Soda, Teer und Schwefelsäure : Der Weg zur Großchemie 349917720X


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Soda, Teer und Schwefelsäure : Der Weg zur Großchemie
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Zu der Buchreihe «Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik»

Naturwissenschaftliche und technische Gegenstände sind nicht eindeutig, sondern vieldeutig. Ihre humanen, sozial- und geistes­ geschichtlichen Beziehungen zeigen sich nicht in Funktionsbe­ schreibungen. Ebenso sagt die rein fachliche Darstellung der Ge­ schichte von Naturwissenschaft und Technik nichts aus über deren gesellschaftliche, wirtschaftliche und allgemein geistesgeschicht­ liche Voraussetzungen und über die sich ergebenden Konsequen­ zen. Demgegenüber versucht die gemeinsam vom Deutschen Museum und dem Rowohlt Taschenbuch Verlag herausgegebene neue Buchreihe (Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik> auch jene Bezüge, welche die Fachgebiete übergrei­ fen, zu beschreiben und durch Bilder zu veranschaulichen. Die Bände richten sich an Lehrer und Ausbilder; doch sind sie so gestaltet, daß jeder interessierte Laie sie verstehen kann. Es zeigt sich, daß der Weg durch die Geschichte nicht eine zusätzliche Er­ schwerung des Lehr- und Lernstoffes bedeutet, sondern das Ver­ ständnis der modernen Naturwissenschaften und der Technik er­ leichtert.

Dieter Osteroth

Soda, Teer und Schwefelsäure Der Weg zur Großchemie

Deutsches Museum

Rowohlt

ro ro ro

Die Buchreihe zur Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik entstand im Rahmen zweier Projekte am Deutschen Museum, die vom Bun­ desminister für Bildung und Wissenschaft und der Stiftung Volkswagenwerk finanziell unterstützt wurden. Verantwortlich für die Konzeption der Reihe: Bert Heinrich, Friedrich Klemm t, Michael Matthes, Jürgen Teichmann. Die Interpretation der Fakten gibt die Meinung des Autors, nicht die des Deutschen Museums wieder. Redaktion im Deutschen Museum: Bert Heinrich Bildredaktion: Ludvig Vesely Bildrechte: Rolf Gutmann Redaktionsassistentin: Edeltraut Hörndl Diese VeröflentHchung wurde mit Mitteln des Bundesminteters für Bildung und Wissenschaft gefördert

Originalausgabe Umschlagentwurf: Werner Rebhuhn (Ausschnitt aus dem Diorama der Farbenherstellung bei Bayer, Abteilung Technische Chemie, Deutsches Museum. Kleines Bild: Doppelkatalyse-Kontaktanlage zur Gewinnung von Schwefelsäure 1960, Modell im Deutschen Museum) Redaktion: Jürgen Volbeding Layout: Edith Lackmann Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Januar 1985 Copyright © 1985 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg Satz Times (Linotron 202) Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany 1480-ISBN 3 499 17720 X

Inhalt

Einleitung

1. 2. 3. 4. 5.

Die Ursprünge der modernen Technik Die industrielle Revolution Chemische Technik Der Weg zum chemischen Prozeß Ursprünge der chemischen Industrie

Zeittafel l.

D.

7 8 10 11 11 13 15

Der Weg zur anorganischen Großchemie

27

1. Die englische Textilindustrie - Keimzelle der Industriealisierung 2. Soziale Auswirkungen der industriellen Revolution 3. Der Beginn der chemischen Industrie 4. Schwefelsäure 5. Das Leblanc-Verfahren zur Sodaherstellung 6. Die Nebenprodukte der Leblanc-Industrie 7. Die Bedeutung der Leblanc-Industrie

27 30 31 32 36 43 48

Die Anfänge der Kohleveredlung Leuchtgas, Koks, Teer und Ammoniak

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Gaslicht Die trockene Destillation von Kohlen Gaswerk Stahlrohre Koks für Eisenhütten Chemische Produktion schafft Umweltprobleme Moderne Koksöfen Die Gewinnung der Nebenprodukte bei der trockenen Destillation von Steinkohlen

m. Teerchemie

1. 2. 3. 4. 5.

Rohstoffquelle Teer Farbe Drogen und Drogenhandel Umweltskandal Anno 1864 Die Aufarbeitung von Rohteer

51 51 54 54 58 60 63 65

68 71 71 74 74 76 78

6. 7. 8. 9.

Der Schlüssel zum Geheimnis der Farbstoffe Der große Durchbruch Die Teerfarbenfabrik Heilmittel aus Teerprodukten

IV. Die anorganische Industrie der zweiten Generation

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. V.

Solvay contra Leblanc Der Solvay-Prozeß Neue Wege zu Chlor und Alkalilaugen Die Chloralkali-Elektrolyse Die Revolution in der Landwirtschaft Düngemittelindustrie Kontakt-Schwefelsäure Der Chemiegroßbetrieb

Mit Hochdruck ins 20. Jahrhundert

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Die Aufgabe: Stickstoffdünger aus Luft Bosch meistert das Stickstoffproblem Die Haber-Bosch-Synthese Oppau und Leuna Ammonsulfat Salpetersäure Düngemittel-heute Der Ethylen und Acetylen Petrochemie

VI. Mensch-Gesellschaft-Chemie

1. 2. 3. 4. 5.

Mensch und Chemie Die chemische Industrie Menschen in der chemischen Technik Der Chemiker und seine Helfer Chemische Fabrik und Umwelt

87 92 95 100 107 107 111 118 121 127 131 136 145 150 150 153 156 158 160 162 167 168 171 177 184 184 188 204 227 235

VII. Stadien im Deutschen Museum

von G. Probeck Anhang

Literaturverzeichnis Personen- und Sachregister Bildquellen

243

248 248 250 253

Einleitung

Chemie ist die Wissenschaft von den Stoffen und Stoffänderungen; die chemische Technik befaßt sich mit der technischen und wirtschaftlichen Nutzung chemischer Erkenntnisse. Neben der technischen Durchführung von Vorgängen, bei denen stoffliche Umwandlungen stattfinden, spielt die Gewinnung chemisch reiner Verbindungen aus Stoffgemischen eine sehr große Rolle; ein Beispiel hierfür ist die Isolierung von Zucker aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben. Die Anfänge chemisch-technischer Betätigung reichen weit in die Ge­ schichte zurück, und das ist leicht verständlich: Besteht doch der Zweck dieser Tätigkeit darin, mineralische, pflanzliche und tierische Rohstoffe so umzuwandeln, daß sie dem Menschen für seine Ernährung, Beklei­ dung sowie insgesamt für die Sicherung seiner Existenz in einer ihm ursprünglich feindlichen Umgebung dienen können. Backen von Brot, Bereitung von Bier und Wein, Herstellung von Tonziegeln, Glas und ke­ ramischen Erzeugnissen, Metallgewinnung zur Herstellung von Geräten, Waffen und Schmuck, Bleichen und Färben tierischer und pflanzlicher Fasern oder das Sieden von Seife sind Beispiele, die umfangreiche, empi­ risch gewonnene Kenntnisse bei der Durchführung von Stoffumwandlun­ gen bezeugen. Die frühen Hochkulturen am Nil sowie an Euphrat und Tigris sind ohne solide «chemische Kenntnisse> nicht vorstellbar. So hatte die «Zähmung des Feuers« zur Herstellung von Tongefäßen und zur Glas­ macherei geführt; ein weiterer wichtiger Technologiezweig war die Zie­ gelbrennerei. Auch die Gewinnung von Metallen basiert auf der Beherr­ schung des Feuers: Holzkohle und Blasebalg waren die Hilfsmittel, die eine fast bis zum Ende des 18. Jahrhunderts unveränderte Metallurgie ermöglichten. Aber auch Stoffumwandlungen auf «kaltem Wege> waren bekannt; Gärungsvorgänge wurden z. B. für die Herstellung von Bier, Käse und Wein benutzt. Man kannte u. a. auch die Gewinnung von Farb­ stoffen aus pflanzlichen und tierischen Materialien; die Farbstoffe dien­ ten sowohl für die Färbung von textilen Materialien wie auch für kosmeti­ sche Zwecke. Die Welt des technischen Chemikers gilt als schwer zugänglich: Che­ mie, Physik, Technik und Wirtschaft scheinen hierzu einem für den Laien nicht überschaubaren Netzwerk verflochten zu sein; tatsächlich kann man aber anhand einiger «roter Fäden> Verständnis für die chemische Technik gewinnen. Über die Ursprünge der modernen technischen Chemie gibt es einige

7

falsche Vorstellungen: Nur zu oft glaubt man, sie sei im Gefolge der gro­ ßen chemischen Entdeckungen des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden, in jenen Jahrzehnten also, in denen die Chemie durch große Pioniere von der Empirie zur exakten Wissenschaft entwickelt wurde. Nicht selten wird dabei übersehen, daß die wirtschaftliche Entwicklung erst jenen Punkt erreicht haben mußte, wo Interesse an einer industriellen Verwer­ tung wissenschaftlich-chemischer Entdeckungen bestand: «Der Bedarf also führt zur Ausnutzung aller Erfindungen - falls man sich an sie erin­ nert - und regt zu neuen Erfindungen an» (W. Treue). Andererseits bleibt Grundlagenforschung Voraussetzung aller chemi­ schen Technik. Viele im Reagenzglas und in Laborapparaturen des For­ schers glatt verlaufende Reaktionen sind für eine wirtschaftliche Produk­ tion in großem Maßstab ungeeignet. Zahlreiche Gründe mögen dafür maßgeblich sein: Die benötigten Rohstoffe können zu teuer oder nicht verfügbar, die Reaktionsbedingungen (z. B. Druck, Temperatur) können für die technische Umsetzung zu extrem, die Ausbeuten an gewünschter Substanz zu gering und die Menge an unerwünschten Nebenprodukten zu groß sein, und auch den Problemen einer Umweltbelastung durch chemi­ sche Prozesse kommt - nicht erst in unseren Tagen! - ein hoher Stellen­ wert zu. Die chemische Industrie will ja nicht nur produzieren - sie muß vor allen Dingen wirtschaftlich und sicher produzieren. Wirtschaftliches Produzieren verlangt aber, sich der jeweiligen Situation (z. B. veränder­ ter Rohstoffsituation oder neuer Marktlage) anzupassen. Dies verlangt ständige wissenschaftliche Arbeit in Laboratorien und Technika; kaum irgendwo in Industrie und Wirtschaft ist Forschung von so fundamentaler Bedeutung wie in der chemischen Industrie.

1. Die Ursprünge der modernen Technik Zünfte (d. h. örtliche Fachverbände, in denen die Handwerker pflichtge­ mäß Mitglied sein mußten) und Universitäten schufen die Grundlagen für die von der Technik mitgeprägte abendländische Kultur. Parallel zueinan­ der begann im 13. Jahrhundert die Entfaltung der Universitäten und, ge­ fördert durch das Zunftwesen, der Übergang von der Hauswirtschaft zum marktversorgenden Gewerbe. Die Universitäten sind Ausdruck einer geistigen Bewegung mit der Zielsetzung, dem Menschen eine rationale Erfassung der Welt zu ermög­ lichen. Sie entstanden fast gleichzeitig um 1200 herum in verschiedenen Ländern Europas. «In Europa entstand die Universität tatsächlich spontan, nicht aus staatlicher oder kirchlicher Initiative, nicht aus sozialen oder wirtschaftlichen Beweggründen, son-

8

dem aus ursprünglichem Wissensdrang, aus Erkenntniswillcn und Wahrheitsstre­ ben und ging ihre eigenen, oft unbequemen Wege. In ihrem Ursprung und Wesen ist sie auf unabhängiges Denken, Forschen und Lehren gerichtet» (W. P. Neu­ mann). Der ursprüngliche Begriff Universität, die Gemeinschaft von Lehrern und Schülern mit korporativer Selbstverwaltung ist zuerst 1213 in Paris bezeugt. Die erste Universität auf deutschsprachigem Boden wurde 1348 von Karl IV. in Prag gegründet. Der idealistische Wesenszug der alten Universitäten wurde aber schließlich überdeckt von einer praxisbezogeneren Zielsetzung. Eine ih­ rer wesentlichen Aufgaben im 18. Jahrhundert bestand darin, einen wis­ senschaftlich geschulten Beamtennachwuchs für den absolutistischen Staat heranzubilden. An die Stelle der Intemationalität der mittelalterli­ chen Universität trat das Territorialprinzip. Die erste Universität der Neuzeit, die 1694 gegründete Universität Halle a. d. Saale, war die nicht von H. Perkin aus Steinkohlenteer gewonnen - ebenfalls durch Zufall, wie noch berich­ tet wird -, sondern von Carl Ludwig von Reichenbach (1788-1869) aus Buchenholzteer. Den Industriellen ärgerten Hunde, die nur allzuoft den Lattenzaun an seinem Haus zweckentfremdet «benutztem. Reichenbach hoffte, die lästigen Köter mit dem penetranten Kreosolgeruch des Bu­ chenholzteers vertreiben zu können, eine Erwartung, die sich nicht er­ füllte. Doch bildete sich am Zaun ein schöner blauer Farbstoff, den er Pittakal (= schönes Pech) nannte, zweckmäßiger vielleicht als «Pippikab hätte bezeichnen sollen. Dessen Struktur wurde allerdings erst viele Jahr­ zehnte später aufgeklärt. Henri Vidal (1862-1930) verkaufte in seiner kleinen Landapotheke Hydrochinon für fotografische Zwecke. Als dieser teure Stoff wieder ein­ mal nicht vorrätig war, wollte er ihn selbst herstellen. Er stieß in einem alten Lehrbuch auf eine Vorschrift, nach der para-Nitrophenol mit einer wäßrigen Lösung von Schwefelnatrium und Schwefel behandelt werden sollte. Er erhielt zwar kein Hydrochinon, wohl aber eine dunkle Flüssig­ keit, die er als Tinte benutzen wollte. Zufällig wurde das Tintenfaß umge­ stoßen; der entstandene tiefgrüne Fleck ließ sich auch nach mehrfacher starker Wäsche nicht entfernen: Der französische Apotheker hatte die Schwefelfarben entdeckt. Die Reihe der Zufallsentdeckungen setzt sich bis in unsere Zeit fort: Die Entdeckung der Sulfonamide (bakteriostatische Wirkstoffe) oder des Penicillins liefern hierfür Beispiele. Glückliche Zufälle wiesen zwar oft den Weg; mit Recht konnte aber H. v. Baeyer, als er darauf angesprochen wurde, daß er ganz besonderes Glück habe, auch erwidern: «Nein, ich habe nicht mehr Glück als Sie, aber ich probiere mehr als Sie.»

5. Ursprünge der chemischen Industrie Die für den Laien verwirrende Vielfalt der chemischen Industrie ist aus nur wenigen Keimzellen gewachsen, von denen einige besonders wichtige hervorgehoben seien: 1. Das Jahrtausende alte Gewerbe der Färber.

13

2. Das Jahrtausende alte Gewerbe der Drogen- und Farbstoffgewinnung. 3. Das Laboratorium der Hüttenwerke. 4. Das Laboratorium der Apotheken. 5. Die ab 1800 entstehenden Gaswerke und Kokereien mit Nebenproduktgewinnung.

Zahlreiche z. T. heute noch erfolgreich auf dem Markt tätige Chemie­ firmen wurden von Apothekern, Ärzten, Färbermeistem und Drogen­ händlern gegründet. Anhand einiger ausgewählter chemisch-technischer Verfahren soll ver­ sucht werden, industrielle Entwicklungsgänge zu skizzieren, um so We­ sen, Aufgaben und Arbeitsweise der chemischen Industrie zu verdeutli­ chen.

Zeittafel

Zelt

Entwiddug In Bereich der technischen Chemie

Zelt

ADgemeinhMorische, geedbchaflliche nnd technische Daten

1683

Belagerung Wiens durch die Türken. Nordischer Krieg. Schweden verliert seine Großmachtstellung, Rußland wird europäi­ sche Großmacht.

1700-1721

1709

1710

Johann Friedrich Böttger und Ehrenfricd Walter Graf von Tschirnhaus(en) erschmelzen das erste braune und weiße europäische Porzellan. Gründung der Meißener Porzcllanmanufaktur durch August den Starken von Sach­ sen; die Leitung übernimmt Böttger.

1713

Abraham Darby (Vater) ge­ lingt die Kokserzeugung im Meiler.

1746

John Roebuck führt die Blei­ kammer als Reaktor für den Schwefelsäureprozeß ein.

1711

Thomas Newcomen baut die erste brauchbare atmosphäri­ sche Dampfmaschine mit Balancier.

1733

John Kay führt den Schnell­ schützen beim Webstuhl ein.

1753

Benjamin Franklin erfindet den Blitzableiter. Engländer erobern Ostin­ dien. James Hargreaves baut die er­ ste brauchbare mechanische Spinnmaschine (Spinning Jenny). James Watt erfindet die direktwirkende Niederdruckdampfmaschine mit getrenn­ tem Kondensator (Patent 1769). Richard Arkwrighl nimmt Pa­ tent auf die erste für industrielle Fabrikation vorgese­ hene Spinnmaschine (Water Frame). Entdeckung Australiens

1757-1784 1764

1765

1769

1770

15

AUgenelnhistoriache, gwllai hefllkhf ml technische Daten

Zett

1774

Carl Wilhelm Scheele ent­ deckt das Chlor.

1776

1779 1784

Henry Cort führt das Puddelverfahren (Flammfrischver­ fahren) zur Erzeugung von Stahl ein.

1786

1789

1791

1792

1794

1799

1801

1802

16

Erstmaliger Einsatz einer doppeltwirkenden Dampfma­ schine von Watt in der Baum­ wollspinnerei in England. Ausbruch der Französischen Revolution: Aufhebung der Leibeigenschaft, Erklärung der allgemeinen Menschen­ rechte.

Erste Sodafabrik nach dem Verfahren von Nicolas Le­ blanc nimmt Betrieb auf. William Murdock beleuchtet sein Haus mit Steinkohlen­ gas. 1793

1796

Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Mule-Spinnmaschine von Samuel Crompton.

Erster Kokshochofen in Deutschland (Gleiwitz in Oberschlesien). Charles Tennone stellt Chlorkalk her.

Eli Whitney baut eine Baumwollentkemungsmaschine. Sprunghafter Anstieg der Baumwollkulturen in den Südstaaten der USA. Ente optische Telcgrafctilinie in Frankreich von Paris über 200km nach Lille.

1799

Erste Dampfmaschine in Westfalen geht in Betrieb (Sa­ line Königsborn bei Unna). Volta entwickelt das galvani­ sche Element und die galvani­ sche Batterie (Voltasche Säule).

1804

Napoleon krönt sich zum Kai­ ser der Franzosen. Ente Dampflokomotive von Richard Trevilhick kurze Zeit für Werksverkehr eingesetzt. Oliver Evans führt Probefahrt

Erste Rübenzuckerfabrik von Franz Carl Achard errichtet (Cunern in Schlesien). Die Firma Boulton & Watt führt Gasbeleuchtung in ihrer Fabrik ein.

Zeit

Entwicklung in Bereich der technischen Chemie

Zelt

1805

1806

1807

1814

Am 1. April wird in London ein ganzes Stadtviertel mit Gaslicht beleuchtet.

1815

Friedrich Krupp produziert GuBstahl.

1813- 1814 1814

1814- 1815 1815

1819

1820

1823 1825

1827

Einführung des Gay-LussacTurms zur Herstellung von Schwefelsäure.

1828

1829

1830

1831

Peregrine Philipps entdeckt den SO,-Kontaktprozeß.

1831 1833

ÄUgemeinhiatoriKbe, geseUschaftHcbe and technische Daten mit Straßendampfwagen in Philadelphia durch. Lochkartengesteuerter Wcbstuhl für gemusterte Stoffe von Joseph-Marie Jacquard. Napoleon verhängt die Kon­ tinentalsperre gegen Eng­ land. England verbietet die Sklave­ rei. Robert Fulton befährt den Hudson mit Dampfschiff. Befreiungskriege. Erste Dampflokomotive von George Stevenson im Werks­ verkehr eingesetzt. Wiener Kongreß. Nach dem Wiener Kongreß neues Staatensystem in Europa. Gründung des Deutschen Bundes mit Bundestag in Frankfurt. Karlsbader Beschlüsse: Ein­ führung der Zensur gegen na­ tionale Bestrebungen. André Marie Ampère unter­ scheidet zwischen ruhender (Elektrostatik) und strömen­ der (Elektrodynamik) Elek­ trizität. Monroe-Doktrin: Amerika den Amerikanern. Erste Eisenbahnlinie Stock­ ton-Darlington (Nordeng­ land) eröffnet. Gründung des Preußischen und des Süddeutschen Zoll­ vereins. George und Robert Stephen­ sons Lokomotive geht als Sieger beim Lokomotivwettrennen bei Rainhill hervor. Erste öffentliche, ausschließ­ lich mit Dampf betriebene Eisenbahnstrecke LiverpoolManchester eröffnet; Loko­ motiven von George und Robert Stephenson. Michael Faraday entdeckt die elektrische Induktion. Carl Friedrich Gauss und Wil­ helm Weber bauen ersten elektromagnetischen Telegra­ fen in Göttingen.

17

Zeit

Eatwicktang Im Bereich der Urbeirrhre Chemie

Zeit

1834

1835

1840 1842

1851

1854-1856

1856

1861

Einführung des GloverHirms zur Herstellung von Schwefelsäure. Ernest Solvay erfindet den nach ihm benannten Sodaprozeß. Beginn der Kaliindustrie in Staßfurt bei Magdeburg.

1859

1861

1861-1865

1862

18

«Kommunistisches Manifest» von Karl Marz und Friedrich Engels, Grundlage des Mar­ xismus. Revolutionen in Paris, Berlin. Wien und anderen Städten. Das erste deutsche Parlament tagt in der Paulskirche in Frankfurt. Erstes Seekabel der Welt zwi­ schen Dover und Calais ver­ legt. Krim Krieg.

Henry Bessemer führt das Stahlfrischen in der «Besse­ merbirne» ein und legt damit den Grundstein zur Massen­ produktion von Stahl. Henry Perkin entdeckt den ersten Teerfarbstoff «Mau­ vein».

1858

1859

Gründung des Deutschen Zollvereins. Cyrus McCormick baut eine von Pferden gezogene Getrei­ demähmaschine. Oberbergrat Wilhelm August Julius Albert verwendet das erste Drahtseil im Bergbau im Harz. Moritz Hermann Jacobi baut den ersten praktisch einsetz­ baren Elektromotor. Erste Eisenbahn in Deutsch­ land (Nürnberg-Fürth, 6 km).

Justus von Liebig begründet die Agrikulturchemie. Beginn der Superphosphatin­ dustrie in England. 1848

1855

ABgemelnhistorische, gaaeBsrhafHirbe —d technische Daten

Erste Überscetclegrafcnvcrbindung Europa-Amerika (nur 4 Wochen betriebsbe­ reit). Erste Erdölbohrung in den USA («Major» Drake). Italienischer Einigungskrieg. Philipp Reis stellt sein Tele­ fon dem Physikalischen Ver­ ein in Frankfurt vor.

Amerikanischer Sezessions­ krieg. Otto v. Bismarck wird preußi­ scher Ministerpräsident.

Zeit

EntwkklsBf im Bereich der technischen Chemie

1863

Gründung von Solvay & Ge. Gründung der deutschen Chemicfinncn Bayer und Hoechst. Arsenik-Prozeß in Basel: Ar­ senhaltige Abwässer der Firma I. R. Geigy & U. Heus­ ler vergiften Brunnen. Erste Sodafabrik von Solvay in Couillct (Belgien) nimmt den Betrieb auf. Gründung der BASF.

1864

1865

Zeh

ABgemekihhtoriscbe, geoellflchefüiche end technische Daten

1866

Krieg Preußens gegen Öster­ reich und den Deutschen Bund. Ende des Deutschen Bundes. Dauerhafte Kabclvcrbindung Europa-Amerika. Dynamo-elektrisches Prinzip von Werner v. Siemens. Joseph Monier erhält sein er­ stes Patent für Eisenbeton.

1866

1867

1868

1869

1871

1872

Carl Graebe und Carl Lieber­ mann gelingt Synthese von Alizarin. John Wesley Hyatt erfindet den ersten plastischen Kunst­ stoff Celluloid.

Erste Margarinefabrik von Hypolite Mdge-Mouriis in Paris gebaut. John D. Rockcfellcr gründet den ersten Mincralölkonzern Standard Oil Company of Ohio.

1869

1871

1873

1876

1877

1879

Der von Clemens Winkler wieder aufgegriffene SO3Kontakt-Prozeß wird - mit wenig technischem Erfolg im fabrikatorischen Maßstab betrieben. Sidney Gilchrist Thomas und Perccy Carliglc Gilchrist ent­ wickeln den Konverter mit Dolomitausfüttcrung und lö­ sen damit das Problem der Entphosphorisicrung phos-

1879

Eröffnung des Suezkanals nach zehnjähriger Bauzeit (Ferdinand Lcsscps). Tclcgrafcnvcrbindung Lon­ don-Kalkutta. Gründung des Deutschen Reiches.

Beginn der Serienfabrikation von Schreibmaschinen (Re­ mington. USA). Viertakt-Gasmotor mit Ver­ dichtung von August Otto. Carl v. Linde erbaut Ammo­ niak-Kältemaschine.

Elektrische Kohlenfaden­ glühlampe von Thomas Alva Edison erfunden. Elektrische Lokomotive von Werner von Siemens.

19

Zeit

1880

phorhaltigen Roheisens (Thomasverfahren). Die Ver­ wendung phosporreicher Ei­ senerze zur Stahlherstellung ist nun möglich. Elektrostahl (William Sie­ mens)

1880

Kölner Dom vollendet

1881

Ferdinand Lessips beginnt mit dem Bau des Panamaka­ nals. Eröffnung des ersten Fern­ sprechamtes in Berlin. Erste elektrische Kraftüber­ tragung (Gleichstrom) von Miesbach nach München an­ läßlich der Internationalen Elcktrizitätsausstcllung in München (Oskar von MiUer). Erstes Elektrizitätswerk in New York (Thomas Alva Edi­ son). Schnellaufender Benzinmo­ tor von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach. Dampfturbine von Carl Gu­ staf Patrik de Laval. Gründung deutscher Kolo­ nien in Afrika.

1882

1883

1884

1885

Erste Mineralölraffineric des Kaukasusgebietes (Gebrüder Nobel). Gründung des Glaswerkes Schott u. Genossen in Jena (Emst Abbe und Friedrich Otto Schott). Beginn der Aluminiumindu­ strie (Paul Hiroult). H. B. de Chardonnet stellt Kunstseide aus Nitrozellulose her. Carl Auer von Welsbach er­ findet das Gasglühlicht.

1884

1885

1886

1888

20

Die deutsche Gesamtfabrika­ tion des Teerfarbstoffes Ali­ zarin liegt bei 9600t; der Preis für 1 kg 20prozentige Paste betrügt etwa 1,60 Mark.

Von Benzinmotor angetricbenes Zweirad von Gottlieb Daimler und Wilhelm May­ bach. Dreirädriges Automobil mit Viertaktmotor und elektri­ scher Zündung von Carl Benz. Vierrädriges Automobil von Gottlieb Daimler und Wil­ helm Maybach. Erster Wolkenkratzer in Stahlskelettbauweise (Home Insurcnce Building in Chi­ cago) fertiggestellt.

Zeit

1890

1891

Entwicklung im Bereich der tedmtocbea Chemie

Ente technische Chloralka­ lielektrolyse in Griesheim un­ ter Leitung von Ignaz Stroof angelaufen. Rudolf Knietsch entwickelt das SOj-Kontaktverfahren bei der BASF (ca. 18901895). H. B. de Chardonnet baut die erste Kunstseidenfabrik der Welt in Besançon nach sei­ nem Verfahren.

Zeit

AllgemelnhlstoiMie, gesellschaflHche und technische Daten

1889

Alexandre Gustave Eiffel baut den Eiffelturm für die Pariser Weltausstellung; mit 300 m damals höchstes Bau­ werk der Erde. Hermann Hollerith erhält in Amerika ein Patent auf das von ihm entwickelte Lochkar­ tenverfahren. Entlassung Bismarcks. Beginnende Trustbildung in den USA.

1890

1891

1892 1893

1895

1897

Luftverflüssigung von Carl von Linde. Die erste Carbidfabrik der Welt läuft in Spray (USA) an. Beginn der industriellen Indi­ gosynthese bei der BASF.

1895

1897

1900

1901

1902

Herstellung lichtechter Ind­ anthrenfarben durch René Bohn bei der BASF. Wilhelm Normann entwickelt die Fetthärtung, d. h. die Um­ wandlung von tierischen und pflanzlichen ölen in Hart­ fette.

1901

Erster Gleitflug durch Otto Lilienthal. Pilgerschriltverfahren der Gebrüder Mannesmann zur Herstellung nahtloser Stahl­ rohre. Erste Hochspannungs-Fern­ leitung von Lauffen (Neckar) nach Frankfurt/Main (Oskar von Miller und Michael von Dolivo-Dobrowolski). Heißdampfmaschine von Wil­ helm Schmidt. Rudolf Diesel wird das Patent auf einen Schwerölmotor mit Kompressionszündung erteilt. Erfindung der Kinematogra­ phie durch Louis Lumiire.

Zum erstenmal läuft ein von Rudolf Diesel konstruierter Motor zufriedenstellend. Erster Aufstieg des Luft­ schiffs des Grafen Fer­ dinand von Zeppelin. Metallfadcnglühlampe mit Osmiumglühdraht (Carl Auer von Wclsbach). Drahtlose Telegrafie über den Atlantischen Ozean (Gu­ glielmo Marconi).

21

Zeh

Entwicklung im Bereich der tedinhchen Chemie

Zelt

1903

Katalytische Verbrennung von Ammoniak zu Salpeter­ säure (Wilhelm Ostwald).

1903

Erster Motorflug der Gebrü­ der Wright.

1904-1905

Russisch-japanischer Krieg.

1905

Neun Bergwerksgcsellschaften des Ruhrgebietes bauen eine Tcerdestillationsanlage für die Verarbeitung von' 1000001 Teer pro Jahr. Die Firma Henkel bringt «Per­ sil«, das erste selbsttätig waschaktive Waschmittel, auf den Markt. Fritz Hofmann gelingt die Synthese von Kautschuk aus Dimethylbutadicn. 1912 1913

Nichtrostender Kruppstahl. Beginn der FlieBbandfabrikation in den Automobilwerken von Henry Ford.

1914-1918 1914

Erster Weltkrieg. Eröffnung des Panamaka­ nals. Erstes Ganzmetallflugzeug (Hugo Junkers). Russische Revolution. Gründung des Normenaus­ schusses der Deutschen Indu­ strie.

1907

1909

1913

Beginn der Herstellung von synthetischem Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Ver­ fahren bei der BASF. Friedrich Bcrgius gelingt die Hochdruckhydricrung von Kohle zu flüssigen Kohlen­ wasserstoffen. Fritz Klattc erhält ein Patent zur Herstellung der ersten vollsynthetischen Kunstfaser.

1915 1917

Die Leuna-Werke nehmen den Betrieb auf. Richard Kothe, Oskar Dressel und Wilhelm Rochl ent­ wickeln das Präparat «Bayer 205>. das unter dem Namen «Germanin« bekannt wurde und das erste wirksame Mittel zur Bekämpfung der Schlaf­ krankheit darstellt.

1917

1919-1933 1920

1923 1924 1925

1926

22

Kohleverflüssigung nach dem Verfahren von Franz Fischer und Hans Tropsch. Gründung der 1 G-Farben Aktiengesellschaft.

Weimarer Republik. Erste öffentliche Rundfunk­ übertragung in Königs-Wusterhausen. Besetzung des Ruhrgebietes. Einführung der Rentenmark. Erste Atlantiküberquerung eines Zcppelinluftschiffcs.

Zeit

1928

Eatwickhng In Bereich der trrheiirhrn Cbeede

Alexander Fleming entdeckt Penicillin, das aber erst wah­ rend des Zweiten Weltkrieges in großen Mengen produziert wird. Herstellung des Kunststoffes Polystyrol bei der IG-Farben Aktiengesellschaft.

Zeit

Allgemeinhtatortsche, geaeBachaftlicbeud technische Daten

1927

Atlantikflug New York-Paris in 26 Stunden durch Oberst Charles von Lindbergh. Atlantikflug in Ost-WestRichtung durch Hermann Köhl, E. G. Freiherr von Hünefeld und James C. Fitzmaurice.

1928

. 1929

1930 1932

Gerhard Domagk entwickelt die Sulfonamide.

1933

1935

1936

1937

1938

1939

Kurssturz an der New Yorker Börse löst weltweite Wirt­ schaftskrise aus. Erste drahtlose Fernsehüber­ tragung auf der Funkausstel­ lung in Berlin. 3 Mio. Rundfunkhörer in Deutschland.

Das erste Sulfonamid kommt unter dem Namen als Heilmittel in den Handel. Der wichtige Kunststoff Hochdruck-Polyethylen bei der IC] entwickelt (500 bis 3000 bar). Wallace Hume Carothers ent­ wickelt bei Du Pont das erste Polyamid ; seine Reiß­ festigkeit entspricht etwa der des Stahls. Großproduktion des syntheti­ schen Kautschuks durch IG-Farbenindustric Aktiengesellschaft im BunaWerk Schkopan. Otto Bayer findet die Polyu­ rethane . eine heute sehr wich­ tige Gruppe von Kunststof­ fen. Paul Schlack erfindet bei der IG-Farbcnindustrie Aktien­ gesellschaft in Fortführung der Arbeiten von Wallace Hume Carothers die vollsyn­ thetische Polyamidfaser «Per­ lon). Nylon und Perlon im Handel.

1935

Machtergreifung der Natio­ nalsozialisten in Deutschland. Erster regelmäßiger und öf­ fentlicher Fernsehprogranun­ dienst der Welt in Berlin.

1936

Spanischer Bürgerkrieg; Ein­ satz deutscher Kampfflug­ zeuge.

1938

Gründung des Volkswagen­ werkes. Entdeckung der Kernspal­ tung.

1939-1945 1939

Zweiter Weltkrieg. Erstes Düsenflugzeug von Emst Heinkel mit Strahltrieb­ werk von Hans von Ohain.

23

Zelt

Entwicklung In Bereich der techatochea Chemie

Zeil

ABgeuielnhtaoriKhe, geaeBachafUiche aad technische Datea

1941

John R. Whinfield und James T. Dickson finden Polyester­ fasern mit hervorragenden Eigenschaften (heutige Mar­ kennamen sind «Diolen«, «Tre­ vira«, «Terylene«),

1941

Konrad Zusc baut den ersten frei programmierbaren Rechenautomaten.

1942

Start der ersten Großrakete in Peenemünde. «Mark I> erster programmge­ steuerter Rechner der IBM. Am 16. Juli erste Versuchsex­ plosion einer Atombombe in der Wüste New Mexico (USA). 6. August 1945: Abwurf einer Atombombe auf Hiroshima (78000 «Soforttoto). 9. August 1945: Abwurf einer Atombombe auf Nagasaki (36000 «Soforttoto). Erster kommerzieller Com­ puter («Elcktronengehim«), Gründung der Bundesrepu­ blik Deutschland. Erste öffentliche Fernsehsen­ dungin den USA.

1944 1945

Ende der IG-Farbeninduslrie Aktiengesellschaft. Auf Be­ schluß der Siegcrmächte kommt es zur «Entllechtung«, aus der später die Bayer AG, die HocchstAG (1951) und die BASF AG (1952) hervor­ gehen.

1945

1947

1949 1953

1955

1957

Karl Ziegler und Mitarbeiter entwickeln 1953/54 die Nie­ derdruckpolymerisation von Ethylen. Erstes petrochemisches Großwerk in der Bundesre­ publik Deutschland, die «Rheinische Olcfinwerke GmbH« in Wesseling. Als erste Firma der Welt stellt die Hoechst AG den Kunst­ stoff Polypropylen im groß­ technischen Maßstab her.

1953

Als erstes europäisches Werk führt die BASF AG automati­ sche Prozess-Steuerung in ei­ nem Betrieb ein.

1961

1955

42 Atomreaktoren in Betrieb, davon 29 in den USA.

1957

Die UdSSR starten ersten künstlichen Erdsatelliten «Sputnik I> und wenige Tage später «Sputnik Il> mit erstem < Raumpassagier«, der Hündin Leika. Erste Satelliten der USA: Ex­ plorer I. II und III. Errichtung der Mauer zwi­ schen Ost- und Westberlin (13.8.). Beginn des bemannten Raumfluges durch die UdSSR mit Raumschiff «Wostok I>. Zu Jahresbeginn sind in den USA 12 kommerzielle Kern­ kraftwerke in Betrieb.

1958

1961

1966

24

Zeit

Eatwicktaag !■ Bereich der tecUxhea Cbende

1971

Bei der BASF läuft Großpro­ duktion von synthetischem Vitamin A an.

Zelt

1973

1976

Am 10.7. «Seveso-Unfall» im Chemiewerk «Icmesa»; hoch­ toxischer Tetrachlordibcnzdioxin verseucht ein größeres Gebiet rings um Seveso.

1976

1978 1979

1981

1982

. Einführung des elektroni­ schen Taschenrechners. Stillegung der letzten Dampf­ lokomotive der Deutschen Bundesbahn. Amerikanische Raumsonden und «Vikingll» lie­ fern Bilder vom Mars. Halbleiterchips übernehmen 100000 Transistorfunktionen. Schwerer Rcaktorstörfall in Harrisburg (USA) beeinflußt die weitere Diskussion über die Nutzung der Kernenergie. Erster Raumflug der wieder­ verwendbaren Raumfähre «Columbia». Amerikanischer Fusionsre­ aktor erreicht für fünf Hundertstelsekunden eine kontrollierte Kernverschmel­ zung.

I. Der Weg zur anorganischen Großchemie

1. Die englische Textilindustrie Keimzelle der Industrialisierung Der Prozeß der industriellen Revolution setzte in England ein; erster Schritt in diese Richtung war der Aufbau einer Textilindustrie. Bergbau und Hüttenwesen waren zwar schon zu einem hohen technischen Stand entwickelt, Massenbedarf an Eisen und Stahl rief aber erst die Industriali­ sierung hervor. Neben Nahrung ist Kleidung das wichtigste Elementarbedürfnis des Menschen; so ist verständlich, daß das Textilgewerbe als erster Wirt­ schaftszweig den Weg über die Manufakturen zur industriellen Massen­ produktion in Fabriken beschritt. In England bestanden hierzu gute Voraussetzungen. Nach der «Glorious Revolution» von 1688/89 waren die Beschränkungen handwerkli­ cher Tätigkeit durch einengende Zunftvorschriften zumeist aufgehoben worden; da der Staat weitgehend auf Bevormundung seiner Bürger bei der Entfaltung wirtschaftlicher Initiativen verzichtete, konnten sich in dem veränderten politischen Klima neue Gesellschaftsformen entwikkeln. England sicherte sich so einen zeitlichen Vorsprung auf dem Weg zum modernen Staat und zur Industriegesellschaft. In Frankreich wurden Privilegien und Monopole erst nach der Revolu­ tion von 1789 beseitigt, und in Deutschland verschwanden sie noch später während der napoleonischen Epoche. Im übrigen behinderten die zahl­ reichen Zollschranken der Kleinstaaten die Ausbildung eines großen Bin­ nenmarktes auf deutschem Boden, wie er bereits in England und Frank­ reich bestand. Weiterhin waren auch die wirtschaftlichen Bedingungen in England günstig, denn seit Jahrhunderten wurden hier berühmte Wolltuche herge­ stellt, die im eigenen Land und auf dem europäischen Kontinent guten Absatz fanden; daneben stand auch die Leinenweberei in Blüte. Baumwolle, ein Produkt tropischer und subtropischer Länder, besitzt heute unter den natürlichen Textilfasern überragende Bedeutung, spielte jedoch vor vierhundert Jahren in Europa nur eine bescheidene Rolle. Damals konnte man die relativ kurzen Baumwollfasern noch nicht me­ chanisch zu haltbaren Kettgarnen verspinnen. Lediglich als Einschußgarn 27

wurde Baumwolle zusammen mit Leinen im größeren Umfang zur Her­ stellung des sog. Barchent verwendet. In Indien war dagegen die Fertigkeit, reine Baumwollgewebe herzu­ stellen, seit langem bekannt und weit verbreitet. Übrigens wurden im 17. Jahrhundert auch in der Schweiz in nennenswertem Umfang reine Baumwollgewebe produziert. Nun hatte der englische Außenhandel nach weitgehender Ausschaltung der rivalisierenden Seemächte Spanien und Portugal sowie Holland und Frankreich ungeahnten Aufschwung genom­ men. Bedeutende Handelskompanien, allen voran die Ostindische Han­ delskompagnie (gegr. 1600), beherrschten damals den Überseehandel; neben Gewürzen, Tabak und vielen anderen Produkten kauften sie auch feine Baumwollgewebe in Indien ein und importierten sie nach England, wo sie viele Käufer fanden und die Mode wesentlich beeinflußten. Die Besitzer der Wollmanufakturen sahen ihre Marktposition bedroht, erho­ ben massiven Einspruch und erreichten im Jahre 1700 Importverbot für alle indischen Baumwollerzeugnisse. Durch 'Handelsschranken und Importverbote lassen sich neue Ent­ wicklungen auf dem Markt nicht auf Dauer aufhalten; das wurde auch in England von weitsichtigen Männern klar erkannt. Die Lösung des Pro­ blems konnte nur darin bestehen, mit Hilfe neuer, alle bisherigen Leistun­ gen in den Schatten stellender Verarbeitungsmaschinen Textilwaren aus billiger Baumwolle mit so geringen Kosten zu produzieren, daß man die indischen Konkurrenten bei guten Gewinnen unterbieten könnte. Ein na­ hezu unbegrenzter Markt müßte sich dann öffnen. Deshalb wurde intensiv daran gearbeitet, hierfür die notwendigen pro­ duktionstechnischen Voraussetzungen zu schaffen. Mit neuartigen Textil­ maschinen, die innerhalb weniger Jahrzehnte bis zur technischen Reife entwickelt wurden, gelang erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Massenproduktion von Verbrauchsgütem. 1733 erfand der Wollweber John Kay den Schnellschützen, mit dem sich in derselben Zeit etwa doppelt soviel Stoff als vorher und in breiteren Bahnen herstellen ließ. 1764 hatte James Hargreaves die erste funktionstüchtige Spinnmaschine mit 8 Spindeln, die , gebaut, die die Leistungen der alten Spinnräder weit übertraf. 1769 konstruierte Richard Arkwright eine we­ sentlich verbesserte Spinnmaschine , die von vornherein für Großproduktion gedacht war, von einem Wasserrad angetrieben wurde und 1771 voll funktionstüchtig zur Verfügung stand. 1804 konnte Edmond Cartwright mit seinem schon 1785 erfundenen mechanischen Webstuhl nach vielen vergeblichen Bemühungen erfolgreich gegen die Handweb­ stühle antreten. Mit den neuen Spinnmaschinen ließ sich braüchbares Kettgam maschi­ nell aus Baumwollfasem herstellen, und auch der mechanische Webstuhl war für Massenproduktion von Baumwolltextilien geeignet. Nunmehr

28

war der Weg von der Textilwarenmanufaktur zur Textilindustrie vorge­ zeichnet, zumal zum gleichen Zeitpunkt auch eine leistungsfähige An­ triebsmaschine zur Verfügung stand. An der Schwelle zum 18. Jahrhundert stieß Denis Papin (1647-1712) bei der praktischen Anwendung richtig erkannter physikalischer Ge­ setze auf das Prinzip der atmosphärischen Dampfmaschine; praktische Erfolge blieben diesem Gelehrten jedoch versagt. Der Grobschmied und Eisenhändler Thomas Newcomen (verstarb vermutlich 1750) baute um 1700 die ersten brauchbaren atmosphärischen Dampfmaschinen und schuf den "typ der Balanciermaschine, der auch später von Watt beibe­ halten wurde. Diese noch störanfälligen, wegen ihres hohen Kohleverbrauches auch unwirtschaftlichen Kolbenmaschinen führten nur eine langsame Hin- und Herbewegung aus und eigneten sich deshalb bestenfalls für die Wasser­ haltung in Bergwerken oder für den Antrieb von Blasebälgen in Hütten­ werken. Erst nach deren völliger Umgestaltung durch James Watt (1736-1819) stand 1781/82 ein universell einsetzbares Antriebsaggregat zur Verfü­ gung: Die doppelt-wirkende Dampfmaschine mit Kondensation und Drehbewegung. Sie war eine Voraussetzung für die Industrialisierung, denn im Gegensatz zu den standortgebundenen Wasserrädern ließ sie sich an jedem beliebigen Ort betreiben, so daß die für wirtschaftliche indu­ strielle Produktion so wichtige Frage der Standortwahl nunmehr optimal gelöst werden konnte. Die erste mechanische Weberei mit Dampfmaschi­ nenantrieb arbeitete 1788 in Cuckney. Langsam setzte die Industrialisierung ein; 1818 gab es in England erst 15 mechanische Baumwollwebereien, aber schon 1833 klapperten in vie­ len Textilfabriken rund 85000 mechanische Webstühle. Rund um Liver­ pool, Manchester und Glasgow wuchsen aus dem Nichts heraus die ersten Industriereviere in der Welt, entstanden die ersten Slums, drängten sich zum erstenmal Massen lausender ungelernter Arbeiter vor den Fabrikto­ ren. Woher kamen diese Menschenmengen? Nach längerer Stagnation war in England die Bevölkerung im Verlauf weniger Jahrzehnte um rund eine Million Menschen auf etwa 6,5 Millionen um 1700 angestiegen. Getreide wurde knapp; der Brotpreis stieg. Die englischen Großgrundbesitzer er­ reichten damals, daß bisherige Gemeinweiden von ihnen für intensivere Bewirtschaftung übernommen und privatisiert wurden. Dies hatte eine Agrarrevolution zur Folge; immer mehr Kleinbauern gaben den eigenen Hof auf und verkauften ihre Äcker an Großgrundbesitzer. Die Folge war einerseits Konzentration der Land- und Forstwirtschaft in der Hand weni­ ger, andererseits Landflucht; zahlreiche Menschen vom Lande zogen vol­ ler Erwartungen in die Städte. Die bot jedoch nur

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schlecht bezahlte Fabrikarbeiterstellen - und die durften glücklich sein, die solche Arbeitsplätze fanden. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts griff die Industrialisierung über England hinaus. Konkurrenzbetriebe für die englische Textilindu­ strie entstanden u. a. in Frankreich, in der Schweiz und in den USA. Sichere Verkehrsbedingungen sind eine weitere Voraussetzung für In­ dustrialisierung. Auch hier schuf die Dampfmaschine die Voraussetzun­ gen: die Dampflokomotive. Nahezu ein Jahrhundert war die Eisenbahn das Rückgrat des Verkehrswesens für den Landtransport.

2. Soziale Auswirkungen der industriellen Revolution Die Erfindung der Dampfmaschine am Ende des 18. Jahrhunderts führte zu einer völlig neuen Situation für die Menschheit: Mit ihrer Hilfe ließen sich die Schätze der Natur in zuvor ungeahntem Umfang beschleunigt gewinnen, verarbeiten und in veredelter Form auf den Markt bringen. In wenigen Jahrzehnten entstanden zahlreiche Kohlengruben und Hütten­ werke; in den «Industriestädten« dehnten sich die monotonen häßlichen Arbeiterviertel immer weiter aus, und in den Gewerbegebieten dieser Städte wurden immer größere Fabrikgebäude und Lagerhallen errichtet. Wo immer Erze und Kohlenflöze in erreichbarer Tiefe im Boden lagen, Seehäfen verkehrsgünstig zur Verfügung standen oder genügend große «Menschenreserven» greifbar waren, hielt die Industrie ihren Einzug. In den hoffnungslos überfüllten Industriestädten hauste ein niedrig ent­ lohntes, kinderreiches Proletariat in viel zu kleinen Wohnungen dunkler Hinterhofhäuser, wo gesunde Luft und sauberes Wasser Mangelware und Hygiene ein unbekannter Begriff waren. Das Heim, die Stätte, an der sich der Mensch heimisch fühlen soll, wurde vielfach zum würdelosen Ort sei­ ner Selbstentfremdung. Wie rasch diese Entwicklung fortschritt, mögen ein paar Zahlen aus­ weisen. So lag die Einwohnerzahl von London 1801 bei etwa 865 000, stieg bis 1841 auf rund 1874000 an und erreichte bereits 1891 rund 4232000. Gab es in Deutschland im Jahre 1800 erst zwei Städte mit mehr als 100000 Einwohnern, so waren es neunzig Jahre später 28, und in Frankreich stieg deren Anzahl im gleichen Zeitraum von drei auf zwölf Städte an. In der Gesellschaft vollzog sich eine folgenschwere Umstellung: Der Lohnarbeiter trat in Erscheinung und stand über viele Jahrzehnte hinweg auf der untersten Sprosse der Einkommensleiter, zugleich aber auch auf der untersten Stufe von Bildung und gesellschaftlichem Ansehen. Immer schärfer schälte sich schon damals das Problem der notwendigen Berüh­ rung, ja Durchdringung von Technik und Humanität heraus. Technik 30

zeigt unbestritten einen Januskopf: Neben ihrer segensreichen Wirkung besteht auch stets die Gefahr des Fluches, der Dämonie der Technik. Es wäre aber falsch, sie allein zum Prügelknaben für (fast) alle Mißstände unserer Zeit zu machen. Es steht fest, daß ohne die technische Entwicklung und ohne die indu­ strielle Revolution der Lebensstandard, den heute breite Bevölkerungs­ schichten in den Industrieländern genießen können, nicht denkbar wäre. Vieles von dem, was heute selbstverständlich ist, mußte aber hart er­ kämpft werden: Soziale Bewegungen, allen voran die Gewerkschaften, ebneten den Weg vom Industrieproletariat zur heutigen Arbeiterschaft. Naturwissenschaft an sich ist weder gut noch böse. Die Verantwortung für die Folgen ihrer technischen Anwendung liegt allein beim Menschen! Standen Massenelend und Entpersönlichung an der Schwelle des Indu­ strie-Zeitalters - die Mittel der Technik halfen, sie zu überwinden. Ohne Technik und Industrie - und ohne technische Chemie und chemische In­ dustrie ist die Welt von heute nicht möglich. Ein Zurück zur Scheinro­ mantik und Gartenlaubenidylle früherer Epochen ist weder wünschens­ wert noch machbar, denn Massenelend, Hunger und Seuchen wären die unausweichlichen Folgen. Die Mittel der Technik werden auch das Leben in den heute noch unterentwickelten Ländern grundlegend umformen.

3. Der Beginn der chemischen Industrie Die Textilindustrie war nicht nur Großabnehmer für billige Baumwolle, die in immer größeren Mengen hauptsächlich aus dem Süden der USA, ferner aus Ägypten und Ostindien auf den Weltmarkt kam (in England wurden 1810 etwa 60 Millionen kg, 1831 bereits 125 Millionen kg Baum­ wolle verarbeitet), sie war auch erster Großabnehmer für Chemikalien, die zum Waschen, Bleichen und Färben von Baumwolle unbedingt erfor­ derlich sind. Im Schatten von Färbereien und Textilbetrieben entstanden die ersten chemischen Fabriken. Ein markantes Beispiel liefert das Werk Elberfeld der Bayer AG, das 1863 im Zentrum solcher Betriebe an der Wupper entstand. Baumwollgewebe sind ohne chemische Behandlung schmutziggrau und unansehnlich. Durch Bleichen müssen alle die Faser verunreinigen­ den Stoffe entfernt werden, die gleichmäßiges Färben bzw. Bedrucken der Gewebe verhindern. Dies gelang in vorindustrieller Zeit durch mona­ telange «Rasenbleiche», bei der die auf Rasen ausgebreiteten Gewebe im Sonnenlicht mit Wasser besprengt wurden. Für eine Massenproduktion von Baumwolltextilien gab es aber gar nicht genug Rasenflächen. Zuvor mußten die Gewebe in Pottaschelauge gewaschen und zur Verstärkung der Bleichwirkung mit saurer Milch behandelt werden. 31

1741 entdeckte der schottische Arzt, Chemiker und Unternehmer John Roebuck (1718-1794), daß man anstelle von saurer Milch durch Einsatz von Schwefelsäure wirtschaftlicher arbeiten kann, weil der Rasenbleich­ prozeß auf die Dauer von einigen Wochen gekürzt wird. Die Herstellung chemischer Textilhilfsmittel für Massenproduktion von Textilien wurde zur großen Aufgabe der nun entstehenden chemi­ schen Industrie. Auch diese Entwicklung setzte zuerst in England ein. Den Schlüssel zur anorganischen Großindustrie, die Gewinnung künstli­ cher Soda, fand allerdings der Arzt, Chemiker und Unternehmer Nicolas Leblanc (1742-1806) in Frankreich. Voraussetzung für die Durchführung seiner Sodasynthese war ein wirtschaftlicher Prozeß zur Gewinnung der benötigten Mengen Schwefelsäure.

4. Schwefelsäure Schwefelsäure (Vitriolöl) ist schon lange bekannt; erste sichere Berichte über die Herstellung des göttlichen Wassers> stammen aus der Zeit um 1300. Bereits im 18. Jahrhundert stellte man