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German Pages [311] Year 2012
TSEG Reihe b/3
Die große Bedeutung des Spiegel-Motivs in der Mystik des Hochmittelalters ist bekannt. Von hier aus hat dieses Sujet in der Malerei zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit eine nicht minder große Wirkung entfaltet. Denn die pictores docti beziehen sich auf die mystischen Denker, wie neuere Arbeiten belegen: Neben dem Spiegel als überliefertem Symbol der „superbia/vanitas“ und als kostbarem Hilfsmittel der Wissenschaft im 16. Jahrhundert gewinnt die Entwicklung des Spiegels als Metapher der Reflexion im intellektuellen, künstlerischen und religiösen Sinne bereits im 15. Jahrhundert eine beachtliche Rolle für die geistesgeschichtliche Entwicklung Mitteleuropas. Sie wird in diesem Sammelband aus verschiedenen Perspektiven charakterisiert.
Texte und Studien zur europäischen Geistesgeschichte reihe b • band 3
Spiegel der Seele
ISBN 978-3-402-15988-0
Filippi/Schwaetzer (Hrsg.) • Spiegel der Seele
Reflexionen in Mystik und Malerei Herausgegeben von Elena Filippi und Harald Schwaetzer
I Spiegel der Seele
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TEXTE UND STUDIEN ZUR EUROPÄISCHEN GEISTESGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON JOHANN KREUZER, KLAUS REINHARDT UND HARALD SCHWAETZER REIHE B BAND 3
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Spiegel der Seele Reflexionen in Mystik und Malerei Herausgegeben von Elena Filippi und Harald Schwaetzer
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© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster, 2012 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier oo ISBN 978-3-402-15988-0
Inhalt
Seite
Vorwort ............................................................................................................................9 Einleitung ..................................................................................................................... 15 1.
Philosophieren durch Bilder. Der pictor doctus Rogier, Nikolaus von Kues und die Anfänge der Renaissancekunst im Norden ................................ 35 Die Epiphanie des Geistigen in der Welt und deren bildliche Wiedergabe................................................................ 38 Wie Malerei Philosophie erzeugen kann ................................................ 46 Ein Spiegel des Ganzen: Rinascimento und ars nova .......................... 50 Die „viva imago“: gemalte Theorie der Malerei als Suche nach der Wahrheit............... 53
2.
Nürnberg um 1500. Philosophische Einflüsse auf den Dürerkreis ........................................... 63
3.
Dürer und die Philosophia .............................................................................. 75
4.
Wieviel Philosophie steckt in Dürers Selbstbildnis um die Jahrhundertwende?............................................................................. 87 Albrecht Dürers Selbstbildnis im Pelzrock ............................................ 88 Das Dürersche Selbstbildnis und die Tradition des Veronika-Bildes ................................................... 94 Der pictor doctus ........................................................................................... 97 Vom Sehen Gottes – ein Genitivus absolutus.....................................105 Die Sprache der „coincidentia oppositorum“......................................111 Der Cusanische Satz in Dürers Bild.......................................................114 Das Selbstbildnis Dürers als „viva imago“ ............................................116 „Speculum sine ruditate“ ...........................................................................119
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Die Frage nach der Identität.....................................................................120 5.
Docta manus – Albrecht Dürers denkende Hände. Die künstlerische Tätigkeit als proprium humanitatis .........................125
6.
Das Gelingen des Schönen und die Haltung vom Maß .......................141 Eigenheit und Originalität von Dürers Schönheitsbegriff ..............141 Intermezzo: Fortuna und Kairós.............................................................144 Zweites Intermezzo: Dürers Suche nach der Schönheit ..................148
7.
Der Melancholie-Stich – Ein „Denkbild“ als denkendes Bild ...........153 „Ogni dipintore dipinge sé“ ......................................................................153 Die Dürersche Melencolia ........................................................................155 Es geht um Zeichen... Die Geburtsstunde des Künstlers .................156 Die Geburtsstunde der Philosophie im Dürerschen Horizont...........................................................................160 Melencolia Eins? Melencolia § Eins? „Melencolia i“?.........................................................163 Die Melencolia-Gestalt: Personifikation eines Begriffes? ................165 Bildlichkeit der conditio humana: Noch einmal die Frage nach einer Philosophie durch Bilder ......................................................168 „Iustitia intellectualis est viva statera“ ...................................................173
8.
Dürers Ethik in seinen „Meisterstichen“ ..................................................177 Die Grundlage der Ethik ...........................................................................177 Eine vollständige Reihe ..............................................................................178 Adam und Eva: Ethik als äußeres Gesetz ..............................................183 Reuter: Ethik als inneres Gesetz ..............................................................184 Wortlose Rede: Das Nachdenken über den Tod ...............................186
Melencolia I: die Verwirrung, oder Ethik in der Schwebe .........................................194 Hl. Hieronymus im Gehäuse: die Versöhnung und der Ort der Ethik .................................................199 Denkbilder und Selbstdisziplin .............................................................. 202
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9.
Maß und Vermessenheit des Menschen. Die Philosophie der Dürerschen „Bauernsäule“ im Anschluss an Cusanus ............................................................................. 205 Die „mensura“ bei Nikolaus von Kues: Eine Annäherung an das Spezifikum seiner Ethik .............................205 Die „mensura“ bei Albrecht Dürer: „Ein rechte Maß gibt auch eine gute Gestalt und nit allein im Gemäl“ ...........................................................................211
10. Der ewige Kampf des Maßes mit der Maßlosigkeit als Frage nach der Gerechtigkeit bei Dürer..............................................223
Orts- und Personenverzeichnis.............................................................................231 Literaturverzeichnis ................................................................................................241 Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................281 Bildanhang ..................................................................................................................285
Vorwort Die vorliegende Arbeit, die im Sommer 2012 am Fachbereich Bildungswissenschaft der Alanus Hochschule Alfter als philosophische Dissertation angenommen wurde, ist das Ergebnis einer langjährigen Beschäftigung mit Albrecht Dürer (1471-1528). Die Wirkung des Nürnberger Künstlers wurde dabei auf zwei verschiedenen Grenzgebieten verfolgt: Zum einen auf dem Gebiet einer ihm fremden Kultur – der italienischen – die er Zeit seines Lebens zu verarbeiten und in die deutsche Sichtweise zu integrieren versuchte. Zum anderen auf dem Gebiet des Dialogs seiner eigenen Kunst mit dem ihr ebenso fremden Bereich der Philosophie. Nach intensiven kunsthistorischen Studien in Italien habe ich mich immer wieder mit dem künstlerischen Austausch in der Zeit der Frührenaissance und der Reformationszeit diesseits und jenseits der Alpen beschäftigt. Dabei stieß ich gewissermaßen notwendig auf Persönlichkeiten, die in der Epoche des Humanismus die beiden Kulturen des Nordens und des Südens Europas in Verbindung brachten, namentlich auf Nikolaus von Kues (lat. Cusanus, 1401-1464) im Bereich der Philosophie und die sogenannten „Primitifs flamands“ in der Malerei. Es war eine schöne Überraschung zu entdecken: Der eine hat die Kunst seiner Zeit gekannt und darüber reflektiert, und die anderen haben in einem die Erwartungen weit übertreffenden Maße und durch viele verschiedene Quellen das Denken des Cusanus für ihre Weltanschauung fruchtbar gemacht. Dank der großzügigen Unterstützung der Alexander von HumboldtStiftung, die mir ein fast zweijähriges Forschungsstipendium gewährte, konnte ich die Spurensuche aufnehmen. Als Gastforscherin an der Universität München begegnete ich Prof. Dr. Ernst Rebel, mit dem mich seitdem ein anregender Briefwechsel über „Dürer“ verband, der zur Schärfung meiner Wahrnehmung des Themenfeldes wesentlich beitrug. Die anschließende Begegnung mit einer Reihe von Cusanus-Forschern um Harald Schwaetzer beflügelte meine Forschung außerordentlich. Zum „Trierer Stammtisch“ gehörten vor allem Prof. Dr. Klaus Reinhardt, der damalige Leiter des Instituts für Cusanus-Forschung, ferner der Inhaber der Cusanus-Dozentur bis 2008, Prof. Dr. Harald Schwaetzer, sowie wissenschaftliche Mitarbeiter wie u.a. Dr. Kirstin Zeyer, Dr. Tom Müller, Prof. Dr. Isabelle Mandrella. Dieser Kreis wirkt heute lebendiger denn je in den vielfältigen Tätigkeiten der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte in Bernkastel-Kues weiter, die mir in den letzten zwei Jahren immer wieder die Gelegenheit gab, meine Thesen im Rahmen verschiedener Veranstaltungen öffentlich zu diskutieren.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Eine Brücke zwischen der Kueser Forschungsstelle („Gemeinsame Wissenschaftliche Einrichtung der Universitäten von Mainz, Oldenburg und Trier und der Alanus Hochschule Alfter an der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte“) und den akademischen Tätigkeiten in den Niederlanden schlug Prof. Dr. Inigo Bocken, der heutige Leiter des Titus Brandsma Instituut an der Universität Nijmegen. Vor meiner Zeit als Humboldt-Stipendiatin hat er als AvH-Gastwissenschaftler bei und mit Prof. Dr. Tilman Borsche in Hildesheim dafür gesorgt, dass ein wiederbelebendes Interesse an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Kunstgeschichte in Bezug auf das Thema Bild/Sehen bei Cusanus sowie in der vielfachen Rezeption seiner Denkansätze weiter kultiviert wird. Seine Annährung an Cusanus habe ich von Anfang an als vertraut empfunden, und sie war für mich von großer Bedeutung. Immer neue Impulse und Anregungen habe ich nicht nur von dieser Seite erhalten, sondern auch von der von ihm und Harald Schwaetzer gepflegten Kooperation mit dem VLAC (The Flemish Academic Centre for Science and the Arts) in Brüssel. An einem von ihrem Direktor Prof. Dr. Marc de Mey organisierten und von Inigo Bocken durchgeführten Cluster über „Theories of Vision and Techniques of Visualization in the First Half of 15th Century“ durfte ich als guest fellow Teil haben. Das hat die Perspektiven meiner Forschung erweitert, indem weitere Fragen aufgetaucht sind, die nicht zuletzt den philosophischen Bereich betreffen. Die Entscheidung, im Fach Philosophie ein Promotionsstudium zu absolvieren, führte zu einer weiteren sehr glücklichen Begegnung, und zwar mit Prof. Dr. Thomas Leinkauf an der Universität Münster. Ihm gebührt der erste Dank in der vielfältigen Reihe derer, denen ich bei der Freigabe meiner Arbeit ein herzliches Dankeswort aussprechen möchte. Den Kommilitonen des Doktorandenkolloquiums am Philosophischen Seminar der Universität Münster sei vielmals für die freundliche Aufnahme und die vielen lehrreichen Unterredungen gedankt. In der Zeit meines Studiums in Münster konnte ich Aspekte meiner Arbeit anlässlich verschiedener Veranstaltungen in Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, Österreich und Kanada zur Diskussion stellen. Vor allem konnte ich inzwischen das Ergebnis meines AvH-Stipendiums veröffentlichen und Albrecht Dürer systematisch im Lichte zweier bedeutender Humanistengestalten, nämlich Nikolaus von Kues und Leon Battista Alberti, untersuchen. Mein Buch Umanesimo e misura viva. Dürer fra Cusano e Alberti (Verona: Arsenale Verlag 2011) ist bisher, soviel ich weiß, die umfangreichste Ausarbeitung dieses Themas. Es wurde 2012 im Rahmen des „Premio Salimbeni per la Storia e la Critica d’Arte“ von einer internationalen Jury durch eine kunsthistorische Auszeichnung mit Prädikat gewürdigt. Zugleich bildete das Buch die Vorstufe zu meinem Projekt mit der
Vorwort
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leitenden Fragestellung, ob und inwiefern Dürer mit seinen Bildern philosophieren konnte. Im Zusammenhang des „Premio Salimbeni“ gewann ich einen hervorragenden, engagierten Leser und Mitdenker hinzu in der Person Matthias Winners (Direktor der Bibliotheca Hertziana, a.D.). Für Kommentare, Anregungen und wesentliche Gespräche bleibe ich ihm dankbar verbunden. Meine Stelle an der Alanus-Hochschule seit 2011 als Juniorprofessorin für Kunstgeschichte machte für mich eine Umstellung hierher ratsam und in logistischer Hinsicht sogar notwendig. Die letzten Phasen der Arbeit, die bekanntlich die meisten Schwierigkeiten mit sich bringen, konnte ich dank des ununterbrochenen Dialogs mit Thomas Leinkauf sowie der entspannten Atmosphäre an der Alanus Hochschule – ein liebevoller Dank geht an meine alltäglichen „Mitgesellen“ Jenny Detro, Madeline FerrettiTheilig, Siamak Fahrhur, sowie Caroline Gaus und Thomas Schmaus –, und nicht weniger wichtig des vertrauten Zusammenarbeitens mit meinem Doktorvater Harald Schwaetzer und meiner Kollegin Prof. Dr. Gabriele Oberreuter gut überstehen. Die Möglichkeit des beständigen Dialogs mit Harald Schwaetzer fungierte als eine stets anregende Begleitung meiner Arbeit. Ganz besonderer Dank gilt dem zweiten Betreuer Prof. em. Dr. Norbert Schneider. Meiner ersten, indirekten Begegnung mit ihm verdanke ich, dass ich bereits in meiner Zeit als Studentin in Padua und Venedig einige Texte von ihm mit Gewinn lesen durfte. Unsere Wege haben sich konkret in Brüssel im Rahmen des obengenannten Clusters im VLAC gekreuzt. Seitdem hat er mir immer großzügig fachliche Unterstützung geschenkt und meiner Forschungsarbeit mit vielen Anregungen und fruchtbaren Diskussionen Impulse verliehen. Drei weitere Dürer-Experten und für mich wesentliche Ansprechpartner möchte ich hier erwähnen, nämlich Ernst Rebel, Anne-Marie Bonnet und Thomas Schauerte. Ohne ihre Forschungen und ihre vielschichtige Annährung an den Nürnberger Meister hätte ich es zweifellos schwerer gehabt, doch konnte ich auch menschlich von ihren tiefen Kenntnissen und ihrer spontanen Offenheit sehr profitieren. Prof. Dr. Charlotte Heinritz danke ich, dass sie den Vorsitz des Disputationsgremiums übernommen hat und die letzte Phase des Promotionsvorhabens souverän und für mich angenehm gestaltet hat. Ich möchte schließlich für den großzügigen Druckkostenschuss der Geschwister Boehringer Stiftung in Ingelheim am Rhein, den Herausgebern der Reihe „Texte und Studien zur europäischen Geistesgeschichte“, dem Verlag Aschendorff, insbesondere Herrn Dr. Dirk Paßmann, sowie Frau Dr. Kirstin Zeyer für das sorgfältige und kompetente Lektorat recht herzlich danken.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Last but not least geht meine Danksagung an alle meine Freunde in Deutschland, die mich fortwährend in diesen Jahren unterstützt und meine Motivation mit menschlicher Zuneigung genährt haben. Die Namen sind einfach zu viele, um sie persönlich an dieser Stelle erwähnen zu können. Aber sie wissen um meine Dankbarkeit. Ohne sie wäre diese Arbeit bloß ein desideratum geblieben. August, Rita und David Herbst, meiner Gastfamilie aus Münster, die mir wie eine zweite Familie ans Herz gewachsen ist, ist das vorliegende Ergebnis meiner wissenschaftlichen Bemühungen gewidmet. Vicenza-Münster-Alfter, zu Ostern 2013
Wer sieht, wie Nichts-anderes, indem es sich definiert, alles definiert, der sieht, dass es das angemessenste Maß von allem ist: das größere Maß für Größeres, für Kleineres das kleinere, für Gleiches das gleiche, für Schönes das schöne, für Wahres das wahre und für Lebendes das lebendige Maß, und so für alles (Nikolaus von Kues, De non aliud)
„Ich hab vernommen, wie der Siben Weysen auß Griechenland ainer gelert hab, das dy mass in allen dingen, sitlichen vnd natürlichen, das pest sey...“ (Dürer, Entwurf)
Einleitung Eine im Jahr 2010 vorgelegte Untersuchung zum Thema „Denken mit dem Bild“ gelangt im Ausgang von der Frage, ob es ein Denken geben könne, „das nicht nur vom Bild ausgeht, von ihm angestoßen wird, sondern auf das Bild angewiesen ist und sich an ihm vollzieht“1 zu dem Ergebnis, „dass in einigen Fällen allein der Begriff des Bildes Relationen zu konzipieren erlaubt, die sich mit dem sonstigen begrifflichen Instrumentarium des philosophischen Denkens kaum erfassen lassen“.2 Dass es sich bei Albrecht Dürer um einen solchen Fall handelt, möchte die vorliegende Arbeit anhand einer gründlichen, systematischen Auslegung seiner Bilder plausibel machen. Meine Untersuchung widmet sich folglich der Aufgabe, der Frage nachzugehen, inwiefern Albrecht Dürer als ein ‚Philosoph‘ angesehen werden darf. Das mag nicht nur provokativ klingen, sondern auch verwirrend und sogar unsinnig erscheinen. Mir ist es selbstverständlich bewusst, zumal seitdem ich mit bestimmten Themen in Grenzgebieten arbeite, dass viele Kollegen ungern das Spezifikum eines Faches für den Dialog mit anderen Wissenschaften opfern würden. Das ist im Grunde genommen legitim und auch verständlich. Gibt es doch Epochen und Themen der Philosophiegeschichte, die aufgrund ihrer historisch-kulturellen Prämissen besonders dazu geeignet sind, fast ausnahmslos interdisziplinär stricto sensu behandelt zu werden. Die Dürerzeit gehört unbedingt dazu, und das ist heutzutage zum Beispiel in der Kunstgeschichte allgemein akzeptiert. Was freilich nicht intendiert ist, ist eine durchweg und ausschließlich assoziative Behandlung des gewählten Themas. Das wäre nicht nur oberflächlich, sondern – und viel schlimmer – unwissenschaftlich. In manchen Fällen sind die erwünschten historischen Belege jedoch verschollen bzw. noch nicht aufgetaucht, oder aber der jeweilige Sachverhalt ist nicht mehr dokumentarisch belegbar. Doch auch in diesem Falle bleibt eine positiv-konstruktive Annährung möglich, und zwar durch eine sorgfältige Sammlung von Indizien. Sie sind immerhin mehr als reine Vermutungen und Spekulationen. Soviel kann und darf jedoch behauptet werden: „Gerade im 15. und 16. Jahrhundert scheint das Bewusstsein der Notwendigkeit von Bildern für das philosophische Denken stark ausgeprägt gewesen zu sein. […] Die Malerei entwickelte sich zu 1 2
Grave/ Schubbach: Denken mit dem Bild, 7. Ebd., 8f.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
einer Disziplin mit eigenen theoretischen Ansprüchen, die mit der traditionellen Philosophie und Wissenschaft in Konkurrenz zu treten begann. Zugleich scheint das eine Epoche gewesen zu sein, in der die großen enzyklopädischen Projekte des Barock, die durch eine dynamische Einheit von Bild und Begriff charakterisiert sind, ihren Ursprung finden, wie dies im Werk des von Cusanus stark geprägten Denkers Carolus Bovillus deutlich wird“.3 Was die vorliegende Arbeit angeht, so stellt sie den Versuch dar, einerseits Dürers kulturelle Umwelt auf mögliche Einflüsse des Cusanischen Gedankenguts hin zu befragen, andererseits – und eng in Bezug darauf – die Evidenz seiner Bildersprache darzustellen. So kann auch Thomas Schauerte mit Fug und Recht in seiner jüngst erschienenen Monographie über Albrecht Dürer behaupten: „Nach damaliger Überzeugung also standen am Beginn allen Philosophierens nicht Worte, sondern Bilder“!4 Wenn wir dieses grundlegende aus dem philosophischen Bereich stammende Problem betrachten, so geraten sehr viele Schwierigkeiten in den Blick. Es ist nicht meine Absicht, mich in eine solche querelle einzumischen; ich habe auch nicht die auctoritas dafür, doch ein einziges sachliches Beispiel kann die Lage erläutern. In den letzten zwanzig Jahren wurde immer wieder auch unter den Philosophen das Bedürfnis empfunden, den Rahmen schärfer wahrzunehmen, der in Sachen Cusanus – Dürer betreffend offensichtlich mitspielt. Zwei ausgewiesene und kompetente Fachleute haben sich damit beschäftigt, und sie kommen zu vollkommen divergierenden Ergebnissen. Unter dem programmatischen Titel „Visio facialis – Sehen ins Angesicht. Zur Coincidenz des endlichen und unendlichen Blicks bei Cusanus“ legte Werner Beierwaltes im Jahr 1988 einen wichtigen Beitrag vor.5 Im Anhang findet sich eine sehr spannende Auslegung des Dürerschen Selbstbildnisses, die den Unterschied zwischen Cusanischen ‚Anklängen‘ und feststellbaren Tatsachen, die den Einfluss des Theologen auf diesen Maler bezeugen, immer im Auge behält. Im Gegensatz dazu meint Kurt Flasch lapidar: „Allerdings hat man Cusanus mit den verschiedensten Maler koordinieren wollen, auch mit Dürer. Ich beteilige mich an diesen Assoziationen nicht“.6 Auch im Rahmen der Kunstgeschichte lassen sich verschiedene Beispiele für eine solche radikale 3
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Bocken / Borsche: Kann das Denken malen?, 10. Rezent Bocken: Enzyklopädie der Weisheit, 69-89. Als musterhaftes Beispiel für die großen enzyklopädischen Projekten des Barock ist auf die systematische Arbeit von Athanasius Kircher hinzuweisen, vgl. hierzu Leinkauf: Mundus combinatus. Schauerte: Dürer. Das ferne Genie, 15. Beierwaltes: Visio facialis. Flasch: Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, 234.
Einleitung
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Position finden.7 Von den jüngsten philosophischen Überlegungen bezüglich Dürers Kontextualisierung im Rahmen eines humanistisch und vielfältig philosophisch geprägten Umfeldes durften die Interpreten immerhin stark profitieren.8 Andere Versuche müssen meiner Meinung nach aufgrund mangelnder Wissenschaftlichkeit als gescheitert angesehen werden.9 Sie liefern außerdem all jenen die besten Waffen, die mit Skepsis, wenn nicht gar mit offener Ablehnung, die Forschung an der Schnittstelle zur eigenen Disziplin ansehen. Ein ähnliches Problem ergibt sich offenbar auch, wenn Philosophie – so scheint es auf den ersten Blick – dem Bild begegnet. Ein entsprechender Vorwurf erhebt sich schon am Anfang der philosophischen Tradition, seitdem Platon gegen das Zeichen bzw. das Bild gewichtige Einwände erhob.10 Die einmal entstandene Kluft war nicht mehr wirklich zu schließen! Immerhin ist es klugen Menschen im Laufe der Jahrhunderte gelungen, einen offenen Dialog zu etablieren und lebendig zu halten. Es sei mir hier erlaubt, mich gleich an unsere Zeit zu wenden: „Denken mit dem Bild“ ist der vortreffliche Titel des oben erwähnten Sammelbandes, in dem verschiedene Autoren überzeugend darlegen, wie der Bildbegriff in Antike und Mittelalter auf produktive Weise zum Gegenstand und Instrument philosophischer Reflexion wurde. Problematisch scheint jedoch die Verwendung von anderen Fomulierungen, wie z.B. „Denken in Bildern“, wie u.a. Reinhard Brandt kritisch bemerkt: „Seriöser nähert man sich dem Problem, wenn man auf das ‚in‘ verzichtet und von einem Bildgebrauch beim Denken und Urteilen spricht. Hierbei ist zunächst daran zu erinnern, dass unsere bisherige Rede von Bildern sich auf statisch oder bewegt Vorhandenes bezog. Tatsächlich ‚gibt es‘ diese nicht, wenn auch ihre fiktionale Annahme notwendig ist; tatsächlich ist jede Bildbetrachtung immer schon eine Bildverwendung in einem bestimmten Kontext, häufig mit einer bestimmten Zielsetzung. Insofern kann man mit leichter Übertreibung sagen, nicht ihr ‚esse est percipi et percipi posse‘, sondern ihr 7
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Thomas Eser ist einer der radikalsten Vertreter der Position, die Dürers Werk als das Ergebnis von technischer Fähigkeit und „guter Nase“ für Geschäfte versteht. Zuletzt: Eser: Dürers Selbstbildnisse als „Probstücke“, 159-176. An dieser Stelle seien nun zwei methodisch vorbildliche Studien erwähnt, und zwar Schuster: Melencolia I. Dürers Denkbild, sowie Koerner: The Moment. Man denke z.B. an das vom Titel her vielversprechende Buch von Brötje: Bildsprache und intuitives Verstehen. Brötjes Position innerhalb der modernen Theorien der Kunstgeschichte bestimmt Mariusz Bryl: Suwerenno dyscypliny. Neuber: Versuch, 7-32; Mouroutsou: Eikon bei Platon, 33-49. Zum vielfältigen Gebrauch des Bildes bei Platon als „das Gewebe des Denkens selbst“ vgl. Ambuel: Platon: In Bildern denken, 13-37, Zit. auf S. 36.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
‚esse est in usu‘, das Sein des Bildes besteht in seiner Verwendung oder besser vielfältigen Verwendbarkeit, wenn nur zugestanden wird, dass wir uns auf ein pragmatisch identisches Bild bei den unterschiedlichen Gebrauchsweisen beziehen“.11 Aktuelle bildtheoretische Ansätze können also von der Rückbesinnung auf komplexe historische Konstellationen erheblich profitieren. „Denken mit dem Bild“ kann insofern als gelungene Brücke zwischen der Philosophiegeschichte und der Bildfrage gelten.12 In diese Richtung bewegen sich Interpreten, die auf die langjährigen Studien von Gottfried Boehm oder von Hans Belting zurückschauen, die ohne Zweifel mit ihren bahnbrechenden Forschungen jeweils im Bereich der Ästhetik und der Philosophie sowie in Kunsttheorie und Kunstgeschichte ausschlaggebende Impulse gegeben haben.13 Wie verhält es sich aber mit der hier vorgeschlagenen Alternative? Denken durch Bilder – was heißt das generell und speziell im Zuschnitt auf unseren Künstler? „Es gibt keinen Philosophen, der nicht dichtet und malt (fingit et pingit), schreibt Giordano Bruno am Ende einer Epoche der europäischen Kulturgeschichte, in der die Maler malend und schreibend über die Malerei reflektieren und Philosophen das Bild an der Grenze des begrifflichen Denkens neu in den Blick nehmen.“ 14 Ich möchte mich dieser Aussage anschließen, indem ich im Folgenden den Weg eines Künstlers aus dieser Zeit erörtern werde, der den behaupteten Zusammenhang mit seiner Tätigkeit ausdrücklich bestätigt. Wie bekannt, wurde Albrecht Dürer (1471-1528) immer wieder als pictor doctus bzw. als „Maler und Humanist“ charakterisiert,15 aber auch, und zwar durch niemand geringeren als den Humanisten Konrad Celtis, als „philosophus“.16
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Brandt: Das Denken und die Bilder. [Online abrufbar].
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Das Augenmerk gilt dabei Philosophen, die dem Begriff des Bildes eine zentrale Stellung eingeräumt haben: Platon, Plotin, Augustinus, Eckhart, Cusanus, Kant, Fichte und Hegel. Siehe Boehm: Studien zur Perspektivität; ders.: Die Bilderfrage,, 325-343; ders.: Begriffe und Bilder, 238-250; ders.: Jenseits der Sprache?, 28-43; Dalferth / Stoellger: Wahrheit in Perspektiven; Belting: Florenz und Bagdad. Zit. aus dem Klappentext zu Bocken / Borsche: Kann das Denken malen? Rebel: Albrecht Dürer. Maler und Humanist; ferner Lipowsky: Pia carmina cum figuris, 39-57; Price: Albrecht Dürer’s Renaissance.
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„Im Rahmen der Deutschlandbeschreibung fand hier ein illustrer Künstler und Gelehrter [Dürer] seine Würdigung“, so Robert: Dürer, Celtis, 71.
Einleitung
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Wenn jedoch das Thema in diesem Sinne in einem Grenzgebiet zwischen Philosophie und Kunstgeschichte angesiedelt ist,17 möchte ich – eine Hauptthese antizipierend – behaupten: Dürer war nicht Künstler und daneben, was noch zu beweisen stünde, auch Philosoph. Es kann z.B. Philosophen geben, die nebenher auch einmal Künstler sind, ohne dass die beiden Seiten in direkter Verbindung miteinander stehen. Was ich zu zeigen versuche, ist, dass Dürer philosophische Gedanken direkt durch seine künstlerische Tätigkeit formuliert hat, auch wenn nicht jedes Zeichen von ihm notwendig philosophisch ist, sowie nicht unbedingt jedes Wort eines Denkers notwendig philosophisch sein muss. Dürer hat durch Bilder philosophiert, und nur sporadisch in seinen Schriften. Folgerichtig werden mit Schwerpunkt ausgewählte Bilder des Nürnberger Meisters hinsichtlich ihrer philosophischen Gehalte zu betrachten sein, wobei das schriftliche Werk gelegentlich eine Stütze für die Deutung liefert. Das heißt, ich verwende nicht auf der einen Seite eine kunstgeschichtliche Methode (dort, wo Dürer nur als Künstler zu verstehen wäre), und auf der anderen Seite die der philosophischen Forschung, um die beiden für ein Grenzgebiet tauglich zu machen, sondern ich werde zugleich beide Betrachtungsweisen sozusagen binokular auf ein und denselben Fokus einstellen. Da jede begründete Forschung – sei sie eine kunsthistorische, eine philosophiegeschichtliche oder eine rein theoretische – auf der historischen Feststellung von Bestehendem fußt, wird sich die vorliegende Studie nach einer ersten methodischen und wegbereitenden Betrachtung in zwei Bereiche unterteilen: zum einen in eine Rekonstruktion der vielen Fäden der Philosophie in Nürnberg zur Zeit der Bildung und der Reife Albrecht Dürers und zum anderen in eine Interpretation der wichtigsten Etappen seiner Tätigkeit, die rechtfertigen soll, inwiefern von Dürer als einem „Philosophen“ die Rede sein darf. Es ist in den letzten Jahrzehnten eine Art Mode geworden, Dichter und Schriftsteller als Philosophen zu erweisen. In Italien hat z.B. ein namhafter maître à penser wie Emanuele Severino den Versuch unternommen, den größten modernen Dichter des Landes, Giacomo Leopardi (1798-1837), als Philosophen ersten Ranges auszuweisen.18 Ohne dazu im Einzelnen Stellung zu beziehen, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass meine 17
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Ich folge hiermit den Beiträgen zum wechselseitigen Verhältnis von theoretischer Reflexion und künstlerischer Praxis der Malerei in der Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts, die im oben genannten Sammelband „Kann das Denken malen?“ vorliegen. Jüngst hat darüber Wolfgang Christian Schneider einen Beitrag vorgelegt: Die ‚coincidentia oppositorum‘ als Unendlichkeit des Menschen, 275-290.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Analyse nicht die Absicht hat, die Liste der anerkannten Philosophen um einen prominenten Namen zu vermehren. Es seien also zunächst einmal die Gründe genannt, die es berechtigt erscheinen lassen, eine Untersuchung wie die vorliegende für legitim zu halten. In den letzten Jahrzehnten haben Wissenschaftler mit zunehmender Einstimmigkeit festgestellt, das berühmte Selbstporträt Dürers, das heute in der Münchner Alten Pinakothek aufbewahrt ist, datiert 1500 (Abb. 1),19 sei als bildlicher Ausdruck philosophischer Lehren des Platonismus, der Scholastik und nicht zuletzt des Cusanus zu erklären, und zwar dergestalt, dass eine Interpretation dieser Tafel unmöglich wäre, ohne diese Lehren mit ins Spiel zu bringen.20 Ein ausgewiesener, hoch angesehener Gelehrter der Dürerzeit, der bereits erwähnte Dichter und Humanist Konrad Celtis (1459-1508), hat im Jahre 1499 spätestens Anfang 1500 zwei Epigramme zur Ehre Albrecht Dürers verfasst,21 aus denen für diese Studie folgende Stellen eine besondere Bedeutung bieten:
Des operam, nostram depinges Philosophiam / Cognita quae faciet cuncta sub orbe tibi Albertus quantum potuit per Philosophiam / Ingenio a magno nomina magnus habens, / Tantum in Symmetrie et Picture Albertus in arte / Norimbergensi nobilis Vrbe potest / Alberti magni bene quam vaga nomina adeptus. / Ingenium finxit par vtrivsque deus.22 19 20
21 22
Mehr zur Frage der möglichen Datierung dieses Gemäldes in Kap. 4. Es sind allerdings heute noch ganz andere Meinungen wahrzunehmen, darunter diejenige von Schmidt: „Dan sy machten dy vürtrefflichen künstner reich“, 65-82. Rezent hat er sich mit folgenden Worten in einer Buchbesprechung geäußert: „Überzeugend gelingt es Thomas Eser, mitunter anachronistische Überhöhungen des Menschen- und Künstlerbildes durch die Kunstwissenschaft kritisch zu hinterfragen. Bemerkenswert ist dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich mit Albrecht Dürers gemalten Selbstbildnissen um die altdeutschen Kronzeugen für autonomes Künstlertum und Selbsterkenntnis handelt, die Eser als zweckgebundene ‚Probstücke‘ im Kontext früher Etablierungsbemühungen Dürers ‚pragmatisch‘ in der Lebenswirklichkeit eines jungen Malers verortet. Wenngleich ein Sonderstatus des Münchner Selbstbildnisses vertretbar – und damit die Weiterentwicklung des Interpretationsansatzes sinnvoll – erscheint, zählt Esers Argumentation sicherlich zu den Beiträgen des Bandes, die ‚die Forschung‘ gemäß der Prognose der Herausgeber ‚zu Neubewertungen zwingen‘ könnten.“ So Schmidt: Rezension von Tacke / Heinz. Wuttke: Unbekannte Celtis-Epigramme, 321-325. Luh: Kaiser Maximilian gewidmet, 89: „Quellennachrichten ist zu entnehmen, daß das Identifikationsporträt zum einen als Verpflichtung zur Nachahmung des Vorbildes,
Einleitung
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Der Humanist verleiht Dürer ausdrücklich den Titel „philosophus“ und zwar in dem Sinne eines philosophus noster, indem er so weit geht, eine Parallele mit dem berühmten namensgleichen Albertus Magnus zu ziehen.23 Die spannende Frage ist also diejenige, die sich an einer solchen Benennung bzw. ihrer reellen Bedeutung entzündet. Celtis besaß zwar eine vielfach zu Übertreibungen neigende Persönlichkeit, so dass24 man ja berechtigterweise versucht sein könnte, der höflichen Huldigung an den aufsteigenden Künstler wenig Beachtung zu schenken. Es gibt jedoch einige Argumente und Beweisgründe, die vor dieser Verlockung eher Vorsicht empfehlen. Celtis war als Professor im pädagogischen Bereich engagiert. Er wollte ein neues Schulsystem fördern, in dem die klassischen Sprachen gelernt und die Philosophie geübt werden sollte. Auch trieb er persönlich in Nürnberg die Gründung einer solchen Schule voran. Aus diesem Anlass wollte er ein entsprechendes Lehrbuch veröffentlichen lassen. Anstelle eines Handbuches (wie üblich in der Scholastik), oder der Margarita Philosophica von Georg Reisch, d.h. eines enzyklopädischen Werkes (zuerst Freiburg i.B. 1503),25 dachte er – und zwar eine Tendenz vorwegnehmend, die heute in der philosophischen Lehrmethode hoch im Kurs steht – an die Herausgabe eines bedeutenden philosophischen Textes, welcher trotz der gebotenen Kürze die Eigenschaft besitzen sollte, die Leser und vor allem die Schüler zur Diskussion anzuspornen. Seine Wahl war besonders glücklich. 1496 hatte er in einer Klosterbibliothek in Nürnberg eine Cusanische Abschrift gefunden, die später unter dem Titel De li non aliud veröffentlicht werden sollte. Dieses Werk hat eine Art Anhang, der mit 20 Propositiones den ganzen Gedankengang noch einmal vergegenwärtigt und die tragenden argumentativen Kerne ans Licht bringt. Die Auseinandersetzung Dürers mit diesem Text verlangt eine eigene und selbständige Behandlung. Unter der Fragestellung „Wie viel Philosophie steckt in Albrecht Dürers Selbstbildnis von 1500?“ werde ich mich diesem Thema widmen, und zwar in Bezug auf die im Bild angedeutete „Identität“ mit Christus im Lichte der Schrift De li non aliud. In diesem
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seiner Fähigkeiten und Tugenden, zum anderen als panegyrische Huldigung für den in dieser Verkleidung Porträtierten aufgefaßt wurde. Diesem Zweck dient auch die Wiedergabe Albrecht Dürers unter dem Namen des Albertus Magnus, des deutschen doctor universalis“. Wuttke: Unbekannte Celtis-Epigramme, 323. Vgl. auch Rebel: Albrecht Dürer, 125133; rezent Robert: Dürer, Celtis: 71-83, insbes. Hier 82f. So betont an mehreren Stellen in ihrer Dissertation Füllner: Natur und Antike. Vgl. Büttner: Die Illustrationen der Margarita Philosophica, 269-300.
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
späten Werk, der auch den Untertitel Directio speculantis trägt, entfaltet Nikolaus von Kues die Lehre von non aliud bzw. ‚Nichtsanderes‘ als Seinsund Erkenntnisprinzip und weist zugleich einen Weg auf, um sich auf indirekte Weise – d.h. durch Spekulation – der Erkenntnis Gottes anzunähern. Die als Dialog konzipierte Schrift ,besteht aus zwei Teilen, einem systematischen, in dem der Begriff des ‚Nichtsanderes‘ entwickelt wird, und einem kritischen, in dem sich Nikolaus hinsichtlich der Gottesfrage mit platonischem und neuplatonischem Gedankengut auseinandersetzt (und vor dem Hintergrund der in ihm implizit enthaltenen Auseinandersetzung mit Aristoteles).26 Speziell dem kurzen Anhang widmete sich der Versuch von Celtis, die pädagogische und didaktische, ja mäeutische Eignung der Schrift als Lehrbuch zu überprüfen. Der Text wurde dann, anstatt in Nürnberg, wie vorgesehen, schließlich in Wien gedruckt. Geplant wurde der Druck im Jahre 1500, in derselben Zeit also, in welche die Abfassung der obengenannten Epigramme fällt. Da Celtis den Text damals in seinem Kreis eingehend erörterte und Dürer in jener Zeit sein enger Mitarbeiter war, dürfen wir ohne weiteres annehmen, dass der Cusanische Text auch mit dem Künstler intensiv diskutiert wurde. Weshalb hätte Celtis die Debatte mit Dürer über diesen besonderen philosophischen Text vermeiden sollen, zumal er ihn sonst „philosophus“ nennt? Das Jahr 1500 hatte bekanntlich eine eschatologische, beinahe chiliastische Bedeutung, weil damit das Ende eines Halbjahrtausends verbunden war und die Zahl dreimal Fünfhundert als Zeichen der Vollendung der Trinität und somit als Hinweis auf das Ende der Zeit interpretiert wurde. Die Sonette, die Celtis in demselben Jahr herausgeben wollte, sind selbst nach diesem Schema geplant. Aber vieles, was für das Jahr 1500 vorgesehen war, 27 blieb eine Weile unerledigt. Ein Gymnasium erhielt 26
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Insofern ist die Magisterarbeit „Dürers Selbstbildnis von 1500. Eine Interpretation“ mit Berücksichtigung der möglichen Nachwirkung des Aristotelismus in Albrecht Dürers Werk von Interesse. Es ist nur zu bedauern, dass die dort sonst ordentlich durchgeführte These zu einseitig zugespitzt wird. Plakativ meint nämlich die Autorin: „Dürer hat das Thema des Gemäldes der aristotelischen Philosophie entnommen“; zugleich aber bemerkt sie mit Recht: „[...] und damit den Inhalt des Bildes erweitert; er [Dürer] hat auf ontologische und ästhetische Fragen eigene Antworten gegeben und die Malerei in ein gleichwertiges Verhältnis zu Wissenschaft, Philosophie und Theologie gestellt; er hat die erörterten Inhalte („Dinge“) an ein selbst entworfenes Sujet gebunden und so – als erster nördlich der Alpen – die Tafelmalerei erneuert und die Theorie der Malerei begründet.“ So Herbert: Dürers Selbstbildnis, 55f. Siehe Wuttke: Von der Bedeutung, 73-129; Worstbrock: Über das geschichtliche Selbstverständnis; Koerner: The Moment, 183-185 und dazugehörige Anmerkungen.
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Nürnberg erst um 1525. Auch in diesem Fall war Dürer mit von der Partie.28 Bei dieser Gelegenheit verbrachte Melanchthon einige Monate in der Stadt. Dürer hat von ihm ein eindrucksvolles Bild gezeichnet (Abb. 3), das in einem ebenfalls gezeichneten Porträt von Willibald Pirckheimer sein Gegenbild hat (Abb. 4). In beiden Fällen handelt es sich um Menschen, die sich sehr für die Paideia der Jugend engagierten, und Dürer selbst schickte sich an, ein Lehrbuch zu veröffentlichen, das eine ganze Ethik enthalten sollte, wie ich in dem diesbezüglichen Teil meiner Untersuchung zeigen werde. Vielleicht gerade wegen der philosophischen Versiertheit, die Dürer bei jener Gelegenheit gezeigt hatte, beauftragte ihn Celtis neben anderen auch mit dem wichtigsten Bild, das sein Werk begleiten sollte, nämlich mit dem Titelblatt für das erste Buch seiner ,Summa‘ in vier Büchern. Der daraus entstandene Holzschnitt trägt den Titel Philosophia. Diesem Stück steht selbstverständlich eine besondere Rolle in der Entwicklung einer Dürerschen Philosophie zu. Konrad Celtis war für Dürer ein wichtiger Gesprächspartner in der Betrachtung der Geschichte und in ihrem Verständnis.29 In dem großen Gemälde mit dem Martyrium der Zehntausende (1508 verfertigt, Abb. 4) porträtierte sich Dürer selbst im leeren Zentrum der Szene zusammen mit dem kurz zuvor gestorbenen Celtis. Das Denken scheint somit erst dann einzusetzen, wenn die jeweilige Geschichte ihren Lauf bereits genommen hat, wie dann Hegel behaupten wird. Die Literatur hat immer wieder die Rolle von Willibald Pirckheimer (1470-1530) in der kulturellen und humanistischen Bildung Albrecht Dürers betont und mit zahlreichen Dokumenten belegt. Pirckheimer war mit Dürer lebenslang befreundet. Er war ein Prominenter ersten Ranges in Nürnberg und darüber hinaus. Als Buchsammler besaß er eine der besten Bibliotheken in Deutschland, vor allem auf dem Gebiet der altgriechischen und lateinischen Literatur, des Rechtes sowie der Moral und der Philosophie. Seine Wohnung war das Zentrum namhafter Disputationen, an denen die Crème der humanistischen Intelligenz seiner Zeit teilnahm. 30 Durch Pirckheimer bekam Dürer Kontakt zu Erasmus und Melanchthon. Von Melanchthon ist durch dessen Schüler und Schwiegersohn Kaspar Peucer eine glaubwürdige Behauptung über Albrecht Dürer überliefert. 28 29
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Fritz: Melanchthon und Nürnberg, 125f. Siehe Anzelewsky: Dürer-Studien, insbes. das Kap. über „Dürers Stellung im Geistesleben seiner Zeit“, 179-215 und die entsprechenden Anmerkungen im Anhang. Jüngst Robert: Dürer, Celtis und die Geburt, 77. Für ausführlichere Literaturhinweise siehe weiter das Kap. 2: „Philosophieren in Nürnberg um 1500. Einflüsse auf den Dürerkreis“.
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Nachdem der Humanist und Reformator „zu Nuernberg/ wegen anordnung der Kirchen vnd Schulen“ einige Zeit verbracht hatte, sprach er oft von „Albrecht Duerer/ ein Maler vnnd Sinnreicher Mann (von welchem Melanchthon zusagen pflag/ daß er in keiner Kunst/ schlechter wer/ dann in malen/ darinn er doch alle Kuenstler vnnd Meister vbertroffen)“. Nun, „trugs sichs viel mal zu/ daß Bierkeimer [Pirckheimer] vnd Duerer von disem new er regten handel mit einander disputieren kamen […]“.31 Aus der Sicht Melanchthons lässt die außerordentliche künstlerische Gewandtheit Dürers seine noch größeren Fähigkeiten in den Schatten treten. Es handelt sich vor allem um seine Versiertheit im Disputieren, und zwar über das Thema der Ausdrucksfähigkeit der Bilder gegenüber derjenigen des gesprochenen Wortes, wie später noch näher ausgeführt werden soll.32 Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen philosophische Frage. Dürer wäre demnach ein viel besserer Philosoph als Maler gewesen. Inwiefern kann der Maler Philosoph genannt werden? Zunächst einmal möchte ich weitere Gründe sammeln, die Dürer als Philosoph ausweisen. Natürlich muss dabei irgendein Begriff von Philosophie vorausgesetzt werden. Zunächst kann soviel gesagt werden, dass er zumindest durch seine Mentoren Pirckheimer und Celtis mit philosophischen Themen vertraut gewesen sein sollte. Das würde allerdings bestenfalls eine Bezeichnung als Philosophiegelehrter rechtfertigen. An und für sich zeugt dies alles jedoch von keiner besonderen philosophischen Attitüde, die es erlaubt, den Philosophen vom Philosophiegelehrten zu unterscheiden. Die philosophische Haltung besteht nach Platon in der Fähigkeit, das Ganze zu überschauen, und zwar das Ganze nicht im Sinne einer Summe – was dem griechischen to; p!n entsprechen würde, sondern das Ganze im Sinne des to; olon, d.h. das Ganze von dem vermeintlichen Ganzen und seiner Negation. Die so zu verstehende philosophische Attitüde durchzieht das ganze Schaffen von Albrecht Dürer und ist gleichsam der Funke, der sein künstlerisches Schaffen entfacht. Insofern das vermeintliche Ganze die Realität ist, so wie diese unmittelbar aussieht, sucht Dürer ihre Negation in der Regel, im idealen Sein, etwa bei Vitruv und in Anlehnung an die Andeutungen des Venezianers Jacopo de’ Barbari und des Luca Pacioli. Sobald sich aber die Regel als alleiniger Maßstab durchsetzen will, greift er um so entschiedener zur Realität, zum Sosein, so dass eine unendliche Spannung zwischen diesen Extremen die Chiffre seines künstlerischen Schaffens wird, der Stachel, der seine Kunst bis zum Ende in Atem hält. Zeit seines Lebens hat 31 32
Lassnig: Beiträge, 29. Dazu siehe auch Kap. 6 in der vorliegenden Arbeit.
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Dürer versucht, den nackten menschlichen Körper in seiner Beschaffenheit und nicht nur in seiner möglichen Vollkommenheit darzustellen. Dicke, gebeugte, hässliche, alte Männer und Frauen sind oft das Thema seiner Darstellungen, die unbarmherzig die Realität zeigen.33 Zugleich bewegte ihn die Suche nach einer Regel der Schönheit, die vielleicht gerade durch ihr Fehlen in der Darstellung der platten Tatsächlichkeit rein negativ hervorscheint. Es handelte sich um die Spannung zwischen Sein und Seinsollen, die Platon fühlte und die Aristoteles zur Naturbetrachtung, mithin zur Systematik trieb. Es ist philosophische Systematik im ursprünglichen Sinne, wenn das Wort „System“ richtig verstanden dem altgriechischen suvn–i[sthmi entstammt, was soviel heißt, wie ‚zusammenführen‘, und zwar ‚zusammenbringen‘ dessen, was an und für sich auseinandergehen würde. Diese ‚systematische‘ Eigentümlichkeit wird dem Künstler Dürer allgemein zuerkannt und kann an den entscheidenden Kunstwerken seiner Hand herausgehoben werden. Dieselbe Fähigkeit kann auch an den Philosophen aufgezeigt werden, und auch bei einem systematischen Philosophen wie Hegel, der auf der einen Seite die Idee und auf der anderen ihre Negation in der Natur sah und den Geist als den Streit beider. Nicht ohne Grund hat er immer wieder neue Fassungen seines Philosophischen Systems angefertigt, als er feststellte, wie die Betrachtung der Ereignisse durch die Wissenschaft den Vorsprung der Sachen vor dem Idealen zeigte. In seiner Vorrede zur Proportionslehre betont Dürer, Kunst müsse auf einem „grvndt“ aufbauen.34 Dort, wo er diesen Grund näher zu erörtern versucht, nennt er auf der einen Seite die Betrachtung der Natur und der Dinge, auf der anderen Seite die moralische, ethische Notwendigkeit des Kunstschaffens und damit erneut, anders ausgedrückt, das Sein und das Seinsollen. Die philosophische Attitüde würde nun schon dazu ausreichen, um Dürer dem Vermögen nach „Philosoph“ zu nennen. Dass er zumindest vorläufig, obschon vielleicht auch nur ansatzweise, auf die offene Frage nach einer Systematik von Sein und Seinsollen geantwortet hat, ist aber zureichend, um eine Philosophie auch realiter am Werk anzuerkennen. Wie gehören also das ‚Sosein‘ und das ‚Seinsollen‘ so zusammen, dass man ihren gemeinsamen Grund durchschaut und ihre Einheit nahtlos wie in einem Ganzen durchscheint? 33 34
Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, insbes. 103-115; diesbezüglich siehe auch Anzelewsky: Albrecht Dürers Suche, 69-71. Sahm: Dürers kleinere Texte, 122.
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Die Feststellung der Regel für das Sosein beruht nach Vitruv auf proportio.35 Das deutsche Wort dafür heißt „Maß“, ein Wort, das wir oft und gerne bei Dürer finden.36 Dieses Wort hat eine glückliche Doppeldeutigkeit, die im sprachlichen Gebrauch bezeugt ist und die Dürer explizit verwertete: z.B. in dem Motto, das er auf einer Gedächtnissäule der Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. einzeichnet:37 „Halt Maß“ (Abb. 5). Dieses Wort bedeutet moralische Verpflichtung, Mäßigung, Negation der Hybris und der „Vermessenheit“ 38. Nicht ohne Grund erscheint es in der eminent wichtigen Vorrede zu seiner Unterweysung der Messung mit Zirkel und Rychtscheit, einem methodischen, pädagogischen Werk für angehende Künstler. Hier geht es um „Maß“ sowohl im Sinne der Messung des Tatsächlichen als auch im Sinne des Sein-sollen im moralischen Sinne. Damit zeigt er auch den „grvndt“, auf dem die Kunst aufbauen soll. Insofern scheint es mir nicht uninteressant, dass Dürer ein Handbuch der Geometrie Willibald Pirckheimer widmet, der damals bemüht war, die humanistische Erziehung der Jugend durch ein städtisches Gymnasium zu fördern: Selbst die Rede von einem „rechten verstand“ in dieser Widmung rekurriert auf ein doppeldeutiges Wort wie „recht“, das zugleich moralische wie technische Werte bezeichnet. In dieser Hinsicht lohnt es sich meines Erachtens daran zu erinnern, dass selbst der Appell an den „grvndt“ in der Widmugsvorrede zur Unterweisung der Messung eine Verteidigung der Kunst gegen die damals bedrohenden Positionen der Bildstürmer verkörpert. Diesem späten Werk Dürers, das in die Zeit der Einweihung des Nürnberger Gymnasiums fällt (1525), widme ich meine Schlussbetrachtungen, da ich der Überzeugung bin, dass in diesem rätselhaften Holzschnitt, der am Anfang des 3. Buches seiner Unterweysung platziert ist und den Titel zu tragen pflegt: „victoria“ (Abb. 6), nicht nur das letzte „philosophische“ Werk des Meisters anzutreffen ist, sondern auch sein philosophisches Vermächtnis für die Nachkommen.39 Darin gibt es bereits Ansätze, die auf 35 36 37 38 39
Vgl. Zöllner: Vitruvs Proportionsfigur; ders.: Anthropomorphismus, hier 98-103. Dürer / Rupprich: Schriftlicher Nachlaß, II, 129-133. Siehe Schauerte: Die Ehrenpforte; Filippi: Misura, dismisura,128-143; dies.: „Halt mass“, 39-61. Grimms Wörterbuch, ad vocem: „schon sehr früh nimmt vermessen die Bedeutung des ‚falschen messens‘ an“, XXV, Sp. 863. Insofern würde ich Schauertes Aussage von der Melencolia I als Dürers letztes denkerische Bild wenigstens relativieren. Vgl. Schauerte: Dürer. Das ferne Genie: 201f. Wenn es an dieser Stelle um „die Grenzen der Kunst“ geht, bzw. und mehr noch um die Aussagefähigkeit der Bilder, dann zeigt die sog. „Bauernsäule“ die Attitüde dieses Künstlers, bis zum Lebensende akribisch und mutig über fixierte Motive und Regeln der Tradition nachzudenken. Das sieht man z.B. auch in einem anderen, weniger
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Spezialgebiete der Philosophie hindeuten: politische Philosophie, Rhetorik (im Sinne einer wirkungsvollen Argumentationstechnik), ohne dass dadurch die tatsächliche ‚Wahrheit‘ gefährdet wird. In der Dürerschen „Bauernsäule“ – so wird dieses Werk meist bezeichnet – ist die Philosophie ganz im Sinne einer argumentativen Syntax verstanden. Es werden Argumente angeführt, ohne dass der Autor (in diesem Fall der Künstler) im formalen Sinne Partei ergreift, und dies entspricht wiederum einer philosophischen und insbesondere Sokratischen Attitüde.40 Nicht zufällig wurde die sogenannte „Bauernsäule“ durch die kunstgeschichtliche Deutung in zwei extrem gegensätzlichen Deutungen ihrer Absichten und Perspektiven interpretiert: erstens als Parteinahme für die bestehende politische Ordnung, die 1525 zur Auslöschung der Bauern in Frankenhausen führte, aber auch zweitens und ganz im Gegenteil dazu als öffentliche Anklage gegen die Vermessenheit der Niederschlagung des Aufstandes. Mehr als eine logische Deduktion liefert also die Philosophie eine „aufweisende Grund-Freilegung“, ein Zeigen der Dinge in ihrem Ursprung und in ihrem Wesen. Jenseits dessen, was gesagt werden kann, gibt es das Zeigen dessen, was sich zeigt, um ein modernes Denken zu paraphrasieren.41 Und das liefert weitere Argumente zur Legitimität einer Philosophie durch Bilder und für die Möglichkeit, in der Dürerschen Kunst echte Philosophie zu suchen. „Gleichzeitig mit der Entdeckung des sprachlichen Charakters der allgemeinen Begriffe im Nominalismus wächst das Bewusstsein, dass nicht nur Namen, sondern auch Bilder und visuelle Vorstellungen für das Denken und Wissen von Erkenntnis fördernder Bedeutung sein können, und zwar gerade dann, wenn sprachliche Begriffe versagen“.42 Wenn Philosophie etwa im Sinne der heutigen Analytiker als propositionales Denken verstanden wird, dann müssen wir sofort ausschließen, Dürer (und mit ihm jeder weiterer Künstler) sei möglicherweise ein Philosoph, da eine derart einengende Definition der Philosophie kein weiteres Medium
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‚problematischen‘ Blatt (fol. 33) in derselben Unterweisung der Messung. Im Rahmen einer anamorphischen Perspektivstudie fügt Dürer folgende Beschriftung an: „Das W[ort] Got[t]es bleibt / ewiglich dis Wort ist Cristus / Aller Crist Glaubigen Heil“. Das spricht offensichtlich dafür, dass Kunst – sowohl Theorie als auch Praxis – von Ethik und Religion im Horizont Albrecht Dürers einfach nicht zu trennen sind. Ähnlich wird die Haltung Pieter Bruegels d.Ä. definiert. Diesbezüglich siehe Müller: Das Paradox, insbes. Kap. 2: Platon und die Weisheit der Verstellung – Sokrates als Silen, 94ff. Im Allgemeinen und zur spannenden Einführung eines solchen Motivs und dessen Folgen für die Kunst und die Kultur im Abendland: Zanker: Die Maske. Heidegger: SuZ, § 2, 8. Bocken / Borsche: Kann das Denken malen?, 8.
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für den Ausdruck des Denkens erlaubt als die gesprochene Sprache. Wenn wir aber die Philosophie als Einsicht in die Sachen selbst verstehen, dann bietet diese Auffassung dem Bild sogar eine Art Vorsprung vor der Sprache,43 welche nur im übertragenen Sinne ein Verhältnis zu Bildern und zur Sicht und Einsicht hat.44 Übrigens hat selbst ein Denker wie Platon die höchsten Errungenschaften seines Denkens Bildern anvertraut, z.B. dem berühmten Bild der Höhle und der Höhlenbewohner im 7. Buch der Politeia, und damit hat er implizit behauptet: dort, wo keine Rede mehr hinreichend 43
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Nach Hans Blumenberg kann das Bild die Rolle des Symbols und der Allegorie überschreiten und als eine Art Metapher dienen, welche jedoch keineswegs durch sprachliche Formulierungen ersetzt werden könnte. Eine solche die Grenzen der gesprochenen und geschriebenen Sprache überspringende Bildmetapher nennt er deshalb „Sprengmetapher“. Diese hat eine wichtige Rolle sowohl in Philosophie als auch in Theologie, weil sie den Prozess der Grenzüberschreitung erlebbar macht und zur Erfahrung der Transzendenz anleitet. Eine Sprengmetapher ist z.B. das Bild des Kreises bei Nikolaus von Kues: Ein Kreis ist etwas klar Nachvollziehbares. Wenn er aber ins Unendliche verkleinert oder vergrößert wird, wird er respektiv zum Punkt oder zur geraden Linie und überschreitet also die Grenzen seiner Vorstellungskraft, indem er aber diese Transzendenz vom noch Vorstellbaren zum Unvorstellbaren zugleich erfahrbar macht, was keine Sprache leisten kann. Vgl. Blumenberg: Ästhetische und metaphorologische Schriften. „Forse, a questo riguardo, un precedente può essere ravvisato soltanto nel Libro VII del De re aedificatoria di L.B. Alberti, dove si propone un intreccio indissolubile tra storia, pittura e filosofia.“ So Cuozzo: Pensare per immagini, 76. Cuozzo schildert die damalige kulturelle Konjunktur in Nürnberg wie folgt: „Die Epoche Dürers trägt dem Bedürfnis, dem philosophischen Gedanken bildliche und allegorische Form zu geben, auf verschiedene Weise Rechnung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Seiner großartigen, 1493 in Nürnberg veröffentlichten Weltchronik stellt Hartmann Schedel (14401514) eine knappe Commendatio mit einigen bezeichnenden Worten für den Leser voran […]: ‚Von der Lektüre dieser Chronik wage ich Dir, oh Leser, ein grossen Vergnügen zu versprechen, weil du Eindrücke nicht nur dadurch, dass du liesst, empfangen wirst, sondern auch – sobald du die bislang nie wiedergegebenen Bilder der Kaiser und Päpste, der Philosophen, Dichter und anderer berühmter Männer, jeder in den Gewändern seiner Zeit, dargestellt sehen wirst (depicta videbis) – dadurch, das dir die Folge aller Geschichtsabschnitte [von der Erschaffung der Welt bis auf unsere heutigen Tage] wirklich vor Augen tritt (oculo intueri) […]‘. In dieser kurzen Vorankündigung Schedels – in der Stephan Füssel eine entschiedene humanistische Wende der Kultur des Nordens erkennt – formte sich, vielleicht für das erste Mal auf eine so glatte und unumstößliche Weise, eine unauflösbare Beziehung von Gedanken und Bild, die von da an für die Kultur des Humanismus und des Rinascimento charakteristisch blieb. Es war dann Albrecht Dürer nicht zufällig Mitarbeiter in der Werkstatt des Herausgebers der Weltchronik, Anton Kobergers, seines Paten, der die Ausdrucksmöglichkeiten voll entwickelte, auch auf dem allegorisch-philosophischen Gebiet.“ Cuozzo: Der Verstand und die Sehnsucht, 364f. Der einzige lateinische Druck dieser Chronik mit der o.g. einleitenden Commendatio befindet sich im Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek zu München und ist online abrufbar.
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ist (und d.h. dort, wo das Wort versagt), ist das Bild an der Reihe (und der Entfesselte im Höhlengleichnis kommt schweigend und allein zur Einsicht in die Wahrheit des höchsten Guten). Ein besonderes Werk von Albrecht Dürer hat die Forschung zu immer neuen Interpretationsanstrengungen angespornt: die berühmte Melencolia I von 1514. Dieser Stich gehört bekanntlich in die Reihe der Meisterstücke, zusammen mit Ritter, Tod und Teufel und dem Hieronymus im Gehäuse. Diesem zusammenhängenden graphischen Werk widmet sich der mittlere Teil meiner Arbeit. Hierbei handelt es sich aber nicht um den Versuch, die bereits bestehenden Lesarten um eine weitere zu vermehren, sondern eher um die Gewinnung der philosophischen Ansätze, die dahinter liegen und zu dem Sinnganzen der verschiedenen gleichformatigen Blätter wesentlich beitragen. Die Hermeneutik als Entwicklung der Phänomenologie bietet insgesamt einen methodischen Ansatzpunkt für die Annäherung an das Kunstwerk als Epiphanie des Denkens. Die ‚Methode‘ bildet in den positiven Wissenschaften eine Vorgehensweise,45 die unabhängig von ihrem Gegenstande besteht und gilt, da sie sich als fähig erweist, ein bestimmtes allgemeines Gegenstandsgebiet zu umfassen. Um dies zu verdeutlichen, kann man sich die Methode als ein Netz für den Fischfang und den Gegenstand als den zu fangenden Fisch vorstellen.46 Die Wahl des geeigneten Netzes setzt eine allgemeine Idee der Fischart voraus, die man fischen möchte. Die so verstandene Methode hat vielerlei selbstverständliche Vorteile. Sie verfehlt aber sowohl das Spezifische des Denkens als auch das Eigentümliche der Kunst, da eben beide im Grunde genommen voraussetzungsfrei sind und also eine voraussetzungslose Vorgehensweise erfordern. Phänomenologische Hermeneutik bedeutet demnach, dass die Methode von dem spezifischen Gegenstande selbst – anstatt von einer allgemeinen und schablonenhaften Voraussetzung seiner Seinsart – gewonnen wird. Es besteht insofern eine Gleichartigkeit von Methode und Gegenstand. Das Kunstwerk entfaltet Wirklichkeit und sammelt diese in einem dinghaften Werk. Dabei verfährt es phänomenologisch: es versammelt (logos) das Sichzeigende (Phänomen) aus der Art und Weise her, wie es 45
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Eine gründliche Untersuchung durch die sehr fein nuancierten Facetten der vielfältigen Ansätze der Hermeneutik würde die Grenzen dieser einleitenden und methodologischen Betrachtung sprengen. Der Klarheit wegen lohnt es sich hier vom Terminus ‚methodologisch‘ und somit von der ‚Methode‘ auszugehen. „Alle methodische Wissenschaft ist stets nur ein [...] Netz“, so der Vertreter der methodischen Philosophie, Hugo Dingler, der sich häufig der Netzmetapher im erwähnten Sinne bedient, in (ders.): Methodik, 32.
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sich bekundet. Die Interpretation des Kunstwerkes verfährt dann auf dieselbe Weise ihm gegenüber: sie lässt sich das künstlerische Phänomen von ihm selbst her zeigen (nicht von einer vorherbestimmten Methode her). Beide – Werk und Interpretation – sind also in demselben Sinne ‚phänomenologisch‘. Dabei muss man die naive Vorstellung verabschieden, der Künstler habe gerade dieses oder jenes Bestimmte vor Augen gehabt und gemeint, was sich dann in der Interpretation zeige. Die rein sachliche Lektüre des Kunstwerkes – geleitet vom gesunden Verstand – findet gerade in dieser naiven Voraussetzung die besten Argumente. So liest man z.B. in der von Pierre Chaunu verfassten Préface zur zweibändigen Dürerstudie von Françoise Rücklin: „Je ne sais, il n’importe, si Dürer a consciemment voulu placer tout ce que son étonnante commentatrice a vu jaillir de son oeuvre“.47 „Il n’importe“ – da eine solche Frage einem ahnungslosen Zusammenhang entstammen würde. Wenn der Künstler der „Meisterstiche“ ganz bewusst eine bestimmte Reihe von Behauptungen über die Realität hätte platzieren wollen, dann hätte er anstatt des Kunstwerkes eine Abhandlung herkömmlichen Stils hervorgebracht. Umgekehrt: Das Verlangen nach Beweisen dafür, dass der Künstler tatsächlich bewusst behaupten wollte, was in der Interpretation steht, übersieht vollständig, dass es in der Kunst wie auch in der Philosophie nicht in erster Linie um ein demonstrare geht – d.h. um Ableitung aus höheren Prinzipien – sondern (und ursprünglicher) um ein monstrare, um ein Sehen-lassen des Phänomens aus sich selbst und von sich selbst her. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, was Matthias Mende einmal über Dürers Melencolia I humorvoll bemerkte: „Neben Kunsthistorikern äußerten sich Schriftsteller, Philosophen, Philologen, Mediziner, Botaniker, Mathematiker, Astronomen und auffällig viele Laien. Verborgen bleiben Außenstehenden meist esoterische oder sektiererische Abhandlungen, deren Verfasser suggerieren, sie allein hätten das ‚Geheimnis‘ der Darstellung entschlüsselt, den Sinn hinter den Dingen erfasst. Freimaurer wären als Gruppe zu nennen, mit eigenem Spezialschrifttum zu Dürers Melancholie“.48 Mende hat vollkommen Recht: Es geht um ein Zeigen und Sehen-lassen; keineswegs hat das mit einem rein spekulativen Inhalt im schlechten Sinne des Wortes zu tun. Wer sieht, der kann auch die Gründe angeben, worauf sich seine Ausführungen stützen.
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Rücklin: La condition, I, XVII. Mende: Melencolia I. In: Mende / Schoch / Scherbaum: Albrecht Dürer. Das graphische Werk, 179.
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Die vorliegende Studie gliedert sich also folgendermaßen: Zunächst geht es in einem methodischen Kapitel darum, das Spezifikum eines Denkens zu erörtern, das sich durch Bilder mitteilen will, und aus welchem Grund und wie das überhaupt möglich sein kann.49 Ist eine malerisch-gedankliche Sprache möglich? Als Folie der Argumentation eignen sich die Philosophie des Nikolaus von Kues und die Erfahrung flämischer Maler wie Jan van Eyck und Rogier van der Weyden an. Beide Künstler einer früheren Generation sind Dürer wohl vertraut und werden von Cusanus deshalb geschätzt, weil sie seinem Denken Ansätze bieten. Der letzte wird von ihm auch explizit genannt.50 Die Geburt eines fokussierten philosophischen Denkens bei Dürer wird in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts verortet. Damals fing der Künstler an, sich auch aus beruflichen Gründen mit philosophischen Themen zu beschäftigen, als ihm ein anerkannter Humanist seiner Zeit den Auftrag gab, das Titelblatt für ein reich gegliedertes programmatisches Werk zu gestalten. Die Absicht war, die darin angebotene Systematik durch ein einziges Bild zu visualisieren. Zu jener Zeit war Dürer bereits mit einigen der weiter oben diskutierten Thesen und Problemen konfrontiert, die unübersehbar durch eine Art „Kulturwanderung“ in seiner Geburtsstadt am Anfang um die Jahrhundertwende zum Cinquecento hervortreten. Deshalb erfolgt die Behandlung seiner ersten philosophischen Aufgabe erst nach der Erörterung des Milieus, in dem sich seine Auseinandersetzung mit dem Denken geschichtlich ereignete. Albertus Durerus Nurembergensis war nicht einfach ein Maler und Graphiker unter anderen. Er war in die Gemeinschaft der führenden humanistischen Geister seiner Zeit fest eingebunden und wurde sein Leben lang als Mitglied dieser erlesenen Runde gewürdigt.51 Er war sich auf der einen Seite der Außergewöhnlichkeit dieser Rolle bewusst, auf der anderen 49 50 51
Vgl. Schmitt: Der Philosoph als Maler – der Maler als Philosoph, 32-54. Siehe hierzu das nachfolgende Kapitel (Philosophieren durch Bilder). Der Humanist und Theologe Johannes Cochläus, der 1517 in Ferrara den Doktortitel und im Jahr darauf in Rom die Priesterweihe erlangte, war an den deutschen nationalen Selbstfindungsprozess beteiligt. Er gehörte zu der zweiten Generation von Humanisten zwischen 1490 und 1530, die von Celtis angeführt, „das italienische Barbarenverdikt zur absichtlichen Ehrverletzung umdeutete“, so Hirschi: Wettkampf, 269. Cochläus erwähnt Dürer bei seiner 1512 verfassten Brevis Germaniae descriptio mit weiteren Zelebritäten wie Willibald Pirckheimer und dem Kartograph Erhard Etzlaub, und „umreißt damit einen Personenkreis, der seither fast kanonisch mit Nürnbergs aetas aurea in den Jahrzehnten um 1500 identifiziert werden sollte. [...] Dieser Text [...] thematisiert ein spezifisch Nürnbergisches Selbstwertgefühl“. Schauerte: Die deutschen Apelliden, 35.
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Seite fand er, dass die italienischen Künstler bereits ein neues Profil im humanistischen Sinne gewonnen hatten, und kämpfte für die allgemeine Emanzipierung der Künstlerrolle in seinem Land. Um das Jahr 1500 zeigt Dürer in einem letzten gemalten Selbstbildnis dieses neue Bewusstsein seiner selbst. Unverkennbar treten in diesem Werk Grundelemente des Cusanischen Denkens zum Vorschein. Wenn um 1498/99 die Ausführung des Philosophia-Holzschnitts in enger Mitarbeit mit Konrad Celtis entstanden war und dessen Auftrag befolgen sollte, so ist das Selbstporträt im Pelzrock von 1500 eine freie Gestaltung und eine spontane Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der christlichen philosophischen Überlieferung und nicht zuletzt des Cusanus, ohne direkte Anlehnung an diese oder jene Passage eines bestimmten Textes unter den vielen Schriften des aus Kues stammenden Kardinals. In den Jahren nach 1500 entwickelt sich die Dürersche Selbstreflexion noch weiter. In dem als Nemesis oder „Das große Glück“ bekannten Blatt bildet der Vergleich mit den Italienern die spezielle Pointe. Somit bekommt sein Philosophieren zusätzliche Akzente, welche die Bereiche der Ästhetik, der Völkerpsychologie und der Philosophie der Geschichte berühren. Die Szene der fliegenden „Fortuna“ stellt sich an der Grenze zwischen zwei Kulturen dar. Welche Beschaffenheit hat diese Grenze? Wird der Unterschied lediglich durch die Grenze ermöglicht, an der die beiden Unterschiedenen sich trennen? Dies erscheint kaum wahrscheinlich. Ist die eigene Zeit Dürers etwa nicht eine Epoche im Sinne des griechischen epoché, d.h. der Einstellung und der Schwebe, der Unentschlossenheit zwischen zwei verschiedenen Weisen des Menschseins im Mittelalter und in der Neuzeit?52 Das ist das Thema der rätselhaften und vieldiskutierten künstlerischen Erfindung, welche den Titel Melencolia I bzw. Melencolia § I trägt. Dieser Kupferstich wird innerhalb einer ganzheitlichen – aber keinesfalls abschließenden oder auch nur erschöpfenden – Interpretation als das philosophische Werk Albrecht Dürers verstanden: völlig frei von engen Bezügen in der philosophischen Überlieferung, komplex und zusammenhängend, ja sogar systematisch. Alle bisher berührten Aspekte der Philosophie verflechten sich hier mit einer reifen Besinnung auf den Ursprung der Philosophie, wie dies aus einer phänomenologischen Lektüre der Stimmung der Melancholie hervorgeht. Die Melencolia I bildet mit anderen vorwiegend gleichzeitigen Graphikideen eine Reihe, die sogenannten „Meisterstiche“. Die Reihe enthält 52
Filippi: Albrecht Dürer’s Meisterstiche, 33.
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einen zusammenhängenden Diskurs über die Ethik in epochalem Sinne. Die Lektüre der Melencolia I wird deshalb durch eine Deutung anderer Blätter ergänzt, vor allem: Ritter, Tod und Teufel und Hieronymus im Gehäuse. Unter anderen Aspekten haben die „Meisterstiche“ eines gemeinsam: die wesentliche Rolle der Hand. Wenn darin gerade das Handeln selbst zum Thema wird, muss zuvor der Sinn der Kunst als Handlung geklärt werden. Aus diesem Grund wird der Erörterung der Melencolia I und der anderen „Meisterstiche“ ein Kapitel über die „Hand“ bei Dürer als „docta manus“ vorangestellt. Die ausführende Hand und das Fühlen im Sinne der vollendeten Ausführung des Tastsinns beim sinnenden Künstler werden mit dem traditionellen Gedanken kontrastiert, Denken sei ausschließlich eine Sache der Sicht und der visio. Bei Dürer werden beide Horizonte produktiv im denkerischen Akt des Künstlers miteinander verschmolzen. Um 1525, gegen Ende seiner künstlerischen Laufbahn, schöpft Dürer innerhalb der zunächst befremdenden Situation eines Lehrbuchs für angehende Maler und Graphiker ein letztes Kunststück seiner Philosophie, in einem rätselhaften Blatt, genannt „Bauernsäule“. Zum ersten Male bezieht er sich explizit auf die politisch brisanten Nachrichten der damaligen Zeit über die Ermordung tausender Bauern bei den Aufständen in Frankenhausen. Ihm geht es gar nicht darum, Partei zu ergreifen, sondern eher um die Gründe der ethischen Handlung, was eine genuin philosophische Frage überhaupt ist. Daraus entsteht eine eindringliche meditatio mortis, die in einem sich aufdrängenden Fragezeichen endet, und dies scheint der Einsicht zu huldigen, Philosophie bestehe hauptsächlich in Fragen und nur untergeordnet in der Formulierung von Antworten auf das lebendige Fragen des Denkens. Ist das Denken schließlich lebendiger als das jeweilige Individuum? Ist vielleicht der Künstler Dürer deshalb heute noch so lebendig, weil er die pietas des Denkens nicht scheute? Ein Schlusskapitel fasst die verschiedenen Aspekte der vorliegenden Untersuchung im Zeichen der Gerechtigkeit zusammen. Die Frage nach der Gerechtigkeit scheint nämlich, am Ende einer denkerischen Auseinandersetzung mit Albrecht Dürer, das A und O – die Chiffre – seines Philosophierens bestens zu repräsentieren. Diese Frage zieht schweigsame Furchen durch das ganze Oeuvre des Meisters, wie in jüngster Zeit von namhaften Interpreten immer wieder betont worden ist. Selbst dem stummen Schrei seines Fragezeichens in Dürers „victoria“ scheint das Wort „Gerechtigkeit“ kaum abzusprechen zu sein.
1. Philosophieren durch Bilder. Der pictor doctus Rogier, Nikolaus von Kues und die Anfänge der Renaissancekunst im Norden Ist Philosophieren durch Bilder überhaupt möglich? Wenn ja: Ist es möglich, ein Philosophieren in Worten mit einem Philosophieren in Bildern zu vergleichen? Seitdem Hans Belting mit seiner Erfindung des Gemäldes in Jan van Eycks Malerei eine Art „gemalte Anthropologie“ erblickte,1 „wurde der Gedanke, dass die Gemälde des großen flämischen Meisters als ‚gemalte Traktate‘ gelesen werden können, von wichtigen Kunstwissenschaftlern wiederholt aufgegriffen und als Schlüssel zum Verständnis der Bilder herangezogen“.2 Auf der Suche nach dem „stummen Diskurs der Bilder“ 3 wurde ferner Rogier van der Weyden intensiv überprüft, zumal er am Anfang von Cusanus’ Schrift De visione Dei als mögliche Quelle für ein philosophisches Experiment mit Bildern namentlich genannt ist. Dabei entstehen Fragen, die den Hintergrund zu der hier vorliegenden Untersuchung vorzeichnen. Haben Rogier und Cusanus einander gekannt? Gab es Einflüsse des einen auf den anderen? War die Malerei nur eine äußere Gelegenheit für das Denken? Oder besaß sie bereits den Charakter eines denkerischen Aktes? Und wenn ja, welcher Art? Nikolaus von Kues hat in De mente ein Gleichnis aus dem Bereich der Malerei aufgestellt: „Das ist so, wie wenn ein Maler zwei Bilder malte, von denen das eine, tote, ihm in Wirklichkeit ähnlicher schiene, das andere aber, das weniger ähnliche, lebendig wäre, nämlich ein solches, das, durch seinen Gegenstand in Bewegung gesetzt, sich selbst immer gleichförmiger machen könnte. Niemand zweifelt daran, dass das zweite vollkommener ist, weil es gleichsam die Malerkunst mehr nachahmt.“ 4
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Belting / Kruse: Die Erfindung, 1994. Bocken: Sehen und gesehen werden, 95. Vgl. Von Rosen / Krüger / Preimesberger: Der stumme Diskurs. De mente c. 13 (h 2V, n. 149): „quasi si pictor duas imagines faceret, quarum una mortua videretur actu sibi similior, alia autem minus similis viva, scilicet talis, quae se ipsam ex obiecto eius ad motum incitata conformiorem semper facere posset, nemo haesitat secundam perfectiorem quasi artem pictoris magis imitantem“.
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Erstes Kapitel
Dabei unterscheidet er ein lebendiges von einem toten Porträt.5 Wie hier in Bezug auf Dürer dargestellt werden soll, bezieht sich dieser in seinem Selbstbildnis von 1500 auf die „lebendige“ Porträtkunst. Wie Harald Schwaetzer gezeigt hat, wurde diese Cusanische Unterscheidung von der Malerei seiner eigenen Zeit inspiriert, und zwar vorzugsweise durch Rogier van der Weyden: „Es soll nicht behauptet werden, dass Cusanus das Bild gesehen hat, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass er von dem Bild erfahren hat und dass er mit dem Maler gesprochen hat. Gemeint ist die Rogier van der Weydens Der Hl. Lukas malt die Madonna“ 6 (Abb. 7). Rogier wird in De visione Dei von Cusanus „pictor maximus“ genannt. 7 Das kann er nicht ohne Grund behauptet haben: jenseits der durchaus wahrscheinlichen und überzeugenden „suggestiven Hypothesen“ 8 sind beim flämischen Maler genau diejenigen Charaktere des Porträts vorhanden, die der Theologe in seiner Widmung an die Mönche von Tegernsee beschreibt: „Jeder von euch wird, von welcher Stelle er sie auch besieht, die Erfahrung machen, als werde er allein von ihr angeschaut. Dem Bruder, der im Osten stehen wird, wird es scheinen, als blicke dieses Gesicht nach Osten, und dem Bruder, der im Süden steht, dass es nach Süden, und dem im Westen, dass es nach Westen blicke. […] Und geht er, den Blick immer auf die Ikone heftend, von Westen nach Osten, so wird er erfahren, dass der Blick (visus) der Ikone immerzu mit ihm weitergeht. Und kehrt er vom Osten nach Westen zurück, wird er ebenfalls ihn nicht verlassen. Er wird darüber staunen, wie er sich auf unbewegliche Weise bewegt. Auch seine Vorstellung wird es nicht fassen können, dass er sich ebenso mit einem anderen bewegt, der ihm in entgegengesetzter Bewegung entgegenkommt“.9 Für das Gemälde Der Hl. Lukas malt die Madonna gilt so wiederum Schwaetzers Feststellung: „offenbar ist die Madonna mit dem Christuskind ein perfektes Urbild des Menschen und der malende Maler ein sich selbst vervollkommendes Abbild“.10
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Vgl. Bredow: Der Geist als lebendiges Bild, 58-67 (Wiederabdruck in: Bredow: Im Gespräch, 99-109); Mandrella: Gott als Porträtmaler, 133-145; Ruzika: Das Bildsein, 75-94; Eisenkopf: Das Bild des Bildes, 49-74; Dupré: The Idea of a Living Image, 93-102. Schwaetzer: Zum lebendigen Selbstporträt, 163. De vis. Dei, praefatio (h VI, n. 2). Schwaetzer: Zum lebendigen Selbstporträt, 164. De vis. Dei, praefatio (h VI, n. 3). Schwaetzer: Zum lebendigen Selbstporträt, 165.
Philosophieren durch Bilder
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Im Zentrum des Gemäldes steht die Tätigkeit des Malens. Die Malerei reflektiert über sich selbst.11 Das ist ein Kennzeichen des Denkens, das Cusanus bestimmt bei Rogier erkannt hat. Es handelt sich ferner um eine visio intellectualis, welche irdische mit überirdischen Aspekten verbindet und die weder völlig geistiger noch ausschließlich weltlicher Natur ist: „Diese Konzeption der visio intellectualis ist derjenigen des Cusanus im hohen Maße verwandt. Nikolaus zeichnet den Raum des Intellektuellen in derselben Weise aus“.12 In dieser fungiert die Wahrnehmung des Sensiblen wie eine Brücke zum Geistigen (nicht zufällig ist Rogiers Szene mit dem malenden Lukas auf einer Art Brückenhaus dargestellt),13 wie wenn man fremde Buchstaben einer fremden Sprache liest und dabei zum entsprechenden Sinn geleitet wird, vorausgesetzt, man ist mit der fremden Sprache und ihrer Schreibweise vertraut. Wenn der äußere Buchstabe begriffen wird, haben wir es mit einem Begriff zu tun. Ähnliches geschieht in dem Bild Der Hl. Lukas malt die Madonna von Rogier. Der Begriff ist aber die Sache des Denkens. In diesem Sinne ist die Frage, ob das Malen überhaupt denken kann, positiv zu beantworten. Das Malen leitet, indem es über sich selbst reflektiert, die visio zum Vernehmen des Begriffs – in diesem speziellen Fall jedoch zu einem Begriff, der immer tiefer erfasst werden kann. Wenn der Maler Lukas ein sich selbst vervollkommnendes Abbild ist, gibt es keinen Moment, in welchem er das perfekte Urbild des Menschen erreicht hat. Er bleibt immer noch festgehalten im Bild als der Sichvervollkommende. In dieser speziellen Bedeutung des dynamischen und sich immer weiter vervollkommenden Begriffs ist die Malerei nicht nur eine Art des Denkens, sondern auch spezifisch Philosophie , wenn bei dieser die Vollkommenheit der sofiva nur noch geliebt (filei`n) werden kann, weil sich der Weg zur Vollkommenheit wie ein Horizont beim Gehen entfernt. Dass sich in diesem Bild gerade bei Cusanus die Wege der Philosophie und der Theologie als docta ignorantia kreuzen, bedarf keiner weiteren Ausführung.
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Stoichita: Das Selbstbewußte Bild, 224-298; Von Rosen: „Selbstbezüglichkeit“, 32729 (mit zentraler weiterführender Literatur); Pfisterer / Von Rosen: Der Künstler als Kunstwerk. Vgl. jüngst auch Scherer: Der Maler als Spiegel?, 71-85. Schwaetzer: Zum lebendigen Selbstporträt, 168. Zur bedeutungsvollen Rolle dieser Brücke bzw. eines solchen „Dazwischen“ verweise ich auf Kruse: Rogiers Replik, 167-185; Filippi: Umanesimo, 135, sowie Schwaetzer: Zum lebendigen Selbstporträt, 167.
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Erstes Kapitel
Die Epiphanie des Geistigen in der Welt und deren bildliche Wiedergabe Die Philosophie des Humanismus ist ein Denken durch Bilder.14 Um die These in ihren Implikationen sichtbar und konkreter zu machen, seien hier einige zentrale Fakten genannt, welche ihrerseits der methodischen Sicherung bedürftig sind. Der wohl bedeutendste Philosoph des 15. Jhs., Nikolaus von Kues, hat seine Gedanken oft und schwerpunktmäßig in Bildern und durch Bilder formuliert. Der Satz aus De beryllo: „veritas mensuratur per imaginem“ 15 belegt dies zur Genüge. Die führenden Gelehrten des darauffolgenden Jahrhunderts, wie etwa Thomas Morus, Giordano Bruno (der seinerseits Cusanus rezipierte), Bernardino Telesio, sowie Tommaso Campanella und Vico,16 sind ohne Rekurs auf Bilder nicht zu denken.17 Bruno hat auf seine Weise eine ikastische und extreme Formulierung gewagt, dass nämlich „niemand ein Philosoph sei, der nicht bildend und malend tätig ist“.18 Dabei stützte er sich vielleicht auf Denker wie Pico della Mirandola, Pietro Pomponazzi oder Juan Luis Vives.19 Die Philosophen erkennen immer mehr die Macht der Bilder.20 Selbst aus dem Gedankengut der Reformation sind die von ihnen ausgehenden bildlichen Sedimentationen nicht wegzudenken.21 Auf der anderen Seite gewinnen Künstler in der Zeit des Humanismus und der Renaissance zunehmend einen geistigen Status, den sie zuvor nur gelegentlich hatten: Der Künstler avanciert zum Intellektuellen.22
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Diese Frage wurde 2005 im Rahmen einer internationalen Tagung erörtert und diskutiert, deren Ergebnisse jetzt vorliegen in Bocken / Borsche (Hgg.): Kann das Denken malen? Ich verweise des Weiteren auf die dort angeführte Literatur zum Thema. De beryllo (h 2XI/I, n. 7). Vgl. Gilbhard: Vicos Denkbild, 2012. Rezent siehe Leinkauf: Ut philosophia pictura, 45-69. So Bruno: Explicatio triginta sigillorum, II/2, 133: „Non est philosophus, nisi qui fingit et pingit, unde [...] intelligere est phantasmate speculari“. Leinkauf: Ut philosophia pictura, 47f. Zur Einführung in die Komplexität des Themas verweise ich zunächst auf Belting: Bild und Kult, 11-27, sowie Boehm: Jenseits der Sprache?, 28-43. Vgl. z.B. Ullmann: Von der Macht der Bilder, 1983; Blum: Bild und Wort, 1986; Freedberg: The Power of Images, 1989. Vgl. Woods-Marsden: Renaissance Self-Portraiture, 1998; Barker / Webb / Woods: The Changing Status of the Artist, 1999. Zu den theologischen Implikationen des Begriffs vgl. etwa Langer: Divine and Poetic Freedom, 1990; Di Stefano: Leon Battista Alberti e il doctus artifex, 321-330.
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Im Laufe des italienischen Quattrocento, aber auch der flämischen und später der deutschen Kunstentwicklung ist offenbar ein bedeutungsvoller Rollenwechsel des Künstlers zu verzeichnen, der – mehr oder weniger langsam und bewusst, oder in manchen Fällen auch kompromisslos – die alte Zugehörigkeit zum Handwerk negiert, um immer mehr als Intellektueller in Erscheinung zu treten. Nicht zufällig findet man in Leon Battista Albertis Traktat „Über die Malerei“ die starke Position vertreten, der Maler sei quasi alter deus: „Denn er [der Maler Zeuxis] war der Meinung, dass kein angemessener Preis [für seine Werke] gefunden werden könne, um denjenigen zufriedenzustellen, der Lebewesen [plastisch] bilde [und] male und sich gleichsam als Gott darbiete“. Und ferner: „Über ein solches Anwesen also verfügt die Malerei, dass ein meisterhafter Maler erfahren wird, wie seine Werke verehrt werden und er selbst für einen zweiten Gott gehalten wird“.23 Wie erwähnt, wird um die Wende zum 16. Jahrhundert Albrecht Dürer durch Konrad Celtis, den namhaften Humanisten, als „Philosoph“ gekürt und als Mitarbeiter bei der graphischen Gestaltung einer Idee der Philosophie engagiert.24 Die Zeit des Humanismus ist in philosophischer Hinsicht durch ein tragendes Ereignis kennzeichnet: Die Wiederentdeckung und das Studium Platonischer Schriften, aber auch die Beschäftigung mit Autoren hellenistischer Zeit. Platon selbst bedient sich der Bilder für sein Philosophieren.25 Seine Mythen sind so vor allem Bilder, die in den Blick zu bringen sind. Das berühmte Höhlengleichnis im siebten Buch der Politeia (541a 2) beginnt mit dem Satz „Bringe dir nämlich in den Blick dieses…“. Sokrates malt dann vor den Augen seines Gesprächspartners ein Bild,26 das mit dem Wesen des Menschen zu tun hat, mit unserer Bildung oder Bildungslosigkeit:
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Leon Battista Alberti: De Statua, De Pictura, Elementa Picturae – Das Standbild, die Malkunst, Grundlagen der Malerei, 234-239; Leon Battista Alberti: Über die Malkunst – Della Pittura, § 25 und § 26, 100-105. Zit.: 102f. [Hervorhebung E. F.]. Dazu vgl. Barbieri: L’inventore della pittura, 247-262; Sinisgalli: Il nuovo De Pictura, 2006. Im Allgemeinen über Albertis Position in Bezug auf den Künstler und dessen Rang vgl. Forster / Locher: Theorie der Praxis; Emison: Creating the „Divine“ Artist, 31ff.; Schneider: Geschichte der Kunsttheorie, 142ff. Holzschnitt für die Philosophia, 1502, Titelblatt für eine Gesamtdarstellung des humanistischen Programms Celtis’. Grundlegend gilt diesbezüglich die Untersuchung von Robert: Konrad Celtis und das Projekt der deutschen Dichtung. Vgl. Radke-Uhlmann: Phantasia, 153-179. Vgl. Ambuel: Platon: In Bildern denken, 13-41, insbes. 20-28.
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„Hernach also verschaffe dir aus der Art der (im folgenden dargestellten) Erfahrnis einen Anblick (des Wesens) der ‚Bildung‘ sowohl als auch der Bildungslosigkeit, welches (Zusammengehörige ja) unser menschliches Sein in seinem Grunde angeht Verschaffe dir einen Anblick der Bildung sowohl auch der Bildungslosigkeit, welches unser menschliches Sein in seinem Grunde angeht“.27 Dieses Bild hat mit unserem Wesen zu tun, also mit der Grundfrage der Philosophie.28 Bereits bei Platon ist es, wenn der Logos an seine Grenzen stößt, der Mythos, der ein Stück weiter vorangeht.29 Mythos stellt hier jenes Bild dar, welches jenseits des Logos – im Sinne des Diskursiven – führen kann: Worte gibt es zwar auch noch, das Ziel ist aber das Entstehen eines Bildes. Das Wort idea30 liefert selbst einen Beleg dafür, dass das Modell (eikon, Ikone) vorsprachlich verfasst ist, d.h. dem Wort vorausgeht und es orientiert. So ist es auch im Platonismus von Plotin (gemeint sind seine Enneaden), in welchem die unio mystica durch Bilder angedeutet ist. „Die Einung mit dem Einen selbst wird von Plotin vorwiegend als ein Akt des Sehens beschrieben“.31 Geht es doch darum, zwar ohne Worte, aber nicht ohne Gedanken zu betrachten.32 Auch Cusanus greift oft und gern zum Bild,33 vorwiegend zu präzisen geometrischen Gestalten, die eine starke bildhafte Komponente besitzen, wie im Falle der Exhaustion des Kreises durch ein Vieleck mit einer potentiell unendlichen Seitenzahl, um die docta ignorantia zu verdeutlichen, oder im Falle des Kreises mit einem unendlichen Durchmesser (oder auch des Dreiecks mit einer unendlichen Seite), um die coincidentia oppositorum begreiflich zu machen.34 Bis zu diesem Punkt besitzt das Bild für Cusanus einen instrumentellen Wert: Sein Ziel liegt nämlich in Anderem, was also auf diese Weise besser anvisiert werden kann.
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So die Übersetzung von Heidegger: Platons Lehre, 217f. Das Verb ist ajp eivkason = mache dir eine eijkwvn, ein Bild. Was ist ein Bild? Diese Frage steht bei Platon im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit Parmenides, der das Sein des Wandelbaren leugnete. Vgl. allgemein zu diesem Thema Boehm: Was ist ein Bild?; ferner auch Belting: Bild-Anthropologie. Taureck: Mythos und Paideia, 123–134. Vgl. Panofsky: Idea. Beierwaltes: Visio facialis, 91-124, hier 112; ferner und allgemein zu diesem Thema ders.: Plotins philosophische Mystik, 81-95. Plotin: Enneaden, VI, 9, 7. Zum Bildbegriff bei Plotin vgl. Aubin: L’image, 348-379; Lassegue: Note sur la signification, 9-12; Fattal: Logos und Bild. Fattal hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesem Thema bei Plotin beschäftigt. D’Amico: Die Rolle der geometrischen Figur, 265-278; Nicolle: How to look, 279293; Yamaki: Die Bedeutung geometrischer Symbole, 295-312.
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Dort aber, wo der Kardinal in De visione Dei von dem Gemälde der ‚Schau Gottes‘ spricht, wird seine Rede gänzlich bildintern, und das Bild verlässt so die Grenzen des Mittels zum Zweck, um selbständig zu werden.35 An verschiedenen Stellen der Idiota-Schriften, aber auch anderswo, wie z.B. in De beryllo , lässt Cusanus durch seine Dialogpersonen den Vorrang des Bildes vor dem Wort bekräftigen: „[Ich, Cusanus] sage mit Platon: Wissen bedarf nur sehr weniger Worte; es würde besser ohne jede Schrift mitgeteilt, wenn es Menschen gäbe, die danach verlangen und dafür geeignet sind. Jene aber hält Platon für geeignet, die mit solcher Begierde danach trachten, in das Wissen eingeweiht zu werden, daß sie glauben, lieber als des Wissens entbehren zu sollen“.36 Hier beruft er sich auf den Siebten Brief Platons, sowie auf den Phaidon. In einem ganz anderen Bereich können wir übrigens ein Philosophieren durch Bilder feststellen: Die Philosophien des Hellenismus (Epikureismus, Stoa, Skepsis) haben trotz gewaltiger Unterschiede einen gemeinsamen Punkt: Eine Behauptung kann zwar widerlegt werden, ein Lebensstil jedoch nicht. Für diese Bewegungen wird dementsprechend der Lebensstil des Meisters viel wichtiger als die Buchstaben seiner Lehre. Wichtig ist, mit anderen Worten, dass wir uns ein Bild vom Leben des jeweiligen Lehrmeisters verschaffen. Diesem Zweck dienen die berühmten Lebensschilderungen eines Diogenes Laertius. Auch in dieser Hinsicht konkurriert das Bild mit den Worten im Bereich einer im weiten Sinne gefasster Argumentation. Bilder wie das Höhlengleichnis oder wie die Lebensvorbilder besitzen eine argumentative und somit eine dialogische Kraft. 37 Jüngst hat Hubert Sowa im Rahmen eines Diskurses über einen „verantworteten Blick“ diesen Punkt so definiert: „Was wir sehen, blickt uns an und ruft uns in die Verantwortung“.38
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Schwaetzer: Die methodische Begründung, 83-95. Zum Cusanischen Bildbegriff in Anschluss an die (neu)platonische Überlieferung (Plotin, Augustin) und im Sinne der Einschränkung von Einfaltung und Entfaltung verweise ich auf Leinkauf: Das Bild-Begriff, 99-129, insbes. 110-117. De beryllo (h 2XI/I, n. 72). Auf eine moderne Anwendung dieser Bilder (ausgehend von der Kunstpädagogik in weitem Bogen medientheoretischer Reflektionsgegenstände – vom Platonischen Höhlengleichnis über die figura paradigmatica des Nikolaus von Kues) und auf die weitreichende Folgen für die Erziehungswissenschaft und deren Nachbardisziplinen hingewiesen hat Meyer: Interfaces. Mehr spezifisch in Hinblick auf Cusanus vgl. ders.: Weltweit-Werden, 144f. Mehr generell bleiben immer prägend dazu die Besinnungen (Vgl. die allgemeinen und prägenden Überlegungen dazu) von De Certeau: Die Kunst des Handelns, 348ff. Sowa: Verantworteter Blick, 168.
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Kann so etwa entsprechend von einer dialogischen Kraft der Malerei die Rede sein? Ist es möglich, einen Dialog im rein visuellen Sinne und völlig ohne Worte zu führen? Umgekehrt bildete schon in der Antike und dann in der Renaissance die sogenannte „Ekphrasis“, die Art nämlich, durch Worte das Spezifikum des Bildes zu fassen, ein Kernproblem und ein Leitmotiv.39 Eine Antwort auf diese Frage finden wir z.B. in einer Erzählung, die uns von Plinius dem Älteren überliefert wird:40 Es handelt sich um die Geschichte von den beiden Malern Protogenes und Apelles. Letzterer macht sich auf den Weg nach Rhodos, um den älteren und bewunderten Kollegen kennenzulernen. Dort besucht er dessen Atelier, jedoch in Abwesenheit des Meisters, und er beginnt einen gemalten Dialog (Auseinandersetzung) mit ihm, indem er auf einer bemalten Linie des Protogenes eine noch dünnere einzeichnet. Als der ältere Meister nach Hause zurückkehrt, erkennt er sofort auf der Staffelei die „Visitenkarte“ des Apelles, den er aus seinem feinen Zeichen identifiziert. Daraus entsteht ein Wettbewerb, der schließlich von Apelles gewonnen wird.41 Es geht hier um einen Dialog, der in der eigenen Sprache der Kunst geführt wird. Die Malerei wird dabei zu einer Art Metasprache mit einem eigentümlichen Argumentationspotential. Der jüngeren Forschung zufolge hat Rogier van der Weyden eine ähnliche gemalte Auseinandersetzung mit Jan van Eyck in Gang gebracht, indem er auf dessen sogenannte Rolin-Madonna (um 1432-35, Paris, Louvre, Abb. 8) mit einem eigenen Gemälde, Hl. Lukas malt die Madonna (1435, Boston, Museum of Fine Arts, Abb. 7) geantwortet habe.42 Es handelt sich aber in beiden Fällen um eine „Malerei über die Malerei“ 43 – oder anders formuliert: „Eine zentrale Bedeutung des Gemäldes besteht darin, dass ein Maler in ihm idealiter die Tätigkeit des Malens selbst beobachtet
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Die Ekphrasis und der dazu gehörige Wettstreit zwischen den Künsten war in der Debatte der Renaissance zu Hause, und darüber hinaus vorzügliches Thema. Zu dem so beliebten Topos grundlegend bleibt Lee: „Ut pictura poesis“, 197-269. Wertvolle Überlegungen sind ferner in folgendem Band zu finden: Boehm / Pfotenhauer: Beschreibungskunst, 1995. Als besonders aufschlussreich weise ich hin auf den Beitrag von Boehm: Bildbeschreibung, 23-40. Gaius Plinius d.Ä.: Naturalis Historiae Libri XXXVII, Liber XXXV, 81-83. In diesem Kontext sind einige Beiträge von Bedeutung, etwa: Bätschmann / Griener: Holbein-Apelles, 626-650; Mainberger: „Der Künstler selbst war abwesend“, 19-31; Lüdemann: Der Dichter am Grab des Malers, 255-264. Vgl. Kruse: Rogiers Replik, 167-185. Schlie: Bilder des Corpus Christi, 301ff.
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und reflektiert.“ 44 – sofern diese ihr Hauptthema ins Zentrum rückt, d.h. die Darstellung und ihr Verhältnis zum Urbild und damit zur Wahrheit. Ist Wahrheit nur Übereinstimmung von Abbild und Urbild?45 Gibt es eine unfehlbare Wahrheit hinter der Richtigkeit der Darstellung?46 Das ist hauptsächlich eine philosophische Frage, die in Form eines „intermedialen“ Dialogs (innerhalb des alleinigen Mediums der Malerei) behandelt wird, mit welchen Ergebnissen auch immer. In der Einleitung zu Reinhard Brandts Philosophieren in Bildern wird eine interessante Unterscheidung vorgenommen, die eine typologisch entscheidende Rolle für das Thema Dürer als Philosoph haben wird, nämlich: „Die Malerei hat besonders in der Phase der Renaissance und des Barock Formen der Kommunikation komplizierter Gedanken entwickelt, die zum Teil durch den unmittelbaren Rekurs auf philosophische Texte operieren (wie im genannten Fall Raffaels), zum Teil von der Bindung an Texte gelöst sind (wie Rembrandts ‚Aristoteles und die Büste Homers‘)“.47 Man muss also unterscheiden zwischen solchen Themen, die Schriftliches ins Bild übersetzen und anderen, die durch das Bild selbst und ohne direkten Rekurs auf bestehende Schriften philosophieren. Die Maler der italienischen Renaissance haben das Thema Philosophie überwiegend entweder nach dem ersten Modell behandelt (Raffael), oder nach dem zweiten (Giorgione), oder sind insgesamt als Philosophen verstanden worden (Leonardo); wieder andere haben durch Bilder philosophiert, ohne sich auf die philosophische Überlieferung zu beziehen. Philosophische Gedanken haben sich verschiedentlich in Bildern kristallisiert. Raffael hat in seiner Schule von Athen (Abb. 9) eine Art Geschichte der antiken Philosophie in einem zusammenhängenden Bild zusammengefasst.48 Seine Interpretation der Philosophiegeschichte kann genauso gut in Worten formuliert werden, was die Philosophiegeschichtsschreibung seiner Zeit auch tat. Giorgione hat seine malerische Auseinandersetzung mit der Philosophie in seiner Tafel Die drei [sog.] Philosophen ausgeführt (Abb. 10). 44 45
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Schwaetzer: Raffaels Sixtinische Madonna, 45, sowie ders.: Il San Luca, 97. Die vielfältigen Motive und Facetten eines solchen Motivs sind in verschiedener Art und Weise in dem Sammelband erläutert: Spiegel und Porträt; sowie zuletzt in: Spiegel der Seele. Schwaetzer: Vom Reinigen der Brille, 115. Brandt: Philosophieren in Bildern, 16. Der Autor bezieht sich auf Raffaels Schule von Athen, 1508/09 vollendet. Vgl. Most: Raffael. Lesenswert ist auch die italienische, erweiterte Ausgabe: Leggere Raffaello.
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Götz Pochat hat dazu bemerkt: „Il tono fondamentale di tutti i tentativi di lettura si lascia ricondurre alla formula: l’intelletto dell’uomo nel mondo si definisce secondo il decoro e la capacità intellettuale. Tale tematica forma anche il cuore della filosofia naturale coeva, nel suo orientamento neoplatonico ed esoterico“.49 Giorgione fasst demnach mit dem Medium der Malerei die vorherrschende philosophische Sicht seiner eigenen Zeit zusammen.50 Nach Ansicht einiger Interpreten verlieh Giorgione dem jüngeren Philosophen die eigenen Gesichtszüge und wies sich selbst somit indirekt als Philosophen aus. Zu denjenigen, die durch Bilder philosophierten, kann – eigentlich noch im Mittelalter – Ambrogio Lorenzetti gerechnet werden. Wie Brandt treffend feststellt, ist in seinem Fresko der guten und der schlechten Regierung im Palazzo Pubblico in Siena (1337-1339) „ein alles umfassender ‚ordo‘ dargestellt, in dem das Gute, Wahre und Schöne mit ihrem jeweiligen Gegenteil zusammentreffen. Wie bei Platon entspricht die soziale und politische Ordnung der Seelenverfassung des einzelnen Bürgers; für beide gelten die vier Kardinaltugenden, zu denen die christlichen Tugenden des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung hinzutreten. Die Wirkungen der guten Regierung sind gut, weil die Regierung gut ist, es ist nicht umgekehrt die Regierung gut, weil die Wirkungen gut sind“.51 Gleichgültig, ob philosophische Inhalte wie im Fall von Giorgione werkimmanent sind, das heißt keineswegs vom Werk selbst zu lösen, oder auch mit dem Medium des Wortes formulierbar, wie bei Ambrogio Lorenzetti und in Raffaels Schule von Athen, ist allen diesen Fällen Folgendes gemeinsam: das Kunstwerk ist keinesfalls durch einen so oder so gearteten Inhalt zu trennen, als könnte dieser unabhängig von dem Kunstwerk selbst kursieren. Einmal entziffert, kann die Bedeutung der einzelnen Partien der Schule von Athen unmöglich als ein ‚Inhalt‘ von der ihn tragenden ‚Form‘
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Pochat: I Tre Filosofi, 189. Vgl. auch die bahnbrechende Studie von Hartlaub: Die Symbolik, 13-21. Er sieht eine direkte Beziehung der dort dargestellten Instrumente der Messung mit Dürers Melencolia I-Kupferstich. Brandt: Philosophieren, 24. Im Übrigen wird der ältere Bruder, der Maler Pietro Lorenzetti, von Vasari explizit gleichfalls „Philosoph“ genannt. Dank seiner Berührung mit der arabischen Kultur beschäftigte er sich bereits mit optischen Studien, die eine Vorstufe zur Erfindung der Zentralperspektive darstellen. In seinen Commentari spricht Lorenzo Ghiberti, mit Bezug auf Ambrogio, von einem „pittore altrimenti dotto che nessuno degli altri“, das heißt „pictor doctissimus“.
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des Werkes getrennt werden. Zur Verdeutlichung sei hier eine Passage aus der Einleitung zu Brandts Buch Philosophie in Bildern angeführt: „In Velázquez ‚Meninas‘ ist das obere Bilddrittel ohne Inhalte; der Betrachter vermag in diesem dunkel gehaltenen Teil nicht dieses oder jenes zu identifizieren, was für das Bild von Relevanz und Bedeutung wäre. Zur Idee des Bildes gehört jedoch die Funktion dieses leeren Bereiches für das Bildganze. Zur Bildkultur gehört die Komposition von Formen und Farben, die bildliche Darstellung und Durchdringung welthaltiger Motive und die Erzeugung einer Evidenz, die verhindert, daß sich das Bild in seine einzelnen Elemente auflöst. Es muß mehr sein als ihre tote Summe. Dieses alles beherrschende ‚Mehr‘ macht den eigentlichen künstlerischen Wert aus; es verhindert, daß das Werk übersetzbar ist in Prosastücke, aus denen es gebildet wurde. Von diesem ‚je ne sais quoi‘ schweigt die Interpretation, weil es nur von dem Werk selbst ausgehen kann. Wer das Fehlen der Interpretation anlastet, hat nicht gesehen, daß sie eben dies nicht leisten kann: Das Werk zu ersetzen“.52 Bei Albrecht Dürer finden wir einen ähnlichen Fall: Ein großer Teil des Selbstbildnisses von 1500 ist pechschwarz. Das Werk hält an sich und verweigert sich. Es zieht sich zurück in das Undurchdringbare seines Wesens, wo es nur für sich selbst sein Wesen treibt. Die Unersetzbarkeit des Kunstwerkes (aber auch des literarischen und selbst des rein philosophischen Werkes) durch Inhalte der Interpretation sollte durch die oben angeführte Auslegung deutlich geworden sein. Selbst Platon äußerte sich kritisch gegenüber dem Medium der Schrift, weil er die Möglichkeit vorhersah, Inhalte könnten von dem Werk als ganzem losgelöst werden und an Stelle seiner tradiert werden. Es besteht eine Transzendenz des lebendigen Werkes vor den isolierbaren Inhalten. Gerade in diesem ‚Je-schon-weiter-sein‘ liegt für Karl Jaspers die spezifische philosophische Chiffre des Künstlers Leonardo da Vinci.53 Ausgerechnet in der sonst als Mangel getadelten fehlenden Vollendung seiner vielfältigen Projekte – seien es Kunstwerke oder mechanische Vorrichtungen oder Traktate (in allen sei Leonardo gleichermaßen Philosoph) – sieht Jaspers die unverwechselbaren Zeichen einer heuristischen Philosophie, welche das Unmittelbare und das Sediment ständig übersteigt: „Lionardo hat in seiner Reflexion nicht mit der Klarheit jener großen Philosophen [etwa wie Platon, Augustin bis Kierkegaard] gesprochen, aber er steht mit ihnen in demselben Ringen um die 52 53
Brandt: Philosophieren, 30f. Siehe Jaspers: Lionardo als Philosoph.
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Spiritualisierung des Sinnlichen“. 54 [...] Er lebt nicht im autoritären Totalwissen, sondern im fragenden und findenden Voranschreiten“. 55 Vorwegnehmend sei die hier vertretene These über Albrecht Dürer als Philosoph in formaler Hinsicht folgendermaßen zusammengefasst: Wenn Celtis ihn „philosophus“ nennt, so tut er dies in demselben Sinne, wie Jaspers in Leonardo einen Philosophen erkennt. Dürer ist sicher fähig, Gedanken in Bilder zu übersetzen, aber jenseits davon (und somit: das einzelne Werk übersteigend) ist er ein vortrefflicher Dialogpartner in philosophischen Fragen. In der Ausführung des Philosophia-Holzschnitts argumentiert er im Bild, wie das Buch von Celtis in Worten spricht, so dass es parallel zum Gesagten läuft und eine bildliche Darstellung dessen enthält, was genauso gut, aber doch nicht in dieser Form in Worten sagbar ist.56 In seinem Selbstporträt von 1500 bezieht er sich zwar direkt auf eine erkennbare Philosophie, nämlich die Cusanische, ohne jedoch diesen oder jenen Passus direkt zu zitieren, und ist deshalb viel freier in der Gestaltung als in der Philosophia. In späterer Zeit zeigt sich Dürer durch seine Kunst als Philosoph unabhängig von der bestehenden philosophischen Literatur, wenngleich in Auseinandersetzung mit ihr und erreicht somit eine philosophische Reife, die sich bis zuletzt weiter entwickelt.
Wie Malerei Philosophie erzeugen kann. Künstler sind also de facto als Philosophen anerkannt. Sie sind Träger nicht nur von philosophischen Inhalten, sondern auch von einer philosophischen Haltung, von einer Gesinnung, welche einzelne bestimmte Thesen übersteigt. Bevor ich aber mit näheren Betrachtungen auf dieses Thema zurückkomme und dazu einige Aspekte hinzufüge, soll die Ausführbarkeit eines Denkens durch Bilder auch auf theoretischer Ebene begründet werden: Wie ist also Philosophieren durch Bilder möglich? Das Problem beinhaltet in theoretischer Hinsicht mehrere Schwierigkeiten. Thomas Leinkauf hebt hervor:
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Ebd., 17. Ebd., 23. Über die methodische Affinität zwischen den beiden sowie allgemein über die wichtige Rolle von Celtis in der Übertragung seines humanistisch geprägten Gedankenguts in die Kunst von Dürer um die Jahrhundertwende vgl. Eser: Autonomie, 255-258. Das ist im Übrigen ein Gewinn der jüngsten Dürer-Forschung, wie ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen möchte.
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„Sicherlich ist das genuine Medium des Denkens die Sprache und das Denken, das sich a fortiori als Denken selbst versteht und seine inneren Möglichkeiten reflektiert und zum Ausdruck bringt, die Philosophie, reflektiert sich eben auch in und durch Sprache“. 57 Wenn Bilder denken, dann handelt es sich in gewisser Weise um eine ‚metavbasiı eijı a[llo gevnoı‘“.58 Die Kunst stellt immer ein Individuelles vor. „Das Individuum, so wie es (an ihm selbst) ist, ist nicht denkbar. Aber: wenn ‚gemalt‘ wird, dann wird notwendigerweise Individuelles, Konkretes, Einzelnes gemalt, dann wird es eher für das Malen umgekehrt zum Problem, Allgemeines gerade nur durch NichtAllgemeines zum Ausdruck bringen zu können. […] Was das Denken denkt, kann die Malerei nicht malen, was die Malerei malt, kann das Denken nicht (wirklich) denken. Aber: wohl kann es ein wechselseitiges Befruchtungsverhältnis geben, ja es muß sogar ein Mittleres geben, in welchem sich Denken und Malen (allgemein natürlich künstlerisches Gestalten) treffen. Das Denken kann vielleicht nicht das Gemalte der Malerei denken, es kann aber möglicherweise das durch es selbst Gemalte zu einem produktiven Faktor seiner Selbstkonstitution machen; die Malerei kann vielleicht nicht das Gedachte als solches direkt ‚malen‘, aber sie kann möglicherweise die Struktur oder den in sich stimmigen, durch Denken und Theorie gesicherten Aufbau, kurz: die Konstruktivität des Denkens, sich als eigenes Organon ihrer selbst jedoch in einen anderen, materiellen Bereich hineinreichenden Tätigkeit aneignen. Denn: so, wie das Denken durch die Sprache in die raumzeitliche Welt hineinreicht, diese gleichsam berührt, ohne doch nur und ausschließlich in ihr sich zu erschöpfen, so reicht die Malerei durch den disegno und die Farben in die materielle Welt hinein, ohne doch, ihrer Intention nach, in dieser sich zu erschöpfen“.59 Leinkauf sieht die Brücke zwischen Denken und Malen im produktiven Vermögen: „Dies produktive Vermögen ist die Einbildungskraft – imaginatio – beziehungsweise die Phantasie – phantasia und ihre genuine Tätigkeitsform, die ‚fictio‘“.60 Beides, Denken und Bilden sind Weisen dieser „fictio“. Dieser Prozess entspricht jedoch einer Affektion, die gleichermaßen Denken und Malen affiziert.
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Leinkauf: Ut philosophia pictura, 45. Ebd., 46. Ebd., 47. Ebd., 49.
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Hier bietet sich zunächst die Wahl eines kurzen Weges an: Wenn Philosophie mit dem Staunen anfängt, so besitzen Bilder die Fähigkeit, ins Staunen zu versetzen und dadurch Fragen anzustoßen. Eine eingehendere Analyse dieses besonderen Moments werde ich im Kapitel zu Dürers Kupferstich Melencolia I durchführen. Man kann jedoch auch einen längeren Weg gehen: Philosophie ist filo-sofiva: Liebe zum Wissen. Des Wissens wovon? Von der Wahrheit. Wahrheit gibt es zunächst in Sätzen nach der Form „Subjekt-KopulaPrädikat“ (A ist B). Diese Wahrheit (der eine mögliche Falschheit gegenübersteht: „A ist kein B“ – „Sokrates ist kein Mensch“) hat einen Sinn, sofern sie als solche anerkannt wird. Um sie zu erkennen, muss ich aber für deren Feld bereits aufgeschlossen sein. Ein Beispiel: Ein ärztlicher Befund soll mir sagen, ob ich eine tödliche Krankheit habe oder nicht (und also festlegen, welche der beiden Aussagen „Ich bin krank“ – „Ich bin nicht krank“ der Wahrheit entspricht). Um das Ergebnis zu erfahren, muss ich dafür offen sein. Gewiss, ich kann mich aus Furcht vor dem Ergebnis verweigern bzw. versperren und vor dem Wissen verschließen. Aber verschließen und versperren kann man nur das, was schon offen steht: Ich bin immer schon offen für das Sichbekunden des Wahren. Diese Offenheit oder Aufgeschlossenheit ist eine ursprünglichere und begründende Wahrheit; denn ohne sie gäbe es keine Erkenntnis einer Übereinstimmung von Urteil und Sache (und also keine Richtigkeit überhaupt, da diese nicht nur die Sache an sich betrifft, sondern unbedingt auch die Seite des Erkennens ins Spiel setzt). Dieser ursprünglichen Dimension der Wahrheit steht aber keine mögliche Falschheit gegenüber. Um eine solche zu erhalten, brauche ich mindestens zwei Elemente (A und B, Subjekt und Prädikat, deren Verbindung verkehrt und also verfälscht sein kann). Die Aufgeschlossenheit ist eine einfache, unzertrennliche Struktur, deshalb ist sie unverfälschbar und bleibt höchstens vergessen, unbeachtet, unthematisiert, aber einmal als solche ins Visier genommen, ist sie immer wahr und kann nicht anders sein. Wenn nun die Wahrheit der Aussage (Satzwahrheit) gesagt und damit ausgesagt werden kann, wird die Offenheit eher gezeigt, und selbst die Rede, die sie nennt, soll auf ein Beispiel rekurrieren und sie in diesem Sinne zeigen. Auf der Suche nach ursprünglicher Wahrheit wählt Cusanus in seinen Schriften und Dialogen immer wieder visuelle Topoi, welche die Fähigkeit besitzen, zu zeigen. Bilder zeigen eben. Bilder sind nie falsch (‚falsch‘ kann nur ihre Verbindung zum Dargestellten oder zu einer vermeintlichen Realität sein, der gegenüber das Bild aber selbständig ist).
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Deshalb leistet das Bild eine „piktorale Begründung“,61 welche eine Art Gewissheit gibt, die durch keine logische Argumentation ersetzt werden kann. Der logische Diskurs der gesprochenen und geschriebenen Rede fasst Elemente zusammen: Subjekt, Kopula, Prädikat. Jeder Text ist eine Textur, ein Gewebe. Der griechische lovgoı stammt bekanntlich vom Verb levgein, das soviel heißt wie „sammeln“ oder „lesen“, also zusammenbinden. Das Gesammelte wird sprachlich durch Konjunktionen und andere logische Bindeglieder zusammengehalten und artikuliert. Deshalb hat Philosophie die Möglichkeit, sich als ein zusammenhängendes „System“ zu gestalten. Auch die „piktorale Begründung“ ist auf ihrer Weise systematisch, und zwar in jener ursprünglichen Art und Weise des sunivsthmi, welche Nikolaus von Kues im Idiota de mente als „coniectura“ denkt und ausgerechnet durch ein Bild erklärt:62 Eine Mutmaßung – man könnte sagen, eine „Einbildung“ –, welche durch ein con–icere, durch ein immanentes Zusammenwerfen entsteht. Bilder sind simultan gegeben, als ein Ganzes, daher auch unzertrennlich, daran sind keine Konjunktionen und Bindeglieder zu erkennen, weder „et…et“, noch „aut…aut“, noch „ist“ oder „ist nicht“. Sie schließen ein Feld auf, eröffnen, und können deshalb aufzeigen, ohne für diese Wahrheit oder für die umgekehrte mögliche Wahrheit zu plädieren. Vorwegnehmend nenne ich bereits an dieser Stelle ein eminentes Beispiel aus der Spätproduktionsphase Dürers, die schon erwähnte sog. „Bauernsäule“ von 1525. Den Holzschnitt hatte der Künstler im letzten Moment in seine Underweysung der Messung eingefügt, indem er auf ein brisantes Ereignis der damaligen deutschen Zeitlage hinwies: Das tragische Schicksal tausender aufrührerischer Menschen, die in Frankenhausen durch die Armee der Fürsten brutal abgeschlachtet wurden. Dieser Holzschnitt wurde extrem verschieden interpretiert: als Plädoyer für die Sache der Bauern und als Fürsprache für ihre Gegner.63 In diesem Fall ist es deutlich – und auch dies wurde langsam anerkannt und entspricht dem heutigen Stand der Forschung – dass weder das Eine noch das Andere der Fall ist, sondern eher die Fähigkeit des Bildes, aufzuzeigen, explizit und thematisch werden zu lassen, mit dem Finger darauf zu weisen, was sonst unbeachtet bleibt: Die Situation als Ganze, noch bevor diese oder 61 62
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So Bocken: Sehen und gesehen werden, 98. Es handelt sich um das Beispiel des Löffelschnitzers. De mente (h !V, n. 62). Dazu: Simon: Bildtheoretische Grundlagen, 67-69; rezent Schneider: Geschichte der Kunsttheorie, 157f. Ich werde mich diesem Holzschnitt näher im Kap. 9 der vorliegenden Arbeit widmen. Die verschiedenen Positionen in der Forschungsliteratur benennt der ausführliche Beitrag von Schreiber in: Schoch / Mende / Scherbaum, III, 201-205.
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jene Partei aufgegriffen wird. Das Bild hat sonach mit der ursprünglichen Wahrheit als Erschlossenheit zu tun und unterhält somit eine enge Verbindung mit der Philosophie. Es ist damit möglich, durch Bilder zu philosophieren.
Ein Spiegel des Ganzen: Rinascimento und ars nova. Die griechische Philosophie war wie ein offenes Auge gegenüber der fuvsiı, wie dies einmal Hans G. Gadamer treffend formulierte 64: ein Spiegel des Ganzen, kann man sagen. So ging es den griechischen Denkern darum, die fuvsiı widerzuspiegeln; das Bild war im Vergleich zur Wirklichkeit der fuvsiı etwas Nachträgliches. Das Mittelalter hat, kurz gesagt, Gott ins Zentrum gerückt. Das Bild als Medium des Sehens stand hinter dem Hören des Wortes zurück: „Du sollst dir kein Bild von Gott machen“, sagt nämlich das 2. Buch Mose (Ex 20,4). So darf in der christlichen Philosophie des Mittelalters keine Philosophie durch Bilder entstehen.65 Das Bild steht im Dienst des Wortes und hat höchstens die Aufgabe, das zu visualisieren, was das Wort auf vollkommenere Weise auszudrücken vermag (wie im Fall der Biblia pauperum, „rein didaktische Beispiele für illiterati, wie dies bis tief ins späte Mittelalter noch üblich war“).66 Jetzt stellt sich die Frage, weshalb philosophiert ausgerechnet die Renaissancezeit durch Bilder? Die Renaissance gilt immerhin als Epoche der Geburt – besser gesagt, der bewussten Wiedergeburt – des Individuums, wie Tzvetan Todorov sehr schön formuliert und überzeugend gezeigt hat.67 Das Individuum besitzt die Fähigkeit, abzubilden, weil es selbst ein lebendiges Abbild Gottes ist (viva imago dei und alter deus), und das steht 64 65
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Gadamer: La razionalità della storia. Online abrufbar. Seit der Spätantike (besonders ab dem 8 Jh.) erlebt man deutlich eine tiefe Spaltung zwischen der Ikonodulie-Partei und der damit verbundenen Verehrung der Bilder, Skulpturen oder Ikonen, und dem Ikonoklasmus (Bildersturm). Bocken: Sehen und gesehen werden, 99. Es bestehen allerdings Ausnahmen, welche diese allgemeine Behauptung relativieren, auf die hier jedoch nicht eingegangen werden kann. So hat die Mystik zum Beispiel eher eine komplexere und allgemein positive Beziehung zum Bild, die nicht einfach in diesem imitativen-unterstützenden Sinne verstanden werden kann. Aber auch schon früher gibt es besondere Fälle, wie etwa bei Alanus, dessen Anticlaudian oder De planctu reines Philosophieren in Bildern ist. So auch Boethius: De consolatione philosophiae, welches starke und selbständige bildhafte Elemente besitzt. Jedoch hat die Scholastik im strengen Sinne das Verhältnis von Bild und Wort ohne Weiteres in dem genannten Sinne erlebt und überliefert. Vgl. Todorov: Éloge de l’individu.
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nun auch im Zentrum der Cusanischen Philosophie. In diesem Sinne sind die Bilder kein bloßer Spiegel der vermeintlichen Realität, sondern das Werk eines Individuums, seiner schaffenden Tätigkeit. Sie tragen unverwechselbar sein Siegel, und insofern verkörpern sie eigentlich seine dignitas.68 Wie verhält sich aber die Kunst des Humanismus zur überlieferten Philosophie? Anders formuliert: Welche Philosophie ist bei den Künstlern der Frührenaissance implizit vorausgesetzt? Hier ist es wichtig, zwischen dem italienischen Rinascimento und der flämischen ars nova genauer zu unterschieden. Beide hatten, wie gesagt, mit der Darstellung des Individuums zu tun. Die Porträtkunst – die Produktion autonomer Porträts – ist bekanntlich eine Erfindung der Kunst des Quattrocento. Ihr Zweck ist, das Individuum darzustellen. Individuum heißt aber soviel wie „in-dividuum“, das Unzertrennbare . Mit diesem Wort wird eben ein Ziel genannt, ein desideratum, denn an sich ist das Individuum wohl getrennt: Das Äußere, sein So-oder-so-aussehen, und das Innere – das, was das Individuum eigentlich ist. In der Art und Weise, wie man zum Individuum selbst (an sich) gelangen kann, unterscheiden sich die Wege des Humanismus nördlich und südlich der Alpen, indem die beiden Annäherungsweisen an das Individuelle deutlich verschiedene philosophische Voraussetzungen verraten.69 Der Humanismus im Süden – d.h. der italienische – fußt auf dem (Neu)Platonismus. Mit diesem Wort meinen wir hier grundsätzlich Folgendes: Die wahre Welt ist die ideale Welt, der Ort, wo reine unvergängliche Ideen existieren. Die sinnliche, materielle Welt ist bekanntlich nur ein vergänglicher und deshalb unvollkommener Abdruck davon. Dort, wo der Künstler einen Menschen porträtiert, soll er deshalb gewissermaßen die Idee des Porträtierten hervorscheinen lassen, indem er alles Akzidentelle und alles von der Materie Bedingten wegfallen lässt. Deshalb verfährt er nach mathematischen Proportionsgesetzen (und hier hat die ganze Vitruv-Renaissance ihren Ort). Leon Battista Alberti weist darauf hin, dass die antiken Maler in einem Porträt ein körperliches Gebrechen höchstens angedeutet haben und – soweit sich dies mit der Ähnlichkeit vertrug – verbesserten (1436). Beispielhaft darf in diesem Sinne an das Porträt des Federico da Montefeltro durch Piero della Francesca (1474) erinnert werden (Abb. 11): Die Form der Nase wirkt hier eher symbolisch als naturalistisch (sie steht nämlich 68 69
Dazu Blum: Selbstbildnis des Denkers, 431-444. Absichtlich gehe ich an dieser Stelle nicht auf das sonst ja nicht weniger spannende ausgesprochen kultur-philosophische Problem ein, das Mittelalter habe nur das Allgemeine gekannt. Die Forschungsliteratur darüber und mit besonderer Rücksicht auf Jacob Burckhardts Position verlangt eine separate Studie.
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für einen animus regalis).70 Die Profilstellung ist dabei dadurch bedingt, dass der Herzog von Urbino auf der verborgenen Gesichtspartie eine auffällige Narbe hatte, die als materielle Akzidentalität keinen Platz im Gemälde haben durfte.71 Ganz anders stehen die Dinge in der Porträtkunst der flämischen ars nova. Nehmen wir z.B. Jan van Eycks Bildnis des Kanonikus van der Paele (Abb. 12): Kein Detail wird ausgelassen, alles findet Berücksichtigung bis ins Kleinste und Unbedeutendste, denn wo die Platoniker ein „wahres Wesen“ in der Idee von den Akzidenzien der Materie unterscheiden, erscheint es den Nominalisten, dass die Idee einer bloß geistigen Individualität abstrakt ist. Die Individualität tritt – eine dritte Position, die sich vom Neuplatonismus wie vom Nominalismus unterscheidet, aber mit dem letzteren einen Primat der singularitas gemeinsam hat – nach van Eyck in der Realität auf. Insofern wäre er im Universalienstreit nicht so sehr ein Nominalist, sondern eher ein Vertreter der „universalia in rebus“ (wie Thomas von Aquin oder Albert Magnus): Es gibt kein universales Wesen außerhalb des So-und-so-seins. Nur in diesem hat eben das Universale seine eigentliche Stätte des Jeweiligen. Der Weg zum Individuum geht durch die unerbittlich vielfältige Tatsächlichkeit seines Erscheinens. Der Hintergrund ist hier ebenfalls in einer bestimmten philosophischen Weltanschauung zu finden, dem sogenannten „Nominalismusstreit“. Die nominalistische Position wurde bekanntlich im England des 14. Jhs. durch Wilhelm von Ockham vertreten, der im Universalienstreit eine extreme Position gegen die Existenz derselben einnimmt. Und von England verbreitete sich diese Lehre dank der regen wirtschaftlichen Verbindung zu den flämischen Hafenstädten. Den stark realitätsbezogenen Kaufleuten von Brugge, Gent oder Antwerpen sollte diese Lehre am besten gefallen. Der einzige Weg, die Wirklichkeit zu erkennen, ist also die Erfahrung, gepaart mit der geduldigen und gewissenhaften Erkundung der Beschaffenheit der Dinge, sodass dieselbe Tugend in der Kartographie wie auch in der Malerei am Werk ist.
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Vgl. Warnke: Individuality, 81-90, im Spezifischen 83; ferner Roeck / Tönnesmann: Die Nase Italiens, 12f. Ein weiteres Beispiel darf hier der starken platonischen Prägung des italienischen Individuums versichern. Giorgio Vasari spricht in seinen Vite über Antonio del Ceraiuolo, einen Schüler von Lorenzo di Credi, welcher einige Köpfe malte, „mit einer schiefen Nase, einer zu kurzen Lippe und anderen solchen Verzeichnungen“. Vasari räumt zwar ein, sie ähnelten doch den jeweiligen Porträtierten. Aber erlesene Kunstwerke – fügt er lehrreich hinzu – „somigliano e sono anco belli“, sind ähnlich und zugleich auch noch schön; denn Schönheit ist idealer Zweck der Kunst.
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Der Unterschied zum Nominalismus eines Ockham besteht bei van Eyck darin: Das Geistige ist bei ihm kein einfacher flatus vocis. Seine gemalte Realität ist eben der Ort der Epiphanie des Geistigen in der Welt. Für den italienischen Humanismus bedeutet ‚Individuum‘ die Organisation eines Universalen um ein gegebenes Zentrum. Für den nördlich-flämischen Humanismus bedeutet dagegen ‚Individuum‘ das Hervorbrechen eines So-seins aus dem Ganzen und somit die Selbstbehauptung des Besonderen, um das Universale als Individuelles zur Erscheinung zu bringen. Aus dieser Fixierung des Unterschieds erklärt sich ein weiterer und für uns entscheidender Charakter des Bildes wiederum in einer grundsätzlichen Differenzierung beider Modelle des Humanismus des Südens und des Nordens.72 Die italienische Perspektive ist bekanntlich der Angel, um den sich die Entdeckungen des südlichen Humanismus drehen. Es geht etwa bei Piero della Francesca wie bei Alberti und anderen um die geometrische Perspektive, wobei das Auge des Betrachters wie ein Zentrum zu verstehen ist, von dem aus Linien auseinandergehen, die eine Pyramide bilden, deren Basis innerhalb des Bildes steht, so dass das Bild wie ein organisiertes Universales wirkt. Bei van Eyck und van der Weyden erfahren wir den Blick des Porträtierten aus dem Bild, und somit die Umkehrung jener Pyramide, die jetzt ihre Spitze innerhalb des Gemäldes hat, indem aus diesem polarisierenden Zentrum Linien wie von einer Pyramide in die Realität auseinandergehen, so dass sich hier ein Besonderes durchsetzt und hervorbricht und die ganze Welt hin zu seinem besonderen Wesen zieht. In diesem Sinne ist eine Passage des Kunsthistorikers Gerhard Wolf zu verstehen: „Albertis Betrachter werfen gleichsam einen Blick aus dem Fenster, d.h. in das Bild, bei van Eycks Porträts hingegen fällt der Blick aus dem Bild in die Betrachterwirklichkeit, die hier also ebenso ein Draußen bedeuten könnte“.73
Die „viva imago“: gemalte Theorie der Malerei als Suche nach der Wahrheit. Es ist angebracht, bei Cusanus wie bei van Eyck die Versöhnung der beiden Stränge des Humanismus, des Platonismus und des Ockamismus zu sehen.74 Die letzte deutliche Folge dieser (philosophischen) Synthese, die 72
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Siehe Riedenauer: Spielraum, 351-379; ders.: Perspektive. Malerische Nachahmung, 129-143; allgemein dazu siehe die Problematisierung von Damisch: Der Ursprung der Perspektive. Wolf: Jenseits des Flusses, 22. Kremer: Erkennen bei Nikolaus von Kues, 23-57.
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sonst bereits bei Rogier van der Weyden anzutreffen ist, sehe ich bei Albrecht Dürer und insbesondere in seinem Selbstbildnis von 1500 vorliegen. Tatsache ist ja, dass Cusanus seinerseits in enger Verbindung mit der Kunst seiner Zeit argumentiert. Die Synthese der beiden genannten Pyramiden denkt er auf theoretischer Ebene mit der sogenannten figura paradigmatica oder figura P zusammen, welche er zum Schlüssel und zur Entzifferung verschiedener Phänomene verwendet und innerhalb eines Kapitels von De coniecturis einführt, das den Titel De unitate et alteritate trägt (siehe Schema).
„Unter den menschlichen Werken habe ich aber kein Bild gefunden, das unserem Vorhaben angemessener ist als das Bild eines AllesSehenden, dessen Angesicht durch feinste Malkunst den Eindruck erweckt, als ob es gleichsam alles ringsum betrachte […] wie in Brüssel das des hervorragenden Malers Rogier auf einem sehr kostbaren Gemälde im Rathaus. […] so schicke ich doch eurer Liebe […] ein kleines Tafelgemälde, das ich erhalten konnte. Es enthält die Darstellung eines Alles-Sehenden; ich nenne sie Ikone Gottes (eiconam Dei). Befestigt diese irgendwo, etwa an der nördlichen Wand. Ihr, Brüder, stellt euch um die Ikone herum, nicht weit von ihr entfernt, und schaut sie an! Und jeder von euch wird, von welcher Stelle er sie auch besieht, die Erfahrung machen, als werde er allein von ihr angeschaut“.75 Diese figura cuncta videns, wie sie Cusanus beschreibt, indem er explizit Rogier van der Weyden erwähnt, besitzt die Fähigkeit, die (italienische) Betrachterperspektive umzukehren, und auf deren Pyramide mit einer entgegengesetzten rückschauenden Sehpyramide im Sinne der figura paradigmatica zu antworten. Anders formuliert und kurz gefasst: Bei Alberti (und damit ist allgemein die italienische Auffassung der Renaissance getroffen) sitzt 75
De vis. Dei, praefatio (h VI, n. 2-3).
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der Gipfelpunkt der Perspektive im menschlichen Auge, und von dort aus erstrahlen die Fluchtlinien der Perspektive bis in das Bild hinein. Bei Cusanus dagegen hat die Pyramide in Gott ihren Ursprung und in der Welt ihre Ausbreitung und Erstreckung (geometrisch gesprochen: ihre Basis), und das in Eintracht mit der grundsätzlichen Lehre von complicatio und explicatio.76 Auf diese Weise bekommt das Bild die unerhörte Fähigkeit, den Betrachter zu „duzen“ und sich damit von der Objektivierung des „Ist“Sagens zu entfernen.77 Indem das Bild ein Verhältnis mit dem Betrachter zustande bringt,78 verwandelt es sich von einem toten zu einem lebendigen Bild und vereinigt die universale Sehpyramide des südlichen Humanismus mit der faktischen Perspektive des Ockamismus.79 Im Dialog Idiota de mente gibt uns Cusanus wiederum ein Bild dessen, was er unter „viva imago“ im Gegensatz zu einer „imago mortua“ versteht. Diese ist „das leblose, akademisch-imitativ perfekte Abbild eines Vorgegebenen“. 80 Ein totes Bild ist eines, das die Wirklichkeit naturgetreu und fast fotografisch wiedergibt, als ob es die Wirklichkeit selbst darstelle. „Ein lebendiges Bild [dagegen] ist in der Lage, das Verhältnis zwischen Bild, Maler und Betrachter bildhaft darzustellen. Wie dieses genau geschehen soll, lässt Cusanus offen. Es ist Aufgabe des Malers, es zu tun, und es können diesbezüglich keine festen Gesetze formuliert werden“.81 Das lebendige Bild antwortet übrigens auf die philosophische Frage nach dem Wesen des Menschen, eine Frage, die von der Wahrheitsfrage nicht wegzudenken ist, sofern die Wahrheit eine solche für den Menschen ist, und also mit dessen Wesen eng verknüpft ist. „Unser Geist ist von der Schöpfungskraft so erschaffen, als hätte diese Kunst sich selbst schaffen wollen, und es wäre, weil die unendliche Kunst nicht vervielfältigt werden kann, ihr Abbild entstanden; einem Maler ähnlich, der sich selbst abbilden will. Weil dieser auch nicht vervielfältigt werden kann, entsteht, während er sich selbst malt, sein Bild. Ein Abbild aber, das nicht vollkommener und dem Urbild ähnlicher sein kann, ist – wie vollkommen es auch sein mag – niemals so vollkommen, wie irgendein unvollkommenes Bild, das die Fähigkeit hat, sich ohne Begrenzung immer mehr und mehr dem 76 77 78 79 80 81
Vgl. Cuozzo: Bild, visio und Perspektive, 177-196. Eine Vorwegnahme des dialogischen Denkens eines Ferdinand Ebners und eines Martin Bubers darf ebenfalls vermutet werden. Vgl. Stoellger: Das Bild als unbewegter Beweger?, 183-222, insbes. 190-203. Siehe Belting: Florenz und Bagdad, 180-189 und 240-246. Leinkauf: Ut philosophia pictura, 53. Bocken: (Nicht-)Sein, 54.
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unerreichbaren Urbild gleichzuformen. Darin ahmt es, soweit es dies nach der Weise des Bildes vermag, die Unendlichkeit nach. Genauso wäre es, wenn ein Maler zwei Bilder machte: eines wäre ihm in Wirklichkeit ähnlicher, wirkte aber tot; das andere, weniger ähnliche, aber lebendig, und zwar dergestalt, daß es sich, durch seinen Gegenstand zur Bewegung angeregt, diesem immer ähnlicher gestalten könnte. Niemand würde zweifeln, daß das zweite vollkommener sei, weil es die Kunst des Malers mehr nachahmt“.82 Die viva imago ist die Wendung, mit der Cusanus sozusagen „das Paradigma der dignitas hominis“ 83 innerhalb seines begrifflichen Instrumentariums übersetzt. Damit meint er die eigentümliche Beweglichkeit des menschlichen Lebens, die spezifische kivnhsiı, die es kennzeichnet, im Unterschied zu den sonst bewegten Dingen, die sich höchstens nur mechanisch bewegen und mit ihrer Veränderung das Leben nur tot nachahmen. Dort, wo der Maler mit seiner Tätigkeit die Natur nachahmt, ist sein Vollziehen voller Würde, die es nicht und nie mit einem natürlichen Vorgang verwechseln lässt, und gerade diese Würde sollte am Besten in dem Bild als Endprodukt des menschlichen Vermögens beibehalten bleiben.84 82
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De mente c. 13 (h 2V, n. 148-149): „Unde mens est creata ab arte creatrice, quasi ars illa se ipsam creare vellet et, quia immultiplicabilis est infinita ars, quod tunc eius surgat imago, sicut si pictor se ipsum depingere vellet et, quia ipse non est multiplicabilis, tunc se depingendo orietur eius imago. Et quia imago numquam quantumcumque perfecta, si perfectior et conformior esse nequit exemplari, adeo perfecta est sicut quaecumque imperfecta imago, quae potentiam habet se semper plus et plus sine limitatione inaccessibili exemplari conformandi in hoc enim infinitatem imaginis modo quo potest imitatur, quasi si pictor duas imagines faceret, quarum una mortua videretur actu sibi similior, alia autem minus similis viva, scilicet talis, quae se ipsam ex obiecto eius ad motum incitata conformiorem semper facere posset, nemo haesitat secundam perfectiorem quasi artem pictoris magis imitantem sic omnis mens, etiam et nostra, quamvis infra omnes sit creata, a deo habet, ut modo quo potest sit artis infinitae perfecta et viva imago“. Vgl. Leinkauf: Ut philosophia pictura, Anm. 18. Leinkauf: Nicolaus Cusanus. Eine Einführung, 208. „Daß Cusanus Ausdrücke verwenden oder gar bilden kann, die in der Geisttheorie eindeutig ein operatives, nicht ausschließlich theoretisch-reflexives (obgleich von diesem nicht zu trennendes) Moment als Wesensmerkmal festschreiben – etwa im Ausdruck ‚mens fabricatrix‘, kann als Bestätigung der hier diskutierten These von der Bedeutung des Ternares posse, virtus, operatio dienen. Wenn im Paragone von Malerei und Skulptur, der einen großen Teil der Kunstdebatte des 16. Jahrhunderts beherrscht, von Beginn an und d. h. von Leonardos Äußerungen an, die Kriterien ‚Vermögen‘ (virtù) ‚geistige Arbeit/ Mühe‘ (fatica di mente), ‚geistige Erfindungskraft‘ ( ingegno), ‚Verstehen‘ ( intendere, conoscere) ‚Universalität des Darstellungsbereiches‘ (rappresentare tutte le cose) herausgestellt werden, dann steht die Vorstellung einer mentalen Durchdringung der künstlerischen Tätigkeit als Forderung im Raum, die dieses Tätigsein als genuin hervorbringendes, schöpferisches, flexibles Tun im Sinne der Topoi vom deus artifex einerseits und vom Menschen als alter deus andererseits begreifen will. Von
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Dabei liefert Cusanus eine Überlegung zur schöpferischen Kraft des kreativen Bildens, welche dieselbe ist wie die des kreativen Denkens, und dadurch bekräftigt er noch einmal die Möglichkeit eines Denkens durch Bilder.85 Die Cusanische Lehre darf also in dem engen Dialog zwischen Jan van Eyck und Rogier van der Weyden in Bezug auf den Blick aus dem Bilde gesehen werden.86 Ich möchte hier abschließend auch auf den Dialog hinweisen, den Rogier durch seinen malenden Lukas zugleich mit Jan van Eyck führt, aber auch, wie ich glaube, mit der Überlieferung des italienischen Humanismus, indem er, die Lehre des Cusanus vorwegnehmend, eine gemalte Theorie der Malerei als Denkform und als Suche nach der Wahrheit entwickelt. Jan van Eyck hatte ca. 1435 die sog. Madonna des Kanzlers Rolin ausgeführt (Abb. 8). Der burgundische Kanzler Nicolas Rolin sitzt in einem hochgelegenen palastähnlichen Innenraum vor der thronenden Madonna mit Kind. Drei Arkaden lassen den Blick frei auf einen Garten, der durch eine zinngekrönte Mauer abgeschlossen wird. An dieser Mauer stehen zwei Betrachterfiguren. Diese werden durch ihre zentrale Position auf der Bildfläche valorisiert. Zudem führt die Linie gemusterter Fliesen, welche Rolin von der Madonna und dem Christkind trennt, zu denselben Figuren hin. Als Rückenfiguren wiederholen sie die Haltung des Betrachters vor dem Bild, und da sie zunächst den Eindruck erwecken, als ob sie die Landschaft, die gewissermaßen ein Bild im Bild ist, betrachten würden, leiten sie den Blick des Betrachters in diese über. Die linke Figur beugt sich zwischen zwei Zinnen weit vor, als ob sie das, was in der Tiefe liegt, erspähen möchte. Der Betrachter erfährt nicht, was die Figur sieht. Doch bietet sich die Vorstellung an, dass sie an der Figur, die vor einer Zinne steht und folglich nicht in die Tiefe schauen kann, erzählt, was sie sieht. Da der Betrachter vor dem Bild wie die Figur vor der Zinne nicht sieht, was unterhalb der Mauer liegt, bietet sich die Identifikation mit dieser Figur an.
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Cusanus aus gesehen ist jede hervorbringende Tätigkeit, selbst die des einfachen Löffelschnitzers, als eine solche in sich reflexiv, auf das Ergon einer Sache und dadurch auf das ideale Sein, das der hergestellte Gegenstand nur singulär-kontrakt instantiiert, konzentrierte Tätigkeit zu begreifen. In jeder dieser Tätigkeiten (actiones, operationes), die insgesamt den mundus humanus gestalten und zu einer eigenen Welt neben der göttlichen und der physischen Welt machen, realisiert sich ein über unterschiedliche Vermögen (virtutes) vermitteltes Grundpotential, ein posse – in diesem Fall das posse humanum oder die potentia hominis“: so hat sich in einem rezenten Beitrag Leinkauf geäußert: Renovatio und unitas, 102f. Vgl. Kandler: Bilder und Gleichnisse, 9-27. In Bezug auf diesen Punkt möchte ich mich gerne auf einige Ideen beziehen von Herold: Bild der Wahrheit, 71-98; ferner ders.: Dialogisches Denken, 103-124.
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Das Problem dieses Bildes im Ganzen ist das Problem der Wahrheit. Der Kanzler Rolin kniet vor der Mutter Gottes. Er sieht sie, und wir, die Betrachter, sehen die Szene. Was ist hier „wahr“? Was heißt hier, dass er die Madonna wahr-nimmt, dass wir das Bild wahr-nehmen? Sieht er mit dem inneren Auge des Glaubens?87 Sehen wir kraft der frommen Augen des Malers? Oder soll uns die detaillierte Ausführung uns davon überzeugen, dass sich die ganze Szene irgendwie so abgespielt hat, wie sie hier geschildert ist?88 Die Antwort auf diese Fragen wird möglicherweise durch die beiden Figuren im Hintergrund gegeben. Wer nicht direkt sehen kann, der ist auf Nachrichten angewiesen. Wir haben diese Szene nicht sehen können – wie auch die rechte kleine Figur nicht unvermittelt sieht – und müssen uns mit der Schilderung des Malers begnügen. Wohlbemerkt gibt es aber für die Szene im Vordergrund eine weitere wichtige Implikation. Inwiefern kann Rolin die heilige Szene betrachten? Er sieht nur dadurch, dass das segnende Jesuskind ihn ansieht, und gerade durch solches Erwidern des Blickes sich anerkennen lässt. Das ist das Argument des Cusanus in seiner Abhandlung De visione Dei: „Was anderes ist Dein Sehen, Herr, wenn Du mich mit liebenden Augen betrachtest, als daß ich sehe: indem Du mich ansiehst, läßt Du, der verborgene Gott, Dich von mir erblicken. Jeder vermag Dich nur soweit zu sehen, als daß Du es ihm gewährst. Nichts anderes ist es Dich zu sehen, als daß Du den Dich sehenden ansiehst […] niemals schließt Du Deine Augen, niemals wendest Du Dich ab“.89 Der Betrachter kann jetzt nicht sehen, was unter der Brücke passiert. Er ist wie die Figur vor der Zinne. Er konnte die Szene im Vordergrund nicht direkt erleben. Der Maler kann sie ihm aber zeigen. Wer nicht sehen kann, der muss letzten Endes glauben. Das scheint die Antwort van Eycks zu sein.90 Damit haben wir eine Brücke zwischen uns und dem Geglaubten. Diese Brücke verbindet tatsächlich im Hintergrund der Rolin-Madonna den betenden Menschen mit der Dimension des Heiligen. Der Maler bürgt dafür, dass diese Brücke auch hält. 87 88 89 90
Rezent Schwaetzer: Epiphanie, 42-44 und 138ff. Rein historisch wäre das freilich nicht möglich, da Lukas erst den erwachsenen Christus und kein Christuskind gekannt haben kann. De vis. Dei c. 5 (h VI, n. 10); vgl. Kruse: Rogiers Replik, 170. Sie klingt ähnlich wie die Hugo van der Goes’ in seinem Gemälde: Anbetung der Hirten, ca. 1480, Berlin, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, wobei die beiden Propheten im Vordergrund stehen bleiben, so dass sie die Geburt Christi hinter ihnen nicht sehen können, und doch gerade darauf die Szene eröffnen, indem sie den grünen Vorhang zur Seite schieben. Analog dazu – das ist die Bedeutung dieser Figuren – sollen wir jetzt, die wir nicht sehen, erst einmal glauben.
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Van der Weyden eröffnet nun 1435 einen Dialog mit dem RolinGemälde van Eycks, und zwar auf ähnlicher Weise wie damals Apelles einen malerischen Dialog mit Protogenes hielt. „Jeder Kenner der frühniederländischen Malerei, der das Lukasbild sieht, blendet in Gedanken fast automatisch die Rolin-Madonna ein“ und „man muss davon ausgehen, dass dies beabsichtigt ist“.91 Hier wird das Thema der Malerei über die Malerei dadurch noch deutlicher angesprochen, dass der malende Hl. Lukas vor Mutter und Kind tritt und das Wesentliche auf das Blatt zeichnend fixiert. Der Betrachter steht immerhin vor der Darstellung einer Darstellung.92 In der Legende, die in den Apokryphen ihre Geburtsstunde hat, geht es um einen Erweis der Ähnlichkeit von Urbild und Abbild, den der Herstellungsvorgang, das acheiropoieton anbietet, also das, was nicht durch menschliche Hände gemacht wurde, sondern vom Heiligen selbst, wie etwa die vera icon oder das sog. Mandylion.93 Zum anderen sollte das Bild Wunder bewirken, und dies konnte es nur kraft seines himmlischen Ursprungs.94 Aber der Dialog van der Weydens mit van Eyck erreicht in den beiden Figuren im Hintergrund seinen Höhepunkt. Auch hier dienen die beiden zur argumentativen Pointe des Gemäldes, das das Malen selbst zum Thema hat. Aus dem in den Wasserspiegel blickenden Mann ist ja eine Frau geworden, die allerdings nicht nach unten schaut, sondern zum Horizont. Der Mann neigt sich zur Frau, schaut in die gleiche Richtung wie sie und weist mit dem linken Arm auf etwas in der Ferne. Das hier ist die gemalte Antwort des Rogiers auf das Problem der Wahrheit, das Jan van Eyck gestellt und auf seine Weise beantwortet hatte. Die Wahrheit ist vordergründig Übereinstimmung von Sache und Urteil, von Urbild und Abbild. Aber das, was Wahr-nehmung ermöglicht, das ist ein Zeigen, ein Offenbarmachen (und in diesem Sinne bekommt die Theorie einen Sinn, die eine starke Ähnlichkeit dieser Szene mit einer „Verkündigung“ sieht und die Position des malenden Lukas als durchaus vergleichbar mit der gewöhnlichen Pose eines Gabriels anerkennt). Das Feld der Aufgeschlossenheit geht dem der Richtigkeit voraus: In dieser knappen Formel liegt für mich die gemalte Antwort auf das Problem
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Kruse: Rogiers Replik, 168. Filippi: Umanesimo, 135f. Filippi: San Luca dipinge, 105f. Eine kurze aber solide Zusammenfassung der verschiedenen damit verbundenen Argumente bietet der Aufsatz von Sander: Gott als Künstler, 70-81.
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der Kunst als Richtigkeit des demonstrare oder als Offenbarmachen des monstrare,95 das durch Jan van Eyck aufgeworfen wurde. Lukas zeichnet die Madonna richtig, weil er als Heiliger dafür aufgeschlossen ist – sozusagen „Augen dafür hat“. Das Heilige liegt nicht etwa in einer völlig unerfahrbaren Dimension beschlossen. Man braucht nur eigens darauf hingewiesen zu werden. Es handelt sich übrigens durch und durch um eine Cusanische Antwort. Das Thema veritas bei Nikolaus von Kues verlangt freilich eine eingehende Behandlung.96 Diese kann jedenfalls den Grundstein des Cusanischen Denkens im ersten Teil vom De docta ignorantia nicht umgehen, und es wird eher zu fragen sein, inwiefern sich sein Denken von diesem Punkt aus in Bezug auf das Problem der Wahrheit im Laufe der Jahrzehnte entwickelte, wie Kurt Flasch suggeriert und jüngst Isabelle Mandrella gründlich untersucht hat.97 In seinem Hauptwerk spricht Nikolaus von der „vollen Wahrheit“ (praecisa veritas). Diese ist unergründbar und unerforschbar, da alles, was wir per Übereinstimmung (aequalitas) kennen, endlich ist und Unendliches voraussetzt, im Sinne einer unendlichen mensura. Cusanus unterscheidet eine „Wahrheit der Dinge“ (rerum veritas) und die „Wahrheit als solche“. Jene besteht im Mehr-oder-Weniger; diese aber nicht: „Veritas enim non est nec plus nec minus in quodam indivisibili consistens“.98 Die Wahrheit besteht also in einem Unteilbaren, d.h. in einem Einfachen, das nicht so sehr ausgesagt, als eher durch ein Bild gezeigt werden kann. Und das Bild folgt im Text sogleich: Der Geist verhält sich zur Wahrheit wie das Vieleck zum Kreis. Ein solches Bild hat jeder zwar jederzeit zur Verfügung, nur braucht es einen Fingerzeig, um darauf zu achten. Nur dadurch ist es möglich, sich „ex signo ad veritatem“ zu erheben.99 In diesem Sinne beantwortet van der Weyden die Wahrheitsfrage, indem er durch das Bild dank eines Fingerzeigs die Eröffnung des Horizonts bedeutet, in dem Wahrheit im gewöhnlichen Sinne begegnen kann. Es erscheint mir einleuchtend, wie eben an dieser Stelle die Rede des Nikolaus von Kues über das Bild als Maß für die Wahrheit – worauf sich 95
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Im Sinne von Augustinus würde man von einer „ostentatio“ sprechen. Darauf hat mich Thomas Leinkauf aufmerksam gemacht. Es wäre freilich interessant, dieser Spur an anderer Stelle einmal ausführlicher nachzugehen. Vgl. Dupré: Weg und Wege; Thurner: Gott als das offenbare Geheimnis; Borsche: Was etwas ist; Herold: Menschliche Perspektive und Wahrheit; Zeyer: Sehen und Laufen, 237-249. Mandrella: Viva imago. De docta ign. I c. 3 (h I, n. 10). Ebd., c. 10 (h I, n. 29).
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seine Kommentatoren am Ende des Jahrhunderts vielfach beriefen – zu einem unumgänglichen Maßstab wird. In De beryllo steht nun fest: „Hieraus mißt er [= der Mensch] seine Vernunft durch die Kraft seiner Werke, und daraus mißt er die göttliche Vernunft, wie die Wahrheit durch ihr Bild gemessen wird. Und das ist die Wissenschaft, die sich des Rätselbildes bedient. Er hat aber einen sehr scharfen Blick, mit dem er sieht, daß das Rätselbild ein Rätselbild der Wahrheit ist; so daß er weiß, daß dies die Wahrheit ist, die nicht in irgendeinem Rätselbild darstellbar ist“.100 Es ist ferner interessant, zu bemerken, wie diese Passage direkt einem Hinweis des Hermes Trismegistus folgt, der – es sind wieder Worte des Cusanus – „sagt, der Mensch sei ein zweiter Gott. Denn wie Gott Schöpfer der realen Seienden und der natürlichen Formen ist, […] hat der Mensch die Vernunft, die im Erschaffen Ähnlichkeit der göttlichen Vernunft ist“.101 Dürers Wahrheitsbegriff ist – abgesehen von seiner Philosophie in Bildern – aus spärlichen Zitaten aus seinem schriftlichen Nachlass zu gewinnen. Er schreibt z.B.: „je genewer man der natür vnd dem lewen mit abmachen noch kumt, je pesser vnd künstlicher dein werck würt“.102 Dabei ist zu beachten, dass es ihm nicht in erster Linie um die Richtigkeit der Darstellung geht. Das Wort „genau“ meint zu seiner Zeit noch nicht die Exaktheit, sondern eher die „Nähe“ und die Annäherung: sich nahen.103 Die Dürersche Wendung „abmachen“ bedeutet etwas anderes als „nachbilden“ nach Art einer pünktlich richtigen Verdoppelung der Sache. Darin klingt auch das Abmachen in der Bedeutung des Vereinbarens und der „concordantia“ an, das heißt ‚dieselbe Stimmung teilen‘. In diesem Sinne geht es um einen Verlauf, der eine gewisse Nähe und Intimität entstehen lässt. Es ist dasselbe, was Heinrich Wölfflin beim Betrachter des Rasenstücks empfand: „das Gefühl des lebendigen Zusammenstehens und Sichberührens in einem solchen Stück Natur“.104 Das entspricht wiederum der Bedeutung des Wortes „Leben“: „Aber daz Leben in der Natur gibt zu erkennen die Wahrheyt dieser Ding“.105
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De beryllo (h 2XI/I, n. 7). Ebd. Dürer / Rupprich, III, 1969, 279. Grimms Wörterbuch, ad vocem. In Bezug auf die Lemmata „Genau“ und „Nah“: „Beide gehen zurück auf eine ältere stammform nâhw, vertreten in goth. nêhva
adv. nahe, nêhvjan sik sich nahen“. 104 105
Wölfflin: Die Kunst der Renaissance, 214. Dürer / Rupprich, III, 1969, 295. Darüber Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, 213; sowie Hilberer: Iconic World, 26-31, insbes. 28.
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Die Wahrheit steckt in den Dingen selbst. Sie ist insofern kein Charakter des Satzes als wahr oder falsch. Um Wahrheit zu erkennen, muss man sich dem Leben nähern, mit dem Lebendigen auf lebendiger Weise Vertrauen gewinnen. Wahrheit – kann man so auffassen – bedeutet das Lebendige auf lebendige Weise (und so wiederum im Lebe) verwahren. Es ist von daher sichtbar, wie die größte Wahrheit für Dürer die imitatio Christi sein soll, nämlich das Vertrautwerden mit ihm im Zuge einer stetigen Annäherung, was dem Cusanischen Begriff der docta ignorantia weitgehend entspricht. „Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie“: So schrieb der Künstler 1528 in seinen Traktat Vier Bücher[n] von menschlicher Proportion. Dürers Ausspruch fasst den hohen Anspruch an sein Werk zusammen: Das Zeichnen bzw. das Malen ist ein Mittel, das Gesehene festzuhalten, und zugleich ein Weg, die Wahrhaftigkeit der Natur zu erkennen: Wahrheit als Verwahrung des Einfachen! Hier offenbaren sich das Selbstverständnis des Renaissance-Künstlers und die neue Auffassung der Kunst. Der Künstler wird zum Mittler der Wahrheit und das Bild ist nicht mehr Abbild sondern Erkenntnisbild. Die Begründung dieser Aussage, dass die Kunst bereits in der Natur stecke, leitet sich aus seinem Kunstverständnis her, das „Kunst“ sowohl als vorgegebene Ausformung göttlichen Geistes als auch als gott-inspirierten Nachvollzug durch den Menschen begreift. Das bedeutet, dass trotz aller ‚lernnung‘ 106 und allen Fleißes, die immer zu pflegen sind, „ohne Begabung [...] kein künstlerisches Schaffen und Bilden möglich sei.“ 107 Er war schließlich von der Kunst als eine Gottesgabe fest überzeugt.108 Dementsprechend versteht er den Menschen „als willensfreis Wesen, als eigener Schöpfer, der mit Hilfe seiner recht genutzten Gaben sich immer mehr der göttlichen Weisheit angleichen will“.109
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Albrecht Dürer: Entwurf für ein Lehrbuch der Malerei (ca. 1513). Nach Dürer / Rupprich, II, 1966, 107. Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, 214. Vgl. Fricke: ‚Artifex ingreditur in artificium suum‘, 183-206. Schuster: Bild gegen Wort, 40.
2. Nürnberg um 1500. Philosophische Einflüsse auf den Dürerkreis In diesem Kapitel geht es darum, mit Blick auf Dürer einige wesentliche der vielverzweigten Rezeptionsstränge der Scholastik, der in Venedig gedruckten Werke nicht nur von Platon und Aristoteles, sondern auch von anderen Autoren, wie etwa Marsilio Ficino (Figline Valdarno 1433 - Careggi 1499),1 Giovanni Francesco Pico della Mirandola (Mirandola 1469 - 16. Oktober 1533 ebenda),2 vor allem aber die Rezeption des Cusanischen Denkens nachzuzeichnen.3 Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Familie Pirckheimer zu. Frühestens seit dem Tod von Willibalds Onkel Thomas 4 im Jahre 1473 1 2
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In erster Linie als eine Einführung verweise ich hier auf die informativ-grundlegende Arbeit von Blum: Marsilio Ficino in Mitteleuropa. Doch mehr dazu später. Gianfrancesco (Giovan Francesco, Giovanni Francesco) war Neffe und Schüler von Giovanni Pico della Mirandola, dem Autor der Abhandlung De hominis dignitate, deren editio princeps durch Gianfrancesco in Druck kam. Er war selbst ein ausgewiesener Philosoph und Humanist, Schüler von Aldus Manutius und mit Willibald Pirckheimer so wie anderen deutschen Humanisten befreundet, mit denen er im regen Briefwechsel stand. Picos Konzept für eine De reformandis moribus oratio durfte Pirckheimer gemeinsam mit ihm in Innsbruck 1514 lesen und kommentieren. Vgl.: Willibald Pirckheimers Briefwechsel, II, 565. Gianfrancesco und Pirckheimer hielten einen lebenslangen Kontakt. Siehe Willibald Pirckheimers Briefwechsel, IV; ferner: Cao: „Pico della Mirandola goes to Germany“, 463-526. Was die Kernelemente Gianfrancesco Picos Lehre angeht, siehe Schmitt: Gianfrancesco Pico della Mirandola (1469-1533) and his critique. Meier-Oeser: Die Präsenz des Vergessenen, 618ff. und 624f. An erster Stelle ist hier die Arbeit von Georg Strack zu zitieren und auf sie aufmerksam zu machen: Thomas Pirckheimer (1418-1473). In dieser Studie, einer 2008 an der Universität München abgeschlossenen Dissertation, wird der Nürnberger Kirchenjurist Thomas Pirckheimer, Willibalds Onkel also, als typischer Vertreter einer neuen Gelehrtenschicht vorgestellt, die auf der Grundlage einer in Italien erworbenen akademischen Bildung im 15. Jahrhundert als „gelehrte Räte“ an den Schaltstellen der deutschen Fürstentümer und Städte deren Schicksale wesentlich mitbestimmten. Da Pirckheimer auch zu den frühesten Vertretern des deutschen Frühhumanismus gehörte, bietet Stracks Forschungsarbeit auch Aufschlüsse über die sozialhistorische Bedeutung dieses neuen Gelehrtentypus für den im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Bildungs- und Kulturtransfer von Italien nach Deutschland. Ein außerordentlich reiches Quellenmaterial wird zur Verfügung gestellt, zunächst in zwei biografischen Kapiteln: „Familie und Studium“ (21-53), in denen deutlich wird, dass eine Neuprägung der Interessen bereits bei Thomas’ Vater Franz Pirckheimer einsetzt und bei dessen Sohn vollends durchschlägt, der sich nicht nur damit begnügte, in zwei akademischen Zentren Deutschlands zu studieren, sondern in Padua, Perugia und Pavia (1441-1447) Kurse belegte. Zur Durchsetzung der ihm aufgetragenen
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Zweites Kapitel
waren bereits in ihrem Besitz sowohl Briefe des großen Moselaners als auch Predigten, darunter Sermo CCLI (Nos revelata facie), der die Beziehung des Bildes zu seinem Urbild durch die schöpferische Tätigkeit von Gott als Porträtmaler definiert,5 so wie auch ein Exemplar der Schrift De visione Dei. Weiteres Material befand sich bei Ulrich Pinder,6 bei Conrad Celtis, 7 und beim Abt Johannes Trithemius (1462-1516).8 Dieser letzte „schätzte Nikolaus von Cues besonders hoch und nahm ihn sich zum Vorbild“.9
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Anliegen nutzte Pirckheimer bereits zu Beginn seiner Ratskarriere ein Netz aus Klientelverbindungen, das er teils durch Familienbeziehungen, teils beim Studium in Italien geknüpft hatte und das ihn bereits in den 1450er-Jahren zu den höchsten kirchenpolitischen Schaltstellen an der Kurie führte, etwa zu den Kardinälen Nikolaus von Kues, Juan de Carvajal und Enea Silvio Piccolomini (seit 1458 Papst Pius II.). Dem Thema „Thomas Pirckheimer und der Frühe Humanismus“ nähert sich Strack gegen Ende seiner Studie in einem eigenen Kapitel (188-260), das meine Forschung befruchtet hat. Er geht dabei aus von der humanistischen Sammelhandschrift London, British Library, Cod. Arundel 138. Strack zieht für eine Einschätzung der Bedeutung dieser Textsammlung für die humanistische Prägung Pirckheimers nicht nur die einschlägigen Verfasserkreise heran (u.a. Cicero, Guarino Veronese, Leonardo Bruni), sondern analysiert auch die oratorische Praxis, für die Pirckheimer in den Schriften seiner Sammlung eine theoretische Grundlage und praktische Muster finden konnte. Man erhält dadurch sogar einen Einblick in die reichhaltigen Kontakte mit anderen Frühhumanisten in Deutschland. Listen der Archiv- und Bibliotheksbestände, der nach den heutigen Besitzorten sortierten ungedruckten Quellen (305-308), sowie zu den gedruckten Quellen und Hilfsmitteln (308-317) und schließlich eine imponierende Forschungsliteratur (318-369) sind schätzenswerte Hilfsmittel. Vgl. Mandrella: Gott als Porträtmaler, 133-146. Weitere Literatur diesbezüglich in Filippi: Imitatio naturae und imitatio Christi, 107-117. Die wichtige Rolle dieser Predigt für die Dürersche Reflexion über sich selbst als christlichen Künstler wird im Kapitel „Wie viel Philosophie steckt in Dürers Selbstbildnis um die Jahrhundertwende?“ näher erörtert. Die Verwendung präziser Passagen von De coniecturis und anderer Texte des Cusanus in der literarischen Produktion Ulrich Pinders konnte definitiv bewiesen werden. Vgl. Lassnig: Beiträge, 16-19; später ders.: Dürers „Melencolia-I“, 51-95. Näheres dazu im 4. Kapitel der vorliegenden Arbeit. Es sei an dieser Stelle nur daran erinnert, dass sich das Kloster zu Sponheim, in welchem Trithemius seine große Bibliothek einrichten ließ, nicht mehr als ungefähr 60 km von Kues befindet. Im Jahre 1505, als Trithemius Sponheim aufgrund des kompliziert gewordenen Verhältnisses mit den Mönchen verließ, war der Bestand auf mehr als 2000 Exemplare angewachsen, d.h. eine der größten, wenn nicht die größte Bibliothek Deutschlands überhaupt. Der Ruhm dieses Wissensschatzes strahlte über ganz Europa und zog einen beständigen Strom gelehrter Besucher nach Sponheim. Dieser Ort befand sich damals auf der Route, welche die Gelehrten der „ Sodalitas Celtica“ begangen haben, um sich Bücher und Handschriften verschiedener Autoren anzusehen, nicht zuletzt auch Schriften von Cusanus. Vgl. Arnold: Johannes Trithemius, 83-85. Generell siehe dazu Auernheimer / Baro (Hgg.): Johannes Trithemius. Humanismus und Magie. Arnold: Johannes Trithemius, 27.
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Gegen Ende des 15. und am Anfang des 16. Jahrhunderts bis zur Reformationszeit war in Nürnberg das Interesse an der kabbalistischhermetischen Überlieferung sowie an den astrologischen Aspekten der Naturphilosophie besonders lebendig.10 Willibald Pirckheimer, der Humanist und lebenslange Freund Albrecht Dürers,11 hatte darin einen seiner Schwerpunkte. Sehr früh hatte er sich zum Beispiel durch den Freund Dürer in Venedig 1506 ein frisch ediertes Aldinisches Exemplar von der Hypnerotomachia Poliphili beschaffen lassen.12 Dürer selbst hat einige Zeichnungen für die lateinische Übersetzung entworfen, die Pirckheimer ca. 1512 im Auftrag von Kaiser Maximilian I. Hyeroglyphica des Horapollon begonnen hatte,13 nachdem Aldus Manutius in Venedig 1505 die allererste Ausgabe davon angefertigt hatte. Diese Überlieferung hatte eine enge 10
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Astrologische Themen waren damals sehr beliebt und gefragt, sogar am päpstlichen Hof. Als Höhepunkt dieses Interesses ist die Stanza della Segnatura wahrzunemen, in der Rafael den Himmel über Rom im Augenblick der Ernennung des Papstes Julius II, drei Stunden nach dem Sonnenuntergang am 31 Oktober 1503, unter dem Zeichen des Skorpions darstellt. Es handelt sich bereits um die höchstmögliche Anerkennung der Astrologie als legitimierten Teil der Kultur des Abendlandes. Siehe Bini (Hg.): Astrologia – arte e cultura; Zerilli (Hg.): Marsilio Ficino alla lente dell’astrologia; Bertozzi (Hg.): Nello specchio del cielo. Dazu auch Warburg: Bildersammlung zur Geschichte; Yates: Giordano Bruno and the Hermetic Tradition, 84-116; Hebraic aspects of the Renaissance. Was direkt den Humanistenkreis zu Nürnberg und Dürer anbelangt, siehe Bashir-Hecht: Der Mensch als Pilger, 16-19, 42-53 und 56-95; Hoppmann (Hg.): Melanchthon Astrologie, insbes. die Aufsätzen von Straubinger: Astrologie und Christentum in der Renaissance, 58-61, und Pomian: Astrologie als naturalistische Theologie der Geschichte, 61-64; Rhein (Hg.): Melanchthon und die Naturwissenschaften, insbes. verweise ich auf den Beitrag von Müller-Jancke: Melanchthon und die Astrologie, 123-136, so wie auf Bauer: Philipp Melanchthons Gedichte, 137-182; Brosseder: Im Bann der Sterne, insbes. 213-224; Wels: Melanchthons Anthropologie, 51-85. Was im Spezifischen Dürers Werk betrifft, siehe Voss: Eine Himmelskarte vom Jahre 1503, 89-150; Warburg: Mnemosyne, Taf. 8B; Wörz: The Visualisation of Perspective Systems, 142-159. Siehe Spitz: The Religious Renaissance, insbes. 155-197 und 325-333; Willibald Pirckheimer 1470/1970. Dokumente, Studien, Perspektiven; Eckert / Imhoff: Willibald Pirckheimer; Holzberg (Hg.): Der Humanist Willibald Pirckheimer; ders.: Willibald Pirckheimer. Griechischer Humanismus; Rabil: Renaissance Humanism, insbes. 381-411; Trautner: Willibald Pirckheimer (1470-1530) und Conrad Peutinger (14651547), 109-139. Vgl. Offenbacher: La bibliothèque, 241-263. Es gibt weitere Hinweise in Dürers Werk, die dafür sprechen. Vgl. Zárate: Durero y los Hieroglyphica, 7-22. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, MS Cod. 3255. Aus diesen Zeichnungen hat Karl Giehlow 1915 eine erste moderne Ausgabe veröffentlich. Eine italienische Ausgabe mit Kommentar ist ebenso vorhanden (2004). Was die technischen Auskünfte anbelangt, siehe Eser: Entwürfe für ein Hieroglyphen-Buch. In: Heilige und Hasen, Nr. 10, 66. Einleuchtend und von Bedeutung finde ich die Überlegungen von Schauerte: Von der ‚Philosophia‘, 130-132.
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Verbindung zum Platonismus. Die Beschäftigung mit ihr bedeutete zugleich die Aneignung des Platonischen Gedankengutes.14 Es ist anzunehmen, dass der junge Dürer, also lange vor seinem ersten kunsttheoretischen Notizen aus den Jahren 1508-1512, mit den Lehren Ficinos zumindest durch Gespräche mit Willibald Pirckheimer bekannt wurde. In seiner Heimatstadt brachte man nämlich Ficinos Schriften schon vor 1500 ein reges Interesse entgegen. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass Dürers Pate, der Verleger und Buchhändler Anton Koberger, 1497 Ficinos Briefe herausgab. Willibalds Vater, der den Florentiner Philosophen sehr würdigte, ließ sich 1491 von seinem Sohn in Italien Ficinos Werke besorgen. Ebenso tat es Hieronymus Münzer, Hartmann Schedels Freund, Arzt und Geograph, Mitverfasser der Weltchronik.15 Interessant ist hier anzumerken, dass auf der Spur nach der damaligen Rezeption von Cusanus’ Lehre in diesem Kreis auch Indizen anderer Art dafür sprechen. In seinem Reisetagebuch berichtet nämlich Münzer im Jahre 1495 von seinem Aufenthalt in Gent. Die Eintragungen bezeugen seinen tiefen Eindruck von van Eycks Altars in der Sankt Bavo Kirche in Gent. Im Reisetagebuch findet sich folgende Bemerkung: „Alles ist aus einem so staunenswerten und so künstlerischen Talent heraus gemalt, dass man weniger ein Gemälde, als vielmehr die Malkunst selbst als ganze erblickt, und alles erscheint einem wie lebendige Bilder.“16 Der Terminus „lebendige Bilder“ verweist – wie Harald Schwaetzer gezeigt hat – auf einen Cusanischen Kontext, auf den anscheinend auch der Humanist Münzer anspielt.17 Das Cusanische Menschenbild darf hier in einem einzigen Satz zusammengefasst werden: es geht um ein „lebendiges Bild Gottes“.18 14
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Lassnig, Dürers „Melencolia-I“, 72ff. Zu diesem Aspekt der humanistischen Kultur siehe im Allgemeinen Castelli: I geroglifici e il mito dell’Egitto; Vasoli: Marsilio Ficino e l’astrologia, 159-186; ders.: Il mito dei geroglifici, 213-224; ders.: Note sulla fortuna, 1-19, insbes. 10-13; Zerilli: Marsilio Ficino alla lente dell’astrologia. Goldschmidt: Hieronymus Münzer und seine Bibliothek; Rücker: Nürnberger Frühhumanisten und ihre Beschäftigung, 181-192. Über das bis dahin größte Buchunternehmen siehe, um nur einen Titel zu nennen, Reske: Die Produktion der Schedelschen Weltchronik. Das Original lautet: „Et omnia illa sunt ex mirabili et tam artificioso ingenio depicta; ut nedum picturam, sed artem pingendi totam ibi videres viderenturque omnes imagines vivae.“ Für diesen Hinweis so wie für die Übersetzung ins Deutsche bin ich Harald Schwaetzer dankbar [Hervorhebung von E.F.]. Der gesamte Text ist zugänglich in Herzner: Jan van Eyck und der Genter Altar, 276. Vgl. Schwaetzer: Epiphanie, 53. Vgl. ders.: Wie lebendige Bilder, 238-240. „Viva imago Dei“ lautet die berühmte Formel. Dazu ist vor allem zu vergleichen: Eisenkopf: Das Bild des Bildes, 49-73. Im selben Band siehe Mandrella: Gott als Porträtmaler, 133-146. Schwaetzer: Viva imago Dei; dort ferner Überlegungen zum Ursprung eines
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Spannend in unserem Kontext ist, dass der Theologe aus Kues einen solchen Gedanken vor allem über Metaphern der Malerei entwickelt.19 Auch in anderen Nürnberger Humanistenbibliotheken und in den Buchbeständen der dortigen Klöster waren Ficinos Texte zahlreich vorhanden.20 So konnte Dürer zunächst auf diesem Wege die Grundelemente des Platonismus rezipiert haben, nicht zuletzt die Vorstellung der Kunst als einer schöpferischen Tätigkeit: „Denn analog zu Ficino setzte Dürer die Ausübung einer künstlerischen Disziplin mit der Schöpfertätigkeit Gottes gleich“.21 Tatsächlich erwähnte der Künstler in seinem Nachlass nicht nur einmal den Namen Platons, insbesondere dort, wo er über den Schönheitsbegriff reflektiert.22 Für Ficino war die göttliche Inspiration unentbehrlich für die große Kunst, was Dürer sowohl in seinen Notizen zu dem Malerbuch als auch in seinen Entwürfen zum Ästhetischen Exkurs zum Ausdruck bringt.23 Anders als die Florentinischen Neuplatonisten verwendet Dürer den Inspirationsbegriff zum ersten Mal auch in Bezug auf die künstlerische Tätigkeit.24 Aber kommen wir kurz zurück auf Ficino und seine Lehre: In seiner Platonischen Theologie berief er sich traditionsgemäß explizit auf die auctoritas des Thomas von Aquin. Dieser war ein fester Bestandteil des Studiums an den Universitäten in ganz Europa. Sowohl Pirckheimer als auch Celtis hatten sich mit seiner Lehre beschäftigt. Es ist jedoch eine gewisse Ambivalenz in der Rezeption des Thomismus in Nürnberg zu berükksichtigen, und das ist für den vorliegenden Zusammenhang wichtig. 25 Auf der einen Seite wurde nämlich Thomas als ein Repräsentant des zu überwindenden Mittelalters empfunden, auf der anderen Seite hegte man großen Respekt vor seiner Betonung der ratio , was die Willensfreiheit anbetrifft. Exemplarisch ist in diesem Sinne die Rezeption der Hochschola-
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anthropologischen Grundprinzips bei Nicolaus Cusanus, 113-132. Siehe ferner Filippi: Imitatio naturae und imitatio Christi, 107-117. Hier verweise ich auf die verschiedenen Beiträge in: Bocken / Schwaetzer (Hgg.): Spiegel und Porträt. Vgl. Offenbacher: La bibliothèque de Wilibald Pirckheimer; Benzing: Humanismus in Nürnberg, 255-299; Wagner: Hartmann Schedel und seine Bibliothek, 167-169 sowie Exponatbeschreibungen Nr. 3, 40, 58, 63, 65-69; dies.: Venetian Incunabula in Bavaria, 153-177; dies.: Nürnberger Büchersammler um 1500, 69-87. Hilberer: Iconic World, 54. Dürer / Rupprich, II, 1966, 101ff. und insbes. 109. Dazu doch später. Ebd. I, 114. Bia!ostocki: Vernunft und Ingenium, 111; jüngst Demele: Dürers Nacktheit, 141. Vgl. Kristeller: Humanism and Scholasticism, 561f.
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stik in der christlichen Heilslehre eines Johannes von Staupitz (1468-1524).26 Als Generalvikar der Augustiner-Eremiten in Deutschland hatte er zumindest ab 1512 große Wirkung auf das religiöse und geistige Leben in Dürers Stadt.27 „Möglicherweise war Staupitz das Bindeglied zwischen Dürer und dem scholastischen Theologen“ 28, neben den genannten Celtis und Pirckheimer. „In jenen Jahren, da Albrecht Dürer der Psychologie des Künstlertums ihre Bildform verleiht [...] sucht auch sein Publikum nach neuen Wegen aus alten Beklemmungen. [Staupitz] fällt dabei eine wichtige Rolle zu [...] [als] der rechte Prediger zum rechten Zeitpunkt. [...] Um Konrad Celtis bildete sich auf Initiative desselben ein Freundenkreis humanistisch gebildeter Männer, die Sodalitas Staupitziana, die vor-wiegend prominente Leute der Stadt an der Pegnitz waren. Christoph Scheurl nennt in einem Brief vom 7. Januar 1518 die Namen: Anton Tucher, Endres und Martin Tucher, Hieronymus Ebner, Kaspar Nützel, Siegmund und Christoph Fürer, Jacob Welser, Hieronymus Holzschuher, alles erlauchte Namen. Als nicht dem Patriziat zugehörige Mitglieder nennt Scheurl sich selbst [...], 29 Lazarus Spengler 30 [...] und –
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Grundlegend bleibt die monographische Studie von Zumkeller: Johannes von Staupitz und seine christliche Heilslehre. Curtis: Misericordia Dei, 9-12. Über Stauptizs starken Einfluss als Seelesorger auf Albrecht Dürer als frommen Mensch schreibt zum Beispiel Seebass: Dürers Stellung, 111ff; dazu auch Price: Albrecht Dürer’s Renaissance, insbes. Kap. 2. So Hilberer: Iconic World, 61. Er war nämlich Jurist, Diplomat und Humanist (Nürnberg 1481- ebendort 1542), Sohn eines zugewanderten Kaufmanns aus Breslau, und seit der Jugendzeit Dürers Freund. Als Ratskonsulent führte Scheurl eine schwierige Arbeit in der Zeit zwischen 1524 und 1525 durch, als sich der endgültige Bruch mit der altgläubigen Tradition in dieser Stadt vollzog. Vormals Ratsschreiber zu Nürnberg übernahm Spengler ab 1496 die väterliche Kanzlei. Er war einer der besten Freunde von Dürer und die beiden haben einander öfter mit humanistisch geprägneter Ironie Spottgedichte adressiert. Er wurde dann eifriger Förderer der Reformation in seiner Heimatstadt. Siehe Rebel: Albrecht Dürer. Maler und Humanist, 1996ff., 324ff. Eine ausführliche und solide Darstellung der verschiedenen Facetten dieser Persönlichkeit bietet die Arbeit von Hamm: Lazarus Spengler. Ein Kapitel ist explizit „Dürer und Spengler“ gewidmet, 73-117; ferner siehe Pfeiffer: Albrecht Dürer und Lazarus Spengler, 379-400; Lazarus Spenglers Name taucht übrigens auch in der Studie von Price: Albrecht Dürer’s Renaissance, immer wieder auf, so wie als wichtigen Ansprechspartner in der Gestaltung von den Vier Aposteln aus dem Jahre 1526. Vgl. Arndt / Moeller: Albrecht Dürer’s ‚Vier Apostel‘. Eine kirchen- und kunsthistorische Untersuchung.
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Albertus Durer Germanus Apelles. Unser Maler fehlt also nicht in diesem Elitenkreis“.31 Platon wurde damals verstärkt mit religiösen, ärztlichen,32 oder auch mit mathematischen Themen in Verbindung gebracht. Die hohe Schätzung des Mathematischen und vor allem der Geometrie in Nürnberg war selbst sehr eng mit Platonischen Interessen verbunden.33 Die Mathematik galt als Vorstufe zu den ewigen Dingen und wurde auch in diesem Sinne ganz im Platonischen Sinne verstanden.34 Außerdem hatte sich auch das franziskanische Denken der vorherigen Generation dieses Motiv angeeignet, wie dies etwa aus dem Schatzbehalter von Pater Fridolin35 hervorgeht. Stephan Fridolin (um 1430-1498) war Prediger, Lektor und Franziskanermönch in Bamberg, Mainz, Basel und Nürnberg, wo er als geistlicher Betreuer des Klarissenklosters wirkte. Neben einem Buch von den „Kaiserangesichten“, das Kaiserbildnissen auf antiken römischen Münzen gewidmet ist, einigen Predigtsammlungen und allegorischen Werken veröffentlichte er im Jahre 1491 sein wichtigstes Werk, den Schatzbehalter der wahren Reichtümer des Heils. Die „auff frag un[d] bitt etlicher andechtiger person“ verfasste Erbauungsschrift war dezidiert an Laien gerichtet. Die im Hauptteil des Werkes dargebotenen 100 Gedanken über das Leiden und Sterben Christi fordern dazu auf, die Werke und Martern des Gottessohnes „mit scha[m], mit mitleiden und danckberkeit“ zu betrachten und als Genugtuung für alle Sünde und Erlösung der Gläubigen zu begreifen. Die Passion und das Kreuzesgeschehen gelten so als Schrein – oder Schatzbehalter – des menschlichen Heils. Der Schatzbehalter wurde 1491 bei Koberger in Nürnberg gedruckt, und die meisten geistlichen wie auch privaten Bibliotheken der Stadt besaßen ein Exemplar davon. Caritas Pirckheimer,36 31 32
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Rebel: Albrecht Dürer, 351f. Im Allgemeinen dazu siehe Machilek: Albrecht Dürer und der Humanismus, 44-76, insbes. 61ff. Als einzige maßgebende Studie dazu siehe Vasoli: Un medico per i sapienti. Was Dürer betrifft, besaß er ganz sicher ein Exemplar von Ficinos Gesundheitslehre. Vgl. Dürer / Rupprich, I, 1959, 221f.; III, 1969, 469. Eine Liste von Dürers möglichen Lektüren findet man in Rebel: Albrecht Dürer, Anm. 7 auf S. 513. Das kann man sehr deutlich in dem Dürerschen Melancholia-Blatt erkennen. Über die Rolle des Timaios in der wissenschaftlichen Debatte der Frühneuzeit hat übrigens Thomas Leinkauf einen bedeutenden Beitrag gegeben. Siehe Leinkauf: Die Rezeption des Timaios, 363-386. Doch dazu später mehr. Siehe die beiden Kapitel 4 („Wieviel Philosophie steckt in Dürers Selbstbildnis um die Jahrhundertwende?“) und 7 („Der Melancholie-Stich – Ein „Denkbild“ als denkendes Bild“). An dieser Stelle verweise ich auf Seegets: Passionstheologie und Passionsfrömmigkeit im ausgehenden Mittelalter. Deichstetter: Caritas Pirckheimer Ordensfrau und Humanistin; Hess: Oratrix humilis, 173-203; Wailes: The Literary Relationship, 423-440; Machilek: Menschenwürde, 49-71;
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Zweites Kapitel
Schwester von Willibald und Äbtissin des Klarissenklosters zu Nürnberg, hat es sehr geschätzt. Dieses Buch zählt zu den bedeutendsten spätmittelalterlichen Andachts- und Erbauungsbüchern, in denen Leben und Leiden Christi mit vielfältigen – zumal auch geometrischen – Betrachtungen zur Unterstützung und Anregung der Andacht geschildert werden. Mit einem Umfang von 352 Blatt und 96 ganzseitigen Holzschnitten aus der Werkstatt von Michael Wolgemut (bei dem der junge Albrecht ein Praktikum in der Zeit ausübte) und Wilhelm Pleydenwurff (gest. 1494) bei Anton Koberger (Dürers Taufpate) erschienen, gilt es als Höhepunkt in der Geschichte der Nürnberger Druckerei. Das Buch verließ in mindestens vier unterschiedlichen Ausstattungen die Druckerei. In dem Kapitel Von der Geistlichkeit Christi bietet Fridolin in seinem Schatzbehalter eine Überlegung an, die um 1500 sehr eng mit Dürers Auseinandersetzung mit Christus als „lebendigem Bild“ Gottes zusammengehört. Das ist auch nicht erstaunlich, da Dürer bekanntlich dieses einzigartige Werk als Vorbild für seine Apokalypsis cum figuris angesehen hat.37 Hier heißt es, dass Christus „die figur sey der väterlichen substanz […] das bild des unsichtbaren gottes“. Dieses Bild sei würdig, vornehm und ewig: „das er nit in der zeit die ein creatur ist, beschaffen ist, sunder vorhin geborn und also ewig. Und also ist er auch nit ein künstlich bild gottes, als des keysers bild i den gulde oder ander materien, […] sunder ein naturlichs lebendigs Bild“.38 Daniel Hess kommentiert wie folgt: „Christus, das Bild des unsichtbaren Gottes, unterliege nicht der menschlichen Zeit und sei deshalb ewig. Auch sei er kein künstliches Bild wie das Kaiserbildnis auf Medaillen oder anderen Materialien“.39 Was die künstlerisch-kulturelle Bildung von Albrecht Dürer bis zur Jahrhundertwende in diesem Milieu betrifft, so fällt sein Engagement sowohl bei Koberger als auch bei Pleydenwurff und Sebastian Brant (in Basel) – alle drei im Buchhandel tätig – natürlich besonders ins Gewicht. 40 Insbesondere sind Platonische Aspekte und Argumente im Narrenschiff von Sebastian Brant nachweisbar. Dürer hatte sich in seinen Wanderjahren
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Cescutti: „Nicht nur den Rechtsgelehrten und Gebildeten, sondern auch dem schwachen Geschlecht“, 36-41; Fuchs (Hg.): Die Pirckheimer. Humanismus in einer Nürnberger Patrizierfamilie, 89-118. Vgl. Andersson / Talbot (Hgg.): From a Mighty Fortress, Kat. Nr. 130-132 u. 198. Zit. aus Fridolins Schatzbehalter. Nachdruck Wiesbaden 1962. Da die Seiten nicht nummeriert sind, muss man mit den Kapitelüberschriften als Referenz zitieren. [Hervorhebung von E.F.]. Hess: Dürers Selbstbildnis, 84. Vgl. Schmid: Dürer als Unternehmer, 47-54 und 129ff. Allgemein siehe auch den Sammelband: Albrecht Dürers Umwelt; Anzelewsky: Dürer-Studien; Rebel: Albrecht Dürer, 125-153; Schauerte: Peripeteia, 208-219.
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gerade durch die Mitarbeit an diesem anspruchvollen Projekt mehrere grundsätzlichen Einsichten des Platonischen Denkens aneignen und viele Passagen aus den Dialogen direkt zur Kenntnis nehmen müssen. Die Aufgabe, die Rolle des Künstlers zu emanzipieren und in die Sphäre der geistigen Arbeit zu versetzen, hat der junge Dürer sehr ernst genommen: Das Thema des Malers als eines „zweiten Gottes“ (alter deus) wird im vierten Kapitel dieser Arbeit behandelt. Aufmerksamkeit soll im Übrigen auf die damalige Idee gelenkt werden, die Stadt Nürnberg als ein neues und zweites Athen (bzw. Rom) zu gestalten, wie dies aus der Betrachtung einer Stadtansicht aus dem Jahre 1502 mit griechischen Begleitwörtern zu ersehen ist (Abb. 13). Wenn wir diese Stadtansicht mit der berühmten Ansicht aus der Schedelschen Weltchronik aus dem Jahre 1493 vergleichen (Abb. 14),41 so sehen wir, wie in diesem letzten Darstellungsbild die Strafe nicht mehr als eine öffentliche Veranstaltung inszeniert wird, ganz nach dem Geschmack und dem Verständnis des Mittelalters.42 Im Gegensatz dazu ist nun der Galgen, der einmal im Vordergrund war, aus der Stilisierung der Stadt als Polis verschwunden. Der Sinn der Stadt ist es eigentlich – wie bereits bei Aristoteles und später in der amerikanischen Verfassung – „the pursuit of happiness for the greatest number“. Eine weitere und bedeutende Phase der Dürerschen Auseinandersetzung mit der Platonischen und vor allem Cusanischen Philosophie ist um 1513 zu datieren, als er möglicherweise die Texte von Carolus Bovillus las – darunter den Liber de sapiente43 und einen Traktat über die Geometrie – die einige grundlegende Aspekte des Cusanischen Denkens aufgreifen und popularisieren.44 Bovillus war in Nürnberg bestens bekannt,45 insbesondere 41 42
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Filippi: Umanesimo, 52f und Abb. 45-46. Dazu siehe auch Kugler: Nürnberg auf Blatt 100, 103-124. Das hat freilich auch mit dem neuen Verständnis für das Recht bei den Nürnberger Humanisten zu tun. Doch mehr dazu später in den Schlussbetrachtungen: „Dürer: Die Frage nach der Gerechtigkeit“. Ernst Cassirer bezeichnet Bovillus’ Schrift De sapiente von 1509 als die „vielleicht merkwürdigste und in mancher Hinsicht charakteristischste Schöpfung der Renaissance-Philosophie“: Individuum und Kosmos, 93. In diesem Zusammenhang siehe Bocken: Enzyklopädie der Weisheit, 69-89; ferner Albertini: Charles de Bovelles: Natur und Vernunft, 41-59. In seinem Buch Individuum und Kosmos lenkt Cassirer eine spezielle Aufmerksamkeit darauf. Später folgt ihm darin Schuster: Melencolia I. Dürers Denkbild, 307-322; nützlich in meiner Sicht ist auch die Lektüre von Albertini: Der Mikrokosmos-Topos als Denkfigur, 184-212. Über diesen noch nicht genug erforschten Philosoph siehe Victor: Charles de Bovelles, 1479-1553. An Intellectual Biography, bis heute das „Standardwerk“ überhaupt. Tamara
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Zweites Kapitel
im Dürerkreis, da der französische Gelehrte viel von Geometrie verstand und gerade 1511 einen Text darüber publizierte – jedenfalls mit einem ausgezeichneten Blick auf das Menschsein und auf die menschliche Möglichkeit der Erkenntnis –,46 der in jener Zeit große Beliebtheit genoss. 47 Dürer soll in den in Rede stehenden Jahren auch dieses Werk gelesen und vielleicht sogar selbst besessen haben, wie auch die Elementa von Euklid, die er während seines zweiten Aufenthaltes in Venedig in der soeben erschienenen Aldinischen Ausgabe (1507) besorgt hatte. Von besonderer Bedeutung für den Umgang Dürers mit humanistischen, medizinischen und philosophischen Begriffen dürfte die Tätigkeit von Ulrich Pinder in Nürnberg gewesen sein. An dieser Stelle gilt es auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass es Pinder war, der eine neue Art „Meditationsbuch“ eingeführt hat, ein Andachtsbuch, das für einen privaten Gebrauch gedacht war und eng mit der neuen Frömmigkeitspraxis in Verbindung stand. Wie Winkler bemerkte, wird sein sehr bekanntes Werk „das erste große Buch der Dürerzeit in Nürnberg, in dem sich Bild und Schrift die Waage halten“.48 Doch dazu später mehr,49 wenn ich zu zeigen versuche, welche Fortschritte und Folgen diese Erfindung bei Dürer zeitigen wird. Ulrich Pinder wird 1493 zum ersten Mal als „Archiatrus“ (Oberarzt) in Nürnberg erwähnt.50 Seine Tätigkeit erstreckte sich jedoch auf mehrere Gebiete außerhalb der ärztlichen Tätigkeit als Stadtphysicus im engen Sinne. Er stand bereits 1496 in Kontakt mit Konrad Celtis, an den er sich auf der Suche nach einem Lehrer der Dichtkunst in Nürnberg schriftlich wandte. 51 Pinder besaß in seinem Haus eine kleine Druckerwerkstatt. In seiner Privatdruckerei wurden seine Werke im ersten und zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts für die Publikation fertiggestellt. Die erste in dieser Reihe war
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Albertini, Vorsitzende der „The International Charles de Bovelles Society“ arbeitet z.Z. an einer Monographie über Bovillus, die für das 500-jährige Jubiläum der ersten Ausgabe des Liber de sapiente herauskommen soll. Ende März 2012 fand in Tours eine internationale Tagung über ihn statt: Charles de Bovelles: Philosophe et Pédagogue (Tours, 2627 März 2012). Interessant der Impulsvortrag von Albertini: Penser et enseigner ex imagine dans l’oeuvre philosophique de Charles de Bovelles. Axworthy hat in diesem Zusammenhang über Le statut épistémologique de la géométrie chez Bovelles referiert und Sfez über Charles de Bovelles face à l’héritage cusain. Siehe Albertini: Die geometrische Darstellung, 421-436; dies.: Der Mikrokosmos-Topos. Dazu Sanders: Charles de Bovelles’s treatise, 513-566. Über die spezifische Qualität Bovillus’ Mathematikstudien verweise ich auf Margolin: Le rationalisme mystique, 87-103. Vgl. Winkler: Dürers kleine Holzschnittpassion, 197-208, sowie Münch: Cum figuris, 9. Vgl. Kap. 7 in der vorliegenden Arbeit, letzter Teil. Lassnig: Dürers „Melencolia-I“, 56. Ebd., 57.
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der Beschlossen gart des rosenkranz marie (1505), ein zweibändiges umfangreiches Werk, reichlich illustriert mit 1008 Holzschnitten. Ein beträchtlicher Teil davon wurde von Dürers Werkstatt ausgeführt. 1506 erschien Pinders dreiteilige medizinische Schrift Epyphanie medicorum. 1507 begann er mit dem Speculum passionis an Kompendien zu arbeiten: Es handelte sich um Zusammenfassungen älterer Werke mit Einfügung einiger Stellen von anderen Autoren.52 In diesem Fall war seine Hauptquelle die Vita Christi des Ludolf von Sachsen (gest. 1377).53 1509 folgte das Speculum patientiae, welches die Consolatio theologiae des Johann von Dambach resümierte. Das für die Ausbildung einer Dürerschen Philosophie wichtigste Kompendium ist ohne Zweifel das Speculum felicitatis von 1510, in dem zahlreiche Schriften des Nikolaus von Kues zusammengefasst sind.54 1512 ging die Druckerei in den Besitz seines Schwiegersohnes, des Druckers Friedrich Peypus, über, welcher 1519 eine zweite Auflage des Speculum passionis druckte. Damals war Pinder bereits seit einigen Monate verstorben.55 Dürer kam allerdings schon vor 1510 mit dem Cusanischen Gedankengut in Berührung, und zwar in den letzten Jahren des 15. Jhs. durch die Vermittlung von Celtis, nicht zuletzt genau um die Jahrhundertwende, wie ich im Kapitel über das Dürersche Selbstbildnis von 1500 noch zeigen werde. Damals hatte nämlich der Humanist vor, in Nürnberg den späten Cusanischen Dialog De li non aliud (auch bekannt unter dem gewichtigen Titel Directio speculantis) zu edieren. Nach der als verloren geltenden Schrift war lange gesucht worden, da Cusanus selbst in De venatione sapientiae auf sie verwiesen hatte. Es ist nicht besonders bekannt, dass der Nürnberger Hartmann Schedel bereits 1496 eine handschriftliche Kopie 52 53 54
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Vgl. Münch: Cum figuris, 18f. Siehe Münch: „Saepe et sedulo recogitata passio“, 591-614. Lassnig: Dürers „Melencolia-I“, 57 und ebd. Anm. 34, mit dem Verweis auf die Überlieferungsgeschichte und auf die verschiedenen Ausgaben der Cusanischen Docta ignorantia. Dazu auch Koerner: The Moment, Anm. 18 auf S. 474. In der kritischen Edition der Opera omnia sind die Marginalien von Pinder mitveröffentlicht. Nicolai de Cusa Opera omnia. Iussu et auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita, h XII, De venatione sapientiae, Hamburg 1982. Hier sind die Anmerkungen von Pinder, Trithemius, Schedel, Celtis, Bovillus, Beatus Rhenanus, Johann Eck aufgenommen, vgl. h XII, De venatione sapientiae, praefatio, XXVI. In diesem Band sind auch die „Testimonia Udalrici Pinderi“ ab S. 139ff. verzeichnet. Dazu Meier-Oeser: Die Präsenz des Vergessenen, 402: „Keine Cusanus-Edition im eigentlichen Sinne, enthält jedoch längere, zumeist als solche ausgewiesene Passagen aus De docta ignorantia, De coniecturis, De filiatione dei, De dato patris luminum, De mathematica perfectione, De beryllo, Idiota de mente, De venatione sapientiae und De possest“. Die Informationen über Ulrich Pinder sind von Lassnig entnommen: Beiträge, 2-4.
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Zweites Kapitel
davon verfertigt hatte und dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit darauf lenkte.56 In den humanistischen Kreisen der Stadt dürfte die Schrift ein reges Interesse geweckt haben, bis endlich Celtis das Projekt einer gedruckten Ausgabe umsetzte. Diese editorische Arbeit an einer sinnvollen Reduktion des Textes ad usum der vielen Intellektuellen seiner Zeit fand in einem in Wien 1501 veröffentlichtes Buch ihren Niederschlag.57 Wohl auch mit Pinder trat Dürer im Rahmen seiner graphischen Zusammenarbeit in einen fruchtbaren Dialog. Nach der Deutung von Ewald Lassnig liefert z.B. das Cusanische Kompendium von Pinder einen Schlüssel zum Verständnis des Melancholiekupferstichs von 1514.58 Eingehend behandelt wird der Zusammenhang im Kapitel sieben der vorliegenden Arbeit. Alles in allem sollte deutlich geworden sein, dass das Leitmotiv der Nürnberger Rezeption der verschiedenen philosophischen und theologischen Gedanken des Spätmittelalters so wie der Frührenaissance so gut wie immer mit dem „Ineinsfall der Gegensätze“ zu tun hat, ein „pensare per contrari“ kann man mit Giordano Brunos Worten sagen.59 Dadurch erkennt man die Chiffre der produktivsten Fortschritte der damaligen Kultur diesseits und jenseits der Alpen: Es geht um die Akzeptanz, bzw. die positive Auseinandersetzung mit dem „Anderen“, obwohl mit dem bewussten sogar programmatischen Ziel, das proprium der eigenen Kultur zu bewahren.60 Das wird auch dadurch erreicht, dass das Erbe fremder und vergangener Kulturen innerhalb eines kohärenten Ganzen subsumiert und organisch mit den Einsichten der eigenen Kultur verbunden wird. Es geht also zugleich darum, ein originelles Musterbild des enzyklopädischen Wissens zu Beginn der Neuzeit zu etablieren.61 Inwiefern Dürer an diesem wichtigen Unternehmen teilnahm, wird im nächsten Kapitel näher zu untersuchen sein.
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Wilpert: Einführung zu: Nikolaus von Kues, Vom Nichtanderen, 25f. Propositiones Domini Cardinalis Nicolai Cvse De li non aliud, hrsg. von Konrad Celtis, Johann Winterburger, Wien 1501; siehe Wuttke: Dürer und Celtis, 108 und Anm. 92; Meier-Oeser: Die Cusanus-Rezeption, 618f. Lassnig: Dürers „Melencolia-I“, 4-29. Ciliberto: Pensare per contrari. In der damaligen Kunst sieht man dieses Phänomen am besten, wie das prägnanterweise schon die Studien von Wölfflin gezeigt haben, wie: Die Kunst der Renaissance. Italien und das deutsche Formgefühl. Dazu Leinkauf: Wissen und Universalität, 81-103. Was die Form der erwähnten „Sodalitas“ (Gesellschaft) angeht, verweise ich auf Treml: Humanistische Gemeinschaftsbildung, insbes. 21-23; 44f. , 201 Anm. 40.
3. Dürer und die Philosophia Eine eminente Rolle in der philosophischen Bildung Albrecht Dürers kommt seinem Titelblatt-Holzschnitt für Konrad Celtis’ Quatuor Libri Amorum (auch unter dem Titel Amores bekannt)1 zu, das den Titel trägt: Philosophia (Abb. 15).2 Das Werk wurde Anfang April 1502 in Nürnberg veröffentlicht, und man darf tatsächlich behaupten, es „markiert in der Geschichte des deutschen Humanismus eine Epochenscheide“.3 Denn wir haben grundsätzlich nicht nur mit einem „Manifest des deutschen Humanismus“ zu tun, sondern und allem zuvor mit dem „Schlüsseldokument im Himblick auf diese Konstellation um 1500“.4 Ausgeführt wurde es knapp vor der Jahrhundertwende. Eine Untersuchung über den Denker Dürer hat unbedingt von diesem Werk auszugehen, weil er in ihm zum ersten Mal auch beruflich mit der philosophischen Tradition konfrontiert wird und eine geeignete bildnerische Sprache für den Umgang mit den Fragen des Denkens entwickeln muss, eine Kommunikationsweise, welche die Fähigkeit besitzt, Inhalte, die sonst durch sprachliche Mittel ausgedrückt werden, durch das Medium des Bildes zu visualisieren. Dabei legt er in diesem Sinne die Grundlage für seine spätere Entwicklung und für eine neue „Autorität des Bildes“5 am Anfang der Neuzeit. Celtis’ Werk artikuliert sich in drei libri, die Ethik, Naturphilosophie und Theologie behandeln. Durch diese drei Lehren entwickelt sich der Weg des Menschen als imitatio Christi. Dieser Weg ist hier durch den aufsteigenden Kegel dargestellt, der wie eine Krawatte oder wie eine Schärpe oder auch eine Art ‚Obelisk‘ die weibliche Philosophiefigur schmückt. Das Bild bezieht sich auf Boethius’ De consolatione philosophiae und auf die Traumvision der Philosophie, die dort geschildert wird, jedoch mit einigen Veränderungen, welche das spezielle Verhältnis betonen wollen, das die Philosophie mit dem Göttlichen unterhält.
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Der gesamte Text der „vier Bücher Liebeselegien nach den vier Grenzregionen Deutschlands“ (Titelblatt) samt Abbildungen ist online verfügbar unter: http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena/celtis1/te05.html. Zusammenfassend siehe Mende: Nr. 269.2: Die Philosophie (PHILOSOPHIA), in Schoch / Mende / Scherbaum: Albrecht Dürer. Das graphische Werk, 3, 140-144. Robert: Celtis’ „Amores“ – Ein Manifest, 65. Ebd., 66. Büttner / Wimböck: Das Bild als Autorität. Insbesondere verweise ich auf den Beitrag von Pfisterer: ‚Visio‘ und ‚veritas‘, ebd., 157-204.
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Drittes Kapitel
„Während ich [Boethius] solches schweigend bedachte und die tränenreiche Klage mit Hilfe des Griffels aufzeichnete, schien es mir, als ob zu meinem Häupten ein Weib hinträte von höchst ehrwürdigem Antlitz, mit funkelnden und über das gewöhliche Vermögen der Menschen durchdringenden Augen, von frischer Farbe und unerschöpfter Jugendkraft, obwohl sie so bejahrt war, daß sie in keiner Weise unserem Zeitalter anzugehören schien. Ihr Wuchs war von wechselnder Größe; denn bald zog sie sich zum gewöhnlichen Maß der Menschen zusammen, bald schien sie mit dem Scheitel den Himmel zu berühren; und als sie noch höher ihr Haupt emporhob, ragte sie über den Himmel selbst hinaus und entzog sich so dem Blick der Menschen. Ihr Gewand war von feinstem Gespinst und mit peinlicher Kunstfertigkeit aus unzerstörbarem Stoff gefertigt; sie hatte es, wie ich später aus ihrem eignen Munde erfuhr, mit eigner Hand gewebt. […] Ihre Rechte endlich trug Bücher, ihre Linke aber ein Zepter.“ 6 Auf dem Kleid seiner allegorischen Figur beschrieb Boethius die Anfangsbuchstaben der sieben artes liberales (trivium und quadrivium: Grammatik, Logik, Rhetorik; Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik), welche vom griechischen Buchstaben P für Praxis vorausgegangen und vom Buchstaben Q für Theoria gefolgt werden (Abb. 16). Celtis und Dürer ersetzen hier die P durch F. Damit, so heißt die heute überwiegende Interpretation, meint diese die Physica und die Q soviel wie Theologia (Abb. 17).7 Nach einer anderen Auslegung, die von Wuttke gegeben wurde, bedeuten allerdings die beiden Buchstaben in diesem Holzschnitt zwei alternative Einstellungen zum Leben, und zwar die sogenannte vita voluptuaria oder philargica (F) und die vita contemplativa oder theoretica (Q).8 Das reimt sich mit einer gewissen Vorliebe für die Pythagoräer, die sonst in dem Blatt deutlich zum Vorschein kommt. Celtis stellt sich jedenfalls in der Nachfolge des Martianus Capella (5. Jh.) in die Pythagoräische-Platonische Tradition derjenigen Denker, die in der Musik den vollkommensten Ausdruck der nach mathematischen Gesetzen basierenden Weltharmonik sahen. Auf dieser Grundlage wurde in der Pythagoräischen Tradition die Mathematik in der Vielfalt ihrer Anwendungen betrachtet. 6 7
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Luh: Kaiser Maximilian gewidmet, 73. Tendenziell eher verworfen wird in der Forschung die Lesart von KlibanskyPanofsky-Saxl, nach der F für philosophia stehen würde und also ein Aufstieg von der Philosophie zur Theologie gegeben wäre. Vgl. Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy, 400. Dazu siehe Luh: Kaiser Maximilian gewidmet, 112ff., und Robert: Konrad Celtis und das Projekt, 123-126. Wuttke: Humanismus als integrative Kraft, 70.
Dürer und die Philosophia
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Bis ins 16. Jahrhundert hinein galt im Schulsystem die „disciplina numerorum“ als Grundlage für Geometrie, Musik und Astronomie, wie es Boethius in seinem De arithmetica (lib. I, cap. 1) formuliert hatte.9 Selbst die geflügelte weibliche Figur der Melencolia als Anspielung an die Astronomie im Blatt von 1514, umgeben von den Geräten der sieben freien Künste, entstammt einer langen Überlieferung, die von den alten Pythagoräern über Capella und Boethius hinaus in den Überlegungen des Cusanus übernommen worden war.10 Die Freien Künste führen zum Herzen der Philosophie, und zwar durch die Theologie. Diese wird zum Bestandteil der Philosophie, gehört zum Weg, der zur Philosophie begleitet. Eine wichtige Etappe für die Berechtigung einer solchen Lesart besteht nun in einem „ebenso illustren wie eindeutigen Beleg, der in vieler Hinsicht sogar das Bildkonzept von Dürer und Celtis vorwegnimmt: jene zwischen 1176 und 1196 entstandene Miniatur aus dem Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg [von Hohenburg],“ 11 auf der die inschriftlich gekennzeichnete Philosophie inmitten eines Kreises dargestellt ist, der aus den Personifikationen der Freien Künste gebildet wird.12 Die von Herrad lateinisch verfasste, ausserordentlich reich illustrierte Handschrift des Hortus (Abb. 18) kannte eine sichere Bewunderung bei den Humanistenkreisen am Ende des 15. Jhs., z.B. bei Hieronymus Gebwiler, Mitglied der Straßburger sodalitas litteraria und zugleich einem Consodale von Dürers Freund Sebastian Brant. Es ist sehr plausibel, dass auch Celtis diesen Text besonders gut kannte, denn: a) hatte er enge Kontakte zum elsässischen Humanismus; b) gerade in der Zeit arbeitete er an der Ausgabe von Hroswitas Werke, die der Philosophia der Herrad formal und inhaltlich an die Seite zu stellen sind;13 c) war einer der Förderer des Hortus deliciarum damals Caritas Pirckheimer, die zur Erscheinungszeit der Amores mit Celtis in einem gelehrten Briefwechsel stand. Diese Figur hält in der rechten Hand drei Bücher, die das philosophische System von Celtis artikulieren – auch hierdurch wird übrigens eine 9 10
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Vgl. Schuster: Melencolia I. Dürers Denkbild, 129. Ebenso in Leon Battista Albertis Kunsttheorie, siehe u.a. Naredi-Rainer, Paul: Musikalische Proportionen, Zahlenästhetik. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Beitrag von Roberto Luca zu nennen: I numeri dell’armonia, 421-449. Zit. aus Schauerte: Von der ‚Philosophia‘ zur ‚Melencolia‘: Anmerkungen zu Dürers Philosophie-Holzschnitt für Konrad Celtis, in: Fuchs (Hg.), Konrad Celtis und Nürnberg; Wiesbaden: Harrassowitz, 2004, 117-139, hier 118. Vgl. Willeke: Ordo und Ethos im Hortus Deliciarum., 51. Es gibt übrigens eine Salzburger Miniatur des 12. Jhs., in der das Motiv der die Künste nährenden Philosophie dargestellt ist. Aufmerksam darauf hat erstmal Schuster gemacht, Melencolia I, 2, Abb. 64.
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Drittes Kapitel
Veränderung vorgenommen. An den vier Ecken des Dürerschen Blattes sind Darstellungen der vier Winde eingefügt. Wie die lateinischen Inschriften andeuten, symbolisieren sie zugleich die vier Temperamente: cholerisch, sanguinisch, phlegmatisch, melancholisch. Nach Erasmus charakterisieren diese das Sosein des tatsächlichen Menschen. Dürer porträtierte sich selbst mehrmals als Melancholiker, wie in der Sekundärliteratur einstimmig anerkannt worden ist. In dem Melancholie-Stich – ein Kapitel für sich der Dürerschen Philosophie nach 1513 und im Rahmen der sog. Meisterstiche – sind auch direkte Beziehungen zur Person der Künstlers und zu seiner melancholischen Veranlagung enthalten.14 Selbst in einem späten Werk, wie den monumentalen Vier Aposteln der Alten Pinakothek wirkt das Thema der Temperamente wie auch der damit verbundenen Physiognomik geradezu dominierend.15 Dürer konnte sich freilich auf eine reiche Überlieferung der Physiognomik berufen, darunter De animalibus libri XXVI von Albertus Magnus,16 bis hin zur Übersetzung der Characteres ethici des Theophrast (erste Ausgabe: Nürnberg, 1527), und dabei erneut auf die philosophische Tradition. Am 1. September 1527, gegen Ende seiner Laufbahn, hatte Dürer die Freude, dass Pirckheimer ihm das frisch aus dem Altgriechischen ins Latein übersetzte Buch der Charaktere widmete.17 Pirckheimer hatte das Buch der editio aldina von Gianfrancesco Pico della Mirandola erhalten. Auf diese Weise wird der „pictor doctus“ Ziel und Krönung einer ganzen Reihe humanistischer Gelehrter: Aldo Manuzio als Drucker, Pico als Vermittler, Pirckheimer als Übersetzer. Der Anfang der Widmung lautet: „Bilibaldus Pirckeymherus suo Alberto Durero s[alutem]. Lepidum hunc libellum a lepido quondam mihi amico donatum tibi, mi lepidissime Alberte, dono dare constitui non solum ob amicitiam nostram mutuam, sed quoniam pingendi arte admodum praecellis, cerneres etiam, quam affabre senex ille et sapiens Theophrastus humanas affections depingere novisset.“18 Im Laufe der Widmung wird noch einmal und eingehender Pico erwähnt und direkt mit Dürer verglichen: „Accepi illum dono olim graecum a doctissimo et amicissimo principe Iohanne Francisco Pico Mirandulae comite et domino Concordiae. 14 15 16 17 18
Das ist grundsätzlich die These von Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy. Schawe: Die Vier Apostel als Darstellung der Temperamente. In: Goldberg, / Heimberg / Schawe (Hgg.): Albrecht Dürer, 533-535. Ausgaben: Rom 1478, Mantua 1479, mehrmals in Venedig ab 1490. Theophrastou Charakteres. Cum interpretatione Latina per Bilibaldum Pirkheimheru, iam recens aedita. Norembergae, per Io. Petreium, Anno M.D.XXVII. Willibald Pirckheimers Briefwechsel, 4, 385, Z. 1-6.
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Nunc autem tibi quoque amicissimum, et graecum pariter dedico et latinum, ut studiosi habeant, quo se in utraque lingua valeant oblectare“.19 Am Ende der Widmung schreibt Willibald: „Tu vero, mi Alberte, benigne graphicam hanc Theophrasti picturam accipe et, si illam penicillo imitari nequis, mente saltem diligenter revolve. […] Ex aedibus nostris kal[endis] Septembris anno salutis MDXXVII“.20 Physiognomische Abhandlungen standen am Beginn des 16. Jahrhunderts häufig in Zusammenhang mit Astrologie und Mantik, welche die Temperamente vorgeben und also die Grundausstattung, von der aus der jeweilige Mensch seinen eigenen Lebensweg beginnt.21 Die Temperamentenlehre wurde von ihm zuweilen auch bei anderen Menschen gründlich untersucht. Auf dem Weg zum Seinkönnen ist das Sosein die erste und zugleich die Anfangsstufe, von der aus der jeweilige Mensch seinen Weg in die Nachahmung Christi entwerfen muss.22 Philosophie heißt also ein Vorgang, der den Menschen in seiner natürlichen Verfassung ergreift und ihn durch die Wissenschaften und die Vertrautheit mit der Welt hin bis zur Annäherung an die göttliche Vollkommenheit begleitet, welche sich in Christus bespiegelt. Damit realisiert Dürer das, was er vielleicht zur selben Zeit oder etwas früher auch in seinem Selbstbildnis im Pelzrock zum Ausdruck brachte, da er sich dort als christusähnlich (im Sinne der conformitas) porträtiert und die Merkmale der vier Temperamente symbolisiert und weitere Elemente gibt, die diesen Schluss ohne Weiteres ermöglichen. Manche Interpreten haben in diesem Gemälde auf numerologische Symbole hingewiesen, die Dürers Vertrautheit mit pythagoreischen Lehren erkennen lassen. Die „Zahlenmystik“ 23 durchdringt ebenso Celtis’ Lehre und das vorliegende Titelblatt. 1501 veröffentlicht der Humanist die Schriften der Dichterin Roswitha von Gandersheim (935-973), genauer gesagt, die ihr von Celtis zugeschriebenen. Hier wird die Behauptung hervorgehoben, Gott habe die Welt nach mathematischen Gesetzen und also nach Maß und Proportion geschaffen. 19 20 21
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Ebd, Z. 23-27. Willibald Pirckheimers Briefwechsel, 6, 286, Z. 41-47. In Bezug auf die Dürersche Produktion siehe Rebel: Die Modellierung der Person, 4557; Reißer: Physiognomik und Ausdruckstheorie; Fastert: Individualität versus Formel, 227-260; Tanaka: Dürers Porträtkunst, 217-226. Desiderius Erasmus: Enchiridion militis christiani. Handbüchlein eines christlichen Streiters, 1961, 122-125. Ryan: Conrad Celtis, 181-191.
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Das Dürersche Blatt visualisiert ein Programm, das ein komplexes Gefüge von sieben Tetraden entwickeln soll: die vier Temperamente; die vier Lebensalter; die vier Elemente;24 die vier Jahreszeiten; die vier Grundtypen des pflanzlichen Lebens (Trauben, Ölbaum, Ahorn, Eiche); • die vier Winde; • • • • •
• die vier Himmelsrichtungen. Die Zahl Vier war bekanntlich bei den Pythagoräern die Verkörperung der Gerechtigkeit.25 Vier ist sowohl 2 + 2 als auch 2 x 2. Nach der bösen Tat summiert sich eine genauso große Tat, die zur Gerechtigkeit führt. Leitend dabei ist die Idee der Symmetrie. Dagegen ist die Rache asymmetrisch (enthält ein Mehr als das, was die böse Handlung ergibt, und ist somit ungerecht). Nicht zufällig ist die Philosophia-Zeichnung perfekt symmetrisch, insistiert auf der Vierzahl und spricht von der divkaia, die aus der Furcht vor dem Göttlichen (qeovn tivma) entsteht, das jede u{briı bestraft. Es ist nun kein Zufall, dass dem Holzschnitt ein Modul von 1/28 zugrunde liegt. Das ganze Blatt misst 28/28. Ein jedes Element besteht aus einem Vielfachen von 1/28. Es liegt auf der Hand, dass 28 das Ergebnis von 7 x 4 ist.26 Es gibt außerdem Argumente, um sagen zu dürfen, dieser besonderer Aspekt der Darstellung sei auf Dürer selbst zurückzuführen: An den vier Medaillons sind unter anderem Graecorum Philosophi und Germanorum Sapientes angebracht.27 Diese sind durch Albertus Magnus verkörpert. In
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Erst Platon versucht im Timaios den atomaren Aufbau der Natur und die komplementäre Struktur der vier Elemente durchzudenken, die sich dann mit den anderen Ordnungsystemen des lebendigen Kosmos vernetzen lassen. Siehe Black: The Four Elements in Plato’s Timaeus. Dieses Thema wirkt in Dürers Tätigkeit als prägnantes Leitmotiv, wie ich auch im Rahmen der Schlussbetrachtungen hervorheben werde. Luh: Die Holzschnitte für Conrad Celtis, 70. Sapientes meint natürlich die „Weisen“ und Dürer verwendet das Wort gerade eben in dieser Bedeutung, wenn er schreibt z.B.: „Ich hab vernommen, wie der Siben Weysen auß Griechenland ainer gelert hab, das dy mass in allen dingen, sitlichen vnd natürlichen, das pest sey“ (Zit. aus „Entwurf für ein Buch über die Malerei“, vgl. Dürer / Rupprich II, 1966, 110). Für die Bedeutung dieses Motivs in Hinblick auf Celtis’ Nationalismus, siehe: Robert: Konrad Celtis und das Projekt der deutschen Dichtung;
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seinen Epigrammen rühmt Celtis Dürer als den neuen Albertus (Albertus Durerus galt als lateinischer Dürername, welcher im Selbstbildnis von 1500 genannt wird).28 Philosophi und Sapientes unterscheiden sich in erster Linie dadurch, dass sie die ersten Sucher und Begehrer der Sophia sind, diese aber noch nicht besitzen. Die zweiten haben dagegen durch die Offenbarung Gottes eine sapientia divina erworben.29 Dadurch aber, dass diese sapientia eine solche ist, die geliebt werden will und der gefolgt werden muss, sind auch die glaubenden Denker Freunde des wahren Wissens und auf der Suche nach ihm – und deswegen erneut und im wörtlichen Sinne Philosophi. Die Philosophie besteht also in der Erkenntnis und in der Nachfolge der göttlichen Offenbarung durch Christus und somit in der imitatio Christi. Dass die imitatio Christi als Titel für die Dürersche Philosophie gelten kann, möchte ich durch die Interpretation seiner entscheidenden Werke belegen. Die ‚Kenntnis‘ erfordert die Ausübung vom Maß in Geometrie, Zeichnen und Proportion; die ‚Nachfolge‘ die Ausübung vom Maß im moralischen Sinne der Mäßigung und des Verzichts auf Vermessenheit. Dass diese Nachfolge eine unendliche Aufgabe ist, weil wir nie zum vollen Wissen gelangen, entspricht der Lehre der Cusanischen docta ignorantia, und wie die Dürersche Philosophie gerade im Anschluss an Cusanus entsteht, das soll sowohl in historischer als auch in theoretischer Hinsicht begründet werden. Die Stultifera navis von Sebastian Brant hatte auf negative Weise die „indocta ignorantia“ dargestellt – Narrheit als Fehlen eines weisen Maßes30 – und so die Forderung nach einem positiven Weg bei Dürer wachgerufen. Brant nahm das pythagoreische Y für die zwei Wege des Menschen in seinem Narrenschiff (Kap. 107) wieder auf, das Dürer in einenchristlich revidierten Herkules am Scheidewege (1498) übersetzt.31 Dürer wird hier von Celtis mit Albertus Magnus verglichen, weil er wie dieser den Weg in die wahre sapientia gewiesen hat. Die Anspielung ist deutlich und wird insofern legitimiert: Das, was Albertus Magnus in der
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jüngst Schauerte: Der Herold an der Druckerpresse, 135-160; ders.: Die deutschen Apelliden, 34-43. Rezent erneut Robert: Dürer, Celtis, 65-77. Siehe jüngst Grebe: „Anderer Apelles“, 78-84, hier insbes. 82f. Als Beweis für einen solchen Gedanken gilt z.B. das um 1509 von Dürer entworfene Ex Libris für Pirckheimer, doch dazu mehr weiter unten. Gaier: „Plato noster“, 138. Grundlegend bleibt Panofsky: Hercules am Scheidewege. Wie Herakles am Scheideweg allen Abgrenzungsversuchen zum Trotz eine christliche Interpretation und Aneignung erfährt, und wie man die Passionsgeschichte vor diesem Hintergrund lesen darf, indem man spannende kulturgeschichtliche Perspektiven gewinnt, zeigt uns die Studie von Zilling: Jesus als Held. Odysseus und Herakles als Vorbilder, 199ff.
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gesprochenen Philosophie leisten konnte, das konnte Dürer in der symmetria und in der pictura erreichen. Die Symmetrie ist somit Ausdruck eines philosophischen Denkens und gehört zur Dürerschen spezifischen Weise des Philosophierens (neben dem Malens, d.h. der Darstellung des Lebendigen in seinem Sosein, so dass die beiden Pole, zwischen denen Dürer pendelt, in einem Atem genannt werden). Die Symmetrie, das Zusammengehören aller Teile in einem mevtron, ist Dürers eigene philosophische Leistung. Da aber die Symmetrie eine Proportion entstehen lässt, und diese die Art und Weise ist, wie Gott die Welt schuf, gehört Dürer der höchsten Stufe der philosophischen Leiter an, dort, wo sich die Philosophie mit der Theologie verbindet. Die Anspielung Albertus/Albrecht ließe auch die Wendung im Plural Germanorum sapientes rechtfertigen. Es handelt sich um eine Summe nicht nur der Rolle der Philosophie innerhalb der Wissenschaften und der Künste, sondern auch der Philosophiegeschichte in der damaligen Sicht. Ihre vier hauptsächlichen Entwicklungsstadien beginnen mit Ptolomäus, der die Ägypter und die Chaldäer vertritt, gefolgt von Platon und Aristoteles in Griechenland, weiter mit den römischen Dichtern und Rednern, verkörpert durch Vergil und Cicero, und mit dem schon genannten doppelsinnigen „Albertus“ enden. Es ist die Idee der Wandlung der Wissenschaft und somit der wechselnden Rolle der Völker auf der Bühne der Geschichte. Die Leiter mit sieben Sprossen hatte sich wahrscheinlich fest ins Dürersche Gedächtnis eingeprägt, wenn er in der Melencolia I an einem symbolisch dichten Szenarium ebenfalls eine Leiter mit sieben Sprossen darstellt, die mit der Philosophia von 1502 in Verbindung gebracht werden kann, 32 zumal auch aufgrund der Faszination der Zahlensymbolik.33 Die Inschrift der Philosophia entzieht sich durch das Latein dem unmittelbaren Verständnis. Sie wendet sich an die Humanisten. Latein stand galt damals im Dienste der Erneuerung der Sittlichkeit der Wissenschaft, des Unterrichts und der Künste und als Wiederbelebung der Politik im Sinne einer eindeutigen Stärkung der Reichsspitze. Die Bevorzugung des 32 33
Böhme: Albrecht Dürer. Melencolia I., 34. Diesbezüglich Zimmermann: Mensura; ferner auch Radke: Die Theorie der Zahl; im kultur-kunstgeschtlichen Kontext siehe an dieser Stelle van der Schoot: Die Geschichte des Goldenen Schnitts. Zur Interpretation der Leiter als Jacobsleiter (nach Gen. 28), Tugendleiter und scala artium siehe Böhme: Melencolia I., 32-35. Ferner Schuster: Melencolia I, 161ff. Die Leiter vom Himmel des Alten Testaments, zusammen mit dem Gedanke der ascensio durch Wissenschaft und Kunst in der scala artium hat eine reiche Überlieferung gebildet. Z.B. bei M. Capella reist Philologia in sieben Schritten (den sieben freien Künsten). Die Scala paradisi war immerhin ein vielzitierter Topos.
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Lateinischen signalisiert auf der einen Seite den Adressaten, das Publikum der ‚professionellen‘ Schöpfer der Kultur und das ist dasselbe Publikum, an das sonst eine philosophische Abhandlung adressiert werden konnte. Dasselbe gilt auch für das Selbstbildnis von 1500, bei dem die Wahl des Lateinischen und der Antiqua-Schrift sich gegenseitig in ihrer Aussagekraft bekräftigen. Eine weitere Verbindung des Philosophieblattes und des Selbstbildnisses aus dem Jahre 1500 besteht in der rein frontalen Ansicht beider und im Gebrauch der zentralen Symmetrie, so dass der Blick des Betrachters direkt in das kompositionelle Zentrum der Darstellung geführt wird. Hinzu kommen auch Inschriften auf Griechisch, die in diesem Blatt nicht zu übersehen sind – prw`ta qeo;n tivma: „Vor allem ehre Gott“ und pa`si divk aia nevmein: „Allen das rechte Maß zollen“.34 Auch hier wird es deutlich, inwiefern die menschliche Suche nach (Selbst)erkenntnis immer wieder mit der Frage nach der Gottessuche und dem richtigen Verhalten des Christen zu tun hat, wie es sich explizit in einem von Dürer erfundenen Ex-Libris für Pirckheimer aus dieser Zeit zeigt; indem nämlich in vier verschiedenen Sprachen sein Motto aufgeschrieben wird, ließ der fromme Pirckheimer nach Augustinus die Bedingung der menschlichen Möglichkeit für Weisheit aufzeichnen: Initium Sapientiae Timor Dei est.35 Celtis, Dürer und sein Freund Pirckheimer wollten in erster Linie Erzieher sein. Der Begriff Maß hat bereits hier eine tragende Rolle im moralischen Sinne der Gerechtigkeit. Die jüngste Literatur neigt deswegen dazu, sowohl das Münchener Selbstbildnis als auch die Melencolia I als Lehre der Gerechtigkeit zu interpretieren.36 Philosophia herrscht mit Krone und Zepter wie eine Königin; die frontale Ansicht ist sonst dem Pantokrator zu eigen, d.h. wiederum dem Herrscher im christlichen Sinne.
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Es handelt sich um zwei Halbverse aus dem Werk des Pseudo-Phokilides, übernommen von/aus der Editio princeps, die Aldus Manutius 1494/95 im Anhang zu den Erotomata von Konstantinos Laskaris gedruckt hatte. Celtis hatte das Buch 1497 durch Franciscus Bonomus zugeschickt bekommen. In der lateinischen Übersetzung, die neben dem Original gedruckt war, hießen die beiden Halbverse: „ Primum deum cole (deinde tuos parentes). Omnibus iusta tribue (nec iudicium ad gratiam trahe)“. Vgl. Luh: Die Philosophie, 80f. und die dort angegebene einschlägige Bibliographie. Aurelii Augustini OPERA OMNIA - editio latina, PL 34: De sermone Domini in monte, Liber II, 4. Eigentlich ist diese Stelle ja ein berühmtes biblisches Zitat (Eccl. 1, 16; Ps 110, 10). Zu diesem Ex Libris siehe Eser: Kat.-Nr. 14. In: Heilige und Hasen, 70. Vgl. Scheil: Albrecht Dürers „Melencolia I“, 201-214; Zitzlsperger: Dürers Pelz, 104-117.
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Im ersten Epigramm ruft Celtis Dürer zum neuen Phidias und Apelles aus und richtet an ihn die dringende Bitte, er möge ihm „unsere Philosophia“ zeichnen, die ihm alles denkbare Wissen vermitteln würde:
Des operam, nostram depinges Philosophiam / Cognita quae faciet cuncta sub orbe tibi [Mache Dich ans Werk, male unsere Philosophie / die Dir alles Wissen der ganzen Welt vermittelt]37 Es bleibt eine offene Schlussfrage, die wie ein Grundtenor meine Untersuchung begleitet. Diese kann so formuliert werden: Die Philosophie beruht vor allem auf Fragen und nur kraft dieser auf deren Beantwortung. Wie stellt sich im Bild eine philosophische Frage? Ferner: Es muss näher bestimmt werden, was eine philosophische Frage von einer nicht-philosophischen unterscheidet. In diesem Sinne haben wir einige feste Richtlinien: Die philosophische Frage ist eine Frage nach dem Ganzen. Sie betrifft etwa nach Aristoteles entweder die ersten unveränderlichen Dinge (erste Ursachen, Substanz, Gott, das Seiende als solches, die Veränderung selbst, sofern sie selbst unveränderlich ist) oder die veränderlichen Situationen der Ethik. Oder – etwa nach Kant – die philosophische Frage artikuliert sich so: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was dürfen wir hoffen? – Und insgesamt: Was ist der Mensch? Dies alles, und vielleicht noch mehr, soll am Dürerschen Werk ausgewiesen werden, damit wir ihn am Ende und ohne Weiteres als einen Philosophen ansprechen dürfen, und zwar nicht nur im Sinne einer besonderen und zeitgebundenen Bedeutung des Wortes (Celtis meinte damit, sehr allgemein formuliert, die „Liebe zu den Wissenschaften und zur Weisheit“),38 sondern im ausgeprägten, nachdrücklichen Sinne. Ich kann vorerst gegen Ende seiner Laufbahn, um 1525, ein Bild finden, das diesem ganzen Fragekomplex entspricht. Es handelt sich um die sogenannte „Bauernsäule“. Ohne das Werk an dieser Stelle eingehend zu interpretieren (vgl. Kap. 9), ist aus dem Vorstehenden zunächst klar, dass es vor allem eine Frage aufwirft, eine Frage nach dem Menschen, nach dem Sinn des Menschen auf der Erde, mit allen politischen und moralischen Implikationen. Ist die Arbeit nur Mittel zum Zweck, oder gibt es darin selbst ein Ziel, so dass die Instrumente der Arbeit mit Recht einem „Altar des Menschlichen“ angehören dürfen? Diese Frage impliziert die Gottesfrage: Gibt es 37 38
So in der Übersetzung von Robert: Dürer, Celtis, 71. Anzelewsky, Fedja: Dürer-Studien, 122.
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keinen Gott, dann ist die Arbeit nur zweckmäßig. Gibt es ihn aber, dann veredelt er jede Arbeit (und „Küe, schaff, schwein und allerley“ mit zusammengebundenen Pfoten lassen an göttliches Dankopfer Denken).39 So steht Gott im Zentrum von Dürers Fragestellung: Ist die Natur, die wir mit vielen Instrumenten bearbeiten, und die Pflanzen, Tiere, Dinge und Gebrauchsdinge umfasst, eine erste Substanz, oder vielleicht nur eine zweite? Anders gefragt: ist die Natur für sich seiend oder nur als die von Gott geschaffene und vom Menschen bearbeitete? Und was ist also denn mit dem Menschen? Wird er, anstatt das Tier, zum Opfer? Darf er hoffen, aus dieser Lage gerettet zu werden? Ist der Mensch wirklich frei oder nur scheinbar? Aus diesem Fragekomplex kann die moralische Frage gestellt werden: Was ist zu tun? Diese Frage scheint bei Dürer eine Priorität zu genießen, eine Prä-eminenz. Sie scheint einen Primat der praktischen Vernunft ante litteram feststellen zu wollen. Sein Spätwerk ist somit ein unmissverständlicher Ausweis für Dürer als ‚philosophus‘. Meine Bemühungen gehen indes einen Schritt weiter, und zwar dahin, zu sehen, ob dieser gesamte Komplex sich auch schon beim reifen Künstler Albrecht Dürer finden lässt. Seine Reife erlangt er ja, wie am nachfolgenden Beispiel seines Selbstbildnisses im Pelzrock exemplarisch verdeutlicht werden soll, genau um die Jahrhundertwende.
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Vgl. Dürer / Rupprich: III, 144.
4. Wieviel Philosophie steckt in Dürers Selbstbildnis um die Jahrhundertwende? Die erreichte erste Reife von Albrecht Dürer ist symbolisch durch das Jahr 1500 markiert.1 Die enge Zusammenarbeit mit Celtis und dem Nürnberger Humanistenkreis hat er in jeder Hinsicht viel zu verdanken, allem zuvor ein deutlich erkennbares Selbstbewusstsein, ein gesteigertes Autorschaftsbedürfnis, sowie eine potenzierte Fähigkeit, die Reflexion über sich selbst und seine Rolle als Künstler – genauer: als Meister einer nordalpinen Überlieferung –2 in der Zeichenpraxis und generell in der methodischen Zuwendung zu seiner schöpferischen Tätigkeit zu thematisieren.3 Damals malte er das letzte Selbstporträt in einer Reihe, die in den unmittelbar zurückliegenden Jahren wichtige Stationen hatte. Der Hintergrund, vor dem sein Selbstbildnis im Pelzrock befragt wird, gleicht der Grundfrage meiner Arbeit, nämlich inwiefern und unter welchen Voraussetzungen Albrecht Dürer als Philosoph betrachtet werden kann. Das spezifisch Philosophische, das in diesem Bild liegt, soll ans Licht kommen, und zwar in einer doppelten Hinsicht: (a) in welcher Weise bezieht es sich auf die philosophische Überlieferung seiner Zeit? (b) welche philosophische Grundfrage liegt ihm zugrunde und wie wird sie mit den Mitteln eines „malenden Denkens“ 4 behandelt? Vorwegnehmend möchte ich Folgendes feststellen: a) Dürer bezieht sich auf die philosophische Tradition, insbesondere durch die Aneignung einiger Schriften von Nikolaus von Kues sowie der (neu)platonischen Überlieferung. Dies ist historisch nachweisbar, wie die Forschung mit breitem Konsens belegt. Weitere Argumente und Aspekte 1
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Vgl. Panofsky: Das Leben, 3. Kap.: „Fünf Jahre rationaler Synthese, 1500-1505“, 113ff. Dürer widmet sich nun verstärkt der Theorie, die er praktisch in dem Kupferstich umzusetzen versucht. Die vier wichtigen Kupferstiche dieser Zeit können Panofsky zufolge auch als Studien eines bestimmten theoretischen Gebietes angesehen werden: Der „St. Eustachius“ für die Anatomie der Tiere, Weihnachten für die Perspektive und „Nemesis“ und „Adam und Eva (Sündenfall)“ schließlich für die menschliche Anatomie, wobei zumindest die Nemesis fast genau nach dem Proportionskanon des Vitruv aufgebaut ist. Ich halte es für eines der bedeutendsten Ergebnisse der jüngsten Forschung anlässlich der Dürer-Ausstellung in Nürnberg 2012, genau diesen besonders wichtigen Aspekt gründlich analysiert und hervorgehoben zu haben. Mehr dazu in Kap. 5: „Das Gelingen des Schönen und der Habitus vom Maß“. Jüngst Eser: Dürers Selbstdarstellungen, in: Der frühe Dürer, 255-259. Bocken: Sehen und gesehen werden, 95-108.
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der Dürerschen Beschäftigung mit Cusanischen Themen habe ich an anderer Stelle angeführt.5 b) Die philosophische Grundfrage des Gemäldes lautet meiner Ansicht nach: Was ist der Mensch? Ist er nur jeweils dieses Individuum hier und jetzt oder ist er in erster Linie ein bestimmtes Gattungswesen? Gibt es ein Modell dafür, wie der Mensch ist oder sein soll? Oder ist der Mensch weder bloßes Individuum im Hier und Jetzt noch bloßes Gattungswesen, sondern geistige Individualität, die in Raum und Zeit sich zur Erscheinung bringt? Derjenige, der so malend fragt, der fragt somit zugleich nach sich selbst – und zwar als schöpferischer Kunstmaler. Wie ist es für den Menschen möglich, schöpferisch zu sein? Etwa deswegen, weil er selbst ein Geschöpf ist? Wenn der Mensch geschaffen wurde, kann er ein wie auch immer geartetes Verhältnis zu seinem Urheber haben? Auf dieselbe Weise, wie er selbst geschaffen wurde oder doch anders und wie? Zunächst werde ich mich der Bildbetrachtung zuwenden, indem ich die wesentlichsten Aspekte dieses erstaunlichen Gemäldes mit besonderer Rücksicht auf die philosophisch und theologisch geprägten Bildelemente aufzeige. Ich bin mir allerdings einer Tatsache sehr bewusst: Dieses Bild „verbirgt mehr als es aussagt“.6
Albrecht Dürers Selbstbildnis im Pelzrock Die Münchner Holztafel (67 x 49 cm) (Abb. 1) stellt eine männliche Halbfigur frontalansichtig vor einem schwarzen Hintergrund dar, die Augen auf den Betrachter gerichtet.7 Der Porträtierte trägt einen Pelzmantel.8 Das Licht fällt von links und lässt in den Augen des Dargestellten ein Fensterkreuz widerspiegeln. Die Mittelachse ist stark betont. Die beiden Beschriftungen, links und rechts auf Augenhöhe lassen zusätzlich eine waagerechte Linie entstehen, die zusammen mit der senkrechten Mittelachse ein Kreuz bildet. Beide Anspielungen auf das Kreuz wurden als Bezeugung der Dürerschen christiformitas gedeutet, wie auch das Monogramm AD, das in dieser Stellung auch als Anno Domini gilt und damit indirekt noch ein 5 6 7
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Ich erlaube mir an dieser Stelle, auf das Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit zu verweisen, in dem die entsprechenden Beiträge aufgelistet worden sind. Grote: ‚Hier bin ich ein Herr‘, 49. Ich verweise hier absichtlich nur auf die zusammenfassenden jüngsten Beiträge zu diesem Bild, und zwar Bonnet / Kopp-Schmidt: Die Malerei der deutschen Renaissance, 94, sowie Robert: Deutscher Apelles – Dürer, Das Münchner Selbstbildnis. In: Der frühe Dürer, 68-70, und ebd. Brisman: Sternkraut, 206f. Spezifisch auf die Pelzschaube und deren möglichen Bedeutung als Attribut in diesem so rätselhaften Gemälde richtet sich die Studie von Zitzlsperger: Dürers Pelz.
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christliches Bekenntnis enthält. Die rechte Hand ist zugleich die ausführende Hand des Malers, die zum Herz als dem angenommenen Sitz der Seele zeigt und eine segnende Gebärde andeutet, wiederum im christlichen Sinn. Als wesentliche Elemente des Bildes sind also folgende hervorzuheben: 1. Die Inschrift und dessen Inhalt: Der Topos des artifex, 2. Naturalismus, doch ohne bloße Naturwiedergabe (conformitas), 3. Das Datum,9 4. Das Format: der Umgang mit der Geometrie,10 5. Spiegel und Reflexion. Diese Elemente werden im Folgenden behandelt. Begonnen sei mit der Inschrift. Zum ersten Mal in seiner künstlerischen Produktion bedient sich der Meister der Antiqua-Schrift, die sehr genau und fast wie gedruckt vor dem dunklen Hintergrund prangt. Die Schrift lautet quasi wie eine amtliche Urkunde über den Maler selbst (Albertus Durerus Noricus / ipsum me proprijs sic effin= / gebam coloribus aetatis / anno XXVIII): „Despite Dürer’s poor latin, the text is grammatically correct and lexically sophisticated: for instance, the painter adopted here a humanist surname Noricus alluding the province of Noricum incorporated into the Roman Empire. Mentioning the painter’s name in the inscription is quite obvious, although it was already given as the initials AD on the left side. What is less obvious is the word effingo and is grammatical form.“ 11 Sonst signiert er seine Gemälde entweder mit der Formulierung pingebat oder aber faciebat.12 „Dürer wrote effingebam, and not pingebat or faciebat, as he did in his other images. According to the Dictionarium latinogermanicum of 1535 effingo means, Jch mach ein außtruckte form / ich gestalte nach einer andren bildnuß. unde Effictio, Ein außtruckte / klare gestalt / oder dichtung. Effigies uide supra. Hence, effingebam can be 9
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Die Ausführung dieses Gemäldes wird nach Ansicht einiger Forscher etwas später als 1500 datiert, und zwar bis 1505 und sogar 1509, obwohl die Röntgenuntersuchung des Stücks sein Entstehen um 1500 zu bestätigen scheint. Damit werde ich mich hier aber nicht weiter beschäftigen. Vgl. Schawe: Kat.-Nr. 6 in: Goldberg / Heimberg / Schawe (Hgg.): Albrecht Dürer, 315-353 (mit Lit.). Wegweisend Winzinger: Albrecht Dürers Münchner Selbstbildnis, 43-64; dazu auch Gaus: Circulus mensurat, insbes. 449ff. Jurkowlaniec: Faith, 215f. Dazu siehe Rupprich / Dürer, I, 205-211.
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translated as ‚I expressed‘, which involves touching (expressing). In this respect Dürer’s self-portrait can be compared to Christ’s face expressed on Veronica’s veil. […] Furthermore, the sentence is put in the first person singular (effingebam) istead of the third person. Traditionally the third person had been used in such inscriptions, as if the image itself were speaking: ‚such-and-such made / painted me‘ (faciebat / pingebat). In this case, however, it is not the image that is not the subject, but rather the painter who painted his own likeness propriis coloribus – an equivocal expression which merits thorough scrutiny. The adjective proprius was translated in Dictionarium latinogermanicum as eygen (own, proper), but also as langwirig (long, interminable) ord best-endig (permanent, perennial). Thus, the expression propriis coloribus can be translated in various ways, firstly, as ‚with his own colours‘“.13 Ich glaube, es ist unberechtigt, das Wort „proprius“ nach dem Wörterbuch in seiner Bedeutung zu erweitern. Es bedeutet normalerweise entweder „eigen“ oder „geeignet“. Wenn etwas geeignet oder zweckmäßig ist, z.B. eine Farbe, dann wird es auch von langer Dauer sein und nicht durch Luft und Nässe verwischt werden. Nach Preimesberger erklingt in diesem Wort „effingere“ ein plastischer Wert. Ferner: „Anders und stärker als etwa mit dem Verbum pingere ist mit der feierlichen Wortwahl des effingere die Semantik des gottähnlichen Künstlers der frühen Neuzeit berührt, sofern man das Verb nur in jenem christlichen biblischen Kontext liest, den Dürers gemalte Christusähnlichkeit so eindringlich nahelegt“.14 Jüngst hat sich diesbezüglich auch Pfisterer mit überzeugenden Argumenten so ausgedrückt: „Die Inschrift in für Dürer bis dato ungewöhnlicher humanistischer Schrifttype rechts des Kopfes: ‚Albertus Durerus Noricus / ipsum me proprijs sic effin- / gebam coloribus aetatis / anno xxviii‘, bedient sich zudem erstmals bei Dürer der ‚Apelles-Formel‘: Denn Apelles signierte den Großteil seiner Werke bescheiden im Imperfekt, als ob er noch daran arbeiten wolle – laut Christoph Scheurl hatte Willibald Pirckheimer Dürer davon in Kenntnis gesetzt. Allerdings ist gerade auch das Verständnis dieser Inschrift, ihrer Bedeutung, Herleitung und Übersetzung, umstritten – als erste Annäherung lässt sich 13 14
Jurkowlaniec: Faith, 216. Preimesberger: „...proprijs“, 293.
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übersetzen: ‚Albrecht Dürer aus Nürnberg – ich selbst habe mich so mit angemessenen/ eigenen/ beständigen Farben im Alter von 28 Jahren (ab-)gebildet‘. Ausgehend von einer neuen Deutung dieser Zeilen können im Folgenden nur einige weniger beachtete Aspekte des Dürer-Porträts angesprochen werden, die den Sinn und Zusammenhang von Apelles und Christus-Ähnlichkeit verdeutlichen helfen. Die Wendung vom ‚Sich in seinen eigenen Farben Darstellen‘ hatten die Zeitgenossen Dürers wohl zunächst und unmittelbar als Abwandlung einer sprichwörtlichen Redensart erkannt: ‚Ich male dich in deinen Farben‘. Just im Jahr 1500 erschien etwa die erste Auflage der ‚Adagia’ des Erasmus von Rotterdam, einer enorm erfolgreichen, ihren Umfang in wenigen Jahren vervielfachenden Sprichwortsammlung, die zum Eintrag ‚Tuis te [de]pingam coloribus‘ die positiven wie negativen Bedeutungsaspekte der Vorstellung, jemanden unverblümt zu charakterisieren, erläuterte. Die Redewendung ließ sich prominent zumindest bis auf den Kirchenvater Hieronymus zurückführen, der auch schon von sich selbst gefordert hatte: ‚ich muß mich in meinen Farben malen‘. Später sollte sie dann etwa Johannes Eck mehrfach bei seinen Angriffen auf Luther gebrauchen und dabei auch antike Künstler zum Vergleich aufrufen: ‚weder Apelles noch Phidias hätten ihn [Luther] so genau darstellen können, wie Luther sich selbst in diesem Buch ›gemalt‹ hat‘. Dürers Selbstbildnis wäre damit jedenfalls kein Einzelfall: Auch andere Maler des frühen 16. Jahrhunderts zitieren Versatzstücke von (antiken) Sprichwörtern auf ihren Werken“.15 Bekanntlich hat sich Dürer während seines Lebens mehrmals porträtiert, d.h. er hat sich wiederholt mit dem eigenen Dasein künstlerisch konfrontiert. Das Selbstporträt gilt naturgemäß als erstrangige Quelle zur neuzeitliche Künstler- und Kunstgeschichte.16 Zur Entwicklung dieser Sonderform des Bildnisses hat Dürer mit der Serie seiner gezeichneten und gemalten Selbstporträts Entscheidendes beigetragen, und mit Chastel gesprochen: „Kein anderer Maler der Renaissance hat mit so viel Hartnäckigkeit alle Möglichkeiten der Selbstdarstellung erforscht“.17 Das Selbstbildnis von 1500 zeigt allerdings einige Besonderheiten gegenüber den vorherigen Porträts Dürers. Mit den gemalten Selbstbildnissen 15 16
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Pfisterer: Apelles im Norden, 12. Bia!ostocki: Begegnung, 25-45; Rebel: Albrecht Dürer, 177f.; Asemissen / Schweikhart: Malerei als Thema; Woods-Marsden: Renaissance Self-Portraiture; Marschke: Künstlerbildnisse; Pfisterer / Von Rosen (Hgg.): Der Künstler als Kunstwerk; Calabrese: Die Geschichte des Sebstporträts. Chastel: Zu vier Selbstbildnissen, 39f.
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von 1493 und 1498 klingt mehr und mehr an, dass es Dürer in diesen Jahren bewusst darum ging, vom einfachen Handwerker zum (gebildeten) Künstler zu werden und anerkannt zu werden,18 einen sozialen Aufstieg zu erreichen, was schon durch die gewählt-ambitionierte Kleidung bezeugt wird.19 Dieses Selbstbildnis hing ausnahmsweise im Atelier des Künstlers als eine Art Selbstdarstellung für das gelehrte Publikum seiner Besucher; das Bild ist rein frontal, d.h. in einer Haltung, die bis dahin nur der Darstellung des Göttlichen vorbehalten war.20 Es handelt sich darüber hinaus um sein erstes und letztes Porträt im Maßstab 1:1. Dies geht, meiner Ansicht nach, aus der Messung des Pupillenabstandes hervor, d.h. aus dem einzigen Befund, bezüglich dessen man auf die dritte Dimension völlig verzichten kann. Dieser Abstand beträgt 61,8 mm. Laut heutigen optischen Messungen liegt dieser Wert bei einem dreißigjährigen Mann bei durchschnittlich 62 bis 65 mm. Man darf also beim schmaleren Gesicht eines Mannes von vor 500 Jahren annehmen, dass dieser Wert einem 1:1 Maßstab entspricht.21 Dieser rein quantitativen Tatsache, die uns über den Willen des Künstlers belehrt, sich selbst wie vor einem Spiegel völlig ohne Effekte desselben und bis ins Detail gleich zu porträtieren,22 fügt sich eine Anekdote hinzu:23 Einzigartig und irritierend, so wie dieses Bild schon damals empfunden wurde, soll Dürers Hund selbst das Selbstbildnis abgeleckt haben, eben weil er das lebensgroße Bild für sein Herrchen selbst hielt. Dürers Hund täuschte sich genauso wie einst die Vögel, die versuchten, die Trauben zu picken, die der berühmte griechische Maler Zeuxis im 5. Jh.
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Vgl. Hess: Dürers Selbstbildnis, 70-74; Koerner: The Moment: 34-39; Satzinger: Albrecht Dürer. Die Bedeutung; Rebel: Albrecht Dürer, 122-124; Matilla: Durero, 88-91. Zuletzt Zitzlsperger: Dürers Pelz. Dittscheid: Symmorphos, 69f. Vgl. Filippi: Imitatio naturae, 109. Über die wachsende Rolle des Spiegel als Instrument des (Selbst)erkenntnis in der frühen Neuzeit siehe: Hartlaub: Zauber; Baltrušaitis: Der Spiegel; Kruse / Belting: Die Erfindung; Kacunko: Spiegel. Was die theologische Funktion der Spiegelmetapher im Cusanischen Sinne betrifft, verweise ich im Allgemeinen auf den Band von Konersmann: Lebendige Spiegel. In diesem Zusammenhang siehe auch Renz: Lebendige Spiegel, 95-107. Mehr spezifisch siehe den Sammelband: Spiegel und Porträt und rezent Filippi / Schwaetzer (Hgg.): Spiegel der Seele, insbes. die Beiträge von Stephan Grotz und Isabelle Mandrella; das Zusammenwirken von theologischen Reflexionen und der damaligen Malerei wird ebd. von Inigo Bocken, Harald Schwaetzer und mir erörtert. Ferner zum Spiegel bei Nikolaus von Kues vgl. Schwaetzer: Art. Miroir, 813-820. Vgl. Agthe-Natter: Das Bild des Hundes, 40f. und 68; jüngst: Robert: Dürer, Celtis, 69.
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v. Chr. gemalt hat.24 Die antikisierende Dürer-Legende feiert so im deutschen Renaissancemaler die Wiederbelebung des wohl berühmtesten Malers der Antike.25 Abgesehen von allen Legenden und dem Streit um das Bild steht fest: Das Selbstbildnis im Pelzrock ist ein Schlüsselwerk Dürers, und die Fragen, die es aufwirft, führen mitten in das Werk des Künstlers. Diese Geschichte, die übrigens auf altüberlieferte Würdigungen von Malern anspielt,26 erzählt uns von der verblüffenden Ähnlichkeit des Gemäldes, die jedes weitere Porträt des Nürnberger Malers übertreffen soll. Es handelt sich in der Tat um eine extrem genaue Malerei, die bis ins Kleinste alles wiedergibt, bis zur präzis dargestellten Haarlichtung an den Schläfen des Malers.27 „Germaniae novus Apelles“: so wird der Nürnberger Maler zunächst von seinem Freund Celtis gelobt.28 Die Quelle eines so ehrwürdigen Vergleichs ist in der Naturalis historia Plinius d.Ä. wiederzufinden. Hier wird Apelles’ außerordentliche Fähigkeit gerühmt, naturgetreu bis zur Täuschung des Betrachters malen zu können. Ferner bewundert der römische Autor die extrem beschränkte Farbpalette, mit welcher der legendäre Künstler solche Wunder hervorzauberte: es gegnügen ihm vier Farben, nämlich Weiß, Ocker, Rot und Schwarz. Dürer verwendet im Münchener Gemälde ebenso nur Bleiweiß, Bleizinngelb, roten Farblack und Beinschwarz.29 Wenn aber im antiken Topos ausschließlich die Treue zur Natur Gegenstand der Bewunderung war, so kommt bei Dürer das Thema der Nachahmung Christi hinzu. Die Nachfolge Christi war durch den christlichen Platonismus in das Milieu der Nürnberger Humanisten eingeführt worden. Die Glaubwürdigkeit in der Wiedergabe des Natürlichen scheint den Maler zur Nachahmung des Übernatürlichen zu befähigen, was übrigens auch bei flämischen Künstlern wie etwa Jan van Eyck und Rogier van der Weyden gezeigt werden kann.
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29
Siehe Peres: Nachahmung, 1-39; Schirra: Täuschung, 119-135; Mansfield: Too beautiful. Irle: Apelles, 123-135; Barkan: The heritage, 99-109. Siehe Mai / Wettengl (Hgg.): Wettstreit, 76ff.; Jurkowlaniec: Faith, 215. Koerner: The Moment, 164. Zu diesem Lobmotiv siehe Smith: Dürer as a portraitist, insbes. 65-77; KoppSchmidt: „Mit den Farben des Apelles“, 10-12; zusammenfassend Rebel: „Apelles Germaniae“, in: Schröder / Sternath (Hgg.): Albrecht Dürer, 17-26; Müller (Hg.): Apelles am Fürstenhof, siehe dort insbes. den Beitrag von Pfisterer: Apelles im Norden, 8-21, hier 11-13, sowie Böckem: Jacopo de’ Barbari, 23-33; rezent Grebe: „Anderer Apelles“, in: Der frühe Dürer, speziell 80-82. Schawe: Albrecht Dürer, 315; Kopp-Schmidt: „Mit den Farben des Apelles“, 11ff.
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Das Dürersche Selbstbildnis und die Tradition des Veronika-Bildes In der Literatur ist beinahe einstimmig festgestellt worden, Dürer porträtiere hier sich selbst als imago Christi,30 mit einer ikonenhaften Pose, die deutlich an die Tradition der vera icon erinnert. Die Argumente für diese Interpretation sind in der einschlägigen Literatur zur Genüge ausgeführt worden.31 Das Modell für das Aussehen des Nazareners war in Deutschland durch den vielverbreiteten Druck des sogenannten Lentulusbrief geprägt.32 Es handelt sich um ein damals als authentisch geltendes Schreiben von Publius Lentulus, einem Vorgänger des Pilatus, der dem römischen Senat das Antlitz Christi hatte beschreiben wollen:33 Apparuit temporibus istis et adhuc est homo magnae virtutis nominatus Jhesus Christus […] vultum habens venerabilem, quem possent intuentes diligere et formidare, capillos habens coloris nucis avellane premature et planos fere usque ad aures, […] frontem planam et serenissimam […] barbam habens copiosam capillis con colorem, non longam sed in medio parum bifurcatam; aspectum habens simplicem et maturum, oculis glaucis variis et claris existentibus […] speciosus inter filios hominum.34 Der Lentulusbrief will in seinem Kern als eine glaubwürdige „Personenbeschreibung“ Christi verstanden werden.35 Im 15. Jahrhundert erlebte 30
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Um lediglich die Beiträge zu erwähnen, die am häufigsten dieses Motiv behandeln, siehe, neben den bereits zitierten Preimesberger, auch Koerner: The Moment, 63-186; Schawe, Kat.-Nr. 6, in Goldberg / Heimberg / Schawe (Hgg.): Albrecht Dürer, hier 324-331; Dittscheid: Symmorphos, 63-79; Wolf: Schleier und Spiegel, 193-200 und 253-267; Filippi: Imitatio naturae; dies.: Umanesimo, 103-157; dies.: Die Unendlichkeit, 59-62. Vgl. Wolf: Schleier, insbes. 253-267; Helas: Lo „smeraldo“, 215-226. Schawe: Albrecht Dürer, 325. Heute gilt der Text als mittelalterliche Fälschung, die wahrscheinlich gegen Ende des 13. oder am Anfang des 14. Jhs im monastischen Kontext entstand. Vgl. Filippi: Il volto di Cristo, 67-83. Vgl. Baxandall: Pittura ed esperienze, 57-59; Helas: Lo „smeraldo“, 217; Filippi: Umanesimo: 141f. „Es erschien in diesen Tagen ein sehr tugendhafter Mann namens Jesus Christus, [welcher jetzt noch unter uns lebt und von den Heiden als ein Prophet der Wahrheit angesehen, von seinen Jüngern aber Sohn Gottes genannt wird. Ein mittelgroßer Mann von stattlicher Figur und sehr ehrwürdigem Aussehen, so daß die, die ihn sehen, ihn sowohl lieben als auch fürchten müssen. Sein Haar hat die Farbe einer völlig reifen Haselnuß, bis zu den Ohren beinahe glatt, von da abwärts etwas gelockt über seine Schultern wallend und nach Sitte der Nazarener in der Mitte gescheitelt. Seine
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dieser Text eine große Verbreitung, wobei er erst hier, ausgehend von Italien, die Form des Briefes erhielt.36 Der Brief gibt also Auskunft über das irdische Aussehen Christi wie Statur, Haarfarbe, Haar- und Barttracht. Die letzte Formulierung im Text bezieht sich auf Psalm 45,3, in dem Christus als „den schönsten unter den Menschenkindern“ beschreibt wird. Hier lässt sich ein gewisses Verhältnis mit dem Thema Schönheit bzw. der christlich-platonischen Schönheitslehre beobachten. Insofern scheint es mir an dieser Stelle von Bedeutung, auf eine Aussage Dürers aufmerksam zu machen, die lautet: „Dan zw gleicher weis, wysy dy schönsten gestalt eines menschen haben zu gemessen jrem abgot Abblo, also wollen wyr dy selb mos prawchen zw Crysto dem herren, der der schönste aller welt ist“.37 Ein kleines aus den südlichen Niederlanden stammendes Diptychon (Abb. 19), wie das Dürersche Gemälde um 1500 erstellt,38 zeigt auf der rechten Seite die Büste des segnenden Christus, der auf den Lentulus zugeschriebenen Text zu blicken scheint, dessen goldene Buchstaben das linke Bildfeld vollständig füllen. In der christlichen Kunst werden sonst in der Regel zwei Bilder einander gegenübergestellt und nicht wie in diesem Fall das Zusammengehen von Bild und Text. Das gemalte Bildnis Christi gleicht einem Medaillen-Porträt Christi, das genauso um 1500 von Italien aus in Umlauf kam.39 Der niederländische Maler verband das Porträt aber nicht mit dem Text, der sich auf der Rückseite dieser Medaille befand, sondern mit dem obengenannten Lentulusbrief in einer lateinischen Fassung.40 Dürers Selbstporträt aus dem Jahre 1500 entspricht völlig der oben in lateinischer Sprache wiedergegebene Beschreibung, die sich damals auch in
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Stirn ist offen und glatt, sein Gesicht ohne Flecken und Runzeln, schön, von angenehmem Rot. Nase und Mund sind so geformt, daß nichts daran zu tadeln ist. Der Bart ist wenig stark, in der Farbe zu den Haaren passend, von nicht sehr großer Länge. Seine Augen sind dunkelblau, klar und lebhaft. Sein Körper ist wohlgeformt und straff, seine Hände und Arme sind wohl proportioniert. Im Tadel ist er furchtbar, im Ermahnen freundlich und einnehmend, in der Rede gemäßigt, weise und bescheiden, vermischt mit Würde. Niemand kann sich erinnern, ihn lachen gesehen zu haben, aber viele sahen ihn weinen. Ein Mann, durch eigentümliche Schönheit die Menschenkinder übertreffend.“ Zit. nach der Übersetzung von Philine Helas für die Ausstellung in Köln (2005). Der Text ist online abrufbar. Vgl. auch Finaldi (Hg.): The Image, Kat.-Nr. 40, 94-97. Für weitere Quellen und anonyme Übersetzungen aus dem Jahrhundertwende siehe Saracino: Cristo a Venezia, 147. Aus einem Entwurf der Einleitung zum „Lehrbuch der Malerei“. Vgl. Dürer / Rupprich, II, 1966, 104. Öl auf Holz 38,5 x 27,3 cm. Utrecht, Museum Het Catharijnenconvent. Siehe Morello (Hg.): Il Volto di Cristo, 215-249; zu Burgkmair Kat. V. 7, 243f. Krischel / Morello (Hgg.): Ansichten Christi (2005).
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der privaten Bibliothek vom Dürers Freund Willibald Pirckheimer in einem Nürnberger Druck aus dem Jahre 1491 befand.41 Damit ist etwas formuliert, „was wir von Dürers Kunst längst kennen, nämlich die Doppelorientierung nach Religiosität und Weltlichkeit“.42 Typologisch situiert sich ein solches Bild in der Tradition eines Veronika-Bildes,43 die mit Jan van Eyck die allererste revolutionäre Anwendung in der Porträtkunst der Frührenaissance erfährt44 (Abb. 20). Man durfte hierzu so viele wertvolle Studien in den letzten zwanzig Jahren begrüßen, seitdem Hans Belting die enorme Bedeutung der Kunst in der „Erfindung des Gemäldes“45 im niederländischen Quattrocento erläutert hat, so wie des Umschlagpunktes vom Kultbild zum Kunstbild.46 Hier interessiert mich eher ein anderer Punkt, nämlich: Wie ist es möglich, auf eine Christusähnlichkeit anzuspielen? In der Tat hat man sich oft gefragt, wie man diese Angleichung erklären kann, ohne das Selbstbewusstsein eines achtundzwanzigjährigen, gerade namhaft gewordenen Malers der Blasphemie verdächtigen zu müssen. „Gewöhnlich entwirft der Maler (Gott als Schöpfer) ein Gemälde als Abbild einer Idee in seinem Geist (facit picturam ad similitudinem ideae). Im Falle seines Selbstporträts blickt der malende Schöpfer in einen perfekten Spiegel, in dem er sich selbst sieht – in der Gestalt des Sohnes, des Wortes der göttlichen Kunst. Und im Blick auf dieses ihm selbst wesensgleiche Urbild malt er das Bild des Menschen“.47 Die wenigen Ölgemälde Dürers sind in der Regel die Ausführung eines Auftrags. Nicht in diesem Fall. Die übrigen Selbstporträts Dürers – vor allem das heute im Prado (1498) – werben für eine emanzipierte Rolle des Künstlers. Das Münchner Selbstbildnis berührt so viele Bereiche, dass man darin ein ganzes Programm für die Kunst lesen darf.48 So wie sehr prägnant die jüngste Dürer-Ausstellung 2012 gezeigt hat: „Dürers gelungene ApellesNachfolge soll die europäische Überlegenheit des Nürnberger Künstlers und damit die vollzogene translatio artium et sapientiae erweisen“.49 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Filippi: Umanesimo, 143. Rebel: Albrecht Dürer, 164. Folgende sozusagen unumgänglichen Beiträge seien hier erwähnt: Belting: Bild und Kult; Spanke: Das Mandylion; Wolf: Schleier und Spiegel. Filippi: Umanesimo, 106-122. Damit ist der glückliche Titel angedeutet von Belting /Kruse: Die Erfindung des Gemäldes [neue Auflage: Belting: Spiegel der Welt]. Vgl. Belting: Bild und Kult. Borsche: Der ‚freie Spiegel‘, 115. Klinke: Dürers Selbstportrait. Robert: Dürer, Celtis. In: Der frühe Dürer, 72.
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Das reicht uns aber nicht, wenn wir das Rätselhafte und das Unerschöpfte in diesem Kunstwerk erfassen wollen. Schon Heinrich Wölfflin gelang treffend folgende Charakterisierung: „Das Porträt wirkt wie ein Selbstbekenntnis, wie ein Programm [...] Man findet etwas Christusmäßiges darin“.50 Dieses unwidersprechliche „Ähnlichkeitsspiel“, mit dem der Künstler bewusst umgeht, ist nicht abzustreiten, denn hier steht der Meister eben so absichtlich für sein Werk als Schöpfung eines „zweiten Gottes“. Es ist deshalb kaum überraschend, wenn man auch jüngst hat lesen können: „Die Forschung vertritt noch immer zwei unterschiedliche Interpretationen: der Christuskopf wird einerseits als Zeichen der Imitatio Christi und andererseits als Definition Dürers als Alter Deus verstanden“.51 Die vermeintliche Doppelspur lässt sich eigentlich als Alternative nur dann annehmen, wenn man nicht von Anfang an die ‚Doppelseele‘ der Renaissance sozusagen als nobles Präzipitat einer komplexen Auseinandersetzung mit verblüffenden Folgen für die Kunst wahrnimmt.52 Eine solche Aussage unterstellt immer schon ein Entweder-Oder, das in Wirklichkeit damals weder gemeint noch erlebt war; ganz im Gegenteil! Es ist insofern einen Versuch wert, diesem Doppelsignal im Dürerschen Selbstbildnis von 1500 nachzugehen, da man gerade in Bezug auf den von der Sekundärliteratur mehrfach betonten Einfluss des Cusanischen Denkens etwas Prägnantes entdecken kann. Von dem Apelles-Topos im Hinblick auf das „alter deus“-Motiv war bereits die Rede. Des Weiteren gehört es zum angestrebten Ziel dieser Arbeit, zu zeigen, wie und inwieweit es eine enge Verbindung zwischen der Natur des Dürerschen Selbstbildnis von 1500 und dem Cusanischen Erbe in Nürnberg um die Jahrhundertwende gab.
Der pictor doctus Die Studien zum Münchner Selbstbildnis haben frühestens seit den Fünfziger Jahren den Weg zwischen dem großen Philosophen von der Mosel und dem pictor doctus Nurembergensis geschlagen. Wegmarken in diesem Sinne sind zweifellos der Aufsatz von Werner Beierwaltes Visio facialis. Sehen im Angesicht,53 sowie die Monographie von Joseph Leo Koerner. 54 Ich habe selbst versucht, meinen Beitrag dazu zu leisten, indem ich z.B. den Kreis der Schriften des Nikolaus von Kues näher bestimmte, zu denen 50 51 52 53 54
Wölfflin: Die Kunst Albrecht Dürers,171. Hess: Dürers Selbstbildnis, 83. Die Studien dazu sind tatsächlich so zahlreich, dass ich mir an dieser Stelle erlaube, keine davon spezifisch zu nennen. Beierwaltes: Visio facialis, 3-42. Siehe Koerner: The Moment, 34-186; dazu auch Tritz: Ad imaginem, 197-230.
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Dürer Zugang gehabt haben mag.55 Diese Thesen werde ich im Folgenden zu einer Gesamtinterpretation des visuellen Textes zusammenbinden, und zwar mit der Absicht, zu zeigen, dass hier durch das Medium des Bildes philosophiert wird. Wenn uns die sorgfältige goldene Beschriftung auf der Tafel nicht darüber belehren würde, dass es sich eben um diesen – uns wohlbekannten – Menschen handelt, welcher sich selbst abbildete, könnte man wohl meinen, es sei hier ein segnender Christus in der Tracht des späten 15. Jahrhunderts zur Schau geboten. Mit anderen Worten, die Frage, ob es sich mehr um Dürer als um Christus oder mehr um ein Christusbild als um ein Dürerbild handelt, soll ohnehin offenbleiben. Hier sehen wir eine erste coincidentia oppositorum: Dieser historische Mensch hier und jetzt, im Jubiläumsjahr 1500, fällt sozusagen mit der Gottesperson zusammen. Imitatio naturae und imitatio Christi werden miteinander insofern identisch. Da es sich ferner um einen Künstler handelt, der sich selbst als zweiten Gott porträtiert, besteht eine weitere coincidentia darin, dass artifex und artefactum dasselbe sind.56 Man kann zumindest vier Stellen im Cusanischen Werk finden, denen für die spezifische Thematik Dürers – nämlich die eigene Zeit in Bilder zu fassen, indem er sich dem christlichen Gott näherte – eine außerordentliche Bedeutung zukommt, und welche dem Künstler vertraut gewesen sein dürften: 1. Der Dialog Idiota de mente ,57 2. Die Abhandlung De visione Dei, 3. Die Brixener Predigt CCLI (Nos revelata facie),58 4. Der Dialog De li non aliud.59 55
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Filippi: L’Autoritratto di Dürer del 1500: vertigine, 11-35; dies.: Im Zeichen; sowie dies.: „Quasi pictor,“, 147-173 und 175-197; rezent dies.: Umanesimo. In der vorliegenden Arbeit siehe Kap. 3. „Philosophieren in Nürnberg um 1500 – Einflüsse auf den Dürerkreis“. Zuletzt Bocken: Imitatio und creatio; Schwaetzer: Das lebendige Selbstporträt, insbes. 164-172; ders. in Schwaetzer / Hasler / Filippi: Raffaels Sixtinische Madonna, 35f. und 47. Ebd. siehe insbes. Kap. 13. Über die Rolle dieses Sermo in der Bestimmung eines für die Kirche von Santa Giuliana zu Vigo im Fassatal geschaffenen Freskowerkes ca. 1454 verweise ich auf Filippi: L’iconographie, 181-194. Was die dort sich widerspiegelnde Cusanische Lehre von der „visio circularis“ betrifft, vgl. Cuozzo: Visio circularis, 119-127, leicht verändert in ders.: Raffigurare l’invisibile, 189-194. Der cusanische Dialog wird in der Ausgabe von Konrad Celtis De li non aliud genannt. Diese Schrift ist heute eher unter dem Titel De non aliud bekannt. Des Weiteren
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Es handelt sich in allen Fällen um Texte, die zugänglich waren. Der Kardinal wendet sich an die Gläubigen in der Kirche, an die einfachen Mitbrüder eines Klosters, bzw. spricht in der Perspektive eines Laien oder in der Absicht, seine Gedanken auf eine klare Formel – das Nichts-anderes – zu bringen. Für einen pictor doctus wie Dürer war es keine allzu große Herausforderung, mit Hilfe seiner Mentoren und unter deren Führung zum Kern dieser Schriften zu gelangen. Wenn übrigens der bis auf Leonardo und auf die Zeit von Cosimo de’ Medici zurückreichende Spruch „ogni pittore dipinge sé“ damals auch durch die italienische Traktatistik weite Verbreitung fand,60 darf man annehmen, Dürer handle hier zugleich vom Wesen der Malerei, von ihrer Rolle und ihren Möglichkeiten im Großen und Ganzen, und das ist wieder ein philosophischer, reflektierender Zug seiner Kunst.61 Es sei hier en passant erwähnt: In derselben Zeit zwischen November 1500 und April 1501 schrieb Jacopo de’ Barbari als Hofmaler ausgerechnet aus Nürnberg einen an Maximilian I. gerichteten Brief über das Lob der Malerei bzw. über ihr Wesen, wobei er auch mit Aristoteles’ De anima argumentiert.62 In allen oben erwähnten Texten von Cusanus spielt das Thema des Spiegels und der Spiegelung/Reflexion eine unübersehbar zentrale Rolle. In De li non aliud wird es unmittelbar deutlich, da selbst noch der andere Titel, unter dem dieser Dialog bekannt wurde, in diesem Sinne mit Absicht zweideutig ist, nämlich: Directio speculantis: Anweisung für den Denkenden, d.h. für die im abstrakten Sinne Spekulierenden, die intellektuell Schauenden, aber auch die Reflektierenden oder – und vielleicht zugleich – für die Sichbespiegelnden, da es doch nichts Anderes ist, zu denken und sich in Gott zu bespiegeln. Im Übrigen durfte ein solcher Titel für einen Maler, der gerade mit dem speculum in seinen verschiedenen Bedeutungen umging, unwiderstehlich attraktiv sein.
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werde ich beide Titel verwenden, den ersten in Bezug auf die historische Ausgabe, den zweiten, wenn der Dialog als solcher und an sich gemeint ist. Zum Beispiel findet man den Spruch: „Ogni buon pittore dipinge sé“ in Pescetti: Proverbi (Venedig 1603), fol. 283r. Doch schon zur Dürerzeit war diese Redewendung etabliert. Vgl. Vgl. die Zusammenstellung bei Battaglia: Grande dizionario, 512, Nr. 20. Die gängige Prägung des Sprichworts ist abgedruckt bei Wesselski (Hg.): Angelo Polizianos Tagebuch, 72, Nr. 150. Zöllner: „Ogni pittore dipinge sé“, 137-160. Online abrufbar; rezent Scherer: Der Maler als Spiegel?, 71ff. Text kommentiert in Barocchi (Hg.): Scritti d’arte del Cinquecento I, 66-70; danach in Ferrari: Jacopo de’ Barbari, 175f. Dazu auch Anmerkung 1 auf S. 66 für weitere Literatur. Jüngst siehe Böckem: Jacopo de’ Barbari, 22-33.
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Bei Cusanus hat die Spiegelmetapher eine so große Bedeutung, dass etliche Beiträge explizit diesem Thema gewidmet wurden: Ich darf hier wenigstens an den Band Spiegel und Porträt erinnern,63 sowie an die Ergebnisse der jüngsten interdisziplinären Tagung.64 Dem Spiegel gebührt eine ausgezeichnete Funktion im Münchner Selbstbildnis, dem ersten Porträt im Maßstab 1:1 überhaupt.65 Der selbstportätierte Albrecht Dürer befindet sich zwar wie vor einem für jene Zeit ungemein großen Spiegel.66 Der übliche Unterschied aber zwischen Urbild und Spiegelabbild – dass nämlich das erste beständig, das zweite vergänglich ist – ist hier aufgehoben: „Mit unvergänglichen Farben“ – so übersetzen manche die lateinische Inschrift – 67 „hat sich Albertus Durerus Noricus verewigt“: Das Urbild gleicht also dem Abbild, da es um eine Einszu-Eins-Darstellung geht: „Es ist seinem Urbild nicht nur proportional ähnlich, sondern maßstäblich gleich [...] nicht eine verkleinernde similitudo, sondern mehr, eine aequalitas“.68 Da spielt sich genau ein Zusammenfall der Gegensätze ab.69 Dieses Bild besitzt, wie jeder Besucher der Münchner Alten Pinakothek feststellen kann, die Qualität eines Alles-Sehenden, insofern der Porträtierte den Eindruck erweckt, als ob er gleichsam alles und alle ringsum betrachte; er kann sozusagen zurückschauen und den betrachtenden Blick mit einem eigenen Blick erwidern. Kurz gesagt: sein Sehen fällt mit seinem Gesehen-werden zusammen, was bei Cusanus ein ausgezeichneter Fall der coincidentia ist. In den Monaten, oder möglicherweise Jahren, vor der Entstehung dieses Gemäldes wurde Dürer auch durch die Bekanntschaft mit dem venezianischen Maler Jacopo de’ Barbari indirekt dazu angespornt, sich mit dem Problem der Proportion und mit numerischen Aspekten der Perspektivlehre zu beschäftigen, insbesondere mit Vitruv und ferner mit Leon Battista Alberti. Wie beide Themen im hier untersuchten Bildnis aufgenommen sind, wurde öfters eingehend untersucht. 63 64 65 66 67
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Bocken / Schwaetzer (Hgg.): Spiegel und Porträt. Filippi / Schwaetzer (Hgg.): Spiegel der Seele. Anzelewsky: Albrecht Dürer, 170f. Ebd., 287ff. Wie schon oben bemerkt, bedeutet „proprius“ in erster Linie „eigen“ oder „geeignet“. Was geeignet ist, hält auch jedem Angriff stand und ist also beständig und somit unvergänglich. Preimesberger: „…proprijs“, 281. In diesem künstlerischen Kontext siehe Schneider: Aequalitas, 156-165. Was diesen Begriff in der Cusanischen Christologie zu bedeuten hat, zeigt uns die monographische Studie von Schwaetzer: Aequalitas; ders.: Das Verhältnis, 149-161; dazu siehe auch Leinkauf: Die Bestimmung, 180-211.
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Nun hat Dürer selbst mit seinem Interesse an italienischer Kunst immer wieder darum gerungen, sich die Perspektive zu eigen zu machen, und bekanntlich hat er seit etwa 1500 einen in mehreren Richtungen durchgeführten Versuch unternommen, sich die Vitruvianischen Maßeinheiten des menschlichen Körpers anzueignen.70 Es ist zu bemerken, wie nach Vitruv vor allem die Proportionen des Oberkörpers und des Gesichts zu gewinnen sind, die dann im Selbstporträt von 1500 dargestellt werden. Es fällt jedoch auf – ohne den Vitruv’schen Einfluss zu marginalisieren –, dass mehr noch als die Auseinandersetzung mit dem antiken Kanon es die Ikonen byzantinischer Tradition sind, welche überzeugende Modelle für die Gestaltung des Selbstbildnisses im Pelzrock liefern. In der visuellen Sprache der Byzantiner wurde der Pantokrator mit Hilfe einfacher geometrischer Formen dargestellt, wie Dreieck, Quadrat und Kreis. Studien zur Struktur unseres Bildes zeigen gerade die Anwendung solcher Schemata.71 Wenn man mit Rudolf Zeitlers Worten behaupten kann: „Die Frage nach dem Blick ist eine sinnvolle kunsthistorische Frage, denn sie gehört einem größeren Fragenkreis an“,72 dann scheint es ebenso legitim, aus der Sicht der philophischen Betrachtung – Cusanus docet – das Thema zu behandeln, speziell in der Renaissance, als der „neue“ Mensch anfing, gezielt nach seinem eigenen Blickwinkel und Standpunkt zu suchen.73 Anstelle der italienischen Perspektive nach Vitruv – und auch hier wiederum ohne deren Einwirkung zu negieren – adoptiert Dürer im Selbstbildnis eher eine „umgekehrte Perspektive“: nicht diejenige des Betrachters vor dem Bild, sondern die des allsehenden Blickes aus dem Bild, gerichtet auf den Betrachter und auf die Welt. In Hinblick auf diese Einsicht finde ich bei Pavel Florenskij und in seiner Abhandlung zur „umgekehrten Perspektive“ eine wertvolle Unterstützung.74 Man darf nämlich mit gutem Grund in Bezug auf dieses Bild behaupten, Dürer habe hier die perspektivische Pyramide des italienischen Humanismus gerade im Cusanischen Sinne umgekehrt: wie gemäß dem berühmten Beispiel von De visione Dei strahlt die Schau des Porträtierten in 70
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Siehe Winzinger: Albrecht Dürers Münchener Selbstbildnis, 50-56; Jürgens: Neue Forschungen, 143-164; Hess: Dürers Selbstbildnis, 64-67; Rebel: Albrecht Dürer: 168ff.; Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, 120ff., 145ff.; Kopp-Schmidt: „Mit den Farben des Apelles“, 17f. Winzinger: Albrecht Dürers Münchner Selbstbildnis, 43-64; Schawe: Albrecht Dürer: 324f; Dittscheid, Symmorphos, insbes. 70-75. Zeitler: Handlung, 156. In verschiedener Hinsicht und deswegen methodisch hilfsreich und komplementär sind in Bezug auf dieses Motiv folgende Studien wahrzunehmen: Damisch: L’origine de la perspective; Harries: Infinity and perspective, sowie Belting: Florenz und Bagdad. Florenskij: Die umgekehrte Perspektive.
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alle möglichen Richtungen, so dass jeder Mensch an verschiedener Stelle im Raum, wenn er das Porträt anschaut, sich selbst durch den als Christus erscheinenden Maler angeschaut fühlt. Die optische Pyramide geht also nicht vom Auge des Betrachters aus und in das Bild hinein, sondern umgekehrt, und mehr noch: Durch das Fehlen von jedweder Raumgestaltung bei der vor schwarzem Hintergrund hervorgehenden frontalen Figur wird außerhalb der menschlichen Proportionen jede perspektivische Suche vom Bild selbst zurückgeworfen. Und wenn man mit Recht bemerken kann, dass bei Alberti die Rede von der Pyramide nur im optischen Bereich verbleibt, wobei sie bei Cusanus eine metaphysische Bedeutung gewinnt,75 so muss man beide Hinsichten im Dürerschen Selbstbildnis anerkennen, die rein optische wie auch die metaphysische. Damit verbinden sich auf einfachste Weise das Gleichnis der Brixener Predigt und die Ausgangssituation, welche im Dialog Vom Sehen Gottes beschrieben wird. Die Umkehrung der Sehpyramide in der Perspektive des als Sehenden Porträtierten lassen zusammen mit der Sehpyramide des Bildbetrachters eine Figur entstehen, die Cusanus als „Vorbildfigur“ beschrieb – „ein neues Weltmodell“ 76 – nämlich die figura paradigmatica.77 Dieses Cusanische Denkbild war zur Zeit Dürers in Nürnberg durch den Arzt und Drucker Ulrich Pinder eingeführt worden;78 bereits in dessen Beschlossen gart (1505)79 – wofür die Dürersche Werkstatt eine ganze Menge Holzschnitte vorbereitete – sind Auszüge aus den Cusanischen Erörterungen zur figura paradigmatica enthalten. Diese Auszüge aus De coniecturis gehören somit zusammen mit den genannten Stellen zur Malerei zu den Cusanischen Texten, zu denen Dürer Zugang gehabt hat. Die Zusammenarbeit mit Pinder zählt also als weiteres belegbares Argument für die Dürersche Kenntnis von Cusanischen Schriften mit besonderer Rücksicht auf optische Probleme und auf die Formen der Spiegelung. Aufgrund des Gesagten ist also in Dürers Gemälde von 1500 ein vielfacher Spiegelungsvorgang anzuerkennen, der in den obengenannten Schriften des Cusanus eine theoretische Grundlage hat und eine genaue Entsprechung findet. 75
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Cuozzo: Bild, visio, 182: „Anhand einer Nebeneinanderstellung von Cusanus und Alberti zeigt er, wie die beiden eine spiegelhaft umgekehrte Auffassung der perspektivischen Pyramide hatten“. Böhlandt: Figurae paradigmaticae, 296. De coni. I c. 10 (h III, n. 45). Siehe Kap. 2: „Nürnberg um 1500“ in der vorliegenden Arbeit. Ulrich Pinder, Beschlossen gart des rosenkrantz marie, Nürnberg 9. Oktober 1505, 2 Bde. mit 1008 Holzschnitten. Dazu siehe die ausführliche Studie von Münch: Cum figuris, 1-91.
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Nur insofern nimmt Dürer die damalige Schule der Italiener auf seine Weise auf, als er die Perspektive in das Gemälde mit derjenigen aus dem Gemälde zusammenfallen lässt, so eine Identität von Bildbezug und Realitätsbezug herbeiführt und die Lehre der coincidentia oppositorum durch ein weiteres Beispiel erläutert. Bei Leon Battista Alberti sitzt der Gipfelpunkt der Perspektive im menschlichen Auge, und von dort aus erstrahlen die Fluchtlinien der Perspektive bis in das Bild hinein; ganz im Gegensatz dazu hat eine solche Pyramide in dem berühmten Cusanischen Experiment mit dem Bild des allsehenden Christus im Göttlichen ihren Ursprung und in der Welt ihre Ausbreitung und Erstreckung (geometrisch gesprochen: ihre Basis), und das in Eintracht mit der grundsätzlichen Lehre von complicatio und explicatio .80 Insofern gilt die perspektivische Pyramide der Italiener umgekehrt, und wenn man sagen darf, dass bei Alberti die Rede von der Pyramide nur im optischen Bereich verbleibt, wobei sie bei Cusanus eher eine metaphysische Bedeutung gewinnt, so erkennt man zugleich beide Hinsichten beim Dürerschen Selbstbildnis wieder, mit demselben Recht und ineinander: die rein optische, wie auch die metaphysische. Sie sind einfach nicht zu trennen! Was hat das zur Folge, insbesondere wenn wir die wesentliche Frage im Auge behalten, was das für den frommen Dürer zu bedeuten hat? Seitdem Nikolaus von Kues seine Überlegungen zum menschlichen Sehen und Gesehen-werden zur Sprache gebracht hat, haben Künstler das eminente Charakteristikum des Sehens Gottes verschiedenartig und mit verschiedenen Absichten visualisiert. Aufgrund der praktischen Erfahrung, die ein jeder vor solchen „figures of omnivoyance“81 erwerben kann, macht man sich für den Umschlag von der gewöhnlichen visio in die mystische visio bereit. Das erfordert eine Übung, ein exercitium, eine Erfahrung. Erfahrung heißt lateinisch experiri, woraus das Wort Experiment stammt. Im Mittelpunkt der Cusanischen Schrift De visione Dei steht ein solches Experiment, das den Mitbrüdern vom Kloster Tegernsee den Zugang zur „mystischen Theologie“ erleichtern soll. Dasselbe soll auch in Bezug auf das normale Sehen und Zusehen geschehen, damit „ein höchst fruchtbringende Schatz eröffnet wird“.82 Diese Erfahrung soll, wie Cusanus ausdrücklich hinzufügt, „in die allerheiligste Dunkelheit hineingeleiten“. Cusanus rekurriert auf eine Art „similitudo“. Er zeigt ein „simulacrum“, etwas, was für sein berühmtes experimentum taugt und für die stufenartige Übung, die anschließend beschrieben wird. 80 81 82
Zur Orientierung verweise ich zunächst auf die Überlegungen von Bredow: Complicatio, 1026-1028; Gandillac: Explicatio, 77-106. Koerner: The Moment, 127-138. De vis. Dei c. 1 (h VI, n. 1).
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Was aus den verschiedenen Phasen des Experiments hervorgeht, ist, dass das menschliche Sehen „gebunden ist an Zeit und Räume der Welt, an die einzelnen Gegenstände“;83 dagegen gilt: der „visus absolutus“, d.h. das Sehen Gottes, „umfasst in sich alle Sehweisen, und zwar alle so, dass es jede einzelne umfasst und doch von jeder Verschiedenartigkeit gänzlich frei bleibt“.84 Dadurch ist das Sehen Gottes ein Lebendigmachen: im Gegensatz zum menschlichen Sehen, das stets direkt dies und das anblickt, solange es sieht. Gott kann zugleich das sich gegensätzlich Bewegende wie mit einem lebendigen Blick anschauen.85 Weil das Sehen Gottes diese Dynamik gänzlich durchwandert und nicht am Einzelnen hängenbleibt, behauptet Cusanus: „Dein Sehen ist Wirken. Folglich wirkst Du alles“.86 An diesem Punkt entsteht die Möglichkeit für den Menschen, Verantwortung zu übernehmen und bewusst mitzuwirken, indem er an diesen dynamischen Verfahren teilnimmt. Darüber hinaus lässt sich auch Folgendes sagen: Einerseits beschäftigt sich Dürer mit sich selbst vor dem Spiegel – was auch durch die Gebärde der Hand bekräftigt wird, welche nach manchen Interpretationen in die Mitte der Brust als dem Ort des Herzens deutet. Preimesberger zufolge „drückt Dürers Geste auf den eigenen Körper die reine Selbstreferenz aus“:87 „Es ist ein tastender Selbstbezug. Es ist eine doppelt körperliche Selbstreferenz. Denn Dürers Geste ist zugleich eine Gebärde des Fühlens. Zwischen sie und den Körper hat er den braunen Pelz seiner Schaube gelegt, ein Meisterstück täuschender Naturnachahmung, ein trompe l’oeil, dessen nachgiebige Körperlichkeit Dürer durch das Tasten und Fühlen seiner Hand dem Betrachter suggestiv vermittelt.“88 Andererseits aber richtet der selbstporträtierte Maler seinen schweifenden Blick in die Welt,89 und auch durch die mit ebenso guten Gründen als segnend auslegbare (und tatsächlich so ausgelegte) Geste der Hand wendet er sich nach außen: Selbstbezug und Weltbezug werden dadurch identisch. 83 84 85 86 87 88
89
De vis. Dei c. 1 (h VI, n. 6). Ebd. c. 2 (h VI, n. 7). Ebd. c. 1 (h VI, n. 3). Ebd. c. 5 (h VI, n. 16). Preimesberger: „... proprijs“, 292. Ebd. Tactus ist dabei ein Motiv aus dem Wettstreit der Kunst der Malerei mit der Skulptur. Im Fall dieses Selbstbildnisses wird im Übrigen dadurch sichtbar, dass es hier u.a. auch um ein gemaltes Paragonemotiv geht. Als wichtiger Präzedenzfall in diesem Sinne hat Erwin Panofsky gesprochen: „Facies illa Rogeri Maximi pictoris“, 392-400.
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Diese coincidentia oppositorum hat nach Cusanus’ De visione Dei einen Bezug zur Freiheit: „Diese Kraft, die ich von dir erhalten habe und in der ich Dein lebendiges Abbild kraft Deiner Allmacht besitze, ist der freie Wille durch welchen ich entweder den Umfang deiner Gnade erweitern oder einschränken kann“.90 Eine Erweiterung des Selbst bis in die Welt hinein, wie auch und im Gegenteil die Einschränkung des Selbst durch Rückkehr von der Welt zu sich allein, setzen die Freiheit des Menschen voraus, welche beides zugleich vermag, den Zusammenfall beider.91 Man könnte diese Besinnung zusammenfassend so formulieren: Die Würde des Menschen manifestiert sich dort, wo man vom Sehen zum Betrachten kommt. In diese Richtung zielt auch Leinkauf: „[Erst wenn] der Mensch, durch seine Vernunft (intellectus) und seinen Geist (mens) geleitet, in Analogie zu Gott und, vermittelt, in Analogie zur Natur als der ‚ars Dei‘, selbst etwas hervorbringt;92 [...] erst einer Malerei, die selbst ‚philosophisch‘ würde, d. h. die die für Philosophie im Sinne des Cusanus grundsätzlich immer mit einzufordernde Selbstreflexion und damit die Einsicht in ihre unausweichliche Unabgeschlossenheit, Prozesshaftigkeit und Dynamik thematisch präsent hielte, könnte es gelingen, in der Darstellung von etwas Bestimmtem zugleich auch dessen unausweichliche Unbestimmbarkeit [...] mit-darzustellen. Dadurch würde im Endlichen das Unendliche mit präsent gemacht.“ 93
Vom Sehen Gottes – ein Genitivus absolutus In der 1453 verfassten Schrift De visione Dei werden die Grenzen der Sprache und ihre Überwindung durch das Bild von Cusanus meisterhaft gezeigt.94 Die von der Sprache erreichten expressiven Domänen bestehen im bereits angesprochenen spekularen Satz oder im genauso spekularen Gebrauch des 90 91 92
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De vis. Dei c. 4 (h VI, n. 11). Zit. nach Nikolaus von Kues: Textauswahl in deutscher Übersetzung, 3, hrsg. von Helmut Pfeiffer, 15f. Dazu siehe die prägnanten Überlegungen von Beierwaltes: Subjektivität, Schöpfertum, Freiheit, 15-31. De genesi c. 4 (h IV, n. 122-123): mundus = scriptus liber mit Referenz auf die ars pictoria; vgl. auch De mente c. 7 (h 2 V, n. 152); De vis. Dei, praefatio (h VI, n. 2); Sermo CCLI Nos revelata facie (Brixen, 1.11.1456), nn. 6-10. Leinkauf: Ut pictura, 53. Filippi: Parola vs immagine, 223-261.
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genitivus absolutus. Der Theologe beschäftigt sich damit sowohl in der zuvor genannten Schau Gottes, als auch in De non aliud.95 Gemeint ist damit zugleich das Sehen Gottes durch den Menschen und das Sehen des Menschen durch Gott: Die beiden Momente fallen in einem tieferen Sinne zusammen und ihre Verbindung ist durch die Ambiguität des Genitivs geleistet, der vor diesem Hintergrund im Folgenden als Genitivus absolutus bezeichnet werden soll. Und trotzdem drängt das Bild noch ein Stück voran, in dem es eine „alteritas sine alteritate“ zeigt, „quia est alteritas quae identitas“, wobei das Medium zwischen Identität und Nicht-Identität eben durch das Bild dargestellt wird, welches als similitudo sowohl Identität als auch Nicht-Identität ist.96 Indem er das Bild Christi anschaut, womit er sich in seiner Rede befasst, lässt Cusanus den kontemplativen Betrachter sagen: „Du, mein Gott, der Du die Liebe bist, bist die liebende Liebe und die liebenswerte Liebe und die Liebensverknüpfung von Liebendem und Liebenswertem. In Dir, mein Gott, sehe ich die liebende und die liebenswerte Liebe; und aus dem, daß ich in Dir die liebende und die liebenswerte Liebe sehe, sehe ich die Verknüpfung beider“.97 Wie ist hier eine Verbindung anstatt eines unerbittlichen Bruchs möglich? Diese Frage schlummert unbeachtet im Denken des Cusanus nicht weniger als in den herausragenden Theorien des Humanismus, etwa bei Alberti,98 aber ganz deutlich auch bei Ficino und Pico, und eben bei Albrecht Dürer. Und ein Schlüssel dafür ist meines Erachtens im Platonischen Timaios zu finden, und zwar nicht in der wohl berühmten Rede vom Demiurgen, sondern dort, wo Platon – mit der geometrischen Proportion im Kopf – behauptet, diese sei ein Beispiel des desmw`n kavllistoı, d.h. der schönsten aller Verbindungen, welche sich selbst und die Verbundenen zu einer solchen Einheit verknüpft, dass ein jeder der involvierten Teile (das Band so wie die verbundenen Glieder), obwohl er mit den anderen keinesfalls verwechselbar wäre, doch jeweils ihre Stellung und ihre Rolle aufnehmen kann. Die geometrische Proportion ist eben nur ein Beispiel davon. Bei 4:6=6:999 sind die Produkte der Mittelglieder und der Extreme gleich, so dass die Proportion beim Tausch der Glieder erhalten bleibt und die 95 96 97 98 99
Wyller: Zum Begriff ‚non aliud‘, 497-542. Zum problematischen Thema der ressemblance des Bildes Albrecht Dürers als Christus vgl. Didi-Huberman: L’autre miroir, 207-240. De vis. Dei c. 17 (h VI, n. 71). Zit. nach Nikolaus von Kues: Textauswahl in deutscher Übersetzung, 3, 63. Für eine ausführlichere Erörterung dieser Argumentation darf ich auf Filippi verweisen: Im Zeichen, 157-174. 6 ist 3/2 von 4; 9 ist 3/2 von 6.
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Vier sowohl als Bindeglied – oder Medium – als auch als Verbundenes und also Extrem gelten kann. Die Vier und die Neun können ihre Stellung im Bereich des Mediums vertauschen, wie auch in den Extremen. Eine solche Verbindung finde ich auch im Cusanischen Dialog De non aliud. Es ist nicht notwendig, bei Dürer eine genaue Lektüre (oder sogar ein Studium) des ganzen Dialogs vorauszusetzen, da auf den ersten Seiten (höchstens bis zum fünften Kapitel, also ungefähr auf zehn Seiten) die ganze Problematik des non aliud zusammen mit der Definition Gottes als des Nichtsanderes und mit dem Thema der coincidentia oppositorum sehr deutlich und mindestens in den Grundlinien nachvollziehbar dargestellt ist. Der Dialog beginnt mit der Anerkennung der Zentralität der Wahrheit und mit der Nennung der Definition als ihres natürlichen Ortes und vorzüglichsten Mittels ihres Wissens:
NICOLAUS: Abs te igitur in primis quaero: quid est, quod nos apprime facit scire? FERDINANDUS: Definitio. NICOLAUS: Recte respondes; nam oratio seu ratio est definitio. Sed unde dicitur definitio? FERDINANDUS: A definiendo, quia omnia definit. NICOLAUS: Bene sane! Si igitur omnia definit definitio, et se ipsam igitur definit? FERDINANDUS: Utique, cum nihil excludat. NICOLAUS: Vides igitur definitionem omnia definientem esse non aliud quam definitum?100 Die Definition ist ein besonderer Fall der Prädikation, bei der das Prädikat nicht etwas von etwas anderem aussagt, sondern dasselbe von demselben. Der Punkt aber, wonach der Dialog auf der Jagd ist, ist die verborgene Weise, in der die Definition dasselbe mit demselben verbindet. Die Kopula – das „ist“ – bleibt nur der Form nach dasselbe gleichgültige grammatische Bindeglied, das Beliebiges mit Beliebigem zusammenhält. Dem Wesen nach erfährt sie aber eine grundsätzliche Torsion zur Selbigkeit, und zwar sowohl mit dem Subjekt als auch mit dem Prädikat. Eine solche Nichtandersheit wird gerade in jener Definition deutlich, welche für jede weitere Begriffsbestimmung ermöglichend wirkt: „Nichtsanderes ist nichts anderes als Nichtsanderes“. Damit hat man schon laut Kapitel 1 etwas berührt, was „einen Vorrang an Genauigkeit und Wahrheit besitzt“.101 Im Kapitel 2 100 101
De non aliud c. 1 (h XIII, n. 3). Zit. nach Reinhardt / Machetta / Schwaetzer, 46. Ebd., 48f.
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wird das Nichtsanderes als Gott verstanden: Beide können ja mit Recht als erstes Prinzip und auch als Seinsgrund genannt werden, so „dass die Bezeichnung des ‚Nichts-anderes‘ uns nicht nur als Weg zum Ursprung dient, sondern den unaussprechlichen Namen Gottes näher umschreibt“.102 Diese ersten wenigen Zeilen des Dialogs genügen, um die Thematik der Erkenntnis Gottes mit derjenigen der Wahrheit in ihrer innigen Verbindung zu verknüpfen. In dem Satz „Nichtsanderes ist nichts anderes als Nichtsanderes“ sind die Verbindung und die Verbundenen miteinander austauschbar, wie in der schönsten aller Verbindungen des Platonischen Timaios. Die Idee Gottes und die seiner Erkennbarkeit gehen durch diese Art der Verbindung hindurch. So die deutlichen Worte des Cusanus wenige Seiten später: „Sehen wir uns also seine Definition in ihrer voll entwickelten Gestalt an, wonach das ‚Nichtandere‘ nichts anderes ist als eben das ‚Nichtandere‘! Wenn die dreifache Wiederholung des Gleichen die Definition der Ersten ist, wie du siehst, dann ist es selbst in der Tat dreieinig und das aus keinem anderen Grunde, als weil es sich selbst definiert“.103 Diese Dreieinigkeit, die auch in De visione Dei deutlich zum Vorschein kommt – „Du bist ja der Sehende, das Sichtbare und das Sehen“ 104 –, waltet in gleicher Weise in Dürers Selbstbildnis von 1500, in dem der Maler zum Bindeglied zwischen Christus und der Menschenwelt wird, identisch mit dem Einen sowie mit dem Anderen, und doch ohne seine Individualität zu verlieren, sondern im Gegenteil, indem er sie durchaus bewahrt und verewigt: Er ist also noch der Sehende, das Sichtbare und das Sehen. Der pictor doctus Dürer konnte insofern eine zusätzliche Dimension in die „Sehen und gesehen werden“-Dynamik eintragen. Bei Cusanus funktioniert es so: „Das Bild des All-Sehenden, das von Cusanus in De visione Dei entfaltet wird, scheint zwei Dimensionen miteinander verbinden zu wollen. [...] Der befremdende Blick, die unaufhebbare Möglichkeit anderer Sichtweisen, ist nicht nur eine endlose Bewegung von Bild zu Bild, von einer Sichtweise zur anderen [...], sondern ist letzlich Ausdruck und Bestätigung für das Zusammengehören von menschlichem und göttlichen Sehen, ein Zusammengehören, das als Prozess selbst die Bewegung der Theorie darstellt“.105 In dem Moment, als Albertus Durerus seine eigenen Augen und damit seinen eigenen Blick mit „proprijs coloribus“ auf der Tafel fixierte, vollzog sich eine Weiterentwicklung des Cusanischen Experimentes, die einen 102 103 104 105
Ebd., 52f. De non aliud c. 5 (h XIII, n. 18). De vis. Dei c.12 (h VI, n. 49). Zit nach Bocken: Sehen und gesehen werden, 102.
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Schritt weiter führte und aus der sich eine für die frühe Neuzeit ganz bedeutsame Erfahrung ergab, die zugleich dem Geist der naturwissenschaftlich orientierten Beobachtung entspricht, was im Fall Dürers immer signifikant ist. Es fällt auf, dass Dürers Blick in seinen Selbstbildnissen (auch im Fall des Weimarer Aktes) oft mehr oder weniger stark zweigeteilt erscheint. Ein Auge fixiert meist den Betrachter, während das andere eher unbestimmt in eine leicht abweichende Richtung schaut. Kurz: die Blickachsen seiner Augen divergieren. Auch auf dem Münchner Selbstbildnis weicht die Blickrichtung des linken Auges leicht nach links außen ab. Dieses Phänomen wurde bereits als „Schielen“ beschrieben und in Erwägung gezogen, dass Dürer tatsächlich einen entsprechenden Sehfehler hatte.106 Da auch Dürers greise Mutter auf der Berliner Kohlezeichnung deutlich schielt, wurde gar ein erblicher Makel vermutet. Doch das Charakteristikum der divergierenden Blickachsen kennzeichnet nicht nur Dürers Selbstbildnisse, sondern wurde vom Künstler in vielen Porträts eingesetzt. Da nicht davon auszugehen ist, dass alle diese Personen geschielt haben, gilt es zu überlegen, welche anderen Gründe solche Darstellungen des Blickes bedingt haben könnten, anders formuliert: Was hat es mit diesem „geteilten Blick“ auf sich? Vielleicht orientierte Dürer sich eben auch hier an den natürlichen Gegebenheiten und Grenzen der Wahrnehmung und wollte diese ins Bild bringen? Denn zum einen hat der Mensch in der Regel ein führendes, ‚dominantes‘ Auge, das für optische Fixierungen zuständig ist und zum anderen lässt sich durch eigene Beobachtung leicht feststellen, dass man immer nur ein Auge seines Gegenübers fixieren kann, während das andere gleichzeitig im Unbestimmten bleibt. Überdies wirkt eine solche leichte Divergenz der Sehachsen aber auch einem starren Blick entgegen, der viele mittelalterliche Porträts charakterisiert.107 Dürer erreicht so eine Verlebendigung des Blickes und kommt damit bestimmt und energisch Cusanus’ Vorstellung einer „viva imago“ entgegen. Die genaue Betrachtung der divergierenden Augen und Blicke ergibt, dass meist ein Auge einen konkreten, den Betrachter fixierenden, nach außen gerichteten Blick hat, während das andere eher unbestimmt schaut, wie das eines Menschen, der gerade in Nachdenken versunken ist und seine Aufmerksamkeit nach innen richtet. Es scheint, dass Dürer hier zwei verschiedene Arten des Sehens ins Bild bringt. 106 107
Dazu Heimeran: Hat Dürer geschielt?, 377f. Vgl. Mayer: Melencolia § I, 19. Darüber hat sich rezent geäußert Demele: Dürers Nacktheit, 154f. Demele: Dürers Nacktheit, 157.
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Als ein prägnantes Beispiel mag etwa das vermutlich Sebastian Brant darstellende Männerbildnis, eine Silberstiftzeichnung Dürers im Berliner Kupferstichkabinett dienen (KdZ 2229).108 Der Dargestellte blickt mit untätig zusammengelegten Händen mit seinem linken Auge wach und aufmerksam in Richtung des von rechts einfallenden Lichtes,109 während das rechte Auge eher nachdenklich versonnen schaut und in der Blickrichtung leicht nach rechts abgleitet. Der eine Blick wirkt nach außen gerichtet und aktiv, während der andere nach innen gerichtet und passiv wirkt.110 Einen aktiven und einen nur begleitenden Sehvorgang beschreibt Rebel auch für Dürers berühmtes Münchner Selbstbildnis im Pelz und spricht in diesem Zusammenhang vom „Sehen im Gesehenwerden.“111 Damit wird wiederum auf Cusanus’ De visione Dei rekurriert, wo es eben um den „Zusammenfall von Sehen und Gesehenwerden“ geht.112 „Wenn daher ein gemalter Blick auf einem Bild so erscheinen kann, als betrachte er zugleich alles und jedes einzelne, dann kann dies, da es die Vollendung des Blickes ist, der Wahrheit nicht weniger wahrhaft zukommen, als es dem Abbild oder der Erscheinung erscheinungshaft zukommt“:113 Die Einheit von konkretem, fixierenden Blick und nach innen gerichtetem, visionären Schauen scheint ebenfalls bei Cusanus anzuklingen. Der Ineinsfall von Gegensätzlichem, von Gott und Mensch, von unendlicher und endlicher Schau, gilt somit nicht nur als Hauptthema des Cusanischen Denkens,114 sondern auch als Herausforderung für diesen RenaissanceKünstler, der laut Wuttke auf der Suche nach einer neuen bildlichen Sprache war, wie seinerseits Luther, was das Wort angeht.115
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Diese Deutung zuerst bei Janitsch: Ein Bildnis Sebastian Brants, 75-78 (kurz danach als selbständige Studie vorgelegt: Das Bildnis). Zum Lichteinfall von rechts als Ausweis eines Nachtstücks siehe Demele: Dürers Nacktheit, 131ff. Hier können auch die christlichen Lebensformen der „vita activa“ und der „vita contemplativa“ assoziiert werden, wobei sozusagen die Einheit der beiden Gegensätze propagiert wäre. Vgl. Rebel: Albrecht Dürer, 175. Filippi: „Quasi pictor“, 169. So im Original zu lesen: „Quare sisi visus pictus apparere potest in imagine simul omnia et singula inspiciens, cum hoc sit perfectionis visus, non poterit veritati minus convenire veraciter quam eiconae seu apparentiae apparenter.“: De vis. Dei c1 (h VI, n.6). Filippi: „Quasi pictor“, 183. Vgl. Febvre: Martin Luther; ich folge hier der italienischen Übersetzung, 46, sowie Filippi: Dal rispecchiamento alla riflessione, 46.
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Die Sprache der „coincidentia oppositorum“ Die späte cusanische Schrift De non aliud – deren Kenntnis wir, wie gezeigt, in Grundzügen bei Dürer voraussetzen dürfen – entwickelt eine besondere Fassung der Lehre der coincidentia oppositorum in ihrer breiteren Ausformung, nach welcher nicht nur bei Gott, sondern auch in allen Wirklichkeiten ein Zusammenfall der Gegensätze stattfindet. Wie ich noch zeigen möchte, stellt dieser spezielle Fall des cusanischen Satzes damit eine Art Brücke dar, die zu Dürers bildnerischer Übersetzung dieses Grundprinzips führt. Man kann dies anhand einer bestimmten Frage verfolgen: Welche Sprache ist der coincidentia oppositorum adäquat? Ist die sonst für das Aussagen der Wahrheit gebrauchte Sprache dazu fähig, die coincidentia oppositorum aufscheinen zu lassen? Der gewöhnliche Aussagesatz, gebildet aus Subjekt–Kopula–Prädikat (S ist P), gilt gemeinhin als der Ort der Wahrheit, z.B.: „A ist B“, „A ist kein C“. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Sinn, zu behaupten, „A ist nicht-A“. In dieser Form können also nur widerspruchsfreie wahre Aussagen gebildet werden. Der Zusammenfall der Gegensätze ist jedoch gerade ein Widerspruch (formalisiert hieße es [A = A] = [A " A]), so dass die Struktur des prädikativen Satzes für die coincidentia oppositorum eigentlich untauglich wird. Die folgende Untersuchung muss also zwei Fragen hintereinander stellen, so dass die Beantwortung der ersten als Voraussetzung für die Stellung der zweiten gilt: Gibt es bei Cusanus eine sprachliche Struktur, die fähig ist, die Wahrheit der coincidentia oppositorum zu tragen? Die zweite Frage lautet dann: Gibt es auch bei Dürer ein analog gebildetes Geflecht in der Sprache des Bildes und der Kunst? Die Antwort darauf glaube ich im Dialog De non aliud zu erkennen, und zwar in den ersten Abschnitten desselben, auf welche ich hier meine Fragestellung beschränke. Wie bereits erwähnt, an einer Ausgabe dieses Textes – insbesondere der 20 Sätze oder Thesen, die den Text zusammenfassend abschließen – arbeitete um 1500 der Humanist Celtis,116 wobei er zuerst einmal an eine Nürnberger Ausgabe des Cusanischen Manuskripts aus dem Jahre 1496, das sich im Besitz von Hartmann Schedel befand, dachte.117 Wahrscheinlich betrachtete er die resümierenden 20 Thesen als besonders empfehlenswert für die Lehre sowie für die gemeinsame Diskussion, nachdem er den kurzen, dichten Text mit mehreren Gesprächspartnern 116 117
Vgl. Propositiones domini cardinalis Nicolai Cuse de li non aliud. In: Adel, Kurt (Hg.): Conradi Celtis, 83-91, aber speziell 87-91. Siehe Kap. 2 in der vorliegenden Arbeit.
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besprochen und durch Beispiele erläutert hatte, zu denen auch Dürers Selbstporträt gehört haben könnte. Die 20 Propositiones De li non aliud wurden tatsächlich 1502 durch Celtis als Herausgeber in Wien veröffentlicht.118 Am Beginn von De non aliud denkt Cusanus den Ineinsfall von Identität und Differenz bei Gott – wohl die Königin aller coincidentiae oppositorum:
NICOLAUS: Responde igitur mihi: quid est non-aliud? Estne aliud quam non aliud? FERDINANDUS: Nequaquam aliud. NICOLAUS: Igitur non aliud. FERDINANDUS: Hoc certum est. NICOLAUS: Definias igitur non-aliud! FERDINANDUS: Video equidem bene, quomodo non-aliud est non aliud quam non aliud. Et hoc negabit nemo. NICOLAUS: Verum dicis. Nonne nunc certissime vides non-aliud se ipsum definire, cum per aliud definiri non possit? FERDINANDUS: Video certe, sed nondum constat ipsum omnia definire. NICOLAUS: Nihil cognitu facilius. Quid enim responderes, si quis te „quid est aliud?“ interrogaret? Nonne diceres: „non aliud quam aliud“? Sic, „quid caelum?“; responderes: „non aliud quam caelum“. […] FERDINANDUS: Cum cuncti primum principium Deum appellent, videris tu quidem ipsum per li non-aliud velle significari. Primum enim ipsum fateri oportet, quod et se ipsum et omnia definit; nam cum primo non sit prius, sitque ab omnibus posterioribus absolutum, utique non nisi per semetipsum definitur. Principiatum vero cum a se nihil, sed, quidquid est, habeat a principio, profecto principium est ratio essendi eius seu definitio. […] NICOLAUS: Optime! Cum nos autem alter alteri suam non possimus revelare visionem nisi per vocabulorum significatum, praecisius utique li non-aliud non occurrit, licet non sit nomen Dei, quod est ante omne nomen in caelo et in terra nominabile, sicut via peregrinantem ad civitatem dirigens non est nomen civitatis. […] NICOLAUS: […] Ex his igitur nunc plane vides de li nonaliud significatum non solum ut viam nobis servire ad principium,
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Vgl. ebd.; ferner Reinhardt: Zur Überlieferung, 25f.
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sed innominabile nomen Dei propinquius figurare, ut in ipso tamquam in praecisiori aenigmate relucescat inquirentibus.119 In den ersten Kapiteln bildet er zur Klärung und zugleich zur richtigen Formulierung dieses Sachverhalts folgenden Satz: „Gott ist das ‚Nichtandere‘“ und – hierin besteht die Pointe – „Nichts-anderes ist Nichts-anderes als Nichts-anderes“ – „non-aliud est non aliud quam non aliud“.120 In dieser dreifachen Wiederholung desselben sieht der Theologe ferner auch eine Darlegung der Trinität. Kurt Flasch hat von diesem Satz gesagt: „Wir stehen hier vor einem Prüfstein des Cusanusverständnisses. Ist es ein bloßes Wortspiel oder ist es der Gipfel der Cusanischen Philosophie, dass er die Dreieinigkeit darin bestehen sieht, dass die Wendung ‚non aliud‘ dreimal in einem einzigen Satz vorkommt? Ich sage, dies ist der Höhepunkt der Cusanischen Philosophie.“ 121 Überprüfen wir zunächst die Struktur dieses Satzes: Nichtsanderes (Subjekt) ist nichts anderes (Kopula) als Nichtsanderes (Prädikat). Das „nichts anderes“ gehört zwar grammatikalisch zum Prädikat, dem Sinne nach jedoch zur Kopula (wie die Negation in den negativen Aussagen) und hat in der Tat die sprachlich abgewandelter Form einer Kopula mit doppelter Negation („Nichtsanderes ist nicht Nichtsanderes“), welche somit affirmativ wirkt. Alle Satzglieder sagen dasselbe, obwohl sie untereinander keineswegs verwechselt werden können. Der Satzbau der prädikativen, widerspruchlos urteilenden Aussage ist von innen gesprengt. Hier werden Identität und Andersheit durch eine solche Kopula miteinander verbunden, die wiederum das Zusammenfallen beider aufweist. Dieser Satz ist nicht negierbar: Seine Negation, etwa in der Wendung „Nichtsanderes ist etwas anderes als Nichtanderes“ ist offenbar widersprüchlich und wie jeder Widerspruch bestätigt und bekräftigt er seine Negation: Nichtanderes ist nichts anderes als Nichtanderes. Auch daraus geht deutlich hervor, dass die Wendung „nichts anderes“ zur Kopula gehört, da eben die negierende Funktion diesem Satzteil zusteht. Von einem tautologischen Satz, etwa „Das Selbige ist ja das Selbe“ ist er trotz aller Ähnlichkeit grundverschieden, wie auch aus der Lektüre des Dialogs deutlich hervorgeht. Es geht eher darum, „dem Geheimnis des ‚Nichtanderen‘ Ausdruck“ zu geben, es handelt sich um „die klare Erkenntnis, dass die Bezeichnung des
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De non aliud c. 1 (h XIII). Vgl. Reinhardt / Machetta / Schwaetzer, 48-53. Ebd., 48f. Flasch: Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, 565.
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‚Nichts-anderes‘ uns nicht nur als Weg zum Prinzip dient, sondern den unnennbaren Namen Gottes treffender umschreibt“.122 Somit scheint mir die erste methodische Frage vorerst beantwortet zu sein: Der Kernsatz des Dialogs De non aliud enthält die Sprache, die den Zusammenfall der Gegensätze von sich selbst her zeigt.123 Aufgrund dieses Befundes kann die zweite Frage gestellt werden.
Der Cusanische Satz in Dürers Bild Findet sich nun bei Dürer, in seinem Selbstbildnis im Pelz, diese einheitlich-gegliederte Struktur, und zwar in der eigenen Sprache der bildlichen Darstellung? Die verschiedenen Zusammenfälle von Gegensätzen, die ich im ersten Teil dieses Kapitels herausgestellt habe, deuten genau darauf hin. Die Schwierigkeit besteht nun darin, die von Haus aus bildnerische Sprache Dürers in die gesprochene Sprache zurück zu übersetzen. Wollten wir die verschiedenen schon herausgestellten Aspekte der Dürerschen Tafel zu einer einzigen Formel zusammenführen, wäre dies so zu formulieren: „Der Gott-Mensch mensch-göttlicht gott-menschlich“ – eine solche unschöne, schwindelerregende Formulierung müsste man dann wählen. Aber der entsprechende Inhalt lässt sich in Abweichung von der von Cusanus vorgegebenen Form auch sehr nüchtern darstellen. Fangen wir also mit dem sich selbst malenden Maler an. Er ist die Verbindung, die Kopula: verbindet den tatsächlichen Maler mit dem porträtierten Maler. Er wird hier als ein sich mit Farben verewigender Maler gezeigt. Als solcher kann er schaffen wie ein zweiter Gott. Was schafft er? Er schafft das Göttliche im Menschen, indem er das Menschliche in Gott abbildet, also Christus.124 Der fleischgewordene und hier als ein solcher dargestellte Gott ist nichts anderes als dieser Mensch hier, und die Verbindung beider ist nichts anderes als dieses Nichtsanderes. Nichtsanderes – mit anderen Worten – ist nichts anderes als Nichtsanderes. Die Verbindung – der sich malende Maler – ist ihrem Wesen nach mit dem Verbundenen gleich. Die imitatio naturae ist in diesem besonderen Fall möglich aufgrund einer inneren Identität mit dem, was imitiert werden soll, sprich der Natur. Genauso verhält es sich mit der imitatio Christi: Es führt kein äußerer Weg zur natura und zum Gottessohn, sondern ein Weg, der immer weiter in das Selbst führt. Hierin sehe ich die höchste Besinnung auf das Wesen der Malkunst mit den ihr eigenen Mitteln. 122 123 124
De non aliud c. 2 (h XIII, n. 7). Zit. nach Reinhardt / Machetta / Schwaetzer, 53. Dazu siehe auch Bocken: Sehen und gesehen werden, 157ff. Vgl. Santinello: L’uomo „ad imaginem et similitudinem“, 87-89; mehrmals dazu hat sich geäußert Schwaetzer: Das Verhältnis, 149-161; ders.: Homine mediante, 129-175.
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Beide entsprechen dem „schönsten aller Bänder“ (desmw`n kavllistoı), wie dies bei Platon gedacht worden war.125 Um das Ganze schematisch visualisieren zu können, erlebt man im Dürerschen Selbstbildnis exakt dasselbe Phänomen, wie der Theologe in seiner Schrift De visione Dei erklärt:126 einen annähernden Halbkreis der gegenseitigen Spiegelung zwischen Zentrum und Peripherie, sowohl mit jedem Punkt derselben als auch links- und rechtsgehend auf dem quasi Halbkreis. Das Mittel dabei ist das fingierte Experiment mit dem vultus omnia videns. Ziel ist es eben, dass der Genitiv – in der Wendung „Schau Gottes“ – tatsächlich ein simultan subjektiver und objektiver wird, was als zugleich mystisch und vernunftmäßig gedacht ist und gleichzeitig zur Kenntnis des Göttlichen wie auch des Menschlichen führt. Durch das vorher Gesagte kann man also vorausgreifend in Dürers Selbstbildnis eine vielfache Spiegelung erkennen, die in den genannten Schriften des Cusanus eine genaue theoretische Grundlage hat und eine ebensolche Entsprechung findet: a) Der Gottvater spiegelt sich wie ein Porträtmaler in der imago viva des Sohnes, also des Christus, wider. b) Diese imago viva des Christus als speculum sine macula zu spiegeln ist wiederum das Ziel der christlichen Idee der imitatio Christi. c) Durch sein Tun und Schaffen spiegelt sich der Maler wie vor einem wirklichen polierten Spiegel und zugleich in Gott durch das lebendige Spiegelbild des Christus. Zwar ist dieses Bildnis des Malers keine viva imago in dem Sinne, dass sie sich etwa weitermalen könnte, wie in dem Cusanischen Gleichnis, in dem der Maler für Gott steht. Dürers Bildnis ist vollkommen und endgültig: das „effingebam“ ist zwar eine „Zeitform des Unvollendeten“, wie Preimesberger bemerkte,127 weil ja die Gottähnlichkeit des Menschen ein nie abgeschlossener Prozess ist. Deshalb teile ich auch die Interpretation von Daniel Hess nicht, der meint: „Das Imperfekt des Verbes ‚effingere‘ verweist auf die langdauernde und sorgfältige Arbeit. Normalerweise sind solche Verben im Perfekt verfaßt; so heißt es meistens ‚pinxit‘“.128 Der Form nach zeigt das Bild aber eine bis ins Detail gehende Vollkommenheit, die dadurch bekräftigt wird, dass zugleich ein genaues Datum und ein Lebensalter des porträtierten Malers angegeben werden. d) Das Bild des Künstlers ist aber – wenn also nicht ein im engen Sinne lebendiges – wohl auch kein totes, weil es imstande ist, in die Welt 125 126 127 128
Filippi: „Unitatis et alteritatis constrictio“, 83-92. Filippi: L’Autoritratto di Dürer del 1500: vertigine, 32-34. Preimesberger: „...proprijs“, 293. Hess: Dürers Selbstbildnis, 80.
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hineinzustrahlen und den Betrachtern in die Augen zurückzublicken. Es ist keinesfalls die schöpferische Schau Gottes, aber in hohem Grade eine Mahnung an die imitatio Christi. Nur auf diesem Weg wird es für den Maler möglich, die Perspektive umzukehren und die Welt aus der Gottesperspektive und in Zusammenfall mit dieser zu betrachten. Der Ineinsfall von Gegensätzlichem, von Gott und Mensch, von unendlicher und endlicher Schau, ist das Hauptthema des Cusanischen Denkens. So stellt uns der Maler eine Art Leiter vor Augen, die bis zur Hineinversetzung in Gott führt (Dante würde hier den Ausdruck „indiarsi“ verwenden). Von der hiesigen Gegenwart führt letzten Endes ein Weg zum Göttlichen und insofern, als das Jetzt in Verbindung mit dem Ewigen gebracht wird, ist diese Gegenwart, philosophisch betrachtet, ein Ganzes. „Jedes Bild ist zunächst, als ‚Bild‘, die Darstellung von etwas anderem, von etwas, was es selbst nicht ist, das aber, durch die Verbildlichungsleistung doch zu einem – genauer zu bestimmenden - Moment an ihm selbst wird. Jedes Bild ist zugleich auch, und zwar unausweichlich, zunächst eine Verstetigung, Stabilisierung und Verfestigung des Abgebildeten“ 129, schreibt Leinkauf. In diesem Sinne ist das Dürersche Selbstbildnis ein Bild in einem sehr speziellen Sinne. Die Andersartigkeit schließt sich nämlich in ihm zu einem Kreis: Gott als Urbild bildet den Menschen als sein Abbild ab. Der Mensch bildet seinerseits sich selbst ab. Das so entstandene Bild schließt den Kreis: Es entpuppt sich selbst zugleich als ein göttliches Bild, und Christus wird durch die ikonenhaften Pose in die unzertrennliche Einheit zu Gottvater gerückt. Von Verstetigung, Stabilisierung und Verfestigung kann nur die Rede sein, insofern alle drei Momente in sich selbst stetig, stabil und fest werden. Die Zirkularität erzeugt jedoch eine interne Bewegung, welche die Verstetigung von der Monumentalität, die Stabilisierung von der Starrheit, die Verfestigung von der Rigidität fernhält.
Das Selbstbildnis Dürers als „viva imago“ Was macht nun dieses Münchner Bild zur viva imago? Es ist vor allem eine Frage der Wahrheit, wie der Theologe deutlich sagt: „Quare sisi visus pictus apparere potest in imagine simul omnia et singula inspiciens, cum hoc sit perfectionis visus, non poterit veritati minus convenire veraciter quam eiconae seu apparentiae apparenter.“ 130
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Leinkauf: Der Bildbegriff, 100. De vis. Dei c. 1 (h VI, n. 5).
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Dennoch – betont Cusanus häufig – gibt es ja eine tote und eine lebendige Wahrheit.131 Die erste bildet eine genaue Entsprechung zur Realität in einer wahren Aussage. Die zweite ist Gott selbst als Wahrheit.132 Er ist „Theos“, der Allseher, nicht nur weil er jede Wahrheit wahrnimmt, sondern eher als Ermöglichungsgrund oder als Vollendung jeder Wahrheit. Mit anderen Worten: „Die Tatsache, dass wir die göttliche Wahrheit jeweils auf unsere Weise sehen und ihr Ausdruck verleihen, bestätigt, dass unser Sehen tatsächlich in den göttlichen Vollzug der Wirklichkeit involviert ist“.133 Sein Sehen ist kein totes, passives Anerkennen, sondern ein lebendiges, tätiges Entstehen-lassen. Ohne dieses absolute Sehen – bemerkt der Theologe – „kann es kein verschränktes geben“.134 Deshalb sagt Cusanus im ersten Kapitel von De visione Dei: „Wenn daher ein gemalter Blick auf einem Bild so erscheinen kann, als betrachte er zugleich alles und jedes einzelne, dann kann dies, da es die Vollendung des Blickes ist, der Wahrheit nicht weniger wahrhaft zukommen als es dem Abbild oder der Erscheinung erscheinungshaft zukommt“.135 Die Panoptizität oder Allseherkraft steckt gerade im Zentrum der Cusanischen Schrift „Vom Sehen Gottes“. Hier beginnt der Kardinal mit der Beschreibung des Bildes, das er an die Mönche von Tegernsee zusammen mit dem Text zugeschickt hat, und anhand des darauffolgenden Experiments wendet er sich im Laufe seiner Rede an vier Gesprächspartner: an die Mönche, an Gott, an Christus und an sich selbst. Diesmal spricht er zu Gott und zu Christus, ohne die ontologische Rolle des Vaters und des Sohnes explizit zu behandeln und zu unterscheiden, da der Sohn als speculum sine macula dieselbe Panoptizität des Vaters besitzt. Gerade an vergleichbare vier Adressaten wendet sich Dürer mit seinem Selbstbildnis von 1500: an die Humanisten seiner Stadt, unter denen er sich mit der lateinischen Inschrift angesiedelt versteht;136 an Gott in seiner Dreieinigkeit, und deshalb natürlich auch an Christus, in dessen Lage er sich deutlich und bis zur Identifizierung hineinfühlt; und an sich selbst, mit dem er sich direkt im Spiegel und auf der Tafel konfrontiert. 131 132 133 134 135 136
Dazu Eisenkopf: Das Bild, 49-74; Bocken: Waarheid in beeld; ders.: (Nicht-) Sein und (Nicht-) Werden, 53-55. Ähnlich spricht Cusanus vom numerus vivus, in De beryllo. Siehe Rusconi: The nature of mirror, 99-104. Ferner: Eisenkopf: Zahl und Erkenntnis. Bocken: Imitatio und creatio, 204. De vis. Dei c. 2 (h VI, n. 7). Ebd., c. 1 (h VI, n. 5). Übers. Dupré. „Tatsache ist, dass Dürer für sein spezielles Publikum, die Humanisten, ein äußerst beziehungsreiches Werk schuf“ – so Jürgens: Neue Forschungen, 150. Rezent siehe Robert: Dürer, Celtis. In: Der frühe Dürer, 69.
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Da, wo er in schöner, goldener lateinischer Antiqua-Schrift „ipsum me propriis sic effingebam coloribus“ aufschreibt, spricht er in erster Person in alle diese Richtungen und scheint die Rede des Cusanus aus De visione Dei und sein Gleichnis wiederaufzunehmen und in die Richtung des tatsächlich vorkommenden Malers ein Stück weiter zu führen: „Wie ein Maler, der verschiedenen Farben mischt, um sich selbst abbilden zu können in der Absicht, sein eigenes Bild zu haben, an dem sich seine Kunst freut und in dem sie ruht“.137 Dieses Bild des Malers ist eine viva imago, weil es zurückblicken kann und sein Sehen sich mit dem Betrachter bewegt und stillsteht, wenn er stillsteht. Und diese Eigenschaft teilt es allerdings auch mit vielen anderen, die es selbst zur Cusanischen Zeit gab. Cusanus nennt einige Beispiele am Anfang seiner Abhandlung. Das erstgenannte ist ein Bogenschütze in Nürnberg. Dürer konnte in seiner Pfarrkirche zu St. Sebald immer ein Beispiel einer vera icon vor Augen haben, welche damals sehr berühmt und Ziel von Pilgerfahrten war.138 Nur schaut das Bild einem nicht allgemein und leer entgegen, sondern mit einer bestimmten Aufgabe und mit einem wahrhaften Inhalt, indem es in erster Person zur Nachfolge Christi als Ebenbild Gottes mahnt und aufruft. Und das, wie wir gesehen haben, mit jener Wahrheit, welche die tätig-lebendige und nicht die bloß tot anerkennende ist. Nikolaus behauptet im innigen Gespräch mit Gott: „Du bist da, […] wo Sehen mit Gesehenwerden zusammenfällt“.139 Das Sehen ist längst viel mehr als eine schöne Metapher Gottes, wenn Cusanus selbst behauptet, Gott „wird ja deshalb so, der Theos genannt, weil er alles schaut“.140 137 138
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De vis. Dei c. 25 (h VI, n. 116). Vgl. Katalogeintrag in: Fajt Jirí (Hg.): Karl IV. Kaiser von Gottes Gnaden., Nr. 126, Farbabb. auf S. 389 (Markus Hörsch, Charles T. Little). Darüber schreibt Matthias Mende: „Mit seinem christomorphen Selbstbildnis von 1500 hatte Dürer auf die vera icon Bezug genommen. Da Gott nach der Genesis den Menschen nach seinem Bilde schuf, suchte Dürer einen Abglanz göttlicher Schönheit in den eigenen Zügen. Eine um 1370/80 vermutlich in Prag entstandene Kopie der römischen vera icon hatte Dürer in St. Sebald in Nürnberg, Hauskirche der Familie Dürer, ständig vor Augen. Das Fest zu Ehren des Heiligen Antlitzes fiel auch in Nürnberg auf den zweiten Sonntag nach Epiphanias. Man kann davon ausgehen, dass die Kopie aus der Zeit Kaiser Karls IV. bei dieser Gelegenheit in der Sebalduskirche auf einer Altarmensa besonders zu Schau gestellt wurde. Diese für sein Selbstbildnis von 1500 als Vorbild bisher nicht berücksichtigte Temperamalerei auf Pergament wurde 1494 durch Marcus Hirschvogel (1456-1504) – den Propst von St. Sebald – ‚verschönert‘ (in hunc modum adornari), vermutlich gerahmt. Erst jüngst ist das Bild aus St. Sebald in Privatbesitz wieder aufgetaucht“, in seinem Artikel: Norimberga – Dürer – Roma, 26f. De vis. Dei c. 12 (h VI, n. 47). Ebd., c. 1 (h VI, n. 13).
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Da nun nach der Brixener Predigt die Differenz zwischen Christus und Mensch in der verschiedenen Ebenbildlichkeit liegt, kann eine Verbindung zwischen beiden nur wiederum durch den Maler erstellt werden, der durch seine Kunst diesen Unterschied zum Zusammenfall werden lässt. Und das ist eben jenes, was die viva imago des Malers selbst leistet. Gott spiegelt sich in Christus, dessen wahren Bespiegelung Ziel des Menschen ist. Die Verbindung zwischen Gott und Christus ruht auf der Liebe, die zwischen Christus und dem Menschen in einer imitatio bis zur Grenze der Identität bestehen kann.141 Wie ist diese Verbindung näher zu verstehen? Ich werde in einem nächsten Schritt versuchen, anhand von Cusanus und diesem Dürerschen Bildnis einen Hinweis zur Lösung dieser Frage zu geben. Wie Tilman Borsche stringent formuliert: „Der Mensch ist Ebenbild Gottes genau dadurch und darin, dass er durch Begriffe und Worte, d.h. in Andersheit, nämlich auf menschliche Weise, nachzeichnet, was Gott in der Natur der Dinge geschaffen hat. Das Selbstbildnis seines Geistes ist die Explikation des Selbstbildnisses Gottes in menschlichen Begriffen“.142 Infolgedessen kann Klaus Kremer sagen: „Die lebendige Abbildhaftigkeit meint daher über das Leben eines endlosen Erkenntnisprozesses hinaus ein ebenso endloses Sehnen, in seinem Ursprung zur Ruhe, d.h. zur Erfüllung kommen zu wollen. Intendiert ist vornehmlich eine Selbstgestaltung des Menschen im Sinne einer kontinuierlichen Angleichungsbewegung an die ewige Weisheit und Wahrheit.“ 143
„Speculum sine ruditate“ Eine gewisse Tradition verbindet den pictor eruditus Dürer mit dem Cusanischen Thema des perfekt reflektierenden Spiegels. In einem Dankgedicht an Dürer für sein Porträt von 1526 spricht Melanchthon von dem Künstler, dessen Hand den Spiegel „e rudibus“ poliert, so dass die imago aus ihm völlig glänzen kann. Dieses Bild verwendet später Veit Örtel, Nachfolger Melanchthons in Wittenberg, welcher bei einer laudatio auf Dürer dessen ingenium und eruditio, in demselben Sinn wie Melanchthon verwendet, denn „Homo ingeniosus sine eruditione est quasi speculum impolitum“.144 141 142 143 144
Siehe Schwaetzer: Homine mediante, 129-175; ders.: Viva imago, 113-132. Borsche: Der ‚freie Spiegel‘, 121f. Kremer: Weisheit als Voraussetzung, 135. Vgl. Jürgens: Neue Forschungen, 178ff.
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Die Vorstellung des Künstlers Dürer als speculum sine ruditate ,145 welche im Münchner Selbstbildnis eine zentrale Rolle hat, war bei der humanistischen Kultur seiner Zeit fest angesiedelt. Warum sehen wir vor uns im Münchner Selbstbildnis nur eine einzige Figur und gar keine Spur dieser mehrfachen Bespiegelung, von der hier die Rede ist? Ist das, was bisher behauptet wurde, rein spekulativ im schlechten Sinne des Wortes? Die Antwort liegt wiederum im Cusanischen De non aliud: Gott ist nichts anderes als Nichtsanderes, und also führt der Weg zu ihm durch nichts anderes als durch die Identität bzw. die Gleichheit. In der Verbindung von Gott und Mensch ereignet sich eine äußerst seltsame Situation, die bei den sonst üblichen Verbindungen nicht vorkommt: das, was die Verbundenen in ihrer absoluten Andersheit miteinander verknüpft, ist nichts anders als der eine oder der andere, nicht irgendwelche Andersheit in Bezug auf die jeweiligen Verbundenen, sondern ein Nichtsanderes. Wenn die Verbindung zwischen Gott und uns zwar die absolute Andersheit mit einer gewissen Identität zusammenhalten muss, und das sowohl in der uns unbekannten Perspektive Gottes als auch von unserem Blickpunkt her, dann gebührt der Art und Weise einer solchen Bindung eine außerordentlich wichtige Rolle.
Die Frage nach der Identität Eine Schlussfrage in Bezug auf dieses Dürersche Selbstporträt kann so artikuliert werden: Kann es nur dem Künstler gelingen, aufgrund der angeblichen Ähnlichkeit seiner Person mit dem historisch bezeugten Christus diese Identität seiner selbst mit dem Göttlichen zu gewinnen? Darauf kann es nur spekulative Antworten geben; jedoch bietet Cusanus in einer Predigt sowohl weitere Gründe für die Dürersche Operation als auch Hinweise zur Beantwortung der hier zuletzt gestellten Frage. In Sermo CXLI – Verbum caro factum est – vom 1454 bezieht sich der Theologe auf den neunten Vers des Prologs des Johannes-Evangeliums: „Erat lux vera, quae illuminat omnem hominem venientem in mundum“. An dieser Stelle basiert Nikolaus auf einer Überlieferung, die ihre Hauptstationen in Eriugena, Thomas von Aquin und Meister Eckhart hat und insbesondere an letzteren unmittelbar anknüpft,146 und nicht zuletzt auch in der humanistischen Rezeption des Pseudo-Dionysius Aeropagita.147 Die Art und Weise, wie die 145 146 147
In diesem Sinne wird hier eine Suggestion erarbeitet, die bei Sylvie Tritz aufscheint, und zwar in ihrem anregenden Artikel: Ad imaginem, insbes. 202ff. Rezent Schwaetzer: Nikolaus von Kues als Vordenker, 67-75. De non aliud: „NIKOLAUS: Obgleich ich es bei keinem gelesen habe, scheint mir doch vor allen Anderen Dionysius ihm näher gekommen zu sein. Denn in allem, was
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lux vera hominem venientem in mundum illuminat beschreibt Cusanus nach der Rekonstruktion Schwaetzers folgendermaßen: es handele sich „um eine Erleuchtung, wie die Sonne die einzelnen Sterne erleuchte, so dass diese in ihrem je eigenen Licht erstrahlten – ein Bild welches Cusanus häufiger verwendet, um das Verhältnis einer aus dem Gottesbezug folgenden Autonomie des Menschen zu skizzieren“.148 Auf dieser Weise spiegelt jeder Stern das wahre Licht der Sonne wider, jedoch auf eine je andere ihm eigene Weise.149 Insofern gelingt es Cusanus, die Freiheit des sich konstituierenden einzelnen Subjektes mit dem Wesen Gottes in Einklang zu bringen, oder, wie Schwaetzer erklärt: Die transzendentale und die transzendente Dimension werden eins mit dem existenziellen Selbstentwurf des Einzelnen. Deshalb kann sich Gott an den Menschen mit den Worten in De visione Dei richten, welche sagen: „Sis tu tuus et ego ero tuus“. Ein jeder, der sich selbst verwirklicht und dadurch die eigene Art zu sein völlig gewinnt, wird sich zugleich dem Göttlichen assimiliert sehen. „Selbstkonstitution ist zugleich ein transzendentaler und ein transzendenter Akt“.150 Damit weisen im Dürerschen Werk Licht und Dunkel nicht nur auf formal-ästhetische Kriterien hin, so wie meistens in der Renaissance eine solche Anwendung begründet wird, abgesehen von der Frage der Kosten (beispielhaft in der Produktion von Cranach-Werkstatt).151 In vielen seiner Zeichnungen ab 1500 hat Dürer den Hintergrund geschwärzt, mit dem klaren Zweck, die Figur dadurch besonders herauszustellen, wie exemplarisch im Weimarer Aktselbstbildnis (W 267) zur Anschauung gebracht.152 So verschieden die zwei Dürerschen Selbstdarstellungen auch immer erscheinen, so dass zunächst dabei die Gegensätze überwiegend wirken, haben die
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er auf verschiedenartige Weise ausdrückt, leuchtet Nichts-anderes auf.“ Zit. nach der Ausgabe Reinhardt / Machetta / Schwaetzer, 51. Diese neue Edition enthält den Artikel von Ríos, José González: Dionysius Areopagita, 299-308. Über diesen spezifischen Begriff siehe außerdem Stallmach: Das „Nichtandere“ als Begriff, 329-355. Des Weiteren verweise ich auf Duclow: Pseudo-Dionysius, 260-278; Watts: PseudoDionysius the Areopagite and three Renaissance Neoplatonists, 279-298; Senger: „Onde è tanto celebre...“, 505-539. [Wiederabdruck in ders.: Ludus sapientiae, 228254], so wie auf Hoye: Die Grenze des Wissens, 87-101; Beierwaltes: Der verborgene Gott; Haug: Das dunkle Licht, 271-285; Casarella: Cusanus on Dionysius, 667-678 [Wiederabdruck in: Coakley / Stang (Hgg.): Re-Thinking Dionysius, 137-148]. Schwaetzer: Nikolaus von Kues als Vordenker, 72. Zum häufig verwendeten Bild des Cusanus vgl. z.B. Sermo CXXIX Filius huius saeculi (Brixen, 1.8.1453), n. 6. Es handelt sich um ein Verhältnis, das auch noch in der Relation Gottes zu den einzelnen Monaden bei Leibniz vorkommt. Schwaetzer: Nikolaus von Kues als Vordenker, 74. Schoen: Albrecht Dürer, 76f. und die entsprechenden Anmerkungen im Anhang. Demele: Dürers Nacktheit, 128f. und 131-154.
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beiden ein bedeutungsvolles, verbindendes Element, nämlich „die Thematisierung von Schöpferkraft“.153 Im Hintergrund ist der Topos der lucubratio nicht zu übersehen.154 Eine Anspielung auf Gott als Christus und zugleich als Herrn des Lichtes ist im Spiegelreflex im Auge des Porträts zu bemerken. Hier verschmelzen ein naturalistisches und ein christliches Motiv (Abb. 21): Es handelt sich auf der einen Ebene um einen gespiegelten Fensterrahmen, sehr beliebt auch in der niederländischen Malerei der zweiten Hälfte des 15. Jhs.155 Auf der anderen Seite deutet das Kreuz auf Christus. Nach Bia!ostocki kommt bei Dürer auch noch der klassische Topos vom Auge als Fenster der Seele hinzu,156 obwohl die christliche Anspielung ohne Zweifel relevanter ist. Auf dem Kreuz beginnt die Verklärung des Fleisches in Licht. Der Nachthimmel nach der Kreuzigung ist ein Vorspiel des Tages des Lichts. In Bezug auf die Symbolik des Hell-Dunkel-Kontrastes in der Dürerschen Produktion dieser Periode bekräftigt Christian Schoen: „Versteht man das Licht in der Prado-Tafeln [Adam und Eva, 1507, die eben so aus einem schwarz kontrastierenden Hintergrund heraus hervortreten] nicht ausschließlich in seiner Beleuchtungsfunktion, sondern interpretiert es darüber hinaus als ein göttliches - ,Deus lux est‘“,157 dann darf sich der Betrachter auf die symbolische Präsenz Gottes im Bilde konzentrieren sowie auf die entscheidende Frage der menschlichen Verantwortung.158 Wofür soll der Künstler als Philosoph und als Humanist also verantwortlich sein? Ich folge hier Didi-Hubermanns Auffassung: „Albrecht Dürer est là, c’est lui, et son tableau peint par lui-même comme à travers la mise en acte picturale de quelque profond connais-toi toi-même“.159 Das Streben nach (Selbst)erkenntnis gehört dem großmütigsten humanistischen Horizont an, von Cusanus bis Ficino und Pico, von Agrippa bis Trithemius und Bovillus, so wie von Alberti und Dürer bis Leonardo. In dem Münchener Selbstbildnis geht der Künstler natürlich und konsequent mit der Hilfe der Bildsprache diesem Leitmotiv der Renaissance nach.160 Das leidenschaftliche Streben nach Erkenntnis ist aber von der Idee der Verpflichtung zur wahrhaftigen Wissenschaft nicht zu trennen, und auch 153 154 155 156 157 158 159 160
Ebd., 174. Ebd., 132 und ferner 34. Siehe Yiu: Jan van Eyck. Das Arnolfini-Doppelbildnis, 198. Bia!ostocki: The Eye, 173f. Schoen: Albrecht Dürer, 79. Schwaetzer: Ineinsfall der Begegnung, 36. Didi-Hubermann: L’autre miroir, 208. Filippi: Dal rispecchiamento, 34f.
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nicht von dem allerersten Anliegen der Philosophie.161 Die damalige Faszination für den Spiegel als wissenschaftliches Hilfsmittel hat bereits mit solchen grundlegenden Fragen zu tun. Schön von Jocelyne Sfez formuliert, führt somit der Spiegel „zum Ort des Anderen“!162 Wenn also alles so stimmt, und wenn Dürer – aus welcher Quelle auch immer – in Berührung mit allen diesen Cusanischen Gedanken kam, so kann kein Grund mehr zur Klage wegen Blasphemie und Selbsterhebung bestehen, und sein Selbstbildnis darf als eine Herausforderung für einen jeden Menschen gelesen werden, für sich selbst die völlige Durchsichtigkeit zu gewinnen und wie ein sich selbst polierender Spiegel das Licht der Wahrheit auf seine je eigenen Weise zu reflektieren. Mir scheint deswegen folgende Aussage nicht hinreichend begründet zu sein: „Dürer zeigt sich in seinem Selbstbildnis weder als göttlicher Künstler, noch ist das Bildnis Ausdruck seiner Imitatio Christi. Vielmehr ist es größtes denkbares Exemplum und Hoheitsform für Dürers Anspruch für eine geistige Führung und gesellschaftliche Bedeutung. [Er strebte] nach Ruhm und gesellschaftlicher Anerkennung.“163 Die späteren Erfahrungen Dürers im Bereich des Denkens scheinen jedenfalls diese Vorstellung zu bekräftigen: Der Ritter aus der Serie seiner Meisterstiche von 1513 geht entschlossen den eigenen Weg, wenn auch nicht unbedingt ohne Sorgen. Er lenkt mit Kopf und Hand seine Kräfte auf den Weg zum Ziel. Wenn wir von einem solchen Ziel als dem himmlischen Jerusalem symbolisch sprechen dürfen,164 dann sehen wir genau seinen eigenen Weg, nämlich den des Reuters, der sich für den „rechten“ Weg (das himmlische Jerusalem, als Spiegelung eines Ortes, wo die Regeln der Harmonie und des Schöpfers allein gültig sind) entschieden hat, gleichgültig ob es offensichtlich riskanter und tückisch berghoch sein mag. Nichts verbietet es, dass es auch andere und ähnliche Wege gibt, die für andere Menschen bestimmt sind. Als Hauptsache gilt: Als Mensch „frommer Natur“, wie einmal Dürer auch von sich selbst sagte, soll der Christ energisch Christus folgen, da nur er „der Weg, die Wahrheit 165 und das Leben“ (Joh 14,6) ist, so wie es vor ihm schon 1438 Jan van Eyck auf den oberen Rahmen eines Antlitzes Christi als Inschrift anbrachte (Abb. 20).166 161 162 163 164 165 166
Herold: Menschliche Perspektive; ders., Bild der Wahrheit, 71-98. Sfez: Vom Spiegel, 177-196. Hess: Dürers Selbstbildnis, 64. So wird die kleine Burg im Hintergrund am meisten von den Interpreten erläutert. Beierwaltes: Deus est veritas, 15-29. Das heute in Berlin aufbewahrte Bild ist uns in Form einer alten Kopie von einem unbekannten Meister erhalten.
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Die Triade von „Weg“ – humanistisch intendiert als auf der Suche sein und dabei bleiben –, „Wahrheit“ – ebenso als Streben nach (Selbst)Erkenntnis gemeint – und „Leben“, d.h. ein Tun das gleichzeitig auch ein Können ist und ein Handeln im Alltäglichen, im Sinne einer wiederum humanistisch geprägten „vita activa“, konstituiert den Horizont, nach dem der Mensch und Künstler Dürer in seiner Existenz mit aller Kraft gestrebt hat, und dies mit einer seltenen Kohärenz und ausdrücklichem Willen.167
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Eine Art Devise sollte für ihn eine sehr frühe Arbeit gewesen sein: Zeichenhaft und wegweisend taucht in Dürers künstlerischen Anfängen die Gestalt Johannes Gersons auf. Anlässlich des vierten Bandes einer in Straßburg 1494 gedruckten Gerson-Ausgabe wurde er angesprochen. Der Titelholzschnitt war schließlich 1502 zu sehen. Vorbildlich findet man bei Gerson die Idee von einer Philosophie-Weisheit-Theologie, die letzten Endes als Erweiterung auf dem Weg zu einer cognitio Dei experimentalis erfahren wird. Ich darf hier einen Auszug aus Manfred Krügers Beschreibung des Holzschnitts zitieren: „Gerson ist auf dem Weg. Die Wissenschaft hat er hinter sich […] Mutig […], seinem Schicksal ergeben, schreitet er in Begleitung eines Engels und eines kleinen Hundes voran. Damit wird seine Gestalt zum Urbild jeder menschlichen Seele, die […] zwischen Tier und Engel gespannt ist […] Der christliche Pilger auf dem Weg zu mystischer Erkenntnis wurde für Albrecht Dürer zum Leitbild“ – so Krüger: Albrecht Dürer, 30f.
5. Docta manus – Albrecht Dürers denkende Hände. Die künstlerische Tätigkeit als proprium humanitatis Das Problem, das vom Künstler durch die Nemesis behandelt wird, kann auch so umformuliert werden: In der Kunst eines Albrecht Dürer geht es, im Unterschied zur Kunst der Italiener, programmatisch weniger darum, die Hand so zu führen, wie es das Denken vorherbestimmt hat – also nach einer bestimmten Regel –, sondern eher darum, dass die künstlerische Hand – sie selbst – die Richtlinien der Kunst bereitstellt und somit die Funktion des Denkens übernimmt. Die Hand wird daher zur „denkenden Hand“. Das sonst von der ausführenden Hand getrennte Denken ist eine Art „Vorher-sehen“: Es sieht das vorher, was dann von der Hand in die Tat umgesetzt werden muss. Das Vorher-sehen ist nun eine Art des Sehens und eine Abwandlung des Gesichtssinns. Der 23-jährige Dürer hatte in einem Entwurf zu seinem Buch Speis der Malerknaben Folgendes notiert: „Dan der aller edelst sin der menschen ist daz gesycht“.1 Trotzdem wertete er – ähnlich wie Leonardo – nicht minder die Hand und ihre Ausdrucks- und Deutungsfähigkeit auf.2 Mehrere lose Blätter enthalten Studien von Händen. Eines der in diesem Zusammenhang zentralen Werke ist eine heute im Metropolitan Museum of Art in New York aufbewahrte Zeichnung von ihm (Abb. 22) aus dem Jahre 1493.3 Das Gesicht und die linke Hand des jungen Künstlers, die auf diesem Blatt mit einem Kissen zusammengeführt werden, „bilden die Komponenten eines visuellen Diskurses über die Frage nach den konstitutiven Bedingungen des künstlerischen Schaffensprozesses.“ 4 Das Berühren spielt ferner in vielen Dürerschen Bildern, und eben hier, sicher eine beachtliche Rolle. Exemplarisch kann in diesem Sinne die folgende Behauptung von Heinrich Wölfflin angeführt werden: „Das ‚Rasenstück‘ des jungen Dürer sagt unserer Empfindung mehr als die noch so sorgfältigen Einzelstudien von Pflanzen, die er sonst noch gemacht hat. Wie die Gräser an sich beschaffen sind, ist nicht gleichgültig, oder, um es deutsch zu sagen, das Gefühl des
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Rupprich / Dürer, II, 112, sowie Dürer: Schriften und Briefe, 151. Vgl. auch Rebel: Albrecht Dürer, 174; jüngst Gohr: Albrecht Dürer. Das Sehen, 123. Wolf: Schleier und Spiegel, 339-343. Federzeichnung mit brauner Tinte auf Papier, 27,6 x 20,2 cm, Robert Lehmann Collection. Vgl. Strauss: The Complete Drawings, 1, 146-147, Nr. 1493/6. Dazu auch Koerner: The Moment, 5ff.; Gormans: Argumente, 189-223, hier 195-197. Ebd., 195.
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lebendigen Zusammenstehens und Sichberührens in einem solchen Stück Natur“.5 Der Tastsinn wird somit für Dürer zum Weg der Einfühlung in die Sachen, mithin zu einer nichtobjektivierenden Einfühlung: nicht vordergründig in andere Menschen, sondern in die Dinge selbst und in die Naturdinge. Im Selbstbildnis von 1500 erhält zwar das Gesicht die Hauptrolle und die tragende Funktion. Trotzdem berührt die Hand im Zentrum des Bildes das Zarte und Warme des Fells.6 Es geht hier um die eigene Hand des Malers, „in ihrer zerbrechliche Schönheit“,7 welche diese symbolisch beladene Geste ausführt. Eine zentrale Rolle in Dürers Umgang mit den Händen als Träger von denkerischen Ansätzen kommt dem Tafelbild Christus unter den Schriftgelehrten zu,8 das sich heute in der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid befindet (Abb. 23) und einer langen Überlieferung zufolge zeitgleich mit dem Rosenkranzfest in Venedig oder vielleicht in Rom um 1506 ausgeführt worden ist.9 Der vorsichtige Verweis auf die Überlieferung ist hier angebracht, seitdem Thomas Schauerte mit überzeugenden Argumenten die Dürersche Autorschaft des oben genannten Gemäldes in Zweifel gezogen hat.10 Bestand haben darf immerhin folgende Behauptung, die das bisher für eine Vorzeichnung gehaltene Blatt mit zwei Händen betrifft:11 „Mit dem Händepaar des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg [...] hat Dürer das Phänomen der bei den Italienern so beliebten Sprache der Hände, die die Rede des Mundes begleitet, um die Aussage zu verstärken auf dem Punkt gemacht“.12 Schon die letzten Worte lassen ein methodisches Problem für die eventuelle Absicht durchscheinen, Dürers Sprache der Hände in Hinsicht auf philosophische Gedanken zu untersuchen: Dies würde eine ganz besondere Erkundung der Entwicklung der Gestik in die Bildproduktion der 5 6 7 8
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Wölfflin: Die Kunst der Renaissance, 214. Koerner: The Moment, 151f. Gohr: Albrecht Dürer. Das Sehen, 125. Es gibt wahrscheinlich kein anderes Gemälde vor diesem, auf dem vier Hände tatsächlich das Bildzentrum bilden. Durch den dunklen Hintergrund werden sie besonders hervorgehoben, sie wirken wie ein geschlossenes Gebilde. Darüber siehe die Katalogeinträge zur Dürer-Albertina-Ausstellung 2003. In: Schröder / Sternath (Hgg.): Albrecht Dürer, 338-354. Schauerte: „…so es der natur entgegen...“, 227-258. Es handelt sich um eine mit Pinsel in Grau und Schwarz angefertigte Zeichnung auf blauem Papier, 1506 datiert. Vgl. Schröder / Sternath (Hgg.): Albrecht Dürer, 354.
Docta manus – Albrecht Dürers denkende Hände
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Renaissancezeit jenseits und diesseits der Alpen voraussetzen, und d.h. eine ganz neue und eigenständige Forschung.13 Dürers Hände von der „Vorstudie“ zum Tafelbild haben manche „zu der nicht ganz unberechtigten Annahme geführt, dass Dürer des Öfteren seine eigene Hände gezeichnet hat. In diesem konkreten Fall hätte Dürer demnach seine eigene linke Hand zweimal porträtiert: einmal vor seinen Augen, das andere Mal ihr Spiegelbild“.14 „Ein jeder Maler malt sich selbst“ – und die eigenen Hände, möchte man hinzufügen. Es geht immerhin um die Hand eines berühmten und selbstbewussten Künstlers. Dürers Hand als Künstlerhand gehört zu den meist verwendeten Topoi jener Dürer-Renaissance, die unmittelbar nach dem Tod des Meisters ihren Anfang feierte. Man erzählt, dass die Freunde des Verschiedenen bald nach dessen Tod die Leiche exhumieren ließen, um einen Abguss seines Gesichts und seiner göttlichen Hand anzufertigen.15 Joachim Camerarius (1500-1574), Professor für Griechisch und Latein, Humanist und Herausgeber einiger Traktate von Dürer, würdigt die Methode des Meisters, alla prima zu zeichnen, d.h. spontan und unmittelbar, gleichsam ohne Vermittlung der Reflexion, als sei seine Hand durch Kenntnis und Verstand der Wahrheit geführt – „cognitione et intelligentia veritatis“.16 In seinem Enkomion auf Dürer spricht Helius Eobanus Hessus ausdrücklich von seiner „docta manus“ und greift damit eine Formulierung wieder auf, die schon im Jahre 1500 von Konrad Celtis in Form eines Dürer-Epigramms geprägt wurde. Diese Hand – so Hessus – sei „ratio tota“ gewesen, eine vollkommen vernünftige.17 Die Anwendung des alten docta manus-Topos in Bezug auf den Nürnberger Meister findet sich zum ersten Mal in Celtis’ Epigramm „Ad Pictorem Albertum Durer Nurnbergensem“ von 1500:18
Alberte, Almanis pictor clarissime terris, Norica ubi urbs celsum tollit in astra caput, Alter ades nobis Phidias et alter Apelles Et quos miratur Grecia docta manu. 13 14
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Dazu verweise ich auf den Tagungsband hg. von Gadebusch Bondio: Die Hand. Schröder / Sternath (Hgg.): Albrecht Dürer, 350. „Es stellt sich aber die Frage, ob Dürer als Studienobjekt tatsächlich seine eigenen Hände für jene eines zwölfjährigen Knaben herangezogen hat“. Diese Frage könnte nun durch den Vorschlag von Schauerte eine zumindest plausible Beantwortung finden. Vgl. Schuster, Peter-Klaus: Melencolia I. Dürers Denkbild, 1991, 138. Koerner: The Moment, 146. Hessus. In: Dürer / Rupprich, II, 1966, 299. Wuttke: Unbekannte Celtis-Epigramme, 322. Vgl. jüngst Robert: Dürer, Celtis, 71, wo das ganze Epigramm nachzulesen ist.
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[…] Des operam, nostram depinges Philosophiam, cognita, que faciet sub orbe tibi. Dürers Hand ist somit eine gelehrte, sie lässt ihn wie einen neuen Phidias oder Apelles in Nürnberg aufsehen. Die Stadt wird dadurch so berühmt wie es einmal Athen war. Die letzten beiden Verse beziehen sich auf die gemeinsame Arbeit an den Amores mit dem Philosophia-Titelblatt. Im Zuge der beginnenden postumen Heroisierung Dürers schrieb Eobanus Hessus folgende Verse, immer wieder den Topos der docta manus ergreifend: Nunc iacet informi manus illa infecta colore, / Subdita cui ratio tota coloris erat. / Nunc digiti pallent, qui cum libuisset habebant, / Quas ebori possent inseruisse rosas. / Quis nunc, o Alberte, tuas tetigisse tabellas? / Successor quis erit qui queat esse tibi? / Interitum natura tuum lugere videtur, / Quam poteras docta pene referre manu?19 Jetzt sind Dürers Hände tot und verblasst, sie waren aber einmal fähig, bis in die tiefsten Geheimnisse der Natur hineinzugreifen und ihr mittels der ratio ihre Farben abzuzwingen. Dürers Hände waren, mit anderen Worten, „denkende Hände“.20 Nun steckt de facto ein weitreichendes Problem hinter diesem Ausdruck. Die abendländische Überlieferung der Antike und des Mittelalters nimmt gewöhnlich eine Trennung vor: hier das Denken, dort die Hand. Das Denken gilt als Tätigkeit der vernünftigen Seele, die dann im geschriebenen Wort ihren Niederschlag findet. Und das betrifft das Leben in seinem eigentlichen Sinne. Die Hand verunreinigt sich dagegen mit der Materie, hantiert mit Instrumenten, die zu irgendeinem Ziel dienen; die Hand ist somit zweitrangig und unterwürfig wie das Mittel gegenüber dem höheren Zweck. Diese Auffassung gerät im 15. Jahrhundert durch Nikolaus von Kues in eine Krise – und damit durch einen Denker, zu dessen Werk Dürer einen vielfachen Zugang hatte, da zu seinem engeren Umfeld u.a. die Geschwister Pirckheimer, Hartmann Schedel, Konrad Celtis und Ulrich Pinder zählten, die sich nachweislich mit Cusanus befassten. 19 20
Helius Eobanus Hessus: In funere Alberti Dureri Norici, pictorum suae aetatis facile principis, 11.43-50. Vgl. Gadebusch Bondio (Hg.): Die Hand. Innerhalb der verschiedenen Beiträge zum Thema dieses Tagungsbandes gelang es Thomas Ricklin zu zeigen, wie Platon und Sokrates des Xenophon Auffassungen der Hand propagierten, die für das philosophische Schattendasein des „Organs aller Organe“ sorgten. Der Sokrates des Xenophon behauptete nämlich, dass der Mensch das, was ihn glücklich macht, mit den Händen erarbeite; darüber hinaus siehe dort Kodera: Giordano Bruno, 63-77, hier insbes. 67.
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So lautet die grundsätzliche Argumentation des Theologen: Gott ist unser Schöpfer und „schöpfen“ heißt soviel wie „handeln“. Der Mensch als denkendes Wesen ist nun imago Dei, Abbild Gottes. Folglich ist sein Denken von einem Handeln durchzogen: Das Denken verkörpert einen Handlungsmoment in sich: Indem wir z.B. das Denken ausüben, machen wir uns Gott ähnlicher und ähnlicher, nach dem Modell der berühmten Lehre der docta ignorantia.21 Um die ursprüngliche Handlung Gottes durch eine ähnliche Tätigkeit des Menschen zu erläutern, rekurriert Cusanus oft auf das Beispiel der Malkunst.22 Gott sei wie ein Maler, der imstande wäre, ein Porträt von sich selbst zu machen, welches die Fähigkeit hätte, sich selbst zu modifizieren, um sich dem Urheber mehr und mehr anzugleichen. Das nennt er „imago viva“. Diese unterscheidet er von einer „imago mortua“, d.h. von einem exakten, aber toten Abbild. Denn die imago viva, das lebendige Bild, ist ein solches, das die Tätigkeit, die Art und Weise – die Seinsweise – des Abgebildeten reproduziert. Wie jener, der sich nach und nach betätigend Dinge und Ähnlichkeiten entstehen lässt, so soll auch sein Bild denselben Charakter haben. Ist doch der Mensch ein lebendiges Bild Gottes: Als solches hat er eine – wenngleich beschränkte – schöpferische Begabung und kann sich selbst so verändern, dass er dem Schöpfergott immer ähnlicher wird.23 Die Malerei dient somit als „Paradigma der dignitas hominis“24, und die Hand hat ihre untergeordnete Rolle mit einem Schlag verloren. In seinen späteren Schriften fordert Dürer, ungefähr vierzig Jahren nach dem obengenannten New Yorker Zeichnung von 1493: „Der verstandt muß mit dem gebrauch anfahen zu wachsen, also das die hand kun thon, was der will im vestand haben will“.25 So konstituiert umgekehrt der tätige Gebrauch der Hand die Dimension des Denkens. Der Künstler ist, so Dürer, „jnwendig voller vigur“:26 Nicht das Sehen dient hier als Modell der ratio, sondern eine intime Veranlagung, eine Figur, die von der Hand verlangt, die Würde der Form zu erhalten. Immerhin gilt die auffällige Dialektik von Kopf und Hand, die Dürer immer im Visier hatte, als „maßgebliche Verfasstheit seiner eigenen Existenz“.27
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Bocken: Imitatio und creatio, 195-207. Bocken / Schwaetzer (Hgg.): Spiegel und Porträt. Dazu Konersmann: Lebendige Spiegel, 89ff; Borsche: Der ‚freie Spiegel‘, 111-124. Leinkauf: Ut philosophia, 53; ders.: Kunst als proprium humanitatis, 221-235. Dürer / Rupprich, III, 297. In diesem Zusammenhang vgl. Gormans: Argumente, 196. Dürer / Rupprich, I, 113. Gormans: Argumente, 195.
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Die Rehabilitierung der künstlerischen Hand durch den Vergleich mit der göttlichen Hand einerseits und durch die Erinnerung an das Vorbild der Antike andererseits war in der Dürerzeit ein brennendes Thema:28 Beispielhaft ist es durch Das Täfelchen des Apelles dargestellt (Druckmarke für Valentinus Curio), 29 das Hans Holbein d.J. 1521 für Erasmus von Rotterdam Enchiridion realisierte (Abb. 24): Die Hand des Malers schlechthin – Apelles, die nach Plinius’ Erzählung die dünnste Linie zeichnen konnte – ist hier zugleich die Hand Gottes, die aus einer Wolke hervorscheint.30 Im Hinweis auf das Dürersche Selbstporträt im Pelzrock gilt es hier zu unterstreichen, dass damals nur ein gebildeter Betrachter in der Lage gewesen sein konnte, eine feine, ja subtile und dennoch klare Erarbeitung einer Stelle aus Plinius’ Naturalis historia zu bemerken und richtig einzuschätzen, indem es nach Plinius eine Auszeichnung des Malers Apelles war, seine Fähigkeit zum richtigen Zeitpunkt die Hand vom Bild wegzunehmen.31 1527 hatte Willibald Pirckheimer die Charakteres ethici des Theophrast aus dem Altgriechischen ins Lateinische übersetzt und das entstandene Werk Albrecht Dürer gewidmet.32 In dieser Abhandlung bezeichnet die Hand das Wesen des jeweiligen Menschen. Bereits 1504 hatte Pomponius Gauricus in seiner Schrift De Sculptura, einem Werk, das in der Dürerschen Bibliothek vorhanden war,33 eine Überlegung zur Bedeutung der Hand eingefügt, die nicht nur rein technisch im Sinne der symmetria und der proportio zu interpretieren ist, sondern auch in Hinsicht auf einen mantischen Gewinn: Manus tenerae mollioresque optimi dicuntur esse ingenii argumentum, Durae Magnaeque fortem illum quidem significabunt, haud satis tamen disciplinis idoneum, Parvae manus callidum, Perbreues ac Mutilatae fatuum, Quae si et pingues nequissimum, Angustae gracilesque manus, rapacitatis, Pleniores quae oblongos habeant digitos, furacitatis, Graciles tortuosaeque nugacitatis uoracitatisque indicium.
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In den zeitgenössischen Quellen sind bezüglich Dürers „docta manus “ auch andere Ausdrücke zu finden, nämlich „divina manus“, sowie „sacra manus“, die explizit und zugleich auf diese beiden Topika deuten. Vgl. Koerner: The Moment, 139-159. Von Bedeutung auch die Überlegungen von Fehl: Dürer’s literal Presence, 216ff. Hollstein: German Engravings, Etchings and Woodcuts c.1400-1700, 41cf. Bätschmann / Griener: Holbein-Apelles, 631f. Fehl: Dürer’s literal presence, 216. Vgl. Filippi: Umanesimo, 72. Siehe Eser: Dürer und das Buch, 31-43.
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Temperamente und Gemüter dürfen letzten Endes durch die Betrachtung der Hand ermittelt werden.34 Das hat viel mit Dürers Hand zu tun, wie ich im Folgenden darlegen werde. 1528 verfasste Erasmus einen Dialog unter dem Titel De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione, der eine Würdigung des kurz zuvor verstorbenen Künstlers Dürer enthält. Hier übernimmt Erasmus fast buchstäblich die Worte, mit denen Plinius die außerordentliche Begabung des antiken Malers Apelles besang, unsichtbare Dinge darzustellen. So sagt Erasmus: Dürer sei imstande gewesen, „ignem, radios, tonitrua, fulgetra fulgura“, sowie „sensus, affectus omnes, denique totum hominis animum in habitu corporis relucentem ac pene vocem ipsam“ zu visualisieren, das heißt „Feuer, Lichtstrahlen, Donnern, das Schimmern“ und so weiter, und ferner „die Charaktere und Affekte und also den ganzen Menschen wie er aus dem körperlichen Aussehen erscheint, und beinahe die Stimme selbst“.35 Diese Aussage lässt sich sowohl auf das Erasmus-Porträt beziehen, das Dürer 1526 anfertigte (Abb. 25), als auch auf das im selben Jahr geschaffene Melanchthon-Porträt (Abb. 3).36 Beide Werke räumen jenem geschriebenen Wort viel Platz ein, das Rudolf Preimesberger in gewolltem Gegensatz zum Bild sieht, und zwar im Sinne einer „inszenierten Mehrdeutigkeit“:37 Die Schrift scheint nämlich in beiden Fällen den Wert des Bildes zu verringern. Das Bild deutet aber seinerseits an, auf eine gewisse Weise die Schrift dementieren zu wollen. Im Falle des Erasmus würde dann die Inschrift bedeuten, stärker als die Bilder sei das schriftliche Werk dieses Menschen. Im Falle Melanchthons gäbe es geradezu ein offenes Geständnis der Grenzen sogar einer docta manus: selbst diese wäre unfähig, den Geist (mens) darzustellen. Analysieren wir noch einmal die Befunde, die wir haben. Die Gravüre des Erasmus, entstanden fünf Jahre nach der vorbereitenden Kohlezeichnung, weist dem geschriebenen Wort eine Art „Bild im Bild“ zu, „ein metapikturales Fenster, das den Innenraum der Dürerschen imago Erasmi auf eine Reflexion über das Prinzip der Abbildlichkeit selbst öffnet“.38
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Gauricus: De Sculptura [1504], 157. Panofsky: „Nebulae in Pariete“, 40f. Rebel: Albrecht Dürer, 433, 435; Löcher: Humanistenbildnisse, 352-390; Preimesberger: Albrecht Dürer: Das Dilemma, 220-227; ders.: Albrecht Dürer: Imago, ebd., 228-237; Mende: Philipp Melanchthon, Nr. 101. In: Schoch / Mende / Scherbaum, 2001, 241f; Schauerte: Albrecht Dürer. Das große Glück, Nr. 51; Fastert: Individualität, 247-255. Preimesberger: Michelangelo da Caravaggio, 243. Robert: Evidenz des Bildes, 206f.
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Der Text spiegelt Inschriften, die von der Medaille des Erasmus stammen, ausgeführt von Quentin Metsys (Antwerpen, 1519, Abb. 26). Die erste von ihnen trägt den Text: IMAGO ERASMI ROTERODA/MI AB ALBERTO DURERO AD VIVAM EFFIGIEM DELINIATA. In der Folge wird das Motto des Erasmus übermittelt, punktuell aus der Medaille genommen: THN KREITTW TA SUGGRAMMATA DEIXEI. Die Antwerpener Quelle sagt: IMAGO AD VIVA(M) EFFIGIE(M) EXPRESSA. Die Rückseite der Medaille zeigt einige Aussprüche des Erasmus, von denen vor allem der folgende eine Erwähnung wert ist: MORS ULTIMA LINEA RERU(M). Preimesberger stellt fest, dass bei Dürer die beiden Ausdrücke „imago“ und „effigies“ eine eigene semantische Wertigkeit entwickeln, die sich weder auf die übliche Austauschbarkeit der beiden Worte zurückführen lässt, noch auf die Inschrift von Metsys. Ich halte es trotzdem für angemessen, weitere Überlegungen in diese Richtung anzustellen. Meines Erachtens kann der lateinische Text von Dürer folgendermaßen übersetzt werden: „Das Antlitz des Erasmus von Rotterdam, von Albrecht Dürer als lebendiges Abbild verewigt.“ Zur Untermauerung dieser These lassen sich einige Beweise anführen. Der Dürersche Text beruft sich in seinen Inschriften ganz offenkundig auf die Medaille von Antwerpen (Abb. 26). Der Ausdruck „DELINIATA“ könne als Verweis auf das Motto „mors ultima linea rerum“ gedeutet werden.39 Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass das geläufigere lateinische Wort linia, „Grenze“ ist. Dürer schreibt nicht delineare , was als „zeichnen“ – von delineatio, Zeichnung – zu übersetzen wäre, sondern tatsächlich deliniare , was in diesem Zusammenhang „unsterblich machen“, sogar verewigen, immerwährend machen, bedeutet. De-liniare : das heißt die linia als ultima linia rerum – als Tod – zu eliminieren: die viva effigies unterscheidet sich daher tatsächlich vom rein sterblichen Aussehen, vom reinen Abbild. Die Formulierungen imago und effigies dienen hier zur Festlegung der Cusanischen Wertigkeit des sterblichen Bildes (imago) und des lebendigen Bildes (effigies). Dieses letzte lateinische Wort und das entsprechende Verb effingere waren Dürer schon seit seinem Selbstbildnis im Pelzrock sehr wichtig. Mit den Inschriften auf diesem Bild werden wir uns im Folgenden beschäftigen. 39
So lautet die These von Preimesberger.
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Das Verb effingere – prägen, gestalten – erinnert an den göttlichen Schöpfungsakt, der den ersten Menschen aus Ton (fangus) erstehen ließ, und ruft das Cusanische Konzept, welches Kunst und Künstler als alter deus darstellt, in Erinnerung. So gelingt es, den Sinn des Erasmischen Mottos zu erschließen: „thvn kreivttw tav suggravmmata deivxei“: „das Größte, das Wichtigste, wird durch die Schriften (des Erasmus) deutlich werden“. Die Forschung hat explizit auf die Zweideutigkeit dieser Formulierung im Hinblick auf den vorangehenden Satz hingedeutet, im welchem das weibliche „thvn kreivttw“ sowohl auf imago, als auch auf effigies bezogen werden kann. Es bleibt deshalb laut Preimesberger offen, ob die Werke des Erasmus wichtiger sind als sein Aussehen oder als das vorliegende Abbild von ihm. Ich glaube dennoch, mein Übersetzungsvorschlag könnte dazu beitragen, dieses Dilemma zu lösen: die imago viva, das unsterbliche Bildnis, ist nämlich als solche stärker und wichtiger als das bloße flüchtige Abbild, sei es auch das dem Urbild ähnlichste.40 Es ist tatsächlich dem Tode entrissen, es wird immer an Erasmus erinnern, dessen Unsterblichkeit auch von seinen und durch seine Schriften belegt wird. Der Ausdruck „deivxei“ (Futur von „deivknumi“: es wird zeigen) drückt eine Handlung aus, die – gemessen an der jeweiligen Gegenwart der Betrachtung des Bildes – immer wieder in die Zukunft weisen wird, und dadurch zeigt es die Beständigkeit des Erasmus auf. Der Künstler hat ihn unsterblich gemacht, wie auch die Werke des Humanisten unsterblich sind, die zeigen werden, wie und weshalb dieses lebendige Abbild den Grenzen des Todes als letzter Begrenzung aller Dinge entrissen ist. Deshalb scheint mir kein Zwiespalt zwischen Text und Bild geschaffen worden zu sein, vielmehr liegt ein gleichzeitiges Zeugnis beider vor: das Bildnis des Künstlers zeigt die Unsterblichkeit des Genies des Humanisten, das sich seinerseits durch unvergängliche Werke als unsterblich bewährt. Nun zum Bildnis Melanchthons (Abb. 3): Formal ähnlich zu der auf dem Bildnis des Willibald Pirckheimer,41 besagt die Unterschrift: VIVENTIS POTVIT DURERIS ORA PHILIPPI/MENTEM NON POTVIT PINGERE DOCTA MANUS. Mir scheint es angebracht, den Inhalten der Inschriften einige Hinweise bezüglich des Stiches und der Abbildung vorhergehen zu lassen.42 Es ist das allererste Porträt des Praeceptor Germaniae, wie Melanchthon genannt 40 41 42
Siehe auch Kap. 4 in der vorliegenden Arbeit. Beide Bildnisse sind übrigens im gleichen Jahr ausgeführt worden. Filippi: Albrecht Dürer. Ritratto di Melantone, Kat.-Nr. I.22. In: Herrmann Fiore (Hg.): Dürer e l’Italia, 136f.
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wurde, das uns bekannt ist. Er war 1518 in Wittenberg Professor für klassische Philologie, Gelehrter der Philosophie, Theologie und Rhetorik, zudem einer der scharfsinnigsten Denker seiner Zeit, und, wie allgemein bekannt, Reformator an Luthers Seite. Ferner gilt Melanchthon als Typ des intellektuellen Asketen: Das, was wir sehen, ist insofern ein „Charakterprogramm“.43 Zwischen 1524 und 1526 arbeitete Dürer mit großem Einsatz an der Definition der menschlichen Temperamente;44 vom Bildnis des „cholerischen Typen“ wie Pirckheimer, zum melancholischen Gelehrten mit hoher Stirn – „der Großteil der Gelehrten ist mager und hat erhabene Venen“ (so beschrieben in den Problemata physica des Pseudo-Aristoteles, basierend auf der ausführlichen Darstellung der Renaissancephysiognomie, die Dürer dank seiner Freundschaft zum Übersetzer Pirckheimer vertraut war) – über die Figuren der Vier Aposteln, bis hin zu den eher allgemein gehaltenen Betrachtungen, welche in den Dürerschen Vier Büchern von menschlicher Proportion von 1528 Beachtung fanden. Das lebendige Gesicht Melanchthons ist das hier dargestellte, seine viva imago, dasjenige also, das nur die gelernte Hand Dürers zu zeichnen in der Lage gewesen war. Der Geist des Gelehrten ist dagegen abwesend, anderswo – bei seinen Arbeiten, wie das Motto des Erasmus es formulieren würde. Doch wenn die imago lebendig ist, so reift der Gedanke, dass es auch der Geist ist, wie seine Schriften zeigen. Die mens – den Geist selbst darzustellen, der ja die Gesamtheit der geistigen Kapazitäten einer Person umfasst, ist unmöglich.45 Es ist allerdings möglich, in ihm zumindest den Anschein einer tiefgründigen Stimmung zu erwecken, indem man seine Natur mit dem Schema der Temperamente betrachtet, das Melanchthon eine melancholische Disposition zuweist, wie sie für einen Mann der Wissenschaft typisch ist. Das potuit drückt die Möglichkeit aus: allein kraft seiner Kunst – seines Könnens – hatte Dürer die Möglichkeit, Melanchthon unsterblich zu machen.46 Er hat jedoch nicht seiner mens Unsterblichkeit verliehen; dafür bestand keine Notwendigkeit. Der Geist des großen Theologen gewinnt von sich aus Bestand, allein durch die vielen würdigen Zeugnisse, die er uns hinterlassen hat. Dank des Künstlers sind wir aber nicht nur in der Lage, diese unsterblichen Worte zu erleben, sondern – und ebenso auf eine unvergängliche Art und Weise – auch den Mund, der sie ausgesprochen hat. 43 44 45 46
Fastert: Individualität versus Formel, 255. Rebel: Albrecht Dürer, 433-438. Vgl. Fastert: Individualität versus Formel, 253f. Das ist genau das, was Leon Battista Alberti in seinem Traktat über die Malerei der Kunst als höchste Leistung zuschreibt.
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Und auf diese Weise werden die Worte des Lobes deutlich, mit denen Erasmus Dürer bedachte: man scheint die Stimme förmlich zu hören, die von der lebendigen Empfindung getragene Intonation, die letztlich die Quelle seines ganzen Wesens ist. In beiden Fällen handelt es sich allerdings um die Anwendung der Unterscheidung zwischen imago mortua und imago viva. Dürer besaß die Fähigkeit – und das reimt sich noch einmal mit dem Lob des Erasmus – das Lebendige an der Person darzustellen und also eine viva imago zu schaffen und nicht bloß eine imago mortua, unfähig, das ganze komplexe Phänomen des Lebendigen zu behalten. Das bescheinigen uns die Betrachtungen, mit denen Erasmus seine Laudatio fortsetzt: „Diese Dinge präsentiert er [Dürer] unseren Augen mit wohl gelungenen schwarzen Linien, so dass das Hinzufügen von Farben dem Werk zu Schaden gereichen würde“. Die erwähnten Porträts von Erasmus und Melanchthon wurden beide mit schwarzen Linien ausgeführt.47 Farbe hätte sie zwar enger mit der Realität verknüpft, doch nach den Worten des Cusanus wird das Wesen besser von einem lebendigen Bild (der imago viva) wiedergegeben als von einer imago mortua, die lediglich eine äußerst präzise und realistische Darstellung des Äußeren ist. Aus der von Erasmus für den Nürnberger Künstler redigierten Epistula leiten sich überschwängliche schöpferische Kraft und individuelle Freiheit ab: „Dürers Bilder sind humanistische Bekenntnisbilder. Sie verzichten keineswegs auf Worte, vielmehr unterstreichen sie durch Inschriften ihren Lehrcharakter. Was Dürers Bilder jedoch ganz wesentlich von Luthers Wort unterscheidet, ist eben ihr Glaube an die Bildbarkeit des Menschen. […] Im Unterschied zu Luthers Wort reden also Dürers Bilder, so wurde hier versucht zu zeigen, nicht von der Miseria hominis, sondern unverändert und fortdauernd von der Dignitas hominis“.48 Auf diese Weise bestätigt sich das Leitmotiv der Kunst als proprium humanitatis und die künstlerische Tätigkeit als Thematisierung eines christologisch geprägten Lebensmodells. In diesem Zusammenhang dürfen noch einige Betrachtungen über das schon behandelte Selbstbildnis Dürers von 1500 hinzugefügt werden. Es gibt nämlich zwei semantische Zentren in diesem Gemälde: die allsehenden Augen bzw. ‚den Blick aus dem Bild‘ und die mehrdeutige Haltung der Hand. Es ist nicht recht zu entscheiden, ob die Hand hält, greift oder weist. Die Finger scheinen sich zu einem besonderen Zeichen zu formen, 47 48
Vgl. Preising / Villwock / Vogt (Hgg.): Albrecht Dürer. Schuster: Melencolia I, 314.
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gleichzeitig zeigen sie im Ansatz jenes ‚An-sich-halten‘, welches in der Portraitsprache der Neuzeit so häufig anzutreffen ist.49 Es ist überaus wahrscheinlich, dass Dürer seine rechte Hand, die ja in Wirklichkeit die zeichnende, malende, den Grabstichel führende Künstlerhand ist, als das Anführungsorgan seines Kunstverstandes auch im Bild vorweist.50 Diese These aber kann nun insoweit aufrechterhalten werden, wenn wir davon ausgehen, dass es sich um die rechte Hand des christusähnlich Dargestellten handelt.51 Jedoch zu Recht festgestellt, dass Dürer sich hier gewissermaßen wie in einem Spiegel portraitierte, indem er also links und rechts vertauschte Folglich wäre die sichtbare Hand die linke, während die rechte, die eigentlich malende, richtungweisende Hand völlig außer Sicht unter dem Rahmen verborgen bliebe. Meiner Ansicht nach spricht gegen diese These die Tatsache, dass der Maler uns die Dinge so dargestellt hat, dass sie für den Betrachter – auch für den Maler selbst, für den das Werk ja ursprünglich bestimmt war – aus seiner Perspektive, der Betrachterperspektive, gesehen werden können.52 Man könnte ja den Versuch wagen, das Münchener Selbstbildnis unter Berücksichtigung dieser These des Perspektivtausches neu zu interpretieren, um das Verhältnis zwischen dem Maler, der sich selbst darstellt, und Christus, der ihn und den Betrachter aus dem Bild heraus gewissermaßen ansieht, im Cusanischen Sinne zu erklären. Berücksichtigen wir diese beabsichtigte Betrachterperspektive, so würden wir uns wiederum der rechten Hand des Portraitierten gegenüber ansehen. Nicht zu erkennen wäre dann doch die linke Hand, welche in der Tradition das Negative und die Trägheit (acedia) symbolisiert. Beide Eigenschaften müssen also im Rahmen einer imitatio Christi überwunden werden. Aus der Sicht eines Renaissancekünstlers ist die Hand die anthropologische Erfahrung der kreativen Tatkraft der Dreifaltigkeit, das anatomische
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Rebel: Albrecht Dürer, 114. Ebd. Die Ähnlichkeit zwischen dem Antlitz des Malers und jenem des Christus, mit welcher sich Dürer beschäftigte, indem er sich der ikonographischen Elemente des Salvator mundi, des Retters der Welt, und des wohlwollenden Christus bediente, geht womöglich von dem Anspruch der imago dei und der moralisch fundierten Notwendigkeit der imitatio Christi aus. Infolgedessen kann man mit Bocken sagen: „Der Betrachter [eines solchen] Gemäldes nimmt eine Position außerhalb des Porträts ein, doch indem er entdeckt, dass seine Sehweise auch gesehen werden kann, hat er an dem Sehen des Porträts (genitivus obiectivus und subiectivus) teil. […] Er befindet sich mit anderen Worten innerhalb des Porträts“. In: Sehen und gesehen werden, 102.
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Instrument, welches das Potential jedes als Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen verkörpert. Darüber hinaus gilt die sich in der Nähe des Herzens befindende Hand bekanntlich als Äußerung der Barmherzigkeit und der liebevollen Treue. Es handelt sich um eine Geste, die sich in der zeitgenössischen Porträtkunst häufig zu finden ist. An dieser Stelle kann man mindestens zwei weitere Aspekte einflechten – einerseits die unentdeckte naturalistische Absicht, die mittels des Tastsinns dargestellt wird (die Finger berühren den Pelz auf eine Art und Weise, welche im Betrachter sogar das Gefühl eines Mit-Erlebens des Gemalten erwecken, ohne dass dabei hervorgehoben werden müsste, dass gerade in der Berührung der selbstbezogene Höhepunkt des Werkes liegt);53 andererseits die mögliche Wiederaufnahme des Motivs des Christus als Richter, der auf den Sitz der Gerechtigkeit und Wahrheit anspielt.54 Es bleibt letzen Endes Tatsache, dass diese spezielle Handhaltung keine Analogien in anderen Portraits findet, auch nicht in den übrigen Selbstbildnissen Dürers, und dass sie deshalb keineswegs auf eine eindeutige Interpretation beschränkt werden kann. Hier wird das ganze bewusste Programm erkennbar, welches der neue Apelles Germaniae in diesem Werk aufbietet, indem er die Rolle der eigenen Kunst inszeniert: die Hand des Malers ist und muss dasjenige sein, was uns zum Nachdenken bewegt. Sie hat somit eine erzieherische Funktion im Hinblick auf eine moralische Erneuerung und einen Prozess kontinuierlicher Annäherung an das Vorbild Christi als göttlichen Schöpfer. Auf diese Weise gelingt Dürer eine Synthese der heidnischen und des christlichen vorbildhaften Auffassung der Hand, die sich von einem an die Materie gefesselten Werkzeug zum Instrument des Göttlichen wandelt, und das bedeutet zum Instrument eines alter deus.55 Joseph Leo Koerner hat bezüglich Dürers Selbstbildnisses von 1500 vorgeschlagen, die untätigen Hände des Malers als eine Anspielung auf das alte Thema des „Acheiropoetos“ aufzufassen, d.h. eines nicht durch Menschenhand entstandenen Bildes: „The 1500 Self-Portrait, in its stillness and formality, its evocation of the acheiropoetos, and its self-comparison with God, should represent the apotheosis of the artist freed from servile labor“.56 Dem entspricht die Genauigkeit der Ausführung bis ins Detail. 53 54 55 56
Siehe Berger: Fictions of the Pose, 354-357. Wie etwa Zitzlsperger behauptet: Dürers Pelz. Gormans: Argumente, 189-223. Koerner: The Moment, 141. Hiermit erklingt ganz deutlich die Würdigung der menschlichen Freiheit als höchst ersehntes Anliegen des Humanismus. Vgl. Kap. 4 in der vorliegenden Arbeit.
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Die Vollkommenheit im Unterschied zum Ungefähren deutet hier auf die mögliche Perfektibilität des Menschen, was an sich auch noch ein echt Cusanischer Zug ist, dass Koerner in diesem Sinne wiederholt von Feinmalerei spricht, und fügt hinzu: „The 1500 Self-Portrait lies presumably in the very highest range of Dürer’s peersonal scale of painterly care and would therefore have taken something unter ‚a half year‘ to complete“. 57 Diese Genauigkeit und Klarheit sind ihrerseits Merkmale des Denkens. Dürers Hand ist eine denkende Hand. Der Umgang mit den denkenden Händen zieht sich somit wie ein roter Faden durch eine weite Zeitspanne der Dürersche Produktion, vom Selbstbildnis im Pelzrock bis zu den späteren Porträts. Dazwischen geht dieser Faden gar nicht verloren, und zwar nicht nur aufgrund des expliziten Bezugs auf die Hände in den Zeichnungen von 1506, sondern weil sie auch in den sogenannten „Meisterstichen“ von so bedeutungstragender Präsenz sind. Den „Meisterstichen“ werde ich in den nächsten Kapiteln meine Aufmerksamkeit widmen. Bei ihnen geht es im Besonderen um zentrale philosophische Fragen – Fragen, welche die Geschichtsphilosophie, Ethik, Ästhetik und weitere Gebiete betreffen. Gerade der Hand wird dabei eine wesentliche Rolle zukommen: In der Melencolia I von 1514 agiert insgeheim sogar die Hand des Künstlers selbst, wie noch genauer zu zeigen ist. Und in dem Stich Ritter, Tod und Teufel hält z.B. der reitende Mann mit der linken Hand resolut die Führung auf dem eigenen Weg; seine rechte Hand bewirkt dieselbe Idee der Balance, die auch die Nemesis auf der Kugel zur Darstellung bringen sollte: Sein Speer bleibt immer im Gleichgewicht zwischen aktivem Einsatz und passivem Ruhestand. Immer wieder erreicht die Hand diese erstrebte Harmonie. Die Harmonie ist auch das Thema des Hieronymus im Gehäuse. Der Heilige berührt hier mit beiden Händen diejenige Schrift, die dann andere mit ihren Augen lesen werden und vor allem mit ihren Ohren anhören werden. Diese Berührung erreicht jedoch den Ursprung der Wahrheit, wie Aristoteles in seiner Metaphysik behauptet hatte: „Sich selbst ergreift die Vernunft in Ergreifung des Intelligiblen; denn intelligibel wird sie selbst, den Gegenstand berührend und erfassend, so dass Vernunft und Intelligibles dasselbe sind“.58 Hier berührt der Heilige die Quelle selbst der zu verstehenden Wahrheit. Seine Berührung ist eine heilige, grundverschieden von der Anmaßung des Apostels Thomas, der den Körpern des Herrn berühren wollte. Es handelt sich bei Hieronymus um keine körperliche Berührung mit dem Tastsinn, sondern um ein Einswerden mit dem Heiligen. Und dies ist übrigens das Thema 57 58
Ebd., 148. Aristoteles: Met. XII, 1072 b 20-22.
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sowohl im Selbstporträt von 1500 als auch in der Melencolia I, zumindest nach mancher Interpretation des Blattes. Diesem Thema der Einheit durch eine höchst denkende Berührung kommt schließlich eine eminent wichtige Rolle zu in Dürers Kunst. Wenn das Denken in seiner ursprünglichsten Form ein qiggavnein ist, dann sind „denkende Hände“ vor allem beim Philosophieren im Spiel.
6. Das Gelingen des Schönen und die Haltung vom Maß Die nächste Etappe auf der Suche nach der Philosophie Albrecht Dürers widmet sich dem Thema der Schönheit, der kulturellen Identität und der Verbindung von Ästhetik und Ethik.
Eigenheit und Originalität von Dürers Schönheitsbegriff Wie sein Selbstbildnis von 1500 exemplarisch darstellt, verankert Dürer sein Schönheitsideal in Gott bzw. in Christus, denn es geht für den Menschen grundsätzlich um die Möglichkeit, die aus der Bibel stammende Ebenbildlichkeit mit Gott konkret wie ein lebendiger Spiegel zu manifestieren und zu bewahren.1 Das ruft im Künstler die Frage nach dem rechten Maß für die menschliche und auch die göttliche Gestalt auf. Der stete Rekurs auf Gott sowie die Vielförmigkeit der Schönheit sind nach Bonnet „genuin Dürersch“.2 Anders als bei den Italienern war für Dürer „die ideale Schönheit zu suchen – eine Aufgabe, deutlicher: auch eine Aufgabe der Kunst – eine Aufgabe neben anderen, aber nicht die Aufgabe der Kunst“,3 denn ein sogar noch wichtigeres Anliegen war das Verhältnis des Natürlichen zum Schönen. So sagte er einmal: „je genewer man der natür vnd dem lewen mit abmachen noch kumt, je pesser vnd künstlicher dein werck würt“.4 Zu Beginn des Cinquecento, als Dürer anfing, sich mit Kanonschriften, Varianten und Typen der antiken Überlieferung auseinanderzusetzen, wollte er gezielt und deutlich prototypische Modi für die Darstellung des Menschen schaffen, obgleich es ihm schon damals eher um eine ethische Frage ging, nicht um eine rein ästhetische: „Darzw dinen dy künst, dan sy geben zw erkennen gutz und pöses“.5 Diesen Fragenkomplex und den dazu gehörigen anspruchsvollen Horizont können wir aus einem von ihm 1501 ausgeführten Kupferstich gewinnen, ein Werk (Abb. 27), das nur wenige Monate nach dem Münchener Selbstporträt entworfen worden war. 1 2 3 4 5
Vgl. Bonnet, Anne-Marie: ‚Akt‘ bei Dürer, 213ff. Ebd. Vgl. Müller: Die Ästhetik Albrecht Dürers, 24. Aus einer Notiz aus dem Jahre 1513. Dürer / Rupprich: III, 1969, 279. Dürer / Rupprich: II, 1966, 130. Über das „Gute, Wahre und Gerechte im Bild“, so wie über das enge Verhältnis in Dürerscher Kunsttheorie zwischen Kunst, Moral und Religion, siehe Hilberer: Iconic World, 31-42.
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Diese Erfindung geht möglicherweise zurück auf ein Gedicht Nemesis von Angelo Poliziano,6 einem Florentinischen Literaten und Humanisten des Medici-Kreises.7 Der Name hat auf den ersten Blick einen negativen „Beigeschmack“. Zu bedenken ist allerdings: Dieser Name steht für die griechische Göttin !"#$, den Inbegriff der Gerechtigkeit und der rechten Ordnung: Sie bestraft diejenigen, die mit ihrer hybris zu weit gehen. Der Stich ist, nicht zuletzt deswegen, auch unter anderen Titeln wie Das grosse Glück bekannt.8 Vasari nennt die titelgebende Gestalt Temperantia,9 Sandrart hingegen Fortuna. Dürer verwendet für Menschen, die der Hybris erliegen, vorwiegend die Bezeichnung „Vermessenheit üben“, also das rechte Maß verletzten. Das berühmteste Beispiel einer Nemesis hatte in der Antike ein vielbesungener Künstler geschaffen, nämlich Phidias (der berühmteste Bildhauer seinerzeit und Lehrer von Polyklet, dessen Suche nach einem Kanon so viel für die Antike und danach auch für die Renaissance bedeutet hat). Es handelt sich bei dem Stich um ein großformatiges Blatt, dem sehr wahrscheinlich eine programmatische Rolle zuzusprechen ist. Denn in ihm ist nicht so sehr der glückliche Zufall das Thema, sondern das Gelingen einer gewollten Tätigkeit, die vor allem mit dem rechten Maß zu tun hat. Und diese Wesensbestimmung der Sache – das Gelingen einer menschlichen Handlung, die nach einem grundsätzlichen Maß erfolgen soll – passt genauso gut zur Kunst selbst: sie kann ebenfalls mit diesem Wort definiert werden. Während Phidias als ein gefeierter Künstler gelungener Ausgewogenheit galt, wurde Dürer bereits um 1501, als er diesen Kupferstich gestaltete.10 Der neue Phidias, wohlgemerkt, ist nicht gemeint in dem Sinne, dass er etwa ein Nachahmer des alten Künstlers sei, sondern eher so, dass er wie jener ein Meister des rechten Maßes in allen Dingen sei, einer, der wie man sagt, Maßstäbe setzt. Was bedeutet es zur Zeit Dürers, Maßstäbe zu setzen, wenn doch schon bekannt war, dass die Italiener diejenigen waren, die für die Kunst der Neuzeit längst die Richtung gewiesen hatten? Damit haben wir den Bereich der Probleme erreicht, die dieses Blatt birgt. 6 7
8 9 10
Italienischer Humanist und Dichter, Kanzler Lorenzos de’ Medici, geb. 1454 in Montepulciano, gest. 1494 in Florenz. U.a. in dem Tagebuch seiner niederländischen Reise. Vgl. Unverfehrt: Da sah ich viel köstliche Dinge, 27; Bax: Albrecht Dürer in de Nederlanden, 33. Siehe auch Hinz: Eintrag Nr. 61. In: Schröder / Sternath (Hgg.): Albrecht Dürer, 250f. Giehlow: Poliziano und Dürer, 25f.; Green: The Identity, 25-43; Panofsky: Das Leben, 109. Vgl. Fara: Albrecht Dürer. Originali, copie, derivazioni, Nr. 57, 133-135. Dazu vgl. Nr. 33 in: Schoch / Mende / Scherbaum, I, 95-99.
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Einige historische Bemerkungen vorauszuschicken scheint ratsam, um besser gerüstet zu sein für das Verständnis dieses andernfalls sehr rätselhaften Kunstwerkes. Ein altes Sprichwort lautet, in einer seiner vielen Abwandlungen, „suae quisque faber fortunae“ – ein jeder sei seines eigenen Glückes Schmied: „Glück“ verstanden als Ergebnis einer gewollt eingeschlagenen Bahn. Der Mensch kann sich vor einer Wahl befinden, wie im Falle des Herkules am Scheidewege, oder aber wie er gerade aussieht nach der falschen Wahl – so Sebastian Brant in seinem von ihm 1494 herausgegebenen Narrenschiff, zu dem auch Dürer seinen Beitrag leistete. In diesem Werk waren eher die traditionellen ikonographischen Motive der Fortuna involviert: Am auffälligsten deutet das Rad der Glücksgöttin auf die Instabilität der Fortuna hin oder, allgemeiner noch, auf die Unsicherheit des menschlichen Lebens. Deswegen zogen die Humanisten – nördlich und südlich der Alpen – ein anderes Vorbild vor. Ihre Attribute sind: doppeltes Steuerruder für die Nachen des guten und bösen Glücks; später Rad, Kugel, Binde vor den Augen, jene beiden bald neben ihr, bald sie selbst stehend auf denselben. Ein über die Augen gebundenes Tuch hindert sie zu sehen. Fortuna ist blind. In griechischen Abbildungen erscheint sie häufig geflügelt, in römischen niemals, denn, nachdem sie die ganze Erde durchflogen hatte, legte sie endlich, auf dem Palatinischen Hügel in Rom angelangt, ihre Flügel ab, um für immer dort zu verweilen. In der Ikonographie der Antike ist Fortuna eine Schicksalsgöttin mit positiven Attributen. Sie hat glückversprechende Beigaben und dient häufig als triviale Göttin des Glücks. Im Mittelalter wird Fortuna sowohl als bipolares Wesen – Fortuna bifrons11 – als auch das Rad drehende Gehilfin des göttlichen Willens dargestellt. Die spätmittelalterliche Ikonographie, vor allem das Fortuna-Bild des 15. Jh.s in der Buchmalerei, evoziert häufig die allegorisierende Bedeutung von Fortuna bifrons, die von Alanus ab Insulis eingeführt wurde, und deren Wirkungsbereiche sowohl in der Erotik, als auch in Wirtschaft und Politik zu finden sind. Mit dem Übergang zur Neuzeit wandelt sie ihre Gestalt erneut. Sie dreht ihr Schicksalsrad nicht mehr so oft, denn sie wird wieder häufiger mit der in der Antike bekannten Kugel dargestellt, aber diesmal in einer anderen Bedeutung. Schon im späten 15. Jh. begegnen wir einer neuen Fortuna, die, auf einer Kugel stehend oder balancierend, das Rad verlassen hat und durch die Welt reist. Als Paradebeispiel dafür gilt ohne Zweifel das Nemesis-Stück von Dürer.12 11 12
Siehe Appuhn-Radtke: Fortuna bifrons, 129-148. Undatiert, zwischen 1500 und 1506. Beschreibung in Appuhn-Radke, ebd.
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Am Anfang der Neuzeit ist Fortuna weder Göttin noch Schicksalsmacht der göttlichen Providentia; vielmehr steht sie für die Unsicherheit und Wankelmütigkeit des Weltgeschehens. In Carolus Bovillus’ ‚Fortuna-Sapientia-Bild‘ aus dem Jahre 1510, das in dem von ihm herausgegebenes Liber de sapiente -Buch zu sehen ist, thront die Glücksgöttin auf einer unzuverlässigen Kugel. Sie sitzt der Sapientia gegenüber, die als Gegenspielerin dargestellt ist. Begleitende Attribute und kommentierende Inschriften sorgen für das nötige Verständnis (Abb. 28). Anders als die instabile Kugel, auf der Fortuna thront, ist der Sitz der Sapientia-Figur würfelförmig und verweist daher auf Solidität. Es fällt übrigens auf, dass es hier eine Verwendung zweier Fortuna-Attribute gibt, die einander ausschließen: das Rad und die Kugel. Das Rad wirkt an dieser Stelle offenbar nur noch als traditionsgemäßes Zeichen, quasi als ‚Spielzeug‘, wobei die Kugel ziemlich groß und mächtig gestaltet ist. Diese Neuerung, d.h. die Präsenz der Kugel, spielt eine bedeutende Rolle: Dadurch werden Macht und Funktion der Fortuna anders definiert als im Mittelalter. Antrieb des Rades – noch Ende des 15. Jh., wie z.B. im „Narrenschiff“-Buch oder in De remediis utriusque fortuna, einem dem sogenannten Petrarca-Meister zugeschriebenen Text –, war immer Fortuna selbst, sozusagen als Mithelferin der göttlichen Providentia (Willen), die oft durch die Hand Gottes sichtbar gemacht wurde; eine Hand, die geheimnisvoll aus einer Wolke hervorscheint. Nun befindet sie sich selbst auf der Kugel in unsicherer Lage, wobei diese als Globus auch Weltsymbol ist; zugleich bedeutet sie Instabilität des Weltlaufs und Macht des Zufalls. Auf diese Weise nähert sie sich mehr und mehr wieder der antiken Tradition an, obwohl sie damals doch die Lenkerin der Geschicke und der Geschichte war.
Intermezzo: Fortuna und Kairós Bevor wir uns des Weiteren mit der möglichen Deutung der Nemesis beschäftigen, ist es notwendig, noch etwas Wichtiges hinzufügen. Die Ikonographie der Fortuna vermischt sich im Altertum auf bedeutende Weise mit einer anderen, der des Kairós, d.h. der Zeit: Kairós (Kairovı) – lateinisch occasio13 –, dem griechischen Gott der günstigen Gelegenheit und laut dem Dichter Ion von Chios (490 - 421 v. Chr.) dem jüngsten Sohn des griechischen Göttervaters Zeus. Vom Bildhauer Lysippos wird er als blühender Jüngling mit geflügelten Schuhen dargestellt, an der Stirn reich behaart, während sein Hinterkopf kahl ist. 13
Zu dieser ikonographischen Tradition vgl. Helas: Fortuna-Occasio, 101-124.
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Von dieser Statue weiß man, weil der griechische Dichter Poseidippos (3. Jh. v. Chr.) sie in einem Epigramm in Dialogform verbildlichte: „Wer bist du?“ – „Kairós, der alles bezwingt“. „Warum gehst du auf Zehenspitzen?“ – „Ich laufe unablässig“. „Warum hast du Flügel an den Beinen?“ – „Ich fliege wie der Wind“, usf. Diese Elemente wurden im 16. Jahrhundert von Andreas Alciatus14 in seinen Emblemata rezipiert und später in Cesare Ripas weltberühmter Iconologia genau beschrieben. Diesem Buch verdankt sich eine weite Verbreitung des so gestalteten Themas. In Trogir (Kroatien) findet sich im kleinen Museum des Nonnenklosters St. Nikolaus ein Relief (3. Jh. v. Chr.) mit einer Darstellung des Kairós als nackten Jünglings, der offenbar in den Händen eine Waage vor sich her trägt (es ist nicht ganz sicher, weil ein Teil abgebrochen ist). Es wird vermutet, dass dieses Relief der verlorenen Statue des Lysippos nachgebildet ist. Eine römische Kopie wird heutzutage in Turin aufbewahrt (Abb. 29). Die Redensart, „die Gelegenheit beim Schopf packen“, wird auf diese Darstellung des Gottes zurückgeführt; wenn die Gelegenheit vorbei ist, kann man sie am kahlen Hinterkopf nicht mehr fassen. Dementsprechend bezeichnet man in der Psychologie die Angst, Entscheidungen zu fällen, als Kairophobie. Wieder einmal liegt mit der Nemesis der Fall vor, dass Dürer auf ein exemplarisches Motiv der Kunst der Antike zurückgreift und es darüber hinaus anreichert: Das Motiv hat mit der Zeit zu tun, mit dem Augenblick, dem hic et nunc, mit der Entscheidung in der Zeit.15 Es geht nämlich um eine Entscheidung, die hier und jetzt fallen muss. Von ihr geht die Möglichkeit des Gelingens oder Scheiterns einer Kunst aus – der Kunst des neuen Phidias bzw. des „neuen Apelles“ – gegenüber der Kunst der Italiener. Nicht zufällig spielt sich unsere Szene vor einem quasi fotografisch wiedergegebenen Szenario ab: Wir sehen das Städtchen Klausen mit Burg Säben im Eisacktal. Es liegt an dem Weg über die Alpen, den wenige Jahre zuvor der junge Dürer auf seiner Bildungsreise nach Italien gewandert war.16 Die Entscheidung des Gelingens spielt sich exakt an der Grenze zu den Italienern ab, dort, wo sich zwei grundsätzliche Einstellungen zum Leben scheiden und somit unterscheiden.
14
15 16
Italienischer Jurist und Humanist (1492-1550). Er hat sich sein Leben lang mit dem Problem des Rechts bzw. der Interpretation des römischen Rechtes konfrontiert und dadurch Kontakt zu anderen Humanisten u.a. auch in Deutschland gehalten. Vgl. Tasinato: „Kairós“, 57-66, insbes. 58f. Anzelewsky: Dürer. Werk und Wirkung, 100, Nr. 86; jüngst Grossmann: Die Architektur. In: Der frühe Dürer, 226f.
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Diese „neue Kugel der Fortuna“ 17 ist zweifellos nicht mehr dieselbe wie eineinhalb Jahrtausende zuvor, selbst wenn ihre Wiederkehr ein Resultat der Antikenrezeption der Renaissance sein mag. Anscheinend war Dürer der erste oder zumindest einer der ersten, der mit seinem Kleinen Glück von 1495 Fortuna auf eine Kugel stellte.18 Um 1501/02 variierte und erweiterte er das Thema mit dem Nemesis-Blatt, dem sogenannten Großen Glück. Interessant und von Bedeutung ist die Frage, wie Dürer auf die Idee kommen konnte, Fortuna in dieser Art und Weise zu gestalten, denn es handelt sich schließlich um einen grundsätzlichen Wandel der FortunaDarstellung! Die Aussicht der Nemesis-Figur ist streng frontal. Sie und die Kugel, auf der sie zugleich steht und fliegt, füllen exakt die Mitte der Szene, direkt unter der Stelle, an der sich die Diagonalen kreuzen. Just hier befinden sich ihre Beine, hier entscheidet sich ihr Gleichgewicht. Diese Nemesis-Gestalt ist in vielerlei Hinsicht rätselhaft. Ein muskulöses Gesäß und stämmige Schenkel hat sie. Man fragt sich hinterher: Ist die Figur „nach der Natur“ gezeichnet? Wusste Dürer folglich doch nichts von körperlichen Proportionen, vom ausgewogenen Gleichgewicht? Wollte er gar gegen die Formensprache der antiken Vorbilder rebellieren? Diese Nemesis stellt jedenfalls weder eine verführende noch eine tugendhafte Jungfrau dar, wie sie üblicherweise die Tugend verkörpert. Mehr noch: sie ist weder blind noch trägt sie ein Tuch vor den Augen, welches ihr das Sehen unmöglich machen würde. Im Gegenteil, sie sieht recht klar (25 Jahre später wird Dürer in ähnlicher Pose Philipp Melanchthon als einen ‚Hellsehenden‘ darstellen). Es geht gar nicht darum, zu hoffen, ihre Blindheit möge sich zufällig zu unserer Gunst neigen. Nein: man muss gut hinschauen, wenn der Augenblick des Gelingens nicht verpasst werden soll! Das übertriebene, muskulöse Gesäß, die angespannten Muskelpartien des Rückens, welche die schweren Flügel halten, der vorgewölbte, weibliche Bauch – diese Körperpartien stehen im Gegensatz zueinander und bilden doch gleichzeitig ein harmonisches Erscheinungsbild. Sie geben der Figur jene Eigenständigkeit, die Nemesis ausmacht. Sie ist die Schicksalsgöttin, die nach eigenen Gesetzen sowohl unnachsichtig straft als auch überraschend tröstet. Abgewandt vom Betrachter, konzentriert sich die Figur auf ihren sicheren Stand auf der instabilen Kugel. Labilität und Stabilität kommen zu einer prekären Balance zusammen. 17 18
Holländer: Die Kugel, 153. Diese Einsicht verdanken wir der Studie von Panofsky: Virgo & Victrix, 13-38.
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Ich zitiere aus der treffenden Beschreibung von Ernst Rebel: „Die Gesamtfiguration aus Körper und Raum mutet so zwiespältig an wie die Nemesis selber. Diese ist konstruiert, doch sichtlich auf natürliche Körperwirklichkeit mit Bauch, Hüftspeck, Hautfalten und Sehnenknoten ausmodelliert. Eine nackte Frau aus Fleisch und Blut ist ins trockene Zahlenwerk Vitruvs geschlüpft und hat so eine Synthese erwirkt […]. Die Flügel, die der Nemesis aus dem Rücken wachsen, wollen zugleich allegorisch und naturalistisch gesehen werden. Es paßt zur Launenhaftigkeit des Schicksals, wenn die spröde (böse?) lächelnde Göttin rechter Hand den Pokal der Gunst, links die Zügel der Züchtigung trägt; beides, Glück wie Unglück, hält sie je nach Laune den Menschen bereit. Daß sie steht und fliegt, das macht die beunruhigende Wirkung aus. Die Füße finden auf der Kugel Halt und gleiten zugleich an ihr ab. Balance im ungewissen Schicksal verkörpert die große, gewichtige Nackte an sich selbst, als Spannung aus Natur und Ideal. Für Balance kann man auch sagen: Maßhaltung. Diese Maßhaltung kommt im wörtlichen wie im übertragenen Sinne an der Schicksalsgöttin zur Anschauung. Nemesis: die ständige Haltlosigkeit ist ihr Prinzip, nur aus diesem besteht ihr Halt.“ 19 Peter-Klaus Schuster benennt, darin Herder folgend, seinerseits diese Figur „Göttin des Maßes“.20 Das klingt zunächst seltsam, wenn wir dem Stich spontan begegnen. Warum denn und wo genau liegt das Problem? Wie ich versuche, zu zeigen, geht es hier nicht nur um eine Frage der Proportion und des rein technischen Messens: Anderes und Gewichtigeres kommt ins Spiel. In der Dürerschen Neuerung des Fortuna-Typus handelt es sich eher um ein ganzes Weltordnungssystem, in dem das Individuum seinen Beitrag leisten darf und Verantwortung übernehmen muss, obwohl ihm mittlerweile bewusst geworden ist, dass das Leben immerhin von Fatum-Fortuna ins Nebulöse geführt wird und der Mensch nicht mehr nur an die Providentia appellieren darf. Das hat man von der Humanismuslehre doch gelernt: Homo faber fortunae suae!
19 20
Rebel: Albrecht Dürer, 192f. Herder, Johann Gottfried: Nemesis, Nr. 4, 251ff. Die Bestimmung als „Göttin des Masses“ auf S. 244. Dort auch die Wendung: „Wäre mir der Ausdruck erlaubt, so würde ich sie Die missbilligende Göttin nennen, die nämlich dem Sterblichen folgt, still in den Busen blickt und ihm die kleinste Überschreitung [sc. in Maß und Gleichgewicht] ernst verdenkt.“ Zum Kontext bei Herder vgl. Löchte: Johann Gottfried Herder, 59f. Diesen Hinweis verdanke ich Harald Schwaetzer.
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Zweites Intermezzo: Dürers Suche nach der Schönheit Im Gegensatz zu allen Fortuna-Gestalten des Mittelalters, die – zumindest auf einer Körperseite – reich bekleidet waren, wirkt die Nacktheit von Dürers Nemesis auf den Betrachter zunächst befremdlich. Was soll das bedeuten? Warum hat sich der Künstler für eine solche Erneuerung entschieden? Sicherlich sind hier Bilderfahrungen konkret sichtbar geworden, die er auf seiner ersten Italienreise sammeln konnte. Es ist an dieser Stelle weniger von Interesse, die möglichen ikonographischen Derivationen aus dem italienischen Umfeld bzw. aus der Antike aufzulisten; es stehen uns schon genügend in der Literatur zur Verfügung. Seit den Jahren um 1500 beschäftigt sich Albrecht Dürer intensiv mit Fragen der Schönheit. Er beginnt mit der Darstellung des nackten Menschen mittels geometrischer Konstruktionsverfahren:21 Nach mittelalterlichem Verständnis liegt die Schönheit im harmonischen Verhältnis der Teile zueinander verborgen. Durch die von Gott erschaffene Harmonie der Sphären entsteht ein Wohlklang – in der Musik etwa durch den harmonischen Klang der maßgerechten Teile eines Akkords. Diesem Wohlklang in Bezug auf den menschlichen Körper bleibt Dürer sein ganzes weiteres Leben lang auf der Spur. Über geometrische und arithmetische Methoden versucht er, einen idealschönen Körper zu berechnen und den Gesetzmäßigkeiten und Normierungen von Schönheit aufzuspüren die Spur zu kommen. Auf tausenden von Skizzen- und Notizblättern hält er seine Erkenntnisse fest, die endlich in sein wichtigstes theoretisches Werk, die Vier Bücher von menschlicher Proportion münden (erschienen am 31. Okt. 1528; Dürer war am 6. April 1528 verstorben). Sie sind das Resultat einer mehr als dreißig Jahre währenden Suche nach der balancierten Ausgewogenheit zwischen dem Streben nach idealer Normativität und den alltäglichen Beobachtungen und Erfahrungen. Im Laufe dieser unermüdlichen Studien kam Dürer relativ früh um etwa 1510 zu dem Ergebnis, dass das Ziel seiner Suche nicht in der absoluten Schönheit liege, die sich etwa durch Auswahl des Besten im Großen wie im Kleinen ermitteln lasse, vielmehr gehe es in der Ästhetik darum, in jedem einzelnen Körper die ihm innewohnenden Grade von Schönheit und Hässlichkeit zu entdecken und den dicken, dünnen, langen, kurzen, alten und jungen Körper auf Regelhaftigkeit zu untersuchen und in der Summe seiner schönen wie hässlichen Elemente adäquat darzustellen. Dürer bleibt in der Bezeichnung und Charakterisierung der verschiedenen, von ihm 21
Vgl. Große: Bild des Nackten, Kat.-Nr. 82, 381; Remond: Norm, 499-501 und Kat.Nr. 171-172, 504f.; Hinz: ‚Natürlicher Akt‘, 18-23.
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konstruierten Körper jedoch sehr gnädig. Die Dürersche Flexibilität zum Thema „Perfekte Körper“ scheint deswegen sowohl mutig-bahnbrechend als auch eine gelungenere Einstellung zur Sache zu sein; und das erklärt auch recht deutlich, warum die Dürersche Kunst so erfolgreich wirkte. Aber das ist nicht alles! Schon allein das würde reichen, um dem Dürerschen Werk ein Lob auszusprechen, aber es geht im Grunde genommen um sein Programm in Bezug nicht nur auf Kunst und Ästhetik, sondern eben auch auf sein primäres Bedürfnis in der Erziehung der jungen Menschen. Wie hat er das, falls überhaupt, geschafft? Wie ist es ihm gelungen? Der Nemesis-Stich deutet auf die Maßhaltung in ungewissen Zeiten und auf eine unvermeidbare Spannung aus Natur und Ideal hin.22 Gerade in dieser Doppelbedeutung sehe ich den Versuch einer Synthese von italienischem und deutschem Formgefühl, wie beide damals bereits deutlich ausgeprägt waren. Ich möchte an dieser Stelle kurz an die geniale Gegenüberstellung erinnern, die Heinrich Wölfflin in Hinblick auf Dürer in seiner Studie Italien und das deutsche Formgefühl (1931) formuliert hat. In der Kunst der Italiener ist alles bis hin zur einzelnen Säule deutlich in sich begrenzt und in klaren Gegensätzen ausgedrückt. Das ist die „plastische Klarheit“ Italiens. Das deutsche Formgefühl rührt von wesentlich anderen Vorstellungen her, „aus einer Welt des Gebundenen, Abhängigen, Verflochtenen“.23 Als Vertreter des deutschen Formgefühls wird nicht zuletzt oft und gern Dürer als Beispiel angeführt: „Es läßt sich vermuten, daß Dürer, als er nach Italien kam, von nichts so fremdartig berührt worden ist als von dem, was wir die ‚Stille‘ der italienischen Kunst nennen“.24 Damit ist noch einmal die Art und Weise der südlichen Form gemeint. Andererseits finden wir an ganz anderer Stelle derselben Schrift Wölfflins folgende Aussage zu Dürer. „Dürer hätte die italienische Form gar nicht sehen können, wenn er nicht eine irgendwie verwandte Einstellung von sich aus mitgebracht hätte“.25 Fremdheit und zugleich Einfühlung in die fremde Kunst: Das sind die beiden Extreme, die hier in Einklang gebracht werden müssen. Und die dringende Notwendigkeit dieser Balance ist bereits Teil jenes Formgefühls, das hier zu seiner Verwirklichung, zum „Gelingen“ gebracht werden soll. Diesbezüglich und zu näherer Klärung des Begriffs zitiere ich nochmals Wölfflin: „Es scheint im Wesen des Deutschen
22 23 24 25
Vgl. jüngst Filippi: Fortuna – Nemesis – Decisione, 228f. Wölfflin, Heinrich: Die Kunst der Renaissance, 28. Ebd., 145. Ebd., 60.
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zu liegen, daß eine Harmonie des Unharmonischen für ihn das Interessanteste ist.“ 26 Und ein letztes Zitat aus derselben Quelle: „Bei aller Lebhaftigkeit ist die italienische Gebärde (das Wort im weitesten Sinne genommen) etwas, was sich leicht und mühelos verwirklicht, wir rechnen immer mit einem Widerstand, der überwunden werden muß, und deuten alles auf einen Willen, der sich durchsetzen möchte.“ 27 Mit anderen Worten, wenn die Kunst der Italiener ein glückliches Anordnen für sich stehender Formen ist, sucht das deutsche Formgefühl die Überwindung eines Widerstands. So stellt die ruhige Form der Italiener den Widerpart dar zur labilen Verflechtung und Verschmelzung der deutschen Form. Somit können wir das Thema des vorliegenden Dürer-Blattes als das Gelingen einer Harmonie aus dem Unharmonischen bestimmen, wie es der deutschen Kunst eigentümlich ist, einer Harmonie von „Fleisch“ und „Vitruv“, d.h. von Sosein und Kanon, von Verflechtung und plastischer Klarheit. Diese Harmonie ist ein Gelingen, jedoch kein leichtfertiges Ausbalancieren, vielmehr das Ergebnis eines Ringens mit dem Widerstand. Damit ist das Programm dieser Kunst, das Programm des neuen Phidias, des „alter Apelles“ das wahre Thema dieser Nemesis. Von zentraler Bedeutung ist meines Erachtens die Frage nach dem „Gelingen“, die etwa so formuliert werden könnte: Wird die Kunst des Nordens ihr Ziel erreichen, nämlich die Eigenständigkeit gegenüber der italienischen Kunst, oder wird sie nur noch unter der Vorherrschaft der südlichen Form bestehen können? Dieser Frage entspricht die Haltung Dürers gegenüber Vorbildern wie Jacopo de’ Barbari und Vitruv insofern, als sie ihm immer wieder als Modelle galten und zugleich als Herausforderung. Das Szenario, vor dem die Darstellung spielt, ist der Weg über die Alpen nach Italien. Dürer selbst war ihn vor einiger Zeit gegangen, und vielleicht hatte er ähnliche Gedanken im Sinn. Er wollte in die Schule der Italiener gehen, ohne zum Nachahmer zu werden. Denn bereits um 1500 entstand um den Nürnberger Künstler herum „ein neues Bewusstsein des Eigenen und des Deutschseins“.28 Das Thema ist also nicht nur die Darstellung der Fortuna oder der Nemesis, sondern auch und ebenso sehr die Trennungslinie zwischen zwei Welten, der eigenen Formenwelt und der ersehnten. Der aufmerksame Betrachter nimmt die Mischung der beiden Formgefühle wahr, von Ideal und Realität, von den Proportionen des Vitruv und dem Empirismus des Nordens. 26 27 28
Ebd., 113. Ebd., 145. Bonnet: Renaissance in Deutschland, 17.
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Platonismus der Italiener, Aristotelismus des Nordens, das Für-sichstehen perfekter Formen (Kugel im Zentrum der Darstellung) und das Ineinandergehen von Schal und Wolkensaum,29 also von zerfließenden Gebilden. Die Darstellung spielt auf einem schmalen Grat. Das Balancieren ohne abzurutschen aber ist jedoch genau das Thema Fortunas, das Maßhalten zwischen zuviel und zuwenig – das bedeutet eben, die italienische Art und Weise zu adaptieren, ohne ihr zu verfallen, oder – wie Wölfflin sich ausdrückt – Fremdartigkeit und Adoption des Formgefühls der Italiener. Das, was gelingen soll, ist eben die Einverleibung der italienischen Form in den nordischen Formwillen, in die Bewegung, in das wirre Leben, in die haecceitas. Folgendes muss hier also aufmerksam beachtet werden: Das Thema wird so formuliert, dass die Art und Weise seines Erscheinens vom Thema selbst getragen wird und von nichts Anderem, was übrigens in jeder echten Kunst der Fall sein sollte – vorausgesetzt nämlich, dass es sich um gelungene Kunst handelt. Das Thema Schweben zwischen Willkür und Zwang, zwischen frei schweifender Form und in sich ruhender Prägung wird gerade mit diesem Mythos des schwankenden Schicksals dargestellt und mit einem ebenso schwankenden Stil auf der schwankenden Grenze zwischen Norden und Süden. Kein Zuviel, kein Zuwenig: das eben heißt Maßhalten, wie Rebel in Bezug auf dieses Blatt betont. Das Thema Maß spielt bei Dürer eine besondere Rolle. Nicht von ungefähr trägt der Holzschnitt auch den Namen Temperantia, den ihm Vasari gibt. Und es ist kein Zufall, dass dieses Thema ausgerechnet ca. 1501 im Werk Albrecht Dürers auftaucht, als er zusammen mit dem Nürnberger Humanisten-Kreis eine neue Idee des Menschen mitprägte (in dem Selbstbildnis von 1500: als neuer Apelles, als neuer Christus, als neues Individuum). Die Auseinandersetzung mit dem klassischen und mit dem modernen Kanon andererseits – d.h. mit Apelles und Phidias einerseits, mit den Italienern der beginnenden Neuzeit – bleibt von nun an zentrales Anliegen in der Dürerschen Kunst. Nach der ersten Synthese um die Jahrhundertwende, etwa mit seinem Selbstporträt von 1500, wird der „neue Phidias und neue Apelles“ immer wieder einen Dialog mit Vitruv und den Italienern führen, indem er versucht, das eigene Kunstwollen zu bewahren.
29
Vgl. Herrmann-Fiore: Leonardos Gewitterlandschaft und Dürers Nemesis, 334ff.
7. Melancholie-Stich – Ein „Denkbild“ als denkendes Bild „Ogni dipintore dipinge sé“ Ein jeder Maler malt sich selbst – so ein italienisches Adagio der Dürerzeit.1 Angesichts der vielen Selbstporträts, die sein Leben lang Dürer von sich selbst malte, muss das doch auch von ihm behauptet werden, und zwar in dem Sinne, dass er über sich selbst immer wieder über sich selbst reflektiert. Derselbe Albrecht wurde in dem schon mehrmals erwähnten Epigramm von Celtis apertis verbis als „philosophus“ angesprochen. Die vorliegende Auslegung seiner Melencolia I geht gerade dieser Anrede nach und versucht, zu überprüfen, inwiefern Dürer als Künstler – und nicht etwa nebenher – auch tatsächlich ein „Philosoph“ war. Darf man auch von jedem „philosophus“ sagen, dass er sich selbst „denkt“? Dies kann man eigentlich bezweifeln. Es gibt jedenfalls eine reiche Tradition des Platonismus ab Augustin, aber auch des Stoizismus, beginnend mit Marc Aurel, welche gerade durch die Beziehung zum denkenden und lebenden Individuum die Seefahrt der Philosophie unternimmt. Cusanus war oft selbst die Leitfigur der eigenen Dialoge und schrieb in erster Person die Abhandlung De visione dei. Seine Anreden an die Mönche, an Gott und an sich selbst sind immer von seinem eigenen Ich aus formuliert. Nicht jede Zeile eines Philosophen ist eo ipso auch schon Philosophie; dasselbe kann auch mutatis mutandis vom Dichter behauptet werden. Wenn wir nun den Maler und Graphiker nach philosophischen Gehalten untersuchen, dürfen wir nicht davon ausgehen, dass wir uns in jedem seiner Werke mit philosophischen Gehalten beschäftigen werden müssen. Einige Werke Dürers – so lautet die hier vertretene Hauptthese – sind aber ausgesprochen philosophisch. Sicher ist eines davon das Titelblatt der Philosophia für Celtis, dank dessen Verarbeitung er vom Dichter den genannten Anspruch als „philosophus noster“ verdiente. Ferner darf auch das Selbstporträt im Pelzrock dazu gerechnet werden, wie die vieldiskutierte Analogie zu Cusanischen Denkansätzen zeigt.2 Die Nemesis von 1501 enthält Ansätze der Ästhetik und einer Philosophie der Völkergeschichte.3 Wie ich behaupte, gehört auch der Melancholie-Stich ohne Weiteres zu diesem philosophischen Bündel. Noch hinzu kommt dann die sogenannte 1 2 3
In diesem Zusammenhang siehe jüngst Scherer: Der Maler als Spiegel?, insbes. 71f. Siehe Kap. 4 in der vorliegenden Arbeit. Ebd., Kap. 6.
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„Bauernsäule“ von 1525, welche eine gesonderte Behandlung erfordert, die im letzten Kapitel der vorliegenden Schrift erfolgt. In der Melencolia I darf man nach Zeichen suchen, welche direkt zu Dürers denkerischer Tätigkeit führen. Sie ist nicht weniger als das Münchener Selbstbildnis eine meditatio sui, wenngleich nicht ausschließlich. Gemeinsam haben nun diese Werke drei grundsätzliche Charakterzüge: Zum ersten sollen sie alle von ihrer „geometrischen“ Mitte her verstanden werden, so dass die anderen Partien ihre Rolle und Bedeutung gerade von dem aus empfangen, was im Zentrum geschieht. Zum zweiten bezieht sich in ihnen der Maler und Zeichner implizit oder ausdrücklich auf sich selbst und auf sein Menschsein als Künstler. Zum dritten handelt es sich um programmatisch gemeinte Werke.4 Diese drei Aspekte sind in den genannten Werken – in der Philosophia, im Selbstbildnis, in der Nemesis und auch in der sog. „Bauernsäule“ – leicht hervorzuheben. Alle vier Bilder sind streng symmetrisch und zentralperspektivisch konstruiert. Ferner platziert Dürer sein Monogramm in der Philosophia an einer eminent zentralen Stelle: als Fundament der ganzen Laufbahn der Wissenschaft, welche das beschriftete Band besetzt. Das Selbstbildnis von 1500 ist stark selbstbezogen. Die Nemesis hat mit der eigenen Kunst zu tun, mit ihrem Sinn und ihrem Gelingen vor der italienischen Form: „Er hatte eine Analyse des Schönheitsbegriff unternommen und zugleich die Erkennbarkeit des Schönen in Frage gestellt. Hier ist der grundsätzliche Abstand Dürers von den italienischen Kunsttheoretikern zu spüren“.5 Neben der Suche nach dem Wesen und die Bedingungen des Schönen und ihre Darstellungsmöglichkeit im Rahmen der Natürlichkeit war ihm stets die Kategorie der Wahrheit – eher das Wahre als das Richtige – ein spezielles Anliegen.6 Im Fall der „Bauernsäule“ ist es die Einfügung in die Underweysung der Messung, welche die Rolle der Besinnung über sich selbst als Erzieher spielt,7 wie ich im nächsten Kapitel einhegender zeigen werde. In der einstimmig als rätselhaft empfundenen Melencolia I sind diese Aspekte eher verschlüsselt und erfordern etwas mehr Konzentration in der Betrachtung, um einzuleuchten (Abb. 30): das Blatt ist weder symmetrisch aufgebaut noch zeigt es unmittelbare oder erkennbare Andeutungen auf Dürer selbst. Nur mit Mühe erkennt man sein Monogramm an einer unauffälligen Stelle auf der Stufe hinter der Melancholiefigur. Diese wurde 4 5 6 7
Wölfflin, Die Kunst Albrecht Dürers, 171; Filippi: Umanesimo, 147, und dies.: Die Unendlichkeit im Endlichen, 352. Bia!ostocki: Vernunft und Ingenium, 108. Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, 213. Siehe ausführlicher Filippi: Maß und Vermessenheit, 333-350.
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schon einmal als eine „denkende Eigentätigkeit“ und also dezidiert im philosophischen Sinne interpretiert, und zwar von Aby Warburg. Er las das Dürerblatt im Sinne eines Kampfes gegen den kosmologischen Aberglauben jener Zeit und folglich wie eine Präfiguration der Aufklärung.8
Die Dürersche Melencolia Mein Gang durch dieses bald 500-jährige Bildrätsel beginnt mit der Heraushebung dieser beiden genannten Aspekte. Es geht hier weder um eine „neue“ Interpretation stricto sensu, noch um eine vollständige, sondern eher um eine ganzheitliche:9 ausgehend von der Mitte des Blattes und somit auch von der Selbstbeziehung des Künstlers (welche eben in der Mitte stattfindet) sollen sich die übrigen Elemente innerhalb eines einheitlichen Gefüges ausweisen, das uns Dürers Werk in seinem philosophischen Gehalt erschließt. Zieht man die beiden Diagonalen unseres Blattes, so kreuzen sich diese direkt unter dem Putto. Er sitzt quasi auf ihrer Kreuzung und besetzt die wichtigste Stelle in der Komposition.10 Das entspricht genau der Mitte des Kupferstichs, sowohl in rein geometrischer als auch in inhaltlicher Hinsicht. Es ist fast allen Interpreten entgangen, dass dieser Putto das gleiche Täfelchen in der Hand hält (Abb. 31), auf dem der Künstler für gewöhnlich sein Monogramm einzeichnet.11 Ein solches Täfelchen mit dem genannten AD-Monogramm gilt bekanntlich als eine Art „Markenzeichen“ für Dürer als Unternehmer.12 Im selben Jahr 1514 wurde der Prozess wegen Plagiat gegen den Bologneser Stecher Marcantonio Raimondi mit dem Urteil beendet, dieser hätte wohl seine Reproduktionen von Dürer-Erfindungen weiter verkaufen dürfen, jedoch ohne Monogramm: nur mit leerem Täfelchen.13 Der Künstler Dürer allein habe das Recht, sein Monogramm darauf einzuzeichnen. Die Art und Weise, wie der Putto den Stichel – und nicht etwa eine Feder oder einen Bleistift – in der Hand hält, ließ manche Interpreten 8 9
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Warburg: Heidnisch-antike Weissagung, 58ff. Dafür plädiert Grebe: Albrecht Dürer, 121: „Neben Kunsthistorikern haben sich Literatur- und Naturwissenchaftler, Theologen, Philosophen, Medizinhistoriker, Psychologen, Mathematiker und Astrologen an einer Auslegung des Blattes versucht. Was jedoch bei heute fehlt, ist eine schlüssige, alle Aspekte des Kupferstichs umfassende Interpretation.“ Böhme: Albrecht Dürer. Melencolia I., 20. Fehl: Dürers literal presence, 206. Im Allgemeinen zu diesem Thema verweise ich auf Schmid: Dürer als Unternehmer, insbes. 292-303. Koschatzky: Fälschung, 129ff. und. 140f.
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daran zweifeln, dass er schreiben würde, wie man auch gedacht hat: Er zeichnet. Der Putto steht hier für Dürer selbst.14 Er verkörpert die Rolle einer Assistenzfigur, was für Renaissanceputti keine Ausnahme darstellt, wie neulich auch für die am unteren Teil der Sixtinischen Madonna von Raffael anwesenden Figürchen als solche behauptet worden ist.15 Der Putto auf dem Dürer-Stich „gehört weder der dämonischen Blindheit der Fledermaus an noch dem melancholischen Bewusstsein der Frau, sondern ist – in Blick, Haltung und versunkenem Kritzeln – Bild einer reflexionslosen Vorstufe des Wissens und Könnens“.16 Gerade dadurch, dass er sich außerhalb der Melancholie befindet wie auch über die in ihr liegenden, verwickelten Kräfte hinwegsetzt, kann der Putto als Assistenzfigur wirken und die Rolle der Kunst verkörpern.17 Dürer ging es sein Leben lang um die Tätigkeit des Messens und der Suche des rechten Maßes im Unterschied zum fest gegebenen Maß der Dinge. Das reimt sich perfekt mit einer Betrachtung von Françoise Rücklin bezüglich des Putto der Melencolia: „l’activité du Putto représente alors également la synthèse, sur un plan supérieur, c’est-à-dire idéal, au sens platonicien, de l’activité des différents métiers tributaires de la ‚Messung‘. Le Putto indique donc aussi que ces métiers partecipent à l’activité artistique“.18
Es geht um Zeichen... Die Geburtsstunde des Künstlers Als Dürer noch kein Jahr alt war, im Jahre 1472, wurde am Himmel ein spektakuläres Ereignis beobachtet: Einen Komet so hell, dass er die Dunkelheit der Nächte verklärte. Allerdings wurde Zweifel daran geäußert, dass das hier wiedergegebene Himmelsphänomen ein Komet sei, da sich seine Strahlen in jede Richtung ausdehnten. Der Nürnberger Astronom Regiomontanus, der übrigens ebenfalls zum Freundeskreis des Cusanus gehörte, hatte diese außerordentliche Erscheinung sehr genau beobachtet. Sein Liber chronicarum wurde 1493 durch Dürers Pate Anton Koberger in Nürnberg herausgegeben.19 Unter diesem Stern ist der Künstler geboren (Abb. 33). 14 15 16 17 18 19
Bertozzi versteht den Putto als „lo spirito creativo destinato a potenziare le capacità dell’artista“: Il detective melanconico, 63. Schwaetzer / Hasler / Filippi: Raffaels Sixtinische Madonna, 20-24 und 134-136. Böhme: Albrecht Dürer, 23f. Siehe Bergius: Von Contemplatio, 41-49; Leuker: Dürer als ikonographischer Neuerer, 33-49. Rücklin: La condition humaine, 93. Koberger ließ 1497 den Briefwechsel Ficinos drucken. Auch durch seinen Freund Pirckheimer hatte Dürer Zugang zu Ficino und zu seiner Temperamentenlehre, da Willibald 1489 ein Exemplar von De vita triplici in Padua erworben hatte. Vgl.
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Wahrscheinlich war am 21. Mai 1471 der helle Körper bereits von der Ferne zu sehen und hatte schon die epochale Frage aufgeworfen, ob es sich tatsächlich um einen Körper handelte oder um bloße Ausdünstungen in der sublunaren Welt nach der Aristotelischen Lehre.20 Auf jeden Fall ging es um ein Zeichen!21 Andeutungen auf Dürer und auf die Stunde seiner Geburt gibt es vielleicht weitere, obwohl in Rätseln und erst noch zu entziffern: Wenn wir die Zahlen des „quadratus Iovis“22 (Abb. 32) von 1 bis 8 und dann von 9 bis 16 aufsteigend verbinden, sehen wir ein Gebilde entstehen (Abb. 48), das an Dürers Monogramm AD erinnert. Wenn wir dann die beiden Buchstaben A und D verfeinern, so haben wir zunächst die Verbindung 1-2-3-4, sowie 6-7 für den Buchstaben „A“ und 9-10-11-12-14-15 für den Buchstaben „D“. Die übrigbleibenden Zahlen (16 und 5 in der ersten Reihe; 13 und 8 in der vierten), bilden jeweils eine Summe von 21 und damit also insgesamt 42. Im Jahre 1514, in dem dieses Blatt geschafft und durch die beiden zentralen Fächer der untersten Reihe kryptodatiert wurde, war Dürer 42 Jahre alt. Wir wissen nämlich von seinem Münchner Selbstbildnis aus dem Jahre 1500, dass er in der Jahrtausendmitte 28-jährig war (aetatis / anno XXVIII). 1514 war er folglich (28+14) 42-jährig.23
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Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy. Über die „Melancholia generosa“; neueren Datums und zusammenfassend Büchsel: Albrecht Dürers Stich, insb. 109-131. Schlagkräftig schon Böhme: Albrecht Dürer 60-68. Zuletzt Demele: Dürers Nacktheit, 125-129. Aristoteles: De meteor. I, 7, 1,2. Bereits in der Antike hatte Seneca dieser These widersprochen (Nat. quaest., VII). Regiomontanus war der Auffassung, der Komet sei ein Stern mit einer eigenen Bahn. Die Frage nach der wahren Beschaffenheit der Kometen wurde erst 1572 von Tycho Brahe in seiner De nova et nullius aevi memoria prius visa Stella gelöst. „Zeichen“ hier in einem doppelten Sinne verstanden: sowohl als Symbol für die eschatologische Erwartung eines Weltuntergangs, als auch als Sternzeichen der Berufung Dürers als Zeichner und Künstlers. Vgl. Heitzer: Kometen, 454-456; Wittkower: Born under Saturn, 104f., sowie an mehreren Stellen Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy. Cornelius Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia libri tres, Liber Secundus, 247ff. Diesbezüglich siehe Faivre / Zimmermann (Hgg.): Epochen der Naturmystik, 2450; im Allgemeinen siehe Müller / Schepers / Totok (Hgg.): Magia naturalis und die Entstehung der modernen Naturwissenschaften; Zambelli: Umanesimo magico-astrologico, 141-174. Modelle von „quadrati magici“ sind kommentiert in Bertozzi nachzulesen: Nota sul quadrato magico. In ders.: Il detective, 68-72. Man könnte einwenden, diese Rekonstruktion des magischen Quadrats sei spekulativ und deshalb ohne Weiteres unwissenschaftlich. Ich möchte sie trotzdem vorstellen, ohne übrigens meine Interpretation darauf zu bauen, weil immerhin feststehen dürfte, dass die Lust des versteckten Spiels mit Andeutungen, verschlüsselten Bedeutungen
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Das Jahr der Kometenerscheinung 1472 fungiert nach dieser Berechnung als Nullpunkt von Dürers Geburt. Kosmologie und Seelenlehre waren damals ziemlich eng gepaart, so dass zum Beispiel Agrippa von Nettesheim im Nürnberger Humanistenkreis zwischen 1510 und 1530 mehrmals behauptet hat: „Die magische Wissenschaft, der so viele Kräfte zu Gebot stehen, und die eine Fülle der erhabensten Mysterien besitzt, umfasst die tiefste Betrachtung der verborgensten Dinge, das Wesen, die Macht, die Beschaffenheit, den Stoff, die Kraft und die Kenntnis der ganzen Natur. Sie lehrt uns die Verschiedenheit und die Übereinstimmung der Dinge kennen. Daraus folgen ihre wunderbaren Wirkungen; indem sie die verschiedensten Kräfte miteinander vereinigt und überall das entsprechende Untere mit den Gaben und Kräften des Oberen verbindet und vermählt. Die Wissenschaft ist daher die vollkommenste und höchste, sie ist eine erhabene und heilige Philosophie, ja sie ist die absolute Vollendung der edelsten Philosophie.“ 24 Mir scheint es an dieser Stelle von Bedeutung, noch einen Auszug aus seinem wohl berühmtesten Werk ausführlich zu zitieren, um die damalige Stimmung spürbar zu verdeutlichen:
Mathematicae disciplinae ad magiam tam sunt necessariae atque cognatae ut qui hanc absque illis profiteatur, is tota aberret via frustraque laboret minimeque desideratum adsequatur effectum. Quaecunque enim sunt et fiunt in istis inferioribus naturalibus virtutibus, omnia haec ‚numero, pondere, mensura’, harmonia, motu et lumine fiunt atque reguntur et omnes res, quas videmus in istis inferioribus, habent radicem et fundamentum in illis. […] Sunt itaque numeri magnarum sublimiumque virtutum potentes; neque enim mirum est – cum in rebus naturalibus sint tot ac tantae virtutes occultae, licet manifestarum operationum – esse in ipsis numeris multo quidem maiores, occultiores, mirabiliores atque efficaciores, quatenus ipsi sunt formaliores, perfectiores, coelestibus insiti, separatis substantiis immixti, denique maximam et simplicissimam habentes cum ideis in mente divina commixtionem, a quibus proprias et efficacissimas vires sortiuntur. […] Denique omnes species naturalium et eorum quae supra naturam sunt, certis numeris astringuntur:
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von Zahlen und Bezügen zur Person des Künstlers ein von diesem Kupferstich nicht wegzudenkendes Element darstellt und letzten Endes ein Grund der großen Faszination ist, die dieses Bild immer wieder ausübt. Cornelius Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia, Liber I, ohne Ort (Köln) 1533, c. 2, 13.
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quod intuens Pythagoras numerum esse inquit, quo cuncta constant, distribuitque singulis singulas virtutes. Et Proclus ait: “Numerus semper existit, alius tamen in voce, alius in rerum proportione, alius in anima et ratione, et alius in divinis”. Themistius vero et Boëthius et Averrois Babylonius cum Platone sic numeros extollunt, ut neminem absque illis posse recte philosophari putent. Loquuntur autem de numero rationali et formali, non de materiali, sensibili sive vocali numero mercatorum, de quo Pythagorici et Academici et Augustinus noster nihil curant; sed intendunt ad proportionem ex illo resultantem, quem numerum naturalem et formalem et rationalem vocant, ex quo magna sacramenta emanant tam in naturalibus, quam divinis atque coelestibus. Per illum habetur via ad omnia scibilia indaganda et intelligenda; per illum habetur proximus accessus ad prophetiam naturalem: atque ipse abbas Ioachim in prophetiis suis alia via quam per numeros formales non processit.25 Der Melencolia I-Stich wurde bisher mit dem Gedankengut vieler prominenter Philosophen in Verbindung gebracht: abgesehen von Agrippa,26 vorwiegend mit Ficino,27 aber auch mit Cusanus und Pico,28 Reuchlin, 29 Ulrich Pinder30 und, was die Antike angeht, Cicero. Das zeigt durchaus, wie der philosophische Inhalt des Blattes schwer zu verfehlen ist. Die Tatsache jedoch, dass kein Kandidat als einzige Quelle für dieses Werk gelten kann,31 legt meines Erachtens eine Vermutung nahe: Wenn der 28-jährige Maler des Selbstbildnisses im Pelzrock noch weitgehend im Zeichen eines Cusanus stand, so ist der nunmehr 42-jährige Künstler imstande, selbständig zu philosophieren, obwohl stets im Dialog mit den führenden Geistergrößen seiner Zeit.
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Zit. nach Zambelli: White Magic, 249f. „La fonte più" vicina a Dürer, per l’ispirazione saturnino-melanconica, non sarebbe Ficino, ma Agrippa, cioè la versione manoscritta del De occ. phil. (1510). Dürer, probabilmente, poteva essere venuto a conoscenza di questa prima versione, dato che il suo grande amico Willibald Pirckheimer era in contatto (proprio nel periodo 1510-1515) con l’abate Tritemio, a cui Agrippa aveva inviato il suo manoscritto“, so Bertozzi: MENSULA JOVIS, 333 (später in ders.: Il detective melanconico, 53). Insbes. diejenige Interpreten, die ausdrücklich Panofskys Position vertreten. Ganz deutlich darin Schuster: Melencolia I, 310-322 und passim. Price: Albrecht Dürer’s Renaissance, 85. Siehe Kap. 2 in der vorliegenden Arbeit. Vgl. Büchsel: Albrecht Dürers Stich, insbes. das Kap. Code oder Nicht-Code? Von Ficino zu Dürer via Agrippa von Nettesheim – Ein gescheiterter Interpretationsversuch, 123-131.
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Die Geburtsstunde der Philosophie im Dürerschen Horizont Wir haben bereits manches gewonnen, was das Zentrum von Dürers eigener Spekulation betrifft: Die Geburtsstunde des Künstlers und damit seine eigene Rolle in der Welt. Das wird nun unter dem Gesichtspunkt einer nachdenklichen Stimmung betrachtet. Wenn hier die Grundfrage lautet, inwiefern der Künstler ein Denker sein kann, dann entsteht aus der Frage nach der Geburtsstunde des Künstlers die analoge Frage nach der Geburtstunde der Philosophie. Außerhalb der Metapher gesagt: Was lässt den Künstler zu einem solchen werden, und wie entsteht das Denken der Philosophie? Es erhebt sich mit anderen Worten in anderen Worten die Frage nach dem Anfang des Philosophierens. Bekanntlich hatten Plato und Aristoteles die Grundstimmung des qaumavz ein für den Anfang der Philosophie verantwortlich gemacht.32 Das wird gewöhnlich übersetzt mit „Staunen“, „Bestaunen“ oder „Erstaunen“. Damit das Wort richtig verstanden wird, muss es von Anfang an sowohl von der einfachen curiositas abgesetzt werden – d.h. von der Neugier, die das Ungewöhnliche solange anstaunen will, bis es ihr gelingt, es wieder als gewöhnlich anzusehen –, wie auch von der „Bewunderung“, welche ein Außerordentliches betrachtet und manchmal sogar anstarrt, um in dessen Bann zu verbleiben, ohne jedoch eine Reduzierung auf das Gängige zu versuchen. Das echte „Erstaunen“ als Ursprung des Philosophierens lässt dagegen das Allergewöhnlichste und Alltäglichste zum Geheimnis werden – zum Unheimlichen überhaupt. Das Ganze des Seienden wird hinterfragt. Das ist eben der Sinn und der Inhalt dessen, was der Künstler hier „Melencolia“ nennt. Zu Dürers Zeit war ein bekanntes Fragment der Problemata (XXX,1) des Aristoteles hoch geschätzt,33 dem zufolge die sonst negativ als Trübsinn und Schwermut bewertete Melancholie zur Grundlage des „göttlichen Wahnsinns“ wird. Die damit verknüpfte Frage: „Warum sind alle hervorragenden Männer, ob Philosophen, Staatsmänner, Dichter oder Künstler offenbar Melancholiker gewesen?“, war in der kulturellen Welt 32 33
Platon: Theätet, 155 d 2ff.; Aristoteles: Metaphysik, A 2, 982 b 11ff. Präziser gesagt wurde dieses meist aus dem 3. Jh. zusammengestellte Gemenge von nacharistotelischen Schriften (als Pseudo-Aristoteles in der Forschungsliteratur bezeichnet) Aristoteles zugeschrieben. Dieses Werk übte durch mittelalterliche Übersetzungen eine gewisse Nachwirkung aus, die ausgerechnet in der Dürerzeit dank Pirchheimers Übersetzertätigkeit ins Lateinische weiterhin einen starken nachhaltigen Einfluss hatte, nicht zuletzt, was die Alchimie, die Astrologie und die Ethik betrifft. Für einen ersten Überblick über die in diesem Problemata-Konglomerat enthaltenen Abhandlungen verweise ich auf Schmitt / Knox: Pseudo-Aristoteles latinus.
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am Anfang des 16. Jhs. durch das Werk von Ficino und Agrippa lebendiger denn je. Dies hat im Übrigen die bekannte Interpretation von Panofsky grundlegend getragen. Die entscheidende Verwandlung des Melancholie-Begriffs in einen positiven status verdankt man ja Marsilio Ficino. Kurz gefasst: „Die Neoplatonisten um Ficino, die von den Nürnberger Humanisten eifrig gelesen wurden, sahen im Nachdenken eine Möglichkeit zur schöpferischen Erkenntnis. Die vom positiven ‚furor melancholicus‘ erfassten Menschen konnten Herausragendes auf dem Gebiet der Wissenschaft, Kunst und Staatslenkung vollbringen“.34 Es gibt also eine Grundstimmung, die dem Philosophen und dem Künstler gemeinsam ist – ein Gemütszustand oder eine Verfassung, welche die Möglichkeit eines „bildenden Denkens“ verbürgen dürfte. Inwiefern ist die Melancholie – oder wie Dürer schreibt „Melencolia“ – eine an sich negative Stimmung, die jedoch ins Positive umschlagen kann? Warum ist sie dem qaumavzein so nah, dass sie für dessen echtes Verständnis gelten darf? Das echte qaumavzein überkommt einen dort, wo das Allergewöhnlichste und Vertraute – die Tatsache, dass Seiendes überhaupt ist – zum Ungewöhnlichsten und Unheimlichsten wird und somit zur Frage („nach dem Seienden als Seienden“, wie dies Aristoteles formulierte). Wenn nun das Staunen an sich eine positive Stimmung ist, die jedoch in bloßes Begaffen und Anstarren ausarten kann (und somit negativ werden), so geschieht bei der Melancholie eher das Umgekehrte: Sie trägt von Haus aus Ablehnung und Verweigerung von Welt in sich. Abgelehnt wird vor allem das Oberflächliche, der bloße Schein, das, was zunächst und zumeist begaffen und angestarrt wird. Somit entfacht diese Stimmung die Frage nach der unheimlich gewordenen Welt in ihrer Ganzheit. Deshalb ist die positive Melancholie – das Erstaunen – mit dem echten qaumavz ein de facto identisch. Einmal in Melancholie versetzt, sprechen einen die gewöhnlichen und vertrauten Dinge des Alltags nicht mehr an.35 Das wird als Wahnsinn 34 35
Grebe: Albrecht Dürer, 123. Wojciech Ba!us zitiert in seinem Beitrag Dürer’s Melencolia I, 9-21, die Stellung der modernen Psychiatrie im Sinne der Depression als andere mögliche Wendung für Melancholie. Dazu äußert sich Antoni K#pi$ski folgendermaßen: „In depression sadness come over a man without any perceptible reason. As if somebody pressed a switch, suddenly everything dies out, the world loses ist color“. In ders.: Melancholia, 7f. Ba!us fasst K#pi$skis Ausführungen zusammen, darüber hinaus behauptet er: „Melancholy is thus a state of undecidability“ (ebd., 18); „Activity has been at once replaced by stupor, ordinatio is turning into inertia, and the sense of the universe becomes problematic“ (ebd., 19).
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empfunden und ist es auch; nur handelt es sich um einen göttlichen Wahnsinn, der einen in eine Grundfrage wirft, von welcher der Impuls zu großen Taten, großen Gedanken und Kunstwerken hervorgeht. Es handelt sich im profanem Sinn um den furor oder den raptus, wie sie Ficino nannte.36 Wer diesen Zustand erlebt, der möchte davon befreit werden, denn er muss ja ringen und gerade in diesem Ringen erreicht er das sonst Unerreichbare. 37 Agrippa von Nettesheim spricht ausdrücklich von einem furor melancholicus. Dies geschieht speziell im dritten Buch seiner De occulta philosophia 36
37
So Ficino in De raptu Pauli: „inverso il sole, se non è prima accesa dal sole“. Ferner: „quella voce reflexa che si nomina Eco non chiama altri se prima non è chiamata, così tu non invochi Iddio se prima Iddio te non voca“. Zit. nach Vasoli: Considerazioni sul „De raptu Pauli“, 241-262. Nach Bertozzi: Considerazioni sulle fonti filosofiche, 53f: „Nella primavera del 1510, all’età di 24 anni, Enrico Cornelio Agrippa inviava il manoscritto del suo De occulta philosophia al famoso abate Tritemio, umanista e teologo benedettino, nonché studioso di riconosciuta esperienza nel campo della magia e delle scienze occulte. L’opera, in tre libri, era proprio dedicata a Giovanni Tritemio, a cui Agrippa aveva fatto visita, durante l’inverno 1509-1510, presso l’abbazia di S. Giacomo a Würzburg, dove avevano a lungo conversato dei loro comuni interessi per la magia. Il manoscritto, che si trova ancora a Würzburg, è l’unica copia rimastaci della prima redazione del De occ. phil. L’edizione a stampa, ampiamente rimaneggiata ed arricchita di nuove fonti, uscì nel 1531 (solo il primo libro, con gli indici del secondo e del terzo) e poi nel 1533, a Colonia, in edizione completa. Conviene leggere […] i brani salienti delle pagine che Agrippa dedica alla melanconia, nel manoscritto del 1510: ‚Il furore (platonico) è l’illuminazione dell’anima ad opera di dei o demoni... Perciò i filosofi indicano come causa di questo furore, all’interno del corpo umano, l’humor melancolicus, ma non quello che è chiamato bile nera (atra bilis), cosa tanto funesta e terribile che il suo scatenarsi, secondo gli scienziati e i medici, provoca non solo la pazzia, ma anche l’invasamento da parte di demoni malvagi. Con humor melancolicus intendo piuttosto quello che è chiamato candida bilis et naturalis. Ora questo umore, quando prende fuoco ed arde, genera il furore che ci porta alla sapienza e al vaticinio, soprattutto quando si combina con qualche influsso celeste, principalmente quello di Saturno. Infatti, poiché, come l’humor melancolicus, anche Saturno è freddo e secco, lo influenza costantemente, lo accresce e lo conserva. E inoltre, come è il signore della contemplazione segreta, estraneo a tutti gli affari pubblici e il più alto di tutti i pianeti, così di continuo richiama l’anima dalle cose esterne a quelle interiori, la rende capace di innalzarsi dalle cose inferiori alle più elevate, e le concede sapere e previsione del futuro. Perciò dice Aristotele nei Problemata che alcuni uomini, attraverso la melancolia, sono diventati esseri divini, capaci di predire il futuro come le Sibille [...] e afferma inoltre [Aristotele] che tutti gli uomini che si sono distinti in qualche branca della conoscenza sono stati, in genere, dei melancolici (ait preterea omnes viros in quavis scientia prestantes ut plurimum extitisse melancolicos): cosa testimoniata da Democrito e Platone, nonché Aristotele, poiché, stando a quello che essi dicono, certi melancolici furono tanto eccellenti per il loro genio da apparire dei anziché uomini. Spesso vediamo melancolici incolti, sciocchi, irresponsabili... presi improvvisamente da questo furore, e divenire grandi poeti e trovare meravigliosi e divini carmi che essi stessi a stento comprendono“.
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von 1510 (auch wenn es erst 1533 veröffentlicht wurde).38 Er neigt aber dazu, diesen furor und die Melancholie durch den astralen Einfluss auf den Menschen zu erklären und somit aus einer Wirklichkeit heraus, die jenseits vom menschlichen Tun und Lassen angesiedelt ist, jenseits der conditio humana. Allerdings scheint mir diese besondere Sicht auf die Philosophie, die von Agrippa entwickelt wurde, Dürers Philosophie am Rande zu tangieren. Dürers denkerische Bemühung geht – es sei hier nur vorwegnehmend erwähnt – gänzlich von der conditio humana aus, und diese ist aus dem eigenen Maß und aus sich heraus zu verstehen – wie es aus dem Ganzen der hier ausgeführten Interpretation hervorgehen soll. Sie darf deshalb keineswegs aus dem kosmischen Bereich und dessen Wirkung auf den Menschen deduziert werden. Die berühmte Lektüre des Panofsky-Kreises, nach der es hier um eine erste Stufe der Melancholie gehen würde (im Unterschied zu einer zweiten und dritten) soll nach dem Gesagten zumindest relativiert werden.
Melencolia Eins? Melencolia § Eins? „Melencolia i“? Ich komme somit zum umstrittenen Titel des Dürerschen MelencholieStichs: Geht es um Melencolia Eins? Melencolia § Eins? „Melencolia i“ – imperativ aus dem Lateinischen „ire“ („Geh weg, Melancholie“)? Man kann hier die Frage deswegen offen lassen, da mein Vorschlag alle Deutungen rechtfertigt, wie ich gleich zeigen werde. Die Lesart „Eins“ ist eine originelle Interpretation von Peter-Klaus Schuster, der auch viele Jahre nach seiner Standardmonographie über diesen Stich fest an seiner Interpretation hält. So schreibt er konsequent: „Nach der kanonischen Definition von Euklid ist ‚Eins‘ keine Zahl, wohl aber das Fundament aller Zahlen, ‚Unus est fons et origo numerorum‘. Mithin ist die Eins das Fundament der gesamten Mathematik“,39 oder mit Cusanus’ Worten gesagt: „per unum igitur fit omnis numerus“.40 Auch Ernst Rebel stimmt weitgehend mit dieser Lesart überein: „Die Zahl I beinhaltet Fortschritt und Stillstand. Sie bedeutet eine Größe für sich und bedingt jede andere Größe und Zahl, ohne die ihre Eigennennung sinnlos wäre. […] ‚I‘ – das meint Anfang und Ende“.41
38 39 40 41
Vgl. Wittstock: Melancholia translata, insbes. 130-133. Schuster: Licht und Schatten, 6. Online abrufbar. Idiota de sapientia I (h 2 V, n. 5). Rebel: Albrecht Dürer, 292.
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Der Melancholiker empfindet den eigenen Zustand als bedrückend und möchte sich davon befreien.42 Insofern impliziert Melancholie überhaupt den Wunsch, dass sie selbst dahingeht. Jede Melancholie bedeutet implizit ein „Verschwinde, du böse Stimmung!“. Ferner wird in ihr nicht dieses oder jenes ungewöhnlich, sondern das Ganze, das Seiende im Ganzen: Naturwelt, tote und lebendige Natur und darüber hinaus der Bereich der menschlichen Verrichtungen und Erfindungen, das Wort und sogar das Gotteswort. Meine Argumentation lautet zusammengefasst: Die Melancholie entfernt jede Verbindung zum Seienden als einem brauchbaren Zeug. Die Dinge sind zwar noch alle vorhanden, aber trotzdem rücken sie in eine Ferne, in welcher sie erstaunenswert werden und nicht nur das Einzelne, sondern das Seiende im Ganzen zur Frage werden lassen. Es handelt sich um ein Staunen über das sonst Alltägliche und Zugängliche. Darin zeigt sich die Melancholie identisch mit dem qaumavzein. Es geht um diejenige Stimmung, welche das Philosophieren auslöst. Deshalb handelt es sich keineswegs um eine gemütliche und bequeme Stimmung, sondern, im Gegenteil, um eine Verfassung, die Fragen entfesselt und einem die Ruhe nimmt. Man würde ihr gerne ausweichen. Man lebt so wohl im Selbstverständlichen und hat es umgekehrt so schwer beim Fraglichen! So ist es verständlich, dass die erste Reaktion so klingen mag: „Geh weg, du böse Stimmung, lass mich in Ruhe. Zeig mir lieber nicht das Rätsel des Existierens“. Wer möchte gerne die Unruhe erfahren, anstatt auf handfester Sicherheit zu fußen? Übrigens: Wer fragt, der sucht nach Antworten, um sein Fragen zu stillen. Das ist in meiner Sicht das Hauptthema der Melencolia I. Die Melancholie lenkt den Blick auf das Ganze als auf ein Ganzes und lässt eben diese Einheit zur Frage werden. Deshalb ist das „Eine“ das natürliche Korrelat einer jeden Melancholie. Schließlich nicht nur Philosophen, Dichtern und Künstlern wohnt sie inne, sondern auch Staatsmännern. Daher ist es dem Sinn nach erlaubt, das als Ziervirgel fast immer weggelassene Zeichen auf der Inschrift zwischen den Wörtern „Melencolia“ und „I“ (oder Eins) als Paragraphenzeichen (§) zu interpretieren und die philosophische Frage nach der Justiz in diesem Kupferstich herauszulesen.43 Wie die 42
43
Mit Absicht wird es hier auf die Implikationen der Temperamentlehre im Dürerschen Humor verzichtet, so wie auf diejenige Hinweise, die uns über Dürers gesundheitlichen Problemen berichten, insbesondere nach der Reise in den Niederlanden. Vgl. Scheil: Albrecht Dürers „Melencolia I“, 201-214. Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg beherbergt in seiner Bibliothek ein unveröffentlichtes Typoskript von Ernst Büch unter dem Titel: Angst als gemeinsames Motiv in Dürers Trilogie: ‚Ritter, Tod und Teufel‘, ,Melencolia § I‘ und ‚Hieronymus im Gehäuse‘ (Essen, um 1950, unpub-
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Tugend der Bescheidenheit ist auch die Forderung nach dem rechten Maß im Gefüge seines sittlichen Denkens tief verankert und hat Albrecht Dürer sein Leben lang immer wieder beschäftigt.
Die Melencolia-Gestalt: Personifikation eines Begriffes? Meistens wird die „Melencolia“ des Titulus mit der geflügelten weiblichen Figur identifiziert. Im Folgenden wende ich mich der Frage nach der Melencolia I-Gestalt zu. Eine überzeugende Analyse von dieser Gestalt wird in Schusters Standardwerk vorgelegt: Er sieht in ihr den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Blattes.44 Mit seinen Auffassungen stimme ich weitgehend überein bis auf einen Punkt. Er liest die Melancholiefigur als eine Verkörperung der Melancholie, und zwar als ein Symbol derselben, so dass sie ganz für die Melancholie steht, in der Weise wie es auch symbolische Gestaltungen der Gerechtigkeit oder der Tugend gibt, welche restlos mit dem gemeinten abstrakten Begriff übereinstimmen. Aus dieser eher impliziten Annahme erklärt er, interpretierte man den Titulus als „Entweiche Melancholie“, so würde eine solche Erklärung zunächst nichts anderes besagen „als daß die ‚Melencolia‘, also Dürers Melancholiefigur, aus dem Bild verschwinden solle“.45 Er sammelt kluge Argumente, um die Behauptung aufzustellen, dieselbe weibliche und beflügelte Gestalt sei auch „die Personifikation der Astronomie“,46 und zwar nach der Boethischen Lehre, die besagt, die Sternwissenschaft fasse alle mathematischen Fächer in sich zusammen und habe deshalb unter diesen den höchsten Rang.47 So werden die verschiedenen Geräte am Boden und auf dem Turm und dieser selbst als zur Astronomie oder zu einem anderen Fach des Quadriviums zugehörig gelesen. Dasselbe gilt für den nächtlichen gestirnten Himmel, in dessen Richtung der Blick der geflügelten Frau gewendet zu sein scheint.
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46 47
liziert). Wenigstens um diese Zeit war jemand schon auf die Idee gekommen, das Zeichen zwischen „Melencolia“ und „I“ als Paragraphenzeichen zu lesen. Das Thema „Angst“ und „Staunen“ in Dürers Melencolia I wurde derzeit auch von Ernst Bloch hervorgehoben: „Dürers Blatt ‚Melencolia‘ zeichnet, mit astrologischen Hilfsmitteln, die Angst als die Berührung mit einem möglichen Abgrund, der nicht einmal einen Boden hat, auf dem das Fallen zerschellt. Das Blatt zeichnet Stupor, worin eine in dauerndem Jetzt eröffnete Verzweiflung starrt.“. In ders.: Das Prinzip Hoffnung, 350f. Schuster: Melencolia I, hier insbesondere Kapp. II-IV. Ebd., 229. Dabei stimme ich mit Tobias Leuker überein: Dürer als ikonographisches Neuerer, 45: „Es ist überhaupt nicht angebracht, die Figur als Verkörperung der Schwarzgalligkeit zu werten“. Schuster: Melencolia I, 136. Ebd., 129.
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Ausgehend von den Buchstaben Theta (Q) und Pi (P) im Ornament des Gürtels dieser Figur (Abb. 34) – die geläufigen Abkürzungen für Theorie und Praxis, wie sie auch auf dem Titelblatt für Celtis’ Amores erscheinen – versteht Schuster noch die Melancholie-Astronomie-Figur weiterhin auch als Philosophie, und dies unter expliziter Bezugnahme auf den Titelblatt der Philosophia von 1502.48 Das Ganze fasst er folgendermaßen zusammen: „Philosophie ist bei Dürer Mathematik, die sich in der Astronomie vorzüglich um die Erklärung der Weltordnung bemüht, mithin Kosmologie“.49 Es ginge letzten Endes um eine „ikonographische Auszeichnung der Astronomie als Philosophie“.50 Ich denke, diese Gestalt in dem Melencolia I-Blatt ist keine abstrakte Personifikation eines Begriffes. Dafür sprechen auch einige Vorzeichnungen. Als solche könnte sie faktisch keine weiteren Begriffe verkörpern. Entweder zielen verschiedene Charaktere auf die Bildung einer bestimmten symbolischen Gestalt (die jeweils die Philosophie oder die Melancholie oder die Astronomie sein kann), oder aber können Aspekte der einen mit Zügen der anderen nur bei einer konkreten Gestalt zusammengehen. Hier haben wir zwar nicht eine historisch feststellbare Frau, die etwa in einem spezifischen Kostüm dargestellt ist, aber immerhin eine Verkörperung, welche jedoch keinen abstrakten Begriff symbolisieren kann. Es handelt sich um eine bildliche, denkerische Darstellung der „conditio humana“. In diesem Sinne treffend finde ich den Titel der Monographie von Françoise Rücklin: La condition humaine d’après Dürer, obwohl die Autorin im Zuge ihrer Lektüre der Melencolia I diese eher dem Ausdruck des Zustands des Künstlers zuschreibt: „cette figure incarne très exactement la condition de l’artiste“.51 La „condition de l’artiste“ ist jedoch eine solche nur auf der Grundlage der „condition humaine“. Diese ist durch und durch von der Melancholie durchtränkt. Melancholie gehört zu den vier Temperamenten. Jedem Temperament entspricht nach einer vom Altertum her stammenden Lehre eines der vier Elemente: Luft für das Sanguinische, Feuer für das Cholerische, Wasser für das Phlegmatische. Dem Melancholischen entspricht die Erde. Der Mensch und die conditio humana gehören hauptsächlich zur Erde. Auf der Erde stehend, sucht der Mensch nach dem Himmel (Luft, Sonne) und nach der Tiefe des Meeres (Wasser). Jedes übrige Element hat nach Aristoteles seinen 48 49 50 51
Ebd., 135ff. Ebd., 142. Ebd. Rücklin: La condition humaine, 137.
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Verfechter gefunden: Thales steht für das Wasser, Anaximenes für die Luft, Heraklit für das Feuer. Nur für die Erde fand sich keiner.52 Denn die ‚Erde‘ kann keinesfalls – wie die nähere Überlegung zeigt – das Element des Gesuchten sein, da sie gerade Eigentum des Suchenden ist, des nach Antworten suchenden Menschen. Das Wort „humanus“ stammt von „humus“: Erde. Die Erde ist das Element des menschlichen Zustandes und – in einem – der Melancholie . Sie ist somit keine Stimmung unter anderen, die gelegentlich den Menschen affizieren, sondern gerade die Grundstimmung des Menschlichen überhaupt. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Stimmung den Menschen ständig und ausdrücklich begleitet. Sie ist im Gegenteil meist unauffällig und schwer zu fassen. Wenn die ältere sitzende weibliche Figur explizite Merkmale der Melancholie zeigt, so kann der jüngere Putto sogar als sanguinisch erscheinen.53 Und trotzdem betrifft ihn die conditio humana am meisten: Er ist „wie am Schaft des pythagoräischen Y“, wo sich „die Wege der Tugend und des Lasters noch nicht getrennt haben. Der Putto ist gleichsam ein Herkules vor der Kreuzwegentscheidung“.54 Deshalb gehört er weder der einen noch der anderen Hälfte des Kupferstichs an. Im Augenblick vor der Entscheidung, vor dem Dilemma ist die Wirkung der Melancholie am intensivsten. Die Kunst befindet sich vor der Aufgabe, durch ihr Können die menschliche Lage am Scheidewege zu erläutern. Vor das Dilemma stellt sich Dürer oft und gerne: am deutlichsten in dem Gemälde Martyrium der Zehntausende , wo er zusammen mit Konrad Celtis die Mitte der dramatischen Szene einnimmt (Abb. 4), oder auch in der enigmatischen „Bauernsäule“, wovon noch genauer die Rede sein wird. Auch in einem anderen Sinne verkörpert der Putto eine Art mittlere Stellung zwischen der weiblichen Figur und der Fledermaus oben links: Und dies nicht nur, weil er in der Mitte auf der Diagonallinie sitzt, welche die eine mit der anderen verbindet. Die Melancholiefigur hält in der Hand einen Zirkel, der einen spitzen Winkel bildet. Dagegen spreizt die Fledermaus ihre Flügel bis zur Bildung eines stumpfen Winkels. Der Putto hält das rechteckige Täfelchen des Künstlers in der Hand und legt seine linke Hand senkrecht darauf. „Der angulus rectus gilt den anschaulich denkenden Philosophen der Renaissance durchweg als symbolische Figur des ‚Zugleich‘ von Identität und Differenz und als die Versichtbarung der Möglichkeit 52 53 54
Aristoteles: Met., A3, 984a. Empedokles nennt nämlich die Erde nur als Viertes, in Verbindung mit den drei übrigen. Vgl. Schuster: Melencolia I, 332. Ebd., 334.
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eines Zusammenfalls von Gegensätzen. Schon Nikolaus von Kues, der Philosoph der coincidentia oppositorum, hatte den Weg seines Nachdenkens über das Unteilbare und Unendliche durch die Figuren des stumpfen, des spitzen und des rechten Winkels geführt und den Zusammenfall aller finiten Winkelmaße im Infiniten eine ‚Wahrheit‘ genannt, ‚die gesehen wird duch jede zugleich größte und kleinste Ähnlichkeit‘ der geometrischen Konstruktionen. Auf dieser kusanischen Fährte voranschreitend, bezeichnet Charles Bouvelles den rechten Winkel als ‚die beste Figur‘, an welcher der spitze ebenso wie der stumpfe Winkel ‚teilhaben‘, indem sie ihn verkleinern oder vergrößern; und so möchte Bovillus denn den rechten Winkel als ‚Maß aller Dinge‘ begreifen“.55
Bildlichkeit der conditio humana: Noch einmal die Frage nach einer Philosophie durch Bilder. Der Künstler Dürer stellt somit die eigene Kunst in das Zeichen vom ‚Maß aller Dinge‘. In dieser mittleren Stellung zwischen dem Teuflischen und der conditio humana ist eine solche Kunst imstande, sich in beide zu versetzen. Die „conditio humana“ ist zwar von der Stimmung der Melancholie ergriffen, fällt aber keinesfalls mit dieser zusammen. Mehr noch: sie stimmt mit keinem abstrakten Begriff überein. Selbst bei Schuster wird übrigens gesagt: „Nicht mit der bloßen Einsicht in die göttliche Schöpfungsordnung hat sich das Wissen zu begnügen, sondern wie in seiner Kennzeichnung als philosophisches Wissen deutlich wird, muß sein eigentliches Ziel sein, sich Gott als dem Urheber und Inbegriff der erkannten Weisheit (Eccl I,1) liebend zuzuwenden“.56 Damit ist die Melencolia I-Figur eben keine symbolhafte Verkörperung. Sie zeigt vielmehr die paradoxe Lage der Menschheit an, nach dem Unbekannten zu streben und es nicht auf dem Wege der Kenntnis erreichen zu können. Die conditio humana ist zwar von der Melancholie heimgesucht und wünscht sich von dieser frei. Sie strebt nach Wissen und unendlichem Glück, verbleibt aber im Unwissen und in der Endlichkeit; sie möchte überall das Eine erfahren – so nennt es die Platonische Überlieferung –, befindet sich jedoch immer in der Vielfältigkeit. Ihr haftet stets die Liebe zur Weisheit an, und das ist eine weitere Wendung zur Philosophie. Dieser Hinweis ist eminent wichtig, weil er sehr eng mit der Frage nach einer 55 56
Lassnig: Dürers „Melencolia-I“ und die Erkenntnistheorie, 71. Schuster, Melencolia I, 142.
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Philosophie durch Bilder zusammenhängt. Insofern hat meines Erachtens Thomas Schauerte Recht, wenn er meint, Dürer zeige hier, sowie auch in einem umstrittenen Radierungsversuch aus dem Jahr ca. 1515, bekannt unter dem Titel Der Verzweifelnde, „die Kunst selbst“!57 Mit anderen Worten: „Das äußerste über die damals denkbaren Möglichkeit für das Aussagepotenzial eines Kunstwerkes“ 58 findet in der Melencolia I den Weg der bildlichen Evidenz. Begriffe werden freilich durch das Medium der Sprache und der Schrift ausgedrückt. Wenn die Graphik Begriffe darstellt, erfüllt sie normalerweise eine bloß subsidiäre Rolle. Sie zeigt lediglich das, was restlos durch Worte gesagt werden kann. Die Vielfältigkeit der menschlichen Situation und der natura humana kann dagegen eher durch den Künstler gezeigt werden. Es wird berichtet, wie sehr dies Dürer am Herzen lag und wie heftig er diese These gegenüber seinem besten Freund Pirckheimer verteidigte. Wie Melanchthon in einem Brief von 1546 anmerkte, sagte Dürer einmal, er habe „als alter Mann angefangen, auf die Natur zu sehen und versucht, deren ursprüngliche Erscheinung zu berücksichtigen; damals habe er begriffen, dass gerade diese Einfachheit die höchste Zierde der Kunst sei“.59 Dass die Natur für ihn vor allem die menschliche ist, geht aus einer Reihe von eigenhändigen Notizen und Skizzen deutlich hervor. Unter „Einfachheit“ dürfen wir die Unmittelbarkeit des Bildes im Unterschied zur syntaktischen Zusammengesetztheit der Rede und ihrer Teile verstehen. Die Natur mag vielfältig anmuten, aber ihre „ursprüngliche Erscheinung“ ist „einfach“ und Sache der höchsten Kunst. Die Streitgespräche mit Pirckheimer – worauf noch einmal eine bereits zitierte Äußerung des Melanchthons bezogen ist –, betrafen somit die Ausdrucksfähigkeiten der bildenden Kunst: „Wenn dabei Dürer in seiner Geistesstärke heftig Pirckheimer bekämpfte und jener das von ihm Vorgebrachte ablehnte, so ging er los wie ein Kampfhahn. Nun erglühte Pirckheimer; er war nämlich sehr jähzornig… und oft brach er in Worte aus: Nein, das kann
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Schauerte: Dürer. Das ferne Genie, 201. Zu diesem entscheidenden Punkt merkt er an: „Vor diesem Hintergrund wäre es wohl auch kaum als Zufall anzusehen, dass genau in die Jahre um die Melancholie auch Dürers erste Aufzeichnungen zu seinem Lehrbuch Speis der Malerknaben fallen“. Ebd., 199. Ebd., 198. Zit. nach Hilberer: Iconic World, 91.
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nicht gemalt werden. Darauf erwiderte Dürer. Aber das, wovon du redest, läßt sich auch nicht sagen und nicht einmal denken“ 60 – so Melanchthons Schwiegersohn Kaspar Peucer in einem Bericht aus dem Jahre 1596. Das, was sich in Worten und Begriffen sagen lässt, und vor allem der gesamte Bereich der exakten Wissenschaften ist verkörpert durch die Astronomie und ihre Geräte als Zusammenfassung aller darin enthaltenen Fächer der Wissenschaft und der Technik. Die melancholische Stimmung geht darüber insofern hinaus, als sie diejenigen affiziert, die mit der Sprache ringen: Philosophen, Staats-männer, Dichter und natürlich Künstler. Deshalb bietet sie das Viaticum zur Philosophie. Im Titelblatt der Philosophia steht geschrieben: „Was Himmel, was Erde, was Luft und Wasser umfaßt, / Auch was im menschlichen Bereich wirkt, / Und was der feurige Gott im ganzen All schafft: / Ich, Philosophie, umfasse dies alles in meiner Brust“.61 Nun sind die Elemente und der Zugangsweg zu ihnen wohl repräsentiert in unserem Blatt. Was aber seine Wirkung auf Menschen ausübt, um die Frage nach Gott in Eins mit der Welt zu bringen, das ist Sache der Philosophie. Die Melencolia I ist das Verlangen und die Suche nach dem mit Worten und Reden unsagbaren Namen Gottes. Das ist der Weg jenseits der Sagbarkeit, der als solcher jedoch der Philosophie zugehört. Ein Teil von ihr besteht – wie dies auch für die ganze Naturwissenschaft gilt – in der Tätigkeit des Beweisens. Das Ganze und das Eine können jedoch keinesfalls durch Beweis aufgezeigt werden. Ihnen ziemt eher ein Erweisen, ein Zeigen; kein demostrare, sondern einfach ein monstrare . Das aber kann der Künstler. Dieser ist, wie näher ausgeführt, durch den Putto personifiziert. Letzterer erscheint Schuster „mit der Tafel auf den Knien als Schüler ausgewiesen“.62 Der Putto steht jedoch für Dürer selbst, für seine Kunst. Er ist ein Lehrling der Wissenschaft und der Technik, aber auch der Philosophie, der conditio humana überhaupt. 60
61 62
Ebd. 92. Vgl. die Stelle in Lassnig: Beiträge, 29: „Wann dann Duerer/ wie er denn von Natur ein kluger verstaendiger Mann war/ dem Bierkeimer starcke widerparth hielte/ vnd was dieser vorbrachte/ er dasselbige so darauff studiert hatte/ kundte Bierkeimer ihm solches nicht vertragen (dann er sehr gehzornig war/ vnnd derhalben auch von den Ziperle hefftig angefochten wurde) vnd liesse zu etlich malen die wort lauffen: Diese ding (sagte er) lassen sich nicht so mahlen. So laßt sich auch das (antwort Duerer) was ihr fuerbringet/ weder sagen/ noch mit Gedancken fassen. Solche deß Bierkeimers vnd Duerers Gespraech/ hiervon hab ich Melanchthonem vilmals hoeren erzehlen“. Übersetzung von Wuttke in Schuster nachzulesen: Melencolia I, 146 u. Anm. 156. Ebd., 116.
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Der Putto ist in der Melencolia I die einzige tätige Gestalt, welche gerade im Zentrum der Szene sitzt. Das Täfelchen des Künstlers, auf dem er gerade zeichnet, hatte eine Art eidetische Funktion in der Graphik Albrecht Dürers inne: In vielen Bildern gehört zwar das Täfelchen in gegenständlicher Hinsicht dem Dargestellten an und unterhält räumliche und sinnhafte Verhältnisse mit Gegenständen des Bildes: z.B. hängt es an einem Baum oder ist an etwas angelehnt oder steckt zwischen den Seiten eines Buches wie ein tatsächlich auf in der Szene vorkommenden Ding.63 Seine Bedeutung ist aber ausschließlich für den Betrachter bestimmt und spielt sich demnach völlig außerhalb der Darstellung ab. Was einem auf dem Bild so vorkommt, als ob es dort glaubhaft erscheint ohne jedoch der Syntax der Szene selbst angehörig zu sein, sondern jenseits davon an den Zuschauer appelliert, wird auch „Assistenzfigur“ genannt. Hier gewinnt die Assistenzfigur eine zugespitzte Rolle, weil der „Cartellino“ gerade im Begriff seiner eigenen Ausführung (als der einzigen Tätigkeit auf der Darstellung) erscheint. Somit wird hier der Putto selbst zur Assistenzfigur. Ähnliches war bereits bei Jan van Eyck zu sehen: in seinem sogenannten Arnolfini-Doppelbildnis, in dem der Künstler selbst die Wirklichkeit des Dargestellten bezeugt („Jan de Eyck fuit hic“), aber auch in der Rolin-Madonna, auf welcher gerade in der Mitte und auf derselben Bildebene wie hier der Putto in Gestalt einer von der Brücke schauenden Figur die Rolle eines bildexternen Bezugs zum Betrachter übernimmt. Solche Experimente mit dem Blick aus dem Bild waren explizit von Cusanus in seinem De visione dei genannt und in ein philosophisch-theologisches experiri umgesetzt.64 Im Zuge des Cusanischen Einflusses, der eventuell durch Bovillus und seinem 1510 erschienenen Liber de Sapiente vermittelt wurde, übernimmt die Gesamtanlage der Melencolia I den Gegensatz von Fortuna und Virtus des Holzschnitts zu dessen Titelblatt. Das Dürersche Blatt wird durch die Mitte vertikal in zwei gleichen Teile geteilt: links überwiegt das Thema der Fortuna, rechts die Virtus, wie 63
64
In der Geburt Christi z.B. hängt es auf dem Tympanon; in dem Apostel Bartholomäus ist es an einem Baum angelehnt; in der Grablegung von 1509/11 ist es als aufgeschlagenes Zettel wieder zu finden. Vgl. Schoen: Albrecht Dürer. Adam und Eva, 81-83. Er sagt dazu: „Die Inschrift kann als Zeugnis des Selbstverständnisses, als Manifestation des Ich des Künstlers verstanden werden. Sie unterstreicht zudem das Kunstwollen“. Siehe auch Bia!ostocki: Begegnungen mit dem Ich, 25-45; Wazbinski: Le ‚cartellino‘, 278-284. Dazu siehe Certeau: Nikolaus von Kues: Das Geheimnis eines Blickes, 325-356; Cuozzo: Bild, visio, 178-196; Simon: Bildtheoretische Grundlagen, insb. 58-66; Rühle: Der Blick des Bildes, 19-44.
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beim Stich für Bovillus. Der Putto sitzt jedoch genau in der Mitte zwischen beiden. Schuster charakterisiert ihn als „einen noch unbelasteten Sanguineus als auffälligen temperamentischen Kontrast zum ernsten Tiefsinn seiner Melancholiefigur“.65 Er betont sein Nicht-Wissen und bezieht es auf seine „allzu große Jugend“. Untätig und „blind“ sitzt er auf dem instabilen Mühlrad. „Dem entspricht auf Dürers Melancholieblatt die elementare Lebenserfahrung, daß Kinder nur unter der Obhut Erwachsener solche Mühlsteine besteigen sollen, da diese durch Ungeschicklichkeit jederzeit ins Rollen geraten können“.66 Damit wäre erneut die jugendliche Unbedarftheit des Putto akzentuiert. Eine bezüglich dieses Putto anregende Lektüre stammt von Ewald Lassnig, der auf den Einfluss von Ulrich Pinder und durch dessen Vermittlung auf die Lehre des Cusanus aufmerksam macht.67 Er bemerkt eigens die Zentralität des Mühlsteins. Ein Kreuz bildend sind um ihn herum vier Elemente im Uhrzeigersinn angeordnet: „der Putto, der große Engel, der Hund und das Polyeder“.68 Diese Vier korrespondieren, in seiner Lektüre, mit den vier Ästen des heiligen Kreuzes, wie diese genau bei Pinder wiederzufinden sind: dem Putto korrespondiert die sinnliche Wahrheitserkenntnis, dem Engel die vernünftige, dem Hund die geistliche und dem Polyeder die himmlische.69 Wie Lassnig erklärt, sei hier sinnlich „ein Lernen durch Naturbeobachtung“ gemeint (was unproblematisch mit der Art und Weise des Künstlers vereinbar ist). Überzeugend scheint mir in diesem Zusammenhang die Deutung des Polyeders im Sinne der figura paradigmatica des Nikolaus von Kues, oder eher wie diese in Ulrich Pinders Speculum felicitatis 70 verstanden wurde. Die „Figur P“ besteht aus zwei Dreiecken, die gegenpolig ineinander verschränkt und – dreidimensional gedacht – zwei Pyramiden bilden, von denen die obere die des Lichts und die untere die Pyramide der Schatten darstellen (Abb. 35).71 Nun soll nach Pinder die höchste Ebene – welche die göttliche Einheit darstellt, und somit die Dreifältigkeit – dreifältig sein, „da sie in der Schrift des Pseudo-Dionysius, von der Nikolaus von Kues 65 66 67 68 69 70
71
Schuster: Melencolia I, 313. Ebd. Lassnig: Dürers „Melencolia-I“ und die Erkenntnistheorie, 51-95. Ebd., 61. Ebd. Ulrich Pinder: Speculum intellectuale felicitatis humanae. Compendium breve de bonae valetudinis cura cum Registro [Nürnberg] 1510. Bestand der Bayerischen Staatlichen Nationalbibliothek, Inv. VD16 ZV 12489. [Online abrufbar]. Cuozzo: Mystice videre, 206ff.; Böhlandt: Figurae paradigmaticae, 287-322; Filippi: Umanesimo, 91f., Abb. 96.
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ausgegangen war, so beschrieben ist“.72 Nun entspricht das Polyeder in Dürers Melencolia I gerade diesem Schema, da es zwei gleichseitige Dreiecke an der Basis und an der Spitze hat und „das obere gleichseitige Dreieck sich gegensinnig zum unteren verhält, d.h. ihm um 60º verdreht gegenüberliegt“.73 Es bildet sich somit ein Rotationskörper, an dessen Mittelpunkt die Verbindungslinien ein unregelmäßiges Fünfeck bilden, dessen Projektion die sechs Fünfecke entstehen lässt, die zusammen mit den beiden gleichseitigen Dreiecken das insgesamt achteckige Polyeder bilden. Obwohl diese Lektüre sehr eindruckvoll und ingeniös wirkt, finde ich jedoch die Bemerkungen von Elfriede Scheil bezüglich des Putto noch aufschlussreicher: „Sein Blick – schreibt sie – schweift genauso in die Ferne wie der seiner Herrin […]. Auch sein Gesichtsausdruck ist ebenso bekümmert wie ihrer. Er leidet offenbar mit ihr. Dieser Putto ist nicht nur eine spielerische Belanglosigkeit […] Seine Schiefertafel und Griffel sind kein Spielzeug“.74 In der Tat: sie sind, wie ich meine, die Instrumente des Künstlers, der sich in die Stimmung der Melancholie versetzen kann.75
„Iustitia intellectualis est viva statera“ Dem Mühlstein kommt ein bedeutungsvoller Ehrenplatz zu.76 Nicht die Harmlosigkeit, sondern die Wichtigkeit des Kindes soll betont werden. Dieser Putto bringt eine kaum überhörbare ethische Instanz mit sich. Man hat davon und von den Nadeln am Boden, sowie von dem eckigen Polyeder, als deutlichem Hinweis auf die Passio Christi gesprochen.77 Wie es auch sei: Gleichgewicht und Einfühlung sind seine Kennzeichen. In der Mitte zwischen fortuna und virtus, zwischen Eingebung und Disziplin 72 73 74 75
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Lassnig: Dürers „Melencolia-I“, 70, Anm. 115. Ebd. 72. Scheil: Albrecht Dürers „Melencolia I“, 212. Da hat Cuozzo: La ragione e la nostalgia, 66, wohl Recht, wenn er meint: „Ora, oscurità, tenebrosità, incapacità di raggiungere la necessità della coincidentia intellettiva – da cui la mesta rassegnazione della ratio maturata al cospetto della sua impossibilità strutturale – sono anche segni caratteristici della complessione melancolica, non a caso posta da Cusano, in una singolare applicazione della figura P alla teoria degli umori, tra una complessione ‚bene armonizzata, compatta e unita nel modo migliore‘ e quella ‚alterabile e sconnessa, più discordante che accordata con sé medesima‘. Questa complessione intermedia è quella propria del melancolico“. Nach Leuker steht der Mühlstein „als Symbol anstrengender Geistesarbeit“; ders.: Albrecht Dürer als Erneuer, 48. Winner: Disputa, 42.
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verbindet es die beiden Sphären, um die es Dürer am meisten ging und die er durch seine Kunst versöhnen wollte. Nicht allein durch Disziplin, auch nicht bloß durch den furor / das Feuer der Eingebung oder durch den unsicheren Wind des Zufalls gelangt man zum Göttlichen, wohl aber durch die „viva mensura“. Dann kann man wiederum mit Schuster daran erinnern, „die Verbindung von Virtus und Fortuna galt den Humanisten als Inbegriff ausgleichender Mäßigkeit, die Dürer stets als Höchstes in allen sittlichen Fragen empfahl. […] Auf diese ethische Dimension des Maßgedankens darf auch die ausgewogene Balkenwaage zwischen den beiden Bereichen bezogen werden“ 78 (Abb. 36). Es ist bemerkenswert, dass Dürer auch zur Demonstration der hohen Bedeutung des Maßgedankens für das künstlerische Schaffen sich auf die primär der sittlich-rechtlichen Sphäre angehörende Gerechtigkeitsvorstellung beruft; dafür gibt es viele Beweise. Es geht nicht darum, das Maß bloß als tote Gegebenheit hinzunehmen und sich passiv und ausschließlich daran zu halten, aber auch nicht, maßlos darüber hinwegzufliegen (wie es das Monstrum mit dem Titulus tut), sondern um die tätige Überwindung der Melancholie, was bereits in der Kindheit und Jugend gelernt sein soll. Dürer schrieb noch 1508 in seinem Entwurf zum Speis der Malerknaben: „Daz sext, ob sich der jung zw vill übte, do fan jm dy Melecoley über hant mocht nehmen“.79 Die intellektuelle Gerechtigkeit ist eine lebendige Waage – mit den Worten des Cusanus: „Iustitia intellectualis est viva statera. Solus homo per intellectum invenit medio staterae iusta rerum pondera et mensuras“.80 Hiermit gelangen wir zum höchsten und wichtigsten Punkt in der Deutung der Melencolia I: die Ethik innerhalb der Philosophie Dürers. Eine ethische Deutung erfordert aber, dass dieser Kupferstich innerhalb der Gesamtheit der sog. „Meisterstiche“ und der späteren Produktion Dürers eigens interpretiert wird. Durch die Einfügung in die „Meisterstiche“ erhält die Melencolia ihren programmatischen Wert, den sie gemeinsam mit anderen „philosophischen“ Stücken von Albrecht Dürer hat. Der Maler stellt uns eine Art Leiter vor Augen, die bis zur Hineinversetzung in Gott führt – Dante würde hier den Ausdruck „indiarsi“ verwenden: Von der hiesigen Gegenwart führt letzten Endes ein Weg zum Göttlichen und insofern, als das Jetzt in Verbindung mit dem Ewigen gebracht wird, ist diese Gegenwart als ein Ganzes, das heißt philosophisch betrachtet. Das scheint eben der Sinn der Leiter der artes und scientiae im 78 79 80
Schuster: Melencolia I, 375. Dürer / Rupprich, 2, 92. Sermo CCXLVIII (h XIX, n. 6, 8-10). [Hervohebung E.F.].
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Titelblatt der Philosophia zu sein, und auch in der Melencolia I, wo das nunc zwar verschlüsselt, aber ganz genau da ist und durch den fließenden Sand in der Wanduhr symbolisiert wird. In diesem höchst rätselhaften Stück scheinen die sieben Sprossen der an die Mauer angelehnten Leiter nach oben, außerhalb der düsteren weltlichen Szene zu führen.81 Im Gegenzug bringt ein teuflisches Wesen das falsche Licht der aversio a Deo, worauf Cusanus z.B. am Schluss der genannten Predigt zu Allerheiligen 1456 Bezug nimmt, indem er diese in ähnlicher Weise darstellt: als gegnerische Kraft gegen den Schatz, der in uns verborgen liegt (latet absconditus) und dem wir uns durch die „imitatio Christi“ annähern können, schildert er eine „imaginem bestiae et figuram […] quoniam qui deleta Dei imagine sumpserint imaginem Antichristi, serpentis scilicet vel draconis, cadent in iram Dei et nunquam habebunt requiem die ac nocte“.82 In einer solchen beängstigten Nacht erfüllt die drachenartige Fledermaus der Melencolia den dunklen Himmel über der bestürmten Landschaft in der Ferne. Auch die Leiter gibt uns ein Zeichen in dieser Richtung: „Wie eine Brücke zwischen technischem ‚Gerümpel‘ und Turm ragt schräg eine Leiter auf. Indem sie andere Gleichlaufende Schrägen des Bildes in sich kompositionell verstärkt, überschneidet sie den nächtlichen Regenbogen. Und wie die Zweifachnatur des Mühlsteins vermittelt auch die Leiter das Geometrisch-Abstrakte mit dem Geräthaft-Konkreten. Zugleich sehen wir, daß an dieser Stelle eine Verbindung geschaffen ist, ein aufsteigender Übergang von dem zur Ruhe gekommenen Bewegungskörpern (Polyeder, Kugel, Hund, Mühlstein) […] Sie bildet das eigentlich transzendierende Gliederungselement innerhalb der ganzen Anhäufung“.83 Dabei hat Böhme wiederholt bemerkt, wie diese Leiter „‚alles mögliche‘ bedeutet, Bauleiter, Jacobsleiter, Leiter der Seinsstufen; sie ist Bildrahmen für dadurch betonte und doch ‚nichts sagende‘ Ausschnitte des Hintergrunds oder verbindende Achse von Vorder- und Hintergrund.“ 84 Unter den Interpretationen der Leiter als Jacobsleiter85 und als Tugendleiter86 wurde eine Beziehung zum Philosophia-Stich eingeführt und die 81 82 83 84 85
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Bereits Martianus Capella hatte die sieben freien Künste mit einer siebenstufigen Leiter zum Himmel dargestellt. Vgl. ders.: Die Hochzeit. Sermo CCLI (h XIX, n. 16). Rebel: Albrecht Dürer, 289. Böhme: Die literarische Wirkungsgeschichte, 101. Der Bezug ist auf Gen. 28, wo der Traum des Jacobs von einer vom Himmel zur Erde herunterreichenden Leiter erzählt wird, auf der Engel auf- und absteigen. Vgl. Horst: Dürers „Melencolia I“, 248. Im Sinne des neuplatonischen Aufstiegs zur höchsten Einheit mit Gott, siehe Schuster: Das Bild der Bilder, 79.
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Leiter als „scala artium“ interpretiert. Wenn das stimmt, dann würden die sieben Sprossen der dargestellten Leiter die sieben Freien Künsten (Grammatica, Logica, Rhetorica, Arithmetica, Geometria, Astronomia, Musica) symbolisieren, wie diese bereits auf dem Kupferstich der Philosophia durch entsprechende griechische Anfangsbuchstaben angedeutet waren.87 Wenn wir nun davon ausgehen, dass Dürer dort sein Monogramm wie programmatisch unter der Leiter platzierte, und uns zugleich vergegenwärtigen, dass der Putto der Melencolia für den Künstler selbst steht, so wird die Verbindung beider Stücke noch enger und bedeutungsvoller. Am Ende des 15. Jahrhunderts, als der Holzschnitt für Celtis ausgeführt wurde, stand der Maler und Humanist noch am Anfang eines Lehrgangs, der ihn zur Philosophie führen sollte. Drei Jahrfünfte später überragt der Kopf des Putto schon drei Stufen der Leiter. Er will noch gerade in die Geheimnisse der Arithmetik, der Geometrie, der Astronomie und der Musik eingeweiht werden. Die ersten drei sind ohne Weiteres sehr deutlich in diesem Kupferstich vorhanden. Auf der anderen Seite ist Dürer auf der Höhe der Gerechtigkeit – auf gleicher Höhe mit der Schale der Waage – und anerkannt im städtischen Leben (die Stadt ist von zwei Sprossen der Leiter wie eingerahmt). Das Problem der Gerechtigkeit und das des sozialen Lebens in der eigenen Heimat sind eng miteinander verbunden, und das verweist auf die Frage nach der Ethik, die im nächsten Kapitel und mit Bezug auf die Ganzheit der „Meisterstiche“ näher betrachtet werden soll.
87
Böhme: Albrecht Dürer. Melencolia I, 32-35; vgl. Schuster: Melencolia, I, 161f.
8. Dürers Ethik in seinen „Meisterstichen“ Die Grundlage der Ethik Dürers Philosophie setzt also mit einer ethischen Instanz ein. Sie gilt bei den Beobachtungen der Phänomene und des Alltäglichen als der fundierende „grvndt“ seiner Kunst. Dort findet sie ihr Zentrum und ihre letzte Bedeutung. Man kann insofern von einem Vorrang der praktischen Vernunft reden. So scheint es mir wichtig zu betonen, wie tief und prägnant sowohl die überlieferte Tradition eines Cicero und eines Seneca als auch Impulse und Anregungen, die dem Cusanischen Gedankengut zugehören, nicht nur im Dürers Umkreis, doch selbst in seiner künstlerischen Tätigkeit nachgewirkt haben. Die „viva imago“, wovon der Moselaner immer wieder spricht, hat freilich und unbedingt mit der praktischen Philosophie zu tun,1 denn dem Menschen als Vernunftwesen wohnt etwas Göttliches inne,2 das es zu entfalten gilt.3 Wie hoch Cusanus die freigesetzte Kreativität des menschlichen Geistes als eines „zweiten Gottes“ bewertet, darf man seiner Idee der Ethik als Wissenschaft entnehmen: „die Parallelen zwischen der Cusanischen Vorstellung der Mathematik und den die Ethik betreffenden Äußerungen aus De venatione sapientiae [sind] unübersehbar“.4 Und diese Eigenschaft im Menschen betont er immer wieder: „reperit omnia in se ipso ut in speculo vivo vita intellectuali, qui in se ipsum respiciens cuncta in se ipso assimilata videt“:5 Eine ‚lebendige Kraft‘ wird also dem Menschen zugewiesen, die beim konjekturalen Wissen helfen soll, „damit der Menschen ein Betrachter des Göttlichen werde“.6 Wie bedeutungstragend in Dürers Werk die „Selbsterkenntnis als Christussuche“ gewirkt hat,7 wurde schon im vierten Kapitel der vorliegenden Arbeit erörtert. Für diesen Künstler hat letzten Endes die praxis den Primat in einer solchen Suche. Das Tun gewinnt bei ihm über die reine Theorie immer die Oberhand. Exemplarisch dafür ist die berühmte disputa, die Dürer mit dem italienischen Maler de’ Barbari hatte. Der Venezianer hatte während ihrer Unterhaltung von einer allgemein gültigen Regel für das nach dem antiken 1 2 3 4 5 6 7
Mandrella: Viva imago, insbes. 284ff. Cusanus führt hier vielmehr die bereits in der Antike formulierte Einsicht weiter. Mandrella: Viva imago, 67. Ebd., 73. De ven. sap. c. 17 (h XII, n. 50). Compendium c. 6 (h XI/3, n. 17), vgl. Mandrella: Viva imago, 74. Krüger: Albrecht Dürer. Mystik / Selbsterkenntnis / Christussuche, passim.
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Kanon erfolgreiche Zeichnen des menschlichen Körpers gesprochen, weigerte sich jedoch, seinem Nürnberger Kollegen Näheres beizubringen oder auch nur zu verraten. Bekanntlich hat Dürer immer wieder nach dieser Regel gesucht8 und hat sein ganzes Leben lang die Vitruvianische Überlieferung und ihre Wiederaufnahmen in der italienischen Renaissancezeit studiert und sich damit autonom und manchmal auch kritisch auseinandergesetzt. Viele seine Zeichnungen, wie auch sein spätes Lehrmaterial liefern ein Zeugnis dafür, dass er sich jedes Mal für die Praxis entschied und keine fertige Theorie des Schönen für gültig hielt.9 Wie noch genauer zu zeigen ist, wird eine Metaphysik, eine Ästhetik und eine Pädagogik bei Dürer erst auf der Grundlage der Ethik ermöglicht und dadurch entwickelt. Es ist insofern sinnvoll, eine Rekonstruktion der philosophischen Systematik bei Dürer gerade auf die Ethik zu zentrieren. Ansätze in diesem Sinne lassen sich zwar in vielen Werken des Meisters finden, und das spricht darüber hinaus dafür, dass die Ethik allgegenwärtig in seinem Schaffen ist. Doch sind die deutlichsten und genauesten Spuren des argumentativen Fadens seiner Ethik in den sog. „Meisterstichen“ zu finden, d.h. in Stichen annähernd desselben Formats, die Dürer ohne besondere Aufträge anfertigte – wie es übrigens auch beim Selbstporträt von 1500 der Fall war – und die auch deswegen besonders geeignet sind, als Träger des eigenen Denken angesehen zu werden. Es handelt sich um drei bzw. vier Stiche, die sozusagen eine Serie bilden, wie die Forschung mittlerweile bestätigt hat.
Eine vollständige Reihe Die „Meisterstiche“ werden einstimmig für das reife Werk Dürers gehalten. Mehr als zehn Jahre nach dem Philosophia-Blatt flechten auch die „Meisterstiche“ das Motiv der Temperamente und das Anliegen der imitatio Christi ein. Drei davon sind seit langem in ihrer Zugehörigkeit bekannt: Ritter, Tod und Teufel – auch als Reuter berühmt;10 die Melencolia I und Hieronymus im Gehäuse gehören eng zusammen, sowohl zeitlich als auch formal und inhaltlich. Dürer selbst hat sich explizit dazu geäußert. Die Blätter haben ein ähnliches Format und wurden in der Zeit um
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Zuletzt Hinz (Hg.): Dürer / Vier Bücher. Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer; mit diesem Thema hat sich seit Anfang der 90er Jahren immer wieder beschäftigt Berthold Hinz. Siehe zuletzt: Dürer: ‚Natürlicher‘ Akt versus Mensch „aus der Maß“, 17-31; ders. (Hg.): Albrecht Dürer. Vier Bücher, insb. Teil G: Das Problem der „Messung“: Fragen und Antworten, 339-353. Dürer / Rupprich, I, 166; auch mit der Variante „Reuther“ zu finden, ebd., 162.
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1513/14 fertig radiert. Die Dürer-Spezialisten haben inzwischen bestätigt, drei Temperamente seien durch diese Blätter vertreten: Reuter – cholerisch Melencolia – melancholisch Hieronymus – phlegmatisch Man könnte allerdings einwenden, es fehle das vierte Temperament, nämlich das Sanguinische. Peter-Klaus Schuster vertritt die Ansicht, es sei doch existent, und zwar sei es durch den Putto der Melencolia I verkörpert, da dieser in diesem Zusammenhang für die irdische Liebe steht. Ferner plädiert er dafür, die Reihe der sog. „Meisterstiche“ durch Adam und Eva von 1504 zu vervollständigen, eine Arbeit, die stilistisch den drei übrigen Werken an die Seite gestellt werden darf.11 Tatsächlich kann der Adam und Eva-Stich (Abb. 37) als ein kompletter Temperamentenzyklus angesehen werden, wenn man bedenkt, wie die Tiere, die dort erscheinen, je ein Temperament verkörpern: die zum Sprung auf die Ratte bereite Katze ist der cholerische Typ; der Hase, mit seiner Neigung zur häufigen Paarung, ist sanguinisch; der Elch, dessen Züge immer traurig anmuten, ist melancholisch; zuletzt verkörpert der Ochse, der oft einfach nur wiederkäuend da liegt, das phlegmatische Temperament.12 Obwohl dieser Kupferstich ein Jahrzehnt früher als die anderen erschaffen wurde, betrachtete ihn Dürer ebenso als eine der erfolgreichsten Errungenschaften seiner Kunst und zugleich als seine Antwort auf die Anregungen der klassischen Antike. Aufgrund seines ethischen Inhalts verdient dieser Stich eine nähere Betrachtung. Manfred Krüger hat Recht, wenn er meint: „Dieser Kupferstich mit dem Thema des Menschenpaares ist wohl das schönste Ergebnis von Dürers Proportionstudien. Er hat aber die menschlichen Proportionen nicht um ihrer selbst willen studiert und angewandt.“ 13 Die vier Temperamente sind hier nicht zufällig innerhalb eines alttestamentarischen Rahmens eingefügt und haben eine wesenhafte Beziehung zum Inhalt der Szene. Das Thema ist anscheinend der Abfall des Menschen aus dem irdischen Paradies. Damit wird das getrennt, was einmal glücklich vereint war, 14 abgesehen davon, dass der Künstler hier das ideale Menschenpaar im Paradies darstellt, und zwar
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Schuster: Humanismus als integrative Kraft, 37f. Bonnet: ‚Akt‘ bei Dürer, 215f. Krüger: Albrecht Dürer, 213. Vgl. Schoen: Albrecht Dürer. Adam und Eva, 104.
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„unter dem Gesichtspunkt der Versuchung, die zur Vertreibung führte, zum Fall. […] Eva hat noch nicht von der Erkenntnisfrucht gekostet […] Adam möchte auch wohl erkennen. Der ‚Sündenfall‘ wird das Menschenpaar zum ‚Gleichnis‘ Gottes machen. Und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist, so verspricht es die Schlange (Gen 3,22).“ 15 Der Verfall gleicht einer Geworfenheit in die Temperamente, welche an sich grundverschieden sind und dafür sorgen, dass die menschlichen Stimmungen auch verschiedenartig ausfallen. Erasmus von Rotterdam behauptet, dadurch, dass ein jeder Mensch sein eigenes Temperament auf sich nehme, indem er die darin gegebenen Charaktere positiv wende, könne sich der Mensch bis zur Nachahmung Christi erheben. Wer sich retten lassen mag, der soll durch den neuen Adam-Christus den Weg der Reinigung finden und gehen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich“ (Joh 14,6). Das hatte der fromme Dürer vor, und das hatte er 1500 so lebhaft und glaubwürdig dargestellt.16 Wenn das Titelblatt zu den Quattuor Libri amorum maßgeblich und anordnend vorgeht, versucht nun zwei Jahre später der Adam und EvaStich ein Nachdenken über die conditio humana in die Wege zu leiten, indem er vom Anfang her beginnt, von dem am meisten entfernten Punkt bezüglich des Ziels des Menschen, also von dem Abfall, der ihn von Gott distanziert und in die Lage versetzt, sich mit Mühe auf den Weg zur Erlösung zu setzen, wie dies das Christentum in Gestalt der Nachahmung Christi vorsieht. Ich möchte diese wichtige Passage mit einer schon zitierten Dürerschen Aussage unterstreichen: „Darzw dinen dy künst, dan sy geben zw erkennen gutz und pöses“.17 Ein solches Nachdenken, das 1504 wiederholt einsetzt, konkretisiert er in den späteren Meisterstichen, welche je eine philosophische Disziplin widerspiegelt und zwar in der Anordnung, die Celtis in seinem Werk dargeboten hatte: Der Reuter steht für die sittliche Redlichkeit, welche über Gefahren und Ängste triumphiert und unbeirrt entlang des rechten Weges fortschreitet; umgeben von Instrumenten der verschiedenen Wissenschaften und Techniken, evoziert die Gestalt der Melencolia die Anstrengung der Entdeckung des Naturreichs; zuletzt verkörpert der Heilige Hieronymus –
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Krüger: Albrecht Dürer, 213. Ebd., 61. Dürer / Rupprich, II, 1966, 130.
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den Erasmus expressis verbis als Modell des Glaubens gelobt hat – die Theologie selbst. Die verschiedenen Temperamente sind nicht bloß auf gleichgültige Weise nebeneinander gestellt, sondern nach einer ganz bestimmten Folge, deren Sequenz durch die drei Disziplinen angegeben wird, in denen sich der Weg der Philosophie bis hin zu ihrer theologischen Bestimmung erfüllt. Eine solche Folge wird übrigens durch die verschiedenen Alter des Menschen betont: Wenn uns der Putto und die biblischen Urahnen – die Vertreter des sanguinischen Temperaments – Kindheit und Jugend zeigen,18 so ist der Ritter ein reifer Mann in seiner vollen Kraft, während die melancholische Figur, deren starke Taille durch die Lebensjahre bestimmt ist, bereits im Untergang begriffen scheint (eine erhaltene Vorzeichnung mit einer alternden Frau kann diese Vermutung bekräftigen), aber dem hohen Alter mit seinem ganzen heiteren und würdigen Glanz begegnen wir erst beim Heiligen Hieronymus.19 Die ethische Anlage der „Meisterstiche“ ist dadurch bedingt, dass der Mensch dazu neigt, sich selbst in die Charaktere des eigenen Temperaments zu verlieren. In seinem 1503 veröffentlichten Handbüchlein des christlichen Streiters erklärt Erasmus, dass gewisse Laster „mit der Anlage des Körpers verbunden [sind]. So neigen die Sanguiniker zur Weibertorheit und zur Wollust, der Choleriker zu Zorn, Wildheit und Verleumdung, die Phlegmatiker zu Nichtstun und zu Trägheit, die Melancholiker zu Neid, Traurigkeit und Bitterkeit“.20 Erasmus fordert, die Neigung der Temperamente soll zu einer positiven Gelegenheit werden: „Wer schmeichlerisch ist, werde freundlich und zuvorkommend; wer hart ist,
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Zum Beispiel in der Auslegung von Schuster: Melencolia I. Mit der Würde des altwerdenden Menschen hat sich der Künstler mehrmals beschäftigt. Die vielleicht erstaunlichsten bildlichen Reflexionen dazu sind einmal Albrecht Dürers große Kohlezeichnung seiner 63-jährigen Mutter Barbara, zwei Monate vor ihrem Tod im Mai 1514, ganz vorbehaltungslos und zugleich stark emotional ausgeführt (Berlin, SPK, Kupferstichkabinett, Graphische Sammlung), zum anderen die mit Pinsel in Schwarz und Grau und mit Deckweiß gehöht, auf grauviolett grundiertem Papier ausfertigte Kopfstudie nach einem alten Mann von 1521 (eher eine Studie für das kleine Gemälde des Hl. Hieronymus, ein Andachtsbild für Rui Fernandes de Almada, einen Gesandten des portugiesischen Königs, heute in Lissabon aufbewahrt, Museu Nacional de Arte Antiga). Dieses hervorragende Werk gehört zu dem Bestand der Graphischen Albertina Sammlung zu Wien. Was die Forschung darüber betrifft, verweise ich zunächst auf Roth: Überlegungen zu Dürers Mutter, 51-57; Roth (Hg.): Dürers Mutter. Schönheit, insbes. 129-134, sowie Mende: Nr. 178. In Schröder (Hg.): Albrecht Dürer, 505f. „Quaedam corporis habitum comitantur, sicut sanguineos mulierositas et voluptatem amor. Cholericum ira, ferocitas, maledicentia. Phlegmaticum inertia, somnolentia. Melancholicum invidia, tristitia, amaritudo“. Nach Schuster: Melencolia I, 334f.
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werde beständig; wer traurig ist, werde ernst; wer töricht ist, der werde anpassungsfähig“.21 Meines Erachtens darf die Reihe der Meisterstiche nicht nur als Folge der Temperamente, als Metapher der Disziplinen verstanden werden, durch die das Wissen hindurch schreiten soll, damit es zum Göttlichen gelangt, mithin als Neuauslegung der klassischen Platonischen Parallele von den verschiedenen Lebensaltern und der Erlangung der Tugend, sondern auch und vor allem als eine Darstellung und als ein Schlüssel zum Verständnis der geschichtlichen Epochen, welche die Weltgeschichte der Menschheit differenzieren. Der Weg dieser irdischen Geschichte geht von dem ursprünglichen Ab- und Verfall der Menschheit, die den Beginn der Zeiten markiert, bis hin zum Gelingen der Nachfolge Christi. Damit ist gezeigt, wie die philosophische Frage nach der Geschichte, nach der Existenz, nach dem Alter und der Tugend von Anfang an durch die ethische Grundfrage und in Anlehnung an diese zu beantworten ist. Selbst die Nachfolge Christi setzt einen Willen voraus und ist dadurch letzten Endes im ethischen Ansatz verwurzelt. Im Sinne einer Vorwegnahme des letzten Ergebnisses der hier vorgeschlagenen Auslegung möchte ich Folgendes bemerken: Das fernste Zeitalter, die Antike, wird durch ein einziges Bild dargestellt, Adam und Eva, das die ganze Zeitspanne von der uralten biblischen Zeit bis hin zum christlichen Mittelalter umspannt. Dagegen sind die für Dürer näheren Epochen durch zwei verschiedene Stiche symbolisiert: Ritter, Tod und Teufel steht für den schwierigen Ausgang aus dem Mittelalter und thematisiert den Menschen als zukünftige Mitte des Wissens und der Natur; die Melencolia I zeigt die unsichere und orientierungslose Zeit, in der derselbe Künstler lebt. Letztlich übergibt uns der Hieronymus im Gehäuse das Bild einer zukünftigen Ära, welche die Menschheit verwirklichen soll, in der die glückliche Harmonie des Menschlichen und des Göttlichen wiederkehrt und die erwünschte Nachahmung des christlichen Modells vervollständigt ist, so dass die Ängste des Alten Testaments gänzlich aufgehoben sind durch den neuen Bund, den Gott dem Menschen verheißen hatte. Die philosophische Überlegung, die Dürer durch diese Werke erarbeitet, schließt sich eng an eine komplexe Frage an, die das Ziel eines praktischen Wissens – eines strikt menschlichen Wissens – in Bezug auf die Aufgabe der Kunst und auf die mögliche Erlangung eines höchsten Gutes zum Thema hat. Diese umfassende Fragestellung hat ihren Angelpunkt in der 21
„Qui blandior est, fiet comis et commodus, qui praefractus, constans; qui tristior, severus; qui ineptior, morigerus atque ad eundem modum de reliquis animi levioribus morbis“. Ebd., 335.
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Ethik, und zwar in einer durch die Mittel der (christlichen) Kunst erarbeiteten und durchdachten Ethik, welche den Kern und die Mitte aller symbolischen Bezüge darstellt, die in diesen Meisterstichen aufzufinden sind. Diese Entwicklung aufzuzeichnen zu zeigen wird die Aufgabe der nächsten Schritte meiner Untersuchung sein.
Adam und Eva: Ethik als äußeres Gesetz Die geistesgeschichtliche Auslegung, die hier in ihren Hauptzügen dargestellt wurde, ist selbst durch die Idee einer imitatio Christi getragen. Nachahmung impliziert nämlich einen Prozess der Assimilierung, welcher notwendig verschiedene Phasen durchschreiten muss und eine ständige Annäherung an das Ziel – an das Urbild – zur Orientierung nimmt. Nur wird man sich dem Urbild ständig nähern, ohne es völlig zu erreichen, da der Unterschied zwischen der humanitas des Menschen und der humanitas Gottes nie aufgehoben werden kann. In diesem Sinne übernimmt Dürer die Cusanische Lehre, wie diese ihm durch die Kultur seiner Zeit nahegebracht wurde. Die Existenz des Menschen, die im Zeichen der Gerechtigkeit stehen kann, und die Wirklichkeit Gottes, welcher die Gerechtigkeit an sich ist, – eine Entscheidung, die auch bei Meister Eckhart bekanntlich eine große Rolle spielt – laufen bestenfalls parallel und treffen sich nur im Unendlichen. Die angestrebte Nähe zum Unendlichen – wie ein ‚lebendiges Bild‘ dessen, was Cusanus mit der Metapher der Exhaustion des Kreises versinnbildlicht – verwirklicht sich erst, wie wir sehen werden, im Menschentum des Hieronymus. Die imitatio ist ihrem Wesen nach zeitlich und bis in ihre innerste Struktur von Geschichtlichkeit durchsetzt. Deshalb kommt ihr notgedrungen ein Anfangspunkt zu, der durch die höchste Entfernung zwischen Menschen und Gott gegeben ist. Der Mensch wendet seine Sicht von Gott ab und zur Sünde hin. Diese Augustinische Sichtweise bestimmt die Idee einer Nachahmung Christi. Die Entfernung trägt jedoch die Bedingung für eine mögliche Annäherung bereits in sich: damit es eine imitatio zustande kommen kann, bedarf es einer Analogie erforderlich, d.h. eines gemeinsamen Grundes, auf dem die Entfernung irgendwie verringert werden kann. Es sind paradoxerweise genau die Temperamente, in denen sich nach der Erasmianischen Lehre die Menschheit zerlegt, die eine solche Gelegenheit bieten. Auch Christus nimmt offensichtlich daran teil: In der Bibel erleben wir ihn einmal cholerisch, als er z.B. Händler und Marktleute aus dem Tempelinneren vertreibt: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“ ruft er mit heftigem Nachdruck (Joh 2,16); aber er kann auch sanguinisch sein, z.B. als er vor Lazarus’ Tod der Verzweiflung
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anheimfällt; ferner kann er auch phlegmatisch wirken, wie damals, als das Meer unter dem Sturm tobte und er anscheinend nichts dafür unternehmen wollte, um den Seinen aus der Not zu helfen. Schließlich kann er sich wohl auch melancholisch zeigen, vor allem in der geistigen Öde und in der Stunde der Demütigung, die ihn auf dem Ölberg erfasste. Die Temperamente besitzen den Charakter eines Symbols und sind dadurch einigermaßen zweideutig. Auf der einen Seite sind sie gewisse physische Veranlagungen des Menschen; auf der anderen Seite wirken sie wie eine Art Kompass, der die Ferne zur Vollkommenheit anzeigt, vorausgesetzt aber, dass eine solche Entfernung auch richtig vernommen und angesehen wird. Das andeutende Zeichen bedarf der Interpretation: Adam und Eva sind in einen Wald von Zeichen und Symbolen versetzt, die sie als solche nicht zu entziffern vermögen: Es sind Ausdrücke ihres menschlichen Seins, ihrer Versetztheit in die Natur, Anzeichen, die sie auf den Weg der Temperamente bringen könnten, d.h. auf den langen Weg, der sie zu Gott führen würde. Aber sie sind nicht in der Lage, die zukünftige Offenbarung des Christus zu erahnen, und haben deshalb keine Augen für diese Zeichen; übrigens, da sie noch in dem Augenblick vor ihrem Abfall von Gott dargestellt sind, kennen sie noch keine differenzierten Temperamente. Auch das göttliche Gesetz besteht wie jedes andere Gesetz überhaupt aus Zeichen. Da aber Adam und Eva unfähig sind, diese Zeichen zu entziffern, brauchen sie nur blind dem Befehl Gottes zu gehorchen und den göttlichen Zorn zu fürchten, den Zorn jenes Gottes, der im Alten Testament thront. In dieser Phase wird die Ethik von außen an den Menschen herangetragen. Das herrschende Temperament in Adam und Eva ist das Sanguinische: Es handelt sich – zumindest in der damaligen Sicht – um das unreflektierteste und unmittelbarste unter allen Temperamenten. Dadurch ist es am weitesten entfernt vom Wissen (bekanntlich ist die verbotene Frucht eine Verheißung des Wissens). Deswegen entspricht diesem Temperament kein Teil der Dürerschen Philosophie. Die größte Entfernung von Gott ist bloß die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass es Nachahmung gibt, aber sie bedeutet auf keine Weise schon eine Annäherung in dieser Richtung. Eine nur äußere und auf Gehorsam fußende Ethik ist unfähig, die Last des Wissens auf sich zu nehmen und davon Gebrauch zu machen, um die theologischen Tugenden zu erwerben.
Reuter: Ethik als inneres Gesetz Die Spannung der beiden entgegengesetzten Pole des sanguinischen Temperaments, spontan und unreflektiert, und der äußeren Moral – also die Polarität von Expansionsneigung der Instinkte und Unterdrückungstendenz derselben durch die Wirkung der Sitten – kommt durch die
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Erziehung letztlich zu einem gewissen Ausgleich. Der natürliche Trieb, der das sanguinische Temperament auszeichnet, eignet sich das äußerliche Gesetz an und verfolgt dessen Zwecke, indem er somit zum Willen wird, zum Prinzip moralischer Handlung, zur cholerischen Durchsetzung seiner selbst und des Gesetzes. Diese innere Zerreißung, durch die Sittlichkeit entsteht, ist in dem von allen Interpreten bemerkten Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund in dem Stich Ritter, Tod und Teufel bemerkbar (Abb. 38): die Natur im Hintergrund ist durch raue Züge dargestellt; sie mutet gotisch an, derb und kränklich. Diese Szene verspricht schon beim ersten Anblick, mehr zu enthalten als das dargestellte Subjekt, und kann vielleicht „als Symbol unseres gesamten Dasein gelten“.22 Der Vordergrund ist gänzlich von dem Ritter besetzt, von seinem Pferd und dem begleitenden Hund. „Durch Felsen abgeschnitten von menschlicher Gemeinschaft, reitet ein Gerüsteter in die Tiefe eines Hohlweges. In der Einsamkeit werden zwei unvertraute Gestalten sichtbar. Sie ziehen mit ihm. Der Teufel ist hinter ihm hergewandert, der Tod an seine Seite geritten. Nun, in der Enge, treten sie ihm nahe: der eine sucht ihn von hinten zu packen, der andere beim Überholen in den Weg sich zu stellen. Ihre Münder sind wie im Reden geöffnet. […] Der Reiter schweigt. Seine Lippen bleiben verschlossen, wie er selbst verschlossen ist, abgekapselt in seiner Rüstung. Nicht einmal, daß er der beiden achten würde. Keines Blickes sie würdigend, ist er wie der Hund, der ihn begleitet, allein dorthin gerichtet, wohin der Ritt geht“.23 Ein Gespräch zwischen Tod und Ritter ist, wie ich meine, gar nicht möglich, weil die beiden Ebenen, denen ein jeder von ihnen zugehört, durch eine Kluft voneinander getrennt sind. Die beiden Schichten des Bildes, Vorder- und Hintergrund, gehören zwei verschiedenen Epochen an: Renaissance und Mittelalter. Sie sind, wie Wölfflin feststellte, wie „angeflickt“.24 Ich möchte hinzufügen: Es handelt sich um aufeinander gestellten Ebenen in der Weise, wie der Cartellino mit Dürers Monogramm, also wie ein bestehendes Ding unter anderen der Szene zugehört, ohne jedoch, dass es durch die dargestellten Menschen tatsächlich vernommen wird. Im Reuter würde z.B. das Pferd mit dem nächsten Schritt die „tabula ansata“ samt Datum und Monogramm keinesfalls zertreten oder gegen sie stoßen: Ihr steht eine eidetische Funktion zu, nämlich die einer Assistenzfigur.
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Theissing: Dürers Ritter, 9. Ebd., 19. Wölfflin: Die Kunst Albrecht Dürers, 186.
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Der offene Mund des Todes hat die Funktion, zu signalisieren, dass derselbe Tod etwas zu sagen hätte, was jedoch gar nicht in Worten formulierbar wäre.25 Wenn das Geschehen im Holzschnitt auch noch hörbar wäre, so würden wir außerhalb des sanften Pferdeganges keine Stimme und keinen weiteren Ton hören, ausgenommen vielleicht ab und zu das Glöckchen am Hals des Kleppers, den der Tod reitet. Diese Figur ermöglicht einem jeden etwas Wesentliches zu verstehen, und zwar ohne einen einzigen Satz zu artikulieren: Der Tod schweigt. Sein Schweigen ist und bleibt ja ein bedeutungsvolles. Man geht auf keinen Kompromiss mit dem eigenen Tode ein. Keinen Satz spricht er aus, der so oder so interpretiert, widerlegt, umformuliert werden könnte.
Wortlose Rede: Das Nachdenken über den Tod Ich möchte an dieser Stelle zwei weitere Dürersche Holzschnitte mit der Darstellung des Todes zum Vergleich in Erinnerung rufen: Der Tod und der Landsknecht von 1510,26 (Abb. 39) und die Vier Reiter aus dem Zyklus Apokalypsis cum figuris aus den Jahren 1497/98 (Abb. 40). Im ersten Blatt steht vor dem aufmerksamen Soldat ein verwestes Skelett, das ihm die Sanduhr vor den Augen schwenkt. Der Tod hat hier den Mund geschlossen, ebenso sein Gegenüber. Diesen Holzschnitt hatte Dürer, erstmals 1511 im Selbstverlag herausgegeben, später in einem Flugblatt integriert. In dem überaus seltenen Holzschnitt hat der Meister eine eindrucksvolle Konfrontationsszene gestaltet, in der er auf einem, durch Totenbrett und Beinknochen kenntlichen Friedhof, den personifizierten Tod einem aufwendig gekleideten Landsknecht mit Schwert und Hellebarde die Sanduhr zeigen lässt.27 Da diese noch nicht abgelaufen ist, also dessen Lebensende noch nicht gekommen ist, weist der Tod ihn nur auf seine Endlichkeit und auf sein jederzeit mögliches Sterben hin. In diesem Sinne liegt hier mehr eine Memento Mori als eine Totentanzdarstellung 28 vor. 25 26
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Pigafetta: La più vuota delle immagini, 17. Holzschnitt (82 x 120 mm), Künstlermonogramm unten rechts. Mit Text abgebildet in Hollstein: German Etchings, Bd. 7, 194. Zwei unterschiedliche Editionen abgedruckt in: TIB, Bd. 10, Comm., 1001.332. Auf dem Flugblatt fehlen drei Textzeilen, die Albrecht Dürer als den Verfasser des Gedichtes kenntlich machen. Von Seggern: Der Landsknecht, 193-198, insbes. 194-197. Totentänze, in denen die Metaphern vom jederzeit möglichen Tod und der Gleichheit aller Menschen vor ihm thematisiert sind, wurden seit dem 15. Jahrhundert von einer Vielzahl von Künstlern gestaltet. Im Bereich der bildenden Kunst waren es zumeist graphische Folgen oder Einzeldarstellungen, in denen die Konfrontation von Menschen der unterschiedlichsten Stände mit dem personifizierten Tod dargestellt wird. Sind Totentänze zunächst in den heilsgeschichtlichen Kontext eingebunden
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Offenbar steht der Landsknecht „stellvertretend für seinen Stand und zugleich für alle Menschen“.29 Es geht um eine schweigende, aufzeigende Rede ohne bestimmte sooder-anders formulierbare Inhalte; deshalb bleibt sie ohne Worte. Der Tod kann von keiner Rede gesagt werden. Er redet nicht und kann auch nicht Thema einer Rede sein. Das, was bezüglich des Todes durch Argumente und Sätze bewiesen werden kann, ist bedeutungslos. Mehr als das demonstrare gilt hier einfach das monstrare. Philosophieren über den Tod kann also mehr noch der Künstler als der Redner. In dem berühmten Blatt Die Vier Reiter, aus der Reihe der Apokalyp30 se, hat der reitende Tod als einziger unter den Vieren zwar einen geöffneten Mund. Es ist aber ganz deutlich: Von ihm wird kein artikulierter Laut ausgesprochen. Nur einer unter den Sterbenden blickt gerade nach ihm. Seine Mistgabel wird nicht drohend in die Luft geschwenkt wie eine Waffe. Der Tod scheint sich hier in dem Augenblick zu befinden, in dem er seiner selbst bewusst wird. Ihm stockt das Wort im Mund. Ein jedes Wort würde ja vor der Unaussprechlichkeit des Todes versagen. Im Reuter artikuliert Dürer seine Philosophie des Todes. Durch dieses Stück geht er eine unumgehbare Frage der Philosophie des existierenden Menschen an, wenn es mit Platon hauptsächlich darum geht, sterben zu lernen, und Philosophie damit eigentlich Thanatologie ist.31 Nach Heinrich Theissing: „Kein anderer bildender Künstler in Deutschland hat vorher den Tod in so eigenen und mannigfaltigen Gedanken umkreist wie Dürer“.32 Dürers Personifizierung des Todes ist hier alles andere „als das blanke Gerippe, das ein zeitloses Abstraktum des Todes ist“:33 Der Tod ist hier „ohne Waffe, ist ganz zum Warner geworden“.34 Von seiner überlieferten Ikonographie her erhält er noch zwei Attribute, die zu seinem Charakter beitragen: Das Glöckchen am Hals des schmächtigen Gauls und die Krone auf dem Haupt. Beide haben dieselbe Bedeutung: Der Tod begleitet einen jeden sein Leben lang. Er ist immer
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und streng im Sinne der spätmittelalterlichen Ständeordnung gegliedert, so spiegeln sie im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl von gesellschaftlichen Veränderungen wider. Sie zeigen u.a. die Tendenzen der Aufklärung, den Verlust der Ständeordnung, Revolution und das massenhafte Sterben im Krieg. Von Seggern: Der Landsknecht, 197. Ausführlicher zum diesem Aspekt siehe Bächtiger: Vanitas, 129-136. Vgl. Bachmann: Die apokalyptischen Reiter, 33-58. Platon: Phaidon, 67d,e. Theissing: Dürers Ritter, 58. Ebd., 60. Ebd., 70.
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einen Schritt voraus und einen Schritt entfernt. Man kann seine Glocke hören, wenn man sich darauf konzentriert. Hört man diese Glocke nicht, dann heißt es, dass der Tod ganz nah und unbeweglich vor dem Menschen steht, mit seinem bedeutungsvoll offenem Mund, ohne dass irgendein Wort diese Bedeutung verdeutlicht. Der Tod kommt nicht etwa eines Tages wie ein Zwischenfall zum Vorschein, der das Leben unterbricht, sondern begleitet es in jedem Augenblick. Mehr noch, er „regiert“ das Leben: Deshalb trägt er die Krone wie ein „rex“ (von regere), der heimlich und fatal herrscht. Der Tod ist in jedem Augenblick da. Sein Attribut ist deshalb die Uhr. Er kann die Zeit anhalten und jeden Moment dezidiert erstarren lassen. Daher trägt er Schlangen in seinem Haupt, wie eine Medusa: „die Schlangen, die züngelnd das Haupt umringen, lassen es wie ein Gorgonenhaupt erscheinen, dessen Anblick Tod bringt“.35 Der Teufel gesellt sich zum Tode als das Ewige zum Zeitlichen. Er bekommt wie sein Geselle durchaus individuelle Züge: „Wie der Tod kein abstraktes Gerippe ist, so der Teufel kein abstraktes Ungeheuer, sondern ein ungeheuerliches Naturwesen. Bei aller Abstrusität hat es die Eindringlichkeit des Existierenden“.36 Er ist ein Repräsentant der Maßlosigkeit in der Natur, eine Kollektion aller Unformen und Mißgestalten, die in der Natur vorkommen. Der Teufel sammelt im Hintergrund alle möglichen Gegensätze zu dem im Vordergrund Dargestellten: Unordnung, Hinterlist, Schrecken gegenüber Maßhalten, Fortschritt und Gelassenheit. Dieser Vordergrund ist im Gegensatz zum Hintergrund ein Meisterstück des Gleichgewichts von Formen und Gesten. Die dramatische Spannung, die das hektische Geflecht der Natur und der gespenstischen Figuren des Todes und des Teufels einbezieht, geht hier ganz in eine Harmonie auf, welche inneren Einklang und stolzes Selbstbewusstsein bezeugt. Man hat hier sogar einen Einfluss des Florentiner Dominikaners Girolamo Savonarola sehen wollen, dessen eifrigen Predigten in dem damaligen Nürnberg wohl bekannt waren.37 Im Reuter wird ein ‚Chiasmus‘ gezeigt und erlebt: zwischen beiden Epochen des Mittelalters und der Neuzeit und zugleich zwischen den beiden Kulturen und Formgefühlen des Nordens und des Südens, wie dies bereits in der Nemesis ein bestimmendes Thema der künstlerischen und philosophischen Besinnung war. 35 36 37
Ebd., 62f. Ebd., 98. Leinz-von Dessauer: Savonarola und Albrecht Dürer, 37.
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Der Ritter schreitet geradewegs, ohne auf das memento mori zu achten,38 das ihm durch die halbleere Sanduhr vorgeschwenkt wird. „Das Erleben von Dürers Meisterstich konzentriert sich in der Einsicht, dass inhaltlich wie formal ein Gegensatz zwischen dem Ritter einerseits und Tod, Teufel, Natur andererseits besteht“.39 Diese Art Zwiespältigkeit hatte bereits Wölfflin dazu bewegt, zu behaupten, dass „die Figurenbegleitung angeflickt und das Ganze ein Kompromiß ist“.40 In der Tat ist in den vorbereitenden Blättern zu diesem Stich der Vordergrund allein und für sich stehend konzipiert, ohne Hintergrund. Die Nebeneinanderstellung von Vorder- und Hintergrund ist die von zwei verschiedenen Epochen, der mittelalterlichen, bestimmt durch die Angst vor dem Tode (und durch die Teufelsaustreibung), und der Renaissance, in welcher sich der Mensch zur Mitte der Welt erhebt und ihr Sinn und Form nach seiner eigenen Gestalt und Ähnlichkeit verleiht. Der Ritter schenkt den Mahnungen des Todes keine Achtung, fürchtet sich nicht vor den Schrecken des Teufels, weil diese Dinge vor allem aus einem bereits vergangenen Zeitalter stammen und nur dessen gespenstischen Schatten verbleiben. Studien zur Kostümgeschichte machten darauf aufmerksam, dass der vom Ritter getragene Harnisch gerade einen Übergang von dem spätgotischen Modell zur gerippten Rüstung der Renaissancezeit darstellt: „Pferd und Reiter jedoch, deren Schönheit mit Richtscheid und Zirkel nachgeprüft werden kann, offenbaren, dass Gestalt für Dürer ‚mathematische Gestalt‘ ist, die vom forschenden und wissenden Menschengeist als Maß aus dem Maßlosen gehoben wird. […] Maß tritt vor Unmaß, Gesetz vor Gesetzlosigkeit, Proportion vor Disproportion, Harmonie vor Disharmonie, Planung vor Zufälligkeit.“ 41 Maß, Gesetz, Proportion, Harmonie und Planung sind die Werte, mit denen das neue Zeitalter die Gewissheit der Subjektivität und die Herrschaft des Menschen über die Welt durchsetzt, da der Mensch die neue Norm des Universums geworden ist. Es ist somit möglich, auf neue Weise auf den Zusammenhang zu schauen, der das cholerische Temperament an die Ethik bindet, indem man die Parallele zwischen diesem Stich und dem ersten Teil des philosophischen Weges zum theologischen Zweck überprüft, der durch die Ethik dargestellt ist. Das ethische Verhalten, welches das äußere Gesetz auf sich nimmt, ist das Moment der Selbstbehauptung
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Das „Me(m)ento mei“ war ausdrücklicher Kommentar von Dürer in dem Blatt „König Tod zu Pferde“, Kohle, 1505 (W 377). Theissing: Dürers Ritter,117. Wölfflin: Die Kunst Albrecht Dürers, 213. Theissing: Dürers Ritter, 127-128.
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und der Durchsetzung des eigenen Willens, was dem cholerischen Temperament entspricht. Wenn das zentrale Problem der Ethik die Frage nach dem Verhältnis zwischen Moral als positivem und von außen diktiertem Gesetz auf der einen Seite und innerlichem Ethos auf der anderen ist, so wird verständlich, weshalb hier die Figuren im Vorder- und Hintergrund auf visueller Ebene jenen Riss, jenen Einschnitt wiederholen, der die Fragestellung der Ethik durchzieht. Im Übrigen wird es insbesondere durch die explizite Übernahme der ethischen Zielsetzung, dort also, wo diese nicht mehr als äußerlich empfunden wird, ermöglicht, die Mittel für ihre Verfolgung frei zu suchen. Aus diesem grundsätzlichen ethischen Vorgang wird denn auch eine parallele Handlung in Bezug auf die Natur ermöglicht, durch die das Temperament direkt auf die Natur wirken kann, um so durch die Handlung die imitatio Christi zu verfolgen. 1503, also genau zehn Jahre zuvor, hatte Erasmus von Rotterdam das beglückwünschte Büchlein veröffentlicht, das den Titel trägt: Enchiridion militis christiani (Handbüchlein des christlichen Ritters bzw. Streiters).42 Der christliche Soldat, der mittlerweile keine Züge des Kreuzfahrers mehr aufweist, kann den Gefahren des Bösen ja entgehen, wenn er die Heilige Schrift als Gottes Gabe empfängt und sie zur stärksten Waffe gegen das Böse macht. Der Glaube – so liest man in diesem wegweisenden Brevier – lässt sich nicht nach der Zahl der pedantisch gebeteten Psalmen und rezitierten Gebete messen. Der Tempel des Glaubens ist kein Gebäude aus Stein, sondern entspricht dem inneren christlich orientierten glaubwürdigen Leben. Nach diesem Modell, das des Weiteren andere legendäre Figuren evoziert – vom Heiligen Georg bis zu Parsifal, wie auch jene, die das im Jahre 1513 für Kaiser Maximilian I entworfene Stundenbuch illustrieren43 – ist „der große christliche Ritter“ von Albrecht Dürer (wie ihn Sandrart nannte) exemplifiziert: er geht hin und kämpft „den schönsten Krieg gegen die schlimmsten Gegner der Kirche: gegen Habgier, Zorn, Ehrsucht, Angst vor dem Tode“.44 Um einen solchen Krieg zu führen, muss der Gläubige über geeignete Waffen verfügen: Das Wort enchiridion, das im Titel des Büchleins erscheint, bedeutet „Dolch“ – im Sinne dessen, was in der Hand
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Jeroen Stumpel möchte allerdings die Rolle und den Einfluss der Erasmischen Schrift eher relativieren, da sie im lateinischen Druck von 1503 einen sehr schwachen Umlauf gehabt habe und erst ab 1520 in einer deutschsprachigen Ausgabe richtig bekannt geworden sei: Dürer and Death, 77. Vgl. Vaisse: Reître ou chevalier?, 52-58. Erasmus von Rotterdam: Dulce bellum inexpertis (1515).
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(en cheîr) steckt – im erweiterten Sinne aber auch „Handbuch“.45 Erasmus beschreibt in seinem Text ein Leben, das durch unendliche Kämpfe hindurch geht: es sind Kämpfe um die Erlangung des Friedens mit sich selbst und den anderen Menschen, damit am Ende auch der unaussprechliche Frieden mit Gott erreicht sein kann. Das Enchiridion unterstreicht das ethische und spirituelle Programm des christlich so geformten und konsequent gelebten Lebens im Sinne einer philosophia Christi. Spürbar darin ist das Echo der Bewegung der Devotio moderna, mit welcher der junge Erasmus in Berührung gekommen war. Hier ruft er seinen Leser noch einmal und explizit dazu auf, eine Nachahmung Christi zu praktizieren und die Augen des Geistes auf das (Vor-)Bild des Christus zu fixieren.46 Dürer kannte wahrscheinlich das in Nürnberg 1494 erschienene Büchlein von Thomas von Kempen, Nachfolge Christi. Verantwortlich für diese Ausgabe bei Caspar Hochfeder, die von ihrem Erscheinen an eine große Verbreitung in allen Bevölkerungsschichten hatte, waren Peter Danhauser und Georg Pirckheimer.47 Dort konnte Dürer lesen: „Wem das ewige Wort zu Herzen redet / der macht sich vielerlei Meinungen los. Es kommt doch alles von einem Wort her / und alle Dinge zeugen im Grunde von einem Wort, und dies eine Wort ist dasselbe Wort / das im Anfang war und jetzt auch zu uns redet. Ohne dieses Wort findest Du keinen gesunden Verstand und kein wahres Urteil.“ 48 Der Dürersche Reuter ist ein Streiter des Herrn, der mit Paulus „die Waffenrüstung Gottes“ angelegt hat.49 Indem er sich eifrig in diesem edelsten Kampf einsetzt, kann der miles christianus das moralische Leiden merklich vermindern, das seine Seele bedrückt und beängstigt und die Sorge erleichtern, welche die wahre Ursache aller Kriege ist, die die Menschheit zerreißen. Die stolze Haltung, der feste Blick jenseits der Plagen der Vergangenheit und der Gegenwart, die unbewegte Zielrichtung in der tugendhaften Handlung, das sind die Aspekte, die dieses Individuum so sehr rühmen wie einen alten Heerführer, nach dessen Muster er von Dürer dargestellt wird. 45 46 47 48
49
Erasmus von Rotterdam: Enchiridion, 98. Saracino: Cristo a Venezia, 149. Stadlober: Der Wald, 61. Thomas von Kempen: Nachahmung Christi. Des Thomas von Kempen vier Bücher von der Nachfolge Christi, Hamburg (Projekt Gutenberg, s. d.), Buch I., Kap. 3, 9. Im Original steht: „Et quid nobis de generibus et speciebus, cui æternum Verbum loquitur a multis opinionibus expeditur. Ex uno Verbo omnia, et unum loquuntur omnia et hoc est Principium quod et loquitur nobis. Nemo sine illo intelligit, aut recte judicat.“ Eph 6, 14-17. Vgl. Erasmus: Enchiridion, I, 92ff.
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Viele exempla standen ihm diesbezüglich zur Verfügung, und zwar von exzellenter Qualität, wie z.B. das Reiterstandbild für Marc Aurel, das ihm seit langer Zeit durch Zeichnungen und Radierungen bekannt war, bis zu den Urbilder aus dem vorigen Jahrhundert, wie der Gattamelata von Donatello in Padua und das Standbild für Bartolomeo Colleoni in Venedig, beauftragt an Andrea Verrocchio. Während seiner Aufenthalte im Veneto hatte Albertus Durero gewiss die Möglichkeit gehabt, die letzten beiden Meisterwerke der italienischen Frührenaissance zu bewundern und zu studieren. Das Nachdenken über den Krieg findet in der Kunst Dürers immer wieder statt, etwa in einzelnen Figuren bewaffneter Ritter, oft auf dem Pferd, in Blättern, die sein wissenschaftliches Interesse an den neuen Techniken verraten (Landschaft mit Kanone, Radierung von 1518), in einer systematischen Abhandlung zu den Festungsanlagen (1527), so wie in der manchmal beunruhigenden Anwesenheit von Türken und Landsknechten auf der Landschaft. Der Reuter manifestiert aber eine bereits a priori getroffene Wahl: Die Hauptsache ist die sittliche Redlichkeit, der Einsatz in der Handlung, in erster Person und ohne Zaghaftigkeit: „Dein Auge sei […] einzig Christus zugerichtet wie einen höchsten Gute, so dass Du liebst, bewunderst und suchst nichts anderes als Christus und für Christus“.50 Im Reuter sind viele Behauptungen aus dem schriftlichen Nachlass Dürers bildlich verklärt wiederzufinden. Es geht darin um das Problem der Schönheit: „Waß aber dy schonheit seÿ, daz weis jch nit […] nÿmantz weis daz dan got, dy schon zw urteilen“.51 Schönheit stammt also von Gott. Der Reuter kann dadurch „schön“ genannt werden, weil er unterwegs zu Gott ist. Auf seinem Weg erwartet ihn eine Kehre um die Schlucht bis hin zur Burg, Metapher des himmlischen Jerusalems. Aber der Weg dahin ist steil und abfallend. Die Kehre ist eine Strecke, die anscheinend zurückführt, eine Strecke, welche die Aussicht auf das Ziel verbietet. Zwischen der aktuellen Stellung des Ritters und dem zu erreichenden Ziel seiner Fahrt besteht eine steile Wand, eine gewaltige Trennung aus Stein und Fels. Man kann somit in diesem Dürerschen Blatt fünf Stufen unterscheiden: 1)
2) 50 51 52
Die vorderste Schicht ist durch die tabula ansata gegeben. Sie ist nur für den Betrachter da: Mit dieser verbürgt Albrecht Dürer dafür, dass diese inventio wahr und gut ist.52 Ritter, Pferd und Hund: Vorderseite.
Erasmus von Rotterdam: Handbuch des christlichen Soldaten, VIII, Vierte Regel. Dürer / Rupprich, III, 272 und 295. Zur Rolle und Bedeutung der tabula ansata besonders in der italienischen Renaissance vgl. Filippi: „Durch Schauen wird also Seligkeit errungen…“, 24.
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3) 4)
5)
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Tod, Teufel, maßlose Natur: Hintergrund. Felsenwand: sie hat dieselbe Rolle wie die Mauer in Platos Höhlengleichnis:53 Was vor der Wand besteht, ist vergänglich und bedingt. Was hinter der Mauer besteht, ist beständig und sicher, das wahre Maß der Dinge. Die getürmte Stadt, wohin der Weg endlich führt. Wer sie erreicht, der hat die bestehende Schönheit erreicht. Wer noch unterwegs dazu ist, der kann auf dem Weg schon Mäßigung und Gemessenheit ausüben.
Es ist schwer, „ein recht mitell mas“ zu behalten.54 Darin besteht aber sowohl die letzte Antwort auf die Frage nach sich selbst als gutem Gläubigen als auch die nach dem Künstler Dürer auf der Suche nach dem Schönen: „Folglich erscheint auch B 98 [Ritter, Tod und Teufel] – wie von Melencolia I (B 74) längst vermutet – als geistige Selbstdarstellung Dürers. Daß hier große Ängste zum Ausdruck kommen, ist mehrfach bedacht worden, und in der Tat trägt ja Dürer, im Schnittpunkt zweier Zeitalter stehend, das Beängstigende und Rätselhafte, das in der Welt verborgen ist, schwer und bedrängend in sich“.55 In dieser eigenartigen Schwebe entsteht, wie mir scheint, der Ansatz einer Naturphilosophie im Werk Dürers. Auf der einen Seite bietet die Natur diejenigen Aspekte, die zugespitzt in Tod und Teufel wiederzufinden sind: „Wie der Tod ruinös ist, verletzt, zerfressen, vertrocknet, so ist das Gestein brüchig, rissig, zerlöchert, so sind die Pflanzen kahl, verdorrt, am Wurzelwerk bloßgelegt. Sie sind ein stacheliges, gekrümmtes Durcheinander, ein auseinander- und gegeneinanderstrebendes Gestrüpp und die Felsen bruchstückhaft ineinander verschränkt, wie der Teufel in sich aus fragmentarischen Gliedern wirr, spitz, gewunden und widerstrebend zusammengesetzt ist“.56 Ganz anders ist aber die moralisierte Natur des irdischen Paradieses, welche Adam und Eva umgibt. Hier waltet eine sanfte Ordnung, hier sind nur Harmonie und Gleichgewicht. Nichts ist zuviel oder zuwenig. Alles hat Maß und und „wolgestalt“, alles ist ausgezeichnet durch „mas“, „fergleichvng“ und „nutz“.57 In uns selbst finden wir dieselbe Mischung von Licht und Finsternis, von Ordnung und Unordnung wie im Natürlichen: „Dann die luegen ist in 53 54 55 56 57
Platon: Politeia, VII, 514 b. Ebd., 237. Theissing: Dürers Ritter, 136. Ebd., 108. Ebd., 134.
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vnser erkanntnus und steckt die finsternus so hart in vns, das auch vnser nach dappen felt“, so Dürer.58 Dann finden wir kein sicheres Wohnen, kein !thos – und letzten Endes keinen Grund für eine Ethik – weder in uns noch in der Natur um uns herum.
Melencolia I: die Verwirrung, oder Ethik in der Schwebe Es wurde behauptet, dass die Ethik und die aus ihr folgenden Verhaltensweisen immer auf dem Hintergrund des moralischen Gegensatzes zu etwas anderem zur Geltung kommen und die Werte behaupten, welche die Handlung orientieren sollen. Eine solche Folie des Gegensatzes, die in dem soeben besprochenen Meisterstich dominant ist, ist neben den bereits behandelten Themen bei der Melencolia I in keiner Weise vorhanden. Auf der epochalen Ebene entspricht dieses Werk dem Renaissancezeitalter, also jener Zeit, in der der Künstler selbst lebt (Abb. 30). Er, der Künstler Dürer, sitzt im Zentrum der Szene mit seiner Kunst, und somit im Zentrum der eigenen historischen Zeit. Von dieser Epoche offenbart er alle Widersprüche und Hoffnungen. Im Vergleich zum vorigen Stich wird das entsprechende Zeitalter nicht mehr als ein Übergang gefasst, sondern in seiner immanenten Realität. Auch in Bezug auf die hier schon gegebene ganzheitliche Lektüre im Sinne des philosophischen Ansatzes gilt folgende Aussage: „Der Inhalt des Blattes bleibt unerschöpflich.“ 59 Wenn Hartmut Böhme behauptet, dieses Werk sei nicht mehr naiv rezipierbar, dann sagt er im Grunde nichts besonders Ungewöhnliches. Ich bin der Meinung, dass Dürers Melencolia I schon seinerzeit und als gelehrte Inszenierung genau so vom Nürnberger Humanistenkreis gebilligt wurde. Es geht grundsätzlich bei Dürer und seinen hochgebildeten Freunden um eine Auseinandersetzung mit dem damaligen Wissenschaftsbegriff. Der Stich wird – so Böhme – „zum Medium einer Selbstreflexion der Kunst, des geschichtsphilosophischen Standorts des Intellektuellen und der historischen Leidenserfahrung dieses Jahrhunderts. Die philosophische Reflexion wiederum erkennt sich im Zusammenhang mit der Melencolia I“.60 Wie sich die kunstgeschichtliche Forschung das Dürersche Blatt methodisch ausdifferenzierte, verlangt dieser letzte unbedingt nach neuen Blickpunkten, um sein ganzes philosophisches Potenzial zu entfalten. Bereits diese Tatsache lässt ohne Zweifel einen Hauptcharakter dieses (zu) 58 59 60
Dürer / Rupprich, III, 293. Scheil: Albrecht Dürers Melencolia § I, 201. Böhme: Die literarische Wirkungsgeschichte, 83.
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berühmten Bildes zutage treten: Es handelt sich ja um ein janusköpfiges Wesen. Es ist voller schwer zu entziffernder Symbole, die Verwirrung stiften. Dieser letzte Charakter ist dennoch dem Renaissancezeitalter gleichsam ‚angeboren‘. Wenn nämlich das Mittelalter die eigene feste Ordnung auf Gott gründete und in ihm die Erklärung eines jeden Dinges fand, so bringt die neue Epoche an eine schmerzhafte Zäsur innerhalb dieser Ordnung: Der Mensch schickt sich an, die Welt durch seine Wissenschaft zu entziffern und zu verändern, indem er dazu das breite Instrumentarium gebraucht, das ihm durch die Technik zur Verfügung gestellt wird. Nicht zufällig ist die Szene der Melencolia I mit vielen Geräten und Werkzeugen angefüllt, die das Verhältnis von Wissenschaft und Technik repräsentieren, das seit jener Zeit das ganze moderne Zeitalter prägen wird. Aber die Melencolia I zeigt uns eine Epoche und ihre Unsicherheiten. Sie verkörpert „den Augenblick der Selbstreflexion, die nicht darauf aus ist, sofort einen neuen Sinn zu bilden, sondern eher sich danach fragt, was in dieser Kette sinnvoller Bezüge und Verweisungen eigentlich passiert“.61 Ich halte deshalb die Definition für besonders treffend, die für diesen Stich vorgeschlagen wurde: „Reflexionsblatt“ (Schuster nennt es nicht weniger adäquat „Denkbild“). Es handelt sich um einen Augenblick der Schwebe, in dem die Reflexion über die Grenzen und zugleich über die Möglichkeiten der Wissenschaft und der Kunst den Ton angibt. In der Melencolia I – betrachtet im Kontext der „Meisterstiche“ – wird die Geschichte zum Gegenstand ihrer selbst. Wenn die Nemesis dies mit der Kunst erlangte, und dadurch die Geschichte eines Volkes und deren Beziehung zu den angrenzenden Kulturvölkern in den Vordergrund rückte, so liegt in der Melencolia die Weltgeschichte in ihrem Wesen unter die Lupe, so dass eine Philosophie der Geschichte entstehen kann. Gerade die Renaissancezeit hat übrigens die Kategorien des Historischen ausgearbeitet, die auch noch für uns üblich sind, und das Wort „Mittelalter“ eingeführt. In der Melencolia I unterbreitet Dürer seine Philosophie der Geschichte in Verbindung mit seiner Ethik und zugleich mit seiner Philosophie der Kunst. In diesem Sinne gebührt diesem Blatt die Palme des philosophischen Werkes überhaupt innerhalb des gesamten Dürerschen Œuvres. Ein ähnlicher Wert wird nur dem späteren und genauso maieutischen Blatt mit der Bauernsäule zustehen. Bei Dürer – so kann jetzt zusammenfassend behauptet werden – heißt Philosophieren, den Blick auf die Dinge zu suspendieren und zugleich die Dinge je an ihrem Ort und in ihrer Beschaffenheit anzuschauen. Sie sind 61
Böhme: Melencolia I, 9.
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und verbleiben dort, wo sie sind, „vorhanden“ im wahrsten Sinne des Wortes: bei der Hand. Und trotzdem sprechen sie uns nicht mehr an. Ihr alltägliches Zugehören zu einem ganz üblichen Verweisungsnetz ist unterbrochen. Genau in diesem Moment ist die Zeit für das Philosophieren reif. Da die üblichen Verweise der Dinge – das sichere Verhältnis des jeweiligen Zeuges zum Gebiet seiner Anwendbarkeit – suspendiert sind, haben wir vor uns eine Epoche . Aus dem altgriechischen Wort ejpochv, Einstellung, stammt eigentlich das deutsche Wort „Epoche“, das, was eine Epoche zu dem Zeitabschnitt macht, als was es auch und nachträglich empfunden wird. Die Renaissance gewann ihre geschichtliche Kompetenz nicht zuletzt dadurch, dass sie in dem Kontinuum der res gestae Einschnitte sah, und das heißt eben Einstellungen, Augenblicke der Schwebe. Ein solcher Augenblick der Schwebe ist die Szene, die für uns in diesem merkwürdigen und rätselhaften Blatt fixiert wurde. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Sanduhr hinter der melancholischen Figur: Sie hat die Mitte erreicht und wirft einen eher scharfen Schatten, während die darüber stehende Sonnenuhr keinen Schatten wirft und folglich keine Stunde anzeigt. Es ist keine Stunde des Tages. Es ist Nacht. In der Nacht fliegen nächtliche Vögel (und zwar die mit Hegel zu philosophischem Ruhm gelangte Eule der Minerva). Die beiden Uhren zusammen signalisieren, dass der gegenwärtige Augenblick zwar in der Zeit ist, aber auch irgendwie außerhalb ihrer. Hier werden eher die Bedingungen der Zeit erforscht, das Apriori der Zeit, das, was eine bestimmte Epoche in ihren leitenden Zügen zugänglich macht. Erwin Panofsky – einer der feinsinnigsten Interpreten des Melencolia-Stichs überhaupt – bemerkt, dass die geballte Faust der melancholischen Figur die fanatische Konzentration eines Geistes symbolisiert, der ein Problem wirklich gefasst hat und trotzdem sich unfähig fühlt, es zu lösen wie auch es zu verlassen.62 Gerade das ist, wohl bemerkt, ein deutliches Anzeichen dafür, dass hier das Thema der Kunst das Philosophische ist. Anders als jede andere Frage, und anders als jede Frage der einzelnen Wissenschaften insbesondere, ist die philosophische Frage eine solche, die wir nicht lösen können, weil sie mit unserer Existenz oder eben mit der conditio humana zu tun hat – und sie zu lösen würde soviel bedeuten, wie uns von unserer Existenz selbst zu lösen – und auf der anderen Seite ist sie auch nicht zu verlassen: Aristoteles hat nämlich gesagt, wenn zu philosophieren ist, dann muss man philosophieren; wenn aber nicht, dann sei eine Erklärung dafür angebracht, was aber wiederum einem Philosophieren entsprechen würde, und auch in diesem Fall müsse philosophiert also werden. Wenn wir angesichts der Frage weder ein noch 62
Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy, IV.
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aus wissen, dann heißt dies griechisch ajporei`n (aj–povroı, es fehlt der povroı, der Weg), und nach Sokrates, Platon und Aristoteles bürgt gerade das ajporei`n für die Echtheit des Philosophierens. Die ajporiva bestimmt die condition humaine von Anfang bis Ende, wenn die erhabenen Verse des Sophokles in dem ersten Chorlied seiner Antigone den Menschen so definieren: pantopovroı a[poroı (alle Wege zur Verfügung habend, keinen Weg weder ein noch aus wissend – so in einer sinngemäßen Übersetzung). Die Melencolia I könnte insofern einen griechischen Titel bekommen: APORIA. Man erkennt darin leicht das Moment der Weglosigkeit. Hier eröffnet sich das Problem schlechthin: Welchen Sinn hat das Leben, die vita activa, das Handeln des Menschen? Wenn wir über so vielfältige Mittel verfügen, woher schöpfen wir das Ziel? Wenn das Ziel nicht von außen vorgegeben werden darf, wenn jedoch in unseren Händen nur Mittel sind, und wenn wir die Mittel befragen, so entstehen nur Zwecke, die ihrerseits immer wieder zu weiteren Zwecken führen; wie ist es möglich, von einem Endzweck zu sprechen? Soll dies das höchste Gute sein? Wie, aber, wenn jedes Zeug ein ajgaqovn ist, ein Gutes im Sinne von einer gewissen Tauglichkeit nur für einige Dinge und für andere wieder nicht (die Säge ist z.B. gut für das Trennen, nicht aber für das Verbinden); was kann gut an sich genannt werden? Die Epoche der Renaissance ist auf dem Weg, sich von der Macht der Überlieferung freizumachen. Der Mensch sieht sich mehr und mehr auf sich selbst gestellt, ist für die eigene Wahl verantwortlich. Eine Selbstbestimmung kann aber nur aus der vorgängigen Erörterung des Endzwecks des menschlichen Lebens auf dieser Erde erfolgen. Das Problem betrifft das praktische Handeln als solches, gerade in dem Augenblick, in dem der Mensch es völlig im Griff hat, dieses aber droht, sich in eine gefährliche Selbständigkeit zu verselbständigen, wenn sich das Handeln auf der einen Seite von der Verbindung zum ethischen Horizont befreit hat und auf der anderen Seite auch von der theologischen Zweckbindung losgelöst hat, die den Instrumenten und ihrem Gebrauch einen festen Sinn verleiht.63 Das Problem des Verlusts der theologisch-teleologischen Ebene wird uns in der Melencolia I durch die zentral quer gestellte Leiter signalisiert. Sie bildet eine Art Verbindung zwischen Vorder- und Hintergrund. Indem sie beide verbindet, leitet sie zugleich die Aufmerksamkeit nach oben, wo sie den oberen Rand des Stiches trifft: Die Leiter führt vom Sichtbaren ins Unsichtbare, vom Menschlichen zum Göttlichen. Sie verkörpert somit einen Weg, aber einen verlassenen Weg, zu dem niemand mehr Zugang hat. Die sieben Sprossen der Leiter erinnern an die sieben 63
Cieri Via: Melencolia I o l’ansia della creazione, 17-22.
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Stufen, durch die – auf dem Titelblatt der Philosophia für Celtis – die Philosophie sich zum Ideal der Nachahmung Christi führt. Jedoch ist es in der Melencolia I nicht möglich, jene Ebene zu sehen und zu ahnen, die sich außerhalb und oberhalb der gegebenen nächtlichen Landschaft spannt. Zwei Sprossen der Leiter umrahmen wie in einem Bildchen im Bild die Stadt, die im Hintergrund liegt, und lassen diese wieder in den Vordergrund auftauchen: Es handelt sich vielleicht um die civitas hominum, die durch die Übung der Artes und der Politik beherrscht ist. Ihr setzte Augustinus bekanntlich die civitas dei entgegen. Aber dieser Denkhorizont, der recht gut zum neuplatonischen und augustinischen Hintergrund der Bildung Dürers passt, ist dazu verurteilt, ungesehen zu bleiben, zumindest in einer Epoche, die sich anschickt, Technik und instrumentales Wissen zur höchsten Instanz des praktischen Handelns wie auch der wissenschaftlichen Überlegung zu erheben. In einer Vorzeichnung zur Melencolia I liefert uns Dürer eine sehr nüchterne und ebenso wichtige Anmerkung, um uns eine erste Orientierung im Wald der Symbole, die vor uns liegen, zu geben. Eigenhändig notiert er: „Schlüssel bedeutet Macht, Beutel bedeutet Reichtum“ (Entwurf für die Melencolia I, London, British Library). Eine Epoche, die über viele Machtformen verfügt, vor allem über wirtschaftliche Mittel und Reichtum, konzentriert sich auf die Auffindung der Mittel als solche, und kann das letzte Ziel nicht eigens anblicken. Sie wird deshalb eine vorwiegend melancholische Epoche sein, charakterisiert durch die Weglosigkeit, durch das ajporei`n. Ohne Auswege, vor sich selbst nicht ein und nicht aus wissend, wird sie sich in sich selbst zurückziehen und ihre Instrumente wie ratlos betrachten (diese sind tatsächlich reichlich vorhanden am Fuße der melancholischen Figur), mit den Blick nach unten gewendet, wie es derjenige tut, der mit einem Problem ringt und unter dessen Schwere leidet, weil er weder ein noch aus kann. In den letzten Jahren wurde eine weitere sehr suggestive und – wie ich meine – plausible Interpretation vorgeschlagen, welche unser Blatt am Leitfaden des Problems der Gerechtigkeit deutet. So verstanden erscheint die beflügelte Hauptfigur wie eine Justitia.64 Hierbei wird – das gilt es zu betonen – eine begründende ethische Instanz vorausgesetzt, so dass der genannte Vorschlag die grundlegende ethische Interpretation erweitert, ohne ihr den Vorrang zu entziehen. Wenn Gerechtigkeit in der Ausübung und in der Wiederherstellung des rechten Maßes besteht, so ist dieses durch die Überwindung der Vermessenheit gegeben, was eben ein ethisches Vermögen ist. 64
Scheil: Albrecht Dürers Melencolia § I.
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So sollte vielleicht die philosophische Fragestellung der Melencolia I um die juristische Dimension erweitert werden, so dass deutlich wird, dass unser Stück auch eine Dürersche Philosophie der Rechts enthält. Hierdurch würde noch einmal die Annahme bekräftigt, Thema dieses Meisterstichs sei die philosophische Frage als solche, wenn diese eben dadurch charakterisiert ist, dass ihre Behandlung sich gezwungen sieht, alle übrigen philosophischen Fragen in Betracht zu ziehen. Auch weitere Interpretationen lassen sich in unserem Zusammenhang fruchtbar machen, wie etwa die von Matthias Winner, nach welcher die auf der Szene verstreuten Werkzeuge die Instrumente der Passion Christi sind und der sperrige steinerne Körper „der von den Bauarbeitern verworfene Stein“, der zum Eckstein wurde. Auch in diesem Fall geht es in erster Linie um eine genuin moralische Frage, und zwar um die nach dem Beurteilungsmaßstab: Die Juden hatten Vorurteile gegen das Werk des Christus; Pilatus fehlte es an moralischer Urteilskraft. Wenn Adam und Eva in einem Wald von Symbolen standen, die sie selbst widerspiegelten, wie auch die Seinsweise der Menschen als ihre Nachkommen, und jeweils an diesem oder jenem Temperament hingen, und wenn im Reuter das Gewissen des Selbst und des inneren Gesetzes auftaucht, die Notwendigkeit, jedem Symbol auszuweichen, das nicht direkt den Menschen zu seiner Mitte hat, so stehen wir in der Melencolia I vor einer Figur, die inmitten der Symbole thront, die von Menschen geschaffen wurden, genauer durch menschliche Überzeugungen geschaffen, deren der Mensch sich völlig bewusst ist. Solche Symbole kann der Mensch aber – paradoxerweise – nicht mehr entziffern, so dass sie sich auf ihn wie ein gigantischer Fragepunkt umschlagen. Von diesem Fragepunkt wird sogar der Interpret der Melencolia I zunächst in Verlegenheit versetzt. Das Nicht-wissen der antiken-mittelalterlichen Welt, dass das Wissen in die Dimension des Göttlichen verlegt, lässt das sanguinische Temperament in der Antike, das cholerische Temperament im Mittelalter – oder besser: bereits in dessen Überwindung – auflodern. Das Selbstbewusstsein der Renaissancezeit, die Übernahme der Weltschicksale, nährt das melancholische Temperament und gibt die Grundstimmung einer ganzen Epoche ab.
Hl. Hieronymus im Gehäuse: die Versöhnung und der Ort der Ethik Die Folge der Epochen und der Temperamente schließt sich in dieser Phase mit dem Heiligen Hieronymus im Gehäuse von 1514 (Abb. 57). Hier werden das phlegmatische Temperament und die zukünftige Epoche thematisiert, d.h. die von Menschheit zu erstrebende der Zeit der Erfüllung.
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Sie ist Ethik, Entzifferung der Natur und Vergöttlichung der Menschheit des Menschen zugleich, und damit vollkommener Abschluss der Nachahmung Christi auf der einen Seite und zugleich Wiederherstellung der drei Momente, in denen sich die drei Teile der Philosophie nach Celtis artikulieren und eng miteinander verbinden: Ethik, Naturphilosophie und Theologie. In diesem Stich ist eine sanfte Harmonie vorherrschend. Wenn im Reuter die Harmonie eine solche der Gegensätze war, der Zwiespältigkeit von Vorder- und Hintergrund, so dass das Auge des Betrachters durch ein Problem beeindruckt wird, so schließt im Hieronymus die Eintracht alles in sich. Es handelt sich hier um Eintracht im wahren Sinne des Wortes: das Betrachten, die visio ist darin mitgemeint, und auch der Betrachter, der mit dem, was er sieht, einstimmig wird, verkehrt in derselben Stimmung, und so fügt sich alles in bester Harmonie. Alles zielt auf das Eine, auf die eine Stimmung der heiligen Harmonie mit Gott. Auch dieses Bild könnte in verschiedene Kernschichten unterteilt werden. Alle würden jedoch immer wieder dasselbe signalisieren: Eintracht. Dürers Täfelchen mit Monogramm liegt am Boden wie ein Gegenstand unter anderen. Es behält seine eidetische Funktion, ohne jedoch eine spezifische Schicht der Darstellung zu bilden. Es geht um eine zukunftsorientierte Vision, wie die Tiere im Vordergrund suggerieren: „Der Wolf und das Lamm werden zusammen weiden, der Löwe wird Stroh fressen wie der Ochse“ (Jesaja, 65, 25). Der Gedanke ist hier nicht wörtlich übernommen und soll nicht als eine utopische Darstellung missverstanden werden. Die Szene ist in allen Details bis zur kleinsten Besonderheit ausgedacht, so dass sie ein Maximum an Wahrscheinlichkeit und Bestimmtheit gewinnt. Es wurde sogar bemerkt, Dürer ziele durch die Einfügung einiger Einzelheiten darauf ab, den Betrachter zu einer Überlegung über die Struktur des Gebäudes, in dem sich die Szene ereignet, zu bewegen. Er lässt zum Beispiel vermuten, hinter der Zelle des Heiligen sei ein weiterer Raum, vielleicht ein Hinterzimmer, da das Brett an der Wand eine Art Schiene zeigt, die an eine verschiebbare Platte denken lässt, welche eine Öffnung in das Hinterzimmer aufmacht. Auf der rechten Seite könnte sich außerhalb der Blickfläche eine Tür befinden, deren Ansatz man errät. Vor den Pfoten des Löwen beginnt eine Treppe, die zu einem unteren Stockwerk führt, dorthin, wo der Eingang zur Grotte der Geburt Christi in Nazareth vermutet werden soll.65 Gerade an diesem Ort ließ Hieronymus ein Kloster erbauen, in dem er die letzten Jahre seines 65
Fehl: Dürer’s literal presence, 209-211.
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Lebens verbrachte. Somit ist die physische Nähe zu Christus angedeutet, zum Ort von dessen Kindheit. Die Szene möchte also in ihrer Artikulation zu verstehen geben, dass die imitatio Christi keine utopische Vorstellung ist, die höchstens als Orientierung dienen könnte, sondern konkret und auf dieser Erde völlig durchführbar ist – wie auch Erasmus meinte – und zwar mit den Mitteln unserer irdischen Endlichkeit, sofern diese verherrlicht werden und dem Beispiel des Herrn angepasst. Das in der Melencolia noch ängstlich gesuchte Ziel offenbart sich hier dem gläubigen Menschen und verspricht ihm wahre Erlösung. An dieser Stelle ist es angebracht, daran zu erinnern, dass Hieronymus die Heilige Schrift ins Lateinische übersetzte und somit selbst zum Autor der Vulgata, mithin des Haupttextes der christlichen Überlieferung, wurde. In der Darstellung ist er im Begriff, diese Tätigkeit des Übersetzens auszuüben: Er vernimmt und interpretiert Zeichen, die er dann für alle verständlich werden lässt. Die göttlichen Zeichen, die in den vorherigen Stichen dieser Reihe erst in ihrer Zweideutigkeit und Schwierigkeit und Ungewissheit auftauchten, sind hier vollkommen durchsichtig, zumindest diesem heiligen Mann, und führen ihn durch einen heiteren Gang. Auf seinen Weg zu Gott nimmt er die eigene Verfassung, das ihm eigene Temperament an, und auf dieser Grundlage harmonisiert er reibungslos mit allem, von der Natur bis zur göttlichen Ähnlichkeit auf der Erde. Er wird von dem Gekreuzigten geführt, der vor ihm auf dem Pult steht. Dessen Mitteilung nimmt er ohne Mühe auf und übersetzt er für die Gemeinschaft. Seine Haltung impliziert nicht in erster Linie eine instrumentale Tätigkeit, sondern eher eine Aufgeschlossenheit. Die Wahrheit liegt vor allem und von Haus aus in der einfachen Aufgeschlossenheit, welche, einmal fest ins Auge gefasst, keinesfalls der Verzerrung und dem Falschen anheimfallen kann, wie hier in Bezug auf das Selbstbildnis von 1500 erörtert wurde. Die Trägheit, die dem phlegmatischen Charakter eingeboren ist, kann auch zu einer Veranlagung zum Zuhören gewendet werden. Das Hauptsymbol der Verschiedenheit des Menschlichen vom Göttlichen ist der Teufel, das Teuflische. Es hat eine besondere Phänomenologie innerhalb der „Meisterstiche“. In Adam und Eva sind wir Zeuge seiner Geburtsstunde, welche mit der höchsten Entfernung von Mensch und Gott zusammenfällt. Die Schlange ist eine seiner ältesten Verkörperungen. In Ritter, Tod und Teufel bekommt er eine anthropomorphische Gestalt nach den volkstümlichen Zügen der nördlich-mittelalterlichen Tradition. In der Melencolia I verdichtet sich das Teuflische in einer symbolischen Form, die sich in der Metapher von Licht und Schatten äußert, d.h. letzten Endes in der Zweideutigkeit und Ambivalenz, in welcher die Symbolen und Instrumente eingetaucht sind. Selbst die Beschriftung „Melencolia § I“, welche die dämonische fliegende Gestalt im Inneren der ausgestreckten
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Achtes Kapitel
Flügel hält, ist und bleibt rätselhaft. Soll dies wirklich ein Titel sein? Wie ist die Hinzufügung „I“ zu verstehen? Ist das eine Zahl? Gab es etwa eine Melencolia II? Oder bedeutet „I“ die lateinische Imperativform der Zeitform „ire“ und heißt also soviel wie „geh weg, Schwermut“? Oder soll das römische „I“ an das Eine im (neu)platonischen Sinne erinnern, als ginge es um eine schwermütige Sehnsucht nach der verlorenen Einheit der Welterfahrung? Selbst der Zweifel, in den wir versetzt werden, lässt das Teuflische spüren. In Hieronymus im Gehäuse fehlt anscheinend jede Spur des Dämonischen und das gilt als Zeichen der erfolgten analogon zwischen menschlicher und göttlicher Ebene, die sich in der Nachfolge Christi vollzieht, so dass der verfängliche Riss im Menschlichen, wo das Teuflische seine Stätte hat, aufgehoben wird.
Denkbilder und Selbstdisziplin Die „Meisterstiche“ sind insgesamt als Denkbilder zu verstehen. PeterKlaus Schuster schlug diese Bezeichnung für die Melencolia I vor. Christian Schoen meint, der Titel passe recht gut auch zu Adam und Eva.66 Es besteht eine organische Beziehung zwischen den Meisterstichen, so dass dieser Titel auch dem „Reuter“ und dem „Hieronymus“ zuerkannt werden kann. Ein Denkbild ist – im Sinne der hier erforschten Philosophie Albrecht Dürers – auf der einen Seite ein Bild, das den Betrachter zum Denken zwingt, auf der anderen eines, das selber denkt.67 Somit ist bereits der Sinn eines maieutischen Dialogs mit dem Betrachter angedeutet. Denken hat immer ein Objekt: Was wird also bei Denkbildern bedacht? Allem zuvor ist es doch wohl das Denken selbst, wenn das Denken dasjenige ist, was den Menschen als solchen vor anderen Lebewesen auszeichnet. Ein Denkbild wirft die Frage nach dem Menschen auf. Wie soll das geschehen? – Durch das Eigentümliche des Bildes. In einem Bild sind wesentlich Zeichen vorhanden, die zueinander in irgendeiner Verbindung und Beziehung stehen. Diese Verbindung und Beziehung gehört wesensgemäß in den Bereich der proportio, des Maßes. Denn auch das Fehlen irgendeines Verhältnisses unter den Zeichen, die ein Bild bewirken, würde Maßlosigkeit ergeben. Diese ist ein Fehlen vom Maß und gehört immerhin zum Wesen desselben.
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Schoen: Adam und Eva, 115. Cuozzo: Nikolaus von Kues und Albrecht Dürer, 364.
Dürers Ethik in seinen „Meisterstichen“
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Was sagen uns Denkbilder bezüglich des Wesens des Menschen im Sinne von Maß und Maßlosigkeit? Sie zeigen den Horizont eines „selbstdisziplinierten Menschen“,68 d.h. das „Halt Maß“ (nach der von Dürer selbst übernommenen Devise Maximilians des Ersten). Dass der Mensch sein Maß halten soll, das kann bestenfalls durch eine „piktorale Begründung“ gezeigt und durch keine logische Argumentation ersetzt werden, da diese durch ein Nacheinander der Wörter, und also durch etwas anderes verfahren würde als das, was begründet werden soll (Wörter und Maß sind unter sich verschieden). Das Bild entsteht dagegen auf piktoralen Weise und somit durch das Entstehen von proportionierten Zeichen: Es ist wesensgleich mit dem, was es zeigen will (Maß wird durch Maß dargestellt). Darin steckt die ganze rhetorische und auch ethische Kraft des Philosophierens durch Bilder, wenn ethos seinerseits einen grundsätzlichen Einklang bedeuten soll und dieser eher Selbigkeit als Verschiedenheit zwischen Form und Inhalt voraussetzt. So kann der Weg der Dürerschen Denkbilderfolge der Meisterstiche rückblickend so zusammengefasst werden: von der Ethik der undifferenzierten Freiheit – in der glücklichen unmittelbaren Einheit der Antike – und aus der äußerlich aufgesetzten Ethik des christlichen Mittelalters geht man in die freie Ethik der Renaissance über. Diese Freiheit ist am Anfang eine nur abstrakte, im Sinne einer „Freiheit von…“ (die Behauptung der eigenen Selbständigkeit gegen das, was diesbezüglich hemmend wirkt); erst später wird sie zur „Freiheit für…“ (für die Aufgeschlossenheit). Selbst Christus kam nur an einem gewissen Punkt seiner Existenz dazu, als er sich mit der Taufe anschickte, die Bestimmung anzunehmen, die ihm vom Vater zuerteilt wurde. Diese Themen kehren dann im Dürers Werk etwa zehn Jahre später in einer neuen Reihe wieder, nämlich in den radierten Porträts, die hier nicht eigens betrachtet werden können,69 wie auch in den Tafeln mit den Vier Aposteln, die sich heute in der Münchener Alten Pinakothek befinden. Das Zusammengehen von Aktualität, Ethik und Sorge um den Menschen führt direkt zur letzten Etappe der philosophischen Besinnung Dürers durch seine Bilder.
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Schoen: Adam und Eva, 116. Vgl. Fastert: Individualität, 227-260.
9. Maß und Vermessenheit des Menschen. Die Philosophie der Dürerschen „Bauernsäule“ im Anschluss an Cusanus Die „mensura“ bei Nikolaus von Kues: Eine Annäherung an das Spezifikum seiner Ethik Die hier vorgeschlagene Lesart der philosophischen Inhalte der sogenannten „Bauernsäule“ 1 (Abb. 6) nimmt von der Erörterung einiger zusammenhängender Cusanischen Begriffen ihren Ausgang, nämlich von mens, mensura, mensuratum.2 Damit sind drei getrennte Ebenen genannt: das „mensuratum“, als die für uns näher liegende Stufe, erhält seinen Sinn und wird ermöglicht durch die „mensura“; diese letztere stammt ihrerseits von der „mens“ her und wird ebenfalls erst durch sie ermöglicht und geleitet. Freilich ist diese Kette im ontologischen Sinne eher umgekehrt zu betrachten: die mens als imago Dei ist die viva mensura, die uns jedes mensurare ermöglicht und somit jedes mensuratum vor Augen führt. In unserer vorphilosophischen Einstellung liegen dennoch vor allem mensurata vor, was in der heutigen Welt – wo alles nach Maß behandelt wird – keiner zusätzlichen Erklärung bedarf. Wenn wir davon ausgehen, dann ist der Weg, der vom mensuratum durch die mensura bis hin zur mens führt, eine Sache der Erziehung.3 Bezüglich dieses Terminus, den ich hier verwende, möchte ich an diesem Punkt eine Art Zwischenbetrachtung anstellen. Das Modell der lateinischen e-ducatio, e-ducare, lässt an einen Vorgang denken, in dem der Mensch aus einem ursprünglichen Zustand (ex–) in einen anderen, sozusagen zivilisierten Zustand geführt wird (ducere; ex– ducere). Dagegen wird im deutschen Wort „Erziehung“ eher ein anderes Modell suggeriert, nämlich: Das, was schon im ursprünglichen Zustand besteht, bis zu seiner Vollkommenheit zu ziehen. Freilich kann auch das educare eine Auslegung in diesem Sinne legitimieren, wenn nämlich die Sokratische Maieutik einbezogen wird und der Erzieher dafür sorgt, das, was im Lehrling steckt, mit seiner Kunst ‚herausbrechen‘ zu lassen: educere eben. 1 2 3
Albrecht Dürer: Vnderweysung der messung mit dem zirckel vnd richtscheyt, bei Hieronymus Andreae, Nürnberg, 1525, Liber III, fol. 50r. Vgl. Anm. 44. Vgl. Stadler: Zum Begriff der ‚mensuratio‘, 118-131. Siehe D’Amico: Die Rolle der geometrischen Figur, 265-278.
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Neuntes Kapitel
Dieser deutlich optimistische Gedanke entspricht der humanistischen Einstellung des Cusanus (sowie fast des ganzen Humanismus). Er wählt tendenziell den positiven Weg aus den bestehenden menschlichen Fähigkeiten heraus und zumindest in seinem philosophischen Werk nie direkt die via negationis aus dem Bösen und also aus defektiven Vorkommnissen im Menschen. Das mag vielleicht erklären, warum wir bei ihm sehr wohl die Rede vom Maß (mensura) finden, aber kaum ein Wort, das der Vermessenheit entsprechen würde, die bereits im Mittelhochdeutschen mit der heutigen negativen Bedeutung, im Sinne von ferocia, temeritas, impudentia und superbia bezeugt ist,4 und die wir ja oft bei Luther lesen, aber auch – wie wir später sehen werden – bei Dürer selbst, und zwar mit einer ganz bestimmten Funktion.5 Nun zurück zu unserer Triade – mensuratum, mensura, mens – und an dieser Stelle ist auch ein weiterer entscheidender Terminus zu nennen: immensum.6 Gott als Schöpfer der mens ist immensum, und somit steht er auch außerhalb jeder mensura. Das kleinste und größte Maß fallen in eins zusammen. Je mehr wir uns vom mensuratum in Richtung mens und immensum bewegen, desto schwieriger wird es für uns zu verstehen: Das mensuratum begreift ein jeder, die mens kennt sich nur indirekt durch das mensurare selbst, das immensum „comprehendi non posse propter excellentiae suae immensitatem“.7 In Bezug auf das Prinzip herrscht eine gewisse Unwissenheit bzw. docta ignorantia. Die mensura als mensurare ist ja eine Fähigkeit, deshalb unterscheidet sie sich notwendig vom Gemessenen, was ihrer Ausübung entspricht, und insofern differieren beide voneinander wie die Kunst vom Kunstwerk. In der proportio des letzteren wirkt ein Können, das beigebracht werden kann.8
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Georges: Dt.-Lat.-Wörterbuch, 756: „Vermessenheit“ = audacia (Kühnheit), ferocia (unbändiger Mut), temeritas (Unbesonnenheit), superbia (Hochmut); Trübners: Dt.Wörtb., 7, 506: „Mit der verschlechternden Bedeutung der Vorsilbe war es ‚falsch messen‘, mhd. ‚nicht treffen‘ gemeint. […] Hieraus ergab sich die freie, bereits mhd. häufige Bedeutung des Wortes als das Maß seiner Kräfte zu hoch anschlagen, übermütig, kühn sein“. Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der engen Beziehung im Dürerschen Umfeld zwischen Maß- und Gerechtigkeitsbegriff siehe Würtenberger: Albrecht Dürer - Künstler, Recht, Gerechtigkeit, 1971; Meyer: Dürer’s Victoria, 13-36; Scheil: Albrecht Dürers Melencolia I, 201-214; Filippi: „Halt Mass“, 35-52; Zitzlsperger: Dürers Pelz. Vgl. Hirschberger: Das Prinzip, 39-54. De docta ign. III c. 11 (h I, n. 245). Dupré: The image, 94ff.
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So verfasst Dürer in seinen späteren Jahren eine Underweysung der Messung, damit die nachfolgenden Künstler zur wirklichen Ausübung ihres Könnens erzogen werden.9 Cusanus hat sich dahingehend geäußert, dass sich „Maß und Gemessenes notwendig unterscheiden“:10 Ersteres fungiert gleichsam als entscheidende Richtlinie für Letzteres. Nun leitet er jedoch das Wort mens bekanntlich von mensurare ab.11 Der Geist ist das, woraus aller Dinge Grenze und Maß stammt: Mens, alias der Geist, wird nämlich von mensurare, messen, her benannt. Man könnte hier einwenden, es sei eher umgekehrt, weil die mens ja die Ermöglichung einer jeden Fähigkeit der mensura ist. So sollte eher mensura aus mens stammen. Es versteht sich aber wiederum, dass wir den aristotelischen erzieherischen Weg vor uns haben: dieser geht vom uns Nächsten bis zu dem von unserer Erfahrung Fernsten. Jede mensura ist eine Art comparatio, und diese setzt zwei Termini voraus, und zugleich die Fähigkeit, die beiden zusammenzuhalten und zu verbinden im Hinblick auf ein Maximum und ein Minimum. Diese beiden sind ihrer Möglichkeit nach in der mens und von der mens her einheitlich. Indem die mens die mensura ausübt, wird sie ihres eigenen mentalen Wesens gewahr: sie vernimmt nämlich, so geartet zu sein, dass sich in ihr – der Möglichkeit nach – zwei Gegensätze wie das Größte und das Kleinste einheitlich zusammenfinden. Dieses Zusammenbinden, diese ursprüngliche Systematik (suvn–i[sthmi) in der mens ist das, was Cusanus „Leben“ und „Lebendigkeit“ nennt. Das Lebendige hat nämlich in sich den Grund der eigenen Tätigkeit.12 Also hat die mensura ihre Bedingung in einer „viva mensura“, und gerade in der Ausübung der Messung erfährt sich die mens als mensura viva.13
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Moly Feo: Il piacere di apprendere, 41-48. De docta ign. Prologus (h I, n. 1). De mente c. 1 (h 2V, n. 57): „Mentem esse, ex qua omnium rerum terminus et mensura. Mentem quidem a mensurando dici conicio“. Das Sehnen nach einem angemessenen Handeln bei Cusanus findet in diesem Sinnen rezent bei Mandrella: Viva imago eine ausführliche Erläuterung. De non aliud, prop. 11 (h XIII, n. 118): „Qui videt, quomodo ipsum non-aliud, se definiendo omnia definit, ille videt, quoniam ipsum est omnium adaequatissima mensura, maiorum maior, minorum minor, aequalium aequalis, pulchrorum pulchra, verorum vera et vivorum viva mensura, et de omnibus eodem modo.“ Deutsche Übersetzung nach Reinhardt / Machetta / Schwaetzer, 187: „Der elfte: Wer sieht, wie Nichtsanderes, indem es sich definiert, alles definiert, der sieht, dass es das angemessenste Maß von allem ist: das größere Maß für Größeres, für Kleineres das kleinere, für Gleiches das gleiche, für Schönes das schöne, für Wahres das wahre und für Lebendes das lebendige Maß, und so für alles.“ [Hervorhebung von E.F.]
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So spricht der Philosoph in Idiota de mente: „Ich frage mich verwundert, warum ‚mens‘, der Geist, der, wie du, Laie, sagst, von ‚mensura‘, Maß, her benannt wird, sich so begierig auf das Messen der Dinge richtet“.14 Es ist eine Frage im Sinne des Augustin: wenn die mens doch etwas anderes als die Dinge ist, warum beschäftigt sie sich dann so unentwegt mit diesen? Cusanus antwortet: „Um das Maß ihrer selbst zu erreichen. Denn der Geist ist ein lebendiges Maß – viva mensura – das, indem es anderes mißt, sein eigenes Fassungsvermögen erreicht“.15 Deshalb ist das Verhältnis mens-mensura nicht einfach so zu denken, als gäbe es zunächst eine mens, welche dann eventuell auch misst. Vielmehr misst sie notwendig und unbedingt, um das eigene Leben zu vollziehen. Von hier aus möchte ich auf zwei Gesichtspunkte aufmerksam machen: 1. die mens produziert selbst das, was dann auch gemessen wird, 2. die mens ist folglich imago Dei als coincidentia oppositorum. Zum Ersten: Im Dialog De ludo globi wird das Verhältnis mensura-mens im Hinblick auf die Kunst angewandt: Die Kunst ist eine Nachahmung der Natur. Also läuft der Parallelismus wie folgt: wie sich die mens aus der mensura herleitet, folgt analog dazu auch die Kunst aus der Natur. Aber ebenso wie sich das Verhältnis mens-mensura umkehrt (die mens ist doch der Ursprung der mensura), so auch das von Kunst und Natur, denn so „kommen wir von dem aus, was wir in der Kunst scharfsinnigerweise herausgefunden haben, an die Kräfte der Natur heran“.16 Es ist also wiederum nicht so, dass es Kunst gibt und diese nachträglich und eventuell die Natur nachahmt, sondern und umgekehrt gelangen wir durch solche ursprüngliche Nachahmung zu den Kräften der Natur, zu ihrem Wesen. Die Kunst reicht mit ihrer Schärfe bis zum Natürlichsten an der Natur, und dabei erreicht sie ihr Fassungsvermögen: ein Können, das gleichursprünglich mit dem Können der Natur ist, und deshalb dieses durchschaut. Es ergibt sich Folgendes: So wie die mens die Gesetze der mensura enthält, so birgt die Kunst diejenigen der Natur in sich und muss sie notwendigerweise in der Natur ausüben, um ihr eigenes künstlerische Wesen zu entfalten. Die Kunst ist wiederum zunächst im Geist; so fährt in De ludo globi der Kardinal fort: „Achte also aufmerksam darauf, dass der Geist in sich die Kraft hat, etwas zu bilden. In sich selbst nämlich findet der Geist, der die freie 14 15 16
De mente c. 9 (h 2V, n. 123). Ebd. Siehe dazu Bredow: Der Geist, 58-67, sowie Krieger: Belehrte Unwissenheit, 71-91. De ludo globi I (h IX, n. 7).
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Fähigkeit zum Entwerfen hat, die Kunst, den Entwurf auszuführen […], den er im Geist entworfen hat“.17 Der Geist findet also in sich selbst ursprünglich die Formen, die er dann in der Natur nachahmt. Indem er die Natur nachbildet, schöpft er eigentlich aus sich selbst.18 Zum Zweiten (mens als imago Dei): Einerseits erkennt sich die mens in der mensura; andererseits in der imitatio der Natur, denn zum einen ist der Geist Ineinsfall – der Möglichkeit nach – vom Kleinsten und Größten, zum anderen ist er die Figur aller Figuren: Einerseits Größe, andererseits Vielheit und Figurenkomposition: „Sola enim ratio multitudinis, magnitudinis ac compositionis mensura est“19 – die Vernunft allein ist ja das Maß der Vielheit, Größe und Zusammensetzung. Im Geist sitzt also die Bedingung der Möglichkeit der Kunst und der mensura. Von daher gilt: keine Kunst ohne mensura. Als Bedingung der Möglichkeit hat allerdings der Geist in seinem Wesen mit dem Bedingten gar nichts gemeinsam. Wohl ist er mit Kunst und mensura vielfach verbunden, jedoch ist er auch seinem Wesen nach von ihnen geschieden, und zwar vollkommen „ab-geschieden“, um ein Wort jener Mystik zu gebrauchen,20 die Cusanus zu schätzen (und seinerseits auch zu bereichern) wusste.21 Bezüglich der ratio drückt sich er nämlich in derselben Schrift De coniecturis so aus: „Rationalium vero praecisio intellectus est, qui est vera mensura. Summa autem praecisio intellectus est veritas ipsa, qua deus est“:22 Die ratio ist die „vera mensura“ und die „veritas ipsa“ gleicht die „summa praecisio“. „Vera“ heißt hier nicht einfach „wahr“ im Sinne von „nicht-falsch“, eher im Sinne von jenem absoluten Maß, aufgrund dessen es sich dann wahre und falsche Messung geben kann. Denn die absolute Wahrheit des 17 18 19 20
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Ebd. Mit den Worten Dürers könnte man sagen: er ist „jnwendig voller Figur“. De coni. I c. 1 (h III, n. 6). „Abgeschiedenheit“ (oder Abgescheidenheit / Abgeschaidenheit vgl. MEJ4 oder ähnliche Variationen für den Ausdruck) nennt Meister Eckhart das Ergebnis der Abtrennung von der Welt, die ihm als die höchste Tugend gilt. Der Seelengrund ist von Natur aus immer abgeschieden. Vgl. Gelbmann: Abgeschiedenheit, 7-33. Zur Abgeschiedenheit als höchster Tugend in der Eckhart´schen Lehre vgl. Waldschütz: Meister Eckhart, 2005. Vgl. Haas: Deum mistice videre; ders.: „…das Letzte unserer Sehnsüchte“; Cuozzo: Mystice videre; Reinhardt: Negative Theologie, 21-39; Beierwaltes: Visio Dei, 81-96; für die verschiedenen Anrührungspunkten mit dieser Untersuchung vgl. Vannier / Euler / Reinhardt / Schwaetzer: Enyclopédie des mystiques rhénans. De coni. I c. 10 (h III, n. 52).
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Prinzips liegt freilich noch vor der Alternative vom Wahren und Falschen. So ist auch die „summa praecisio “ gar nicht die höchste erreichbare Präzision überhaupt. Das lateinische Superlativum absolutum ist eben ‚ab-solutum‘, d.h. gelöst und abgeschieden. Es nennt nicht den höchsten Grad, sondern eine ganz für sich bestehende Realität.23 So versteht sich auch immer das Adjektiv „summum“ im Hinblick auf Gott als „summum ens“. Mit anderen Worten: Es gibt im Menschen zwar bereits den Ursprung der Messung und der Kunst. Wohl doch muss sich dieser Ursprung notwendig in Akten des Messens und der Kunst aktivieren und entfalten, ohne sich aber zugleich darin zu erschöpfen. Der Ursprung in der mens verbleibt deshalb im Kreis des Menschlichen, ist aber von den Bereichen der Messung und der Kunst völlig geschieden. Eine solche Abgeschiedenheit zeugt davon, dass der menschliche Geist eine imago Dei ist, was bei Cusanus so unmissverständlich erklärt wird, dass sich hier jede weitere Ausführung darüber erübrigt.24 Nun ist der Sprung von der Ebene der mensura zu jener der mens ein Sich-erheben (elevatio). So sollen wir es z.B. in Idiota de sapientia verstehen, wenn Cusanus meint: „O quam admiranda est illa forma, cuius infinitatem simplicissimam omnes formabiles formae nequeunt explicare! Et qui se elevat altissimo intellectu super omnem oppositionem, ille solum hoc verissimum intuetur“.25 Die vera mensura ist folglich eine Wahrheit vor dem Wahren und dem Falschen. Zu ihrem ganzheitlichen Wesen erhebt sich die Vernunft: 26 „Denn mit dem Sinn mißt der Geist das Sinnenfällige, mit der Vernunft das durch die Vernunft Erkennbare, und was über dem durch die Vernunft Erkennbaren ist, berührt er im Überschreiten“.27 Hier wird das Ziel jener Erziehung deutlich, die durch die Stufen des mensuratum, der mensura, der mens bis weiter zur Intuition des immensum durch Überschreiten emporsteigt.28 In diesem Prozess spielt die Kunst eine wesentliche Rolle, wie man aus dem Gesagten ersehen kann.29 23
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Zum Terminus „ratio absoluta“ und zur Verwendung von „absolutum“ in diesem Sinne sind im Übrigen Cusanus’ Überlegungen in der kleinen Schrift zu lesen: Responsio de intellectu evangelii Iohannis (h IX, 97sqq.), insbes. nn. 2-5. In einem erweiterten Kontext siehe auch Bloch / Mojsisch (Hgg.): Potentiale des menschlichen Geistes. Idiota de sapientia I (h 2 V, n. 24). Das ist m.E. grundsätzlich das Thema der Melencolia I. Vgl. Kap. 7 in der vorliegenden Arbeit. De beryllo (h 2XI/I, n. 5). Dafür braucht man zunächst eine manuductio, dann aber eine mystische Erfahrung, die letzten Endes nicht einmal durch Worte kommunizierbar, sondern und eventuell nur
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Das Wort „mensura“ erhält bei Cusanus in der Predigt XCV (1451) eine ausdrücklich moralische Färbung: Der Mensch wird mit jenem Maß gemessen und behandelt, das er zuvor selbst zum Messen verwendet hat. Im Kommentar zu Lk 6,38 vergleicht Nikolaus das Maßnehmen mit dem Gewicht der Barmherzigkeit und mit dem Gewicht der Verurteilung. Das Erste, so erklärt er, eignet den Söhnen Gottes, das Zweite den Söhnen des Hochmutes.30
Die „mensura“ bei Albrecht Dürer: „Ein rechte Maß gibt auch eine gute Gestalt und nit allein im Gemäl“ Meine Erörterung der begrifflichen mensura-Konstellation bei Cusanus verfolgt hier den methodischen Sinn, den Zugang zu Dürers Maßbegriff verständlicher zu machen. Dass eine so hohe Schätzung des Könnens nicht ungeachtet bleiben konnte, gerade bei einem Künstler, der sich darum bemühte, die Kunst vom bloßen Handwerk zu befreien, möchte ich zusammen mit allen historischen Tatsachen, die dies belegen, zunächst beiseite lassen,31 um mich an dieser Stelle mit den theoretischen wesentlichen Aspekten zu beschäftigen. Von mensura spricht Albrecht Dürer ausgerechnet in einem Werk, das den Titel trägt: Unterweysung der Messung (1525).32 Es handelt sich um ein erzieherisches Handbuch, dessen Ziel die Vollkommenheit der künstlerischen Fähigkeiten der Jugend ist. Außerdem ist ein solches Werk ausdrücklich christlich-humanistisch gesinnt, wie uns einige darin enthaltene Blätter (Abb. 42) und die Widmungsinschrift an Pirckheimer verraten.33 Bezüglich des Themas „Maß“ hat Dürer bis zu diesem Punkt schon ein langes Ringen hinter sich:34 einmal den Versuch, das Maß der Dinge und
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durch ein Experimentieren erlebt sein wird. Dazu Hoye: Die mystische Theologie, 3437; Filippi: Durch die Sicht, 296f. Vgl. Barbieri: ‚Giuditio‘, misura, 51-74. Sermo XCV, Eadem mensura, 486 [eigentlich braucht es noch h-Band-Angabe]. Vgl. Kap. 2 in der vorliegenden Arbeit. Schneider: Geschichte der Kunsttheorie, 147f. (mit weiterer nützlicher Lit.). Sahm: Dürers kleinere Texte, 121-123. Grundlegende Studien über dieses typisch Dürersche Thema hat Hinz vorgelegt: Nackt. Akt, 199-230; ders.: Dürers „Nackett Pild“, 57-68; ders.: „Maß und Messen“, 125-138; sowie rezent ders.: Dürer:. ‚natürlicher‘ Akt versus Mensch „aus der Maß“, 17-31; dazu mit genauen Differenzierungen in den verschiedenen Phasen Dürers künstlerischen Schaffens siehe Bonnet: ‚Akt‘.
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des Menschen aus den Sachen selbst – sprich aus der Natur – zu gewinnen,35 zum anderen seine Auseinandersetzung „van dag zw dag“ mit einem erdachten Maß und Gesetz, wie er es etwa vorbildlich bei Vitruv vorfindet. Bezüglich des Menschen als Ebenbild Gottes spitzt sich das Problem gewaltig zu. „Einmal hat der Schöpfer die Menschen gemacht, wie sie sein müssen, und ich halte, dass sie recht mit Wohlgestalt und Hübschheit unter dem Haufen aller Menschen begriffen sind. Wer das Recht daraus ziehen kann, dem will ich mehr folgen als dem, der ein neu erdachtes Maß, woran die Menschen keinen Teil gehabt haben, machen will. Denn einmal muss die menschliche Gestalt abgeschieden bleiben von anderen Kreaturen“.36 Hier wird das Thema der Abgeschiedenheit vom Kreatürlichen unmittelbar deutlich: Der Mensch besitzt nämlich etwas, aufgrund dessen er von allem Übrigen in der Natur getrennt ist. Wie ich vermute, verleiht die Abgeschiedenheit – zusammen mit der Bezugnahme auf das Heilige – dem Terminus „Maß“, dem eigentlichen Thema seiner Betrachtung in der Tat, eine besondere Sinnrichtung. Denn „Maß“ heißt bei Dürer Maß und Maßstab in zwei verschiedenen Bedeutungen des Wortes: einmal Ausmaß und Messung, zum anderen aber auch „Mäßigung“ im Hinblick auf die Moral, wie wenn man sagt, in den Sachen „mit Maß und Ziel“ zu handeln, oder im Gegenteil dazu „das Maß überschreiten“. Eine deutliche Spur ist meines Erachtens in den Vorarbeiten zur Einleitung der Unterweisung aus dem Jahre 1513 zu finden, in denen der Meister sich ausdrückt wie folgt: „Ein rechtes Maß gibt eine Gute Gestalt, und nicht nur im Gemälde, sondern auch in allen Dingen“,37 und das bedeutet auch in denjenigen Dingen, die an sich keine Messung erfordern. Der Text setzt bestimmt moralische Akzente. Ziel ist nämlich die Erziehung der jungen Künstler in Anbetracht vor allem des Guten. Außerdem schließt sich Dürers Aussage „dy guten menschen“ direkt an das Thema Wahrheit an. Er spricht nämlich von „vnser blöd gemüt“, sowie 35 36
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Bonnet: ‚Akt‘, 215ff. und Exkursus I. Allgemein zu diesem Punkt vgl. Schneider: Die Kunst aus der Natur zu „reyssenn“. So im Original: „Einmall hat der schöpfer dÿe menschen gemacht, wie sie müssen sein, vnd ich halt, das die recht wolgestalt vnd hübschheit vnder dem häuffen aller menschen begriffen seÿ. Welcher das recht heraüs zihen kann, dem will jch mer folgen dan dem, der ein neü erdichte mas, der die menschen kein teill gehabt haben, machen will. Denn ein mall müs die menschliche gestalt bleiben ab geschieden van andern creaturn“. Nach Dürer / Rupprich, III, 272. „Ein rechte mas gibt ein gute gestalt, vnd nit allein jm gemell, sunder awch jn allen dingen“. Zit. nach Dürer / Rupprich, II, 131.
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von der Notwendigkeit, es zu überwinden. Nur so, meint der Meister, ist es schließlich möglich, dass wir „durch lernung vnser vernunft scherpfen“ und den „recht weg“ einschlagen.38 Diese Begriffe werden des Weiteren im Text wiederholt.39 Gott als Schöpfer aller Künste bürgt für die Güte seiner Geschöpfe. Deshalb darf Dürer sagen: „Darczw dinen dÿ künst, dan sÿ geben zw erkennen gutz vnd pöses“.40 Einige Jahre später, in der Reinschrift zur Vorrede seiner Proportionslehre, verwendet Dürer genau in diesem Sinne das Wort „fermessen“: „Niemand soll glauben, daß ich so vermessen sei, daß ich vermeinte, hier ein solches Wunderbuch zu machen, um mich damit über anderen zu erheben“.41 Hier bedeutet „fermessen“ eine Art Überheblichkeit, das Fehlen von Maß im moralischen Sinne. Mir scheint es kein Zufall zu sein, dass ein Handbuch über die Proportionen gerade mit einer Mahnung zur richtigen Maßhaltung in allen Dingen beginnt. „Vermessenheit“ bedeutet übrigens auch bereits zu Dürers Zeit, Fehler zu machen in der Messung.42 Genau diese doppelte Bedeutung im Dürerschen Wort „Maß“ ist meines Erachtens der Schlüssel zum adäquaten Verständnis jenes höchst rätselhaften Holzschnitts,43 den er merkwürdig genug erst im letzten Moment vor der Drucklegung in seine Unterweysung der Messung einbezog. Wenden wir uns an dieser Stelle diesem seltsamen Blatt einmal näher zu. Es handelt sich um die wohl allgemein bekannte sog. „Bauernsäule“, eher eine „victoria“, wie sein Autor sie in seiner Beschreibung selbst nennt.44 Dürers Begleittext sei hier wiedergegeben (Abb. 43): „WElicher ein victoria auf richten wolt darumb das er die aufrürischen bauren vberwunden het der möcht sich eins solichen gezeugs darzü gebrauchen/wie ich hernach leren wil. Erstlich setz er ein 38 39 40 41
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Ebd., 129. Ebd., 130. Ebd. „Nÿmant acht, das jch so fermessen seÿ, das jch fermeinte, hÿ ein sölch wunder puch zu machen, mich domit über ander zw erheben. Das seÿ weit van mir“. Aus der Vorrede Dürers geplanten Lehrbuch der Malerei, nach Dürer / Rupprich, III, 167. Grimms Wörterbuch, ad vocem: „Schon sehr früh nimmt vermessen die Bedeutung des ‚falschen messens‘ an“, XXV, 863. Den radikal verschiedenen Deutungen die Stirn geboten hat Hans-Ernst Mittig, der zur Erläuterung dieses Blattes folgenden treffenden Titel erfunden hat: Dürers Bauernsäule. Ein Monument des Widerspruchs. Albrecht Dürer: Vnderweysung der messung mit dem zirckel vnd richtscheyt, bei Hieronymus Andreae, Nürnberg, 1525, Liber III, fol. 50r: Ein victoria darumb das er die aufrürischen bauren vberwunden het.
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gefierten stein zehen schuch ein seyten lang vnnd vier schuch hoch derste noch auf einer gefierten blatten zweyntzig schuch ein seyten lang vnnd eyns hoch/vnnd auf einen bühel auf die vier örter leg gebunden küe/schaff/schwein vnnd allerley. Aber auf den öberen gefierten stein setz vier körb auf die vier ort mit kes/butter/ayer/zwiffel vnd kreuter oder was die jüfelt. Darnach leg noch mitten auf disen stein ein anderen gefierten stein ein seiten siben schuch lang vnnd eynes schuchs hoch/mitten auf disen stein setz ein haber kasten vier schuch hoch vnden ein seiten sechs schuch vnn ein halben lang aber oben bey dem schlos sechs schuch lang/vnn zü oberst auf d’deck.4.schuch lang darauf stürz ein kessel vierdhalben schuch weit/aber im boden nün drey schuch/mitten auf des kessels boden setz ein kesnapf eyns halben schuchs hoch/oben zweyer schuch weyt/aber am boden nit mer dann anderthalben den deck zü mit einem dickem teller dz wol oberschies/mitten auf dz teller setz ein butterfas drey schuch hoch/vnden am boden anderthalben schuchs breyt/aber oben nür eines schuchs weyt/doch die schnaupen darauß man geust soll fürtreffen/mitten auf dis butterfas/setz ein wolgeschickten milich krug dreythalben schuchs hoch/im bauch eyns schuchs weyt/aber oben eins halben/aber den fues mach vndenn weyter/vnnd im milich krug richt auf vier scharren damit man das kot züsamen raspt die zeuch vbersich fünf schuch vnn eyn halben/darumm pind ein garben fünf schuch hoch/also das die scharren ein halben fürtreffen/vnd henck daran der baweren werckzeug hawen/schauflen/hacken/mistgabel/trichtenflegel vnd dergleichen/danach setz zü öberst auf die scharren ein hüner körble vnd stürz darauf ein schmaltzhafen/vnn setz ein trauretten bauren darauf der mit einem schwert durch stochen sey. Wie ich das hernach aufgerissen.“45 An den beiden Extremen dieser Säule, unten wie oben – immerhin erhalten ‚unten‘ und ‚oben‘ bei Dürer eine starke moralische Prägung platonischer und neuplatonischer Herkunft – gibt es Tiere mit zusammengebundenen Pfoten, fertig für die Opfer,46 wobei an der Spitze eine bereits 45 46
Abschrift vom anastatischen Druck der Unterweysung der Messung, 94-96. Das setzt überdies eine tiefere Auseinandersetzung mit dem antiken Suovetaurilia-Motiv voraus. Dieses Sujet betreffend handelt es sich um eine Opfergabe, bei der ein Schwein, ein Schaf und ein Stier geopfert werden. Dies ist meist ein Sühneopfer, das nach einer rituellen Zerimonie erfolgt, z.B. um ein Stück Land, wie es bei dem älteren Cato beschrieben ist, oder um ein Heer zu reinigen (lustratio). Diesbezüglich verweise ich auf das von Seibert redigierte Lemma: Suovetaurilia. In: Der Neue Pauly (DNP), 11, Sp. 11111112; im Spezifischen vgl. Filippi: „Halt Mass“, 50; dies.: Umanesimo, 195-197 und Abb. 185-186.
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geopferte menschliche Figur erscheint, trotz jener Abgeschiedenheit (Trennung und Unverletzbarkeit zugleich), die ihr durch das göttliche Maß zukommen sollte, nach dessen Ähnlichkeit die Menschen geschaffen wurden. Fazit: Paradoxerweise kann man das Maß beachtet haben (die proportio, das mevtron), und trotzdem das Maß im Sinne der Mäßigung verletzt haben.47 Die Opfertiere am Sockel der Bauernsäule sind in einer allgemeinen Vielfalt vorhanden: „Kühe, Schafe, Schweine und allerlei“.48 Der Mensch erscheint dagegen in seiner Singularität als historisch konkretes Individuum – hic et nunc – im Jahre 1525. In derselben Weise ist der Christus am Kreuz kein abstrakter Gott, sondern ein leibhaftiger. Der Sockel hebt konsequent das Datum deutlich hervor: „Anno Domini 1525“.49 Damit wird auf der einen Seite indirekt an den geopferten Christus erinnert und auf der anderen direkt an die Aktualität der Ereignisse, nämlich den tragischen Bauernkrieg.50 Von diesem Menschen und seiner Welt erzählen – wenngleich von ihrem natürlichen Zusammenhang abstrahiert – die Instrumente seiner Arbeit und die Mittel seines Überlebens, und das ist der Kreis, der ihn mit der tierischen fuvsiı verbindet: Vieh, Milch, Eier, und durch dieselben mit der Erde und mit den Früchten des Bodens. Die christologische Pose hebt ihn oberhalb der instrumentalen Welt in das Reich der Ziele und Zewecke.51 Der Mensch ist Maßstab der Natur, nicht umgekehrt. Diese Annahme Vitruvs führt uns dazu, die andere Seite vom „mas“ zu erkunden, das Maß, verstanden als Proportion (proportio).52 Unter den verschiedenen Darstellungen des Vitruvianischen homo ad circulum / homo ad quadratum gibt es einen Entwurf von Leonardo da Vinci, der in Deutschland durch Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim wiederaufgenommen wurde und erst 1533, nur wenige Jahre nach 47 48 49 50
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Filippi: Dignitas hominis, 108. „Küe, schaff, schwein und allerley“. Nach Dürer / Rupprich, III, 144 [Hervorhebung von E.F.]. Schoch / Mende / Scherbaum, III, 226. Über die verschiedenen Implikationen dieses gewaltigen Horizonts für die Reichstadt Nürnberg und Dürer verweise ich an erster Stelle auf Zschelletzschky: Die „drei gottlosen Maler“; ferner auf Silver: Germanic Patriotism, 38-68, Anm. 216-220; Filippi: Dignitas hominis, insbes. auf folgenden Abschnitt: Ordo rerum und vernünftige Mitte, 97-104. Filippi: L’immagine della morte, 58-61. Krüger: Dürers „Apokalypse“, 96: „Das Maß – die Proportion – hat deshalb ihre Bedeutung für Dürers Kunsttheorie nicht verloren, es gibt aber nicht nur ein Maß, nur eine Proportion, sondern verschiedene, je nach den Qualitäten des dargestellten Menschen (dick, dünn, männlich, weiblich, alt, jung, krank, gesund etc.)“.
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der Dürerschen „Bauernsäule“ (da war Dürer bereits verstorben), veröffentlicht worden ist:53 Mit senkrecht ausgestreckten Armen über dem Kopf ist diese menschliche Gestalt dargestellt. Hier wird deutlich, was auch der Lektüre des Vitruv zu entnehmen ist (Abb. 44).54 Die Entfernung zwischen Scheitel (ojrguiav) und Berührungspunkt der Finger mit dem Zirkel (kavl amoı) beträgt 1/5 der gesamten Figur, wobei die aufgehobenen Arme zu einer Art Selbsterhebung über sich selbst hindeuten. Nun bedeckt der Körper des Durchstochenen in der sog. Bauernsäule 1/5 der gesamten Säule (ausgenommen der Sockel), d.h. 3,5 Nürnberger Füße [(= 30,3 cm), d.h. ca. 106 cm], während die Gesamtheit der Werkzeuge, vom Geflügelkäfig oben bis zum Eimer unten (der Rest gehört nicht zu den Werkzeugen und bildet einen monumentalen Sockel) 17,5 Füße [etwas mehr als 5,30 m] beträgt. In Bezug darauf macht der Bauer ausgerechnet 1/5 der Säule aus. Nach dem Maß der menschlichen Proportionen gemessen ist also der Dürersche Bauer über den Kopf des homo ad circulum gestellt: Er ist abgeschieden vom Kreatürlichen, wenn auch innerhalb des ganzen Bogen der Natur (Abb. 45).55 Somit deutet bereits das Maß im Sinne der Proportion auf das Maß im Sinne der Mäßigung.56 In solcher erzieherischer Weise führt Dürer seine Schüler vom Bereich des mensuratum bis zu dem der mensura57 – das ist die Proportion, nach deren Gesetz jedes mensuratum sein Maß bekommt – und weiter hinauf bis zu einer Dimension, die ja im Kreis des Menschlichen verbleibt und dennoch von den abkünftigen Bereichen der Messung und des mensuratum abgeschieden ist. Es kann im Übrigen kein Zufall sein, dass ein Handbuch über die Proportionen gerade mit dem mahnenden Hinweis beginnt: „Halt Maß“! Bis dahin gehört diese Haltung gewiss aber auch allgemein zum Anliegen des Humanismus. Exemplarisch scheint mir an dieser Stelle die Art und Weise, wie hier die zwei Bedeutungen der Ordnung – der dinglichen und der göttlichen – in dieser Zeichnung eng miteinander verknüpft sind: 58 Die Säule ist bekanntlich streng nach den menschlichen Proportionen des 53 54 55
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Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia, Bl. 166. Dieses Vitruvianische Proportionsfigurschema mit der einer ausführlichen Betrachtung ist wiederzufinden in Zöllner: Anthropomorphismus, 98-103. Es handelt sich hier um ein von mir kreiertes Schema, das ich erstmals im Rahmen eines internationalen Symposions in Rom an der Bibliotheca Hertziana vorlegen konnte (Dürer, l’ Italia e l’ Europa, 2008). Filippi: „Ein rechte Maß“, 117ff.; dies.: Misura, dismisura e pratica, 128-143. Siehe Filippi: Maß und Vermessenheit, 333-350. So konsequent konnten damals wenige Künstler damit umgehen, darunter aber sicher Raffael und Leonardo da Vinci. Vgl. Kap. 1.
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Vitruv konstruiert. Das von Cornelius Agrippa erfundene Schema stellt insofern die homo -Gestalt noch im Umkreis des Menschlichen dar, dennoch weist es ganz bewusst auf eine gleichsam übermenschliche Dimension im Menschen. Vergleichen wir jetzt den Säulenaufbau mit dieser Figur ganz oben, so wird deutlich, dass der durchstochene Bauer an der Säulenspitze genau die oben besprochene „Ein-Fünftel-Stelle“ einnimmt. Nach dem Maß der menschlichen Proportionen gemessen, ist also der Dürersche Bauer über den Kopf des homo ad circulum gestellt: er ist abgeschieden vom Kreatürlichen, wenn auch innerhalb des ganzen Bogen der Natur.59 Auf diese Weise wird durch die Proportionen das unantastbare Maß, das göttliche Maß im Menschen angedeutet, die „vera mensura“ des Humanismus, um die es mit berechtigter Empörung zu kämpfen gilt, damit die Beseitigung der Vermessenheit uns in „eine ganz vernünftige Mitte“ versetzen kann – so würde das Phänomen Thomas Müntzer benennen –,60 wo einmal der Stern der humanitas aufgehen darf, so dass die „wirkliche Verachtung der Natur“ (es sind Müntzers Worte) überwunden wird, und erstlich die Möglichkeit besteht, mit Recht von Gott zu reden.Am Ende doch ein Übermaß im Maß ! Der Mensch gleicht einem Mikrokosmos,61 in dem sich das Maß des Kreatürlichen sowie das überragende Maß Gottes einfalten – implicatio, wie Cusanus sagen würde. Die Möglichkeit einer Erhebung über sich selbst gehört zum Kreis des Menschlichen und genau da lässt sich das menschliche Potenzial an Würde im humanistischen Sinne erkennen.62 Hier kann der Mensch im besten Fall wie ein lebendiges Abbild Gottes agieren und tatsächlich erscheint der Bauer in der christologischen Pose des Vir Dolorum bzw. des Schmerzensmannes,63 eine unverwechselbare Andeutung an den Christus als Modell (Abb. 46), durch dessen Nachahmung der Mensch bis zu Gott, bis zum immensum geführt werden kann. Zugleich aber zeigt uns Dürer, was wir im theoretischen Werk des Cusanus vermissen würden und mit gutem Recht in seinen Predigten suchen dürfen: jene Dimension der Abgeschiedenheit und des absolutum ist zugleich diejenige der Freiheit, in der die Möglichkeit der Vermessenheit 59
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Filippi: Dignitas hominis, 104f. Für die Anwendung des Wortes „abgeschieden“ nicht nur bei Dürer, sondern auch – und gerade mit derselben Nuancierung – in den Predigten von Thomas Müntzer, weise ich auf den Beitrag von Schneider hin: Der Blick auf Thomas Müntzer, 43-71. Filippi: Dignitas hominis, 102. Allgemein zu teilen sind die Überlegungen von Dupré: Der Mensch als Mikrokosmos, 68-87; ferner André: O homem como microcosmo, 7-30. Vgl. Glaap: Untersuchungen; Schmeisser: „Wie ein sterblicher Gott...“, insbes. 36-45; McGinn: Würde und Gottebenbildlichkeit. Rezent Fricke: ‚Artifex ingreditur in artificium suum‘, 183-206.
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liegt, mithin der ferocia, temeritas, impudentia und superbia. Das Sicherheben über das Kreatürliche grenzt ja immer an die Überheblichkeit, die wir sowohl im aufrührerischen Bauer als auch in der Gewalt finden, mit der er getötet wurde.64 Vor allem in den Predigten bis 1440 betont Cusanus die „Vollendungsbedürftigkeit des Menschen“, anstatt seine „Vollendungsfähigkeit“, wie es später der Fall sein wird.65 Insbesondere im Sermo XVII interpretiert er die Sünde Adams ausdrücklich anhand des Gegensatzes von Glauben und Wissen. Durch das Wissen versucht der Mensch eine Angleichung zu Gott zu erreichen. So entsteht die menschliche Überhebung (praesumptio ). Wenn dann für den Theologen und im Sinne des Aristoteles alle Menschen von Natur aus zum Wissen geneigt sind,66 und sie Protagoras folgend das Maß aller Dinge sind – cognoscere enim mensurare est –67 so kann das Wissen doch eben auch zur Anmaßung ablenken und dadurch zum Verlust des „rechten Maßes“ führen. Bekanntlich sieht Cusanus an vielen Stellen die christiformitas als einzigen Ausweg.68 Gerade um das erwünschte Wissen und seine mögliche Ausartungen geht es Dürer in seiner Unterweisung; und wiederum wird die Christusähnlichkeit als allein erfolgreiche Lösung im ikonographisch wieder erkennbaren Motiv des Vir Dolorum deutlich evoziert.69 Warum brauchen wir schließlich eine richtige Führung zu Gott? Weil wir sonst die gute, wahre und insofern auch schöne mensura verlieren,70 und das heißt nichts anderes als sich vermessen, oder führt, anders formuliert, zu nichts anderem als: Vermessenheit und Überheblichkeit. Zumindest in seinen theoretischen Schriften wählt Cusanus, wie erwähnt, jedoch den positiven Weg. Folgen wir trotzdem diesem Weg nach, so finden wir vielleicht doch einen angebrachten Schlüssel zum Verständnis dieses Dürerschen Rätselwerks. Die Schrift Idiota de mente besagt vom Geist Folgendes: „Er mißt auch symbolisch in der Weise des Vergleichs, wie z.B. wenn er sich der Zahl und geometrischer Figuren bedient und sich in eine Ähnlichkeit mit diesen versetzt. Daher ist für den, der genau 64
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In diese Richtung gehen die Auslegungen von Panofsky und anderen Interpreten, die ich an anderer Stelle zusammengefasst habe. Vgl. Filippi: „Halt Mass“, Hinweis auf eine spezifische Bibliographie zu diesem Aspekt, 44. Euler: Entwicklungsgeschichtliche Etappen, 81-84. Aristoteles: Metaphysik, I, 1. Dazu etwa Flasch: Nikolaus Cusanus, 70. Dahm: Imago foedata, 7f und 12ff. Vgl. Rebel: Dürer, 407-410. Siehe jüngst Mandrella: Viva Imago, 149-186, insbes. 184f. so wie 282ff.
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hinschaut, der Geist ein lebendiges und uneingeschränktes Bild der unendlichen Gleichheit“.71 Gerade das haben wir bei der sog. Bauernsäule vor Augen: Durch Zahlen und Gestaltung führt uns der Künstler symbolisch durch einen Vergleich, und gerade durch die Gesetze der Proportion zeichnet er diesen Zirkel im Zirkel: innerhalb des homo ad circulum – d.h. im Kreis des Menschlichen – zeichnet sich der Kreis des Abgeschiedenen, des Übermenschlichen im Menschen ab. Ausgerechnet darin befindet sich der Ort des getöteten Bauern in diesem Holzschnitt. Das bezeichnet eine erste Transzendenz, so dass derjenige, der genau hinschaut, gerade darin ein Bild der unendlichen Gleichheit erkennt, in der mens das immensum erblickt; in einem Vernichteten, zu nichts Herabgesetzten, ist zugleich der Größte da, das lebendige Zeugnis des allmächtigen Gottes. Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen: Ein erzieherischer Weg führt vom mensuratum zur mensura, zur mens und zum immensum bei Cusanus und in gerade derselben Weise bei Dürer, z.B. in der sog. „Bauernsäule“. Als mensuratum fungiert hier ein jedes gezeichnetes Ding, indem es zusammen mit seinem zugeschriebenen Maß angegeben wird. Mensura ist das Gesetz, nach dem diese Zuschreibung erfolgt, und das heißt die menschliche Proportion bei Vitruv.72 Die Unterweisung und Übung der mensura dient dazu, dass die mens ihr eigenes Fassungsvermögen erreicht. Die mens, welche nach Cusanus der Grund der comparatio ist, hält das Größte und das Kleinste zusammen, weshalb Cusanus die mens als „viva mensura“ (lebendiges Maß) bezeichnet, welche abgetrennt ist von jedem mensurare und mensuratum. Was hat nun der Cusanische mens-Begriff mit der Darstellung des durchstochenen Bauern bei Dürer gemeinsam?73 Meine Antwort lautet: Die mens ist insofern „vera mensura“, als ihr verum die Wahrheit des Ganzen ermöglicht. Ähnliches gilt für die Darstellung des Bauern. Sie wurde ja auf verschiedenster Weise interpretiert: marxistisch als Vorläufer des Klassenkampfes,74 oder ganz im Gegensatz dazu als klare Zustimmung zu den scharfen Worten eines Luthers gegen die Aufständigen.75 71 72 73 74 75
De mente c. 9 (h 2V, n. 125). Frings: Mensch und Maß; Reudenbach, „In mensura humanis corporis“, 251-288; Germ: Leonardo’s Man, 102-107; Neher: Albrecht Dürer and Nicholas Cusanus. Filippi: Umanesimo, 187ff. Zunächst Fraenger: Beiträge, 126-140; ders.: Dürers Gedächtnissäule, 34-47. Panofsky: The Life, 233. Was die verschiedenen Positionen der Kritik anbelangt, vgl. zusammenfassend Filippi: „Halt Mass“, 37ff.
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Aus dem Begleittext der Unterweisung der Messung glaubt Würtenberger zu entnehmen, „daß Dürer auch hier, wie im Bildnis der Vier Apostel, in seiner Abkehr von allem revolutionärem Geist doch wohl auf seiten der Obrigkeit gestanden ist“, auch wenn er vorsichtshalber hinzufügt: „Wenn Dürer andererseits in seinem Kommentar zu jener Zeichnung auch vom „traureten Bauern“ sprach und er in manchem seiner künstlerischen Werke offenbar dem Bauernstand einen gleichberechtigten sozialen Rang zuerkennen wollte […], so dürfen wir doch annehmen, daß das harte Schicksal der sich empörenden Bauernschaft ihn nicht völlig gleichgültig gelassen hat “.76 Warum hätte Dürer eine der beiden Positionen ergreifen müssen, wenn sein Schaffen gerade auf den Punkt aufmerksam macht, an dem sich diese voneinander distanzieren? Sie vertreten eben nur Teilwahrheiten, die gegeneinander kämpfen und miteinander unvereinbar sind.77 Das Bild von Dürer findet seine glaubwürdige Wahrheit und auch seine faszinierende Aktualität eben in der Ermöglichung von diesen beiden: Es ist ein pures Zeigen und Anzeigen, eine reine vera imago, und gerade als Ganzes, deshalb abgetrennt und „abgeschieden von anderen Kreaturen“, 78 wie Dürer sagt. Aber nur deswegen konnte Peter-Klaus Schuster diesen Dürerschen Entwurf aussagekräftig so kommentieren: „In Dürers Bauernsäule erscheinen nochmals die wesentlichen Aspekte: die Temperamentlehre, die Melancholie, die imitatio Christi, der weise Tor, die böse Welt, das paradoxe Bild und die Ermahnung zu Menschlichkeit, Mäßigkeit, Versöhnung und Friede“.79 Die Bauernsäule wird nicht nur von der vorher oben zitierten Erläuterung begleitet,80 sondern auch von zwei anderen Säulenentwürfen, ebenfalls mit erläuternden Texten, flankiert: Einer Gedächtnissäule für den Sieg über mächtige Feinde und ein Grabmal für einen Trunkenbold. Die erste legt einen hohen steinernen Sockelbau vor. Darüber sind ein Mörser, ein mit Wappen geschmücktes Kanonenrohr und eine Glocke ineinander gesteckt, [so] „daß die Form einer Säule mit Postament, Schaft und Kapitell nachgeahmt ist“,81 genauso wie sie Dürer kurz davor in seinem
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Würtenberger: Albrecht Dürer. Künstler, Recht, Gerechtigkeit, 41. Vgl. Schoch / Mende / Scherbaum, III, 225 (Schoch). Bia!ostocki vermeidet den Streit, indem er von einer „Mélencholie paysanne“ schreibt, 195-202. Im Dürers Originaltext wortwörtlich: „ab geschieden von anderen creaturn“. Schuster: Melencolia I, 367. Schreiber: Nr. 274-108.109, in: Schoch / Mende / Scherbaum, III, 224-226. Mittig: Dürers Bauernsäule, 19; Zur Siegessäulebeschreibung ebd., 68-70.
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Handbuch beschrieben hat. Abgeschlossen wird das Ganze durch Schilde, Harnische und verzierten Helme. Ebenso kunstvoll zusammengestellt ist das Grabmal: Ein Katafalk mit Epitaphium, das das Wohlleben spöttisch lobt: „Die darüber zur Form eines Kandelabers aufgetürmten Gegenstände weisen auf Spiel, fresserey und Biergenuß hin“.82 Die beiden Bilder neben der Bauernsäule wirken sonst ganz und gar harmlos und humorvoll nebenan. Man bekommt quasi den Eindruck, Dürer wollte damit den Schock der Bauernsäule und der im Hintergrund stehenden tragischen Ereignisse abmildern, 83 und irgendwie in einer Reihe stilistischer Übungen verwässern. Schließlich kann folgende Frage aufgestellt werden: Ist es überhaupt möglich, eine Analogie zwischen den drei allegorischen Säulen der Underweysung (in deren Mitte diese „victoria“ ist) und dem Programm für die Fresken im Nürnberger Rathaus von 1521 zu erkennen,84 auf deren Entwurfszeichnung ein wehrloser Bauer vor sich schreitet, begleitet von der Worten „irrthum Error“, die selbst Pirckheimers eigene Hand einbrachte?85 Diese bäuerliche Gestalt wird durch zwei allegorischen Figuren flankiert: „eyl-acceleratio“, die Eile auf der einen Seite und „straff-pena“, die Strafe, auf der anderen. Die Eile wirkt als eine bestimmte Art der Zügellosigkeit, welcher die Strafe notwendig folgt. Unbändigkeit und Buße begleiten den Bauer auch in den allegorischen Säulen von 1525. Hier ist aber ihre Ordnung eher umgekehrt: zuerst die Kanonensäule mit Schießpulver, dann die Bauernsäule und schließlich die Säule des Säufers. Ist es nicht zuletzt auch dieser Umkehrung geschuldet, welche den Mitteln ihren reinen instrumentalen Charakter übrig lässt, dass sich gerade die dringliche Frage nach dem Menschen zuspitzt, der von seinem Schicksal sozusagen „durchstochen“ ist?
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Ebd., 24. Vgl. Böhme: Albrecht Dürers Traumgesicht, 17-35. Mende: Das alte Nürnberger Rathaus; ders.: Der Alte Dürer, 103-114, hier insbes. 105f. Filippi: „Halt Mass“, 56ff.
10. Der ewige Kampf des Maßes mit der Maßlosigkeit als Frage nach der Gerechtigkeit bei Dürer Das Problem der Gerechtigkeit durchzieht das gesamte Schaffen Albrecht Dürers, geht durch dieses hindurch und kristallisiert sich am Ende der vorliegenden Untersuchung in einem möglichen einheitlichen „grvndt“, wie der Meister sagen würde, als Spezifikum seines Philosophierens. In seinem Nachlass ist oft die Rede von der Gerechtigkeit.1 Im Laufe dieser Arbeit wurde methodisch die künstlerische Tätigkeit Dürers hervorgehoben, da es grundsätzlich darum geht, in ihm als Künstler einen Philosophen zu erkennen, und zwar in dem besonderen Sinne des Philosophierens durch Bilder am Anfang der frühen Neuzeit. Dabei übernimmt das Schrifttum eher die Rolle, die ikonographische Deutung notfalls zu ergänzen oder zu bestätigen. Rückblickend darf zunächst Folgendes behauptet werden: Dürer begann sich eigens und explizit mit philosophischen Themen um die Jahrhundertwende zum Cinquecento zu beschäftigen, als seine künstlerische und menschliche Bildung durch reichliche Erfahrungen eine gewisse Reife und erste Vollendung erreicht hatte. In der Zeit der ‚Geburt seiner Philosophie‘2 hat der Künstler aus Nürnberg mit einem Sol Iustitiae ca. 1499 einen Kupferstich geschaffen (Abb. 47), der nach Panofsky „trotz seines kleinen Maßstabes zu Dürers eindrucksvollsten Schöpfungen gehört“.3 Wie Thomas Würtenberger treffend sagt: „Vielleicht am unmittelbarsten kommt in Dürers symbolhafter Kunst der Zusammenhang mit dem Rechtsgedanken in der als ‚Die Gerechtigkeit‘ oder ‚Der Richter‘ bezeichneten Darstellung ‚Sol justitiae‘ zur Geltung. […] Ein feurig blinkender Jüngling, das Haupt von Strahlen umgeben, sitzt auf einem Löwen und hält in der Rechten drohend das Schwert, in der Linken die Waage. Weit aufgerissen sind die Pupillen des Jünglings. Hier soll wohl seine ‚unbeirrbare und untrügliche Rechtserkenntnis‘ versinnbildlicht werden. In dieser großen 1 2
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Siehe Würtenberger: Albrecht Dürer - Künstler, Recht, Gerechtigkeit. Zu diesem Horizont passt insofern folgender Beitragstitel recht gut, gleichgültig ob er vom Autor bewusst und gezielt ausgewählt worden ist oder auch nicht: Oesinghaus: Das Undarstellbare darstellen, 81-90. Sol Iustitiae (Die Sonne der Gerechtigkeit): 79 x 107 mm. Panofsky: Das Leben, 105. Siehe Schoch / Mende / Scherbaum, 1, Nr. 23, 79f. (Schoch). Eine ekphrastische Betrachtung jüngeren Datums ist zu finden in Vollmann: Der Dürer-Verführer, 116f. Interessante Bemerkungen in Blümle: Der allgegenwärtige Blick, 409-430.
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künstlerischen Leistung Dürers tritt seine Sonderstellung in der deutschen Kunst deutlich zutage. Er ist der einzige, der die spätmittelalterliche und antike Auffassung des Gerechtigkeitsschemas zu einem erschütternden Bildgesicht seiner eigensten Prägung zu verschmelzen weiß“.4 Obwohl dieser Sol Iustitiae-Stich noch nicht vollgültig in die Reihe der ausdrücklich philosophierenden Stücke aufgenommen werden darf, zeigt dieses Werk deutliche Aspekte der Dürerschen philosophischen Chiffre: Es ist im echten Sinne systematisch, da es „in Verbindung mit einer äußerst komplexen Ikonographie, die heidnisch-antike, astrologische, christliche und juridische Bezüge aufweist“ 5 steht – und somit diese Bezüge ‚zusammenbringt‘ (wie es der Begriff „System“ im Altgriechischen ursprünglich meint). Ferner zeigt es bereits „eine zentrierte Vertikalität, die das Bild in zwei Hälften teilt“,6 und dies wurde bereits an den Dürerschen philosophischen Bildern im engen Sinne festgestellt.7 Durch die Lenkung der Blicke des Löwen und des Sol-Richters wird bereits eine bildliche Reflexion über die Gerechtigkeit und die Rolle des Richters angebahnt: Der Löwe blickt den Betrachter grimmig an, da ihm Macht und Gewalt der Strafe gehört; hingegen lenkt der Richter, metaphorisch auf dieser Macht sitzend, den Blick ab, weil die Gerechtigkeit niemandem ins Gesicht schaut, ausgenommen Gott selbst. Empfängt doch der Richter seine Richtung von Gott. Wie Panofsky in diesem Zusammenhang einmal bemerkte, wurde in der spätantiken Tradition der Festtag der Sonne ausgerechnet am 25. Dezember gefeiert, dem Tag der Geburt Christi; es handelt sich um eine enge Analogie zwischen Sonne und Christus, welche in dem 1489 von Anton Koberger gedruckten Repertorim morale des Benedektiners Petrus Berchorius so formuliert wird: „Wie die Sonne am heissesten ist, wenn sie in der Mitte des Himmels steht, im Zenit, so auch Christus, wenn er inmitten des Himmels und der Erden im Gericht erscheinen wird […] wie die Sonne im Sommer, wenn sie im Löwen steht, die Pflanzen verbrennt […], so wird Christus in der Hitze des Gerichts erscheinen als ein grimmiger und löwengleicher Mann und die Sünder verwelken lassen“.8
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Würtenberger: Albrecht Dürer, 21f. Blümle: Blick des Richters, 411. Ebd. 410. Siehe Kap. 7 in der vorliegenden Untersuchung. Blümle: Blick des Richters, 413. Zu dieser Thematik gab es derzeit auch in Italien gleichlautende Überlegungen. So schrieb Ficino einen Traktat De sole, der auch den
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Die Gelegenheit zum ausdrücklichen Philosophieren ergab sich für Dürer ungefähr gleichzeitig mit der Sol Iustitiae. Die Begegnung bzw. intensive Zusammenarbeit und Freundschaft mit Konrad Celtis hatte dabei eine ganz spezielle Bedeutung, weil sie zur gemeinsamen Debatte philosophischer Themen und zum Projekt für das an anderer Stelle in dieser Arbeit kommentierte Philosophia-Titelblatt führte.9 Dabei war Dürer von den Richtlinien von Celtis selbst und von der Beschreibung der Personifizierung der Philosophie durch Boethius geleitet. Bei der Ausführung seines Selbstporträts von 1500 ging es nicht mehr um eine Auftragsarbeit, wie dies die Philosophia war, sondern um ein frei durchdachtes Kunstwerk, dem der Maler ohne Zweifel große Bedeutung beimaß und in dem er ausdrücklich über seine Kunst reflektiert. Man erkennt den vielfachen und vielschichtigen Einfluss des Cusanischen Denkens und insbesondere der Schrift De visione Dei, ohne dass jedoch einzelne Teile des Bildes dem Gedankengang des Philosophen parallel bzw. assoziativ laufen, wie es bei der Ausführung der Philosophia der Fall war. Insofern ist Dürers Auseinandersetzung mit dem überlieferten Gedankengut freier und selbständiger geworden. Die zweite Etappe wird durch Adam und Eva repräsentiert. Hier misst sich der Nürnberger Meister mit dem italienischen „Formgefühl“, zumindest was die Ausführung der nackten Körper betrifft. Nach Wölfflin schuf Dürer ausnahmsweise eine Zeichnung nach dem italienischen Stil: „Es ist wahr, ein Blatt wie Dürers Zeichnung zum Adam-und-EvaStich von 1504 sieht ganz italienisch aus: Figuren mit sprechendem Umriß, in dem das ganze Motiv schon offenbar wird, rhythmischgeschlossene Silhouetten, die dem Auge leicht eingehen, aber wie vereinzelt steht doch ein solcher Stil in der deutschen Kunst da! […] Wie wenig findet sich bei Dürer selber, was in gleicher Fährte läuft!“.10 In der Nemesis von ca. 1501-1502 verband der Künstler bereits beide Themen: die ausdrückliche Reflexion des eigenen Kunstschaffen und die Auseinandersetzung mit der Kunst der Italiener.11 Dabei ist keine sonst in Worten formulierte Philosophie mehr leitend oder im Hintergrund zu erkennen. Ästhetische und geschichtliche Motive bereichern zudem den Duktus der philosophischen Gedanken.
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heidnischen Sonnengott mit dem christlichen Gott unter Rekurs auf den neuplatonischen Kaiser Julian und dessen Schrift über „König Sonne“ in Zusammenhang bringt. Siehe Kap. 3 in der vorliegenden Arbeit. Wölfflin: Italien und das deutsche Formgefühl, 76. Siehe Kap. 6 in der vorliegenden Studie.
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Die drei großen „Meisterstiche“ der Jahre 1513/1514 markieren eine Art summa philosophica Albrecht Dürers.12 Insbesondere in der Melencolia I überlagern sich viele Reflexionsschichten – man spricht deshalb von einem „Labyrinth der Deutung“ 13 sowie von „Grenzerfahrungen der Ikonographie“ 14 oder im positiven Sinne von einem „Denkbild“,15 das als solches aber ein „Interpretieren ohne Ende“ 16 verlangt – und zugleich die Gegenüberstellung mit mehreren Gedankenrichtungen der eigenen wie auch der vergangenen Epochen. Man nimmt auch die Reflexion über die Wissenschaft, über die Technik, über die conditio humana und selbst über den Anfang des Philosophierens wahr, die diese Erfindung ermöglicht. In Verbindung mit den beiden übrigen Meisterstichen derselben Jahre spitzt sich seitdem in Dürers Denken die Frage nach der Gerechtigkeit zu und gewinnt zugleich eine dominante Rolle. Seine höchste Präzision und seine Klimax erreicht die Dürersche Behandlung des ethischen Themas in der sogenannten „Bauernsäule“,17 bei welcher der Sparsamkeit des Zeichens und der Form umgekehrt ein steigender Gedankenreichtum und eine höchste Dringlichkeit der Fragestellung entsprechen. Parallel zu der hier kurz skizzierten Phänomenologie des philosophischen Werdegangs Albrecht Dürers mischt bzw. verflicht sich mit ihm auch das allumfassende Motiv der Gerechtigkeit. In der Philosophia ist dabei noch ein äußerlicher Begriff von Gerechtigkeit im Sinne der genauen Entsprechung von Teilen des Amores-Buches und den entsprechenden Teilen im Titelblatt wirksam. Dieses Verständnis von Gerechtigkeit erfährt im Münchener Selbstbildnis von 1500 eine neue starke Dimension durch den strengen Bezug auf Gott in der Person des Christus: „Gerecht“ ist in erster Linie die imitatio Christi und dasjenige, was durch diese ermöglicht wird. Zwar enthält die Nachahmung (imitatio) noch den Gedanken der ‚Richtigkeit‘ im Sinne der Übereinstimmung. Sie wird jedoch im wahren Sinne des Wortes durch den Genitiv ‚Christi‘ aufgehoben und dadurch dynamisiert. Die Gottähnlichkeit ist und bleibt nur als Annäherung wie in der Cusanischen Lehre der docta ignorantia möglich.
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Ebd., Kap 8. Böhme: Albrecht Dürer, Melencolia I. Büchsel: Albrecht Dürers Stich, 45. Schuster: Melencolia I; mit Verweis auf Walther Benjamin vgl. rezent Cuozzo: Nikolaus von Kues und Albrecht Dürer, 364. Büchsel: Albrecht Dürers Stich, 193. Siehe Kap. 9 in der vorliegenden Arbeit.
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Ferner wird die imitative Kunst, mit der sich der Maler porträtiert, provokativ identisch mit der Besinnung über die Gerechtigkeit Gottes als Ursprung jeder sinnvollen imitatio. Das Wort Nemesis lässt von selbst an ein gerechtes Verfahren denken. Die Grundfrage dieses Blattes kann auch so formuliert werden: Wie wird die deutsche – und insbesondere die Dürersche – Kunst der italienischen ars ‚gerecht‘? Damit gewinnt Gerechtigkeit eine weitere Bedeutung, und zwar im Sinne: auf der Höhe von etwas sein. Diese Bedeutung implizierte bereits das Münchner Selbstbildnis. Hier wird jedoch die Frage erst thematisch gestellt im Sinne des Gelingens eines Gleichgewichts. Seit 1509 saß der Maler als „Genannter“ im Großen Rat seiner Vaterstadt.18 Durch dieses Amt hatte er Zutritt zur Herrentrinkstube, in der die Mitglieder der ratsfähigen Geschlechter, Großkaufleute und der umliegende Landadel (Patriziat) verkehrten. „Genannte“ wie Dürer führten ein eigenes Siegel. Sie konnten Urkunden, etwa Testamente, bestätigen. In Abständen entschieden sie mit über die Zusammensetzung des Inneren Rates mit 34 patrizischen Ratsherren, dem eigentlichen Stadtregiment. Als „Genannter“ wurde Dürer in den meisten die Bau- und Bildkünste betreffenden Angelegenheiten gutachterlich tätig. Wenn nicht de jure , so doch de facto, bekleidete Dürer die spätere Position eines Stadtmalers. Er entwarf neue Münzen für die Reichsstadt Nürnberg, schuf den Titelholzschnitt für die „Reformation“, das städtische Gesetzbuch.19 Die Melencolia I kann mit einem gewissen Recht ganz von der Perspektive der Gerechtigkeit her gelesen werden, so vielschichtig wird in diesem Holzschnitt die Fragestellung des Rechts durchgeführt, auch wenn es natürlich weitere Gesichtspunkte gibt, von denen her sich das Blatt erschließt. Ebenso im Reuter als „miles christianus“ im Sinne von Erasmus und im Hieronymus ist die Gerechtigkeitsfrage zweifellos zentral. Hieronymus ist fraglos ein Übersetzer. Ihm geht es also um die Richtigkeit der translatio. Da es sich aber um die Übertragung des göttlichen Wortes handelt, ist seine Hand von dem Allmächtigen geführt (manuductio),20 was sich in der wohlgeordneten Atmosphäre um den Heiligen niederschlägt: Der Einklang mit sich und mit Gott ist die vollkommenste Gerechtigkeit. In einem Aufsatz zum Melancholie-Kupferstich hat Elfriede Scheil die verschiedenen Motive untersucht, die Dürer mit diesem Thema in Berührung geführt haben könnten und bemerkt, wie „sich bei näherer Betrachtung von Dürers Kupferstich Melencolia § I alle darin enthaltenen 18 19 20
Zu diesem Aspekt vgl. Zitzlsperger: Dürers Pelz, 55-62. Vgl. Mende: Der Alte Dürer, 103-114, Eser: Reformation der Stadt Nürnberg, Nr. 16. In: Heilige und Hasen, 74; Filippi: Umanesimo, 204f. Ähnlich verhielt es sich bei dem Heiligen Lukas-Maler.
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Zehntes Kapitel
Gegenstände als Sinnbilder für Recht und Rechtsordnung erweisen“.21 Sie versteht daher die geflügelte Frauengestalt als eine Justitia, die in der griechischen Mythologie (!"#$) als letzte auf Erden lebende Göttin traurig und deswegen melancholisch wurde: „Sie floh zum Himmel, von wo sie seitdem des Nachts als Jungfrau mit der Waage auf die Menschheit herniederblickt“.22 Da die Römer sie als „Fortuna“ verstanden – was hier die Melancholiefigur sehr eng mit der Nemesis verbinden würde – und diese streng auf Ordnung und Gerechtigkeit achtete, erhielt sie neben der Waage „auch Zirkel und Lineal als Attribute beigegeben [...] die als ordnende Werkzeuge in Architektur und Bauhandwerk gebraucht wurden“.23 Dass nach Dürers Behauptung die Schlüssel „Gewalt“ bedeuten, wird in diesem Sinne als eine Bestätigung intendiert: „Gewalt (abgeleitet von ‚walten‘) – das ist für Dürer ohne Zweifel der Rechtsbegriff“.24 So versteht sich auch das Jupiterquadrat, da der Schirmherr von Recht und Sitte kein anderer als Jupiter war. Angelpunkt von Scheils Auslegung ist die Interpretation des Zeichens zwischen den Wörtern „Melencolia“ und „I“ als „ein klares und deutliches Paragraphenzeichen (§)“.25 Was Lage und Tätigkeit des Putto betrifft, so habe ich bereits im siebten Kapitel zur Melencolia Scheils Deutung für einleuchtend geschildert. Ihre Deutung des Kupferstichs am Leitfaden der Gerechtigkeit halte ich für vollkommen vereinbar mit der Deutung des Blattes, die in der vorliegenden Arbeit versucht wurde: Die geflügelte Frauenfigur ist kein Symbol, sondern steht für die conditio humana. Ihr entspricht eine Mannigfaltigkeit von Seinsweisen, unter ihnen und auf ausgeprägte Weise die Gerechtigkeit, die bei Dürer zweifelsfrei eine zentrale Rolle spielt. In den 20er Jahren des 16. Jhs. durchlebte dann der große Künstler aus Nürnberg – wie auch seine Mitbürger – eine schreckliche Zeit mit den Folgen der sich vehement entwickelnden Reformation in Deutschland. Seine Überlegungen zur Gerechtigkeit werden häufiger und wirken intensiviert. Auf dem Wappen der Stadt, das er damals im Auftrag anfertigte, erhält die Gerechtigkeit eine bedeutende Zugabe. Auf dem neben zwei allegorischen Frauengestalten hängenden Täfelchen prangt die Inschrift „SANCTA IVSTICIA 1521“.
21 22 23 24 25
Scheil: Albrecht Dürers Melencolia § I, 203. Ebd., 204. Ebd. Ebd., 208. Ebd., 210.
Der ewige Kampf des Maßes mit der Maßlosigkeit
229
Die Gerechtigkeit einer Stadt ist eine vollkommen menschliche Sache. „Sancta“ ist hier die „Ivsticia“, weil sie sich – immerhin Handlung und Eigenschaft des Menschen – so weit wie möglich dem Göttlichen annähert.26 Auch das große Gemälde mit den Vier Aposteln wurde von Dürer 1526 für das Rathaus der Stadt Nürnberg ausgeführt: „Die vier Apostel sind ein politisches Lied, sie greifen in den Streit der religiösen und sozialen Meinungen aktiv ein“.27 In dieser schweren Zeit – jene Phase, in der Dürers „Bauernsäule“ entsteht – versprechen diese übergroßen Gestalten mit ihrer imposanten Erscheinung, dass die Gerechtigkeit Gottes unverkennbar da ist, niedergeschrieben in einem festen Buch, das – in guten Händen aufbewahrt und von starken Händen aufgeschlagen – die Macht über alles enthält, wie die Machtsymbole Schwert und Schlüssel andeuten. Sein Leben lang versuchte Albrecht Dürer, der Kunst gerecht zu werden. Das war für ihn das Ziel eines jeden Künstlers, wie er wiederholt in seinen theoretischen Schriften behauptete. Eine erste Weise des Gerechtwerdens ist Richtigkeit im Sinne der Genauigkeit der Darstellung, das Sosein in seiner haecceitas wiederzugeben. Doch soll sich dies in ein höheres System vom verum, bonum und pulchrum einfügen, um es in der Sprache der Scholastik auszudrücken. 28 Der Ausdruck ist freilich berechtigt, wenn man bedenkt, dass für Dürer die Quelle der Wahrheit, Güte und Schönheit ausschließlich bei Gott (für den menschlichen Verstand bei Christus) liegt. Die gesamte künstlerische Tätigkeit Albrecht Dürers sowie dasjenige, was er darüber hinaus leistete – etwa als Philosoph – bewegen sich zwischen diesen beiden Polen. Hier steckt also das Geheimnis eines möglichen Gerechtwerdens gegenüber der Kunst. Dabei hat das „Rechte“ eine entscheidende Rolle, denn in beiden Fällen – sei es nur Richtigkeit der Darstellung (Maß als mensura) oder rechtes Denken, Tun und Handeln (Maß als Überwindung der Vermessenheit) – geht es immer wieder um ein ‚Rechtes‘. Deshalb ist die Frage nach dem Rechten (bzw. rechten Maß) „in allen dingen, sitlichen vnd natürlichen“, wie es Dürer selbst nennt, die entscheidende Frage in der Sache eines möglichen Gerechtwerdens gegenüber der Kunst.
26 27 28
Die Debatte um neue Regeln in der gesellschaftlichen Ordnung stand damals hoch im Kurs, wie zahlreiche Studien bestätigen. Waetzold: Dürer und seine Zeit, 242. Wenngleich die Trias von verum, bonum, pulchrum als Trias noch nicht in der Scholastik zur Blüte gelangte, so gehört doch auch das pulchrum zu den Transzendentalien und zwar nicht zuletzt durch den Einfluss des Corpus Dionysiacum.
230
Zehntes Kapitel
Allerdings besteht das fundamentale Gerechtwerden gegenüber der Kunst darin, dass die Besinnung auf die Kunst mit den ureigenen Mitteln der Kunst erfolgt und nicht etwa auf außerkünstlerischen Wegen, welches implizieren würde, es sei nicht gelungen, mit der Kunst selbst die Kunst zu bedenken (und also die Kunst selbst künstlerisch zu thematisieren). Wo diese künstlerische Besinnung erfolgt – und das heißt in den ausdrücklich philosophischen Bildern, die das eigentliche Thema dieser Arbeit sind – waltet eine grundsätzliche Identität von Gegenstand, Methode und Ziel. Das „Was“, das „Wodurch“ und das „Wozu“ des künstlerischen Handelns fallen zusammen. Genau darin besteht letzten Endes das Wesen einer Philosophie durch Bilder bei Albrecht Dürer.
Orts- und Personenverzeichnis Ortsverzeichnis A Alpen, 22, 51, 74, 127, 143, 145, 150 Alte Pinakothek, München, 20, 78, 100, 203 Antwerpen, 52, 132 Athen, 43f., 71, 128 B Bamberg, 69 Basel, 69f. Berlin, 58, 109f., 110, 124, 181 Boston, 42 Brügge, 52 Brüssel, 54 Burg Säben, 145 C Careggi, 63 D Deutschland, 18, 23, 63f, 68, 75, 94, 145, 150, 187, 215, 228 E Eisacktal, 145 England, 52 F Figline Valdarno, 63 Florenz, 18, 55, 101, 142 Frankenhausen, 27, 33, 49 G Gent, 52, 66 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, 126, 164
Griechenland, 80, 82 I Italien, 19, 63f., 66, 74, 95, 145, 149f., 224f. J Jerusalem, 123, 192 K Klarissenkloster, Nürnberg, 69f. Klausen, 145 Kroatien, 145 M Madrid, 126 Mainz, 69 Metropolitan Museum of Art, New York, 125 München, 29, 63, 83, 93, 101, 123, 136, 141, 154, 203, 226 Musée du Louvre, Paris, 42 Museum of Fine Arts, Boston, 42 N New York, 125, 129 Niederlande, 95, 164 Nürnberg, 19, 21-24, 26, 28, 32, 63, 65, 67-75, 77, 78, 87, 91, 93, 96-99, 102, 111, 118, 126ff., 135, 150f., 156, 158, 161, 164, 172, 178, 188, 191, 194, 205, 213, 215f, 221, 223, 225, 227ff. P Padua, 63, 156, 192 Palazzo Pubblico, Siena, 44 Paris, 42 Pegnitz, 68
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Personenverzeichnis R Rhodos, 42 Rom, 31, 65, 71, 78, 126, 143, 216 S Sankt Bavo, Gent, 66 Sankt Nikolaus, Trogir, 145 Sankt Sebald, Nürnberg, 118 Siena, 44 Straßburg, 77, 124 T Tegernsee, 36, 103, 117 Thyssen-Bornemisza, Sammlung, Madrid, 126 Trogir, 145 Turin, 145 U Urbino, 52 V Venedig, 63, 65, 72, 78, 99, 126, 192 W Wittenberg, 119, 134
A Adel, Kurt, 111 Agthe-Natter, Marion, 92 Alanus ab Insulis, 50, 143 Alberti, Leon Battista, 28, 38f., 51, 53f., 100, 102f., 106, 122, 134 Albertini, Tamara, 71f. Alciatus, Andreas (Alciati), 145 Ambuel, David, 17, 39 Andersson, Christiane, 70 André, João Maria, 217 Anzelewsky, Fedja, 23, 25, 70, 84, 100, 145 Apelles, 42, 59, 69, 81, 84, 88, 90f., 93, 96f., 101, 127f., 130f., 137, 145, 150f. Appuhn-Radtke, Sibylle, 143 Aquin, Thomas von (Tommaso d’Aquino), 52, 67, 120 Aristoteles, 22, 25, 43, 63, 71, 82, 84, 99, 134, 138, 157, 160f, 166f., 196f., 218 Arndt, Karl, 68 Arnold, Klaus, 64 Asemissen, Hermann Ulrich, 91 Aurel, Marc, 153, 192 Axworthy, Angela, 72 B Bachmann, Michael, 187 Baltrušaitis, Jurgis, 92 Bätschmann, Oskar, 42, 130 Barbieri, Giuseppe, 39, 211 Barkan, Leonard, 93 Barker, Emma, 38 Barocchi, Paola, 99 Bashir-Hecht, Herma, 65 Battaglia, Salvatore, 99 Bauer, Barbara, 65
Orts- und Personenverzeichnis
Bax, Marty, 142 Baxandall, Michael, 94 Beierwaltes, Werner, 16, 40, 97, 105, 121, 124, 209 Belting, Hans, 18, 35, 38, 40, 55, 92, 96, 101 Benzing, Josef, 67 Berchorius, Petrus, 224 Berger, Harry, 137 Bergius, Hanne, 156 Bertozzi, Marco, 65, 156f., 159, 162 Bia!ostocki, Jan, 67, 91, 122, 154, 171, 220 Bini, Daniele, 65 Black, John A., 80 Bloch, Ernst, 165 Bloch, Matthias, 210 Blümle, Claudia, 223f. Blum, Elisabeth, 51 Blum, Paul-Richard, 38, 63 Bocken, Inigo, 16, 18, 28, 35, 38, 49f., 55, 67, 71, 87, 92, 98, 100, 108, 114, 117, 129, 136 Böckem, Beate, 93, 99 Boehm, Gottfried, 18, 38, 40, 42 Böhme, Hartmut, 82, 155ff., 175f., 194f., 221, 226 Boethius (Anicius Manlius S. Boethius), 50. 75ff, 159, 225 Bonnet, Anne-Marie, 25, 61f., 88, 101, 141, 150, 154, 178f., 211f. Bonomus, Franciscus, 83 Borsche, Tilman, 16, 18, 28, 38, 60, 96, 119, 129 Bovillus, Carolus, 16, 71ff., 122, 144, 168, 171f. Brahe, Tycho, 157 Brandt, Reinhard, 17f., 43ff. Brant, Sebastian, 70, 77, 81, 110, 143 Bredow, Gerda von, 36, 103, 208
233
Brötje, Michael, 17 Brosseder, Claudia, 65 Bruegel, Pieter, 27 Bruni, Leonardo, 64 Bruno, Giordano, 18, 38, 65, 74, 128 Bryl, Marius, 17 Buber, Martin, 55 Büchsel, Martin, 157, 159, 226 Büttner, Frank, 21, 75 C Calabrese, Omar, 91 Campanella, Tommaso, 38 Cao, Gian Mario, 63 Capella, Martianus, 76f., 82, 175 Carvajal, Juan de, 64 Casarella, Peter J., 121 Cassirer, Ernst, 71 Castelli, Enrico, 66 Celtis, Konrad, 18, 20-24, 32, 39, 46, 64, 67f., 72-77, 79ff., 83f., 87, 92f., 96, 98, 111f., 117, 127f., 153, 166f., 176, 180, 198, 200, 225 Cescutti, Eva, 70 Chastel, André, 91 Chaunu, Pierre, 30 Chios, Ion von, 144 Cicero, Marcus Tullius, 64, 82, 159, 178 Cieri Via, Claudia, 197 Ciliberto, Michele, 74 Coakley, Sarah, 121 Cochläus, Johannes, 31f. Colleoni, Bartolomeo, 192 Credi, Lorenzo di (Lorenzo di Andrea d’Oderigo), 52 Cuozzo, Gianluca, 28f., 55, 98, 102, 171ff., 202, 209, 226 Curtis, David, 68
234
Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Cusanus, Nicolaus (! Kues, Nikolaus von)
Etzlaub, Erhard, 32 Euklid von Alexandria, 72, 163 Euler, Walter Andreas, 209, 218
D Dahm, Albert, 218 Dalferth, Ingolf U., 18 D’Amico, Claudia, 40, 206 Damisch, Hubert, 53, 101 Danhauser, Peter, 191 Da Vinci, Leonardo, 45, 215f. De’ Barbari, Jacopo, 25, 93, 99f., 150, 177 Deichstetter, Georg, 69 Del Ceraiuolo, Antonio, 52 Della Francesca, Piero (Pietro di Benedetto dei Franceschi), 51, 53 Della Mirandola, Giovanni Francesco Pico, 38, 63, 78 De’ Medici, Cosimo, 99, 142 Demele, Christine, 67, 109f., 122, 157 Didi-Hubermann, Georges, 122 Di Stefano, Elisabetta, 38 Dittscheid, Hans-Christoph, 92, 94, 101 Donatello (Donato di Niccolò di Betto Bardi), 192 Duclow, Donald F., 121 Dürer, Albrecht, 1-230, passim Dupré, Wilhelm, 36, 60, 117, 206, 217
F Faivre, Antoine, 157 Fara, Giovanni M., 142 Fastert, Sabine, 79, 131, 134, 203 Febvre, Lucien, 110 Fehl, Philipp P., 130, 155, 200 Ferrari, Simone, 99 Ficino, Marsilio, 63, 65ff., 69, 106, 122, 156, 159, 161f., 224 Filippi, Elena, 26, 32, 37, 59, 64, 67, 71, 92, 94, 96, 98, 100, 105f., 110, 115, 123, 130, 133, 149, 154, 156, 172, 192, 206, 211, 214-219, 221, 227 Finaldi, Giorgio, 95 Flasch, Kurt, 16, 60, 113, 218 Florenskij, Pavel, 101 Fraenger, Wilhelm, 219 Freedberg, David, 38 Fricke, Beate, 62, 217 Fridolin, Stephan, 69f. Frings, Marcus, 219 Fritz, Helmut, 23 Fuchs, Franz, 70, 77 Füllner, Rosemarie, 21 Fürer, Christoph, 68 Fürer, Sigmund, 68 Füssel, Stephan, 28
E Ebner, Ferdinand, 55 Ebner, Hieronymus, 68 Eckert,Willibald Paul, 65 Eisenkopf, Anke, 36, 66, 117 Erasmus von Rotterdam, 91, 130, 132, 180, 190ff. Eser, Thomas, 17, 20, 46, 65, 83, 87, 130, 227
G Gadamer, Hans Georg, 50 Gadebusch Bondio, Mariacarla, 127f. Gaier, Ulrich, 81 Gaius Plinius d.Ä., 42 Gandersheim, Roswitha von, 79 Gandillac, Maurice de, 103 Gauricus, Pomponius, 130f.
Orts- und Personenverzeichnis
Gaus, Joachim, 89 Gebwiler, Hieronymus, 77 Gelbmann, Gerhard, 209 Ghiberti, Lorenzo, 44 Giehlow, Karl, 65, 142 Giorgione (Giorgio od. Zorzo da Castelfranco), 43f. Glaap, Oliver, 217 Gohr, Siegfried, 125f. Goldberg, Gisela, 78, 89, 94 Goldschmidt, Ernst Philip, 66 Gormans, Andreas, 125, 129, 137 Grave, Johannes, 15 Grebe, Anja, 81, 93, 155, 161 Green, Dennis Howard, 142 Griener, Pascal, 42, 130 Grote, Ludwig, 88 Grotz, Stephan, 92 H Haas, Alois Maria, 209 Hamm, Berndt, 68 Harries, Karsten, 101 Hartlaub, Gustav F., 44, 92 Hasler, Stefan, 98, 156 Haug, Walter, 121 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, 18, 23, 25, 196 Heimberg, Bruno, 78, 89, 94 Heimeran, Ernst, 109 Heinz, Stefan, 20 Heitzer, Elisabeth, 157 Helas, Philine, 94f., 144 Herakles, 81 Herbert, Ioana Manuela, 22 Herder, Johann Gottfried, 147 Herold, Norbert, 57, 60, 123 Herzner, Volker, 66 Hess, Daniel, 70, 92, 97, 101, 115, 123 Hess, Ursula, 69 Hessus, Helius Eobanus, 127f.
235
Hilberer, Lydia, 61, 67f., 141, 169 Hinz, Berthold, 142, 148, 178, 211 Hippo, Augustinus von, 18, 60, 83, 159, 198 Hirschberger, Johannes, 206 Hirschi, Caspar, 32 Hirschvogel, Marcus, 118 Hochfeder, Caspar, 191 Holländer, Hans, 146 Hollstein, Friedrich W. H., 130, 186 Holzberg, Niklas von, 65 Holzschuher, Hieronymus, 68 Hoppmann, Jürgen G. H., 65 Horst, Robert, 175 Hoye, William J. , 121, 211 I Imhoff, Christoph von Irle, Klaus, 93
, 65
J Janitsch, Julius, 110 Jaspers, Karl, 45f. Jirí, Fajt, 118 Jürgens, Klaus H., 101, 117, 120 Jurkowlaniec, Gra"yna, 89f., 93 K Kacunko, Slavko, 92 Kandler, Karl-Hermann, 57 Kempen, Thomas von, 191 Kierkegaard, Søren, 45 Klibansky, Raymond, 76, 78, 157, 196 Klinke, Harald, 96 Koberger, Anton, 28, 66, 69f., 156, 224 Konersmann, Ralf, 92, 129 Koerner, Joseph Leo, 17, 23, 73, 92ff., 97, 103, 125ff., 130, 137f. Kopp-Schmidt, Gabriele, 88, 93,
236
Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
101 Koschatzky, Walther, 155 Kremer, Klaus, 53, 119 Krieger, Gerhard , 208 Krischel, Roland , 95 Kristeller, Paul Oskar, 67 Krüger, Klaus, 35 Krüger, Manfred, 124, 177, 179f. Krüger, Peter, 215 Kruse, Christiane, 36f., 42, 58f., 92, 96 Kügler, Joachim, 71 Kues, Nikolaus von (Nicolaus Cusanus), 1-230, passim L Laertius, Diogenes, 41 Landsberg, Herrad von, 77 Laskaris, Konstantinos, 83 Lassnig, Ewald, 24, 64, 66, 72ff., 168, 170, 172f. Lee, Rensselaer W., 42 Leinkauf, Thomas, 16, 38, 41, 46f, 55ff., 60, 69, 74, 100, 105, 116, 129 Leinz-von Dessauer, Antonie, 188 Leopardi, Giacomo, 19 Leuker, Tobias, 156, 165, 173 Lipowsky, Katrin, 18 Löchte, Anne, 147 Lorenzetti, Ambrogio, 44 Lüdemann, Peter, 42 Luh, Peter, 21, 76, 80, 83 Luther, Martin, 91, 110, 134f., 206, 219 Lysippos, 144f. M Machetta, Jorge M., 107, 113f., 121, 207 Machilek, Franz, 69 Magnus, Albertus, 21, 78, 80f.
Mai, Ekkehard, 93 Mainberger, Sabine, 42 Mandrella, Isabell, 36, 60, 64, 66, 92, 177, 207, 218 Mansfield, Elizabeth C., 93 Manutius, Aldus (Aldo Manuzio), 63, 65, 83 Margolin, Jean-Claude, 72 Marschke, Stefanie, 91 Maximilian I., Kaiser, 26, 65, 99 Mayer, Ernst Theodor, 109 McGinn, Bernard, 217 Meier-Oeser, Stephan, 63, 73f. Meister Eckhart, 120, 183, 209 Melanchthon, Philipp, 23ff., 65, 119f., 131, 133ff., 146, 169f. Mende, Matthias, 30f., 49, 75, 118, 131, 142, 181, 215, 220f., 223, 227 Metsys, Quentin, 132 Meyer, Torsten, 41 Meyer, Ursula, 206 Mittig, Hans-Ernst, 213, 220 Moeller, Bernd, 68 Mojsisch, Burkhard, 210 Moly Feo, Giuditta, 207 Morello, Giovanni, 95 Most, Glenn W., 43 Mouroutsou, Georgia, 17 Morus, Thomas, 38 Müller, Jürgen, 27 Müller, Matthias, 93 Müller-Jancke, Wolf-Dieter, 65 Münch, Birgit Ulrike, 72f., 102 Müntzer, Thomas, 217 Münzer, Hieronymus, 66 N Naredi-Rainer, Paul, 77 Neher, Allister, 219 Nettesheim, Heinrich Cornelius
Orts- und Personenverzeichnis
Agrippa von, 123, 157ff., 161ff., 215ff. Neuber, Simone, 17 Nützel, Kaspar, 68
O Ockham, Wilhelm von, 52f. Oesinghaus, Sebastian, 223 Offenbacher, Emile, 65, 67 P Pacioli, Luca, 25 Panofsky, Erwin, 40, 76, 78, 81, 87, 104, 131, 142, 146, 157, 159, 161, 163, 196, 218f., 223f. Papst Julius II., 65 (! Julius II, Papst) Peres, Constanze, 93 Peucer, Kaspar, 24, 170 Peypus, Friedrich, 73 Pfeiffer, Gerhard, 68, 105 Pfisterer, Ulrich, 37, 75, 90f., 93 Pfotenhauer, Helmut, 42 Phidias, 84, 91, 127f, 142, 145, 150f. Piccolomini, Enea Silvio (Papst Pius II.), 65 Pigafetta, Giorgio, 186 Pinder, Ulrich, 64, 72ff., 102, 128, 159, 172 Pirckheimer, Caritas, 69, 77 Pirckheimer, Franz, 63 Pirckheimer, Georg, 191 Pirckheimer, Willibald, 23f., 26, 32, 63-68, 70, 78, 80f., 83, 90, 96, 128, 131, 133f., 156, 159, 169, 211, 221 Pirckheimer, Thomas, 63f. Platon, 17f, 24f., 27f., 39ff., 44f, 63, 67, 69, 80ff., 106, 115, 128, 159f., 187, 193, 197
237
Pleydenwurff, Wilhelm, 70, Plinius der Ältere, 42, 93, 130f. Plotin, 18, 40f. Pochat, Götz, 44 Poliziano, Angelo, 99, 142 Polyklet, 143 Pomian, Krzysztof, 65 Pomponazzi, Pietro, 38 Poseidippos, 145 Preimesberger, Rudolf, 35, 90, 94, 100, 104, 115, 131ff. Preising, Dagmar, 135 Price, David Hotchkiss, 18, 68, 159 Protagoras, 218 Protogenes, 42, 59 Ptolomäus, 82 R Rabil, Albert Jr., 66 Radke, Gyburg, 39, 82, 143 Raffael (Raffaello Sanzio), 43f., 98, 156, 216 Raimondi, Marcantonio, 155 Rebel, Ernst, 18, 21, 68ff., 79, 91ff., 96, 101, 110, 125, 131, 134, 136, 147, 151, 163, 175, 218 Regiomontanus (Johannes Müller aus Königsberg; Johannes de Monteregio), 156, 157 Reinhardt, Klaus, 107, 112ff., 121, 207, 209 Reisch, Georg, 21 Reißer, Ulrich, 79 Rembrandt (Rembrandt Harmenszoon van Rijn), 43 Renz, Ursula, 92 Reske, Christoph, 66 Reuchlin, Johannes, 159 Rhein, Günter Frank, 65 Ricklin, Thomas, 128
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Riedenauer, Marcus, 53 Ríos, José González, 121 Ripa, Cesare, 145 Robert, Jörg, 18, 21, 23, 39, 75f., 80f., 84, 88, 92, 96, 117, 125, 127, 131 Rolin, Nicolas, 42, 57ff., 171 Rosen, Valeska von, 35, 37, 91 Rücker, Elisabeth, 66 Rücklin, Françoise, 30, 156, 166 Rühle, Volker, 171 Rupprich, Hans, 26, 61f., 67, 69, 80, 85, 89, 95, 125, 127, 129, 141, 174, 178, 180, 192, 194, 212f., 215 Rusconi, Cecilia, 117 Ruzika, Anja, 36 Ryan, Lawrence V., 79 S Sachsen, Ludolf von, 73 Sahm, Heike, 25, 211 Sander, Jochen, 59 Sanders, Philip M., 72 Santinello, Giovanni, 114 Saracino, Francesco, 95, 191 Savonarola, Gerolamo, 188 Saxl, Fritz, 76, 78, 157, 196 Schauerte, Thomas, 16, 26f., 32, 65, 70, 77, 81, 126f., 131, 169 Schawe, Martin, 78, 89, 93f., 101 Schedel, Hartmann, 28, 67, 73, 111, 128 Scheil, Elfriede, 83, 164, 173, 194, 198, 206, 227f. Scherbaum, Anna, 31, 49, 75, 131, 142, 215, 220, 223 Scherer, Johanna, 37, 99, 153 Scheurl, Christoph, 68, 90 Schirra, Jörg R. J., 93 Schlie, Heike, 42 Schmeisser, Martin, 217
Schmid, Wolfgang, 70, 155 Schmidt, Sebastian, 20, 93 Schmitt, Arbogast, 31 Schmitt, Charles B., 63, 160 Schneider, Norbert, 39, 49, 100, 211 Schneider, Wolfgang Christian, 19 Schoch, Rainer, 31, 49, 75, 131, 142, 215, 220, 223 Schoen, Christian, 121f., 171, 179, 202f. Schreiber, Peter, 49, 220 Schröder, Karl A., 93, 126f., 142, 181 Schubbach, Arno, 15 Schuster, Peter-Klaus, 17, 62, 71, 77, 82, 127, 135, 147, 159, 163, 165-168, 170, 172, 174ff., 179, 181, 195, 202, 220, 226 Schwaetzer, Harald, 36f., 41, 43, 58, 66f., 92, 98, 100, 107, 113f., 119, 121f., 129, 147, 156, 207, 209 Schweikhart, Gunter, 91 Seebass, Gottfried, 68 Seegets, Petra, 69 Seggern, Birgit von, 186f. Seibert, Anne V., 214 Seneca, 157, 175 Senger, Hans Gerhard, 121 Severino, Emanuele, 19 Sfez, Jocelyne, 72, 123 Silver, Larry, 215 Simon, Holger, 49, 171 Smith, Alistair, 93 Sokrates, 27, 39, 48, 128, 197 Sophokles, 197 Sowa, Hubert, 41 Spanke, Daniel, 96 Spengler, Lazarus, 68 Spitz, Lewis W., 65 Stadler, Michael, 205
Orts- und Personenverzeichnis
Stadlober, Margit, 191 Stallmach, Josef, 121 Stang, Charles M., 121 Staupitz, Johannes von, 68 Sternath, Maria L., 93, 126f., 142 Stoellger, Philipp, 18, 55 Stoichita, Victor I., 37 Strack, Georg, 63f. Straubinger, Felix, 65 Strauss, Walter L., 125 T Tacke, Andreas, 20 Talbot, Charles, 70 Tanaka, Hidemichi, 79 Tasinato, Maria, 145 Telesio, Bernardino, 38 Theissing, Heinrich, 185, 187, 189, 193 Trithemius, Johannes, 64, 73, 122, 159, 162 Thurner, Martin, 60 Todorov, Tzvetan, 50 Trautner, Beate, 65 Treml, Christine, 74 Trismegistus, Hermes, 61 Trithemius, Johannes, 64, 73, 122 Tritz, Sylvie, 97, 120 Tucher, Anton, 68 Tucher, Martin, 68 U Ullmann, Ernst, 39 Unverfehrt, Gerd, 142 V Vaisse, Pierre, 190 Van der Goes, Hugo, 58 Van der Schoot, Albert, 82 Van der Weyden, Rogier, 31, 35ff., 42, 53f., 57f. Van Eyck, Jan, 31, 35, 42, 52f.,
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57–60, 66, 93, 96, 122, 124, 171 Vannier, Marie-Anne, 209 Vasari, Giorgio, 44, 52, 142, 151 Vasoli, Cesare, 66, 69, 162 Velázquez, Diego, 45 Vergil (Publius Vergilius Maro), 82 Veronese, Guarino, 64 Verrocchio, Andrea, 192 Victor, Joseph Michael, 71 Villwock, Ulrike, 135 Vitruv (Marcus Vitruvius Pollio), 24, 26, 51, 87, 100f., 147, 150f., 178, 212, 215ff., 219 Vives, Juan Luis, 38 Vogt, Christine, 135 Vollmann, Rolf, 223 Voss, Wilhelm, 65 W Waetzold, Wilhelm, 229 Wailes, Stephen L., 69 Waldschütz, Erwin, 209 Warburg, Aby, 65, 155 Warnke, Martin, 52 Watts, Pauline Moffitt, 121 Wazbinski, Zygmunt, 171 Webb, Nick, 38 Wels, Volkhard, 65 Welser, Jacob, 68 Wesselski, Albert, 99 Wettengl, Kurt, 93 Willeke, Heike, 77 Wilpert, Paul, 74 Wimböck, Gabriele, 75 Winkler, Friedrich, 72 Winner, Matthias, 173, 199 Winterburger, Johann, 74 Winzinger, Franz, 89, 101 Wittkower, Margot, 157 Wittkower, Rudolf, 157 Wittstock, Antje, 163 Wölfflin, Heinrich, 61, 74, 97,
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
125f., 149, 151, 154, 185, 189, 225 Wörz, Adèle Lorraine, 65 Wolf, Gerhard, 53, 94, 96, 125 Wolgemut, Michael, 70 Woods, Kim, 38 Woods-Marsden, Joanna, 38, 91 Worstbrock, Franz J., 23 Würtenberger, Thomas, 206, 220, 223f. Wuttke, Dieter, 20f., 23, 74, 76, 110, 127, 170 Wyller, Egil A., 106 Y Yamaki, Katsuhiko, 40 Yates, Francis A., 65 Yiu, Yvonne, 122 Z Zambelli, Paola, 157, 159 Zanker, Paul, 27 Zárate, González Jesús M. de, 65 Zeitler, Rudolf, 101 Zerilli, Rosanna, 65f. Zeuxis (Zeuxis von Herakleia), 39, 92 Zeyer, Kirstin, 60 Zilling, Henrieke Maria, 81 Zimmermann, Albert, 82 Zimmermann, Rolf Chr., 157 Zitzlsperger, Philip, 83, 88, 92, 137, 206, 227 Zöllner, Frank, 26, 99, 216 Zschelletzschky, Herbert, 215 Zumkeller, Adolar, 68
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Abb. 13: Meister der Celtis Illustrationen, Norinberga (= fol. m2b-p7b). Aus: Conrad Celtis: Quatuor libri amorum secundum quatuor latera Germanie. Nürnberg. Sodalitas Celtica, 1502. Bildnachweis: Universität Heidelberg, DFG-Projekt: CAMENA-Editionen, in Kooperation mit Rechenzentrum und Bibliothek der Universität Mannheim. Abb. 14: Nürnberg von Süden, 1493, Holzschnitt von Michael Wolgemut aus der Schedelschen Weltchronik, Blatt 99/100. Abb. 15: Albrecht Dürer, Philosophia, um 1500, Titelholzschnitt zu Conrad Celtis’ Quatuor libri. Abb. 16: Philosophia, die Boethius tröstet. Detail. Bildnachweis: Sammelband mit Petrus Comestor, Sermones und der Musica des Johannes, Aldersbach (Kreis Passau), um 1200. München, Bayerische Staatsbibliothek, Inv.-Nr. Cod. lat. 2599. Quelle: Bildindex: Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 102.315. Abb. 17: Philosophia. Detail: Figur. Abb. 18: Miniatur aus Herrad von Landsbergs Hortus deliciarum, zwischen 1176 und 1196. Abb. 19: Anonymer Meister (Südliche Niederlanden): Dyptichon mit Lentulusbrief und Portrait von Christus, ca. 1500. Bildnachweis: Verdon, Timothy (Hg.): Gesù. Il corpo. Il volto nell’arte, Milano: Silvana Editoriale 2010, 220, Nr. 3.11. Abb. 20: Jan van Eyck (alte Kopie nach), Antlitz Christi, 1438. Bildnachweis: Filippi: Umanesimo, 118, Abb. 107. Abb. 21: Albrecht Dürer: Selbstbildnis im Pelzrock. Detail: Augenpartie mit Kreuzfenster in der Iris. Abb. 22: Albrecht Dürer: Selbstbildnis mit Hand und Kissen, 1493. Abb. 23: Albrecht Dürer: Christus unter den Schriftgelehrten, 1506. Detail: Hände. Bildnachweis: Schröder, Karl H. / Sternath, Maria L. (Hgg.): Albrecht Dürer, Ostfildern: Hatje Cantz 2003, 349. Abb. 24: Druckmarke des Valentinus Curio , Hans Holbein d.J. (zug.). Bildnachweis: Müller, Christian (Hg.): Hans Holbein d.J. Die Druckgraphik im Kupferstichkabinett Basel, Basel: Schwabe 1997, Nr. 120. Abb. 25: Albrecht Dürer, Bildnis des Erasmus von Rotterdam, 1526. Bildnachweis: Bildnachweis: Fara: Albrecht Dürer. Originali, 167, Nr. 86. Abb. 26: Quentin Metsys: Medaille des Desiderius Erasmus von Rotterdam, 1519, Cambridge, Fitzwilliam Museum.
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 27: Albrecht Dürer, Nemesis (Das große Glück ), um 1501-1502. Bildnachweis: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 1, München: Prestel 2002, 96, Abb. 33. Abb. 28: Anonymer Meister, Fortuna-Sapientia-Bild, Titelholzschnitt. Aus: Charles de Bovelles, Liber de sapiente, Paris 1510. Abb. 29: Kairós, Römische Reliefkopie. Turin (Italien), Museo di Antichità. Bildnachweis: DAI Rom. Abb. 30: Albrecht Dürer, Melencolia I, 1513. Bildnachweis: Fara, Giovanni M.: Albrecht Dürer. Originali, 128, Nr. 54. Abb. 31: Albrecht Dürer, Melencolia I, Detail: Tafelchen. / Adam und Eva, 1504. Detail: Tafelchen mit Monogramm (links). Abb. 32: Albrecht Dürer, Melencolia I. Detail: Quadratus Iovis. Abb. 33: Albrecht Dürer, Melencolia I. Detail: Komet / Komet aus der Schedelschen Weltchronik, Fol. CLVII. Abb. 34: Albrecht Dürer, Melencolia I. Detail: Gürtel. Bildnachweis: Mayer, Ernst Th.: Melencolia § I – der Angelo terrestre. Dürers 4 Meisterstiche als ‚Vestigia Trinitatis‘, 2008 [Selbstverlag des Verfassers], o.S. Abb. 35: Ursprüngliches Ideal des Dürerschen Polyederkonzeptes, mit Einzeichnung der Figura P und Darstellung ihrer Erkenntnisbereiche. Bildnachweis: Lassnig, Ewald: Dürers „MELENCOLIAI“ und die Erkenntnistheorie bei Ulrich Pinder. In: „Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte“, 57 (2008), 79, Abb. 15. Abb. 36: Albrecht Dürer, Melencolia I. Detail: Balkenwaage. Abb. 37: Albrecht Dürer, Adam und Eva, 1504. Bildnachweis: Fara: Albrecht Dürer. Originali, 44, Nr. 1. Abb. 38: Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, 1513. Bildnachweis: Fara: Albrecht Dürer. Originali, 156, Nr. 77. Abb. 39: Albrecht Dürer, Der Tod und der Landsknecht, 1510. Abb. 40: Albrecht Dürer, Die vier apokalyptischen Reiter, 1498. Aus: Apokalypsis cum figuris. Abb. 41: Albrecht Dürer, Hl. Hieronymus im Gehäuse , 1514. Bildnachweis: Fara: Albrecht Dürer. Originali, 108, Nr. 43. Abb. 42: Albrecht Dürer, Turm mit Musterschrift: „Das wort gotes bleibt ewiglich. Dis wort ist Cristus, aller cristglaubigen heil“. Aus der Underweysung, 1525. Abb. 43: Albrecht Dürer, Sockel der sog. Bauernsäule und erläuternder Text. Buchseite mit dem ersten Teil der Abbildung 16 im 3. Buch der Underweysung der Messung, Nürnberg 1525, Fol. 50r. Abb. 44: „Homo ad quadratum“. Aus Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia, [1510] 1533. Bildnachweis: Digital Collection
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Denken durch Bilder. Albrecht Dürer als „philosophus“
Library of Congress / „Homo ad circulum“ nach Vitruv. Schema aus Zöllner, Frank: Anthropomorphismus – Das Maß des Menschen in der Architektur von Vitruv bis Le Corbusier. In: Neumaier, Otto (Hg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras, Möhnesee: Bibliopolis 2004, 318, Abb. 6. Abb. 45: Proportionsvergleich der „Bauernsäule“ mit dem „homo ad circulum“. Schema: Verfasserin. Bildnachweis: Filippi, Elena: „Ein rechte Maß gibt auch eine gute Gestalt und nit allein im Gemäl“: Dürers Maßverständnis zwischen Theorie, Praxis und Ethik. In: Großmann, Ulrich G. (Hg.): Buchmalerei der Dürerzeit. Dürer und die Mathematik, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum Verlag 2009, 121, Abb. 3. Abb. 46 Albrecht Dürer: Der „traurette baur“ (1525) aus Abb. 6 und Christus als Schmerzensmann auf dem Titelblatt von Dürers Kleiner Holzschnittpassion (1511). Abb. 47: Albrecht Dürer: Die Sonne der Gerechtigkeit (Sol Justitiae), um 1499. Bildnachweis: Herrmann Fiore, Kristina (Hg.): Dürer e l’Italia, Milano: Electa 2007, 149, Nr. II.6.
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