Leichnam" 5 heißt es: Ne magon |>e nu heonon adon hyrsta J)a readan, . . .ne {jinre b r y d e b e a g Nicht können dich entrücken von hier die roten Zierden, . . .nicht deiner G a t t i n R i n g . 1 2 3
1
„De laudibus virginitatis", cap. 17. Ed. Ehwald. M. G. Auct. ant. XV. ..gewundene Ringe aus Kaisergold". Über die kult. Bedeut. des Armrings s. Verhandl. der Berliner Gesellsch. für A. E. u. U. 1890, S. 294. 6 Leichnam, 57. „Christ", 292.
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D e m g e m ä ß sind Armringe a u c h h a u p t s ä c h l i c h in F r a u e n g r ä b e r n g e f u n d e n worden, in Kriegergräbern n u r in seltenen A u s n a h m e n wie bei Gilton T o w n und Faversham. M a n c h m a l erfahren wir aus den Schriftstellen etwas Genaueres ü b e r das Aussehen der Armreifen. Man schenkt d e m Beowulf „ w u n d e n g o l d . . . earmh r e a d e t w a " („gewundenes Gold, n ä m l i c h zwei A r m r i n g e " ) . E s wird sich hierbei u m jene b e k a n n t e n Reifen h a n d e l n , die in Spiralen m e h r f a c h den A r m umschlingen. E i n hübsches Muster dieser A r t bildet ein Armreif aus g e h ä m m e r t e m Silber m i t P u n k t o r n a m e n t , der einem G r a b in W a r r e n Hill (Suffolk) e n t n o m m e n w u r d e . Zwei Stellen im Beowulfepos, die auf verschiedene Weise ausgelegt w e r d e n , heißt es n u n m e h r k l ä r e n : I n der Drachenhöhle befinden sich „ e a r m b e a g a fela, searwum g e s a e l e d " 1 . Die Beowulfausgabe von Heyne-Schücking gibt im Glossar folgende E r l ä u t e r u n g : „Viele künstlich (aus Metalldraht, vergl. Leitfaden f ü r nordische A l t e r t u m s k u n d e , S. 48) geflochtene A r m r i n g e " . —• Die zweite Stelle befindet sich ebenfalls im Beowulfepos. E s ist die Rede von „ h u n d {rnsenda landes ( h u n d e r t t a u s e n d an Land) ond 1 o c e n r a b e a g a " 2 . Heyne-Schückings Glossar gibt wieder a n „ a u s G o l d d r a h t geflochtene R i n g e " . — Der Auffassung, d a ß es sich u m Reifen handelt, die aus mehreren Metallfäden zusammengeflochten sind, m ö c h t e ich nicht beistimmen, da diese nordisch beeinflußten Ringe erst zur Wikingerzeit in E n g l a n d zu finden sind (9./10. J a h r h u n d e r t ) . Die W o r t e „gesaeled" (wörtlich: „geseilt") u n d „ l o c e n " v o n l u c a n („schließen"; neuenglisch: t o lock) d e u t e n v i e l m e h r d a r a u f hin, d a ß die Ringe „ k ü n s t l i c h i n e i n a n d e r g e h a k t " oder „geschickt angeseilt" 3 sind, d a m i t m a n sie besser a u f b e w a h r e n , zählen u n d fortschaffen k a n n ; bezeichnenderweise h a n d e l t es sich in beiden Z i t a t e n u m v i e l e Ringe, u m einen R i n g s c h a t z . Z u m Beweis sei ein Vers der nordischen Vglundarkwiöa (Wielandslied) a n g e f ü h r t : H a n n slo gull r a u t viö gim f a s t a n , l u k | ) i h a n n alla lind b a u g a vel. E r bog rotes Gold u m b u n t e s Gestein, E r reihte a m B a s t die Reife u n d Baugen 4 . Es s t e h t hier das V e r b : l u k a = schließen, z u s a m m e n f ü g e n , das d e m angelsächsischen l u c a n 6 entspricht. — Freilich, w ä r e nicht das „ h u n d Jpusenda locenra b e a g a " d u r c h die nordische E n t s p r e c h u n g so klar bewiesen als „ h u n d e r t t a u s e n d aneinandergereihte R i n g e " , so k ö n n t e h i e r f ü r (wie auch 1 3 4 6
2 „Beowulf", 2763. „Beowulf", 2994. Die Greinsche Übersetzung lautet richtig: „sinnvoll gebunden". Übersetzung v o n Hans Naumann, Frühgermanentum, a. a. 0 . , S. 29. Die „locen leoöosyrce" ist eine aus ineinandergefügten Ringen bestehende Brünne. Hier ist locen in dem gleichen Sinne gebraucht.
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vielleicht für das „gesaeled" des ersten Beispiels) eine andere Auslegung in Frage kommen, nämlich beides als „geschlossene R i n g e " anzusehen. Für glatte Armreifen mit V e r s c h l u ß bestand nämlich in England eine gewisse Vorliebe an Stelle des zur Merowingerzeit in allen anderen germanischen Ländern allgemein üblichen o f f e n e n Armrings m i t verdickten Enden. Letztere h a t m a n in England nur einmal in einem Grabfund des 6. J a h r hunderts angetroffen, verschlossene Ringe dagegen sehr viele im l./S. J a h r hundert. (Abb. 42). Also wäre ein „kunstvoll geschlossener R i n g " wohl möglich, falls die Deutung „angeseilte, aufgereihte R i n g e " hier nicht gemeint sein sollte. 4. F i b e l n . Fibeln finden in der angelsächsischen Dichtung so gut wie gar keine Beachtung, was um so erstaunlicher erscheint, da diese Schmuckgegenstände, die in den Grabfunden aller germanischen S t ä m m e (so auch der Angelsachsen) den größten R a u m einnehmen, gerade in Alt-England in ganz besonders schönen und eigenartigen Formen hergestellt worden sind. Der Grund mag wohl darin liegen, daß Fibeln zu dieser Zeit reine Gebrauchsgegenstände waren, ohne daß ihrem Tragen eine „werterhöhende" oder „ k u l t i s c h e " K r a f t innewohnte 1 . Die frühesten Fibeln sind einfach, meist aus Bronze gebildet. Erst später werden die Fibeln vergoldet, reicher ausgearbeitet und zuweilen auch mit Steinen geschmückt. Die angelsächsischen Fibeln des 6. ¡1. J a h r h u n d e r t s (um 700 hören die Grabbeilagen im allgemeinen a u f ) sind niemals schablonenhaft hergestellt, sondern zeigen Abarten von feinster Form und künstlerischer Eigenart. Diese reiche Mannigfaltigkeit hat aber doch wenigstens e i n e n Niederschlag im Schrifttum gefunden. Es findet sich in den Glossaren und Urkunden eine große R e i h e v o n A u s d r ü c k e n für dieses so verschiedenartig geformte Schmuckstück, nämlich: spang, fifele, preon, oferfeng, dalc, hringe, sigel, cnaep, bull, hoppe. Es gilt, durch etymologische Untersuchung a u s den verschiedenen Bezeichnungen die einzelnen Fibelsorten herauszufinden. Eine Ordnung in einzelne Gruppen stellt sich bald h e r a u s : Für alle Fibeln, ganz gleich welcher Art, werden die Worte „ s p a n g " und „fifele" (Lehnwort) angewandt. Für L a n g f i b e l n insbesondere, nämlich die kreuzförmige, die strahlenköpfige und die mit rechteckiger Kopfplatte, gelten drei Ausdrücke (Tafel 20 links u. Mitte). 1. „oferfeng" 2 , das „Uberfassende", ein also zwei Teile verbindendes Stück; 1
2
Mit Ausnahme wohl von Fibeln in Swastica-Form; oder Fibeln, auf deren rechteckiger Kopfplatte symbolhafte Zeichen eingraviert sind. Es mag „oferfeng" auch den „gleicharmigen" Fibeltyp bezeichnen, der in England und Hannover (ähnliche Form in Skand.) gefunden wird und der wirklich etwas „Übergreifendes" darstellt. Abb. in Hoops, Artikel „Fibel".
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2. „preon". „Hio becwiö... hyre mantelpreon" 1 (sie vermachte ihre Mantelfibel). Dies zeigt ein besonders großes, kostbares Stück an. Einmal sehen wir diese Fibel kurz beleuchtet: „hyre ealdan gewiredan preon" („ihre alte Spange mit Filigranarbeit") 2 ; 2. „dalc" ist die hineingestochene, schmale, „dolchartige" Fibel. Alle drei Ausdrücke werden als Synonima gebraucht, z. B. „preon vel oferfeng vel dalc = fibula"3. Wir kommen zu den R u n d f i b e i n . 1. „hringe" wird wohl eine einfache, ringförmige Fibel sein, die sich schon früh in angelsächsischen Gräbern findet. In späterer Zeit, als der hier behandelten, wird die Ringfibel unvergleichlich schön abgewandelt unter dem Einfluß irischer Prachtstücke. 2. „sigel". Die Glossare sagen: „sigel oööe hring,fifele = fibula"4. „sigel" ist eine flache Scheibenfibel, wie sie massenhaft vorkommt. Auch beide Worte zusammengezogen finden sich als „hringesigl", was dann eine runde Scheibe bezeichnen kann, die durch Hinwegnahme der Mittelpartie zu einem breiten, flachcn Ring umgewandelt worden ist wie das schöne, frühe Stück von Sarre mit den aufgesetzten Täubchen (Taf. 23). 3. „cnaep". Bedeutet „sigel" eine flache Rundfibel, so ist „cnaep" eine gedrungene Art mit einer hervorragenden Mitte. (Neuenglisch „knap" heißt „Berggipfel", „Knospe", „Höcker"). 4. „bull" hat eine ähnliche Bedeutung. Aus einer Ableitung „bulberende = bullifer, gemmifer" ergibt sich, daß die mit „bull" (wohl auch die mit „cnaep") bezeichnete Fibel mit einem oder mehreren en cabochon gefaßten Steinen besetzt sein muß. Das trifft zu bei den Kenter Rundbroschen (vergl. S. 159 und Tafel 24). 5. „hoppe". Das Wort hopper (hoppet) bezeichnet neuenglisch mundartlich einen kleinen Korb. Als indogermanische Wurzel ist „*qub = wölben, biegen" anzusetzen 6 . Mit „hoppe" möchte ich die merkwürdige „saucer-brooch" bezeichnen, eine eigenartige schalenförmige Fibel, die außer in England nur noch ganz vereinzelt auf dem Kontinent am alten Wohnsitz und dem Wanderweg der Sachsen gefunden worden ist 6 . Manche bestehen aus einem Stück, andere haben ein bossiertes Goldbronzeplättchen auf einem schalenförmigen Zementuntergrund befestigt. Die Schalenfibeln findet man in England hauptsächlich im Gebiet der Sachsen. Besonders charakteristisch für die Westsachsen sind Scroll-Ornamente, wie sie einige auf dem Nordufer des Avon gefundene Fibeln zeigen (Tafel 20 rechts). Diese Fibeln datieren vom Ende des 6. Jahrhunderts. 1 2 6 8
Dipl. Anglicum, 533, 33, von B. Thorpe, London. 3 Wright-Wülcker, 152,37. 4 Ebda. 403, 7. Ebda. 537, 35. Vgl. A. Hansen, Ags. Schmucksachen, Düsseldorf 1913. Vgl. F. Roeder, Die sächs. Schalenfibel d.Völkerwanderungszeit. Gött. Beiträge 1927, S. 15.
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Ü b e r b l i c k . Alle angelsächsischen Fibeln, die Langfibeln wie die Rundund Ringfibeln und ihre zahlreichen Unterarten, bezeugen deutlich die Stellung der h e i m i s c h - a n g e l s ä c h s i s c h e n K u n s t überhaupt. „Sie nehmen eine Z w i s c h e n s t e l l u n g ein zwischen kontinentalen und skandinavischen Typen" 1 . Pferdeschmuck. „Bei Leichenfeiern findet kein Prunk statt. . .jedem werden seine Waffen, einigen auch ihr P f e r d ins Feuer mitgegeben," berichtet Tacitus im 27. Kapitel der „Germania" über germanische Bestattungssitten. Wenn wir in angelsächsischen Gräbern viel weniger Pferdeskelette finden als in kontinentalen, so liegt es nicht daran, daß die Angelsachsen das Pferd weniger hoch schätzten. Aber man gab in späterer Zeit im allgemeinen nicht mehr das Pferd selbst, sondern nur das Aufzäumungsgeschirr als Grabbeigabe mit. Wohl freuten sich die Angelsachsen ihrer Pferde, und in der gesamten Literatur klingt es wider vom Hall des G o l d s c h m u c k s in den Mähnen der edlen Tiere. Fest saß der Reiter im Sattel, . . .{jaer him (eoh) fore milpaöas maet, modig braegde, w i r u m gewlenced . . . 2 . . .wenn das Pferd unter ihm die Meilenpfade maß und mutig rannte, auf den F i l i g r a n s c h m u c k stolz. . . Wir sehen, wie die schönen, schnaubenden Tiere als wertvolles Geschenk in die Königshalle geführt werden: Heht J)a eorla hleo eahta mearas f a e t e d - h l e o r e on flet teon . . . 3 Der Herrscher ließ in die Halle führen Der g o l d b l e c h w a n g i g e n Hengste acht. Diese „goldblechwangigen "Pferde werden einen beschlagenen Stirnreifen gehabt haben, an dem in der Mitte eine Nasenschiene und an beiden Seiten kleine Behänge aus Metallplatten („phalerae") befestigt waren. Angelsächsische Gräber enthalten zwar nicht Pferdeschmuck von solch kostbarer Art, wie man ihn auf dem Kontinent in Childerichs Grab gefunden hat, aber es sind immerhin schöne und gut gearbeitete Stücke zu Tage gekommen, vor allem die hübsche Serie von Faversham (im Britischen Museum). Sie besteht aus runden Platten aus vergoldeter Bronze. Jede hat in der Mitte einen weißen Knopf, auf dem ein Granat prangt; von der Mitte 1 3
Schmittgen in Hoops Reallexikon, Art. „Fibel". „Beowulf", 1035.
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2
„Elene", 1261.
aus geht ein kreuzförmiges Muster zum Rande hin, das sich in den vier Ecken in vorspringenden Spitzen fortsetzt. Der ganze, stark vergoldete Grund ist mit einem verschlungenen Bandornament ausgefüllt, das die Herkunft dieser Stücke, die als Verzierung der Riemenkreuzungen dienten, ins 7. Jahrhundert weist. In der Faversham-Collection befinden sich noch andere eigenartige Stücke von Riemenschmuck, nämlich drei hohle Pyramiden aus Bronze, die auf der Unterseite einen Querriegel tragen, wodurch der Riemen geleitet wurde (Abb. 43). Die Hauptzierde des Pferdes bildete kostbares S a t t e l zeug. Eines der oben angeführten acht „goldblechwan43. gigen" Pferde trägt „einen Sattel bunt durch Kunst, mit Zügelschmuck Kleinodien ausgezeichnet" („sadol searwum fall, since geBrit. Museum, wuröad" 1 ). Dieser Sattel ist des Königs eigener „KampfLondon sessel" (hilde-setl), also ein hochragender Sitz, dessen Bogen auf Vorder- und Rückseite reichen Goldschmuck mit bunter Zellenverglasung aufweisen. Ein sesselartiger Sitz ist auch der „mit Gold und Edelsteinen verzierte Sattel (sella) mit Zügel" gewesen, den König Aeöelberht von Kent dem Kloster St. Peter und Paul in Canterbury schenkte 2 . Mit niedrigeren, aber ebenso kunstreichen Sätteln sind die drei Pferde geschmückt, die Beowulf der Königin Hygd schenkt: f)rio wieg somod swancor ond sadol-beorht. . , 3 drei Zelter dazu, schlank, und mit glänzenden Sätteln. Das Wort „sadol-beorht", wörtlich „sattelschimmernd", weist auf den leuchtenden Schmuck von Gold und Edelsteinen hin. Nicht erwähnt sind wieder die Stücke des Pferdezeuges, die rein praktischem Gebrauch dienen: der S p o r n (nicht „die Sporen", denn bis etwa 700 trug der Reiter nur einen Sporn, und zwar am linken Fuß). Doch haben sich auch verzierte Stücke gefunden; aus Suffolk stammt ein Sporn, der in einem Tierkopf mit Augen aus buntem Glasfluß endet. Erwähnt sind ferner nicht die S t e i g b ü g e l , obgleich auch diese in hübscher Aufmachung gefunden worden sind. Dagegen sind die aufgefundenen P f e r d e g e b i s s e völlig schmucklos. Doch wird gerade von einem Pferdegebiß in dem Epos „Elene" ausführlich berichtet. Es handelt sich hier darum, die von Helena aufgefundenen Nägel des hl. Kreuzes würdig zu verwenden. Man rät ihr: 1
„Beowulf", 1038.
2
Cart. Sax. I, 6.
3
„Beowulf", 2174.
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]DU öas naeglas hat ])am aeöelstan eoröcyninga, burgagendra on his bridels don meare to midlum. . . .]pis biö beorna gehwam wiö aeglaece unoferswiöed waepen aet w i g g e . . . 1 Diese Nägel heiße du dem edelsten der Erdenkönige, der Burgbesitzer, zum Gebisse machen An seines Rosses Zaum . . .wider die Schrecken des Krieges ist das allen Helden eine unüberwundene Waffe in dem Kampf." Und sie läßt nun für Konstantin die Gabe bereiten: . . . aeöelinges heht . . .bridels fraetwan. hire selfre suna sende to lace . . -gyfe unscynde 2 Des Edelings Zaum . . .hieß sie schmücken, sie sandte ihrem Sohn alsdann . . .die untadelige Gabe. Wie groß die Vorliebe der Angelsachsen für köstlich geschmückte Pferde war, geht daraus hervor, daß sogar Beda, der meist jeder künstlerischen Wertung aus dem Wege geht, einmal ein Pferd als „königlich aufgezäumt" bezeichnet. Gerade dies seltene Lobeswort beweist die Wahrheit aller dichterischen Schilderungen mehr als die kärglichen Grabfunde. U b e r b l i c k . Im Aufputz der Pferde durch Stirnschienen und Wangenbleche aus feinem Gold, durch Riemenschmuckstücke mit Zellenverglasung und durch das Auflegen eines goldverzierten Sattels erblicken wir eine tiefverwurzelte angelsächsische Sitte, die auf g e r m a n i s c h e r Grundlage beruht. Ringgeld und Münzgeld. Im 7./8. Jahrhundert bestanden die Zahlungsmittel bei den Angelsachsen meist aus Naturalien. Ring, Vieh, Becher bedeuten Werteinheiten: Cyning sceal mid ceape cwene gebicgan bunum and beagum 3 . Mit Vieh soll der König die Frau sich erwerben, mit Bechern und Ringen. 1
„Elene", 1172.
172
2
„Elene", 1197.
3
Denksprüche 82.
Besonders Ringe in „unzählbarer Menge" (aeghwaes unrim) sind es, die in früher Zeit die Schatzkammern der Könige wie der übrigen Großen des Landes füllen. Ein Adelshort wird deshalb kurz „Ringhort" („beag-hord") genannt. So wird auch der Nibelungenhort (die Nibelungensage muß früh nach England gelangt sein) im Beowulflied als „Ringhort" angeführt. Von Sigmund heißt es: Haefde aglaeca eine gegongen ]saet he b e a h - h o r d e s brucan moste selfes dorne. Sae-bat gehlod. . . Waelses eafera. Wyrm hat gemealt l1 So hatt' es der starke Streiter erreicht, Daß er schalten dürft mit dem S c h a t z der R i n g e Nach freiem Ermessen. Das Fahrzeug belud. . . Wälses Sohn; der Wurm war zerschmolzen! Die Schatzringe waren nicht eigentliche Schmuckringe, sie waren einfacher, schwerer, und bestanden vielleicht aus ähnlich spiralförmig gewundenen Goldstangen, die weder Finger- noch Armringmaß haben, wie sie aus nordischen Mooren gehoben werden. Man hat zwar in England kein solches „Ringgold" gefunden, aber Ausdrücke wie „wunden gold" deuten darauf hin. Auch hören wir, daß die Königin Wealh^eow „oft . . . Ringband den Männern spendete, ehe sie zum Hochsitz ging" („oft. . . beahwriöan secge sealde, aer hie to setle geong" 2 ). Erfolgt ein Angriff auf ein Gehöft, so werden zuerst „die Frau und die Ringe" („bryd ond beagas") in Sicherheit gebracht. — Auch der Stabreim „bürg ond beag" („Burg und Ring") ist häufig zu finden. Des Burgherrn schönste Aufgabe ist es, seinen Ringhort weise der Gefolgschaft als Anerkennung für treue Waffendienste zu spenden. Er ist der „beaga brytta", der „Brecher der Baugen", weil er das spiralförmige Ringgold je nach Verdienst in größere oder kleinere Stücke bricht und verteilt. Seine Mannen nennen ihn ihren „Goldfreund" („goldwine") und bezeichnen die große Halle als „Ringsaal" („ringsele"). Jedesmal, wenn der angelsächsische Dichter einen Königshort beschreibt, so flimmert es uns wie eine märchenhafte Pracht entgegen. Nüchtern und sachlich klingt es aber, wenn daneben auch Münzen erwähnt werden. Das M ü n z w e s e n kommt nur langsam auf; zu fremd dünkte es dem nördlichen Volke. Rom und später die christliche Kirche brachten die Handhabung des Münzverkehrs, und das schon länger mit römischer Bildung durchsetzte Frankenland übermittelte die Kunst der Münzprägung. In der frühen angelsächsischen Literatur fallen uns zwei Münznamen auf, „sceat" und „scilling". Der Sänger WidsijD3 empfängt am Königshof zum 1
„Beowulf" 893.
2
„Beowulf" 2018.
3
„Widsifi" 90.
173
Lohn f ü r seine Lieder einen k o s t b a r e n Ring, also das alte Z a h l u n g s m i t t e l ; an diesem Ring war, wie der im n e u a u f g e k o m m e n e n Münzwesen erfahrene Aufschreiber des Liedes berichtet, 600 Schilling an Goldwert. Beide Wertberechnungen stoßen hier z u s a m m e n , die bevorzugte heimische Bezahlung nach Ringen u n d die neue B e r e c h n u n g n a c h Münzwerten. E i n anderes Beispiel steht in der Genesis 1 . A b r a h a m sagt zu L o t h : I c J}e gehate . . . nis woruldfeoh, )>e ic me agan wille s c e a t ne s c i l l i n g . . . I c h verspreche dir . . . d a ß ich kein W e l t g u t („Weltvieh") will, n i c h t S c e a t noch S c h i l l i n g . D a ß es sich tatsächlich u m M ü n z e n bei den „ s c e a t t a s " h a n d e l t (denn d a s W o r t „ s c e a t " b e d e u t e t eigentlich „ S c h a t z " , u n d vielfach fallen SonderbegrifF u n d Allgemeinbegriff z u s a m m e n ) , ergibt sich aus dem Epos A n d r e a s : den Leuten, die eine Seereise u n t e r n e h m e n wollen, r u f t der Bootsmann zu, d a ß sie nicht eher einsteigen d ü r f e n , bis d a ß sie das Reisegeld entrichtet h a b e n , die „ v o r g e s c h r i e b e n e n M ü n z e n " , was angelsächsisch l a u t e t : „sceattas gescrifene"2. Der s c e a t (Mehrzahl: sceattas) wird zuerst in den Gesetzendes Königs Aeöelberht (601—604) e r w ä h n t , z. B. „W enn ein F u ß abgehauen wird, entgelte er (der Täter) mit 50 Schillingen" u n d „ W e n n der großen Zehe Nagel a b g e h a u e n wird, zahle er 30 Sceattas zur B u ß e " 3 . Die „ s c e a t t a s " waren schon im 6. J a h r h u n d e r t im U m l a u f u n d sind es noch bis 780, laufen aber von etwa 750 neben d e m sie ablösenden „ p e n n y " h e r . Die sceattas sind dickliche, doppelseitig geprägte Münzchen v o n etwa 1 cm Durchmesser, die den fränkischen „ t r i e n t e s " nachgebildet sind. W ä h r e n d aber die „ t r i e n t e s " aus Gold sind, eine A u f s c h r i f t h a b e n u n d meist sehr wenig Abwechslung im Bildmotiv zeigen, bestehen die „ s c e a t t a s " aus Silber, sind selten b e s c h r i f t e t 4 u n d weisen große M a n n i g f a l t i g k e i t u n d F r i s c h e der Darstellung auf. Einige zeigen sogar — u n d das will bei dieser d u r c h R o m ü b e r m i t t e l t e n E i n f ü h r u n g etwas heißen — richtige a n g e l s ä c h s i s c h - g e r m a n i s c h e S c h m u c k m o t i v e . Die meisten freilich gehen auf römische Vorbilder zur ü c k , w a n d e l n diese aber u m n a c h eigenem Gesetz. T h e m e n ausgesprochen s p ä t a n t i k e r H e r k u n f t wie der „weibliche C e n t a u r " , die „Wölfin, die Zwillinge n ä h r e n d " u n d solche allgemeiner N a t u r , wie der „ i m Boot stehende M a n n " (Abb. 44 a) u n d der „ t r a u b e n p i c k e n d e Vogel", werden immer wieder variiert u n d m i t angelsächsischer L i n i e n p h a n t a s t i k durchsetzt. Dabei sind die Münzen fein u n d scharf g e p r ä g t . 1 3 4
2 „Genesis" 2139. „Andreas" 296. Liebermann, Gesetze der Ags., a. a. O., I, Abs. 69 und 72. Eine Umschrift lautet „Aethelred", eine andere „London", ferner „Witmen Monita".
174
3. 44.
b
c
d
A n g e l s ä c h s . S i l b e r m ü n z e n , sog. „ S c e a t t a s " (a M e j u f f r . de M i d d e l b u r g , b, c, d. B r i t i s c h e s M u s e u m ) . V e r g r ö ß e r t
Man,
W i e weit der germanische A n t r i e b v o r s t ö ß t , sei an drei Münzbildern gezeigt (Abb. 44b c d). Auf d e m ersten erscheint ein Wolfskopf, aber sehr eigenwillig gestaltet; wie bei einem D r a c h e n züngelt die lange, k ü h n gebogene Zunge hervor, das Auge glotzt in Wildheit, die v e r l ä n g e r t e n Ohren biegen sich im Schwung bis zur Schnauze, u n d die g e s t r ä u b t e n N a c k e n h a a r e bilden einen einzigartigen Halsschmuck. Die zweite Münze zeigt drei Wolfsköpfe s t a t t des einen, n u n vogelähnlicher abgewandelt, u n d u m einen M i t t e l p u n k t schwingend — das Wolfsmotiv ist zur germanischen Triskele geworden. Die d r i t t e Münze geht einen kleinen Schritt w e i t e r ; vier K ö p f e sind wie Windmühlenflügel angeordnet u n d gleichen beinahe einem H a k e n k r e u z ! W ä h r e n d m a n das sceat-Geld klar herausstellen k a n n , liegen die Dinge bei d e m „ s c i l l i n g " nicht so eindeutig. J a , m a n sieht ihn fast schon als ideale R e c h n u n g s m ü n z e an, der kein M ü n z s t ü c k in Wirklichkeit entsprochen h a t . Dies wird jedoch hinfällig, w e n n nicht schon d u r c h das der „ G e n e s i s " e n t n o m m e n e o b e n e r w ä h n t e Beispiel, so durch einen eigentümlichen F u n d aus d e m 7. J a h r h u n d e r t , der in Crondall (Hants) gemacht w u r d e . Hier f a n d e n sich neben einem zierlich gearbeiteten S c h m u c k s t ü c k 100 Goldmünzen, d a r u n t e r einige ausgestochene, aber noch u n g e p r ä g t e , ein Beweis, d a ß es sich u m den Besitz eines Prägemeisters h a n d e l t . Möglich wäre, einige dieser Münzen als „Schillinge" anzusehen. Ob der Münzmeister zugleich der Verfertiger des Schmuckstücks gewesen, bleibt eine offene F r a g e . Anscheinend v e r s t a n d der G o l d s c h m i e d sehr wohl Münzen zu p r ä g e n , doch w u r d e diese Technik einem S p e z i a l i s t e n überlassen, wenigstens im späterer Zeit. So w e n d e t sich ein schon bei anderer Gelegenheit e r w ä h n t e s Gesetz des Aeöelstan (925—935) an die M ü n z e r ; wenn sie bei einer Fälschung e r t a p p t w ü r d e n , solle ihnen die H a n d abgeschlagen u n d diese „ o b e r h a l b der Münzschmiede b e f e s t i g t " werden 1 . E i n e F a c h t r e n n u n g b e k u n d e t a u c h ein Gesetz, n a c h welchem Goldschmiede n e b e n königlichen Münzern heranzuziehen seien, w e n n „goldenes oder silbernes G e r ä t ang e k a u f t w e r d e n soll" 2 . Wie f r e m d im allgemeinen Münzen angesehen wurden, geht d a r a u s hervor, 1
L i e b e r m a n n , a. a. 0 . , I , S. 159.
2
L i e b e r m a n n , a. a. O., I I , S. 478.
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daß sie das Volk dem Umlauf entzog und als S c h m u c k a n h ä n g e r trug, entweder nur durchstochen oder, hübsch gehenkelt, in einen Rand von heimischer Cloison-Arbeit gefaßt (Tafel 30 oben). Ein Halsband mit einem mittleren Anhänger aus Glasmosaik und vier goldenen Münzanhängern, alle Imitationen von römischen und fränkischen Münzen, fand man in Sarre in Kent (Tafel 24). Es fällt bei diesen Goldmünzen auf, daß sie sich ziemlich genau an die Vorlage halten und gar nicht so phantasievoll abgewandelt wie die gebräuchlicheren sceattas erscheinen, — höchstwahrscheinlich hatte man sich bei den Goldmünzen besondere „Mühe" gegeben! Ein ganz eigenartiges Schmuckstück bildet ein Solidus des Heraklius I., der in ein sehr zierliches griechisches Kreuz von feinster Kenter Arbeit gefaßt worden ist (Tafel 30). Heraklius (Kaiser von Byzanz 610—11) war der Verteidiger des Christentums in den Kämpfen gegen die Perser; er hatte das geraubte Kreuz Christi wieder nach Jerusalem zurückgebracht und sich dadurch volkstümliche Beliebtheit in ganz Europa erworben. Münzen mit seinem Bildnis auf der Vorderseite und dem Kreuz auf der Rückseite wurden gern getragen. (Z. B. wurde in Hessen in einem Frauengrab eine hübsch gefaßte Herakliusmünze gefunden.) Beim Betrachten des Kenter Schmuckstückes fällt zunächst auf, daß nicht der Kopf, sondern das Kreuz als Vorderseite betrachtet worden ist; hierdurch wollte der Besitzer betonen, daß er Christ war. Aber der Juwelier, eines solchen Stückes nicht gewohnt, setzte die Kreuzdarstellung verkehrt herum in die Einfassung, so daß es jetzt zu hängen anstatt auf einer Erhöhung zu stehen scheint. — Von solch einem H e r a k l i u s s c h m u c k s t ü c k mag die Geschichte handeln, die Beda von Earcongote, der Tochter Earconberhts von Kent, erzählt. Dieser, der Äbtissin des Klosters Faremoütiers-en-Brie, erschienen Engel im Traum, die ihr bedeuteten, daß sie ausgeschickt seien, ,,ut a u r e u m i l l u d n o m i s m a , quod eo de C a n t i a venerat, secum adsumerent" („daß sie die goldene Medaille, die von Kent hierhin gebracht sei, mitnehmen sollten") 1 . Alfred übersetzt „goldene mynet", das macht den Sinn völlig klar. Da Earcongote 640 stirbt, also während der Regierungszeit des Heraklius Äbtissin war, obendrein noch in Kent beheimatet gewesen ist, kann mit „aureum illud nomisma" sehr wohl eine Herakliusmünze in einer Fassung von feiner Kenter CloisonArbeit gemeint sein. U b e r b l i c k . Man sieht, daß das Münzgeld im alten England mit Rom und dem Süden zusammenhängt. Es bleibt fremdes Gut, wie sehr auch auf den gebräuchlichen Sceat-Münzen antike Motive in freier germanischer Art abgewandelt werden. Auch daß man Münzen als Schaustück trägt, zeigt an, daß man sie als „ R a r i t ä t " empfindet. Goldmünzen, importierte oder nachgebildete, in eine Fassung von Cloison-Arbeit gesetzt, bringt heimische Werkarbeit und fremdes Gut in schönen Zusammenklang. 1
Hist. Eccl. III, 8.
.176
Gefäße zu häuslichem Gebrauch. Eine riesige Fülle der verschiedensten Arten Kannen, Becher, Eimer, Schalen und ähnlicher Geräte muß es bei den Angelsachsen gegeben haben, denn fast unübersehbar sind die uns überlieferten Bezeichnungen für Gefäße jeder Gebrauchs- und Herstellungsart 1 , reich auch und oft schön gearbeitet die aus Gräbern gehobenen Funde. Für unsere Untersuchung kommt freilich nur eine beschränkte Zahl in Betracht. Vor allem sind es die meist kostbaren Trinkgefäße, die zur Hallensphäre notwendigerweise gehören. Sehr beliebt war die H o r n f o r m als Trinkgerät, mochte es sich nun um ein wirkliches Büffelhorn oder eine um Formnachahmung in Ton oder Glas handeln. Überliefert sind uns die Worte „drinchorn" und winhorn" 2 . Über die künstlerische Gestaltung des Trinkhorns gibt uns ein Rätsel näheren Aufschluß: Ic waes waepenwiga. Nu mec wlonc J)eceö geong hagostealdmon g o l d e a n d s y l f o r e , w o u m w i r b o g u m . hwilum weras cyssaö. hwilum ic to hilde hleoJ)re bonne wilgehlejjan.. . .hwilum ic bordum sceal heard heafodleas behlyjDed licgan. hwilum hongige hyrstum fraetwed wlitig on wage, ]aaer weras drincaö freolic fyrdsceorp. hwilum folcwigan wiege wegaö. . .Frige, hwaet ic hate! 3 Ich war ein streitbarer Kämpfer: nun deckt ein stolzer Held, Ein Jüngling, mich mit Gold u n d S i l b e r , Mit gekrümmtem K r e i s d r a h t . Bald küssen mich die Männer, Bald rufe ich zum Heerkampf mit hallender Stimme Die willigen Genossen. . .bald soll des B o r t e n s c h m u c k s Ich hart und hauptlos dahinliegen. [beraubt, Bald hänge ich wieder in h e r r l i c h e m S c h m u c k e Wonnesam an der Wand, wo Wehrmänner trinken. Als stattlichen Fahrtschmuck tragen Volkeskämpfer Bisweilen mich zu Rosse. . .Forsche, wie ich heiße. Das so geschilderte Trinkhorn besteht nach einer alten, schon von Caesar bezeugten Sitte 4 aus einem wirklichen Tierhorn; mit dem „streitbaren Kämpfer" wird ein Ur oder ein Büffel gemeint sein. Ein junger, aber an1
Vergl. die Zusammenstellung v o n Th. Kross, Die N a m e n d. Gefäße bei d. Angel-Sachsen. Kieler Diss. 1911.
2
Es gab auch ein inc- oder blaechorn zum Aufbewahren von Tinte, ein elehorn für Öl, ein piperhorn für Pfeffer. 4 Rätsel 15. Bellum Gall. VI, 28.
3
12
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gesehener Schmied (hier als „stolzer H e l d " bezeichnet!) verziert es würdig. Wir erfahren, welcher Art die Verzierung ist — aus Gold, Silber u n d Filigranarbeit — u n d wo sie angebracht ist: als „ B o r t e n s c h m u c k " an der Mundöffnung, u n d als K n a u f a m spitzen E n d e . Auch sind die E n d e n des H o r n s durch K e t t e n v e r b u n d e n , d a m i t es „ w o n n e s a m in herrlichem S c h m u c k " an der W a n d a u f g e h ä n g t w e r d e n k a n n . T r i n k h ö r n e r noch aus dem Beginn des 7. J a h r h u n d e r t s sind in guter Anzahl z u m Vorschein gekommen, auch abgefallener silberner u n d vergoldeter „ B o r t e n s c h m u c k " , dessen f r ü h e r e V e r w e n d u n g leicht zu erraten war. Besonders schön ist ein i n T a p l o w gefundenes E x e m p l a r (Tafel 21). Hierbei ist die Mündungsöffnung, wie bei allen a u f m o n t i e r t e n Gefäßen, von einem Ring u m f a ß t , der den oberen Abschluß eines breiten, mit a n t h r o p o m o r p h e n Motiven erfüllten Bandes bildet, von d e m dreieckige P l a t t e n mit den Spitzen nach u n t e n h e r a b h ä n g e n . Dieser „ B o r t e n s c h m u c k " wird durch K l a m m e r n festgehalten, die m i t Maskarons geziert sind. Erstaunlich u n d typisch angelsächsisch ist die T e c h n i k : die Borte ist aus vergoldetem Silber d ü n n gegossen, nicht getrieben, wie m a n beim ersten Blick denken möchte. An der Spitze des Horns befindet sich ein eigenartig gebogener K n a u f aus gleichem Metall, der K e r b s c h n i t t a r b e i t n a c h a h m t (Taf. 25 zeigt den K n a u f eines zweiten in Taplow gefundenen Trinkhorns). Neben den H ö r n e r n w u r d e n in A l t - E n g l a n d K r ü g e u n d K a n n e n aller Art als T r i n k g e r ä t e b e n u t z t . (Im Beowulfepos z. B. wird das T r i n k h o r n nie e r w ä h n t , aber viele andere Gefäße!) Jaaer waeron b o l l a n steape boren aefter b e n c u m gelome, swylce eac b u n a n a n d o r c a s . . - 1 D a w u r d e n b auchige Schalen o f t gebracht zu den B ä n k e n , Sowie a u c h Becher u n d K e l c h e . . . H i e r v o n bezeichnet „ b o l l a " (neuenglisch bowl) ein rundes Gefäß ohne F u ß , „ b u n e " einen Becher u n d „ o r c " einen K r u g . Die Trinkschale ( „ b o l l a " ) ist sehr beliebt gewesen. Aus „bolluin" (und a u s H ö r n e r n ) t r i n k e n die Helden auf d e m Teppich von B a y e u x (11. J a h r h u n d e r t ) , u n d „ b o l l a n " sind schon aus den f r ü h e s t e n angelsächsischen G r ä b e r n gehoben worden, große u n d kleine, kostbare u n d anspruchslose. Bei der geschilderten Gasterei w u r d e n „ s t e a p e bollan", d. h. tiefe Schalen, g e b r a u c h t . E s m a g sich u m große, i m p o r t i e r t e 2 Bronzegefäße gehandelt h a b e n , wie sie in zwei A r t e n v e r b r e i t e t w a r e n : in einer schweren gegossenen F o r m u n d einer leichten, getriebenen A r t ; v o n letzteren ist die bolla aus Stowting (Kent) zu n e n n e n oder a u c h die hübsche Schale aus Alfristan 1
„Judith", 18.
2
Vielleicht koptischer Herkunft, vielleicht aus einer provinzial-römischen Werkstatt des Rheinlands stammend.
178
(Sussex) mit buckelverziertem R a n d . Aber die Angelsachsen v e r s t a n d e n a u c h im eigenen L a n d edelgeformte, schön gezierte Schalen herzustellen. Vgl. S. 195. I s t die T r i n k s c h a l e flach, so ist der , , o r c " hoch u n d h a t die Gestalt eines K r u g e s . Man h a t meist „ o r c a s " aus T o n g e f u n d e n . Einige h a b e n einen kugelförmigen B a u c h u n d langen Hals, andere gestrecktere F o r m mit k u r z e m Hals, die ersten ohne, die zweiten mit H e n k e l . Wie die gestreckte u n d gehenkelte F o r m ausgesehen h a t , zeigt der figürliche Bronzebeschlag des Bechers v o n L o n g W i t t e n h a m , u n d zwar auf der Darstellung der Hochzeit zu K a n a ( A b b . 46). Das d r i t t e G e f ä ß , die „ b u n e " , ist anscheinend ein sehr kostbares S t ü c k , das im Beowulfepos n u r in V e r b i n d u n g mit einem reichen Goldhort e r w ä h n t wird u n d ein a u s Gold u n d Silber hergestellter P o k a l gewesen sein m a g . Die K o s t b a r k e i t der „ b u n e " d ü r f e n wir a u s dem S t a b r e i m „ b u n a n ond b e a g a s " ( „ P o k a l e u n d Ringe") e n t n e h m e n , d e n n alles, was mit „ b e a g " ( „ B a u g e " ) zusammengestellt wird, gilt als k o s t b a r s t e r Besitz. E a la beorht b u n e ! 1 Ach, hellblinkender B e c h e r ! so e r t ö n t in der Elegie „ W a n d e r e r " der schmerzliche Ausruf des E i n s a m e n über die Vergänglichkeit des H a l l e n j u b e l s . Die m e h r hohe als breite G r u n d f o r m der „ b u n e " (und des „orc") ergibt sich aus der Schilderung des D r a c h e n h o r t e s in „ B e o w u l f " : „ H i m big s t o d a n b u n a n ond orcas" auf d e u t s c h : „ u m ihn (den Drachen) s t a n d e n Pokale u n d K r ü g e " . D e r f o l gende Vers l a u t e t : „discas l a g o n " („Schüsseln l a g e n " . . . ) . Wir k o m m e n d a m i t zu einem vierten Gebrauchsgegenstand, d e m „ d i s c " , w o r u n t e r ein Teller oder eine ganz flache Schüssel zu v e r s t e h e n ist 2 . Die a u f g e f u n d e n e n „discas" sind meist aus T o n ; die in „ B e o w u l f " g e n a n n t e n waren aber sicherlich aus Bronze oder Silber gefertigt. D a ß silbernes Eßgeschirr in j e n e r Zeit in Adelshäusern gebräuchlich war, erfahren wir d u r c h Beda 3 . Auf der Tafel des Königs Oswald von N o r t h u m berland, so erzählt er, s t a n d „eine große silberne Schüssel" (angelsächsisch: „mycel sylfren d i s c " ) gefüllt mit Leckerbissen. Der König heißt diese Schüssel zerbrechen u n d u n t e r die A r m e n verteilen, in N a c h a h m u n g des Brechens der Ringe. Zu den bis j e t z t g e n a n n t e n „ b o l l a " (Schale), „ o r c " (Krug), „ b u n e " (Pokal) u n d „ d i s c " (Schüssel) gesellen sich die a m häufigsten g e n a n n t e n Trinkgefäße „ f u l u n d „waege". Wie m a g das Trinkgeschirr ausgesehen h a b e n , das mit „ f u l " bezeichnet w i r d ? W i r hören d a r ü b e r : 1
„Wanderer" 94. 12*
2
Neuengl. dish.
3
Hist. Eccl. III, 6.
179
Jja freolic wif f u l gesealde aerest East-Dena eöel-wearde. . . . he on lust gejpeah symbel ond s e l e - f u l 1 . Es gab den vollen B e c h e r die Frau, die edle, Zuerst dem Erbsitzwart der Ostdänen . . . mit Lust empfing er Schmaus und S a a l b e c h e r . „Sele-ful", der „Saalbecher" —• sicher war es ein schöner und kostbarer Becher, den man auch nach germanischer Sitte als Geschenk des Hausherrn behalten durfte, wie Paulus Diaconus und Ermoldus Nigellus bezeugen. Man ist geneigt, wenn man ihn nicht für einen getriebenen Metallbecher halten will, jene oft gefundenen Holzbecher in Form eines Fäßchens oder Humpens als „sele-ful" anzusehen; sie haben einen Randbeschlag von vergoldeter Bronze und sind auch sonst mit Metall geziert (ähnlich Abb. 46). Jedenfalls muß man sich ein geräumiges Gefäß darunter vorstellen, einer Kenning wegen; ,,y9a ful" (der Wogen Behälter) soll das Meer bezeichnen. Wir kommen zum Schluß an den oft gebrauchten, aber problematischen Ausdruck „ w a e g e " . Er bedeutet manchmal einen Becher, manchmal eine Art Krug. Als „Becher" steht das Wort in folgenden Versen: Ful oft gebeotedon, beore druncne, Ofer e a l o - w a e g e oret-mecgas Jjaet hie in beor-sele bidan woldon Grendles guöe 2 . Gar oft erboten sich vom Biere trunken Über dem B i e r k r u g die Kampfeshelden, Daß sie im Biersaal aufnehmen wollten Den Kampf mit Grendel. Ebenso in folgender Schilderung: Meodu-scencum hwearf Geond Jjaet heal-reced Haereöes dohtor, lufode J^a leode, l i ö w a e g e baer Haenum to handa. . . 3 Mit den Metgefäßen (Metkannen ?) den Saal entlang ging Häreds Tochter, Erfreute die Leute; die Süßtrankgefäße Gab sie jenen in die Hand. 1
„Beowulf", 615.
180
2
„Beowulf", 480.
3
„Beowulf", 1980.
In der Bedeutung Kanne, Krug (oder ein sonstiges Gefäß zum Herbeiholen des Trankes) steht es in J)egn. . .on handa baer h r o d e n ealo-waege, scencte scir wered 1 Der Mundschenk trug das verzierteBiergefäß schenkte klaren S ü ß t r a n k . Das Gefäß „waege" wird uns näher beschrieben in dem Vers: H w a . . .feormie f a e t e d waege, drync-faet deore 2 . Wer säubert den mit G o l d b e s c h l a g e n e n (Becher),
45. Holzeimerchen mitMetallbehäng.
M u s e u m in M a i d s t o n
Das kostbare Trinkgefäß ? Es fragt sich, welches Gefäß unter den Grabfunden für dies problematische Gerät in Frage kommt, das bald Kanne, bald Becher, dazu kostbar und mit Goldblech beschlagen ist. Sicher könnte man den unter ,,ful"erwähnten beschlagenen Humpen ebensogut als „ w a e g e " ansehen. Doch könnte man auch geneigt sein, die sehr viel gefundenen und in ihrem Zweck ebenfalls rätselhaften h ö l z e r n e n E i m e r c h e n in Betracht zu ziehen (Abb. 45). Diese sind mit Eisen- oder Bronzebändern zusammengehalten und mit einem Bügel zum Tragen versehen. In allen Teilen Englands h a t man sie gefunden (oder auch nur die Beschläge), besonders in Anglien und Sachsen 3 . Ihr Vorbild ist freilich nicht germanisch, sondern keltisch gewesen, zurückgehend auf einen phönizischen und assyrischen Prototyp. Sie haben verschiedene Größe; manche sind 10 cm, andere 30 cm hoch. Es könnte also ein Gefäß sein, das in seiner großen Form als Schenkgerät, in seiner kleinen als Becher diente. Diese Eimer und Eimerchen (die kleinen sind in der Mehrzahl) würden auch das Beiwort „ f a e t e d " (mit Goldblech beschlagen) insofern mit Recht tragen, als sie ganz mit Metallbeschlag und auch mit einem Metallbehang versehen sind. Sehr hübsch ist ein Eimerchen im Maidstone Museum. Die Beschlagstücke, an denen der Tragbügel befestigt ist, sind nach rechts und links umgebogen, während die Mittellinie weitergeführt wird durch eine Reihe angehängter runder Metallplatten. W i r sehen, auch die weiter oben gebrauchte Bezeichnung „hroden", das ist „beladen, geschmückt, mit 1 3
2 „Beowulf", 2253. „Beowulf", 495. Viele sind in Rheinhessen gefunden worden, und auch sonst verstreut auf d. Kontinent.
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Schmuck beladen", paßt sehr gut auf diese Eimer, die aus dem 5. bis 7. Jahrhundert stammen. Alle Trinkgefäße, dazu die Schüsseln und Schalen, beruhen auf h e i m i s c h e r Tradition, wenn auch ab und zu eine Anregung aus dem römisch beeinflußten Frankenland oder von den keltischen Nachbarn benutzt wird. Liturgische Geräte. — Wenn wir wissen wollen, welche liturgischen Geräte in Alt-England benutzt worden sind und wie sie aussahen, müssen wir die Schriftquellen in besonders reichem Maße benutzen, da hier keine Grabfunde als Zeugen angerufen werden können, und die reichen Schätze der angelsächsischen Kirchen den plündernden Wikingern zum Opfer gefallen sind. Wir dürfen aber auch metallene Schalen, Krüge und Kannen, die zu weltlichem Gebrauche dienten, als Vergleichsmittel heranziehen. Sie stammen zwar aus heidnischer Zeit oder aus den Anfängen des Christentums und gehen spätestens bis 700, aber da die Schmiedekunst bei allen Germanen, so auch bei den Angelsachsen, hoch entwickelt war und auf fester, b o d e n s t ä n d i g e r T r a d i t i o n beruhte, ist eine Änderung der Technik mit dem Einsetzen des Christentums weder notwendig noch überhaupt möglich. So ist die M e t a l l k u n s t d i e e i n z i g e a l t g e r m a n i s c h e K u n s t , die ohne weiteres in d i e c h r i s t l i c h - k i r c h l i c h e F o r m e i n m ü n d e t . Nur eine B e r e i c h e r u n g f i n d e t statt in bezug auf G e s t a l t und O r n a m e n t a t i o n . Zu den gewohnten Formen treten neue hinzu, durch den Gottesdienst bedingt ; christliche Sinnbilder, figürliche Darstellungen aus der heiligen Schrift, Weinrankenschmuck und anderer südlicher Zierat gesellen sich zu der heimischen abstrakten Ornamentation. Bei einer Untersuchung liturgischer Geräte müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, daß in England von Norden und Nordwesten her die iro-schottische Form des Christentums (schon seit 565) eingeführt und damit die Kenntnis sakraler Geräte verbreitet war. Im N o r d e n E n g l a n d s liegt darum in der ersten christlichen Zeit das S c h w e r g e w i c h t der k i r c h l i c h e n S c h m i e d e k u n s t . Man f a b r i z i e r t e s a k r a l e G e r ä t e dort von A n f a n g an selbst. Anders der leichter fremdländischen und fremdartigen Einflüssen sich hingebende S ü d o s t e n . Er verhält sich r e z e p t i v . Augustin, so hören wir durch Beda, hatte die ersten notwendigen Geräte für den Gottesdienst mitgebracht, aber die vielen neu errichteten Kirchen waren doch noch so kahl, daß Papst Gregor für die Kenter Gotteshäuser eine große Sendung schickt, nämlich heilige Geräte, Altarbekleidungen, Gewänder für den Gottesdienst, Reliquien, Bücher, „Dinge, die zum kirchlichen Dienst notwendig sind" 1 . Auch den König (Ae&elberht von Kent) beschenkt der Papst mit einer Reihe Kostbarkeiten 2 . Eine zwar unechte, aber der Tradition nach bemerkenswerte Charta läßt 605 einige dieser Papstgeschenke an das Kloster 1
Hist. Eccl. I, 29.
182
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Hist. Eccl. I, 32.
St. Peter und Paul in Canterbury gehen. Es sind Bezeichnungen für Gefäße darunter, wie wir sie in den späteren englischen Quellen nicht mehr vorfinden: „missurium argenteum" (ein Ölgefäß für die letzte Ölung) und „scapton aureum" (goldenes Gefäß) 1 . Der e r s t e , von dem wir bestätigt hören, daß unter seiner Ägide die Metallkunst blüht, ist König E d w i n v o n N o r t h u m b e r l a n d . Er ist 627 für das r ö m i s c h e Christentum gewonnen worden, aber handelt in der Betätigung des neuen Glaubens völlig selbständig und daher national (z. B . Erbauung von St. Peter in York aus Holz). Seine Regierung bedeutet Frieden und Wohlstand. Er läßt an allen Landstraßen Pfosten errichten und daran „aereos caucos" („Becher aus Erz") hängen, damit jeder Reisende sich an einer Quelle laben kann 2 . Edwin fällt 633 in der Schlacht, und in den nun entstehenden Unruhen rettet der treue Gefolgsmann Bassus des Königs Schatz an sakralen Geräten nach Kent: „ E r brachte viele k o s t b a r e Ger ä t e (vasa pretiosa) des Königs Edwin mit, darunter ein g r o ß e s g o l d e n e s K r e u z und einen g o l d e n e n K e l c h . . ., welche noch heute in der Kirche von Canterbury aufbewahrt und gezeigt werden" 3 . Da nur sechs Jahre zwischen der Bekehrung Edwins und seinem Tod liegen, dürfen wir annehmen, daß die genannten Geräte von englischer, speziell northumbrischer, Eigenart gewesen sind, ferner, daß die Metallkunst in Northumberland schon auf eine lange Uberlieferung zurückblicken konnte. Die Schönheit und Kostbarkeit des Edwinschen Schatzes läßt sich daran crmessen, daß er noch zu Bedas Zeit, also 100 Jahre später, als Seltenheit gezeigt wird. Unter Edwins Nachfolger O s w a l d (634—642) ist die Herstellung von Metallgeräten nicht minder groß. Daß man zu dieser Zeit von Silberschüsseln speist, wie weiter oben berichtet war, wirft schon ein Streiflicht auf den Stand der Schmiedekunst. Vielleicht nehmen unter Oswald die Metallarbeiten einen gewissen keltischen Einschlag an, da Oswald von i r i s c h e n Mönchen erzogen war und in Northumbrien (im Gegensatz zu Edwin!) das i r o - s c h o t t i s c h e Christentum einführte. Für viele Kirchen läßt er sakrale Geräte herstellen: „Kirchen erbaut er und schenkt ihnen reichliche Gaben, Schmückt sie mit kostbaren Schalen bereit zu heiligen Diensten, Und die Altäre umhüllt er mit Silber, mit Gold, und mit Gemmen 4 ." Die Goldschmiedewerkstatt der Könige von Northumberland muß so hervorragend gewesen sein, daß Oswio (f 671), Oswalds Bruder und Nachfolger, der den römisch-christlichen Glauben angenommen hat, in stolzem Selbstbewußtsein an Papst Vitalian durch einen angelsächsischen 1 2 4
W. de Gray Birch, Cartularium Saxonicum I, 6, S. 11. 3 Hist. Eccl. II, 20. Hist. Eccl. II, 16. Alcuin, De pont. et sanet. eccl. Ebor. 275. Ed. Dümmler.
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P r i e s t e r „ n i c h t wenige an goldenen u n d silbernen G e f ä ß e n " 1 schickt. Der P a p s t entbietet i h m seinerseits Reliquien u n d ein K r e u z mit einem Nagel, a u s den K e t t e n der M ä r t y r e r P e t e r u n d P a u l g e m a c h t . Es findet da also ein A u s t a u s c h s t a t t von b o d e n s t ä n d i g - n o r t h u m b r i s c h e n u n d römisch antikisicrenden G e r ä t e n ! So h a b e n wir von der Zeit an, wo die Geschichte der römischen Kirche in E n g l a n d einsetzt, feste N a c h r i c h t e n über E n g l a n d s kirchliche Metallk u n s t . Eine alte T r a d i t i o n w i r k t f o r t l a u f e n d weiter. N u n aber k o m m t , veru r s a c h t wahrscheinlich d u r c h Wilfrid, Bischof von York, der j a auch ein eifriger F ö r d e r e r südlicher B a u k u n s t gewesen, ferner durch Erzbischof Theodor u n d den Griechen H a d r i a n , eine f r e m d e Welle in die bislang heimische K u n s t . Man ist nicht m e h r stolz auf die Erzeugnisse der Stammesk u n s t , sondern sucht vermeintliche Lücken durch I m p o r t f r e m d e r W a r e auszufüllen. So verschafft sich Benedict Biscop, der schon oft e r w ä h n t e A b t von W e a r m o u t h - J a r r o w , aus „überseeischen L ä n d e r n heilige Gefäße u n d Gewänder u n d alles, was z u m Dienste des Altars notwendig war, weil er es z u H a u s n i c h t b e k o m m e n k o n n t e " (Ende des 7. J a h r h u n d e r t s ! ) 2 . Uberseee war in diesem Falle Frankreich, u n d es k a n n möglich sein, d a ß , v e r a n l a ß t durch diese oder ähnliche Bestrebungen, ein f r ä n k i s c h e s K u n s t werk aus dem E n d e des 7. J a h r h u n d e r t s wie die b e r ü h m t e O r m s i d e B o w l m i t ihren feinen, klassischen O r n a m e n t e n nach E n g l a n d gekommen ist; sie befindet sich j e t z t in York. W u r d e schon im 7. J a h r h u n d e r t die O r n a m e n t i k weitgehend geändert, so wird mit dem A n f a n g des 8. J a h r h u n d e r t s der angelsächsischen Metallk u n s t ein bis dahin f r e m d e r Zweig a u f g e p f r o p f t , nämlich die Herstellung großer, schwerer V o l l f i g u r e n a u s E d e l m e t a l l . Es ist König I n e v o n Wessex (Aldhelms Verwandter), der S t a t u e n anfertigen läßt, „ u n d zwar das Bildnis des H e r r n , der hl. Maria u n d der zwölf Apostel a u s 175 P f u n d Silber u n d 38 P f u n d Gold" 3 . So erfüllt war I n e von R o m s e h n s u c h t , d a ß er a b d a n k t e (725) u n d sein Lebensende in R o m v e r b r a c h t e , wo er im „angelsächsischen V i e r t e l " eine Kirche u n d ein Kloster gebaut h a b e n soll. Das ganze 8. J a h r h u n d e r t ist voll v o n Nachrichten über angelsächsische sakrale Schmiedewerke, die v o n P r ä l a t e n wie Königen gestiftet w e r d e n . Vor allen Dingen wird Y o r k großartig ausgeschmückt, u n d zwar durch seine Bischöfe Wilfrid I . u n d I I . , E g b e r t I I . u n d durch Aelbert, worüber s p ä t e r im einzelnen berichtet werden wird. Doch bleibt Westsachsen a u c h n a c h I n e s A b d a n k u n g an der Spitze der Schmiedekunst. Von dort w i r d ü b e r einen letzten H ö h e p u n k t u n t e r König Aeöelwulf b e r i c h t e t , u n d wieder l ä ß t sich die G ü t e des Hergestellten an der selbstbewußten Freigebigkeit des Königs erkennen. Aeöelwulf v e r e h r t d e m P a p s t B e n e d i k t I I I . (855) 1 3
2 Hist. Eccl. IV, I. Historia Abbatum c. 5. Malmesbury, De antiquit. Glastoniensis apud Domerham, S. 55.
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viele k o s t b a r e A u s s t a t t u n g s s t ü c k e . Von diesen sind die b e a c h t e n s w e r t e s t e n „zwei Bildnisse a u s reinem G o l d " — weil wir d a r a u s ein F o r t b l ü h e n des v o n I n e e i n g e f ü h r t e n Kunstzweiges der Vollplastik e n t n e h m e n k ö n n e n — u n d die m e r k w ü r d i g e Spende von „vier s ä c h s i s c h e n L i c h t e r k r o n e n ( g a b a t h a s saxiscas) a u s vergoldetem Silber" 1 . E r s t a u n l i c h ist die Bezeichn u n g „ s a x i s c a s " ; sie beweist z u n ä c h s t die germanisch-nationale E i g e n a r t der Geschenke, d a n n aber auch, da gewöhnlich „angelsächsisch" schon damals mit „ a n g l i s c h " (dem s p ä t e r e n englisch) wieder gegeben wurde, h e b t sie die „ s ä c h s i s c h e " K u n s t als S o n d e r t y p der gesamten alt-englischen Metallkunst h e r a u s . (Waren es vielleicht Schalen m i t emaillierten Verzierungen ? Vergl. S. 196.) Nach dieser H o c h b l ü t e k o m m t ein Niedergang. König Alfred will noch einmal „die ganze S u m m e v o n technischer u n d ornam e n t a l e r E r f a h r u n g an seinem H o f s a m m e l n " u n d v e r s u c h t „ d a s eben schon im Niedergange begriffene Goldschmiedegewerbe zu h a l t e n u n d zu h e b e n " 2 . Das \ e r f l a c h e n ist a b e r nicht m e h r a u f z u h a l t e n . Wir sehen aus dieser g e s c h i c h t l i c h e n E n t w i c k l u n g , wie die e c h t g e r m a n i s c h e F r e u d e an schönen Goldschmiedewerken in c h r i s t l i c h e r Z e i t g e b l i e b e n ist, aber sich — noch fast u n m e r k l i c h — in christliche u n d p r o f a n e K u n s t s p a l t e t . Alles das, was an L u s t z u m s c h i m m e r n d e n Golde seit der Völkerwanderungszeit im Blute steckt 3 , m ü n d e t j e t z t auf einer höheren E b e n e : die „ W a n d e r b e g a b u n g " d e s S c h m i e d e s w i r d i n den D i e n s t G o t t e s gestellt. Nach diesem k u r z e n Abriß der Geschichte der angelsächsischen kirchlichen Metallkunst sollen n u n die in den Schriftquellen e r w ä h n t e n Gegens t ä n d e e i n z e l n u n t e r s u c h t werden. l . D e r A l t a r . Die wichtigste A u f g a b e des K i r c h e n g r ü n d e r s war die, das neue B a u w e r k m i t einem A l t a r 4 zu versehen. Der A l t a r steht a u f einem U n t e r b a u mit S t u f e n : A b t Ceolfrid geht vor seiner Abreise von W e a r m o u t h n a c h R o m noch einmal zur Kirche „ u n d s t e h t auf den S t u f e n des A l t a r s " 5 . Der Altar w a r gewöhnlich aus Holz, daneben gab es solche aus Stein; bei einer F e u e r s b r u n s t bleibt allein der Altar übrig, „weil er aus Stein w a r " . Schon f r ü h v e r s u c h t m a n aber, die schlichten F o r m e n s c h m ü c k e n d zu verhüllen, sei es m i t Geweben 6 , sei es mit Metallverkleidungen. K ö n i g Oswald s c h m ü c k t den A l t a r in York mit Silber, Gold u n d E d e l s t e i n e n : „Argento, gemmis, aras vestivit et a u r o " ' . 1
U b e r Pontificalis ed. Duchesne II, 148. Paris 1888. P. Clemen, Merowingische Plastik, a. a. O., S. 70. 3 Im „Beowulf" kommt niemals das Wort „Silber" vor, sehr häufig aber „Gold". 1 Vergl. dazu J. Braun, Der christl. Altar. 2 Bd. Münch. 1924. 6 6 Historia Abbatum, c. 17. Vergl. auch „Textilien". ' Alcuin, V. 257, die folgenden Erwähnungen stehen 1224 und 1491.
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Bischof W i l f r i d I I . m a c h t in derselben Kirche (in einem späteren Neubau) einen S c h m u c k aus Silberplatten u m einen Altar. An der Stelle, wo einst König E d w i n die T a u f e e r h a l t e n h a t , errichtet Aelbert einen besonders großen Altar, den er r u n d h e r u m bedeckt m i t edelsteingeschmückten P l a t t e n aus Gold u n d Silber. I m Kirchenschiff b e f i n d e t sich der Kreuzaltar, ebenfalls schön geschmückt „ m i t reinem Silber u n d mit k o s t b a r e n Steinen (lapillis)". D e n k o s t b a r s t e n Altar aber errichtet König Ine in G l a s t o n b u r y : „ a l t a r e ex ducentis et sexaginta q u a t u o r libris auri e r a t " („aus 264 P f u n d Gold") 1 . D a ß Altäre sogar i m p o r t i e r t werden, erzählt W . von M a l m e s b u r y : Aldlielm b r i n g t v o n einer Romreise heim „einen Altar von glänzendem Marmor, . . .mit einem vorspringenden R a n d , r u n d h e r u m schön mit K r e u z e n verziert"2. Neben dem großen Altar wird der kleine T r a g a l t a r e r w ä h n t , u n d zwar in seiner f r ü h e s t e n F o r m , der f l a c h e n T a f e l . Die E r w ä h n u n g befindet sich in einem f ü r u n s Deutsche besonders b e m e r k e n s w e r t e n Bericht, h a n d e l t es sich doch u m die beiden Ewalde 3 (den „ s c h w a r z e n " u n d den „weißen"), die G e f ä h r t e n Willibrords, die in Westfalen predigen (etwa 695): „sie f ü h r t e n eine geweihte T a f e l ( t a b u l a m dedicatam) als Altar mit sich" 4 . Diese genaue E r k l ä r u n g v e r r ä t , d a ß damals Tragaltäre noch nicht allgemein gebräuchlich waren. Wahrscheinlich bestand die „ t a b u l a " der E w a l d e a u s Holz mit einem geweihten Stein in der Mitte. — Diesen Stein als pars p r o t o t o v e r s t e h t wohl auch das „ Y o r k e r Pontificale" 5 , wenn es von der „ W e i h e eines Tragsteins oder Reisesteins" spricht. Es scheint, daß besonders fromm e n Personen ein T r a g a l t a r mit ins G r a b gegeben w u r d e . So erzählt Simeon von D u r h a m (oder ein I n t e r p o l a t o r ) bei E r w ä h n u n g der E x h u m i e r u n g des Bischofs Acca von H e x h a m , d a ß auf Accas B r u s t gefunden w u r d e eine „ I l o l z t a f e l (tabula lignea) in der Art eines Altars, mit zwei versilberten Holznägeln z u s a m m e n g e h a l t e n " , auf welcher die N a m e n der Dreieinigkeit u n d von Heiligen standen. — Glücklicherweise h a t sich ein portabile a u s der f r ü h e n Zeit erhalten. E s sind die Reste eines T r a g a l t a r s , den m a n im Sarg des hl. Cuöberht gefunden h a t (heute in D u r h a m ) . E r b e s t e h t aus einer eichenen Tafel, etwa 12 zu 10 cm groß (also f a s t quadratisch!), auf deren Oberseite eine d ü n n e Silberplatte mit silbernen Nägeln befestigt ist. I n Treibarbeit befindet sich darauf ein mit Flechtwerk umgebenes K r ü c k e n k r e u z in der Mitte, u n d ein B l a t t m o t i v in allen vier E c k e n , das an hellenistische P a l m e t t e n anklingt. E s scheint eine fränkische oder eine f r ä n k i s c h nache m p f u n d e n e Arbeit zu sein. A u c h bei diesem T r a g a l t a r m ö c h t e m a n sich 1 2 3 4
Malmesbury, D e Antiq. Glaston. Eccl. S. 55. Malmesbury, Gesta Pontificum S. 373. Ihre Reliquien befinden sich in St. Kunibert in Köln. 6 Hist. Eccl. V, 10. Surtees soc. 1873, S. 124—132.
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fragen, wo d e n n eigentlich die Reliquien beigefügt waren. Oder sollten etwa die den T o t e n ins G r a b mitgegebenen T r a g a l t ä r e n u r Nachbildungen gewesen sein ? 2. T r a g k r e u z e u n d A l t a r k r e u z e . D a s K r e u z findet n a t u r g e m ä ß besonders häufige E r w ä h n u n g . Augustin u n d seine G e f ä h r t e n t r a g e n bei ihrer Begegnung m i t König Aeöelberht ein s i l b e r n e s P r o z e s s i o n s k r e u z „gleichsam als Feldzeichen" 1 . E i n g o l d e n e s T r a g k r e u z erscheint, b i l d h a f t n a h , in der Geschichte A b t Ceolfrids 2 . Dieser will, alt geworden, noch einm a l R o m sehen. E r setzt über den W i r a - F l u ß . „Die Diakone steigen zu i h m ins Schiff, sie z ü n d e n Kerzen an u n d erheben das goldene Kreuz. Als sie ü b e r den F l u ß g e f a h r e n sind, verneigt er sich vor d e m K r e u z , steigt zu P f e r d u n d reitet d a v o n . . . ' " . D a ß dieses K r e u z heimische Arbeit war, das geht aus der breiter schildernden „ A n o n y m e n Geschichte der A b t e " hervor, welche erzählt, d a ß einer der Diakone das K r e u z getragen h a b e „ d a s er angefertigt hatte3". — Meist wird das K r e u z in der F o r m des A l t a r k r e u z e s e r w ä h n t . Nach J . B r a u n 4 s t a n d das K r e u z damals hinter dem Altar, wohl auf h ö h e r e m Ständer. D a h e r wird es wohl auch oft, wie Augustins hochgehaltenes K r e u z , als „ v e x i l l u m " oder als „ t r o p a e u m " bezeichnet. Von Wilfrid heißt es, d a ß er in Ripon ein hohes K r e u z aufgestellt h a b e : „ A u ß e r d e m richtet er auf des Kreuzes erhabenes Zeichen, S c h i m m e r n d in edlem Metall. . . 5 " u n d von einer S p e n d e Aelberts von York wird gesagt: „ A u f d e m A l t a r e r h ö h t er des K r e u z e s e r h a b n e S t a n d a r t e , Reichlich r i n g s u m bedeckt mit k o s t b a r e m E d e l m e t a l l " 6 . Bischof W a s t o l d v o n H e r e f o r d l ä ß t ein K r e u z anfertigen, das, vermutlich ü b e r einem Holzkern, mit Gold u n d Silber p l a t t i e r t ist. Zwei gleiche befinden sich in G l a s t o n b u r y 7 . —• E i n plattiertes, obendrein mit Edelsteinen verziertes K r e u z s t e h t in einer K i r c h e in T h a n e t (etwa 700): „ D e s Kreuzes metallner Belag erglänzt hier in rötlichem Golde U n d in Silber zumal, f u n k e l n d von k o s t b a r e n Steinen" 8 . Das glänzende A l t a r k r e u z s t a n d den Angelsachsen so fest vor Augen, daß, wenn in der idiomatischen Poesie ein K r e u z geschildert wird, es häufig als schön geschmücktes A l t a r k r e u z erscheint; so das Kreuz, das Kaiser Konstantin aus den W o l k e n h e r a u s l e u c h t e t : 1 3 4 5 7 8
2 Hist. Eccl. I, 25. Historia Abbatum, c. 17. Historia Abbatum Anonyma, 26. J. Braun, Das christliche Altargerät. München 1932, S. 486. 6 Hist. Eccl. V. 19. Alcuin, a. a. O., Vers 1496. Malmesbury, De Antiq. Glast. S. 38, 39. Ed. Hearne. Aldhelm, a. a. 0., S. 17.
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. . . Geseah he f r a e t w u m b e o r h t wliti wuldres treo ofer wolcna hrof, golde geglenged: gimmas lixton 1 . E r sah f u n k e l n d im S c h m u c k Den wonnigen Glorienbaum ü b e r der Wolken D a c h Mit Gold verziert, u n d strahlend m i t Gemmen. W o die Edelsteine angebracht sind, erfahren wir aus dem „Traumgesicht vom hl. K r e u z " 2 : . . .eall ]3aet beacen waes begoten mid golde; gimmas stodon feowere aet foldan sceatum, swylce {jaer fife waeron u p p e on J)am eaxlegespanne. Das Zeichen war Übergossen ganz mit Gold. E s standen Edelsteine Vier zu den F ü ß e n , u n d f ü n f wohl waren Oben a m Querbalken („Achselgespann"). Aufschlußreich sind Verse aus „ E l e n e " , welche die Auffindung des w a h r e n Kreuzes Christi z u m I n h a l t h a b e n . Das K r e u z wird gefunden u n d mit Cloisonarbeit geschmückt : Heo |)a rode lieht golde beweorcean ond g i m c y n n u m mid |)am aeöelestum e o r c n a n s t a n u m b e s e t t o n searocraeftum ond ¡3a in seolfren faet locum belucan 3 . Das heilige K r e u z Hieß sie mit Gold einfassen u n d mit Gemmen schmücken, Mit den allerkostbarsten der Edelsteine Besetzen kunstreich, u n d verschloß es fest I n eine silberne L a d e . Aus allen diesen Berichten, historischen wie dichterischen, ist nicht zu ersehen, ob es sich u m ein K r e u z m i t Kruzifixus oder u m ein einfaches K r e u z h a n d e l t . Der angelsächsische A u s d r u c k „Christes m a e l " steht ebenfalls f ü r beides. I n der ersten christlichen Zeit ist die Figur vielleicht n u r in U m r i ß linien in das K r e u z „ a w r i t e n " (eingeritzt). N u r bei zwei Mitteilungen sieht m a n deutlich den Kruzifixus vor sich. Die erste findet sich bei Wilhelm v o n Malmesbury u n d bezieht sich auf eine „ c r u x a n t i q u i s s i m a " in G l a s t o n b u r y , 1 2 3
„Elene", 88. Der T e x t steht den Versen auf dem Ruthwell-Kreuz nahe. „Vercelli-Text" 6. Elene", 1022.
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womit eine Legende zusammenhängt: „das göttliche Bild, an einem Holzkreuz befestigt, bewegte heftig den ganzen Körper, so daß durch den Schwung die Dornenkrone herabfiel, und zwar zwischen dem König (zur Warnung und Strafe!) und dem Erzbischof" 1 . — Auch die andere Erwähnung eines Kruzifixus ist aus späterer Zeit, und zwar aus der angelsächsischen Chronik von 1070. Plünderer des Münsters von Peterborough „clumban upp to the halge rode, namen ]ja kynehelm of ure Drihtnes heafod all of smeate golde, namen {üa fotspure |)e waes underneaöen his fote of read golde" („. . . kletterten auf das hl. Kreuz, nahmen die Krone aus reinem Gold von unseres Herrn Haupt; sie nahmen den Fußbalken, der unter seinen Füßen war, ganz aus rotem Gold"). Man sieht deutlich, daß eine Figur am Kreuze hängt, denn sie bedarf eines großen Fußbalkens aus reinem Gold. 3. D e r A b e n d m a h l s k e l c h . Der Kelch wird vielfach angeführt. Die angelsächsische Entsprechung für calix (Abendmahlskelch) lautet einmal in einer älteren Entlehnung „caelc" 2 und in einer jüngeren „calic"; das Wort ist also zweimal entlehnt in einer älteren und in einer jüngeren Epoche des Christentums. Wie schon aus dem fremden Wort, das sich nicht einbürgert, zu ersehen ist, war die K e l c h f o r m u r s p r ü n g l i c h k e i n e h e i m i s c h e F o r m ; sie steht der flachen Trinkschale („bolla") und dem Trinkhorn fremd gegenüber, bürgert sich aber dann doch allmählich ein und wird später sogar bei Gastmählern benutzt als „symbel-calic" (Festmahl-Kelch). Wenn in einem Testament „fünf silberne Kelche" („fif silfrene caleceas" 3 ) vermacht werden, so sind es sicher keine Abendmahlskelche! Andererseits werden Abendmahlskelehe dem Heimischen dadurch angepaßt, daß man sie hin und wieder aus H o l z herstellt, wahrscheinlich mit einem Mundstück aus Goldblech und mit hübsch bereiftem Knauf. Sogar hohe Geistliche scheinen dies nationale Erzeugnis nicht übel angesehen zu haben nach der Bonifacius zugeschriebenen geistvollen Antwort auf eine Anfrage, ob man das Sakrament in hölzernen Kelchen reichen dürfe ¡„Ehemals benutzten goldene Priester hölzerne Kelche, heutzutage benutzen aber hölzerne Priester goldene Kelche!" Erst durch ein Gesetz Edgars von 967 wurde der Gebrauch von hölzernen Kelchen verboten: Holz sei rissig und porös, es absorbiere das hl. Blut. Ein „goldener Kelch bedeckt mit Edelsteinen" erglänzt vom Altar der Kirche Bugges zu Thanet 4 . Im Schatz König Edwins, der von Northumberland nach Kent gerettet wird, befindet sich auch „ein goldener Kelch geweiht dem Dienst am Altar" 5 . Daß die Angelsachsen es allgemach zu großer Fertigkeit in der ihnen 1 2 3
Malmesbury, De ant. Glast. Eccl., S. 39. Ed. Hearne. Älter, weil Umlaut zu der Zeit noch möglich. 4 Aldhelm, a. a. 0., S. 17. Dipl. Thorpe 429, 19.
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Hist. Eccl. II, 20.
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zuerst f r e m d e n K e l c h f o r m b r a c h t e n , beweist der u n s w o h l b e k a n n t e , angelsächsisch beeinflußte T a s s i l o k e l c h von K r e m s m ü n s t e r (vor 788 wahrscheinlich in Salzburg entstanden). „ W a s den Tassilokelch b e t r i f f t " , so schreibt J . B r ö n d s t e d t , „so k a n n m a n es f ü r möglich h a l t e n , d a ß ein A n g e l s a c h s e ihn in B a y e r n gearbeitet h a t , wenn m a n sich den politischen u n d k ü n s t l e r i s c h e n A u s t a u s c h z w i s c h e n E n g l a n d u n d B a y e r n vor Augen h ä l t , der f ü r die zweite H ä l f t e des 8. J a h r h u n d e r t s festgestellt werden k a n n " 1 . Angelsächsisch ist an dem Kelch vor allem das T i e r o r n a m e n t u n d das Flechtwerk in seiner krausen, unregelmäßig u n d gedrängt verschlungenen A r t , in seiner gelegentlichen D u r c h s t e c k u n g der Flechtglieder (siehe d a f ü r W e a r m o u t h ) u n d der Tiere mit n u r zwei Zehen (Tiere mit drei Zehen sind irisch!). Der Tassilokelch zeigt uns, wie das angelsächsische O r n a m e n t gegen 800 sich weiterentwickelt. Es n i m m t den rein germanischen Stil wieder auf, wie er vor der Vermischung mit dem gleichfalls a b s t r a k t e n keltischen u n d dem darstellenden m e d i t e r r a n e n O r n a m e n t s t i l b e s t a n d e n h a t , u n d das v o n i n n e n h e r a u s , noch vor der Beeinflussung d u r c h Skandinavien. — Angelsächsisch erscheint uns auch die Selbständigkeit des Künstlers in bezug auf die figürliche Darstellung. Wie m e r k w ü r d i g unantikisch und in einem zeichnerischen Stil (man m ö c h t e wieder an das „ a w r i t e n " = „eingegraben, eingeritzt" denken) sind die Figuren-Medaillons. Wie n e h m e n sie sich germanisch-eindringlich a u s ! D a wir den Tassilokelch als stark angelsächsisch beeinflußt ansehen u n d vielleicht sogar als v o n einem Angelsachsen v e r f e r t i g t , so d ü r f e n wir auch wohl die F o r m des Kelches als t y p i s c h angelsächsisch b e t r a c h t e n . Diese F o r m m i t der m e h r hohen als breiten K u p p a , dem k r ä f t i g e n K n o t e n u n d d e m etwas zu kleinen F u ß scheint lange Zeit der angelsächsische K e l c h t y p gewesen zu sein, v o r h e r wie nachher. Wenigstens finden wir in dem silbernen Trewhiddle Kelch von 875 (Britisches Museum) noch die gleiche Gestalt der K u p p a u n d eine ähnliche des F u ß e s ; n u r der K n o t e n h a t sich verfeinert. 4. D i e P a t e n e . Zu dem Kelch gehört die P a t e n e . Sie wird meist in den Schenkungen n u r k u r z e r w ä h n t u n d scheint weniger k o s t b a r gewesen zu sein. I m m e r h i n fehlt nicht in Aldhelms H y m n e auf die reich a u s g e s t a t t e t e Kirche v o n T h a n e t die E r w ä h n u n g einer hellglänzenden P a t e n e : „ S o wie gerüstet der H i m m e l erglänzt m i t schimmernden Sternen, So aus Silber gefertigt b e s t e h t die große (,lata') P a t e n e " . „ L a t a " — das d e u t e t auf eine sehr große P a t e n e hin, denn die f r ü h e n P a t e n e n w a r e n an sich schon von größerem A u s m a ß als die mittelalterlichen. König I n e von Wessex schenkt G l a s t o n b u r y als Teil seiner schon o f t gen a n n t e n S p e n d e einen Kelch s a m t P a t e n e von z e h n P f u n d Gold" 2 . 1 2
J. Bröndstedt, Early English Ornament, London 1924, S. 157. Malmesbury, D e antiq. Glast. Eccl. S. 55.
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Die P a t e n e n scheinen von A n f a n g an h e i m i s c h e A r b e i t gewesen zu sein, w e n n wir dies d a r a u s schließen d ü r f e n , d a ß in den Glossaren m e h r e r e angelsächsische E n t s p r e c h u n g e n f ü r „ p a t e n a " gegeben werden. So „holop a n n e = p a t e n a " u n d ,,husl-disc = p a t e n a " 1 . Diese Glossen v e r r a t e n , d a ß die englischen P a t e n e n stets r u n d w a r e n : „ p a n n e " ist gleich „ P f a n n e " , u n d „ d i s c " ist „ T e l l e r " . 5 . D a s Z i b o r i u m . Mannigfache N a m e n f ü h r t im Mittelalter das Ziborium. Die angelsächsische wie irische Bezeichnung d a f ü r heißt „ c h r i s m a l e " , u n d wo sich im 7-/8. J a h r h u n d e r t dies W o r t zeigt, auch auf dem K o n t i n e n t , liegt irisch-angelsächsischer Einfluß vor (z. B. im S a k r a m e n t a r v o n Gellone) 2 . „ D e chrismale sive crismaro" n e n n t Aldhelm ein Rätsel, dessen A u f l ö s u n g „ Z i b o r i u m " h e i ß t . E s ist diesem in schwülstigem L a t e i n gehaltenen Gedicht nichts ü b e r das Aussehen von Ziborien zu e n t n e h m e n . 6. S c h a l e n u n d B e c k e n . Schalen u n d Becken aller Art, die zur Konsek r a t i o n dienen, werden als „ v a s a s a c r a " a u f g e f ü h r t . Zahlreich sind die Berichte ü b e r deren S t i f t u n g . König Oswald schenkt „ k o s t b a r e G e f ä ß e (vasa) f ü r den G o t t e s d i e n s t " . Wilfrid h a t in seinem P r i v a t b e s i t z einen reichen Schatz v o n „ k o s t b a r e n S t e i n e n " ; er befiehlt, d a ß m a n „goldene u n d silberne G e f ä ß e " d a m i t zieren soll 3 . Oswio, der erste, der einem P a p s t heimische Goldschmiedearbeiten sendet, w ä h l t dazu aus „ n i c h t wenig a n goldenen u n d silbernen Schalen" 4 . Auch in angelsächsischen Gedichten werden heilige Schalen e r w ä h n t doch bleibt die ä u ß e r e Erscheinung u n k l a r , so sehr auch der D i c h t e r in altgermanischer S c h m u c k f r e u d e helles Gold f u n k e l n l ä ß t . D a l ä ß t Belsazar die g e r a u b t e n G e f ä ß e h o l e n : h u s l f a t u halegu. . . . . . in ceastre claene. . . gold in J e r u s a l e m . . . beorhte f r a e t w e . . . 6 Die heiligen G e f ä ß e . . . . . . die reinen in der B u r g . . . D a s Gold in J e r u s a l e m . . . Die glänzenden Kleinode. Das Aussehen dieser vasa sacra wird in der F o r m gleich den weiter oben beschriebenen „ b o l l a n " gewesen sein, n u r ist j e t z t das Material n o c h kostb a r e r u n d die O r n a m e n t i k durch christliche Symbole bereichert. 1 2 3 4
Wright-Wiilcker 124, 7. „husl" (got. hunsl) = Opfer, Abendmahl, geweihte Hostie. Vgl. J. Braun, Das christl. Altargerät, S. 287. Malmesbury, D e gest. pont. Ed. Hamilton S. 219. 5 Hist. Eccl. IV, 1. „Daniel", 705.
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7. G e f ä ß e f ü r W e i h w a s s e r u n d W e i n . „ W i l f r i d schmückte den A l t a r (in York) m i t einem m a n n i g f a l t i g e n V o r r a t an G e f ä ß e n " 1 , so erzählt E d d i u s . Sicherlich waren a u c h G e f ä ß e f ü r geweihtes W a s s e r oder geweihten Wein dabei. E i n spätes L e h n w o r t „ a m u l " (von a m u l a ) ist uns überliefert worden. A u ß e r h a l b Roms war die „ a m a " oder „ a m u l a " n u r dort gebräuchlich, wo sie zugleich m i t d e m r ö m i s c h e n Messordo e i n g e f ü h r t worden w a r . Die F o r m des Gefäßes wird nicht geschildert, doch d ü r f e n wir ein kleines E i m e r c h e n d a f ü r ansetzen, wie sie im Mittelalter allgemein üblich waren. Mehrere solcher E i m e r c h e n sind g e f u n d e n worden, ein f r ü h e s in Cuddesdon 2 (Oxfordshire) u n d ein spätes in H e x h a m , beide aus Bronze. Vielleicht d ü r f e n wir eine „ a m u l a " auch in d e m h u m p e n a r t i g e n G e f ä ß v o n Long W i t t e n h a m verm u t e n (Abb. 46). E s ist aus D a u b e n u n d Reifen zusammengesetzt u n d m i t Bronzestreifen bekleidet, auf denen in T r e i b a r b e i t heilige Szenen dargestellt sind, — die Hochzeit zu K a n a , die T a u f e J e s u , die V e r k ü n d i g u n g — w ä h r e n d auf einem vierten Feld das K r e u z zwischen A l p h a u n d Omega erscheint. Dies m e r k w ü r d i g e S t ü c k ist wahrscheinlich aus F r a n k e n l a n d i m p o r t i e r t w o r d e n ; wenigstens h a t m a n in Rheinhessen u n d an der Somme ähnliche Humpen gefunden. Auf d e m einen Feld des gerade beschriebenen Gefäßes ist die Hochzeit zu K a n a dargestellt. Ähnlich wie die A m p h o r a auf dieser Szene wird a u c h die große, goldene K a n n e f ü r g e w e i h t e n W e i n ausgesehen haben, die von Bischof Aelbert f ü r die K i r c h e von Y o r k gestiftet w u r d e : „ E i n e größere K a n n e (ampulla) befahl er sodann zu v e r f e r t ' g e n Aus nicht wenigen P f u n d e n l a u t e r e n Goldes; aus dieser Gießt d a n n der Priester den Wein in den Kelch zur heiligen Feier.- 3 „ A m p u l l a " ist ein v e r d e r b t e s D i m i n u t i v u m von „ a m p h o r a " ; das gibt Aufs c h l u ß ü b e r die F o r m des Gefäßes. 8. K a n n e n f ü r g e w e i h t e s Ö l . F ü r Öl scheint ebenfalls ein flaschenartiges G e f ä ß g e n o m m e n zu sein, d e n n auch h i e r f ü r ist das W o r t „ a m p u l l a " überliefert. Aelfric (10. J a h r h u n d e r t ) befiehlt in seiner Anweisung an Messepriester, d a ß sie f ü r die drei Sorten geweihtes Öl „id est oleum s a n c t u m , et oleum chrismatis et oleum i n f i r m o r u m " auch drei verschiedene „ A m p u l l e n " bereit h a b e n sollten; es sei v e r k e h r t , sie „ o n a n u m e l e f a t e " (in e i n e m ö l gefäß) a u f z u b e w a h r e n 4 . 9. D a s W e i h r a u c h f a ß . W e i h r a u c h f ä s s e r werden m e h r nebenbei erw ä h n t ; sie scheinen schlicht in der A u s f ü h r u n g gewesen zu sein. A b t Ceolfrid h a t vor seiner Abreise die K l o s t e r b r ü d e r v e r s a m m e l t u n d z ü n d e t den W e i h r a u c h an („accendit t h y m i a m a " ) ; in der H a n d h ä l t er das Weih1 3
Vita Wilfridi, c. 16. Alcuin, Vers 1490.
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2 4
Abb. bei Baldwin Brown IV, Nr. CXIV, 3. Aelfric, Episteln. Ed. Thorpe II, 390, 1—17.
46. B r o n z e b e s c h l a g e n e r H u m p e n v o n L o n g W i t t e n h a m u n d
Detail
rauchfaß „habens in manu (turribulum)") 1 . Deutlicher sichtbar wird das Weihrauchfaß in Aldhelms Gedicht auf die Kirche zu Thanet: Ein Rauchfaß, ringsum mit Kapitellen umgürtet, Hängt von der Höhe herab, aus Öffnungen rauchend" 2 . Es ist also künstlerisch ausgeführt. Befragen wir die Glossare, so finden wir bezeichnende angelsächsische Entsprechungen, z. B. „recels-buc" 3 , was auf ein großes, bauchiges Gefäß hinweist. Auch scheint es ein pfannenartiges Gefäß zum Räuchern gegeben zu haben: „Fyr-panne" („Feuerpfanne") „vel vatillum" 4 . Dieser Typ — eine Schale mit einem längeren Griff — ist auch schon in der ältesten christlichen Kunst bekannt gewesen. Der Weihrauch selbst wurde in einem eigenen Gefäß aufbewahrt, und zwar scheint dies die Form eines Schiffes gehabt zu haben. Eine solche Gefäßform, von der Antike überliefert, ist sicher dem Inselvolk sehr genehm gewesen. Wir haben die Glosse: „scipfaet-cimbia" 5 . 1 3
2 Aldhelm, Ed. Ehwald, S. 17. Vita Ahbatum Anonyma, c. 25. 4 Wright-Wülcker 124, 11. 5 Wright-Wülcker 124, 8. Wright-Wülcker 354, 34.
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10. D a s R e l i q u i a r . So viel v o n Reliquien geredet wird, so wenig findet m a n Reliquiare genauer beschrieben. Wir hören, d a ß Wilfrid auf der Rückreise von R o m mit sich f ü h r t ein „ C h r i s m a r i u m mit heiligen Reliquien gef ü l l t " 1 . Dies „ C h r i s m a r i u m " (Reliquiar) m u ß n u r ein kleiner, aber k o s t b a r gearbeiteter Behälter gewesen sein, ein sogenanntes „ P h y l a k t e r i u m " , denn es wird i h m von unheiliger H a n d v o m H a l s abgezogen: „Die K ö n i g i n . . . h a t t e es sich als S c h m u c k s t ü c k u m g e h ä n g t u n d t r u g es sowohl in ihrem Gem a c h u n d wenn sie in i h r e m W a g e n a u s f u h r . " Die g r o ß e n Reliquiare heißen angelsächsisch „ s c r i n " (Schrein). Ursprünglich b e d e u t e t „ s c r i n " jede A r t T r u h e , d a n n wird aber dies W o r t besonders zur Bezeichnung von Heiligenschreinen g e b r a u c h t . Sie waren a u s k o s t b a r e m Metall u n d w u r d e n meist als erstes von den Wikingern aus den K i r c h e n g e r a u b t . So steht b e i m Bericht der P l ü n d e r u n g von P e t e r b o r o u g h : „ h i n a m e n jjaer etwa gildene scrines ond I X seoferne" 2 („sie n a h m e n zwei goldene Schreine u n d 9 silberne"). Ein anderes W o r t f ü r Reliquiar ist „ c y s t e " . Alfred ü b e r s e t z t : „loculo argenteo" mit „in sylver c y s t e " . In ein solches Behältnis wurde, wie Beda 3 erzählt, der Arin s a m t H a n d des erschlagenen Königs Oswald eingeschlossen u n d n a c h B a m b o r o u g h g e b r a c h t ; ein Arm-Reliquiar, das die F o r m des Armes n a c h a h m t , war wohl diese „ c y s t e " nicht. Doch ist „ c y s t e " mehrdeutig. So übersetzt Alfred ein a n d e r m a l das W o r t „capsella" mit „ c y s t e " : eine Äbtissin holt sich w u n d e r t ä t i g e n S t a u b „ u n d v e r w a h r t e ihn in einem K ä s t c h e n " (capsella; A l f r e d : „cyste") 4 . — N u r einmal hören wir Genaueres: Die Mönche von D u r h a m b e w a h r e n das Cilicium des Abtes Boisil „in einem T u r m v o n Elfenbein, bedeckt mit goldenen u n d silbernen F i g u r e n " u n d seinen Schädel „ i n einem reichverzierten K a s t e n " 6 . 11. W e i h e k r o n e n . W e i h e k r o n e n sind echt germanische Gaben gewesen. Die b e r ü h m t e n westgotischen K r o n e n geben die N a m e n ihrer Stifter a n : Swinthilas (621—31) u n d Reccesvinth (649—72). Z u derselben Zeit werden auch in der irischen K i r c h e K r o n e n a u f g e h ä n g t . Die G r ä b e r der hl. Brigitte u n d des Erzbischofs Conleath zur R e c h t e n u n d L i n k e n des Altars t r a g e n diesen S c h m u c k : „ D o r t , wo sie r u h e n , h ä n g e n goldene u n d silberne K r o n e n von oben h e r a b " 6 . So s c h m ü c k t auch der im irischen C h r i s t e n t u m erzogene König Oswald das Münster von Y o r k m i t goldenen K r o n e n , die mit „blateolis" verziert sind, also wohl m i t rötlicher Zellenverglasung 7 . 12. B e l e u c h t u n g s k ö r p e r . Die B e l e u c h t u n g der K i r c h e n geschah d u r c h L a m p e n , die von der Decke h e r a b h i n g e n : 1
2 3 Eddius, Vita Wilfridi, c. 34. Ags. Chronicle, 1070. Hist. III, 6. Hist. Eccl. III, 11. 6 Hist. Dunelm. Scr. Tres. appendix CCCCXXVII. Ed. Raine Surt. Soc. Lond. 1839. 6 Vita Brigidae. Ed. Migne PL 72, S. 788. ' Alcuin, a. a. O. Vers 279. 4
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47. S c h a l e v o n
Hawnby
„Wie der Himmel erglänzt im goldnen Gefunkel der Sterne, So zerstreuen die hängenden Fackeln zitternde Lichter Unter der Wölbung der Kirche, geordnet in mehrfachen Reihen" 1 , Das Bild des gestirnten Himmels kehrt gern wieder, so auch in der Beschreibung der ersten Kirche von York: „Unter die Dächer hängt Oswald reichliche Mengen von Lampen, Daß in der Kirche erglänze das Bild des gestirnten Himmels" 2 . Um eine besonders eindrucksvolle Beleuchtung herzustellen, wurden die Lampen nicht einzeln, sondern zu mehreren an einen „Pharus" (eine Art Kronleuchter) gehängt. Alkuin berichtet vom Neubau von York „Über dem Hochaltar hänget herab ein gewaltiger Pharus der, in Reihen geordnet, neunmal drei Lampen trägt" 3 . Es handelt sich hier um einen Lichtträger in Radgestalt, an dessen neun Speichen je drei schalenartige Lampen angehängt (oder ihnen aufgesetzt) waren. Eine Vorrichtung zum Aufhängen der Lampen werden auch die „luminaria" gewesen sein, die Akka für die Kirche von Hexham beschaffte neben anderen Dingen „die zum Schmuck des Gotteshauses gehören" 4 . Die Einzellampen waren sehr wahrscheinlich Schalen aus vergoldeter Bronze. In angelsächsischen Gräbern sind zahlreiche (etwa 40) Hängeschalen gefunden worden, die, wenn sie nicht selbst zu dem genannten Zweck gedient haben, so doch von gleicher Form wie die von Alkuin erwähnten „neunmal drei Schalen" sein mögen. Es lohnt sich, diese schönen Stücke einmal näher zu betrachten. Da ist die Schale von Hawnby (York1 4
Ethelwulf, De Abbat. Lindisf., c. 20. Hist. Eccl. V, 20. 13*
2
Alcuin, 280.
3
Alcuin, 1488.
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shire). Sie ist in edler Form gehämmert, hat drei längliche Attachen in Blattform und wird an drei Ringen aufgehängt (Abb. 47). Neuerdings ist auch eine schöne Schale mit vier Attachen in Baginton (Warwicks) gefunden worden1. Eine ganze Reihe dieser Hängeschalen ist bemerkenswert durch ihren k e l t i s c h e n E i n s c h l a g (vergl. S. 16). Die Ornamentierung der Attachen besteht hierbei aus S p i r a l m o t i v e n verschiedenster Art, welche durch durchscheinende E m a i l e i n l a g e n (Grubenschmelz) belebt werden. Wie Zellenverglasung (verroterie cloisonnée) germanisch ist, so ist Grubenschmelz (émail champlevé) keltisch. Zum Schluß mag noch erwähnt werden, daß die „gabathae saxiscae" ,die König Ethelwulf nach Rom schenkte, wahrscheinlich runde Scheiben oder Schalen gewesen sind, die mit Lichtern besetzt wurden und sowohl aufgestellt wie aufgehängt werden konnten. Vielleicht bestand das „Sächsische" bei ihnen in den gerade erwähnten Emaileinlagen, die im sächsischen Teil Englands schon früh beliebt waren. Ü b e r b l i c k . Wenn wir Uberschau halten über die Fülle der verschiedenen liturgischen Geräte, von denen wir Kunde erhalten haben, und dabei bedenken, daß nur ein geringer Bruchteil von der schriftlichen Eintragung erfaßt und uns überliefert worden ist, so müssen wir staunen über die Fähigkeiten des angelsächsischen Goldschmiedes, der so schnell und geschickt seine Kunst den neuen Verhältnissen anpassen konnte, ohne seine nationale Eigenart aufzugeben. Es war nur auf Grund der Jahrhunderte alten Tradition der germanischen Goldschmiedekunst möglich. Waffen. Wie wir schon festgestellt haben, gab es einen Spezialisten für die Anfertigung von Waffen, den „faber ferrarius" („isen-smij}"). Doch war hierbei der Goldschmied nicht überflüssig. Durch seine Hand erhielten die Waffen künstlerische Verzierung. Beide mußten zusammenwirken, um Waffen von solcher Vollendung zu schaffen, wie ein germanisches Volk zu Zier und Wehr sie begehrte. Wird der Persönlichkeitswert der Frau durch edlen Schmuck gesteigert, so der des Mannes durch Waffen: „He ):taem bat-wearde bunden golde swurd gesealde, J)aet he syööan waes on meodu-bence maöme jjy w e o r ö r a yrfe lafe" 2 . Draus wählte der Fürst für den Wächter des Boots Ein vergoldetes Schwert; g r ö ß e r e A c h t u n g Verlieh auf der Metbank dem Manne seitdem Das alte Erbstück. Die angelsächsische Dichtung ist reich an solchen kleinen Zügen germanischer Waffenfreudigkeit neben großangelegten, anschaulichen Schlacht1
Vgl. Antiquaries Journal, 1935, S. 109.
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2
„Beowulf", 1900.
Schilderungen. Ureigentümlich gehört die Waffe zu einem Angelsachsen, so daß der Dichter der „Genesis" das erste Elternpaar nicht anders nennt als „wif ond w a e p n e d " (das Weib und der B e w a f f n e t e 1 . UralteSpruchweisheit kündet: gearo sceal(be) guöbord, gar on sceafte, ecg on sweorde, ond ord spere hyge heardum men2 — Bereit sei der Schild, Pfeilspitze im Schafte, die Schneide am Schwert, die Spitze am Speer für den furchtlosen Mann. So kampfeingestellt war der germanische Sinn, daß das Christentum der Waffenfreudigkeit der Angelsachsen kaum Einhalt gebieten konnte. Im Gegenteil, das Volk übertrug seine Vorliebe für Waffen auf die neuen Verhältnisse, indem es den von himmlischen Kräften gespendeten Schutz unter einem kriegerischen Gleichnis ausdrückt: „Mattheus (be) heim, Marcus byrne, Lokos min swurd scarp and scirecg, scyld Johannes wuldre gewlitegod!" 3 (Matthäus sei mein Helm, Markus die Brünne, Lukas mein Schwert, schneidend und scharfkantig, Johannes mein Schild, verziert mit Glorie!). So heißt es in einem alten Reisesegen, fromm und wehrhaft zugleich. Die Hauptwaffen des adeligen Kriegers sind demnach Helm, Brünne, Schwert und Schild. Der einfache Mann kannte davon nur den Schild. Anstatt des Schwertes wurde ihm der Speer in die Hand gegeben. Die Schlacht ist hauptsächlich ein „aescplega" 4 („Eschenspeer-Spiel"), und wird erst, wenn die Adligen eingreifen, zu einem „ecgplega" („Schwertspiel"). Dies findet Bestätigung durch Darstellungen auf dem Runenkästchen von Auzun; eine der Szenen (Die Eroberung Jerusalems) zeigt nur den Anführer mit einem Schwert, die Leute hinter ihm tragen Speere. Auf dem Deckelbild (Egilscene, Tafel 2) sehen wir nur Männer vornehmsten Geschlechts; sie haben Schwert, Schild und Helm, zwei sind sogar mit einer richtigen Brünne bekleidet. 1. Das S c h w e r t . „Gold gerisej) an guman sweorde"6 Gold gehört an eines Mannes Schwert! 1 3 c
2 „Gnomische Sprüche" 203. „Genesis", 195. 4 „Judith", 217. o . Cockeyne, Leechdoms I, S. 391. „Versus Gnomici" 126.
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sagt alte Spruchweisheit. — J u d i t h s K a m p f s c h a r e n ziehen das m i t „reinem Gold ausgelegte S c h w e r t " („scirmaeled swyrd" 1 ), u n d ein Rätsel bezeichnet das Schwert als „ d a s Kleinod in der H a l l e " (maöm in healle) 2 . Alle diese A u s d r ü c k e zeigen deutlich, d a ß n i c h t allein auf die Schärfe der Klinge, sondern vor allem a u c h auf die erlesene F o r m des Schwertgriffes W e r t gelegt wurde. E s h a n d e l t sich bei den angelsächsischen Schwertern u m etwa 80—110 cm lange, eiserne Breitschwerter ( S p a t h a e ) . D a s Schwertkreuz wird aus zwei flach elliptisch gebogenen Metallplatten gebildet, die eine Zwischenlage von Bein u n d Holz m i t d a r ü b e r gelegtem Zierstreifen aus vergoldetem Silber t r a g e n (Abb. 48b). Zwei gleiche, aber schmalere Metallplatten, ebenfalls mit Ziereinlage, befinden sich oben a m Griff gleich u n t e r h a l b des S c h w e r t k n a u fes (Abb. 48a). D e r K n a u f zeigt eine dreieckige F o r m m i t meist ein wenig einwärts geschwungenen Seitenlinien, so d a ß der Ausdruck „cocked-hatp o m m e l " 3 ( D r e i m a s t e r - K n a u f ) n i c h t schlecht gewählt ist. N u r eine kleine Zahl v o n Schwertern ist bis auf unsere Tage g e k o m m e n , da einzig Kriegern von R a n g als letzte E h r u n g ihr K a m p f s c h w e r t mit ins G r a b gegeben w u r d e . Es liegt wohl d a r a n , d a ß ein Schwert mit einer wirklich k a m p f e r p r o b t e n Klinge eine so schätzenswerte K o s t b a r k e i t war, d a ß m a n es gerne vererbte 4 . Dieses V e r m ä c h t n i s war zugleich S y m b o l : m a n vererbte die Klinge, die k a m p f t ü c h t i g e , u n d v e r e r b t e mit ihr Kriegsglück u n d S c h w e r t r u h m . I m m e r u n d i m m e r wieder bezeichnen die angelsächsischen Dichter Schwerter als „ a l t e E r b s t ü c k e " . Als A b r a h a m auf Gottes Geheiß seinen Sohn z u m Opfer darbringen will, zieht er das S c h w e r t : „ g e t e a h ealde lafe — ecg grimetode" 6 E r zog das alte E r b s t ü c k — die Klinge knirschte. I m Beowulfepos werden durchweg die Schwerter als „ u r a l t " u n d als „ E r b s t ü c k " bezeichnet. Von den vielen E r w ä h n u n g e n sei eine hier wiedergegeben: „ H e t f)a eorla hleo in gefetian, heaöorof cyning, Hreöles lafe, golde gegyrede. naes mid G e a t u m J)a sincmaööum selra on sweordes h a d " 6 Zu holen b e f a h l n u n der Heldenkönig, Der H o r t des Adels, Hredels E r b s t ü c k , D a s goldgezierte. I m L a n d der Gauten D a s schönste K l e i n o d i n S c h w e r t g e s t a l t . 1 4 6
2 „Judith", 230. Rätsel 56, 14. Vergl. Stephens, Old Nor. Runic Mon. III, 16. 6 „Exodus" 408. „Beowulf" 2190.
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3
Baldwin Brown, III, 219.
Schon die Worte „Da schwang mancher der Helden das alte Erbstück" („braegd... ealde lafe" 1 ) genügen, um klarzulegen, daß es sich um ein Schwert handelt. Die geringe Anzahl der gefundenen Schwerter hängt sodann auch damit zusammen, daß die Klinge, die einem Thegn (adeligem Gefolgsmann) von seinem Herrn verliehen worden war, nach dem Tode des Beliehenen wieder an den Gefolgsherrn zurückgegeben werden mußte; auch dies ist ein Zeichen der Wertschätzung dieser Waffe! Der Besitz eines guten und goldverzierten Schwertes galt sogar als solch großer Vorzug, daß (in etwas späterer Zeit) mancher Gemeinfreie sich schon allein dadurch — ohne den nötigen Grundbesitz — als zur Thegnschaft gehörig betrachtete und Gesetze2 ernstlich vor dieser Anmaßung warnen müssen! -r, .
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48. G r i f f d e s R i n g s c h w e r t e s „ „ „ v o n G i l t o n . f a u s s c t t Coli.,
angelsächsische Schwerttypen im SchriftLiverpool tum nachzuprüfen. Das Heldenepos Beowulf gibt uns reiches Material in einer Fülle von Hinweisen, die nicht immer leicht zu deuten sind: Drei Schwerter stehen im Mittelpunkt der Erzählung, nämlich das „ G r e n d e l s c h w e r t " , das Schwert „ H r u n t i n g " , das dem ,,{>yle", dem geheimnisvollen „Kultredner" des Königs, gehört, und drittens Beowulfs eigenes Schwert „ N a e g l i n g " . Vor allem wird uns von dem Schwert, das Beowulf in der Grendelhöhle entdeckt 3 , so viel des Merkwürdigen berichtet, daß es zunächst wie ein wirres Phantasiegebilde anmutet. Dieses G r e n d e l s c h w e r t ist in seinem hellen Glanz „gut und schmuck" (god and geatolic), die „auserkorenste der Waffen" (waepna cyst) und ein „Werk der Riesen" (giganta-geweorc). Die K l i n g e aus „bestem Eisen" (irena cyst) ist „mit ineinandergeflochtenen Zeichen versehen" (brogden-mail)4 und deshalb „wurmbunt" (wyrmfah) 6 . Vor allem ist der Griff kostbar; er ist verfertigt „aus reinem Golde" (scriran goldes)8, und es befindet sich eine figürliche Darstellung darauf: 1 4 6
6
2 Liebermann II, 2, S. 645. 3 „Beowulf'', 1557 ff. ued 1667 ff. „Beowulf", 795. mail = Zeichen. Eine neuengl. Entsprechung: mole = Muttermal. „wyrmfah" kann sich auf den Griff beziehen. Die angeführten Stellen: „Beowulf" 1697, 1616, 1698. „Beowulf", 1694.
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. . . on J)aem waes or writen fyrn-gewinnes. syööan flod ofsloh, gifen geotende giganta cyn 1 . . . .Dort sah m a n eingegraben Der Urzeit Freveltaten; alsdann verschlang die Flut, D a s strömende Wasser das Volk der Giganten. Auch sind Runen ( „ r u n - s t a f a s " ) auf dem H e f t zu sehen, die den Namen dessen angeben, für den die Klinge verfertigt und der Griff „ g e w u n d e n " („wreoöen") 2 wurde. An anderer Stelle wird der Griff bezeichnet als „hringm a i l " (mit einem Ring versehen), was in Greins „ W o r t s c h a t z " gedeutet wird mit „annulo capuli instructus". Auch ist der Griff „fetel-hilt" 3 ; Grein erläutert diesen Ausdruck: „ c a p u l u m balteo instructum". Diese verwirrende Vielheit der Ausdrücke muß nun im einzelnen auf ihre Bedeutung hin nachgeprüft werden. Sie zerlegen sich in zwei G r u p p e n : die erste die Klinge betreffend und die zweite den Griff. Die Verzierung der K l i n g e („mit ineinandergeflochtenen Zeichen vers e h e n " ; „ w u r m b u n t " ) ist jedenfalls als Damaszierung aufzufassen, und zwar als sogenannte ,,falsche D a m a s z i e r u n g " , die aus einem Zusammenschweißen von Eisen und Stahl besteht. So damaszierte Schwerter wurden seit der Völkerwanderung von R o m aus nach allen germanischen Gebieten exportiert; Moorfunde enthalten manche Klinge mit „geflochtenem" oder „ w u r m a r t i g e m " Muster. Der Ausdruck „ w u r m b u n t " läßt sich belegen durch ein Schreiben Theoderichs und Thrasamund, worin er für die ihm übersandten Schwerter dankt. Mehr noch als die reichgeschmückten Goldgriffe seien ihm die Klingen wert mit der reizvollen Wirkung krauser Schlangenwindungen an der Hohlkehle und dem sich daraus ergebenden bunten Farbenwechsel: „ I h r e Mitte ist mit schönen Vertiefungen ausgehöhlt, in denen sich W u r m f i g u r e n zu kräuseln scheinen (quibusdam videntur crispari posse v e r m i c u l i s ) ; dort ist der Schatten von solcher Mannigfaltigkeit, daß m a n wirklich glaubt, das helle Metall sei wie mit verschiedenen F a r b e n gewebt" 4 . Wenn es sich hier u m die falsche Damaszierung handelt, so wird mit dem „Grendelschwert" ein Schwert römisch-fränkischen Imports gemeint sein. D a s Wort „ein Werk der Riesen", womit in E n g l a n d gern bauliche Überreste aus römischer Herkunft bezeichnet werden, würde darauf hindeuten. D a aber bei Beschreibung des Griffes typisch angelsächsische Eigentümlichkeiten aufgezählt werden, möchte m a n annehmen, daß die Damaszierung im L a n d e entstand — wenn nicht etwa ein Schwertgriff in heimischer Arbeit auf eine importierte Klinge aufgesetzt worden ist. Beachtenswert ist der 1 4
3 „Beowulf", 1564. „Beowulf", 1689. » „Beowulf", 1698. Cassiodor Var. lib. V epist. 1. ed. Momrasen. Auct. ant. X I I S. 143.
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U m s t a n d , d a ß das „ G r e n d e l s c h w e r t " n i c h t das einzige d a m a s z i e r t e Schwert im altenglischen S c h r i f t t u m ist. Vielmehr wird das F l a m m e n s c h w e r t des Engels v o m Paradisestor ganz ähnlich beschrieben: . . .heard-ecg cwacaj), beofaö brogden-mail a n d bleom wrixleö 1 . . . . Das hartschneidige Schwert z i t t e r t , das geflochten gezeichnete, u n d wechselt d e n Schein der F a r b e n . Weiter u n t e n , anläßlich des Schwertes H r u n t i n g , wird die Rede d a v o n sein, d a ß auch eine a n d e r e Art D a m a s z i e r u n g in F r a g e k o m m e n k ö n n t e . — W i r b e t r a c h t e n n u n den G r i f f des Grendelschwertes. Die R u n e n i n s c h r i f t m i t d e m N a m e n des Besitzers befindet sich „ o n ] j a e m scennum sciran goldes" („auf den — ? — von reinem Gold"). Ü b e r die B e d e u t u n g des W o r t e s „ s c e n n " (Schiene?) ist noch keine Einigung erzielt. E s ist im D a t i v Pluralis geb r a u c h t , weist also auf zwei gleiche Teile hin. Das k ö n n t e n n u r die zwei Zierstreifen zwischen den Metallringpaaren (Abb.48 a, b) sein oder die beiden S c h m u c k p l ä t t c h e n , die vorn u n d h i n t e n den K n a u f bekleiden. I c h m ö c h t e mich f ü r das letztere entscheiden, d a ein bei Ash (Kent) a u f g e f u n d e n e s Schwert dort eine Runeninschrift a n g e b r a c h t h a t . Die R u n e n i n s c h r i f t e n sind meist nicht zu deuten. So weist das schöne Schwert von Chessel D o w n die unverständliche Inschrift „Aekosoeri" auf (Taf. 26 u. 27). Bei d e m Grendelschwert s t e h t der N a m e des Besitzers aufgezeichnet; d a f ü r finden wir viele Beispiele (meist n i c h t in R u n e n ! ) bis hin zu dem ber ü h m t e n J u w e l Alfreds: „Aelfred tnec h e h t g c w y r c a n " . (Manchmal steht a u c h der N a m e des Verfertigers angegeben; m a n c h m a l beide: „ A e t h r e d mec ah E a n r e d m e c a g r o f " = A e h t r e d besitzt mich, E a n r e d m a c h t e mich.) Zweitens befindet sich auf d e m Griff eine f i g ü r l i c h e D a r s t e l l u n g , nämlich der K a m p f der Riesen gegen G o t t ; sie k ö n n t e gut auf den beiden Zierstreifen, oder wenigstens auf d e m meist größeren u n t e r e n , gearbeitet sein. Die Technik ist nicht ersichtlich, denn „ a w r i t e n " k a n n , wie wir m e h r m a l s bezeugten, ebensogut eine eingeritzte F i g u r e n d a r s t e l l u n g (vergl. Cuöberht-Sarg) wie eine e r h a b e n gearbeitete sein. N u n sind aber Schwerter m i t figürlichen Darstellungen nicht g e f u n d e n worden, höchstens wachsen zoomorphe oder a n t h r o p o m o r p h e Bildungen aus den Beschlägen des K n a u fes heraus. E i n Z u s a m m e n b r i n g e n von R u n e n u n d figürlichen Darstellungen ist zwar u m 700 möglich, das zeigt das R u n e n k ä s t c h e n v o n A u z u n . I c h m ö c h t e aber die ganze Schilderung Vers 1688—1693 f ü r eine christliche Z u f ü g u n g halten, die den Zweck h a t , dieses Riesenschwert als fluchbeladen hinzustellen 2 . — E s bleiben noch die A u s d r ü c k e „ w r e o ö e n " (gewunden, ge1
„Elene", 757.
2
Vergl. Klaeber in Anglia, 35, S. 261.
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dreht), „hring-mail" und „fetel-hilt" (mit einem „ R i n g " , einer „Fessel" versehen) zu besprechen. Der Kern eines Schwertgriffes besteht, wie das Schwert von Cumberland deutlich zeigt (Tafel 28), aus Holz oder Bein; vier Vertiefungen laufen rund herum, sind gleichsam durch das Auflegen der Finger hineingepreßt, so daß drei Erhöhungen entstehen. Diese Erhöhungen werden mit ringförmigem, oft edelsteinbesetztem Goldzierat versehen; auch in die Vertiefungen werden schmale, weniger kostbare Metallstreifen hineingehämmert. So sieht der Griff aus, als ob er „gedreht" sei — wir kennen j a die Vorliebe der Angelsachsen für gedrehte Formen! „Hring-mail" und „fetel-hilt" deuten eine sehr merkwürdige Erscheinung an, wie sie das Gilton-Schwert (Abb. 48) zeigt. E s ist ein „Ringschwert", wie es zwar vereinzelt auf dem Kontinent gefunden worden ist (so in Kastel bei Mainz), aber doch in England in solch besonderen Formen gearbeitet wurde, daß es Baldwin Brown für „eine allem Anschein nach englische Erfindung" hält 1 . Während nämlich in anderen germanischen Ländern der Ring fest mit einer Öse zusammengeschmolzen, also nutzlos ist, bewegt sich bei englischen Schwertern der Ring l o s e in d e r O s e s p i e l e n d ; man kann durch diesen Ring einen Riemen ziehen, und das Schwert beim Herausziehen aus der Scheide am Handgelenk befestigen. Nur dieses e n g l i s c h e Ringschwert ist „fetelhilt", d. h. es hat einen „Griff mit einer Fessel". Hier ist eine für die Datierung des „Beowulf" wichtige Feststellung zu machen. Nach 0 . M. Dalton 2 beginnt um 600 der Ring zu erstarren und mit der Ose zu verschmelzen. Um 700 sind die R i n g s c h w e r t e r a u s E n g l a n d v e r s c h w u n den 8 . Nehmen wir an, daß „Beowulf" zugleich mit den Hochkreuzen, den großen Kirchenbauten, dem Lindisfarne-Evangeliar zur Zeit der northumbrischen Blüte abgefaßt worden ist, so konnte damals ein Ringschwert mit einem „Fesselgriff" noch bekannt sein, wenn es als „altes Erbstück" vom Vater dem Sohn vermacht worden war. (Ein Ringschwert „hringmaeled sweord" ist außer im Beowulf in der Genesis Vers 1992 erwähnt.) Das zweite wichtige Schwert des Beowulfepos „ H r u n t i n g " („Stößer"), jene dem Beowulf vom „Jsyle" geliehene Waffe, ist ebenfalls ein Ringschwert mit losem Ring, als „haeft-mece" (Fessel-Schwert) bezeichnet. Infolgedessen wird es auch als „foran eald-gestreona" („das vortrefflichste unter alten Besitztümern") hingestellt. E s wird von Hrunting gesagt: Ecg waes iren, atertanum fah 4 . Die Klinge war aus Eisen, geätzt mit Gift. 1 2 3
4
Baldwin Brown, III, S. 221. British Mus. Guide to Anglo-Sax. Antiquities, S. 49. In Skandinavien ebenfalls. Vgl. K. Stjerna: Essays on Beowulf, London 1912, S. 27. Der erstarrte Ring ist auf den Platten des Torslunda Helms zu sehen. Eine Riemenfessel ist hier nicht vorhanden. „Beowulf", 1459.
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„Ater" ist nach Grienberger als Ätzflüssigkeit aufzufassen, und „tan" als Zweig. Es handelt sich demnach um eine rankenartige Verzierung der Klinge durch Giftsäure, also um eine D a m a s z i e r u n g d u r c h Ä t z u n g . Sie wird dadurch bewirkt, daß man den Stahl mit Wachs überzieht, Figuren hineinritzt und sie ätzt 1 . Auch so kann eine „wurmbunte" Klinge entstehen. — An anderer Stelle wird Hrunting „wunden-mael wraettum gebunden" genannt, d. h. es hat auf dem Griff eine „gewundene Zeichnung mit Zierat ausgelegt", ein Tierornament mit Cloisonarbeit. Das Schwert von Cumberland (Tafel 28) zeigt noch die Reste von Granateinlagen und Filigranverzierung (7. Jahrhunderts), das Schwert von Chessel Down ein Tierornament (Tafel 26). Bemerkenswert ist Beowulfs eigenes Schwert „ N a e g l i n g " (Naglung"); es ist „gamol ond graegmael" 2 („alt und graugezeichnet"). Hierbei ist nicht ersichtlich, ob die graue Musterung der Klinge durch Damaszierung entstanden ist, oder ob Nägel die Verzierung hervorbringen. Wir besitzen zwar keine angelsächsischen Schwerter mit Nagelzier, aber der Name des Schwertes könnte solche Schmuckweise andeuten. „Naegled sine" 3 , d. h. mit Ziernägeln besetzter Schmuck war anscheinend beliebt. Die Klinge Naeglings weist wieder Gold- und Edelsteinschmuck auf: sie ist „hyrsted" („schön ausgestattet"). Eine Verzierung ganz anderer Art, nämlich eine Beineinlage am Griff, zeigt ein Schwert, das der hl. Columba schenkt: „macheram belluinis ornatam dolatis dentibus". Wenn es auch unmöglich ist, bei der Vieldeutigkeit der altenglischen Wörter das Aussehen der obengenannten Schwerter bis in alle Einzelheiten genau festzulegen, so läßt sich doch klar erkennen, daß die angelsächsischen Schwerter nach germanischer Werktradition hergestellt wurden, und daß sie eine Besonderheit in der Ausbildung des „Ringschwertes" entwickelten. — Die S c h w e r t s c h e i d e wird nur nebensächlich erwähnt in Worten wie „Die Helden zogen aus der Scheide das Ringschwert" (Handum brugdon haeleö of scaeöum hringmailed sweord)4, doch wissen wir aus Funden, daß die Schwertscheide hübsch verziert, vor allem mit einem kostbaren Ortband versehen war. Die B r ü n n e . Die Brünne („byrne") wird urkundlich zum erstenmal in einem gegen Ende des 7. Jahrhunderts entstandenen Gesetz König Ines von Westsachsen erwähnt. Es schreibt als Sühne für einen Mord eine bestimmte Abgabe an Land vor und gibt für den, der kein Land besitzt, folgenden Zusatz: „So darf man auf dies Wergeid, wenn man (durch Armut) muß, in jeder der Hundertzahlen (der Schillingssumme desWergelds je) einen 1
2
Geätzte Waffen sind auch im Norden bekannt. Vgl. „eggjar . . . eitrdropom innan faftar" (Brot af Siguröarkviöu, 20). 3 „Beowulf", 2023. 4 „Genesis", 1991. „Beowulf", 2682.
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Sklaven und eine B r ü n n e und ein Schwert einzahlen" („J)onne mot hegesellan on Jiara hyndenna gehwelcere monnan ond b y r n a n ond sweord on J)aet wergild, gif he öyrfe" 1 ). Wir entnehmen daraus, daß ein Mann, eine Brünne und ein Schwert zusammen einen Wert von hundert Schillingen haben. Da ein Sklave allein 60 Schillinge wert ist, so darf man annehmen, daß es sich um Waffen geringer Arbeit ohne Gold- und Silberverzierung handelt. Wichtig ist für uns die Feststellung, daß Brünnen um 700 nicht so selten waren, wie man den geringen Fundstücken nach annehmen könnte — nur zwei Brünnen, oder besser gesagt deren klägliche Reste, sind in England bis jetzt gefunden worden! Die vielen schriftlichen Hinweise beziehen sich freilich nicht alle auf wirkliche Eisenbrünnen. Wenn z. B. Beowulf, mit 30 „Kampfrüstungen" („hilde-geatwe" 2 ) am Arme, schwimmend entweicht, so mögen dies — selbst bei Berücksichtigung der epischen Übersteigerung — nur Schutzkleider aus Leder oder Wamse mit aufgenähten Ringen gewesen sein. Von einer wirklichen Eisenbrünne spricht dagegen Aldhelms Rätsel „ D e Lorica": „Taufeuchte Erde erzeugte mich in ihrem eiskalten Innern, Und ich bin nicht gemacht aus zottigem Wollenvlies" 3 . Die Brünne der damaligen Zeit ist die R i n g b r ü n n e , die „lorica h a m a t a " . Zweimal wird im Beowulf ausdrücklich die „ h r i n g e d byrne" 4 („die aus Ringen gefertigte Brünne") genannt. Es scheint eine kürzere, enganliegende Form, das „Brustnetz" („breost-net" 6 ) und eine „weite, lange Brünne" („sid byrne" 6 ) gegeben zu haben. Ausdrücke wie „eiserne, graue Brünne" („iren-byrne, har byrne, graeg syrce") machen auf das Material besonders aufmerksam. Auf die Herstellungsart weist hin „das geflochtene Brustnetz" („breostnet brogden") und „die handgeflochtene Kampfbrünne" („guöbyrne hondlocen") 7 . — Wenn die „Panzerkrieger" („byrn-wigan") durch die Halle gehen, klirren die Ringe: „Syrcan hrysedon" 8 . Die Führer tragen Brünnen kostbarer Art. So hat Holofernes . . .side byrnan, gerenade readum golde" 9 . „Eine weite Brünne, geziert mit rotem Gold." Beowulfs Brünne ist von ganz besonderem künstlerischen Wert, nämlich: beadu-scruda betst. . . hraegla seiest. Jjaet is Hreölan l a f W e l a n d e s geweorc 10 . 2 „Beowulf", 2362. i Liebermann, Ges. I, S. 115 (Nr. 54,1) 3 Aldhelm, Ed. Ehwald, S. 111. Eine Übersetzg. gibt d. ags. Rätsel Nr. 36. Aldhelm stirbt 709. 4 „Beowulf" 1245 und 2615. 6 Beowulf 1548. 6 „Beowulf" 1291. 8 „Beowulf" 226. 9 „ J u d i t h " , 339. 1 0 „Beowulf", 453. ' „Beowulf" 322.
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D a s beste K a m p f k l e i d . E s ist Hredels E r b e und W i e l a n d s Werk. F r a g e n wir u n s n u n , auf welche Weise die B r ü n n e n „ g o l d v e r z i e r t " („golde gegyrved" 1 ) sind, so müssen wir an aufgesetzte O r n a m e n t e u n d Buckel, a u c h a n b l i n k e n d e B r u s t p l a t t e n , denken. Manche der vielen kleinen Zierb l ä t t c h e n , die lose in G r ä b e r n liegen, h a b e n ehemals eine n u n längst vermoderte Brünne geschmückt. Die Darstellungen des R u n e n k ä s t c h e n s von A u z u n zeigen ebenfalls n u r R i n g b r ü n n e n , u n d zwar solche von k u r z e r F o r m . So darf m a n a n n e h m e n , d a ß die kurze B r ü n n e allgemeiner war, u n d d a ß die zweimal i m „ B e o w u l f " e r w ä h n t e n u n d in „ J u d i t h " b e s t ä t i g t e n „weiten, langen B r ü n n e n " Ausn a h m e s t ü c k e bildeten. — Einige J a h r h u n d e r t e s p ä t e r ist auf d e m „ T e p p i c h v o n B a y e u x " n u r noch die lange F o r m des P a n z e r s abgebildet, u n d die „lorica h a m a t a " wird v o n der n u n neu a u f t r e t e n d e n „lorica s q u a m a t a " (Schuppenpanzer) d u r c h verschiedene L i n i e n f ü h r u n g u n t e r s c h i e d e n ; das große Gewicht des S c h u p p e n p a n z e r s ist d a d u r c h gekennzeichnet, d a ß zwei M ä n n e r eine e r b e u t e t e B r ü n n e über einer Stange d a v o n t r a g e n müssen, — das w a r bei den R i n g b r ü n n e n v o n 700 nicht notwendig gewesen! I m m e r h i n gaben auch diese g u t e n S c h u t z , wie es folgende Dichterverse bezeugen, die Germanisches neben Christliches setzen: H a e f d e pa forsiöod sunu EcgJjeowes, . . . n e m n e h i m heaöo-byrne helpe gefremede here-net hearde, ond haiig god 2 . Geendet h ä t t e da Ecgtheows Sohn, . . .wenn nicht die B r ü n n e i h m H ü l f e gewährte, das gute Heernetz, u n d der heilige G o t t . D e r H e l m . Der H e l m , der a n W e r t dem Schwerte a m n ä c h s t e n s t e h t , wird i m 7./8. J a h r h u n d e r t n u r v o n h e r v o r r a g e n d e n Kriegern getragen. Beowulf ist „ d e r K ü h n e u n t e r dem H e l m " ( „ h e a r d a u n d e r helme"), u n d wenn seine Krieger als G e s a m t h e i t „ H e l m t r ä g e r " ( „ h e l m b e r e n d " 3 ) g e n a n n t werden, so soll das a n d e u t e n , d a ß sich hier eine auserlesene M a n n s c h a f t z u s a m m e n g e f u n d e n h a t . I n den angelsächsischen Gesetzen wird aber der H e l m n i c h t vor dem 10. J a h r h u n d e r t e r w ä h n t . — Die angelsächsischen H e l m e des 7./8. J a h r h u n d e r t s sind B a n d h e l m e , ähnlich wie sie s c h o n i n altgermanischer Zeit getragen w u r d e n . Sie bestehen, wie der H e l m v o n C h e l t e n h a m zeigt, aus g e k r e u z t e n eisernen oder b r o n z e n e n B ä n d e r n , die u n t e n in regelmäßigen A b s t ä n d e n a n einem Stirnreif befestigt sind, u n d oben i m S c h n i t t p u n k t d u r c h eine r u n d e P l a t t e , g e k r ö n t v o n einem K n a u f oder einer Figur, z u s a m m e n g e h a l t e n werden. Die Z w i s c h e n r ä u m e sind m i t 1
„Beowulf 553.
2
„Beowulf" 1550.
3
„Beowulf" 2517.
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Leder oder Hornplatten ausgefüllt. Natürlich boten diese Helme nur massigen Schutz, und man suchte Verbesserungen anzubringen. So verschenkt König Hrothgar einen Helm: Ymb {jaes helmes hrof heafod-beorge wirum bewunden w a l a utan heold, J)aet him fela laf frecne ne meahte 1 . Um des Helmes Dach, das Haupt zu schützen, Lief ein dichter Reifen, mit Golddraht umwunden, Daß der Feilen Nachlaß (Schwert) Gefahr nicht bringe. Der Helm hat also einen Wulst („walu"), ein besonders festes, ringförmiges Band, das den unteren Abschluß verdoppelt. Zur Zier ist Filigranarbeit darauf angebracht. Mehr Zierde als Abwehrmittel bedeutet die „Herrenbinde" („freawrasn"), mit der Beowulfs eigener Helm umgeben („befongen") 2 ist. Hier ist also die Hauptbinde, ein schon an anderer Stelle erwähntes diademartiges Band, um den Helm gesetzt, zur Kennzeichnung des Führers auch auf dem Kampffeld. Die Sitte ist vielleicht zur Zeit der Abfassung der Beowulfdichtung schon überlebt, denn es wird besonders erwähnt, daß „ein Wafl'enschmied aus T a g e n d e r V o r z e i t diesen Helm verfertigt" habe („swa hine fyrndagum worhte waepna smid") 3 . Der Hinweis, daß etwas alt sei und aus früheren Zeiten stamme, bedeutet aber stets keine Geringschätzung, sondern im Gegenteil eine W e r t e r h ö h u n g . — „Brun-fah" 4 , das heißt .,in metallenem Glanz dunkel leuchtend" wird der Helm genannt, weil er aus Eisen ist; vielleicht gibt auch die Bezeichnung „ h w i t " (weiß, hell) den hellen Schimmer des vom „feormiend" 8 („Reiniger") blank geputzten Stückes an. „Goldbunt" ist aber der Helm wegen der aufgesetzten Verzierungen. Sie sind mit Nieten festgehalten und fallen leicht ab, besonders im Getümmel des Kampfes: Sceal se hearda heim hyrsted golde factum befallen 6 . Es soll dem harten Helm, dem goldbesetzten, Das Goldblech entfallen. Uber die Art der Verzierung erfahren wir genauere Einzelheiten: . . . e o f o r - l i c scionon ofer hleor-bergan gehroden golde fah ond fyr-heard 7 . 1 6
„Beowulf" 1030. „Beowulf", 2256.
206
2 6
„Beowulf 1451. „Beowulf 2255.
3 7
„Beowulf" 1451. „Beowulf" 303.
4
„Beowulf" 2615.
Die E b e r b i l d e r aus Gold, Die feuergehärteten, funkelten hell Ob den Wangenbergen. Das E b e r z e i c h e n ist's, das die Angelsachsen als Ingväonen am Helm tragen, das Abbild Gullinburstis, Ing-Freyrs goldborstigem Tier. In heidnischer Zeit hatte ihnen der Eber auf dem Helm Schutz im Kampfe gespendet, „daß geschwungene Schwerter nicht schaden konnten" 1 . Nun mochten sie das liebgewordene Symbol nach der Einführung des Christentums nicht missen und behielten es bei, sei es als Schmuck, sei es als Talisman. Eberbilder am Helm müssen zeitweise so allgemein üblich gewesen sein, daß „ E b e r " („eofor") als Synonym für „ H e l m " gesetzt wird, z. B. „als die Streiter die Eber zerhieben" (fionne feöan eoforas cnysedan) 2 ; ferner: den Scheiterhaufen Hnäfs ziert seine Brünne und „ d a s goldene Schwein, der eisenfeste E b e r " (,,swyn eal-gylden, eofor irenheard") 3 . Nicht nur im „Beowulf", sondern auch in „Elene" (einem Epos wohl aus der Mitte des 8. Jahrhunderts) sind Eberhelme erwähnt. Da schläft Kaiser Konstantin vor der Schlacht inmitten seiner Krieger und: he of slaepe onbraegd eoforcumble bej)eaht 4 Er fährt vom Schlafe auf, vom Eberzeichen überdacht, d. h. mit dem Eberhelm auf dem Haupt. Daß diese schriftlichen Hinweise auf Wahrheit beruhen, ist durch den Fund des Helmes von Benty-Grange (Derbyshire) bewiesen (Abb. 49). Es ist ein Bandhelm, der als Bekrönung auf dem Scheitelpunkt einen aus Eisen geschnittenen Eber mit Bronzeaugen trägt. Der Nasenschutz ist bemerkenswerterweise mit einem silbernen Kreuz versehen. Der Helm stammt also, wie das Beowulfepos selbst, aus einer Zeit, wo das Christentum noch nicht ganz die alten Götter verdrängt hatte. So wird mancher angelsächsische Helm, wie der von Benty-Grange, ein mehr oder weniger rundplastisches Eberbild als Bekrönung der Spitze getragen haben, als „swin ofer helme" 6 . Doch kann man aus anderen Hinweisen entnehmen, daß einige Helme mit reliefierten Goldplatten besetzt waren oder auch mit kleinen, aus Goldblech geschnittenen Eberfiguren. Von Beowulfs Helm wird berichtet, daß ihn der „waepnasmijo" (der also auch die Goldverzierungen besorgt — oder nur aufsetzt ?) „mit Eberbildern besetzt" habe („besette swinlicum" Instr. PI.! 6 ). 1 1 6
2 „Beowulf", 1328. „Beowulf" 1450. „Elene" 76. Vergl. auch Vers 259 und 25. 9 „Beowulf" 1453. „Beowulf" 1286.
3
„Beowulf", 1111.
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E s ist, wie die Verse aus Cynewulfs E l e n e u n d das F u n d s t ü c k v o n B e n t y Grange einwandfrei e r h ä r t e n , nicht notwendig, die E b e r h e l m e im Beowulf als eine Reminiszenz a u s der alten Ostseeheimat der Angeln aufzufassen 1 . E s sind zwar schöne E b e r h e l m e in Skandinavien auf den T o r s l u n d a P l a t t e n dargestellt, a b e r im Norden hören die E b e r h e l m e m i t dem Beginn des 7. J a h r h u n d e r t s a u f , w ä h r e n d in E n g l a n d E b e r h e l m e bis zu Cynewulfs Zeit üblich sind. Der H e l m v o n B e n t y - G r a n g e wird auf etwa 650 bis 700 anzusetzen sein. — B e t r a c h t e n wir die beiden in E n g l a n d g e f u n d e n e n H e l m e (Cheltenham u n d B e n t y - G r a n g e ) genauer, so sehen wir A n s a t z p u n k t e f ü r W a n g e n s c h u t z stücke ( „ h l e o r b e r g a n " ) , wie d e n n a u c h zugleich m i t d e m H e l m v o n B e n t y Grange eine Menge abgefallener Schnallen, Verzierungen u n d Nieten gef u n d e n w o r d e n sind. Wir müssen die H e l m e so ergänzt denken, d a ß sie m i t Nasen- u n d W a n g e n s c h u t z eine Art L a r v e bildeten, d e n n „ g r i m a " (Maske, Larve) ist neben „ e o f o r " die gebräuchlichste U m s c h r e i b u n g f ü r „ H e l m " , auch in den Z u s a m m e n s e t z u n g e n „ h e r e - g r i m a " (Heeresmaske) u n d „beadog r i m a " ( K a m p f l a r v e ) . D u r c h Spangen u n d Schnallen w u r d e der H e l m fest u n t e r dem K i n n geschlossen: „ g r i m - h e l m gespeon, cyning cinberge" 2 E s spengte der König den Helm, seine Kinnberge. U n d von S a t a n h e i ß t es, d a ß er den „ H e h l h e l m " aufsetzte u n d ihn „ s e h r fest b a n d u n d mit S p a n g e n s p e n g t e " ( „ f u l h e a r d e geband, speonn m i d s p a n g u m " 3 ) . So l ä ß t sich d u r c h das S c h r i f t t u m , ergänzt durch F u n d e , ein klares Bild eines germanisch-angelsächsischen Helmes ableiten. 4. D e r S a x . „ I h r Sachsen, n e h m t E u r e S a x e " ( „ E u Saxones, nimiö eure Saxes" 4 ), soll der Schlachtruf des Hengist bei seiner A n k u n f t in E n g l a n d gewesen sein. Gern h a t m a n stets bei der Ähnlichkeit der W ö r t e r „ S a x " u n d „ S a c h s e n " a n g e n o m m e n , d a ß diese ihren N a m e n n a c h dem b r e i t e n , e i n s c h n e i d i g e n H i e b m e s s e r , dem Sax, f ü h r t e n . Bemerkenswert ist auch W i d u k i n d v o n Corveys Feststellung : „ D a m a l s aber gebrauchten die Sachsen lange Hiebmesser, derer sich die A n g e l n bis auf den h e u t i g e n T a g bedienen, g e m ä ß der S i t t e ihrer V o r f a h r e n " 6 . Tatsächlich ist der kurze, messerähnliche S a x in der Größe v o n 9 bis 15 cm in unendlich vielen E x e m p l a r e n in angelsächsischen G r ä b e r n aller Perioden g e f u n d e n worden 6 , dagegen weit weniger Waffen, die d e m C h a r a k t e r u n d der Größe des S c r a m a s a x oder dessen schmalerer Ausbildung, d e m L a n g s a x , entsprechen. B e k a n n t ist 1 4
6 8
2 3 Vergi. K. Stjerna, a. a. O., S. 16. „Exodus" 174. Genesis 444. Nennius, Historia Britonum, ed. Mommsen Auct. ant. XIII, S. 189. Vergi, auch Hoops, a. a. 0 . Artikel „Sachsen", Das Wort „Sax" deutet auf ein ehemaliges Steinmesser hin. Widukind I, c. 6. Es zeigt dies die konservative Art der Angelsachsen. z. B. Bifrons, Saxby, Saffron Waiden.
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der in der Themse gefundene Scram a s a x , auf d e m das ganze R u n e n a l p h a b e t („FuJjorc") eingegraben ist, wahrscheinlich zwecks magischer B i n d u n g . E r s t a m m t von 800 u n d ist beinahe schon so groß wie ein Schwert. Die Entwicklungsgeschichte des Sax g e h t d e m n a c h so, wie es Baldwin B r o w n kurz u n d treffend s a g t : „ E r fing an wie ein Messer u n d wurde s p ä t e r zu einem Schwert v e r g r ö ß e r t " 1 . D a ß W i d u k i n d v o n Corvey den angelsächsischen Sax m i t dem W o r t „ o u l t e l l u s " („Messer") bezeichnet, h a t seinen G r u n d darin, daß der in49. H e l m v o n B e n t y G r a n g e sulare Sax eine selbständige E n t (Sheffield) wicklung a u f w e i s t : f a s t alle in Gräbern a n g e t r o f f e n e n Stücke, v o m kleinen Messer bis z u m s c h w e r t a r t i g e n Scramasax von 77 cm Länge, haben eine gerade F o r m , n i c h t eine geschweifte wie die Saxe des K o n t i n e n t s . Der Griff hingegen ist der gleiche wie a u f dem K o n t i n e n t u n d b e s t e h t aus Holz oder Bein. Mehr als einmal sind in die Griffe figürliche Darstellungen hineingeritzt, die einen H u n d auf der J a g d hinter einem Wild zeigen, K o p i e n n a c h römischen Vorbildern. K o s t b a r e r ist ein Sax geschmückt, den m a n in K i n g s t o n D o w n (Kent) g e f u n d e n h a t ; er weist einen silbernen Griff a u f , der mit rechteckigen Streifen einer weißen Masse b e s e t z t ist. Die W e r t s c h ä t z u n g des S a x l ä ß t sich in zwar n i c h t vielen, aber treffenden A n f ü h r u n g e n aus der L i t e r a t u r e r h ä r t e n . Z u n ä c h s t sei von d e m k l e i n e n , m e s s e r f ö r m i g e n S a x die Rede, der im Notfall eine Waffe abgeben k o n n t e , aber auch zu allen möglichen Zwecken des täglichen Lebens g e b r a u c h t wurde, wie die in den Glossaren a u f g e f ü h r t e n K o m p o s i t a „laece-seax" (chirurgisches Messer), „ n a e g l - s e a x " (Nagelmesser), „scear-seax" (Rasiermesser) v e r r a t e n . Der kleine Sax ist geradezu u n e n t b e h r l i c h . So h i l f t er ein Schreibrohr oder eine Schreibfeder schneiden: . . .Jpaet is w u n d r e s dael, on sefan searolic J)am J)e swylc ne conn h u mec s e a x e s ord o n d seo swijpre h o n d . . .J)ingum gejjydan Jmet ic wij) ]pe sceolde for u n c a n u m t w a m aerendspraece a b e o d a n bealdlice 2 . 1
Baldwin Brown, III. S. 226. 14
2
Bätsei, 61,10.
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D a s ist der W u n d e r eins U n d seltsam zu d e n k e n dem, der solches n i c h t k a n n , W i e des S a x e s Spitze u n d des Mannes R e c h t e . . . mich zu den Dingen zwangen, d a ß ich zu dir sollte F ü r u n s beide allein B o t s c h a f t s s p r a c h e K ü h n l i c h entbieten. Oder der Sax schneidet das Leder z u m B u c h e i n b a n d z u r e c h t : H e a r d mec sijajian snaö s e a x e s ecg s i n d r u m b e g r ü n d e n 1 H a r t schnitt mich d a n n Die Schärfe des Saxes m i t Kieseln geschliffen. Eine größere Waffe, von der breiten F o r m des Scramasaxes, ist der Sax, den eine Unholdin (Grendels Mutter) im K a m p f m i t Beowulf g e b r a u c h t : Ofsaet J}a |)onne sele-gyst ond h y r e s e a x e g e t e a h , b r a d ond b r u n - e c g . . . 2 Sie kniet auf i h m nieder u n d zieht i h r e n S a x , breit u n d mit glänzender Klinge. Man wäre wohl geneigt, eine derartige Waffe in F r a u e n h a n d als D i c h t e r p h a n t a s i e anzusehen. Aus der T a t s a c h e aber, d a ß in Folkestone in einem F r a u e n g r a b ein Sax m i t breiter Klinge g e f u n d e n w u r d e , k a n n m a n folgern, d a ß a u c h F r a u e n die Saxwaffe zu schwingen v e r s t a n d e n . — M ä n n e r t r u g e n den Sax zugleich m i t d e m Schwert. Als Beowulfs zweischneidige S p a t h a im K a m p f e m i t dem D r a c h e n zerbirst, zieht er den S a x als w i r k s a m e W a f f e : waell-seaxe gebraed, biter ond beadu-scearp, jjaet he on b y r n a n waeg 3 . er schwang seinen Sax, b i t t e r u n d k a m p f s c h a r f , den er a n der B r ü n n e t r u g . I n der T a t zeigen in K e n t g e m a c h t e G r a b f u n d e , d a ß ein Sax in einer kleineren Scheide befestigt w a r a n einer größeren Scheide, die ein Schwert enthielt. B e a c h t e n s w e r t ist ein Bericht Bedas ü b e r einen Mordanschlag a u f K ö n i g E d w i n von N o r t h u m b e r l a n d im J a h r e 626. Der Mörder „ h a t t e einen zweischneidigen, vergifteten Dolch (sicam) bei sich" 4 , w a s in Alfreds Ü b e r s e t z u n g h e i ß t : „ h a e f d e he m i d hine twi-ecge h a n d s e a x g e a e t r e d " . So lang ist dieser Sax, d a ß er einen Thegn, der sich schützend vor den König stellt, d u r c h b o h r t u n d noch obendrein den d a h i n t e r s t e h e n d e n König v e r l e t z t , eine 1
Rätsel, 27,6.
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2
„Beowulf" 1545.
3
„Beowulf" 2703.
4
Hist. Eccl. II, 9.
„ s c h a n d b a r e W a f f e " ( „ m a n f u l w a e p e n " ) . F ü r dies K u r i o s u m eines z w e i s c h n e i d i g e n Saxes gibt es einen Beleg. „ E i n v e r m u t l i c h einzigartiges S t ü c k " , sagt Baldwin Brown, „ w u r d e in C o o k h a m a n der T h e m s e g e f u n d e n ; es ist ein richtiger zweischneidiger Dolch m i t einer Mittelrippe u n d einer Ansatzstelle f ü r einen Griff. Die Klinge ist 9 inch (23 cm) l a n g . . , " 1 . A n a n d e r e r Stelle erzählt B e d a v o n einem Mann, der übel lebte, so d a ß i h m böse Geister erschienen: „Die zwei ü b e l s t e n U n h o l d e hielten Gabeln (furcas, vomeres) in der H a n d u n d d u r c h b o h r t e n i h n " 2 . Die f u r c a , dies christliche H ö l l e n i n s t r u m e n t , d ü n k t Alfred n i c h t verständlich genug; er ü b e r s e t z t : „ h a e f d o n h a n d s e a x on heora h a n d u m " . Diese kleine T e x t a b ä n d e r u n g zeigt so recht die V o l k s t ü m l i c h k e i t der Saxwaffe! 5. D e r S p e e r . Die seit alter Zeit gebräuchlichste Waffe des G e r m a n e n ist der Speer. D a h e r gibt es a u c h im Angelsächsischen eine Fülle von Metap h e r n , die m i t „spere"', „ g a r " u n d ähnlichen Bezeichnungen gebildet sind. Aus d e m K a m p f , dem „ S p e e r n e i d " („gar-nija"), k e h r t der Krieger, der „ S p e e r k ä m p f e r " („gar-wiga"), z u r ü c k zur H e i m a t , wo „ s p e r e - h e a l f " wie „ s p i n e l - h e a l f " ( A g n a t e n u n d Cognaten) seinen E r z ä h l u n g e n l a u s o h e n . Auch im Frieden ging der freie Mann nie ohne Speer über L a n d . Nachlässig m o c h t e er ihn o f t schultern, wie ein Gesetz Alfreds b e w e i s t : „ W e n n j e m a n d eine Lanze ü b e r der Schulter t r ä g t u n d einen a n d e r e n d a d u r c h verletzt, so m u ß er dessen Wergeid ohne Strafgeld b e z a h l e n " 3 . D a ß auch einmal ein heidnischer P r i e s t e r , der aus religiösen G r ü n d e n keine Waffe t r a g e n darf, einen Speer zu werfen u n d zu treffen v e r s t e h t , h a b e n wir d u r c h j e n e n b e r ü h m t e n Ber i c h t Bedas von der E i n f ü h r u n g des C h r i s t e n t u m s in N o r d h u m b r i e n erf a h r e n : „ E r zögerte nicht, sobald er sich der K u l t s t ä t t e n ä h e r t e , diese zu entweihen, i n d e m er seine Lanze h i n e i n s c h l e u d e r t e . . . 4 " . So finden wir überall im S c h r i f t t u m die Üblichkeit der Speere b e s t ä t i g t . N a t u r g e m ä ß ist diese allgemein getragene Waffe n i c h t so a u s f ü h r l i c h beschrieben wie z. B. das k o s t b a r e u n d seltenere Schwert. I m m e r h i n k a n n m a n m a n c h e s Kennzeichnende aus der L i t e r a t u r e n t n e h m e n . D a ß die Speere aus Eschenholz gefertigt w u r d e n , v e r r ä t das viel g e b r a u c h t e „aesc-holt" ( „ E s c h e n h o l z " ) u n d das noch k ü r z e r e „ a e s c " ( „ E s c h e " ) , was beides einen Speer bezeichnet. I n der T a t h a b e n N a c h p r ü f u n g e n der geringen Holzüberreste, die noch in den Speertüllen steckten, ergeben, d a ß angelsächsische Speere stets aus Eschenholz waren. Die Speerspitze b e s t a n d aus g e h ä m m e r t e m Eisen u n d sah „ g r a u " („graeg") aus. Beowulfs kleine Schar m u ß t e , ehe sie in die Halle H e o r o t e i n t r a t , die W a f f e n ablegen: 2 i Baldwin Brown III, S. 321. Hist. Eccl. V, 13. 3 Liebermann I, S. 69. Das Strafgeld („wita") wird ihm erlassen, weil die Verletzung nicht böswillig geschah. 4 Hist. Eccl. II, 13.
14*
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. . . g a r a s stodon saemanna searo, samod atgaedere, aesc-holt u f a n g r a e g 1 . Zusammen standen der Seemänner Waffen, Die glatten Speere mit g r a u e r Spitze, Die Eschenschäfte. Man rammte dabei den Speer in den Erdboden, zu -welchem Zweck am unteren Ende des Schaftes ein fester eiserner Dorn eingelassen war. Der schwere Speer ist der „gar", unser „ G e r " . Ful oft of J)am heape hwinende fleag giellende gar on grome Jieode 2 . Oft von dem Heerhaufen pfeifend flog Der gellende Ger auf feindliches Volk. Für diese schwere Waffe ist der Ausdruck „Kraftholz" („maegen-wudu") nicht schlecht gewählt. Der Ger kann sogar solche Dimensionen annehmen, daß man ihn „Gerbaum" („gar-beam") nennen kann. — Eine leichtere Form des Speeres ist der „daroö" 3 , ein J a v e l i n . Es ist ein oft sehr kleiner Wurfspeer; in den Gilton-Gräbern hat man „daroöas" von nur 23 cm Länge gefunden. In einem Rätsel werden Getreidehalme als „daroöas" angeführt, die mit dem Dreschflegel einen Kampf führen: d a r o ö a s waeron (wie) ])aere wihte 4 Speere waren dem Wichte feind. Zu erwähnen ist ferner der A n g o n , ein merkwürdiger Speer mit Widerhaken. Er wird nur selten in englischen Gräbern gefunden und dann nur in solchen mit reichem Waffenschmuck, also in Fürstengräbern, — das Werfen des Angon erforderte besondere Geschicklichkeit! Im Beowulfepos wird der Angon in einer Episode erwähnt, wo ein angeschossenes Wasserungeheuer getötet wird: Hraeöe wearö on yöum mid e o f e r - s p r e o t u m h e o r o - h o c y h t u m hearde genearwod niöa genaeged ond on naes togen wundorlic waegbora 5 . Man tat es schnell ab mit E b e r s p i e ß e n mit verderblichen W i d e r h a k e n versehen, und trieb's in die Enge. Auf das Vorland zog man den mächtigen Taucher. 1 4
2 „WidsiJ>", 127. „Beowulf" 328. Rätsel 57 (54). Auffassung nach Trautmami.
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3 6
Neueng], "dart". „Beowulf" 1437.
Hier ist ausnahmsweise einmal, u m die Besonderheit der Waffe anzugeben, eine S p e e r b l a t t f o r m beschrieben. Sonstige A n d e u t u n g e n sind n i c h t in den Schriftquellen zu finden. An G r a b f u n d e n aber l ä ß t sich feststellen, d a ß die angelsächsischen Speerspitzen, die zahlreich u n d in allen Spielarten v o r h a n d e n sind, in der Regel ein r a u t e n förmiges S p e e r b l a t t aufweisen. E s ist länger u n d schlanker als das des f r ä n k i s c h e n Speeres. E i n besonders schönes Speerblatt mit leicht geschweiftem R a n d w u r d e in Sarre (Kent) g e f u n d e n ; die Länge b e t r ä g t (ohne Tülle, welche abgebrochen) 45 cm (Abb. 50). Typisch f ü r den angelsächsischen Speer ist ein senkrechter Schlitz an der Speertülle, der d u r c h eiserne oder bronzene Ringe, d u r c h Umwicklung m i t E i s e n b a n d , oder d u r c h Nieten geschlossen wird. Das Beowulfepos, das sonst so verschwenderisch mit A u s d r ü c k e n wie „ g o l d s c h i m m e r n d " u n d „goldges c h m ü c k t " u m g e h t , schweigt ü b e r die künstlerische Ausgestaltung v o n Speeren, doch wird in der „ G e n e s i s " ein „ g o l d b u n t e r S p e e r " („gar golde f a h " ) sichtbar gem a c h t . G r a b f u n d e von goldgezierten Speeren sind nicht zu verzeichnen, wohl aber f a n d sich m a n c h e s S p e e r b l a t t m i t eingeritzten Zierlinien u n d S i l b e r s c h m u c k . D a s Bemerkenswerte dabei ist, daß sich die germanische Schmuckliebe sogar auf diese u n t e r g e o r d n e t e Waffe erstreckt. 6. P f e i l u n d B o g e n . A G 0 F 1 is m i n n o m a e f t o n h w y r f e d . Ic eom wraetlic w i h t , on gewin sceapen. ]ponne ic onbuge, m e of bosme fareö aetren onga. . . Nelle ic u n b u n d e n aenigum h y r a n n y m j j e searo saeled. Saga, h w a e t ic h a t t e .
50. S p e e r s p i t z e aus Sarre (Maidstone)
N E G O B ist mein N a m e , n u r gewendet. I c h bin ein k u n s t v o l l Wesen z u m K a m p f geschaffen. W e n n ich m i c h biege, f ä h r t a u s d e m B u s e n mir E i n e giftige Schlange. . . N i c h t will ich u n g e b u n d e n einem j e gehorchen, N u r sorgsam geseilt. Sage, wie ich h e i ß e ! „Agof' gleich „agob" (b — f im Auslaut). Es heißt von rückwärts nach vorn gelesen . Rätsel 24.
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Die A u f l ö s u n g des Rätsels l a u t e t „ B o g e n " . Nicht ohne Geschick u n d Geschmack scheint diese w o h l b e k a n n t e W a f f e hergestellt zu sein, wird sie doch ein „ k u n s t v o l l W e s e n " g e n a n n t . Genaueres e r f a h r e n wir nicht. Auch die „ S p r u c h w e i s h e i t " b e g n ü g t sich mit einer selbstverständlichen A u s s a g e : boga sceal straele (habban) Der Bogen soll einen Pfeil h a b e n 1 . Die einzige A n d e u t u n g , die uns A u s k u n f t geben k ö n n t e über die Gestalt des Bogens, findet sich in folgenden Versen: leton forö fleogan flana scuras hildenaedran o f h o r n b o g a n 2 Sie ließen fort entfliegen ihrer Pfeile Schauer, Die H e e r k a m p f n a t t e r n , v o n dem H o r n b o g e n . U n t e r „ H o r n b o g e n " v e r s t e h t Schulz 3 einen mit H o r n belegten Bogen. Lieber m ö c h t e m a n die G e s t a l t des Bogens hier a n g e d e u t e t wissen, u n d mit Grein „ h o r n b o g a " als „arcus in duo cornua exiens" ansehen. D a n n wäre „ h o r n b o g a " ein Bogen mit schön geschwungenen E n d e n . Uber den P f e i l wird gesagt: (Beowulf) oft gebad isern-scure Jionne straela Strom s t r e n g u m gebaeded scoc ofer scild-weall, sceft n y t t e heold, feöer-gearwum f u s flane fulleode 4 (Beowulf) t r o t z t e o f t m a l s dem Eisenhagel, W e n n , den Strängen entsendet, der S t u r m der Geschosse Ü b e r n Schildwall fegte, u n d der S c h a f t seinen Dienst t a t , Der, m i t F e d e r n beschwingt, die Pfeilspitze t r u g . Diese d ü r f t i g e n A n g a b e n über Pfeile u n d Bogen werden n u r sehr mangelh a f t d u r c h G r a b f u n d e u n t e r s t ü t z t . Nirgends ist ein Bogen g e f u n d e n word e n ; das Material •—• Holz — ist zu vergänglich gewesen. Aber Pfeilspitzen sind ans Licht gehoben, einige in sehr a u s g e p r ä g t e r F o r m mit W i d e r h a k e n versehen, andere einfach r a u t e n f ö r m i g oder lanzettlich. E s s t e h t aber n i c h t fest, ob diese F u n d e n i c h t als Spitzen f ü r J a v e l i n s gedient h a b e n . Beide W u r f w a f f e n müssen sich sehr geglichen h a b e n , was auch der K e n n i n g „ K a m p f n a t t e r " zu e n t n e h m e n ist, die bald einen Pfeil, bald einen J a v e l i n bezeichnen soll. E i n e n gewissen A u f s c h l u ß geben b i l d l i c h e Darstellungen. Die Egilszene des „ R u n e n k ä s t c h e n s v o n A u z u n " zeigt Wielands B r u d e r , der einen 1 3
Denksprüche 153. Schulz, Höfisches Leben II, S. 17.
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2 4
„Judith", 222. Vgl. auch „Beowulf", 2437. „Beowulf" 3116.
gewaltigen Bogen spannt, um einen gefiederten Pfeil mit deutlichen Widerhaken abzusenden (Tafel 2). 7. Die A x t . Nur ein e i n z i g e s Mal ist in der frühen Literatur die Axt erwähnt worden, doch nicht als Streitaxt, sondern als Arbeitsinstrument: ein vornehmer Mann will Mönch werden und kommt zum Abt in einfacher Kleidung, „ein Beil und eine A x t in der Hand tragend. . .denn er wolle nicht zur Muße, wie so manche, sondern zur Arbeit ins Kloster eintreten" 1 . Erst im 9./10. Jahrhundert wird die S t r e i t a x t erwähnt, besonders in Glossaren und Urkunden. Wenn wir die Grabfunde heranziehen, so können wir dort in Bestätigung der Schriftquellen die Feststellung machen, daß die Axt keine typisch nationale Waffe gewesen ist, wie dies z. B. bei den Franken der Fall war. Zwar finden wir Axtköpfe überall in England verteilt, aber nur äußerst spärlich; am meisten noch in Kent. Sie stammen aus heimischen Werkstätten, ahmen aber eine fränkische Form nach. Eine andere Art mit ausladendem Kopf nach beiden Seiten hin hat man lange als typisch angelsächsisch angesehen; heute weiß man, daß diese Axtform auch im Frankenland gebräuchlich war. Um so erstaunlicher scheint die Tatsache, daß auf dem „Teppich von Bayeux" (11. Jahrhundert) die Engländer mit Äxten ausgerüstet sind, während den Normannen diese Waffe fehlt 2 . Der Grund liegt darin, daß in England erst während der Dänenherrschaft die im Norden beliebte Axt eingeführt worden war. Darum weisen auch die Äxte auf dem „Teppich von Bayeux" die nordische Form mit langem Griff auf. Während also von der Dänenzeit ab und besonders im Mittelalter 3 die Streitaxt in England eine gebräuchliche Waffe war, kommt sie für das 7./8. Jahrhundert kaum in Frage. Ihr Fehlen im „Beowulf" dürfte als neuer Beweis dafür angesehen werden, daß das Epos nicht erst in der Dänenzeit verfaßt worden ist. 8. Der S c h i l d . Von früher Zeit an bildet der Schild die notwendige Abwehrwaffe des freien Angelsachsen. Daher ist „scyld-wiga" („Schildkämpfer") neben „gar-wiga" („Speerkämpfer") die häufigste Umschreibung für den im Heere kämpfenden einfachen Krieger. Nur ausnahmsweise wird einmal ein Führer (Beowulf) als „scyld-freca" 4 („Schildheld") bezeichnet, und niemals befindet sich ein Schild unter den Ehrengeschenken. Der Kern des Schildes besteht aus Holz. „Lind" ( = Schild) d. h. „der aus Lindenholz Gefertigte", weist auf das Schildmaterial hin, eine Bezeichnung, die wir auch im Hildebrandslied finden: Vater und Sohn zerhauen die Schilde, „bis daß die lindenen lützel wurden 6 . — Nun ist bemerkens1 2
3 1
Hist. Eccl. IV, 3. Vergl. auch Math. Paris, Hist. Angl. Proelium apud Hastings: „Saxones pedites omnes cum securibus". (Chronica majora, Rolls Series.) Fischarts „Gargantua" erwähnt das „Englisch Beihel". 6 H. Naumann, Frühgermanentum, S. 58, „Beowulf" 1033.
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wert, daß das angelsächsische „lind" auf eine Festlandstradition hinweist. Die Schilde auf der Insel waren wohl kaum aus Lindenholz, da Linden in England erst eingeführt und dort kaum heimisch geworden sind. Vielmehr ist das Material der angelsächsischen Schilde Eschen- oder Buchenholz. So läßt auch ein Rätsel den Schild sprechen: „Ic waes brunra beat, beam on holte" 1 Ich versprach braune Früchte als Baum im Walde. Die angelsächsischen Schilde sind meist Rundschilde. Doch war auch eine ovale Form vorhanden; ein „celod bord" (kielförmiger, d. i. ovaler Schild) wird im Finnsburgfragment erwähnt. Man hat Spuren sowohl von runden wie von ovalen Schilden gefunden, letztere besonders in Bifrons wie in Long Wittenham. Die Größe der Rundschilde beträgt etwa 55 cm im Durchmesser, die von ovalen 45 zu 80 cm. Randeinfassungen zeigen einen Zwischenraum von nur 1 bis l 3 / 4 cm; dies ist somit als ungefähre Stärke des Schildbrettes anzusetzen (die bei Nydam gefundenen Schilde der Völkerwanderungszeit sind noch dünner gewesen!). — Die Schildbretter sind gewölbt: stopon heaöo-rincas, beornas to beadowe bordum beöeahte h w e a l f u m lindum 2 . Die Heerkampfmänner eilten, Beschirmt mit Schilden zu dem Schlachtgetümmel, Mit g e w ö l b t e n Schilden. So zeigt auch ein Grabfund ein eisernes Band in gewölbter Form, das einst radial vom Schildbuckel zum Schildrand lief. Ein besonders fester Metallrand hält das Holz außen zusammen: scyld (sceal be) gebunden, leoht linden-bord 3 Der Schild soll gebunden sein, Das lichte Lindenbrett. So sagen die Denksprüche; wobei „gebunden" soviel heißt wie „durch feste Metallstreifen zusammengehalten". Als der junge Held Weohstan mit dem feuerspeienden Drachen kämpft, fängt das Holz seines Schildes an zu schwelen, doch der — eiserne — Rand bleibt unversehrt: „lig-yöum forborn bord wiö ronde" 4 („die Lohe verbrannte den Schild bis gegen den Rand"). Wie der Randbeschlag beschaffen gewesen ist, läßt sich wegen des starken Verfalls heute schwer feststellen. Wahrscheinlich war er einst durch polierte 1
Rätsel 92.
216
2
„Judith", 212.
3
„Denksprüche" 94.
4
„Beowulf" 2672.
51. A n g e l s ä c h s i s c h e
Schildbuckelformen
Nägel geziert: „naegled scyld" deutet diese Zierweise an, und die CaedmonGenesis bildet einen ovalen Schild mit breitem, nägelbeschlagenem Rand ab. Erstaunlicherweise wird der Schildbuckel, der U m b o , kein einziges Mal in der Literatur angeführt. Im späten 8. Jahrhundert taucht in den Glossaren „randbeah = buculus" 1 auf, ein Wort, das mehr Gewicht auf die ringförmige Einfassung des Umbo als auf den Buckel selbst legt. Wir müssen darum die Funde heranziehen. Da haben wir hauptsächlich drei Arten, alle trefflich aus Eisen gehämmert. Zunächst gibt es den auch auf dem Festland vertretenen m a m m i f o r m e n Umbo, wobei ein deutlich abgesetzter zylindrischer Teil in eine Kegelform mit meist konvexer Profillinie übergeht, oben in einem flachen Knopf oder einer runden Platte mündend (Abb. 51 a). Während auf dem Festland der Buckel gewöhnlich ornamentiert wird, findet sich in England höchstens eine Verzierung des Knopfes, z. B. eine Silberplattierung. Ein in Barrington gefundener Umbo zeigt auf dem vergoldeten Knopf eine hübsche Ziselierung, die einen Vogel darstellt. — Merkwürdig ist die z w e i t e , seltenere Buckelform. Sie ist typisch angelsächsisch und findet sich kaum auf dem Kontinent. Dieser Buckel ist k o n i s c h und endet in einer Spitze. (Abb. 51b) — Interessante Zusammenhänge verrät e i n e d r i t t e , stark k o n k a v e Umboform, die nur in Gräbern des oberen Themsetals angetroffen worden ist. Diese — ursprünglich keltische— Art wird ebenfalls in der Gegend der unteren Elbe gefunden, und zwar in einer archäologisch weiter zurückliegenden Periode, ein Beweis für die frühe Besiedlung des oberen Themsetals durch Niedersachsen 2 (Abb. 51c). Wenn das angreifende Heer, dieSchilde eng aneinandergedrängt, vorwärtsstürmte, blinkten die silbernen oder goldenen Umboplatten und die poliertenNagel1 2
Wright-Wülcker 10,3; „randbeah" bedeutet wörtlich „Schildring". Vgl. Baldwin Brown III, S. 200.
217
köpfe hell a u f : „wig-bord scinon" („die Kampfschilde leuchteten") u n d „blicon bord-hreoöan" („es blitzte der Schildschmuck") 1 . Sicherlich waren die Schilde der Edlen durch besonderen Schmuck hervorgehoben. Beowulfs Schar trägt „beorhte randas" 2 („hellglänzende Schilde"). Warum die Schilde so blinken, geht aus den Worten des sie befragenden Wächters hervor: „hwanon ferigeaö f a e t t e scyldas ?" 3 (von woher bringt Ihr die mit G o l d b l e c h beschlagenen Schilde?"). Vielleicht sind sie mit Zierplättchen besetzt in Form von Fischen, Vögeln und Tierornamenten, wie sie so viel in Gräbern gefunden worden sind. Eigentümlich ist eine auf dem Festland ungebräuchliche Verzierung durch drei größere Metallplatten. — Wir dürfen auch annehmen, daß Edelsteine auf dem Schild angebracht waren: Nach der Konstantinschlacht werden die stark mitgenommenen Schilde von neuem mit Steinen besetzt: Wigge geweoröad com [>a wigena hleo J)egna ]3reate Jjrydbord s t e n a n 4 Durch Kampf verherrlicht kam der Kämpen Schutzherr mit seiner Helden Schar, den Heerschild mit Steinen zu schmücken. Ob der Holzteil einfacher Schilde b e m a l t war, ist nicht aus der Literatur ersichtlich; wohl aber zeigt der schon angeführte Schild der CaedmonGenesis mehrere vom Uinbo ausgehende radiale Zierstreifen. Nie wird das Wort „ f a h " („bunt") für den Schild gebraucht, dagegen „geolo-rand 5 („Gelbschild") und „fealwe linde" 6 („falber Schild"), woraus hervorgeht, daß die Schilde meist in Naturfarbe belassen wurden. Auch ein Fellüberzug scheint in früher Zeit nicht üblich gewesen zu sein, doch ist er für spätere Jahrhunderte urkundlich bezeugt 7 . So bieten die angelsächsischen Schilde, wenn sie auch nicht so kostbar wie die fränkischen sind, einen erfreulichen Anblick, und es mag gut ausgesehen haben, wenn nach germanischer Sitte der Hallenraum oder der Schiffsbord zur Zier mit Schilden behängt wurde. Auch der Scheiterhaufen mit der Leiche des toten Helden wird wie mit Helmen und Brünnen, so auch mit Schilden geziert: Dort schichteten nun den Scheiterhaufen Die treuen Gauten dem toten Recken. Dran hängten sie Helme und H e e r s c h i l d e Und blinkende Brünne, wie geboten der Held 8 . Überblick über die angelsächsische Metallkunst. Das Kapitel „Angelsächsische Metallkunst" ist notwendigerweise bei der Bedeutung der ger1 4 7
„ E x o d u s " 466 und 159. „Elene" 150. Vergl. Liebermann I, S. 159.
218
2 6 8
„Beowulf" 231. „Beowulf" 438. „Beowulf" 3137.
3 6
„Beowulf 333. „Genesis" 2044.
manischen Schmiedekunst umfangreicher als alle andern Einzeluntersuchungen geworden. Die Schmiedekunst ist von jeher die hohe Kunst der Germanen gewesen; sie bleibt darum stets n a t i o n a l gebunden, fremde Einflüsse dienen zur Bereicherung, nicht zur Verflachung oder Entartung. So setzt auch die angelsächsische Edelmetallkunst im 7./8. Jahrhundert so viel des Eigenen der neuen christlich-spätantiken Einflußsphäre entgegen, daß sie nicht nur ihre stammesmäßige Selbständigkeit bewahren, sondern sogar landschaftsgebundene Besonderheiten erzeugen kann. Der hochangesehene angelsächsische Schmied des 7-/8. Jahrhunderts, mit „Wunderkunst" begabt, zeigt sich jeder der auf dem Kontinent geübten T e c h n i k e n mächtig (mit Ausnahme des Tauschierens), doch gießt er lieber, als daß er treibt. Ein gewisser keltischer Einfluß erhöht die Schönheit der Gestaltung und bereichert die Technik um die Kunst der Emaillierung (émail champlevé). Die S c h m u c k a n f e r t i g u n g geschieht nach alter Tradition. Die Formen, besonders die Fibeln, sind sehr mannigfach; eine speziell englische Bildung ist die Schalenfibel. Zellenverglasung imYerein mit Filigranarbeit ist besonders beliebt. Daneben findet sich ein Setzen der Steine „en cabochon". Besonders erwähnenswert sind die Kenter Schmuckstücke mit ihren auf weißen Buckeln aufgesetzten bunten Steinen. Unendlich groß muß nach Grabfunden und noch mehr nach Schriftquellen der Formenreichtum an G e f ä ß e n zu häuslichem Gebrauch gewesen sein, vom Trinkhorn mit seinem „Bortenschmuck" und der runden Metallschale ohne Fuß bis zu bauchigen Metkrügen und goldblechbehangenen Eimerchen. Silberne Schüsseln prangten auf der Mittagstafel des Fürsten. Die k i r c h l i c h e M e t a l l k u n s t hat naturgemäß neue Formen aufnehmen und die figürliche Zierweise zu der altgewohnten ornamentalen fügen müssen. Sie erzeugt sogar Vollplastiken aus Edelmetall. Doch bleibt noch viel des Bodenständigen erhalten, wie die „Gabathae Saxiscae" König Aeöelwulfs beweisen. Auf dem Gebiet der W a f f e n h e r s t e l l u n g wird in altgewohnter bodenständiger Art weitergearbeitet, wenn auch hier und da Stücke importiert werden. Germanisch-angelsächsische Waffenfreudigkeit und die traditionelle Schmuckliebe gestalten die Waffen, besonders Helm und Schwert, zu wahren Zierstücken. Auch auf diesem Gebiet findet sich ein besonderer Typ ausgebildet : durch einen am Schwertgriff befindlichen losen Ring hat das angelsächsische Schwert — und nur dieses — einen Griff mit einer Riemenfessel (fetel-hilt). Auf dem gesamten Gebiet der Metallkunst ist a l l e i n die M ü n z k u n s t ein f r e m d e r Arbeitszweig. Doch kann der angelsächsische Münzer nicht umhin, selbst hierbei ein gewisses germanisches Element einfließen zu lassen. 219
G L A S F A B R I KATION In diesem Abschnitt gilt es nicht, über bunte Glasperlen zu sprechen, die alle germanischen Stämme anzufertigen und zu hübschen Schmuckschnüren aufzureihen wußten. Auch nicht über Zellenverglasung, bei welcher neben Edelsteinen farbige Glasstücke auf kaltem Wege in Goldkästchen eingehämmert wurden, so daß der angelsächsische Dichter vergleichend von dem bunten Schnabel des Phönix sagen konnte, er glänze „wie Glas oder Edelstein" („swa glaes oööe gim") 1 . Es wird vielmehr die Rede sein von G l a s g e f ä ß e n und von F e n s t e r v e r g l a s u n g . Die Glasfabrikation war für alle Germanen ein f r e m d e r Handwerkszweig und bestand in der mehr oder weniger guten Nachahmung importierter römischer Waren. Typisch ist das Verhalten der einzelnen germanischen Stämme gerade der Glasindustrie gegenüber: die beweglichen Franken, die römische Bildung leicht aufnahmen, sind schon früh Meister in der Herstellung von Glaswaren aller Art, die Angelsachsen dagegen folgten nur äußerst zögernd und ungleichmäßig. Als die Angelsachsen zur Insel kamen, fanden sie dort eine von den Römern eingeführte, blühende Glasfabrikation vor. Grabfunde beweisen, daß sie gleich nach der Ubersiedlung G l a s g e f ä ß e nachgeahmt haben, die sich von den römischen durch dünnere Wandungen und geringere Durchsichtigkeit unterscheiden (Tafel 29). Die Färbung ist meist grün, daneben kommen auch gelbe, bläuliche, sogar irisierende Gefäße vor. Die Form ist von feinster künstlerischer Wirkung in Nachbildung römischer oder fränkisch-römischer Formen oder auch rein fränkischer; so der R ü s s e l b e c h e r (Tafel 29, zweites Glas von rechts. Links davon ein „Tumbler".), das T r i n k h o r n aus Glas und der unten runde „ T u m b l e r " 2 . Letztere Form, die erst seit dem 6. Jahrhundert aufgenommen ist, scheint sich in England besonders eingebürgert zu haben, da der Name noch heute erhalten ist. (Der „tumbler" von heutzutage ist freilich nicht mehr unten abgerundet.) Daß Glasgefäße damals im alten England nie ganz heimisch wurden, zeigt sich auch darin, daß der Angelsachse, so erfinderisch er in Bezeichnungen für Kannen, Krüge und besonders für Trinkgefäße war, kein besonderes Wort für einen Glasbecher, eine Glasschale weiß. Er begnügt sich mit der Bezeichnung „glaes-faet" („Glasgefäß") oder fügt der Gefäßbezeichnung das Adjektiv „glaesen" hinzu. Eine Stelle aus Beda: „misit ei calicem vini" 3 wird von König Alfred übersetzt: „he sende him glaesful 4 füll wines", wobei also ein Kelch aus Glas angesetzt wird. Daß g l ä s e r n e A b e n d m a h l s k e l c h e in der Epoche des 7./8. Jahrhunderts möglich sind, bestätigt Ald1 4
2 Von ags. tumbian = purzeln, fallen. „Phönix" 300. „ful" ist „Becher".
220
3
Hist. Eccl. V, 5.
heims Gedicht: „De calice vitreo", dem wir aber nichts Näheres üher die Form der Kelche entnehmen können1. Gläserne Abendmahlskelche bleiben lange üblich. Erst ein Erlaß König Edgars von 967 verbietet Kelche aus Glas; sie zerbrächen zu leicht. Das Aldhelmsche Gedicht stammt aus einer Zeit (zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts), die sich ganz besonders um die Einführung südlicher Kunst bemüht hat; so wurden natürlich auch viele Glaswaren eingeführt. Zumal S ü d england ist reich an Gläserfunden aus j ener Zeit, und es ist nicht immer einwandfrei zu entscheiden, ob es sich um fränkische oder angelsächsische Arbeit handelt. Ein besonders bemerkenswerter Fund besteht in einem syrischen Glas, worauf Blumen und Tiere eingraviert sind, dazu die Worte YTIEINQN XPQ mit einem Kreuz davor, und man mag sich erinnern, daß Erzbischof Theodor von Canterbury (669—690) aus Tarsus stammte und sein Freund Abt Hadrian aus Nordafrika; östliche Kunstauffassung war damals verbreitet, und orientalische Kaufleute fanden in England reiche Absatzmöglichkeiten. Nordengland wollte aber nicht zurückbleiben. So ließ 675 Abt Benedict aus Gallien kommen: „Glasarbeiter (vitri factores), deren Kunst bis dahin den Briten unbekannt war" 2 , damit sie Fenster für die neuerbaute Kirche in Wearmouth machen sollen. Es heißt weiter: „Sie führten nicht nur die bestellte Arbeit aus, sondern machten damals auch das Volk der Angeln mit diesem Handwerk b e k a n n t , das wohl geeignet ist, um die L a m p e n i n der Kirche zu umschließen oder allerlei Gefäße (vasa) daraus herzustellen". Aus diesen Worten geht hervor, daß die Kunst der Glasfabrikation, die doch schon ein Jahrhundert früher auf römischer Uberlieferung heimgefertigte Ware hervorgebracht hatte, im Norden Englands aufgegeben oder nie ganz heimisch gemacht worden war, wie ja auch die meisten Glasfunde aus Südengland stammen. Aus der neuen Lehrzeit durch fränkische Glasarbeiter mögen die „Rüsselbecher" mit ihren eigenartigen, innen hohlen Auswüchsen herrühren, welche, vom 7. Jahrhundert an, eine fränkische Spezialität sind; sie sind in England diesmal nicht nur im Süden, sondern auch im Mittelland und im Norden gefunden worden (Tafel 29). Sehr nachhaltig hat freilich die Unterweisung nicht gewirkt, denn schon 75 Jahre später schreibt ein Abt desselben Doppelklosters (WearmouthJarrow) an Erzbischof Lullus von Mainz (755—786) „Wenn irgendeiner in deinem Sprengel ist, der gut gläserne Gefäße (vitrea vasa) machen kann, so sende mir ihn bitte, da uns diese Kunst unbekannt ist und wir ihrer nicht fähig sind (quia eiusdem artis i g n a r i et i n o p e s sumus)" 3 . Es scheint danach, als ob die Uberlieferung der Glasindustrie nie bis ins \ olk gedrungen ist und nur im Zusammenhang mit kirchlicher Kunst z e i t 1 3
Aldhelm, ed. Ehwald, S. 134. Tangl a. a. 0 . , p. 251.
2
Hist. Abbatum, c. 5.
221
w e i l i g blühte. Nur in der Kirche gebraucht man Glas. Wir hören von einem „codex vitreus", der dem hl. Columba von einem Engel zum Lesen geboten wird, wahrscheinlich eine Erinnerung an einen reich mit Glaspasten inkrustierten Buchdeckel 1 . Und es nimmt uns nicht wunder, wenn in frommer angelsächsischer Poesie geistige Güter gern mit „Glas" verglichen werden, z. B. beoö £>a syngan flaesc scandum jsurhwaden swa J)aet s c i r e g l a e s , J)aet mon yjDaest maeg eall Jjurhwlitan 2 . Es ist das sündenvolle Fleisch durchdrungen von der Schande wie d u r c h s i c h t i g Glas, daß man's mit Augen leicht mag ganz durchschauen. Oder es wird gesagt, daß der Körper bei der Auferstehung „durch und durch rein wie Glas" („ascyred swa glaes") 3 sein soll, ebenso wie das Adjektiv „glaeshluttor" („lauter wie Glas") mehrfach im christlichen Sinne gebraucht wird. Die Verfasser dieser Vergleiche haben sicherlich dabei weniger an Glasgefäße denn an G l a s f e n s t e r gedacht, womit zum Staunen der Bevölkerung Ende des 7. Jahrhunderts erstmalig die Kirchen versehen wurden. Von den „vitri factores" („Glasarbeitern") aus Gallien, die Benedict Biscops' Kirche mit Glasfenstern schmückten, war schon weiter oben die Rede, aber noch einige Jahre vorher (669—671) hat Wilfrid, der von einer Reise nach Gallien „mit Bauleuten und Künstlern fast jeder Art" zurückgekehrt, die Kirche von York renovieren und dabei das hölzerne Gitterwerk und die leinenen Vorhänge von den Fenstern entfernen und Glas einsetzen lassen: „Indem er das Glas einsetzte, verwehrte er den Vögeln und den Regengüssen den Zugang durch die Fenster, aber trotzdem strahlte das Licht hinein" 4 . Am ausführlichsten preist Aldhelm die Pracht verglaster Fenster, und zwar in seinem Loblied auf Bugges Kirche in Thanet. „Im heiteren Licht des Tags erstrahlt im Innern das Bauwerk, Welches die Sonne durch gläserne Fenster herrlich erleuchtet, In das Viereck der Kirche strahlende Lichter ergießend" 6 . Aus diesen Versen geht hervor, daß die Glasfenster damals nur B l a n k v e r g l a s u n g aufwiesen, höchstens durch eine geometrische Musterung der Bleisprossen geziert. Wohl paßten verglaste Fenster zum Kirchenbau gut, wenig aber zum nationalen Wohnbau aus Holz. Dieser entbehrt darum noch lange des schützenden Glases. Und während in den Kirchen schimmernde Glaslampen 1 4
Vita Columbac III, Kap. 6. Eddius, c. 16.
222
2 6
3 Bückling Homilies 109, 36. „Christ", 1282. Aldhelm, a. a. O., S. 17. ed. Ehwald.
b r e n n e n , e r f i n d e t noch K ö n i g A l f r e d (geb. 849) eine L a t e r n e a u s H o l z m i t S c h e i b e n a u s so d ü n n g e s c h n i t t e n e m O c h s e n h o r n , d a ß eine K e r z e k l a r hind u r c h l e u c h t e n k o n n t e . So bildet d a s K a p i t e l d e r G l a s f a b r i k a t i o n ein t y p i s c h e s Beispiel f ü r die H a l t u n g d e r A n g e l s a c h s e n m e d i t e r r a n e r K u n s t f e r t i g k e i t g e g e n ü b e r : sie a h m e n b e w u n d e r n d die f r e m d e A r b e i t n a c h , erzielen a u c h s c h ö n e E r f o l g e , a b e r n a c h k u r z e r Z e i t s e t z t sich die s t a r k n a t i o n a l gebundene Eigenart wieder durch, u n d das F r e m d e wird u m g e m o d e l t , w e n n n i c h t gar zeitweise gänzlich a u s g e s c h i e d e n .
MÖBEL N u r s p ä r l i c h w e r d e n Möbel in den S c h r i f t q u e l l e n dieser f r ü h e n Z e i t e r w ä h n t , u n d n o c h seltener ist irgendein b e s c h r e i b e n d e s W o r t h i n z u g e f ü g t , so d a ß es s c h w e r zu e n t s c h e i d e n ist, ob b e s t i m m t e Möbel als F o r t s e t z u n g a n t i k e r F o r m e n b i l d u n g e n z u d e n k e n sind, o d e r ob sie a u s g e r m a n i s c h e m E r b e h e r a u s e n t s t a n d e n sind. L e t z t e r e s w i r d w o h l h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h d e r F a l l gewesen sein b e i d e r S i t z b a n k , die a u c h i m S c h r i f t t u m die m e i s t e B e a c h t u n g findet. B ä n k e s t e h e n v o r d e r H e r r e n h a l l e , d a m i t die E i n l a ß h e i s c h e n d e n d o r t w a r t e n k ö n n e n : „sie ließen sich nieder a u f die B a n k " ( „ b u g o n Jja t o b e n c e " ) 1 . B ä n k e s t e h e n v o r a l l e m i n n e r h a l b d e r H a l l e i n d e n b e i d e n Seitenschiffen a u f e i n e m gedielten P l a t z , d e r „ B a n k d i e l e " ( „ b e n c - J j e l u " ) 2 . E s sind f e s t g e f ü g t e Möbel, d e r e n vier schwere P f o s t e n b e i n e u n t e n in ein d e r S i t z p l a t t e parallel l a u f e n d e s B r e t t (oder in einen flachen K a s t e n ?) eingelassen sind u n d d a d u r c h wie a u f e i n e m k l e i n e n P o d i u m , d e r „ B a n k s c h w e l l e " (benc-syl), s t e h e n . W i r e n t n e h m e n dies d e m B e r i c h t ü b e r Beowulfs nächtlichen K a m p f : Jjaer f r o m s y l l e a b e a g m e d u b e n c m o n i g 3 Von der B a n k s c h w e l l e w i c h manche Metbank. E s i s t d i e s a b e r n i c h t zu v e r s t e h e n , d a ß die B ä n k e f e s t m i t der W a n d v e r b u n d e n e Möbel s i n d wie die „ l a n g b e k k i r " des s k a n d i n a v i s c h e n N o r d e n s . Sie w e r d e n v i e l m e h r erst des A b e n d s , w e n n die Gefolgschar in d e r H a l l e z u r R u h e g e h e n will, gegen die W a n d oder in d e n M i t t e l r a u m g e s c h o b e n , so d a ß d e r v o r h e r v o n i h n e n e i n g e n o m m e n e gedielte P l a t z f r e i f ü r ein N a c h t lager w i r d : b e n c - ] p e l u b e r e d o n , hit geondbraeded wearö beddum ond bolstrum. . . Setton him to heafden hilde-randas b o r d - w u d u b e o r h t a n . Jiaer on b e n c e w a e s ofer aeöelinge yö-gesene heaöo-steapa heim, hringed byrne4. 1
„Beowulf" 327.
2
„Beowulf" 486.
3
„Beowulf" 775.
4
„Beowulf" 1239. 223
Sie e n t b l ö ß t e n d i e B a n k d i e l e n , breiteten Polster und Betten aus. . . Ans Kopfende stellten die Kampfschilde sie Aus lichtem Holz; auf der B a n k d a r ü b e r Stand weithin sichtbar des Wehrmannes Helm, Hochauf ragend, der Harnisch ebenfalls. Die Bänke sind goldverziert („golde geregnad") 1 , d. h. sie sind mit Goldblech beschlagen, vermutlich an den Kanten. Außerdem werden die Bänke mit einem gemustert gewirkten Tuch („setl-hraegl") überhängt oder mit weichen, schön ornamentierten Kissen belegt. Der hl. Gujilac verwirft aber diese Annehmlichkeit: „Seinem Leib verweigerte er weiche Sitze" („he his lichamon forwyrnde seftra setla") 2 . Als bankartiges Möbel, und nicht als Stuhl, muß man sich den „ H o c h s i t z " („heahsetl") vorstellen, der auch „Erbstuhl" („yrfestol") und „ K ö nigsstuhl'" („cynestol", ,,eJ)elstol") genannt wird. Er befindet sich auf einer Estrade, der „yppe" 3 , ist aber an sich schon ein hochaufragendes Möbel; vielleicht durch Stufenaufbau. Wir entnehmen dies Satans Worten, der sich einen „höheren Stuhl zimmern" 4 will, als Gott ihn besitzt. Der Hochsitz erstreckt sich aber auch in die Breite: „Die Goldgeschmückte setzte sich beim Gatten nieder 5 . Noch deutlicher wird die Situation durch folgende Schilderung: })a cwom WealhJjeo forö gan under gyldnum beage, Jaaer Jja godan twegen saeton suhterge-faederan. . . Swylce Jjaer Unferö Jayle aet fotum saet frean S c y l d i n g a . . . 6 Waljpeow (die Königin) lenkte, den Goldreif tragend, den Gang dorthin, Wo Ohm (König) und Neffe nebeneinander Friedlich saßen. Auch der Sprecher Unferd Saß zu Füßen des Fürsten. Dieser Langsitz gewährt also Platz für zwei oder drei Personen; der „Sprecher" sitzt auf einer Trittstufe des Hochsitzes oder auf der Estrade („yppe"). Der angelsächsische Hochsitz steht f r e i i m R a u m , an der hinteren Schmalseite der Halle; möglich ist dabei, daß er die ganze Breite des mittleren Saalschiffes einnimmt, und daß die „ y p p e " (Estrade) von Säulen flankiert wird. Um uns eine Vorstellung von dem Aussehen des angelsächsischen Hochsitzes zu machen, dürfen wir nicht nach Miniaturen greifen. Wohl sehen wir 1
„ B e o w u l f "
4
„Genesis" 274.
224
777.
2 „Guthlac" 136. „Beowulf" 640.
6
' „Beowulf" 1815. „Beowulf" 1162.
6
darauf bankartige Hochsitze dargestellt, die Platz für zwei, drei und mehr Personen bieten, manche in Truhenform, andere mit Pfostenbeinen, die als Tierfüße ausgebildet sind. Abgesehen davon, daß die Miniaturen einer späteren Zeit als der hier behandelten entstammen, liegt immer die Gefahr nahe, daß Kopien antiker Möbel vorliegen. Wir sind aber trotzdem in der Lage, auch für das 7./8. Jahrhundert einen Hochsitz in sicher bodenständiger Form rekonstruieren zu können, und zwar nach Darstellungen auf dem „Runenkästchen von Auzun" (Abb. 52). Man betrachte erstens das Möbel auf der Egilszene, in dem Egils Frau sitzt, und zweitens den Thron der Maria, vor dem die heiligen drei Könige erscheinen (Tafel 1 u. 2). Da haben wir echt g e r m a n i s c h e Formenbildungen. Die Lehnen steigen bis etwa 1,80 m Höhe empor und tragen eine geschweifte große Rückwand; eine Trittstufe ist vorgelagert. Obwohl die Grundform bei beiden Stücken gleich (also typisch) ist, so ist die Ausführung verschieden. Der Thron Mariens hat gedrehte Säulenpaare mit den auch in der Architektur beliebten, stufenförmig zurückweichenden Kopf- und Fußplatten, während die Fußbank mit einem Zackenmuster verziert ist. (Man sieht Maria und das Kind von vorne her; ihr im Schöße oder zu Füßen liegt das „geäpfelte Gold".) Vielleicht ist es kein Zufall, daß der Hochsitz der volkstümlichen Egilszene für unsere Begriffe noch „germanischer" gebildet ist. Flechtwerk füllt die Pfosten, geometrische Musterung die Bogen der Rückenwand. Die Rückwand selber scheint mit geschnitzten zoomorphen Bildungen geziert zu sein, ebenso endet die Trittstufe mit den wohlbekannten schnabelartigen Tierköpfen. (Da der Schnitzer des Kästchens den Hochsitz nicht perspektivisch von der Seite her erfassen konnte, bildet er ihn frontal ab, die darin sitzende Frau aber im Profil.) Neben dem großen Hochsitz kommen E i n z e l s i t z e in Frage, meist Ehrensitze für Gäste. Mehrfach findet sich der Ausdruck „ f e a l d e - s t o l " („Faltstuhl"), so daß wir an dem Vorhandensein dieses schon in Römerzeiten eine große Rolle spielenden Möbels („kurulischer Sessel") in AltEngland nicht zweifeln dürfen. In der Caedmon-Genesis (10. Jahrhundert) sehen wir Enos, den Sohn des Seth, als Oberhaupt der Familie und Richter auf einem Faltstuhl ohne Lehne sitzen, der gedrechselte Pfostenbeine aufweist. Die Knäufe der Pfosten bestehen aus Kugeln (anscheinend Metall) und die Füße haben die Form von Tatzen mit scharfen Krallen. Für unsere frühe Zeit dürfte wohl ein einfacheres Möbel anzusetzen sein. Andere Sitze erwähnt der sogenannte „Gerefa" 1 eine Inventaraufstellung für Gutshöfe: „hledan" (Sitze), „sceamelas" (Schemel) und „stolas" (Stühle). Die Schemel mögen drei- oder vierbeinig gewesen sein, die Stühle mit einer Rücklehne versehen. Daß die Pfosten vielfach gedrechselt sind, können wir der Vorliebe der Angelsachsen für gedrehte Formen entnehmen. 1
Siehe Anglia IX, S. 264. Der „Gerefa" stammt aus spätags. Zeit.
15
225
52. H o c h s i t z , r e k o n s t r u i e r t n a c h d e m R u n e n k ä s t c Ii e n v o n A u z u n
Neben diesen aus Holz hergestellten Sitzen, denen eine mehr oder weniger große Bewegungsmöglichkeit eigen war. steht die Gruppe der kirchlichen Bänke und repräsentativen Thronsitze, die, aus Stein oder schwerem Metall gebildet, einen Teil der sie umgebenden Architektur ausmachen. An der Innenseite des Chorrund lief eine breite Steinbank und bot Sitzplätze für die Geistlichkeit (Abb. 21). An Prachtsitzen ist zweimal eine „sella aurea" erwähnt, erhalten geblieben ist nur der Bischofsstuhl (frijj-stol") Wilfrids oder Accas in Hexham (Abb. 53). Er hat einen blockförmigen, massiven Unterbau; aus einem zweiten daraufgelegten Block ist ein Teil des Steins herausgehauen worden, so daß eine Sitzfläche zugleich mit einer sie rund einschließenden Seiten- und Rückenlehne entstanden ist. Zu solch repräsentativen Thronsitzen haben a n t i k e Marmorsessel als Vorbild gedient. So haben wir hier wieder einen Beweis, daß mit dem Christentum neue, fremde Formen in einem fremden Material ins Land gekommen sind. Aber wieder nimmt es uns nicht wunder, daß der angelsächsische Steinmetz, der nach einer ihm vorgeschriebenen Form den Bischofsstuhl anfertigen mußte, daneben auch seinen eigenen Geschmack walten ließ, indem er ein altgerma226
53. A l t e r B i s c h o f s s t u h l in H e x h a m
nisches Ornament auf die obere Abschlußfiäche der Lehnen einmeißelte. Es besteht aus einem Flechtband, das in einer Triskele ausläuft. So häufig Bänke, Hochsitze und andere Sitze erwähnt werden, so selten T i s c h e . Daß sie aber damals schon vorhanden gewesen sind, ergibt sich aus der Bezeichnung „Tischgenossenschaft" („beod-geneatas") 1 , für eine Gefolgschaft, und die Glossare lehren: mensa = beod, oööe myse 8 . Wir dürfen uns aber die damaligen Tische nur als Servierbretter auf zusammenklappbaren Gestellen vorstellen und nicht als die schweren antiken Tische der Miniaturen. Zunächst hat ein jeder seinen Tisch für sich, oder man teilt ihn mit wenigen anderen 3 , dann kommt ein gemeinsamer Eßtisch auf, besonders in Klöstern. „Als die Brüder gerade am Tische (ad inensam) s a ß e n . . . " heißt eine Wendung aus der Historia Ecclesiastica 4 . Das B e t t wird imBeowulfepos mit „Betten und Polstern" schnell auf dem gedielten Boden hergerichtet. Auf (späteren) Miniaturen sehen wir neben schrankartigen Betten auch primitive Bettkästen, die unmittelbar auf dem Fußboden stehen, daneben regelrechte Bettgestelle mit gedrehten Pfosten und kugelförmigen Knäufen. Das Christuskind wird im Schrifttum als in einem Körbchen („bin") liegend geschildert. „Maria hine on bin ne alegde" 1 3
2 Wright-Wülcker, 328, 35. „Beowulf" 343 und a. a. O. In Priscus' Beschreibung d. Attilapalastes werden Tische „für je drei, vier oder mehr
Leute" hingestellt. * Hist. Eccl. III, 2. 16
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(„Maria legte ihn in einen K o r b " ) h e i ß t es im W e i h n a c h t s e v a n g e l i u m . Dieser volkstümliche A u s d r u c k d e u t e t d a r a u f hin, d a ß geflochtene Kinderwiegen üblich waren, wie j a a u c h das neuenglische W o r t „ c r a d l e " (Wiege) ureigentlich „ G e k n ü p f t e s , Geflochtenes" heißt 1 . Zu den m e i s t g e n a n n t e n Möbelstücken gehören vor allen Dingen die T r u h e n u n d S c h r ä n k e , beides kastenartige Möbel u n d deshalb m i t „ e i s t " (wörtlich: Kiste, K a s t e n ) bezeichnet. Wichtig sind die K l e i n o d i e n t r u h e ( „ m a ö m - c i s t " ) u n d die K l e i d e r t r u h e („hraegl-cyst"), wozu sich in Klöstern der Medizinschrank („laece-cyst) u n d der Bibliotheksschrank („boc-cist") gesellen. Letzterer wird v o n Aldhelm in einem R ä t s e l als „ a r c a l i b r a r i a " besungen: N u n ist mein Inneres gefüllt bis oben mit göttlichen W o r t e n , Nichts birgt andres mein Leib als l a u t e r heilige Bücher, U n d doch weiß ich selber d a v o n a u c h nicht das geringste W ö r t c h e n . . , " 2 W ä h r e n d die T r u h e n die F o r t s e t z u n g der altgermanischen trogartigen Behälter bilden, ist die F o r m der S c h r ä n k e südländischen Möbeln e n t l e h n t , die m a n d u r c h Elfenbeine u n d d u r c h Codices kennenlernte. (So ist ein B ü c h e r s c h r a n k auf einer Miniatur des Codex A m i a t i n u s zu sehen; Tafel 17.) — Alle A r t e n von T r u h e n u n d Schränken werden schwere Holzmöbel gewesen sein, wahrscheinlich mit geschnitzten u n d ausgemalten T i e r o r n a m e n t e n verziert u n d mit reichem, schmiedeeisernem B a n d w e r k beschlagen. E i n völlig fremdes Möbel ist das S c h r e i b p u l t („boc-scamel"), ü b e r dessen „steilem B r e t t ' („stiö b o r d " ) die Schreibfeder „ a u f u n d ab s p a z i e r t " wie ein R ä t s e l erzählt 3 . I m m e r wieder zeigen Miniaturen Evangelisten an einem Schreibpult sitzend. Die F o r m ist die gleiche: auf einem festen gedrechselten Stempel ist oben ein schräg gestelltes B r e t t a n g e b r a c h t . Ähnlich werden auch die angelsächsischen Schreibpulte ausgesehen h a b e n . Mit der Zeit aber k o m m e n heimische Ziermuster schmückend hinzu. So ist das Schreibbrett auf einer Miniatur des C u t h b e r t - E v a n g e l i a r s rechts u n d links v o n zwei r u n d p l a s t i s c h geschnitzten Tiergestalten flankiert (Tafel 18). Ü b e r b l i c k . Z u s a m m e n f a s s e n d l ä ß t sich immerhin soviel feststellen, daß, insoweit die Ausgestaltung des W o h n r a u m e s in B e t r a c h t k o m m t , auch die Möbel n a c h heimisch-angelsächsischer Sitte gefertigt u n d verziert werden. D a s betrifft in erster Linie die M e t b a n k , den Hochsitz, den Tisch, sodann Schemel u n d T r u h e n . Dagegen S t ü h l e (Faltstühle), B e t t e n auf Gestellen, S c h r ä n k e wie die „ a r c a l i b r a r i a " u n d Schreibpulte weisen L e h n f o r m e n auf, die erst allmählich heimisch u m g e s t a l t e t werden. F r e m d bleiben die sakralen P r u n k s i t z e aus Metall u n d Stein. D o c h wie das einzig erhaltene Möbel der 1 2
Verwandt mit althochdeutsch „kratto" (Korb). 3 Aldhelm, ed. Ehwald S. 138. Rätsel 93.
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frühen Zeit, der „frijj-stol" aus Hexham, lehrt, kann der angelsächsische Steinmetz selbst bei diesem antikisierenden Zeremonialsessel nicht umhin, einen kleinen heimischen Zug in Gestalt eines Flechtornamentes einzufügen. TEXTILIEN Nicht unwichtig ist es, Gewebe und deren Verzierung, j a sogar die Kleidung der Angelsachsen in den Rahmen unserer Untersuchung hineinzuziehen, da sich in diesen Dingen die Einstellung des Inselvolkes zu Farbe und Ornament deutlicher als anderswo zeigt. Herstellung der Stoffe. Das Weben ist zunächst nur Frauenangelegenheit gewesen. Manche Ausdrücke deuten darauf hin, z. B. „spinel-healf" (Verwandte der Frau), „spinster" („Spinnerin", neuenglisch: alte Jungfer) und „freoöu-webbe" („die Friedensweberin", als Beiname einer Königin in „Beowulf"). Die heimischenStoffe sind Wolle und L e i n e n , besonders erstere, wie Grabfunde ergeben haben. Daneben werden — wenige — fremde Stoffe importiert, besonders zu kirchlichen Zwecken; dazu gehört vor allen Dingen die S e i d e , die bald „side" aus lat. „ s a e t a " heißt, bald „seolc" aus slavisch „selcu", was die Einführung aus Asien über den slavischen Osten erkennen läßt. Dazu kommen aus orientalischen Ländern P u r p u r s t o f f e („paell"). Lat. „ p u r p u r a " wird als „purpure" = „purpurnes Gewand" unmittelbar ins Altenglische aufgenommen. „Purpura et serica" werden stets als seltene Kostbarkeiten bewundert. Für B y s s u s gibt es im Angelsächsischen kein besonderes Wort, es wird durch „twin" wiedergegeben, was eigentlich ein heimisches Gewebe mit „doppeltem Faden" bezeichnet. Sehr häufig finden wir den merkwürdigen Ausdruck „godweb" („Gottgewebe"), und zwar für einheimische wie für fremde Gewebe. So ist die a l t n a t i o n a l e Fahne der Northumbrier, die „ T u f a " , „mit Gold und Gottgewebe geschmückt" („mid golde ond mid godwebbe gefraetewod" 1 ), andererseits lesen wir, daß ein Altar „mit purpurnem Gottgewebe behängt" sei („bewrigen mid baswe godwebbe") 2 , wohl einen importierten Stoff. Das Wort „godweb" ist ursprünglich vom arabisch „ * q o ' t o n " = „Baumwolle" abgeleitet, aber in gemeingermanischer Zeit nannte man so ein kostbares Gewebe, das zu Ehren der Götter gewebt und wahrscheinlich mit kultsymbolischen Ornamenten (Schlangenfiguren ?) versehen war. So hören wir im „Beowulf", daß sich in der heidnischen Drachenhöhle befindet: segn eall-gylden heah ofer horde, hond-wundra maest gelocen l e o ö o - c r a e f t u m 1
Hist. Eccl. III, 11. Alfreds Übersetzung. 16*
2
Bückling Homüies 207, 17. 229
ein güldenes Banner, H o c h ü b e r d e m H o r t e , der H a n d w u n d e r größtes Geknüpft unter Liedkräften ( Z a u b e r g e s ä n g e n ) 1 . H i e r ist bestätigt, d a ß es zauberische Gewebe gegeben h a t ; das W o r t „godw e b " selbst finden wir in einem Rätsel a n g e f ü h r t . Die B r ü n n e s p r i c h t : W y r m a s mec ne a w a e f a n w y r d a c r a e f t u m }ia })€ geolo godwebb g e a t w u m f r a e t w a ö 2 Mich w e b t e n W ü r m e r (Schlangen) nicht d u r c h S c h i c k s a l s kräfte Die das G o t t g e w e b e herrlich, das gelbe, schmücken. Dieses Rätsel ist eine U b e r s e t z u n g von Aldhelms „ D e Lorica", wo die beiden Reihen ausgedrückt sind d u r c h „nec crocea Seres t e x u n t lanugine verm e s " . Der angelsächsische Dichter m a c h t ein „ g o d w e b " d a r a u s , wobei sich bei i h m a u t o m a t i s c h der Begriff „ d u r c h K r ä f t e der W y r d " einstellt (Wyrd, ursprünglich eine der N o r n e n , spielt als Schicksalsgottheit eine ungeheure Rolle in der angelsächsischen Welt bis weit in die christliche Epoche hinein). U n k l a r schwebt i h m bei E r w ä h n u n g der „ W ü r m e r " noch obendrein das Bild eines „ W u r m o r n a m e n t e s " vor, was den Sinn der Verse dunkel m a c h t , u n s aber um so deutlicher e r k e n n e n läßt, d a ß ein „ G o t t g e w e b e " geheimnisvollen U r s p r u n g s ist. Weil diese Gewebe ursprünglich einem Gott zu E h r e n angefertigt w u r d e n , w a n d e l t e m a n die d a f ü r gebrauchte, aus dem f r e m d e n „ * q o ' t o n " abgeleitete B e n e n n u n g volksetymologisch u m , u n d so finden wir ein „ G o t t g e w e b e " in allen germanischen Dialekten 3 . I m 7./8. J a h r h u n d e r t b e d e u t e t angelsächsisch „ g o d w e b " nichts anderes als einen besonders kostb a r e n , zumal g o l d d u r c h w i r k t e n Stoff. Das „laece-bock" ( „ H e i l b u c h " ) b r i n g t in einem K a p i t e l ü b e r T r a u m d e u t u n g e n folgende B e l e h r u n g : „gif m o n m a e t e , J)aet he s e o l u c oööe g o d w e b b e haebbe, god h i t bij> h w i l u m ond h w i l u m l e a s u n g " 4 ( „ W e n n m a n t r ä u m t , d a ß m a n S e i d e oder G o t t g e w e b e besitze, so b e d e u t e t dies m a n c h m a l etwas Gutes, m a n c h m a l aber T ä u schung"). Seide u n d G o t t g e w e b e b e d e u t e n d a n a c h R e i c h t u m , wirklichen oder n u r vorgespiegelten! G r a b f u n d e beweisen, d a ß g o l d d u r c h w i r k t e Stoffe in A l t - E n g l a n d n i c h t auf F a b e l e r z ä h l u n g b e r u h e n . I n K e n t i s c h e n Grabhügeln (und a u c h in einigen a u ß e r h a l b K e n t gelegenen) f a n d m a n Goldfäden u n d Goldgespinste, 1
„Beowulf" 2767. Ich möchte hier in Analogie zu dem weiter unten erwähnten „wyrdacraeftum" nicht „Fingerfertigkeit", sondern „Liedkräfte" ansetzen. Manuscr.: leoöo craeftü.
2
Rätsel 36, gleich Aldhelm. ed. Ehwald S. 257. Isländisch: guö-vefr. Altsächsisch: godu-web. Althochdeutsch: cota-weppi. Leechdoms, a. a. O., III, 174.
3 4
230
ÜJberbleibsel aus golddurchwirkten Wollstoffen, und z w a r bei Männern und Frauen, bei Kriegern wie bei Geistlichen; bei Männern als Mantelreste, bei Frauen alls Kopfschmuck („vitta"). Beachtenswert ist ein Sltückchen Goldstoff aus Taplow, wobei die Wolle noch errhalten ist: ganz dünne Streifen echten Goldes sind im Gobelinmanier in die Wolle hineingewebt und bilden Ziickzackstreifen, so daß das Ganze wie ein Rautenmiuster wirkt (Abb. 54). Es ist anscheinend ein sehr belieebtes heimisches Muster, denn ein ähnliches findet mian als Rand von Miniaturen; auch als Rahmenscjhmuck der Elfenbeinplatte von Genoels-Eideren (TTafel 4). Wie ein Stück Tuch gewebt wurde, erfahren wir ams dem weiter oben schon angeführten Rätsel: . . . Wat ic mec beworhte walle flysum haerum jourh heaheraeft. . . Wundene me . . . beoö wefle (ond) ic wearp hafu, . . . aet me brütende hrisil scrijseö . . .mec sceal amas cnyssan 1
54. G o l d d u r c h wirkter Stoff aus d e n T a p l o w Gräbern (Vergrößert)
. . . Ich weiß mich gewirkt aus Wollenflies, Aus Haaren durch hohe Kunst. . . Ich habe. . . gewundenen Einschlag (und) Weberzettel, . . . schnurrend durchschreitet das Schifflein mich, Und mich soll. . . der Schaft bedrohen. In merowingischer Zeit (also der hier behandelten) fehlen bei allen germeanischen Stämmen fremde Ausdrücke über die Technik des Webens, ein Beiweis, daß diese Fertigkeit rein germanisch blieb. Besonders in Alt-Englanid muß (schon damals!) die Webekunst zu großer Vollkommenheit gelamgt sein. Angelsächsische Tuche sind hoch begehrt, was ein Brief des Abites Cuöberht von Wearmouth beweist, der 764 an Lullus von Mainz 8 enfglisches Gewebe schickt, nämlich „zwei Pallien allerfeinster Arbeit, das eime weiß, das andere buntfarbig" 3 . ]Das F ä r b e n verstand man ausgezeichnet. Der „Gerefa" (eine Anweisung untd Inventaraufnahme für Gutshöfe) empfiehlt den Anbau von Waid und Krrapp zur Gewinnung von blauer und roter Farbe. Beda bezeugt das Vorkoimmen von Purpurschnecken in England und findet begeisterte Worte übter die Schönheit der Purpurgewebe: „Es gibt hier Purpurschnecken genug 1 2 3
Rlätsel 36. Hier ohne Verneinungen zitiert. Allso an eben denselben, den man um Überlassung von Glasmachern bat! Ml. G. Epp. I, ed. Tangl. p. 251.
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und übergenug, aus denen die Purpurfarbe gemacht wird, eine ganz herrliche Farbe, welche weder durch die Glut der Sonne noch durch die Nässe des Regens gebleicht wird, je älter sie wird, desto schöner wird sie" 1 . So gut verstehen sich die Weber schon auf ihr Handwerk, daß sie buntgemusterte Tuche mit Hilfe von mehreren verschiedenen Tretschemeln herzustellen wissen: „Einschlagsfäden, mit purpurnen, ja sogar mit sehr mannigfaltigen Farben gefärbt, laufen zwischen den dichten Kettenfäden hinüber und herüber und verzieren nach Brokat art (arte plumaria) j edes Werk der Webekunst mit verschiedenen Mustern und Bildern (diversis imaginum toraciclis) 2 ". Fragen wir uns, welche „imagines" ( M u s t e r , Bilder) schmückend in die Gewebe hineingewirkt sind, so müssen wir einen Brief des Mainzer Erzbischofs Bonifatius (Wynfrija) an CuÖberht von Canterbury (748) heranziehen, in dem er sich tadelnd wendet gegen die „ornamenta vestium latissimis clavis vermium marginibus clavata" („die Ornamente der Kleider, die mit sehr breiten Streifen und wurmförmigen Linien versehen sind") 3 . Es sind anscheinend die Tier- oder Schlangenornamente, die schon oft genannten „wyrm-lic" (Wurmbilder"), die als Musterung dienen! Und vielleicht spricht aus Bonifatius' Worten nicht nur der Zorn über eine unpassende Kleiderpracht, sondern auch eine leise Ablehnung des altheidnischen Ornamentes. Neben dem Tierornament findet sich, wie wir aus Miniaturen ersehen 4 , eine ebenfalls heimische, aber bei weitem einfachere geometrische Verzierung: neben dem schon erwähnten Zickzackstreifen gibt es kleine Kreise mit einem Punkt in der Mitte, oder umpünktelte Kreise, oder kleine Sonnen, auch gleicharmige Kreuzchen in der typisch englischen Form mit konkav geschwungenen und oben abgerundeten Armen, die als Ganzes genommen wie kleine Kreise wirken. Ich möchte annehmen, daß die frühe Glosse „hring-fah" („ringbunt") gleich „polymita vel oculata" 5 auf diese viel verwandte Musterung hindeutet. Höchstwahrscheinlich sind diese Ringel und Kreise eine eigene angelsächsische Bildung (eine Zierform ähnlich der Stempelmuster auf Tongefäßen und der Nagelzier auf angelsächsischen Metallgefäßen) und nicht eine Abwandlung des fränkischen Rosetten- und Scheibenornamentes. — Neben nationaler Musterung kommen aber hier und dort Ornamente fremden Ursprungs auf, zumal bei kirchlichen Gewändern. Nachahmung wird sicher Aldhelms herrlich gewirkte Kasel gefunden haben; sie war „von purpurroter Farbe, und schwarze Kreise schlössen Bilder von Pfauen ein" 6 . Auf Miniaturen sehen wir manchmal Gewänder mit Rankenund Blattornamenten. 1 3 4 6
2 Aldhelm, De laud. virg. ed. Ehwald (M. G. H.) S. 244. Hist. Eccl. 1,1. Epp. I. ed. Tangl p. 170. Im Benedictionale St. Aethelwoldi, Abb. bei Fairholt, Costume in Engl. Lond. 1860. S. 42. 6 W. v. Malmesbury, Gesta Pontif. S. 365. Wright-Wülcker 40, 17 und 125, 36.
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W i r wollen nun, nachdem wir die verschiedenen Stoffe und ihre Ornamentierung kennengelernt haben, deren wichtigste Verwendungsarten im einzelnen besprechen. Wandbehänge. Es war germanische Sitte, die Holzwände des Hallenraumes bei festlichen Gelegenheiten mit g e w e b t e n T a p e t e n zu behängen: ]3a wacs haten hreöe Heort innanweard folmum gefraetwod. . . G o l d - f a g s c i n o n w e b aefter wagum, wunder-siona fela secga gehwylcum, Jpara-Jpe on swylc staraö 1 Nun ward von fleißigen Fingern Heorot Festlich geschmückt. G o l d b u n t e s G e w e b e Glänzt an den Wänden, ein Wunder zu schauen Den Augen der Menschen. Die „goldbunten" Vorhänge verdecken die geschnitzten „ w y r m - l i c " („Wurmbilder") der Holzwand. In der Ornamentation werden sie den Schnitzereien ähnlich gewesen sein (d. h. für unsere Begriffe, wahrscheinlich war aber doch u r s p r ü n g l i c h der Bedeutungsinhalt ein anderer!); durch das Wollmaterial wird nun eine freundlich-warme Stimmung und durch die reichlich durchschossenen Goldfäden ein festlich-prunkvoller Raumeindruck erzielt. Später werden durch mediterranen Einfluß nicht nur Ornamente, sondern auch figürliche Darstellungen hineingewirkt oder hineingestickt. Am bekanntesten ist der erhaltene „Teppich von B a y e u x " , den wohl die Gemahlin Wilhelms des Eroberers verfertigte; er stammt aus dem 11. Jahrhundert, während aus dem 10. Jahrhundert berichtet wird, daß Aeöelfleda die Geschichte der Heldentaten ihres Gemahls B y r h t n o t h in Seide stickte und dies Werk dem Kloster Ely schenkte 2 . So geschickt waren die englischen Frauen in Nadelkünsten aller Art, daß später Normannen und Franzosen eine gelungene Bildstickerei mit „opus a n g l i c u m " bezeichneten. Aus dem 7./8. Jahrhundert ist uns kein Bildteppich namentlich aufgezählt, aber aus dem Ausdruck „webbung" für „Schauspiel" (scena) können wir ihr Vorhandensein vermuten 3 . Man scheint auf diesem Gebiet sich schnell zu figürlicher Darstellung bereitgefunden zu h a b e n ! In den Kirchen werden ebenfalls Vorhänge zum Bekleiden der W ä n d e benutzt. W i r finden in den Glossaren: wah-rift = curtina (wah-rift heißt wörtlich: „Wandbekleidung") }?aes temples wahrift = velum 4 König Oswald schmückt das Münster von York, „indem er mit seidenen Vorhängen die heiligen Wände behängt" 6 . Die Beschreibung des Vorhangs 2 Hist. Elien., p. 494. 3 Wright-Wülcker 45, 37 (8. Jhdt.). 1 „Beowulf" 991. 4 Wright-Wülcker 16, 30. 6 Alcuin, a. a. O., V. 280.
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im Tempel zu Jerusalem mag auf einem Erinnerungsbild des Dichters Cynewulf an die heimische Kathedrale beruhen: . . . godwebba cyst, Jaaet aer öam halgan huse sceolde to weor]junga weorud sceawian. . . . . .J)aes temples segl w u n d e r b l e o m geworht to wlite Jjaes h u s e s . . . 1 Der G o t t g e w e b e köstlichstes, das dem heiligen Hause zur Verherrlichung das Volk sollte schauen. . .des Tempels V o r h a n g , W u n d e r b u n t gewirkt zur Zier des Hauses . . . Besonders wertvoll sind die B e h ä n g e d e r A l t ä r e . „ U n d wie er die Altäre mit purpurnen und seidenen Behängen schmückte, wer kann das genügend berichten?" ruft Eddius zum Preise Bischof Accas von Hexham aus 2 . Die Altarbchänge sind gewöhnlich von roter Farbe, und mit Gold geschmückt. So wird der Altar von Ripon „samt Sockel (cum bassibus) mit goldenen und purpurnen Geweben unter Teilnahme des ganzen Volkes" köstlich bekleidet 3 . Solche kostbaren Altarbehänge heißen „pallia" oder „pallae", angelsächsisch „paell". In Glastonbury stiftet König Ine (um 700) ein „Altartuch (palla altaris). . . überall mit Gold und kostbaren Steinen kunstvoll durchwirkt" 4 , und der Lobpreis Aldhelins auf Bugges Kirche in Thanet enthält den Hinweis: „ E s glänzen goldene Behänge gewirkt aus verschlungenen Fäden, Sie bilden des heil'gen Altares schöne, deckende Hülle" 5 . Wahrscheinlich werden alle diese Tücher mit christlichen Symbolen, mit Ranken oder gar mit figürlichen Darstellungen aus der Heilsgeschichte geschmückt gewesen sein. Drittens werden Behänge zum B e d e c k e n d e r T u m b e n benutzt. So ist die Tumba des hl. Ceadda (in Gestalt eines kleinen Hauses) mit einem Tuch überdeckt 6 . Der Sarkophag der hl. Aeöeldryö in Ely war verhüllt durch einen „kostbaren Behang", der 870 von den Dänen geraubt wird 7 . Der Umstand, daß man den antiken Marmorsarkophag der Aeöelöryö, für dessen glückliche Auffindung man Gott von Herzen dankbar gewesen, nachher mit einem Behang bedeckt hat, beweist zur Genüge, daß bei den Angelsachen immer wieder die Liebe zu heimischer Schmuckweise durchbricht. Die Tracht. Die Kleidung der Angelsachsen scheint im Gegensatz zu der anderer germanischer Stämme, mit Ausnahme der einst benachbarten 2 Eddius, c. 22. „Christ" 1135. * Malmesbury, De antiq. Glaston. Eccl. a. a. 0 . S. 55.
1
6
Aldhelm, a. a. O. p. 17.
234
6
Hist. Eccl. IV, 3.
3
7
Eddius, c. 17. Gest. Pont. S. 323.
L a n g o b a r d e n , sehr w e i t u n d f a l t i g gewesen zu sein. W i r e n t n e h m e n dies einem Urteil P a u l u s Diaconus' (720—797) ü b e r die T r a c h t der L a n g o b a r d e n : „ i h r e Kleider w a r e n weit u n d faltig, wie sie die A n g e l s a c h s e n zu t r a g e n pflegen (laxa et m a x i m e linea, qualia A n g l i s a x o n e s h a b e r e solent)" 1 (Vergl. Tafel 1, die F r a u e n in ihren weiten M ä n t e l n ; u n d die m e r k w ü r d i g faltigen Gewänder der zweiten T a f e l v o n Genoels-Elderen, T a f e l 5). Ä h n liches gibt ein Brief des B o n i f a t i u s zu erkennen, der die Festkleider der Angelsachsen als innen teils m i t Seide ausgeschlagen, teils m i t k o s t b a r e m Pelzwerk g e f ü t t e r t a n g i b t ; das setzt einen weiten Schnitt voraus, der d u r c h B a u s c h e n u n d Umschlagen der S ä u m e a u c h die schöne I n n e n s e i t e z u r Gelt u n g bringt. Der schöne Fall der Obergewänder wird d a d u r c h u n t e r s t ü t z t , d a ß m a n sie u n t e n m i t F r a n s e n a b k a n t e t ( „ w l o h f n a e d " ) . I m E p o s „ J u l i a n e " e n t g e h t die M ä r t y r e r i n u n v e r l e t z t d e m F e u e r , u n d „ v e r s e n g t war weder Kleid noch F r a n s e , H a a r noch H a u t " („naes hire wloh n e hraegl ne feax ne fei f y r e gemaeled") 2 . Vielfach werden die G e w a n d s ä u m e auch d u r c h B o r t e n geziert. Diese w u r d e n gewebt, d a n n „ g o l d b u n t " durchstickt u n d , w e n n es h o c h k a m , m i t Edelsteinen besetzt. So viel Gewicht legten die Angelsachsen auf F r a n s e n u n d B o r t e n , d a ß „ a n w l o h " u n d „ g e w l o h " (wörtlich: b e f r a n s t , b e b o r t e t ) gleich „ g e s c h m ü c k t " zu w e r t e n ist, a u c h im ü b e r t r a g e n e n S i n n : „J)in rice biö a n w l o h " 3 Dein Reich bleibt in Zier ( „ b e f r a n s t ! " ) und „seo eoröe w a e s t m u m gewlo" 4 Die E r d e ist m i t Gewächsen geschmückt ( „ b e b o r t e t " ! ) E s ist sehr wohl möglich, d a ß die Angelsachsen d u r c h diese Vorliebe f ü r weite Kleidung, f ü r zierliche, m i t F r a n s e n u n d B o r t e n versehene S ä u m e zu j e n e m t y p i s c h e n S t i l in der figürlichen M i n i a t u r m a l e r e i gelangt sind, der sich d u r c h wallende Mäntel m i t flatternden u n d umgeschlagenen Zipfeln, d u r c h gefältelte Röcke m i t vielfach gekräuselten R ä n d e r n auszeichnet, u n d der u n s gleich v e r r ä t , d a ß ein Codex angelsächsischen U r s p r u n g s ist (z. B. die Caedmon-Genesis, 9./10. J a h r h u n d e r t , A b b . 8). A u c h lieben die Angelsachsen l e b h a f t e K l e i d e r f a r b e n vielleicht noch m e h r als die übrigen germanischen S t ä m m e . W i r werden S t a r k f a r b i g k e i t , aber n i c h t u n a n g e n e h m e B u n t h e i t der G e w a n d u n g a n n e h m e n müssen. I h r ausgebildeter F a r b e n s i n n , der sie sogar b e f ä h i g t , kleine F a r b u n t e r s c h i e d e deutlich w a h r z u n e h m e n , ist schon a n anderer Stelle besprochen worden (vergl. S. 141). 1 4
Paulus Diaconus, Hist. Langob. 4, 22. „Genesis" 1789.
2
„Juliane" 590.
3
„Daniel" 585.
235
Die K l e i d u n g d e r M ä n n e r besteht aus einem jackenartigen Hemd (,,ham", „herriefe") oder einem längeren, bzw. kürzeren und vornehmeren, Überwurf („tunice" — man beachte das fremde Wort!). Beide können Ärmel haben; dies Charakteristikum germanischer Kleidung ist also von der Hemdjacke auf den Überwurf übertragen worden. Die Ärmel sind manchmal geschlungen, oft genäht; in letzterem Fall fehlt die heftende Fibel auf der Schulter. In den Gräbern des mittleren Englands finden sich sehr hübsche kleine Bronzeschnallen, die zum Zusammenhalten der Ärmel am Handgelenk dienten, ein typisch englischer Zweckschmuck, der sonst nur noch vereinzelt in Skandinavien vorkommt. Die germanische „Langhose" (lateinisch „bracca") hat sich bei den Angelsachsen des 7./8. Jahrhunderts in die kurze „ b r e c " und eine daran befestigte S t r u m p f h o s e („hosa") verwandelt 1 . Vornehm war es, die Beine vom Knie abwärts mit bunten Streifen zu umwickeln 2 . Um die Hüfte wird der G ü r t e l geschlungen. In St. Matthias in Trier wird der Gürtel König Oswalds von Northumberland (7. Jahrhundert) aufbewahrt; er ist aus Leder, mit einfachem Ritzmuster versehen. Oft sind aber die Gürtel kostbarer geschmückt; wir hören von einem mit Edelsteinen besetzten Gürtel („agimmed gyrdle") und von Gürteln mit einer Metallschließe („gyrdels-hringe"). Das Wort „gyrdels-hringe" weist auf eine ganz besondere Art der Gürtelschnalle hin, nämlich auf die ringförmige Schließe, durch welche das Gurtband hindurchgezogen wird. Neben diesen einfachen Ringschließen finden sich solche mit reichverziertem Bügel, der fast nie rund oder oval, oft rechteckig, aber meist dreieckig (wie bei der fränkischen Schnalle) ist. Schöne Exemplare aus Gold mit Granateinlagen und Lapislázuli befinden sich im Britischen Museum, manche mit vollendeter Bandverschlingung verziert (Tafel 31). Den Anzug vervollständigt ein weiter, mittels einer Spange zusammengehaltener M a n t e l . Den Kopf hielten die Männer meist unbedeckt, doch läßt eine Strafverordnung vom Konzil zu Cloveshoe (747) erkennen, daß es Sitte war, den Kopf mit dem Zipfel des (weiten!) Gewandes zu bedecken. Die F r a u e n t r a c h t besteht aus einem langwallenden, gegürteten Gewand, ebenfalls mit oder ohne Ärmel. In englischen Frauengräbern sind häufig große Scheibenfibeln oder kleine Ringfibeln gefunden worden, die zu Paaren unterhalb des Kinnes lagen, was auf einen Gewandschlitz vorn am Hals deutet. Ein vorzügliches Bild der weiblichen Tracht gibt uns Aldhelm; freilich ist es eine besonders modische Dame, die er mit einigem Unmut beschreibt. E s handelt sich um den Typ der adeligen Nonne, die auch im Kloster ihre weltliche Tracht nicht ablegen will. Sie trägt ein violettes Untergewand aus feinstem Linnen („subucula bissina sive hiacinthina"), darüber ein scharlachrotes kürzeres Oberkleid („túnica coccínea") mit einer 1 2
Plattdeutsch noch heute hose = Strumpf. Vgl. auch neuengl. "hosiery". Haddan u. Stubbs, Councils III. Oxf. 1871. p. 347.
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Art K a p u z e d a r a n . Diese ist wie die Ä r m e l m i t Seidenborten verziert u n d m i t rötlichem Pelz u m s ä u m t . Der Stoff ist besetzt „ m i t P l ä t t c h e n v o n Gold u n d Silber" u n d k a n n „ T o p a s u n d K a r f u n k e l u n d die P r a c h t rötlicher Steine u n d S c h m u c k p e r l e n v o n B e r n s t e i n " n i c h t e n t b e h r e n . E i n zarter Schleier, weiß oder farbig, ist m i t B ä n d e r n a m K o p f p u t z befestigt. R o t e Schuhe ergänzen den Anzug 1 . W i r sehen, es ergibt sich ein recht p r ä c h t i g e r u n d dabei gewählter Z u s a m m e n k l a n g von Gold, Scharlachrot u n d Violett. Noch v o n einem zweiten F r a u e n g e w a n d , aber aus s p ä t e r e r Zeit, wird u n s g e m e l d e t : E m m a , die Gemahlin K n u t s , verziert ein Kleid so trefflich mit Gold u n d E d e l s t e i n e n , d a ß j e d e r m a n n die herrliche A r b e i t p r e i s t , deren keine zweite ,,in A n g l o r u m regione" zu finden sei. — Die alte T r a d i t i o n wird also hier fortgesetzt. D i e T r a c h t d e r G e i s t l i c h e n . Mit der E i n f ü h r u n g des C h r i s t e n t u m s k o m m t n i c h t n u r eine Scheidung in weltliche u n d in geistliche T r a c h t , sondern auch die Stoffe a n sich werden in Gott m e h r oder weniger wohlgefällige geteilt. Von Aeöeldriö, der Äbtissin von Ely, wird als Zeichen besonderer F r ö m m i g k e i t b e r i c h t e t , d a ß sie „niemals leinene, sondern n u r wollene K l e i d u n g t r a g e n wollte" 2 . Aus diesem nicht n u r f ü r E n g l a n d t y p i s c h e n Zug von Askese g e h t hervor, d a ß die Wolle t r o t z aller F e r t i g k e i t des „wullw e b b a " oder der „ w u l l - w e b b e s t r e " doch noch recht kratzig gewesen sein m u ß , das Leinen dagegen schon feinfädig. Dazu s t i m m t ein W o r t B e d a s ; es sei löblich, r a u h e Stoffe zu t r a g e n , denn sonst „ w ü r d e der H e r r keineswegs J o h a n n e s wegen der R a u h e i t seiner Kleider gelobt h a b e n " 3 . •—• Neben d e m Verzicht auf das weiche, zierlich gefältelte Leinen gilt die Absage a n b u n t e F a r b e n als f r o m m e s W e r k . I m Kloster von Lindisfarne befleißigt m a n sich in N a c h a h m u n g des hl. Cuöberhts einer einfachen K l e i d u n g in der Weise, „ d a ß m a n keine Gewänder von b u n t e r oder kostspieliger F a r b e t r ä g t , sondern d a ß die Kleider in erster Linie aus natürlicher Schafswolle gewirkt sind" 4 . Auf der Synode von CalcuiJj (778) wird geistlichen P e r s o n e n das Tragen von Kleidern „ t i n c t i s I n d i a e coloribus" ( „ m i t indischen F a r b e n g e f ä r b t " ) v e r b o t e n ; u n d die Synode von Cloveshoe (742) befiehlt, d a ß die Nonnen sich lieber im Lesen u n d Psallieren ü b e n sollen als im W e b e n u n d Sticken „seelenloser K l e i d e r " in „ b u n t e n F a r b e n " („vario colore") 8 . Z u r S t r a f e f ü r verschiedene S ü n d e n b r a n n t e (679) das Kloster v o n Coldingham (ein Doppelkloster) nieder, so erzählt B e d a ; schon vorher h a b e ein weiser Mönch getadelt, d a ß die N o n n e n „die allerfeinsten Gewänder webten, entweder u m sich selbst zu i h r e m eigenen Verderben wie B r ä u t e d a m i t zu schmücken oder u m die F r e u n d s c h a f t f r e m d e r Männer zu gewinnen" 6 . I n der T a t sind damals N o n n e n wie Aeöeldryö u n d Geistliche wie C u ö b e r h t 1 3 6
Aldhelm. Ed. Ehwald, S. 318. Giles, Opp. XI, 47. Auf Lukas VII, 25. Haddan u. Stubbs a. a. 0 . III, S. 369.
2
Hist. Ecel. IV, 17. * Baeda, Vita Cuthberti, c. 16. 8 Hist. Eccl. IV, 23.
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nicht allzu häufig zu finden. Mönche wie Nonnen tragen noch oft weltliche Tracht. Erst allmählich gelingt es, eine e i n f a c h e und g l e i c h f ö r m i g e Klostertracht einzuführen. Ganz im Gegensatz dazu ging das Bestreben der Kirche dahin, die o f f i z i e l l e n K i r c h e n g e w ä n d e r s e h r p r ä c h t i g zu gestalten. So bringt Benedict von Wearmouth aus Bom mit „zwei Pallien ganz aus Seide (oloserica) von unvergleichlicher Arbeit", also fein durchwirkt oder bestickt. Diese Pallien (hier: kirchliche Gewänder) verkauft er seinem König um ein „Dreifamilienland" am Südufer des Wearflusses 1 . — Zum Abschluß mögen hier noch aus der Schenkung AeÖelwulfs an Papst Benedict I I I . (855) folgende gewebte und gestickte Gaben erwähnt sein: „ein Chorrock aus Seide mit einer goldenen Spange, mehrere Chorhemden aus weißer Seide mit goldenen Tressen und Haken" 2 . Ü b e r b l i c k . Wägen wir alles das, was über Textilien zu sagen war, gegeneinander ab, so ergibt sich folgendes Bild: die angelsächsische Webekunst ist heimische Werkarbeit. Lange und viel geübt, erreicht sie schöne Erfolge im 7-/8. Jahrhundert, sowohl wegen der Feinheit des Gewebes als auch wegen der zwar lebhaften, aber harmonisch abgetönten Farbenzusammenstellung. Schon kurze Zeit nach der Einführung des Christentums, vorbereitet durch frühere Berührungen mit südlicher Kultur, unterliegt die angelsächsische Textilkunst vielfach fremden Einflüssen. Fremde Stoffe werden eingeführt, die sehr eigenartige nationale Tracht nimmt gewisse fremde Modeelemente auf. Kirchliche Ausstattungsstücke werden mit spätantiker Ornamentik und mit figürlichen Darstellungen verziert, doch scheinen auch die Wohnungen allmählich mit Bildteppichen geschmückt zu werden an Stelle von Wandbehängen („Gottgewebe") mit altgermanischer Tierornamentik. 1
Hist. Abbatum, c. 9.
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2
Liber Pontificalis. Ed. Duchesne II, p. 148.
SCHLUSSBETRACHTUNG E s ist n u n m e h r nicht schwer, eine G e s a m t e n t s c h e i d u n g zu t r e f f e n , d a allen E i n z e l u n t e r s u c h u n g e n bereits ein Uberblick an den S c h l u ß gesetzt worden ist. Vergleichen wir die Ergebnisse m i t e i n a n d e r , so e r k e n n e n wir, d a ß die angelsächsische K u n s t des 7./8. J a h r h u n d e r t s u n t e r s t a r k e r M e h r g e s e t z l i c h k e i t s t e h t ; ferner, d a ß t r o t z dieser Verschiedenartigkeit eine e i n h e i t l i c h e L i n i e klar h e r v o r t r i t t . Z u n ä c h s t die M e h r g e s e t z l i c h k e i t . Wir sahen, d a ß auf die den Angelsachsen innewohnende germanische K u n s t a u f f a s s u n g , die d u r c h eine n a h e V e r b i n d u n g m i t dem F r a n k e n l a n d teils U n t e r s t ü t z u n g , teils B e i r r u n g erf u h r , zwei f r e m d e E i n f l u ß s p h ä r e n einwirkten, die keltische u n d die späta n t i k e . L e t z t e r e gliederte sich wieder in zwei F o r m ä u ß e r u n g e n , die römische (zumal die stadtrömische) u n d die östlichhellenistische. Die Einw i r k u n g der einzelnen F o r m a n t r i e b e war d u r c h a u s n i c h t d i e g l e i c h e . Die k e l t i s c h e T e i l k r a f t ist ziemlich a r t g e m ä ß , der H o l z b a u „ m o r e Scott o r u m " war ähnlich wie der germanische, u n d die a b s t r a k t e keltische Ornam e n t i k s t a n d der heimischen a n t h r o p o m o r p h e n u n d zoomorphen Linienwelt n a h e u n d k o n n t e mit ihr zu einem e i n h e i t l i c h e n G a n z e n z u s a m m e n gefaßt werden. Die r ö m i s c h e K u n s t dagegen, obgleich sie so sehr b e w u n d e r t u n d v o n einzelnen ü b e r r a g e n d e n Persönlichkeiten s t a r k propagiert w u r d e , der „ m o s R o m a n o r u m " , d e n m a n „ i m m e r liebte", sie schob sich wie ein F r e m d k ö r p e r i n die angelsächsische K u n s t a u f f a s s u n g . Man w u ß t e z u n ä c h s t nichts d a m i t a n z u f a n g e n ; das beweisen die f r ü h e n Miniaturen, v o n denen m a n oft schwer sagen k a n n , ob sie südlichen U r s p r u n g s oder angelsächsische K o p i e n sind. — A u f n a h m e f ä h i g e r h a b e n sich die Angelsachsen der o r i e n t a l i s c h e n F o r m e n w e l t gegenüber v e r h a l t e n . Man s t a n d irgendwie der schönheitsvollen hellenistischen K u n s t des Orients e m p f a n g s b e r e i t gegenü b e r , sei es durch ein innewohnendes ästhetisches U n t e r s c h e i d u n g s v e r m ö g e n (das noch den E n g l ä n d e r v o n h e u t e auszeichnet), sei es d u r c h eine Einwirk u n g der irisch-keltischen K i r c h e . Doch bleibt i m G r u n d e g e n o m m e n a u c h die orientalische K o m p o n e n t e e b e n f a l l s ein f r e m d e r u n d v o n a u ß e n angetragener I m p u l s . W i r b e m e r k t e n ferner, d a ß die W i r k u n g dieser drei v o n a u ß e n k o m m e n d e n F o r m a n t r i e b e d u r c h a u s n i c h t gleichmäßig w a r . M a n c h e K u n s t z w e i g e erschienen s t ä r k e r e r f a ß t als andere. Sozusagen o h n e f r e m d e B e s t a n d t e i l e k o n n t e n sich die W o h n b a u k u n s t , der Schiffsbau u n d die M e t a l l k u n s t h a l t e n , u n d hier vor allem Gefäße, S c h m u c k u n d Waffen. S o d a n n folgten Möbel u n d Textilien (so weit sich dies e r k e n n e n läßt). U n t e r s t a r k e r M e h r g e s e t z l i c h k e i t s t e h t die P l a s t i k . Vielleicht k ö n n t e m a n eine U n t e r scheidung n a c h germanischer Holzschnitzerei u n d f r e m d l ä n d i s c h e r Stein-
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plastik machen, doch wären dann gleich der Cuöberht-Sarg einerseits und das Portal von Wearmouth andererseits Ausnahmen der Regel. Malerei, Elfenbeinschnitzerei, sogar die Buchkunst und alle sonstigen Kunstzweige sind s t a r k u n t e r m i s c h t mit fremdem Gut. So weit der mehrgesetzliche Charakter der angelsächsischen Kunst. Es gilt nun die e i n h e i t l i c h e L i n i e zu verfolgen, die trotz der Mannigfaltigkeit vorhanden ist. Das Wesentliche ist dabei wohl, daß das germanische Element in der angelsächsischen Kunst nie dem oft überwältigend großen Anstrom der fremden Kunst ganz unterlegen ist. Immer wieder hat sich die germanische Grundhaltung zu b e h a u p t e n gewußt, ist ausgewichen, hat ihr nicht Genehmes ausgeschieden. Oder aber sie hat das fremde Gut e i n g e s c h m o l z e n , hat ihm eine ganz persönliche Eigenart verliehen, die sich in einer vergeistigten A u f f a s s u n g und in einer manchmal starren, manchmal verschnörkelten, oft maßlos übertriebenen, aber stets a u s d r u c k s v o l l e n F o r m e n g e b u n g ausspricht. Als wesentlichen G r u n d für diese E r h a l t u n g der E i g e n a r t möchte ich vor allem die Verbindung der angelsächsischen Kunst mit der ihr a r t g e m ä ß e n k e l t i s c h e n K u n s t ansehen. Diese bot einen Ausgleich zwischen heimisch-germanischer und spätantiker Art. Dadurch, daß die keltische Kunst schon früh neben dem Holzbau einen Kultbau aus Stein gepflegt hatte, vermochte man nun auf ihr Beispiel hin der römischen Basilika die gleichwertige Saalkirche entgegenzusetzen, die sowohl Rom wie Angelsachsen befriedigte. Auch in der Schöpfung des Hochkreuzes wurde das germanische Element wirksam unterstützt durch das keltische und konnte sich dadurch der großen, fremden Macht der Spätantike gegenüber so weit behaupten, daß ein originales Gesamtkunstwerk entstanden ist. Ein z w e i t e r Umstand trug ebenfalls sehr wesentlich zum Gelingen bei; das war die G r o ß z ü g i g k e i t , mit der die Christianisierung Englands gehandhabt wurde. Nie sind die Sitten und Gebräuche der Angelsachsen von der Kirche stark gehemmt worden, nie ist z. B. die Muttersprache aus der Kirche verdrängt worden, sogar die Messe wurde nicht ganz auf Lateinisch gelesen. So haben die Angelsachsen unter allen germanischen Volksstämmen, die eine Verbindung mit Mittelmeerkulturen eingingen, am s t ä r k s t e n die n a t i o n a l e E i g e n a r t gewahrt. Es muß ihnen ein besonders aufrechtes, selbstbewußtes und beharrliches Germanentum innegewohnt haben, wie wir es heute noch ganz besonders bei den deutschen Stämmen finden, die in den ehemals von Angelsachsen bewohnten Landstrichen Deutschlands leben. Und es ist wohl nicht verwunderlich, daß, als die deutsche Kunst zum erstenmal mit eigenen großen, artgemäßen Schöpfungen hervortritt, es in S a c h s e n geschieht. 240
LITERATURNACHWEIS A u s der s e h r großen Zahl der b e n u t z t e n B ü c h e r sind hier n u r diejenigen W e r k e n a m e n t lich a u f g e f ü h r t , aus denen u n m i t t e l b a r geschöpft w o r d e n ist. Aberg, N i l s : T h e Anglo-Saxons in E n g l a n d . Cambridge 1926. A n d r e w s , C. M . : T h e Old English Manor. B a l t i m o r e 1892. B a u m , J . : Malerei u n d P l a s t i k des Mittelalters I I ( H . d. K.). P o t s d a m 1930. Beissel, S t . : Gesch. d. E v a n g e l i e n b ü c h e r i. d. 1. H ä l f t e d. Mittelalters. F r e i b . 1906. Boeckler, A . : Abendländische M i n i a t u r e n bis z. Ausgang d. r o m a n . Zeit. Berl. 1930. B o s s e r t , H . T h . : Geschichte des Kunstgewerbes. Berl. 1928. B r a u n , J . : D a s christliche A l t a r g e r ä t . W i e n 1930. B r a u n , J . : D e r christliche Altar. M ü n c h e n 1924. B r e t h o l z , B . : Lateinische P a l ä o g r a p h i e . Leipzig 1911. B r ö g g e r , A. W . : Osebergfundet. K r i s t i a n i a 1920. B r ö n d s t e d t , J . : E a r l y English O r n a m e n t . London 1924. B r o w n , B a l d w i n : T h e A r t s in E a r l y England. Bd. 1—6 1 . L o n d o n 1903—1930. C l a p h a m , A. W . : English R o m a n e s q u e A r c h i t e c t u r e bef. t h e Conquest. Oxford 1930. Clemen, P a u l : Meroving. u n d Karoling. Plastik. B o n n e r J a h r b ü c h e r 1892. Clemen, P a u l : Die R o m a n i s c h e n W a n d m a l e r e i e n i. d. R h e i n l a n d e n . Düsseldorf 1916. Clemen, P a u l : Der Karoling. KaiserpaJast in Ingelheim. W e s t d . Zeitschr. f. G. u. K . 1890. Collingwood, W . G. N o r t h u m b r i a n Crosses of t h e P r e n o r m a n Age. 1927. Crawford, H . S.: H a n d b o o k of carved o r n a m e n t s of t h e Christian Period. 1926. D a l t o n , O. M . : British M u s e u m Guide t o Anglo-Saxon Antiquities. L o n d o n 1923. D e h i o , G. u n d v. Bezold, G.: Kirchliehe B a u k u n s t des Abendlandes. I. S t u t t g . 1887. D e u t s c h b e i n , M . : H a n d b u c h der E n g l a n d k u n d e . F r a n k f u r t 1930. Files, A . : T h e Anglo-Saxon House. Leipz. 1893. G o l d s c h m i d t , A . : Die Elfenbeinskulpt. a. d. Zeit der karoling. u n d sächsischen Kaiser. V I I I . — X I . J h d t . Berl. 1918. G o t c h , A . : T h e G r o w t h of t h e English House. Lond. 1909. 2. Aufl. 1928. G o u g a u d , L . : C h r i s t i a n i t y in Celtic L a n d s . Lond. 1932. Haseloff, A . : Die vorkaroling. B u c h m a l e r e i . R e p e t i t o r i u m f ü r K u n s t w i s s e n s c h a f t . 1920. H a u p t , A . : Die älteste K u n s t , insbes. d. B a u k u n s t der G e r m a n e n . Leipz. 2. A u f l . 1923. H e n n i n g , R . : D a s d e u t s c h e H a u s in seiner historischen E n t w i c k l u n g . S t r a ß b u r g 1882. H e n n i n g , R . : Die d e u t s c h e n H a u s t y p e n . S t r a ß b u r g 1886. H e r b e r t , I . A . : I l l u m i n a t e d Manuscripts. Lond. 1911. H e u s l e r , A . : Die a l t g e r m a n i s c h e D i c h t u n g . Watzels H a n d b . der L i t e r a t u r w i s s . Berlin o. J . H i n k s , R o g e r : Carolingian A r t . L o n d o n 1935. H e y n e , M . : F ü n f B ü c h e r d e u t s c h e r H a u s a l t e r t ü m e r . Leipzig 1899 u n d 1903. H i l p i s c h , S t . : B e d a Venerabiiis' Leben der Ä b t e des Klosters W e a r m o u t h (Übersetzung) W i e n 1930. H o o p s , J o h . : Reallexikon der g e r m a n i s c h e n A l t e r t u m s k u n d e . S t r a ß b u r g 1911—19. H ü b e n e r , G.: E n g l a n d u . d. Gesittungsgrundlage d. europ. F r ü h g e s c h . F r a n k f u r t 1930. J a c k s o n , T h . G . : B y z a n t i n e a n d R o m a n e s q u e Architecture. C a m b r . 1913. K a u f m a n n , F r . : D e u t s c h e A l t e r t u m s k u n d e . 2 B d e . M ü n c h e n 1913, 1923. K i n g s l e y P o r t e r , A. T h e Crosses a n d Culture of Ireland. 1931. K o s s i n n a , G . : U r s p r u n g u n d V e r b r . d. G e r m a n e n in vor- u n d f r ü h g e s c h i c h t l i c h e r Zeit. 1926. K o s s i n n a , G. Die d e u t s c h e V o r g e s c h i c h t e eine h e r v o r r a g e n d n a t i o n a l e W i s s e n s c h a f t . Leipzig 5. Aufl. 1933. K r a u s , F r . X . : Geschichte der christlichen K u n s t . F r e i b u r g 1896.
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Lateinische und a l t e n g l i s c h e Quellen. Adamnani Vita St. Columbae. Ed. Reeves. Oxford 1874. Aelfric's Lives of Saints. Ed. Sceat. EETS 76, 82, 94, 114. St. Aldhelmi Opera. Ed. Ehwald M. G. Auct. ant. XV. Baedae Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum und Historia Abbatum und Anonyme Hist. Abb. Ed. Plummer, Oxf. 1896. Baeda. Ed. Giles. The Miscellaneous Works of Venerable Bede. Lond. 1843. Beowulf: Ausg. Heyne-Schücking. Paderborn. (Hieraus sind die Zitate entnommen.) Beowulf: Ausgabe F. Holthausen. Heidelberg 1929. Beowulf: Übersetzt u. erläut. von H. Gering. Heidelberg 1929. Birch, W. de Gray: Cartularium Saxonicum. Lond. 1883—93. Cockayne, O.: Leechdoms, Wortcunning and Starcraft of Early England. Lond. 1864. Dictionary of National Biography. Ed. L. Stephen, London 1885—1908. Diplomatarium Anglicum aevi Sax. Ed. B. Thorpe. London 1865. Earle, J . : Land-Charters and other Saxonic Documents. 1888. Early English Text Society, Oxford 1864ff. Abgekürzt EETS. Eddius: Vita Wilfridi. Ed. Colgrave, Cambridge 1927. Grein, C, W. und Wülker, R. P.: Bibliothek d. ags. Poesie. Kassel 1881—98. (Daraus entnommen fast alle poetischen Zitate.) Grein, C. W. u. Wülker, R. P.: Bibliothek der ags. Prosa. Kassel 1872ff. Grein, C. W.: Dichtungen der Angelsachsen. Heidelberg 1930. (Neuauflage.) Haddan A. W. u. W. Stubbs: Councils and Eccles. Documents. III. Oxf. 1871. Hansen, A.: Angels. Schmucksachen u. ihre Bezeichnung. Düsseldorf 1913. Historia Eliensis: Ed. Stewart, Lond. 1848. Historia Monasterii St. Augustini Cantuariensis. Rolls Series. Nr. 8. Holthausen, F.: Altengl. Etymologisches Wörterbuch. Heidelberg 1934. Hoops, J , : Kommentar zu „Beowulf". Heidelberg 1932. Jente, R . : Die mytholog. Ausdrücke im altengl. Wortschatz. Heidelberg 1921. Keller, W.: The Anglo-Saxon Weapon Names. (Angl. Forschung. 15.) Kross, Th.: Die Namen der Gefäße bei den Angelsachsen. Kiel 1911. Liebermann, F.: Gesetze der Angelsachsen. Halle 1898. Malmesbury, Gul de: De Antiquitate Glastoniensis Eccl. in Ad. de Domerham, Hist, de Rebus Gest. Glast. Oxford 1727. Ed. Hearne. Malmesbury, Gul. de: Gesta Regum. Ed. Stubbs. Rolls Series. Malmesbury, Gul. de: De Gestis Pontificum Anglorum. Rolls Series No. 52. Ed. Hamilton. Monumenta Moguntiana. Ed. Jaffé. Berlin 1866. Monumenta Alcuiniana. Ed. Wattenbach u. Dümmler. Berlin 1873. Monumenta Germaniae histórica: Auetores Antiquissimi XIII ed. Mommsen. Monumenta Germaniae histórica: Script. Rer. Merovingicarum. 1885—1920. Monumenta Germaniae histórica: Epistolae select. I. Ed. Tangl. Pfannkuche, K.: Der Schild bei den Angelsachsen. Halle 1908. Schnepper, H.: Die Namen der Schiffe und Schiffsteile im Altengl. Kiel 1908. Thorpe, B . : Ancient Laws and Institutes of England. Record Commission 1840. Trautmann, M.: Die altenglischen Rätsel. Heidelberg 1915. Vitae Sancti Bonifatii. Ed. Levison. Han. u. Leipz. 1905. Wright, W. und Wülcker, R. P.: Anglo-Sax. and Old English Vocabularies. London 1884
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Abkürzungen. Baldw. Br. = Baldwin Brown, The Arts in Early England. Hist. Eccl. = Baeda, Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum. W. W. = Wright-Wülker, Vocabularies. M. G. H. = Monumenta Germaniae historica. Hab. = Baedae Historia Abbatum. Die Übersetzungen der altenglischen Texte wurden meist aus „Grein, Dichtungen der Angelsachsen" entnommen, die des Beowulf und des Finnsburg-Fragments nach „H. Gering, Beowulf", doch mußten einige Stellen teils abgeändert, teils ganz neu übersetzt werden, um dem altenglischen Wortsinn möglichst nahe zu kommen. Der Stabreim mußte aus demselben Grund oft fallen gelassen werden.
ABBILDUNGSNACHWEIS Ks stellten freundlicherweise zur Verfügung: Britisches Museum, London Textabb. 42 (verändert), 46, 47. Tafelabb. 1—3, 20—23, 25—27, 29, 30. Musées Royaux d'Art et d'Histoire, Brüssel Tafelabb. 4, 5. Messrs. Gibson and Son, Hexham (durch M. H. O. Thompson, Newcastle) Tafelabb. 6,12, 15. Victoria and Albert Museum, London, Tafelabb. 11. Messrs. Will F. Taylor, London, Tafelabb. 10, 14. H. Degenhardt-Bauer, München (Deutscher Kunstverlag, Berlin), Tafelabb. 24, 28, 31. Ks wurden entnommen den Werken: G. Baldwin Brown, The Arts in Early England, Bd. II. Textabb. 2, 3, 12, 13, 16, 24 b, 26, 27, 29—32, 34,38. Mit freundlicher Erlaubnis des Verlages John Murray, London. A. W. Clapham, English Romanesque Architecture bef. the Conquest. Textabb. 17—23, 25, 33 (teilweise). Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. A. W. Clapham und der Clarendon Press, Oxford. — Dasselbe. Tafelabb. 8. Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. J . R. H. Weaver und der Clarendon Press. — Dasselbe. Tafelabb. 9. Mit freundlicher Erlaubnis von Rev. T. J . Woodall und der Clarendon Press. Frei nach E. Ekhoff, Svenska Stavkyrkor Textabb. 4. Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung. Textabb. 5, 8. Files, The Anglo-Saxon House. Textabb. 6, 7. A. Haupt, die älteste Kunst, insbesondere die Baukunst der Germanen. Textabb. 28. Garucci, Storia dell'Arte Cristiana. Bd. III. Textabb. 41. British Museum Guide to Anglo-Saxon Antiquities. Textabb. 43, 46. Lindenschmidt, Handbuch der deutschen Altertumskunde. Textabb. 49. Muthesius, Das Englische Haus. Tafelabb. 7. Archaeologia LIII Textabb. 15 und L X X V I I Tafelabb. 13. Caedmon Genesis. Miniatur. Textabb. 11. Mit freundlicher Erlaubnis der Society of Antiquaries, London. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen. Tafelabb. 16—19. Abb. 9 und andere Federzeichnungen verfertigte Fräulein A. Sasse. Eschweiler.
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Abkürzungen. Baldw. Br. = Baldwin Brown, The Arts in Early England. Hist. Eccl. = Baeda, Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum. W. W. = Wright-Wülker, Vocabularies. M. G. H. = Monumenta Germaniae historica. Hab. = Baedae Historia Abbatum. Die Übersetzungen der altenglischen Texte wurden meist aus „Grein, Dichtungen der Angelsachsen" entnommen, die des Beowulf und des Finnsburg-Fragments nach „H. Gering, Beowulf", doch mußten einige Stellen teils abgeändert, teils ganz neu übersetzt werden, um dem altenglischen Wortsinn möglichst nahe zu kommen. Der Stabreim mußte aus demselben Grund oft fallen gelassen werden.
ABBILDUNGSNACHWEIS Ks stellten freundlicherweise zur Verfügung: Britisches Museum, London Textabb. 42 (verändert), 46, 47. Tafelabb. 1—3, 20—23, 25—27, 29, 30. Musées Royaux d'Art et d'Histoire, Brüssel Tafelabb. 4, 5. Messrs. Gibson and Son, Hexham (durch M. H. O. Thompson, Newcastle) Tafelabb. 6,12, 15. Victoria and Albert Museum, London, Tafelabb. 11. Messrs. Will F. Taylor, London, Tafelabb. 10, 14. H. Degenhardt-Bauer, München (Deutscher Kunstverlag, Berlin), Tafelabb. 24, 28, 31. Ks wurden entnommen den Werken: G. Baldwin Brown, The Arts in Early England, Bd. II. Textabb. 2, 3, 12, 13, 16, 24 b, 26, 27, 29—32, 34,38. Mit freundlicher Erlaubnis des Verlages John Murray, London. A. W. Clapham, English Romanesque Architecture bef. the Conquest. Textabb. 17—23, 25, 33 (teilweise). Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. A. W. Clapham und der Clarendon Press, Oxford. — Dasselbe. Tafelabb. 8. Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. J . R. H. Weaver und der Clarendon Press. — Dasselbe. Tafelabb. 9. Mit freundlicher Erlaubnis von Rev. T. J . Woodall und der Clarendon Press. Frei nach E. Ekhoff, Svenska Stavkyrkor Textabb. 4. Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung. Textabb. 5, 8. Files, The Anglo-Saxon House. Textabb. 6, 7. A. Haupt, die älteste Kunst, insbesondere die Baukunst der Germanen. Textabb. 28. Garucci, Storia dell'Arte Cristiana. Bd. III. Textabb. 41. British Museum Guide to Anglo-Saxon Antiquities. Textabb. 43, 46. Lindenschmidt, Handbuch der deutschen Altertumskunde. Textabb. 49. Muthesius, Das Englische Haus. Tafelabb. 7. Archaeologia LIII Textabb. 15 und L X X V I I Tafelabb. 13. Caedmon Genesis. Miniatur. Textabb. 11. Mit freundlicher Erlaubnis der Society of Antiquaries, London. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen. Tafelabb. 16—19. Abb. 9 und andere Federzeichnungen verfertigte Fräulein A. Sasse. Eschweiler.
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Abkürzungen. Baldw. Br. = Baldwin Brown, The Arts in Early England. Hist. Eccl. = Baeda, Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum. W. W. = Wright-Wülker, Vocabularies. M. G. H. = Monumenta Germaniae historica. Hab. = Baedae Historia Abbatum. Die Übersetzungen der altenglischen Texte wurden meist aus „Grein, Dichtungen der Angelsachsen" entnommen, die des Beowulf und des Finnsburg-Fragments nach „H. Gering, Beowulf", doch mußten einige Stellen teils abgeändert, teils ganz neu übersetzt werden, um dem altenglischen Wortsinn möglichst nahe zu kommen. Der Stabreim mußte aus demselben Grund oft fallen gelassen werden.
ABBILDUNGSNACHWEIS Ks stellten freundlicherweise zur Verfügung: Britisches Museum, London Textabb. 42 (verändert), 46, 47. Tafelabb. 1—3, 20—23, 25—27, 29, 30. Musées Royaux d'Art et d'Histoire, Brüssel Tafelabb. 4, 5. Messrs. Gibson and Son, Hexham (durch M. H. O. Thompson, Newcastle) Tafelabb. 6,12, 15. Victoria and Albert Museum, London, Tafelabb. 11. Messrs. Will F. Taylor, London, Tafelabb. 10, 14. H. Degenhardt-Bauer, München (Deutscher Kunstverlag, Berlin), Tafelabb. 24, 28, 31. Ks wurden entnommen den Werken: G. Baldwin Brown, The Arts in Early England, Bd. II. Textabb. 2, 3, 12, 13, 16, 24 b, 26, 27, 29—32, 34,38. Mit freundlicher Erlaubnis des Verlages John Murray, London. A. W. Clapham, English Romanesque Architecture bef. the Conquest. Textabb. 17—23, 25, 33 (teilweise). Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. A. W. Clapham und der Clarendon Press, Oxford. — Dasselbe. Tafelabb. 8. Mit freundlicher Erlaubnis von Mr. J . R. H. Weaver und der Clarendon Press. — Dasselbe. Tafelabb. 9. Mit freundlicher Erlaubnis von Rev. T. J . Woodall und der Clarendon Press. Frei nach E. Ekhoff, Svenska Stavkyrkor Textabb. 4. Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung. Textabb. 5, 8. Files, The Anglo-Saxon House. Textabb. 6, 7. A. Haupt, die älteste Kunst, insbesondere die Baukunst der Germanen. Textabb. 28. Garucci, Storia dell'Arte Cristiana. Bd. III. Textabb. 41. British Museum Guide to Anglo-Saxon Antiquities. Textabb. 43, 46. Lindenschmidt, Handbuch der deutschen Altertumskunde. Textabb. 49. Muthesius, Das Englische Haus. Tafelabb. 7. Archaeologia LIII Textabb. 15 und L X X V I I Tafelabb. 13. Caedmon Genesis. Miniatur. Textabb. 11. Mit freundlicher Erlaubnis der Society of Antiquaries, London. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen. Tafelabb. 16—19. Abb. 9 und andere Federzeichnungen verfertigte Fräulein A. Sasse. Eschweiler.
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1. Runenkästchen von Auzun (Franks Casket) Walroß, Brit. Museum Vorderseite: Wieland der Schmied und Anbetung der Könige
2. Runenkästchen von Auzun Deckel: Egil verteidigt sich u n d sein Weib
3. Runenkästchen von Auzun Rechte Seite (Original in Florenz): sog. Sigurdsage
6. H e x h a m , K r y p t a (672—78)
7. Halle in P e n h u r s t Place, K e n t (14. J a h r h . Blick n a c h d e m E i n g a n g m i t Spielmannsgalerie)
8. B r i x w o r t h ( E n d e 7. J a h r h . ) Inneres n a c h Osten
11. R u t h w e l l K r e u z Teil einer Schmalseite
12. K r e u z v o n Bewcastle Vorderseite (Westen)
14. K o p f des Kreuzes v o n Cropthorne
15. R u t h w e l l K r e u z
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