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German Pages 150 [152] Year 2015
Marcus Lutter/Jens Koch (Hrsg.) Societas Unius Personae (SUP) ZGR-Schriftenreihe Band 1
Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht |
Herausgegeben von Alfred Bergmann, Holger Fleischer, Wulf Goette, Heribert Hirte, Peter Hommelhoff, Klaus Hopt, Gerd Krieger, Hanno Merkt, Hans-Joachim Priester, Marc Phillipe Weller
Schriftenreihe Band 1
Marcus Lutter/Jens Koch (Hrsg.)
Societas Unius Personae (SUP) | Beiträge aus Wissenschaft und Praxis
Zitiervorschlag: Lutter/Koch (Hrsg.), Societas Unius Personae (SUP), S.
ISBN 978-3-11-042661-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042216-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042227-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort So groß der Wunsch der europäischen Gesellschaftsrechtspraxis nach einer supranationalen Rechtsform für kleine und mittlere Unternehmen auch sein mag, so schwierig gestaltet sich doch die politische Umsetzung dieses Anliegens. Das über viele Jahre hinweg diskutierte Modell einer Societas Privata Europaea scheint vorerst gescheitert zu sein. Die Kommission hat das Projekt aber nicht ersatzlos fallen lassen, sondern an seine Stelle das neue Projekt einer Societas Unius Personae gesetzt. Wer nun erwartet hat, dass das eine Modell, zu dem kein Konsens erzielt werden konnte, durch ein moderateres Modell ersetzt worden sei, der wird von dem neuen Vorschlag überrascht sein. Es kann nicht die Rede davon sein, dass die Kommission sich um Konsensfähigkeit bemüht, sondern sie hat in einigen Punkten in einer schon fast provokant wirkenden Weise bisherige Kompromisslinien verlassen, namentlich in der Mitbestimmung oder bei der Ausgestaltung des Gründungsaktes. Zugleich wurde das primäre Ziel einer einheitlichen supranationalen Rechtsform aufgegeben und durch das für die Praxis deutlich weniger attraktive Konstrukt eines europäisch harmonisierten Subtyps der jeweiligen nationalen Privatkapitalgesellschaftsform ersetzt. Angesichts dieser Verschiebungen scheinen Konflikte in der Umsetzung geradezu vorprogrammiert zu sein. Schon durch die Wahl der Kompetenzgrundlage signalisiert die Kommission aber, dass sie durchaus bereit ist, diese Konflikte auszufechten; denn anders als der bislang herangezogene Art. 352 AEUV, der einstimmige Entscheidungen verlangt, dürfen Entscheidungen nach dem von der Kommission nun zugrunde gelegten Art. 50 AEUV schon mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Angesichts der damit gestiegenen Umsetzungschancen eines im Kern deutlich radikaleren Vorschlags wird sich mancher, der das SPE-Projekt blockiert hat, mittlerweile danach zurücksehnen. Selbst wenn die SUP nicht in der heute geplanten Form umgesetzt werden sollte, wird der neue Entwurf das europäische und nationale Gesellschaftsrecht nicht unberührt lassen, weil schon mit dem Vorschlag die rechtspolitische Diskussion über Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts neu ausgebrochen ist und diese Debatte über kurz oder lang auch die nationale und internationale Diskussion erreichen wird. Die Wechselwirkung von Niederlassungsfreiheit und Mitbestimmung, die notarielle Beteiligung am Gründungsvorgang, die Kapitalaufbringung und -erhaltung – all diese Grundsatzfragen werden mit dem neuen Entwurf noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Angesichts dieser weitreichenden Folgen hat am 10. Oktober 2014 im Poppelsdorfer Schloss in Bonn auf Initiative des Rheinischen Notarinstituts, des Instituts für Handel- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn und des Zentrums
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Vorwort
für Europäisches Wirtschaftsrecht eine Tagung zum Thema „Die SUP in Recht und Praxis“ stattgefunden. Die Veranstalter danken den Referenten herzlich für ihre engagierten Beiträge, die in diesem Band in überarbeiteter und ergänzter Form abgedruckt sind. Für wertvolle Hilfe bei der Drucklegung danken wir unserem Kollegen Herrn Professor Dr. Christoph Teichmann. Bonn, im Januar 2015
Marcus Lutter/Jens Koch
Inhalt Vorwort
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Jessica Schmidt Die SUP aus der Sicht der Kommission und ihr Kapitalschutz Jens Bormann Die SUP aus Sicht des nationalen Rechtssystems
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Christoph Teichmann Einsatzmöglichkeiten der Societas Unius Personae (SUP) Peter Ries Die SUP und das Handelsregister Peter Hommelhoff Die SUP-Ferngründung
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Dieter Leuering SUP – Perspektiven für die Praxis Anhang
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Jessica Schmidt*
Die SUP aus der Sicht der Kommission und ihr Kapitalschutz Der erste Teil des Beitrags präsentiert die SUP aus der Sicht der Kommission, der zweite Teil setzt sich mit dem Kapitalschutz der SUP auseinander.
I. Die SUP aus Sicht der Kommission 1. Von der SPE zur SUP Nachdem das Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE) 2011 am Veto Deutschlands und Schwedens gescheitert war, stand die Kommission vor einem Dilemma: Einerseits gehört die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Gründung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu den Kernzielen der Lissabon-Strategie¹ und gerade eine europäische „kleine Schwester“ der SE als spezielles Vehikel für KMU war ein zentraler Bestandteil hiervon². Andererseits jedoch erschien es nach dem klaren Veto Deutschlands und Schwedens unmöglich, die hierfür notwendige Einstimmigkeit im Rat zu erzielen. Als Ausweg aus diesem Dilemma lancierte die von der Kommission eingesetzte Reflection Group³ im Jahr 2011 die Idee der Schaffung einer vereinfachten Einpersonengesellschaft, die zunächst unter dem Schlagwort „simplified singlemember company“ (SMC) firmierte⁴. Die Kommission griff diesen „Rettungsanker“
* Die Autorin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht an der Universität Bayreuth. Europäischer Rat (Lissabon), 23. und 24. März 2000, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, SN 100/00, Rn. 14 ff. Das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft war ein zentraler Baustein des „Small Business Act“, vgl. COM(2008) 394, S. 5 und COM(2008) 396, S. 2. Näher zur Reflection Group und ihren Vorschlägen: Bayer/J. Schmidt, BB 2013, 3, 13 f.; Lutter/ Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 19 Rn. 5, 100 ff.; J. Schmidt, GmbHR 2011, R177 f. Report of the Reflection Group On the Future of EU Company Law, 5.4. 2011 (abrufbar unter ), 3.3.2., 4.2. Vgl. dazu auch Hommelhoff, AG 2013, 211 ff.; Möslein, ZHR 176 (2012), 470 ff.; Teichmann, ZRP 2013, 169 ff.
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dankbar auf und veranstaltete 2013 eine öffentliche Konsultation⁵ sowie Beratungen mit Experten und Stakeholdern⁶. Ergebnis ist der im April vorgelegte Entwurf für eine Societas Unius Personae (SUP-RLE)⁷ – die nun in guter europäischer Tradition natürlich auch einen „neutralen“ lateinischen Namen trägt.
2. Die SUP – eine „SUPer“ Alternative Das Akronym SUP soll aber wohl zugleich auch dafür stehen, was die SUP aus der Perspektive der Kommission sein soll: super!
a) Einfache und schnelle Gründung Ähnlich wie schon die SPE soll es die SUP Unternehmen und speziell KMU ermöglichen, überall in Europa relativ schnell und kostengünstig eine Kapitalgesellschaft zu errichten und zu betreiben.⁸ Die Gründung soll entweder als Neugründung quasi „aus dem Nichts“ (ex nihilo) oder mittels einer formwechselnden Umwandlung aus der jeweiligen nationalen Privatgesellschaftsform (in Deutschland also einer GmbH oder UG) möglich sein (Art. 8 f. SUP-RLE). Rigiden Restriktionen à la SE wird also ganz bewusst eine klare Absage erteilt. Die Eintragung soll auf der Basis eines Standardformulars erfolgen, es dürfen nur die in Art. 13 SUP-RLE abschließend aufgezählten Angaben/Dokumente verlangt werden und es muss eine Online-Registrierung innerhalb von drei Tagen möglich sein (Art. 14 SUP-RLE). Dem Ziel einer schnellen und einfachen Gründung dient auch die in Art. 11 SUP-RLE vorgesehene Standardvorlage für die Satzung, deren Verwendung für den Fall der Online-Gründung zwingend sein soll (Art. 14 Abs. 4 S. 2 lit. a SUP-RLE). Da Konsultationsseite: . Dazu Müller, GmbHR 2013, R217; Stiegler, DB 2014, 526, 528; Teichmann, ZRP 2013, 169 ff. Vgl. COM(2014) 212, S. 4 f. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, COM(2014) 212. Dazu Bayer/ J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222 f.; Beurskens, GmbHR 2014, 738 ff.; Dreher, NZG 2014, 967 ff.; Drygala, EuZW 2014, 491 ff.; Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065 ff.; Jung, GmbHR 2014, 579 ff.; Omlor, NZG 2014, 1137 ff.; Ries, NZG 2014, 569 f.; J. Schmidt, FAZ v. 19. 2. 2014, S. 19; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129 f.; Seibert, GmbHR 2014, R209 f.; Wicke, ZIP 2014, 1414 ff. Vgl. Erwägungsgrund 7 f.
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es sich hier allerdings zumindest partiell um relativ technische Details handelt, die ggf. im Verlaufe der Zeit auch wieder modifiziert werden müssen, soll die Standardsatzung erst durch einen Durchführungsrechtsakt der Kommission geschaffen werden (vgl. Art. 11 Abs. 3 SUP-RLE). Schließlich darf die Eintragung auch nicht von der Erteilung einer Lizenz oder Genehmigung abhängig gemacht werden (Art. 14 Abs. 6 S. 1 SUP-RLE), da auch dies das Eintragungsverfahren verzögern könnte.
b) Progressiv-liberale Regelungen zu Sitz und Kapital In puncto Sitz ist der Kommissionsentwurf – wie schon bei der SPE – progressivliberal⁹: Satzungssitz und Verwaltungssitz sollen sich in verschiedenen Mitgliedstaaten befinden dürfen.¹⁰ Dahinter steht ganz offenbar die Erwägung, dass die SUP nicht schlechter stehen soll als nationale Rechtsformen – wie etwa die englischen Limited oder die deutschen GmbH –, bei denen ein Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz schon jetzt möglich ist.Vielmehr soll auch die SUP – wie Erwägungsgrund 12 es formuliert – die Vorteile des Binnenmarktes in vollem Umfang nutzen können. Der Leitgedanke einer möglichst liberal-progressiven Ausgestaltung setzt sich dann auch bei den Regelungen zum Kapital fort¹¹: Das Mindestkapital beträgt nur einen Euro (Art. 16 Abs. 1 SUP-RLE) und Ausschüttungen sind kumulativ an einen Bilanz- und an einen Solvenztest gebunden (Art. 18 SUP-RLE); darauf wird im zweiten Teil des Beitrags noch näher eingegangen¹².
c) Maximale Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis Maximale Gestaltungsfreiheit soll es auch im Innenverhältnis und in Bezug auf die Corporate Governance geben. Als obligatorische Organe der SUP sind nur der Alleingesellschafter sowie ein Leitungsorgan – bestehend aus einem oder mehreren Geschäftsführern – vorgesehen (vgl. Art. 21 f. SUP-RLE). Für bestimmte grundlegende Angelegenheiten ist eine Beschlussfassung durch den Alleingesellschafter erforderlich (Art. 21 Abs. 2 SUP-RLE). Die Mitgliedstaaten dürfen dafür aber abgesehen vom Erfordernis einer schriftlichen Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129. Vgl. Erwägungsgrund 12. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129. S.u. II.1.
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Abfassung¹³ keine weiteren formalen Anforderungen aufstellen (vgl. Art. 21 Abs. 1 und 3 SUP-RLE). Die Geschäftsführer sind für die Vertretung der SUP zuständig (Art. 24 SUPRLE) und üben im Übrigen alle Befugnisse aus, die nicht vom Alleingesellschafter oder einem etwaigen Aufsichtsrat ausgeübt werden (Art. 22 Abs. 3 SUP-RLE). Ihre Bestellung kann vom Alleingesellschafter jederzeit frei widerrufen werden (Art. 22 Abs. 5 SUP-RLE).
d) Optimierung als Konzernbaustein Die Kommission möchte mit der SUP indes nicht nur für Start-ups, sondern gerade auch für Unternehmensgruppen ein attraktives Modell schaffen.¹⁴ Art. 23 Abs. 1 SUP-RLE gibt dem Alleingesellschafter daher ausdrücklich die Befugnis, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen – im Konzern soll die Konzernmutter also „durchregieren“ können. Allerdings wollte die Kommission dann doch nicht zu weit ins nationale Recht eingreifen: Weisungen sollen daher nur bindend sein, soweit sie nicht gegen die Satzung oder das anwendbare nationale Recht verstoßen (Art. 23 Abs. 2 SUP-RLE)¹⁵. Dem Ziel einer Optimierung als Konzernbaustein dient weiterhin auch die Möglichkeit, juristische Personen zum Geschäftsführer zu bestellen; auch dies steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Zulässigkeit nach nationalem Recht (Art. 22 Abs. 4 S. 1 SUP-RLE). Für die Funktion als Konzernbaustein ist schließlich auch die Beschränkung auf Einpersonengesellschaften unproblematisch: Im Gegenteil, in der Praxis sind Tochter-, Enkel- und Urenkelgesellschaften gerade typischerweise meist nur Einpersonengesellschaften.
Hier dürfte − wie bei der Vorläuferregelung in Art. 4 Abs. 2 der Einpersonengesellschaftsrichtlinie (Fn. 23), vgl. dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 29 Rn. 32 m.w. N. zur Parallelproblematik in anderen Richtlinien − nur eine textliche Fixierung i. S.d. § 126b BGB, nicht Schriftform im strengen Sinn des § 126 Abs. 1 BGB gemeint sein. Vgl. auch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743. Vgl. COM(2014) 212, S. 9; Erwägungsgrund 23 S. 1. Hier sollte noch klargestellt werden, dass damit nur die „allgemeinen Regeln“ gemeint sind und nicht z. B. auch nationale Regelungen, denen zufolge der Geschäftsführer grundsätzlich ausschließlich im Interesse der Gesellschaft handeln und nicht das „Konzerninteresse“ beachten darf; denn dann wäre das Weisungsrecht de facto völlig wertlos. Vgl. J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130. S. zur Problematik des Weisungsrechts ausf. Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1071.
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e) Vermeidung von Problemen Von der Beschränkung auf Einpersonengesellschaften verspricht sich die Kommission zugleich aber vor allem eine ganz wesentliche Verringerung des Regelungsaufwands und des politischen Konfliktpotentials. Denn hierdurch stellt sich eine ganze Vielzahl von Problemen von vornherein überhaupt nicht, z. B. der Schutz der Minderheitsgesellschafter oder die Lösung von Interessenkonflikten zwischen den Gesellschaftern.¹⁶ Probleme von vornherein vermeiden will die Kommission aber offenbar auch in Bezug auf die Arbeitnehmerbeteiligung. Hierzu enthält der Entwurf schlicht gar keine Regelungen; die Arbeitnehmerbeteiligung soll sich vielmehr allein nach dem nationalen Recht des Sitzstaats richten.¹⁷ Damit will die Kommission ganz offensichtlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: (1) Kein komplexes System aus Verhandlungen und Auffanglösung, über dessen Details man im Gesetzgebungsverfahren lange streiten und das später die Gründung verzögern oder erschweren könnte; (2) wenn es für die SUP bei den nationalen Regeln bleibt, die auch für die entsprechende nationale Rechtsform gelten, dürften sich die Mitgliedstaaten eigentlich nicht beschweren können.
f) Minimaler Eingriff in das nationale Recht Überhaupt ist die Kommission ersichtlich darum bemüht, die Eingriffe in das nationale Recht mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip¹⁸ – und die politische Konsensfindung − so gering wie möglich zu halten. Zunächst einmal soll die SUP keine eigenständige supranationale Rechtsform sein, sondern es soll lediglich ein harmonisierter Rechtsrahmen für nationale Einpersonengesellschaften geschaffen werden.¹⁹ Nationale Rechtsformen, die diese harmonisierten Standards erfüllen, sollen sich dann mit dem europäischen Label „SUP“ als eine Art „EU-Gütesiegel“ schmücken dürfen.²⁰ Jeder Mitgliedstaat soll zudem insbesondere auch selbst entscheiden können, ob er die SUP-Standards (i) auf alle Einpersonenprivatgesellschaften anwendet (so
Vgl. auch J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130. Vgl. MEMO/14/274, FAQ 15; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130. Vgl. dazu COM(2014) 212, S. 5 f. Vgl. COM(2014) 212, S. 5 f.; Erwägungsgrund 8; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; Omlor, NZG 2014, 1137, 1138. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; s. ferner auch Erwägungsgrund 9.
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dass alle nationalen Einpersonenprivatgesellschaften zugleich SUP wären), oder ob (ii) er weiterhin parallel auch Einpersonenprivatgesellschaften nach seinen eigenen nationalen Standards ermöglicht (so dass die SUP nur als zusätzliche Option neben die nationale Einpersonenprivatgesellschaft treten würde).²¹ In Deutschland hätten wir also die Wahl zwischen folgenden beiden Modellen²²: (i) Anpassung des GmbH-Rechts an die SUP-Standards, so dass alle Einpersonen-GmbH bzw. UG automatisch SUP wären. (ii) SUP als Alternative zur Einpersonen-GmbH (bzw. -UG). Vom Gedanken des geringstmöglichen Eingriffs in das nationale Recht getragen ist zudem die Wahl des Rechtinstruments einer Richtlinie statt einer Verordnung – und noch dazu in Anknüpfung an die bereits seit 1989 existierende Einpersonengesellschaftsrichtlinie²³.
g) Höhere Realisierungschance durch Ausgestaltung als Richtlinie Eine Richtlinie hat aber vor allem noch einen ganz anderen Vorteil, der unzweifelhaft in der Kalkulation der Kommission ebenfalls eine erhebliche Rolle spielt: Eine Verordnung auf der Basis der Auffangkompetenz in Art. 352 AEUV – wie sie bislang für die Europäischen Rechtsformen verwendet wurde – erfordert Einstimmigkeit im Rat.²⁴ Eine Richtlinie auf der Basis des Art. 50 AEUV kann hingegen im Rat ggf. auch mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden (Art. 50 AEUV i.V. m. Art. 293, 294 AEUV²⁵). Es hat also nicht jeder einzelne Mitgliedstaat ein faktisches Vetorecht, mit dem er die Verabschiedung blockieren könnte.
Vgl. Erwägungsgrund 10; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129; Omlor, NZG 2014, 1137, 1139. Vgl. dazu auch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 747. Ursprünglich: RL 89/667/EWG; seit 21.10. 2009: RL 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABlEU v. 1.10. 2009, L 258/20. Text und ausf. Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 29 m. z.w. N. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; Hommelhoff, AG 2012, 211, 212; J. Schmidt, GmbHR 2014, R 129, R130; Teichmann, ZRP 2013, 169, 170 f. Gem. Art. 50 Abs. 1 AEUV gilt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 293 ff. AEUV. Nach Art. 293 Abs. 1 AEUV kann der Rat einen Vorschlag der Kommission zwar grundsätzlich nur einstimmig abändern, für die Fälle eines Vermittlungsverfahrens mit dem Europäischen Parlament nach Art. 294 Abs. 10 und 13 AEUV ist jedoch ausdrücklich eine Ausnahme vorgesehen; hier kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit (Art. 238 Abs. 2 AEUV i.V. m. Art. 16 Abs. 4 EUV) beschließen. Vgl. auch Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; Hommelhoff, AG 2012, 211, 212; J. Schmidt, GmbHR 2014, R 129, R130; Teichmann, ZRP 2013, 169, 170 f.
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3. Zwischenresümee Die Kommission präsentiert die SUP damit quasi als eine „eierlegende Wollmilchsau“: Sie soll einerseits eine – zumindest nahezu – vollwertige Alternative zur SPE sein, die aber anderseits weit weniger ins nationale Recht eingreifen und zudem viel einfacher zu realisieren sein wird. Ob die SUP indes tatsächlich so „super“ ist? Daran bestehen − wie auch in anderen Beiträgen in diesem Tagungsband aufgezeigt wird und wie ich auch selbst bereits andernorts dargelegt habe²⁶ − ganz erhebliche Zweifel!
II. Der Kapitalschutz der SUP Fraglich ist insbesondere auch, wie es um den Kapitalschutz der SUP steht. Dies soll nun im zweiten Teil des Beitrags analysiert werden.
1. Mindestkapital Als Mindestkapital ist für die SUP – wie bereits angemerkt – nur ein symbolischer Betrag von einem Euro vorgesehen (Art. 16 Abs. 1 S. 1 SUP-RLE)²⁷. Ein Höchstwert, mit dem u.U. versucht werden könnte, größere Unternehmen von der SUP auszuschließen²⁸, darf nicht vorgesehen werden (Art. 16 Abs. 3 SUP-RLE). Der Entwurf folgt damit – wie schon der ursprüngliche SPE-Entwurf ²⁹ − dem allgemeinen Trend zur Abschaffung bzw. Aufweichung von Mindestkapitalerfordernissen.³⁰ Die dadurch schon bei der SPE entbrannte Diskussion geht nun also quasi „in die zweite Halbzeit“. Der massive Widerstand vieler Mitgliedstaaten gegen ein nur „symbolisches Mindestkapital“ hatte bei der SPE im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen Bedenken im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Reputation der Rechtsform durch unseriöse Gründungen; zum anderen zumindest partiell auch die Angst vor einer
Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1222 f.; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129 f. In Nicht-Euro-Staaten mindestens eine Einheit der jeweiligen Landeswährung (Art. 16 Abs. 1 S. 2 SUP-RLE). Vgl. Drygala, EuZW 2014, 491, 492; Jung, GmbHR 2014, 579, 587. Vgl. COM(2008) 396 (Art. 19 Abs. 4). Vgl. J. Schmidt, GmbHR 2014, R129.
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zu großen Konkurrenz für die eigene nationale Rechtsform.³¹ Beide Einwände lassen sich natürlich gleichermaßen auch in Bezug auf die SUP ins Feld führen.³² Deshalb war im Vorfeld auch erwogen worden, die Festsetzung des Mindestkapitals dem jeweiligen Mitgliedstaat zu überlassen – allerdings mit der doppelten Einschränkung, dass das Mindestkapital nicht höher als das für die nationale Privatgesellschaftsform sein und generell maximal 5.000 Euro betragen darf.³³ Denn man befürchtete, dass ein höherer Betrag – wie etwa 25.000 Euro für die deutsche GmbH – speziell für Gründer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten eine zu hohe Hürde sein könnte.³⁴ M. E. spricht jedoch in der Tat viel dafür, für die SUP ein nur symbolisches Mindestkapital von einem Euro ausreichen zu lassen. Zum einen wäre ein Betrag von maximal 5.000 Euro ohnehin eher eine Frage der Optik als eine echte Hürde. Zum anderen wäre es gerade in einem zentralen Punkt wie dem Mindestkapital misslich, statt eines einheitlichen Standards möglicherweise 28 bzw. (zusammen mit dem EWR) 31 unterschiedliche Regelungen zu haben. Vor allem aber lässt es sich mit Blick auf den in den letzten Jahren zu verzeichnenden allgemeinen Trend zur Abschaffung bzw. Aufweichung von Mindestkapitalerfordernissen schwer plausibel rechtfertigen, für die SUP nun plötzlich wirklich ein signifikantes Mindestkapital verlangen zu wollen. Zumindest aus deutscher Sicht würde die Alternative eines von den Mitgliedstaaten festzulegenden Maximalbetrags i.V. m. dem Gebot der Gleichbehandlung mit der nationalen Rechtsform letztlich ohnehin weitgehend ins Leere laufen: Denn wegen des Gleichbehandlungsgebots müssten wir ohnehin die UGSUP mit einem Mindestkapital von einem Euro akzeptieren. Dann besser gleich offen und ehrlich den Weg der 1-Euro-Lösung!
Vgl. in Bezug auf die SPE: Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012,§ 43 Rn. 73 m.w. N. Vgl. kritisch etwa BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 3; Österreichische Notariatskammer, Stellungnahme v. 15.5. 2014, AZ 532.30, S. 6; Ries, NZG 2014, 569, 570. Dies war eine Variante im unveröffentlichten Vorentwurf und war ähnlich (allerdings mit einem Maximalbetrag von 8.000 Euro) auch im letzten ungarischen Entwurf für die SPE vorgesehen gewesen, vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012,§ 43 Rn. 73. Vgl. in Bezug auf die SPE: Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 73 m.w. N.
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2. Verbot einer gesetzlichen Rücklagepflicht Allerdings soll es bei der SUP – anders als bei der UG – keine gesetzliche Pflicht zur Rücklagenbildung geben; Art. 16 Abs. 4 SUP-RLE verbietet dies ausdrücklich.³⁵ Die Kommission erachtet das für die deutsche UG normierte Modell, die Gesellschaften durch eine gesetzliche Pflicht zur Rücklagenbildung (§ 5a Abs. 3 GmbHG) zum „Ansparen“ eines Haftungssubstrats zu animieren³⁶, ganz offenbar nicht für zielführend.³⁷ In der Tat kann eine solche Thesaurierungspflicht ohnehin nie eine vollwertige Kompensation für den Verzicht auf ein substantielles Mindestkapital sein.³⁸ Zudem zeigt die deutsche Praxis, dass sich mit einiger „Kreativität“ unschwer Wege finden lassen, sie legal – oder auch weniger legal – zu „umgehen“.³⁹ Vor diesem Hintergrund sprechen m. E. durchaus gute Gründe für die Entscheidung, von einer solchen Thesaurierungspflicht abzusehen und so die mit ihr verbundenen Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine mittelbare Absage erteilt hat die Kommission damit zugleich auch dem österreichischen Modell, die Mindestkapitalprivilegierung zeitlich zu begrenzen (vgl. § 10b öGmbHG)⁴⁰.
3. Transparenz des Kapitals auf der Geschäftskorrespondenz Stattdessen präferiert die Kommission offenbar die Methode „Schutz durch Transparenz“: Gem. Art. 16 Abs. 5 SUP-RLE müssen das eingezahlte und das gezeichnete Kapital in Briefen und Auftragsformularen sowie – soweit vorhanden – auch auf der Website der Gesellschaft angegeben werden.
Vgl. kritisch dazu BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 7; Österreichische Notariatskammer, Stellungnahme v. 15.5. 2014, AZ 532.30, S. 6. Vgl. BegrRegE z. MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 32. Vgl. zum offensichtlich Abzielen der Regelung auf § 5a GmbHG auch Drygala, EuZW 2014, 491, 492; Jung, GmbHR 2024, 579, 587. Vgl. Lutter, in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 5a Rn. 35; Müller, ZGR 2012, 81, 111. Vgl. zu zulässigen Gestaltungsspielräumen und unzulässigen Umgehungsstrategien etwa Lutter (Fn. 38), § 5a Rn. 39 ff. m.w. N. Ausf. zu den Vor- und Nachteilen der Thesaurierungspflicht etwa Müller, ZGR 2012, 81 ff. m.w. N. Nach § 10b Abs. 2 S. 2 öGmbHG kann eine gründungsprivilegierte GmbH bereits mit 10.000 Euro (statt 35.000 Euro,vgl. § 6 Abs. 1 S. 2 öGmbHG) Stammkapital gegründet werden; diese Gründungsprivilegierung endet jedoch nach spätestens 10 Jahren (vgl. § 10b Abs. 5 S. 2 öGmbHG). Vgl. zum Ganzen Adensamer/Kerschbaum, NZG 2014, 452, 453 f.; Zollner, in Gruber/Harrer, GmbHG, Ergänzungsheft 2014, § 10b Rn. 27 ff., 39 ff.
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In Deutschland war die Einführung einer solchen Angabepflicht 2005 im Referentenentwurf für ein Mindestkapitalgesetz vorgesehen gewesen⁴¹, wurde dann aber nicht in den Regierungsentwurf übernommen. Hauptkritikpunkte waren, dass eine solche Angabe eher die Gefahr der Irreführung des Publikums über die tatsächliche Vermögenslage der Gesellschaft berge⁴² und zudem bei jeder Änderung des Stammkapitals auch neue Geschäftsbriefe etc. gedruckt werden müssten⁴³. In der Tat mag es zwar durchaus sein, dass einzelne rechtsunkundige Gläubiger im Falle der Angabe einer hohen Stammkapitalziffer zu Fehlvorstellungen über die finanzielle Lage der Gesellschaft veranlasst werden könnten. Ebenso wie Kosten und Aufwand für eine etwaige Anpassung der Geschäftsbriefe sollte dieses Risiko m. E. indes nicht überbewertet werden. Im Übrigen gilt eine solche Angabepflicht z. B. in Frankreich bereits seit Jahrzehnten für alle Kapitalgesellschaften⁴⁴ und hat dort ganz offenbar nicht zu größeren praktischen Problemen geführt. Fehl geht im Übrigen jedenfalls der in diesem Kontext teils geltend gemachte Einwand, dass es doch viel sinnvoller wäre, die SUP zur Angabe von Register und Registernummer auf ihrer Geschäftskorrespondenz zu verpflichten, denn damit könne der Rechtsverkehr doch noch viel mehr Informationen als nur die Kapitalziffer erhalten.⁴⁵ Eine solche Angabepflicht besteht bereits: Denn jede SUP ist zugleich eine Kapitalgesellschaft i. S. d. 1. (Publizitäts‐)Richtlinie⁴⁶ und daher
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG) v. 15.4. 2005, abrufbar unter . Vgl. BDA/BDI/DIHK/GDV/BDA, Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH − MindestkapG v. 17. 5. 2005, abrufbar unter < http://www.dihk.de/ressourcen/downloads/mindestkapitalgesetz.pdf>, S. 3; K. Schmidt, DB 2005, 1095. Ebenso nun auch in Bezug auf die SUP: BDA/BDI/DIHK, Gemeinsame Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, COM(2014) 212 final, S. 8 (abrufbar unter ); Omlor, NZG 2014, 1137, 1140. Vgl. BDA/BDI/DIHK/GDV/BDA (Fn. 42), S. 4; K. Schmidt, DB 2005, 1095. Ebenso nun auch in Bezug auf die SUP: BDA/BDI/DIHK (Fn. 42), S. 8; Omlor, NZG 2014, 1137, 1140. Vgl. Art. R123 – 238 C. com. (bis 2007: Art. 28 und Art. 56 Décret n°67– 236 du 23 mars 1967 sur les sociétés commerciales, JORF du 24 mars 1967, p. 2843). Vgl. BDA/BDI/DIHK (Fn. 42), S. 8. Ursprünglich: RL 68/151/EWG. Seit 21.10. 2009 kodifiziert als: RL 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9. 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu
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aufgrund der jeweiligen nationalen Umsetzungsvorschriften zu Art. 5 der 1. (Publizitäts‐)Richtlinie zur Angabe der dort genannten „Schlüsselinformationen“⁴⁷ – einschließlich Register und Registernummer – verpflichtet.
4. Kapitalaufbringung a) Einlageformen Die Regelung der Kapitalaufbringung in Art. 17 SUP-RLE ist jedenfalls legislativtechnisch komplett verunglückt und schon deshalb dringend überarbeitungsbedürftig. Gemeint ist offenbar, dass die Kapitalaufbringung grundsätzlich sowohl in Form von Bar- als auch in Form von Sacheinlagen erfolgen kann (arg. ex Art. 17 Abs. 2 SUP-RLE)⁴⁸; zulässig ist aber natürlich auch eine Kombination. Das „mindestens“ in Art. 17 Abs. 2 S. 2 SUP-RLE soll wohl bedeuten, dass auch Gegenstände, die nach dem Standard von Art. 7 der 2. (Kapital‐)RL⁴⁹ nicht einlagefähig wären – d. h. insbesondere Arbeits- und Dienstleistungen – Einlagegenstand sein können, sofern dies nach dem anwendbaren nationalen Recht zulässig ist (wie z. B. für die englische Limited⁵⁰).⁵¹ Im Falle der Online-Eintragung ist jedoch nur eine Bareinlage in Form einer Einzahlung auf das Bankkonto der SUP zulässig (Art. 17 Abs. 2 S. 1 SUP-RLE). Ratio ist – ähnlich wie bei der Parallelregelung in § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG – die Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungsverfahrens⁵², aber auch der Schutz der Gläubiger⁵³.
gestalten, ABlEU v. 1.10. 2009, L 258/11. Text und ausf. Erläuterungen bei Lutter/Bayer/ J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012,§ 19 m. z.w. N. Vgl. dazu nur Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012,§ 19 Rn. 25 m.w. N. Vgl. auch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 742; Jung, GmbHR 2014, 579, 588. Ursprünglich: RL 77/91/EWG; seit 4.12. 2012: RL 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10. 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (Neufassung), ABlEU v. 14.11. 2012, L 315/74. Text mit Stand 2011 und ausf. Erläuterungen bei Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 m. z.w. N. Arg. e contrario e sec. 585 Companies Act 2006. Vgl. i. d. S. offenbar auch Jung, GmbHR 2014, 579, 588. Vgl. zu § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG: Lutter (Fn. 38), § 5a Rn. 21.
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b) Einlagezeitpunkt Gem. Art. 17 Abs. 1 SUP-RLE muss das Stammkapital zum Zeitpunkt der Eintragung der SUP voll eingezahlt sein. Da das Mindestkapital ohnehin nur einen Euro beträgt, besteht für die Zulässigkeit einer Halbeinzahlung in der Tat kein legitimes Bedürfnis.⁵⁴ Für Kapitalerhöhungen findet sich hingegen keine spezielle Vorschrift betreffend den Einlagezeitpunkt; dieser dürfte sich folglich nach dem anwendbaren nationalen Recht richten. Im Falle von Bareinzahlungen muss gem. Art. 17 Abs. 3 SUP-RLE die Zahlung auf ein Bankkonto bei jeder in der EU tätigen Bank als Nachweis anerkannt werden. Damit soll verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat dadurch „Gründungshürden“ errichtet, dass er eine Einzahlung auf ein inländisches Bankkonto verlangt. Dem dürfte freilich schon die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) entgegenstehen, so dass die Regelung letztlich nur deklaratorisch ist. Angesichts des inzwischen erreichten Stands der Harmonisierung des Bank- und Zahlungsdiensterechts wäre alles andere auch kaum zu rechtfertigen.
c) Wertprüfung bei Sacheinlagen Mangels spezieller Regelung richtet sich ferner insbesondere auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Sacheinlagen eine Wertprüfung durch Sachverständige und/oder ein Sachgründungsbericht der Gründer erforderlich ist, nach dem anwendbaren nationalen Recht. Dies entspricht dem, was im letzten Kompromissentwurf der ungarischen Ratspräsidentschaft (SPE-VOE-HU3)⁵⁵ auch für die SPE vorgesehen war.⁵⁶ Immerhin muss die Wertdeckung aber zumindest im Falle der Umwandlungsgründung bei jeder SUP zwingend geprüft werden: Denn Art. 9 Abs. 3 lit. c SUP-RLE verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine Gesellschaft nur dann im Wege der Umwandlung zur SUP wird, wenn ihr Nettovermögen mindestens dem Betrag ihres gezeichneten Kapitals zuzüglich der Rücklagen, die nach ihrer Satzung nicht ausgeschüttet werden dürfen, entspricht.⁵⁷
Vgl. zu § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG: Lutter (Fn. 38), § 5a Rn. 21. Vgl. zur Parallelregelung in § 5a Abs. 2 S. 1 GmbHG: BegrRegE z. MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 32. Dok. 10611/11 (abgedruckt bei Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 (S. 1734 ff.). Vgl. dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 83. Vgl. dazu auch Drygala, EuZW 2014, 491, 494.
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5. Kapitalerhaltung a) Ausschüttungen aa) Zulässigkeit von Ausschüttungen Ausschüttungen an den Alleingesellschafter sind bei der SUP im Interesse des Gläubigerschutzes⁵⁸ kumulativ sowohl an einen Bilanz- als auch an einen Solvenztest gebunden (vgl. Art. 18 SUP-RLE). Weitere Ausschüttungssperren bzw. sonstige Beschränkungen in Bezug auf die Verwendung des Kapitals sollen die Mitgliedstaaten nicht aufstellen.⁵⁹
(1) Begriff der Ausschüttung Der in der deutschen Fassung verwendete Begriff „Gewinnausschüttung“ ist freilich etwas missverständlich.⁶⁰ Denn nach der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 3 SUP-RLE umfasst er jeden finanziellen Vorteil, den der einzige Gesellschafter aufgrund des einzigen Anteils direkt oder indirekt aus der SUP zieht, einschließlich einer Übertragung von Geld oder Immobilien; Gewinnausschüttungen können in Form einer Dividende, durch Immobilienerwerb oder -verkauf oder auf jedem anderen Weg erfolgen. Anders als bei Art. 17 der 2. (Kapital‐)RL⁶¹ ist bei der SUP also erfreulicherweise ausdrücklich klargestellt, dass auch sog. „verdeckte“ Vermögensverlagerungen erfasst sind⁶².
(2) Bilanztest (Art. 18 Abs. 2 SUP-RLE) Der in Art. 18 Abs. 2 SUP-RLE geregelte Bilanztest entspricht dem, der im letzten Ratskompromissvorschlag für die SPE (SPE-VOE-HU3⁶³) vorgesehen war:⁶⁴ Aus-
Vgl. Erwägungsgrund 19 S. 6 f.; COM(2014) 212, S. 8; Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129. Vgl. Erwägungsgrund 19 S. 8; Jung, GmbHR 2014, 579, 588. In der englischen und französischen Fassung wird hingegen schlicht von „distributions“ gesprochen. Da es gerade nicht nur um Gewinne geht, sollte auch in der deutschen Fassung besser schlicht der Begriff „Ausschüttungen“ verwendet werden. Art. 17 der 2. (Kapital‐)Richtlinie (Fn. 49) erfasst zwar richtiger Ansicht nach ebenfalls auch verdeckte Vermögensverlagerungen; mangels ausdrücklicher Regelung wird dies jedoch teilweise bestritten. Vgl. zum Streitstand Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 82 m.w. N. Vgl. auch Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1072 f. Fn. 55.
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schüttungen an den Alleingesellschafter sind unzulässig, wenn das im Jahresabschluss ausgewiesene Nettovermögen bei Abschluss des letzten Geschäftsjahres den Betrag des Stammkapital zuzüglich der statutarischen Rücklagen unterschreitet oder durch eine solche Ausschüttung unterschreiten würde (Art. 18 Abs. 2 S. 1 SUP-RLE). Berechnungsgrundlage ist die letzte festgestellte Bilanz; nach Abschluss des Geschäftsjahres eingetretene Veränderungen des Stammkapitals oder des nicht ausschüttbaren Teils der Rücklage werden aber ebenfalls berücksichtigt (Art. 18 Abs. 2 S. 3 SUP-RLE).
(3) Solvenztest (Art. 18 Abs. 3 und 4 SUP-RLE) Der in Art. 18 Abs. 3 und 4 SUP-RLE geregelte Solvenztest entspricht ebenfalls inhaltlich dem, was zuletzt im Rat (SPE-VOE-HU3⁶⁵) auch für die SPE vorgesehen war⁶⁶ − allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass der Solvenztest nicht nur eine Mitgliedstaatenoption, sondern bei allen SUP zwingend ist.⁶⁷ Vorbild für die SPE-Regelung war wiederum ganz offenbar die 2006 eingeführte englische Regelung einer Kapitalherabsetzung mit Hilfe einer Solvenzbescheinigung (reduction of capital supported by solvency statement) in s. 642 ff. CA 2006⁶⁸. Das Leitungsorgan muss in einer sog. Solvenzbescheinigung schriftlich⁶⁹ bestätigen, nach umfassender Prüfung der Geschäfte und der Geschäftsaussichten der SUP zu der begründeten Auffassung gelangt zu sein, dass die SUP in dem auf die geplante Ausschüttung folgenden Jahr in der Lage sein wird, ihre Schulden bei Fälligkeit im normalen Geschäftsgang zu begleichen (Art. 18 Abs. 3 S. 2 SUP-RLE). Die Solvenzbescheinigung ist vom Leitungsorgan zu unterzeichnen und dem einzigen Gesellschafter 15 Tage vor Fassung des Ausschüttungsbeschlusses in Kopie vorzulegen (Art. 18 Abs. 3 S. 3 SUP-RLE); dadurch soll gewährleistet werden, dass er eine informierte Entscheidung treffen kann⁷⁰.
Vgl. auch Jung, GmbHR 2014, 579, 588. Zur Regelung bei der SPE siehe Lutter/Bayer/ J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 85, 89 m.w. N. Fn. 55. Vgl. dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 92 m.w. N. Vgl. auch Jung, GmbHR 2014, 579, 588. Companies Act 2006 (c. 46). Hier dürfte − wie bei Art. 4 Abs. 2 der Einpersonengesellschaftsrichtlinie (Fn. 23), vgl. dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 29 Rn. 32 m.w. N. zur Parallelproblematik in anderen Richtlinien − nur eine textliche Fixierung i. S.d. § 126b BGB, nicht Schriftform im strengen Sinn des § 126 Abs. 1 BGB gemeint sein. Vgl. zur Parallelproblematik bei Art. 4 Abs. 2 SUP-RLE bereits oben bei Fn. 13. Vgl. zur Parallelregelung in Art. 21 Abs. 4 SPE-VOE-HU3 (Fn. 46): Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 92.
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Zwecks Transparenz für die Gläubiger⁷¹ muss die Solvenzbescheinigung gem. Art. 18 Abs. 4 S. 1 SUP-RLE auch offengelegt werden; gemeint ist damit offenbar eine Offenlegung nach Maßgabe der nationalen Umsetzungsvorschriften zur 1. (Publizitäts‐)RL⁷². Sofern die Gesellschaft über eine Website verfügt, ist die Solvenzbescheinigung auch dort zugänglich zu machen (Art. 18 Abs. 4 S. 2 SUP-RLE).
bb) Rückforderung und Sanktionierung zu Unrecht erfolgter Ausschüttungen Zur Effektivierung der Ausschüttungssperren sieht der SUP-RLE eine Rückzahlungspflicht (Art. 19 SUP-RLE) sowie eine Haftung der Geschäftsführer und des Alleingesellschafters gegenüber der Gesellschaft⁷³ (Art. 18 Abs. 5 SUP-RLE) vor. Diese sanktionieren allerdings nur Verstöße gegen Art. 18 Abs. 2 und 3 SUP-RLE (d. h. Verletzungen des Bilanz- und Solvenztests). Für eine Verletzung der Verpflichtung zur Offenlegung der Solvenzbescheinigung gem. Art. 18 Abs. 4 SUP-RLE sind hingegen keine speziellen Sanktionen vorgesehen. Hier sollen offenbar nur die allgemeinen nationalen Sanktionsinstrumente für die Verletzung von Publizitätspflichten bzw. die allgemeine Verpflichtung zur Schaffung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen in Art. 28 SUP-RLE greifen.
(1) Rückforderung zu Unrecht erfolgter Ausschüttungen (Art. 19 SUP-RLE) Nach Art. 19 SUP-RLE müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass gegen Art. 18 Abs. 2 und 3 SUP-RLE verstoßende (d. h. unter Verletzung des Bilanz- und/oder Solvenztests vorgenommene) Ausschüttungen an die SUP zurückgezahlt werden müssen – allerdings nur, wenn feststeht, dass der Alleingesellschafter wusste oder in Anbetracht der Umstände hätte wissen müssen, dass die Ausschüttung gegen Art. 18 Abs. 2 oder 3 SUP-RLE verstoßen würde.
Vgl. zur Parallelregelung in Art. 21 Abs. 4 SPE-VOE-HU3 (Fn. 46): Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 92. Dies war in Art. 21 Abs. 4 Unterabs. 2 SPE-VOE-HU3 (Fn. 55) ausdrücklich so vorgesehen; eine entsprechende Klarstellung wäre auch für die SUP anzuraten. Von einer Offenlegung im Bundesanzeiger oder Handelsregister ausgehend auch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743. Dass die Haftung gegenüber der Gesellschaft bestehen soll ergibt sich – entgegen Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743 – relativ klar aus dem Gesamtkonzept der Regelung. Ebenso i. E. auch DNotV, Stellungnahme v. 30.4. 2014, S. 9 (abrufbar unter ).
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Rückzahlungspflichtig ist also nur der bösgläubige Alleingesellschafter und die Beweislast hierfür trägt zudem die SUP⁷⁴. Dadurch wird die Sanktionswirkung zweifellos erheblich gemindert.⁷⁵ Andererseits ist dies jedoch mit Blick auf die Parallelregelung in Art. 18 der 2. (Kapital‐)RL⁷⁶ nur systemkohärent.⁷⁷
(2) Haftung der Geschäftsführer und des Alleingesellschafters (Art. 18 Abs. 5 SUP-RLE) Wenn eine Ausschüttung gegen Art. 18 Abs. 2 und 3 SUP-RLE (also den Bilanzund/oder Solvenztest) verstößt, kommt zudem eine persönliche Haftung der Geschäftsführer, die sie empfohlen oder angeordnet haben, sowie des Alleingesellschafters, der sie beschlossen hat, in Betracht. Sowohl Geschäftsführer als auch Alleingesellschafter haften aber nur dann persönlich, wenn sie den Verstoß kannten oder in Anbetracht der Umstände hätten kennen müssen; die Beweislast hierfür liegt wiederum bei der Gesellschaft⁷⁸. Nach Sinn und Zweck erfasst diese Haftung nicht nur die wertmäßige Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch Folgeschäden⁷⁹ (z. B. Produktionsausfälle bei Weggabe wichtiger Produktionsmittel⁸⁰ oder Zinsausfälle bei vorzeitiger Schuldentilgung⁸¹). Nicht ganz klar ist allerdings, in welchem Verhältnis die Haftung mehrerer Geschäftsführer bzw. von Geschäftsführer und Alleingesellschafter zueinander steht sowie das Konkurrenzverhältnis von Haftung und Rückzahlungspflicht.⁸² Im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes sollte hier zweckmäßigerweise eine Gesamtschuld vorgesehen werden.
Entgegen Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743 ergibt sich diese Beweislastverteilung klar aus der Formulierung. Ebenso i. E. auch BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 8; DNotV (Fn.76), S. 10; Drygala EuZW 2014, 491, 496. Vgl. BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 8; DNotV (Fn.76), S. 10; Drygala EuZW 2014, 491, 496; zur Parallelregelung in Art. 22 SUP-VOE-HU3 (Fn. 55): Handelsrechtsausschuss des DAV, Beil. zu NZG 7/2009, 1, 8; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 908; Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 93. Fn. 49. Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 92 ff. m.w. N. Vgl. zur Parallelregelung in Art. 22 SUP-VOE-HU3 (Fn. 55): Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 93; J. Schmidt, EWS 2008, 455, 460. Entgegen Beurskens GmbHR 2014, 738, 743 ergibt sich diese Beweislastverteilung klar aus der Formulierung. Ebenso i. E. auch DNotV (Fn.76), S. 9. Vgl. Jung, GmbHR 2014, 579, 589. Vgl. Jung, GmbHR 2014, 579, 589. Vgl. zu § 43 Abs. 3 GmbHG: OLG Koblenz NJW-RR 2000, 483, 484. Vgl. Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743; Jung, GmbHR 2014, 579, 589.
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Strafrechtliche Sanktionen (wie z. B. im englischen Recht⁸³) sind nicht vorgesehen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Schaffung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen aus Art. 28 SUP-RLE dürfte es den Mitgliedstaaten aber freistehen, solche zu schaffen.
b) Eigener Anteil Zum Kapitalschutz im weiteren Sinne gehört auch die Problematik eigener Anteile. Für Aktiengesellschaften hat die 2. (Kapital‐)RL⁸⁴ insofern bekanntermaßen ein höchst komplexes Regelungsgeflecht etabliert (vgl. Art. 20 ff. der 2. (Kapital‐)RL⁸⁵). Für die SUP kann es insoweit hingegen aufgrund ihres Charakters als Einpersonengesellschaft prinzipiell bei einer relativ schlanken Regelung bleiben. Art. 15 Abs. 2 SUP-RLE bestimmt schlicht, dass der einzige Anteil der SUP von dieser weder direkt noch indirekt erworben werden noch direkt oder indirekt in ihrem Eigentum stehen darf. Man wird die Vorschrift wohl so verstehen müssen, dass entsprechende Rechtsgeschäfte schlicht nichtig sind. Mit Blick auf die Ratio der Norm wird man den Begriff des „indirekten“ Erwerbs wohl weit fassen müssen, so dass dieser nicht nur den Erwerb durch abhängige Unternehmen, sondern auch den Erwerb durch Dritte im eigenen Namen, aber auf Rechnung der SUP, und darüber hinaus auch Fälle der financial assistance erfasst. Gleichwohl wäre hier sicherlich eine Klarstellung oder zumindest ein erläuternder Erwägungsgrund zu wünschen.
c) Keine Konsultationspflicht bei Kapitalverlusten Dritte Säule der Kapitalerhaltung neben Regeln zu Ausschüttungen und eigenen Anteilen ist im Rahmen der 2. (Kapital‐)RL⁸⁶ eine Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung bei Verlust der Hälfte des Kapitals (Art. 19 der 2. (Kapital‐)RL ⁸⁷). Für die UG normiert das deutsche Recht mit Blick auf das nur symbolische Mindestkapital⁸⁸ eine Einberufungspflicht im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 5a Abs. 4 GmbHG). Für die SUP ist indes nichts dergleichen vorgesehen. Zu-
Vgl. s. 643(4), (5) CA 2006. Fn. 49. Vgl. dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 100 ff. Fn. 49. Vgl. dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 92 ff. m.w. N. Vgl. BegrRegE z. MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 32.
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mindest dann, wenn Geschäftsführer und Alleingesellschafter nicht personenidentisch sind, wäre eine Pflicht zur Konsultation des Alleingesellschafters im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit indes durchaus sinnvoll. Es sollte daher erwogen werden, eine solche noch zu ergänzen. Indes könnte man freilich argumentieren, dass ein Geschäftsführer, der den Alleingesellschafter in einem solchen Falle nicht konsultiert, i. d. R. ohnehin seine Geschäftsführerpflichten⁸⁹ verletzten würde.
d) Resümee zur Kapitalerhaltung Zumindest in einer Reihe von Detailpunkten und Randfragen bedarf der SUP-RLE somit in Bezug auf die Ausgestaltung der Kapitalerhaltung eindeutig noch der Verbesserung. Aber wie sieht es mit dem Gesamtkonzept aus? Mit der zwingenden Kumulation von Bilanz- und Solvenztest ist m. E. ein jedenfalls akzeptabler Schutzstandard für Gläubiger und Rechtsverkehr erreicht.⁹⁰ Die mit dem Solvenztest verbundene Prognoseentscheidung eröffnet freilich durchaus gewisse Beurteilungsspielräume.⁹¹ Art. 18 Abs. 3 S. 2 SUP-RLE verlangt indes ausdrücklich, eine „begründete Auffassung“ auf der Basis einer „umfassenden Prüfung der Geschäfte und der Geschäftsaussichten der SUP“, legt also prinzipiell strenge Maßstäbe an. Dies ist unter Gläubigerschutzaspekten nachdrücklich zu begrüßen, bedeutet aber zugleich natürlich ein hohes Haftungsrisiko für die Geschäftsführer⁹². Für sie ergibt sich damit eine echte Zwickmühle: Auf der einen Seite wird der Alleingesellschafter (der überdies die Macht hat, sie jederzeit abzuberufen, vgl. Art. 22 Abs. 5 S. 1 SUP-RLE) auf die Vornahme der Ausschüttung drängen, auf der anderen Seite droht im Falle einer unzulässigen Ausschüttung ein erhebliches Haftungsrisiko.⁹³ Vor diesem Hintergrund wäre es sicherlich sinnvoll, weitere Leitlinien für die Solvenzprognose aufzustellen, ggf. auch mittels
Diese ergeben sich mangels Regelung im SUP-RLE gem. Art. 7 Abs. 4 SUP-RLE aus dem anwendbaren nationalen Recht. Ebenso i. E. auch Drygala EuZW 2014, 491, 496. Sehr kritisch daher BDA/BDI/DIHK (Fn. 42), S. 8; Omlor, NZG 2014, 1137, 1140. Äußerst kritisch zum Solvenztest auch BRAK, Stellungnahme 31/2014, S. 8; Ries, NZG 2014, 569, 570; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417. Vgl. BDA/BDI/DIHK (Fn. 42), S. 9; Drygala, EuZW 2014, 491, 497 ; Omlor, NZG 2014, 1137, 1140. Vgl. zu dieser Problematik auch CCI, Proposition de directive relative aux sociétés unipersonnelles à responsabilité limitée, Rapport présenté par Cécile André-Leruste et adopté le 5 juin 2014, S. 12 f. (abrufbar unter ).
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eines delegierten Rechtsakts der Kommission.⁹⁴ Orientierung hierfür könnten die in England von der Law Society erstellten Leitlinien⁹⁵ sein.
6. Kapitalmaßnahmen Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen regelt der SUP-RLE nur ganz rudimentär.
a) Kapitalerhöhung Die Beschlussfassung über Kapitalerhöhungen ist gem. Art. 21 Abs. 2 S. 1 lit. c und S. 2 SUP-RLE zwingend dem Alleingesellschafter vorbehalten. Die Aufbringung des neuen Kapitals ist – nach dem bereits erwähnten − Art. 17 Abs. 2 S. 2 SUP-RLE durch Bar- und Sacheinlagen, sowie – soweit das nationale Recht dies zulässt – ggf. auch durch Arbeits- und Dienstleistungen zulässig.⁹⁶ Alles andere richtet sich aufgrund des Schweigens des SUP-RLE ebenfalls nach nationalem Recht. Bei der SUP ist diese regulatorische Enthaltsamkeit indes aufgrund ihres Charakters als Einpersonengesellschaft weniger problematisch als bei der SPE: Ob es z. B. ein Bezugsrecht gibt oder ob auch ein genehmigtes Kapital möglich ist, spielt hier naturgemäß keine Rolle. Denn der einzige, der ein Bezugsrecht haben könnte, ist der beschließende Alleingesellschafter und da er ohnehin allein und ohne größere Formalia beschließt, besteht auch für ein genehmigtes Kapital kein wirkliches Bedürfnis.
b) Kapitalherabsetzung Die Beschlussfassung über eine Kapitalherabsetzung ist gem. Art. 21 Abs. 2 S. 1 lit. d und S. 2 SUP-RLE ebenfalls zwingend dem Alleingesellschafter vorbehalten. Ansonsten wird die Kapitalherabsetzung nur in Art. 20 SUP-RLE angesprochen. Dieser verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Senkungen des Stammkapitals, die de facto zu einer Ausschüttung an den Alleingesellschafter führen, mit Art. 18 Abs. 2 und 3 SUP-RLE (also dem Bilanz- und Solvenztest) im
Für die Vorgabe von Leitlinien durch den Alleingesellschafter: CCI (Fn. 93), S. 13. Abrufbar unter . Vgl. oben II.4.a).
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Einklang stehen. Vorbild war hier wiederum ersichtlich die englische Regelung in ss. 642 ff. CA 2006.⁹⁷ Dies wirft zunächst die Frage auf, ob auch eine Kapitalherabsetzung zur Verlustdeckung zulässig ist.Wortlaut des Art. 20 SUP-RLE und Gesamtkonzept des SUP-RLE sprechen jedoch dafür, dass Art. 20 SUP-RLE nicht als eine abschließende Regelung der zulässigen Formen einer Kapitalherabsetzung zu verstehen ist. Zulässigkeit und Verfahren einer Kapitalherabsetzung zur Verlustdeckung richten sich somit gem. Art. 7 Abs. 4 SUP-RLE nach dem anwendbaren nationalen Recht.⁹⁸ In Bezug auf eine Kapitalherabsetzung durch Ausschüttung erscheint es zunächst zumindest konsequent, wenn Art. 20 SUP-RLE diese an die Einhaltung der Art. 18 Abs. 2 und 3 SUP-RLE – also Bilanz- und Solvenztest − bindet. Denn letztlich kann es insofern keinen Unterschied machen, ob die Ausschüttung im Kontext einer Kapitalherabsetzung oder in sonstiger Form erfolgt. Fraglich ist jedoch, weshalb nicht auch die Offenlegungspflichten nach Art. 18 Abs. 4 SUP-RLE für entsprechend anwendbar erklärt werden.⁹⁹ Hintergrund könnte möglicherweise sein, dass jede Kapitalherabsetzung zugleich eine Satzungsänderung darstellt (das Stammkapital ist gem. Art. 11 Abs. 2 S. 1 SUP-RLE obligatorischer Satzungsbestandteil), so dass sich eine Offenlegungspflicht an sich bereits aus Art. 2 lit. b und c der 1. (Publizitäts‐)RL¹⁰⁰, ¹⁰¹ ergibt und man einen Verweis auf Art. 18 Abs. 4 SUP-RLE daher für überflüssig hielt. Nach Art. 2 lit. b und c der 1. (Publizitäts‐)RL ist jedoch nur die Satzungsänderung und eine konsolidierte Fassung der geänderten Satzung offenzulegen, nicht jedoch die Solvenzbescheinigung. Es gibt indes keinen legitimen Grund, die Offenlegung der Solvenzbescheinigung nicht auch im Falle einer Ausschüttung im Kontext einer Kapitalherabsetzung zu verlangen. In Art. 20 SUP-RLE wäre somit noch ein Verweis auch auf Art. 18 Abs. 4 SUP-RLE zu ergänzen. Allerdings ist ganz generell problematisch, ob die bloße Bindung an Bilanztest und Solvenzbescheinigung überhaupt eine adäquate Regelung für Kapitalherabsetzungen darstellt. Art. 36 f. der 2. (Kapital‐)RL¹⁰², ¹⁰³ sehen zum Schutz der Gläubiger als Mindeststandard einen durch eine Ausschüttungssperre gesicherten
Vgl. Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743. Ebenso Jung, GmbHR 2014, 579, 589 Fn. 96. Vgl. auch Jung, GmbHR 2014, 579, 589. Fn. 46. Vgl. zu Art. 2 lit. b und c der 1. (Publizitäts‐)RL etwa Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 19 Rn. 29 m.w. N. Fn. 49. Vgl. dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 210 ff.
Die SUP aus der Sicht der Kommission und ihr Kapitalschutz
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Anspruch auf Sicherheitsleistung vor und entsprechendes war auch im letzten Ratskompromiss (SPE-VOE-HU3¹⁰⁴) für die SPE geplant¹⁰⁵. Bilanz- und Solvenztest sind dem nicht wirklich gleichwertig, denn der Solvenztest bezieht sich nur auf die im nächsten Jahr fällig werdenden Forderungen. Da die Mitgliedstaaten keine weiteren Begrenzungen für Ausschüttungen aufstellen sollen (vgl. Erwägungsgrund 19 S. 8 SUP-RLE), wird man auch nicht annehmen können, dass nationale Regelungen betreffend einen Anspruch auf Sicherheitsleistung über Art. 7 Abs. 4 SUP-RLE auf die SUP Anwendung finden würden (zumal der „Sicherheitsstandard“ für die Gläubiger dann mangels Harmonisierung wieder vom nationalen Recht abhinge). Man könnte zwar argumentieren, dass die allermeisten SUP wohl ohnehin nicht mit einem signifikanten Stammkapital gegründet würden, so dass die Kapitalherabsetzung kein wirkliches Problem und ein System mit einem Anspruch auf Sicherheitsleistung unnötig kompliziert sei. Wirklich überzeugend ist das jedoch m. E. nicht.
7. Fazit zum Kapitalschutz Mein Fazit zum Kapitalschutz der SUP lautet daher: Von der Grundkonzeption her akzeptabel, im Detail aber jedenfalls noch dringend verbesserungsbedürftig! Dabei ist freilich die Grundproblematik der SUP – nämlich der mit ihr verbundene tiefgreifende Eingriff in das nationale GmbH-Recht – noch völlig ausgeblendet. Gerade in puncto Kapitalschutz weicht das SUP-Konzept indes doch ganz signifikant vom deutschen GmbH-Recht ab. Selbst wenn Deutschland sich dafür entscheidet, neben der SUP auch weiterhin die „normale“ EinpersonenGmbH bzw. -UG zuzulassen, so wird man doch auch und gerade beim Kapitalschutz¹⁰⁶ einen solchen „Dualismus“ zwischen tradiertem deutschen GmbH-Recht und zwingenden EU-Standards wohl kaum lange durchhalten können.¹⁰⁷ Die SUP hat damit das Potential eines „trojanischen Pferdes“, mit dem es quasi „durch die Hintertür“ zu einer faktischen Harmonisierung des gesamten GmbH-Rechts – nicht nur des Kapitalschutzes − kommen könnte.¹⁰⁸ Andererseits aber ist sie aus
Fn. 55. Vgl. dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 43 Rn. 108 ff. Vgl. auch Seibert, GmbHR 2014, R209, R210: „grundlegende Intrusion“. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; J. Schmidt, FAZ v. 19. 2. 2014; Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2182; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177, 186. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130; s. ferner bereits dies. FAZ v. 19. 2. 2014; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177, 186; vgl. weiter auch
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der Perspektive europäischer Unternehmen ein deutliches Minus gegenüber einer wirklich supranationalen und umfassend einsetzbaren SPE.¹⁰⁹
III. Gesamtresümee Als abschließendes Gesamtergebnis möchte ich daher festhalten: Bei isolierter Betrachtung der SUP ist der Kapitalschutz zwar vom Grundkonzept akzeptabel, im Detail bedarf es aber noch Verbesserungen. Ganz generell jedoch gilt: Die Kommission mag die SUP als „super“ anpreisen – tatsächlich ist sie jedoch suboptimal¹¹⁰.Wirklich „SUPer“ für KMU wäre eine gut ausgestaltete SPE.¹¹¹
Beurskens, GmbHR 2014, 738, 747. Zur Konkurrenzproblematik ferner auch Drygala, EuZW 2014, 491, 496 f. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130. Vgl. Bayer/J. Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; J. Schmidt, GmbHR 2014, R129, R130.
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Die SUP aus Sicht des nationalen Rechtssystems I. Einleitung Die Europäische Kommission hat mit ihrem Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter¹ einen neuen Anlauf zu einer Europa-GmbH genommen, nachdem der Vorschlag für eine Europäische Privatgesellschaft (SPE)² unter anderem am Widerstand der Bundesregierung wegen der Arbeitnehmermitbestimmung gescheitert war. Teil 2 des im Frühjahr 2014 vorgelegten Richtlinienvorschlags (RL-E) sieht ein in Einzelfragen durchgeregeltes Statut für eine Societas Unius Personae (SUP) vor. Zwar ist das von der Kommission mit der SUP verfolgte Ziel einer Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt³ sicherlich vernünftig.⁴ Dennoch stößt der Richtlinienvorschlag im Schrifttum auf ein zurückhaltendes Echo.⁵ Zahlreiche Verbände der Wirtschaft⁶ und der rechts- und steuerberatenden Berufe⁷ erheben zum Teil schwerwiegende Bedenken gegen den Richtlinienvorschlag und auch der Bun-
Vom 9.4. 2014, KOM(2014) 212 endg. Vom 25.6. 2008, KOM(2008) 396 endg.; dazu näher Hopt, EuZW 2008, 153; Röhricht/Maul, BB 2008, 1574; Fischer zu Cramburg, NZG 2008, 546; Cannivé/Brems, Der Konzern 2008, 629; Giedinghagen, NJW-Spezial 2008, 751; Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807; Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610; Hommelhoff/Krause/Teichmann, GmbHR 2008, 1193; Hadding/ Kießling, WM 2009, 145; Hennrichs, NZG 2009, 921; Teichmann/Hommelhoff, DStR 2008, 925; dies., GmbHR 2008, 897; dies., GmbHR 2009, 36; Kott/Rautenstrauch/Balmes, DStR 2009, 1557; Ries, NZG 2009, 1052; Jung, DStR 2009, 1700; Philipp, EuZW 2009, 277; Anziger, BB 2009, 2606; Franz/Münch, BB 2010, 2707; Heuschmid/Koberski, RdA 2010, 207; Wedemann, EuZW 2010, 534; Freudenberg, NZG 2010, 527; Teichmann, RIW 2010, 120; Bormann/König, RIW 2010, 111; Monografisch: Steiner, Societas Privata Europaea; Perspektiven einer neuen supranationalen Rechtsform, 2009. Richtlinienvorschlag (RL-E), Erwägungsgrund 5 ff. Omlor, NZG 2014, 1137, 1142. Vgl. etwa Wicke, ZIP 2014, 1414 ff.; Ries, NZG 2014, 569 f.; Dreher, NZG 2014, 967 ff.; Omlor, NZG 2014, 1137; positiv dagegen Drygala, EuZW 2014, 491 ff. Vgl. z. B. die Stellungnahme des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) vom Juni 2014 sowie die Gemeinsame Stellungnahme von BDA, BDI und DIHK vom 18.7. 2014. Vgl. z. B. die Stellungnahmen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) Nr. 31/2014 vom Juli 2014 und der Bundessteuerberaterkammer vom 23.7. 2014.
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desrat⁸ hat sich zu vielen Punkten ablehnend geäußert. Wie schon bei der SPE droht damit auch die SUP an der mangelhaften Ausgestaltung der vorgeschlagenen Regelungen zu scheitern. Dies ist im Hinblick auf die sinnvolle Zielsetzung bedauerlich, liegt jedoch in dem Umstand begründet, dass sich das angestrebte Ziel und der dorthin gewählte Weg nicht voneinander trennen lassen. Wenn der Unionsgesetzgeber eine nachhaltige, den Interessen des Rechtsverkehrs und der betroffenen Unternehmen entsprechende Lösung für eine weitgehend unionsrechtlich determinierte Rechtsform auf der Ebene der GmbH erreichen will, wird er deshalb um eine sorgfältige Analyse der vorgebrachten Kritikpunkte nicht herumkommen.
II. Bedeutung und Tragweite des Richtlinienvorschlages Gesetzliche Regelungen sind kein Selbstzweck. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Normsetzung die mit dem Vorhaben verbundenen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und mögliche Alternativen zu prüfen.
1. Gesellschaftsgründung als Teil der Unternehmensgründung Zunächst dürfte das Gesellschaftsrecht – wie Leuering in seinem Beitrag⁹ plastisch darlegt – für die Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen nur eine eingeschränkte Rolle spielen: Bei der Gründung einer Tochtergesellschaft oder der Errichtung einer Zweigniederlassung im Ausland nehmen die Auswahl des Standorts, die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten und die Einstellung von geeignetem Personal sowie die Erledigung der steuerrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und gewerberechtlichen Formalitäten regelmäßig so viel Zeit und Aufwand in Anspruch, dass die Kosten und die Schnelligkeit der eigentlichen Gesellschaftsgründung daneben regelmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung haben.
Stellungnahme des Bundesrates vom 11.7. 2014, BT-Drs. 165/14. Unten S. 88.
Die SUP aus Sicht des nationalen Rechtssystems
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2. Praktischer Bedarf für eine neue, weitgehend unionsrechtlich determinierte Rechtsform? Die SUP ist in ihren wesentlichen Organisationsstrukturen weitgehend unionsrechtlich determiniert. Gleichwohl ist in erheblichem Umfang der Rückgriff auf das Recht des Registerstaates erforderlich (Art. 7 Abs. 4 RL-E). Aber selbst bei einem unionsweit einheitlichen Gesellschaftsrechtsstatut in allen Mitgliedstaaten würden weiterhin erhebliche Kosten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aufgrund wesentlicher anderer Hürden entstehen, die den erhofften Vereinfachungseffekt weitgehend verpuffen lassen dürften. An erster Stelle sind hier die unterschiedlichen Steuersysteme und Steuersätze der Mitgliedstaaten zu nennen. Aber auch die Kosten für die Beratung der Unternehmen außerhalb des Gesellschaftsrechts, wie im Arbeitsrecht oder öffentlichen Recht (z. B. Bau-, Umwelt-, Gewerbe-, Immissionsschutzrecht), fallen weiterhin an. Darüber hinaus bestehen in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechnungslegungsstandards und Bilanzierungsregeln. Nicht zuletzt sei auch auf etwaige Sprachbarrieren im europäischen Rechtsverkehr hingewiesen. Zudem werden sich viele kleine und mittelständische Unternehmen bei grenzüberschreitender Aktivität meist auf die nach der Zweigniederlassungsrichtlinie schon seit längerem mögliche Gründung von Zweigniederlassungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit beschränken. Möchten sie ausnahmsweise weitergehend eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat unterhalten, können deutsche Unternehmen nach der Reform des § 4a GmbHG auf die bewährte und kostengünstige Rechtsform der GmbH und der UG (haftungsbeschränkt) zurückgreifen. So lassen sich schon auf der Grundlage des deutschen GmbHRechts kostengünstig und schnell einheitliche Gesellschaftsverträge für Tochtergesellschaften gestalten, ohne dass auf unterschiedliche Rechtsordnungen zurückgegriffen werden müsste. Anders als bei der SUP besteht hierfür angesichts bewährter dispositiver Gesetzesregelungen und etablierter Rechtsprechung auch Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, was die beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen von kleinen und mittelständischen Unternehmen schont. Nachhaltige Vereinfachungseffekte dürften sich deshalb durch die SUP bei der Gründung – wenn überhaupt – erst bei einem Netz von Tochtergesellschaften¹⁰ in verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben. Dann dürfte das Unternehmen aber regelmäßig eine Größe und Individualität erreicht haben, für die die SUP aufgrund der beschränkten Organisationsregelungen nicht mehr geeignet ist.
Vgl. Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1067.
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3. Fehlen eines grenzüberschreitenden Bezugs Während der mit der SUP erreichbare Vereinfachungs- und Kosteneinspareffekt für grenzüberschreitend tätige Unternehmen also nur von untergeordneter Bedeutung ist, sind die mit dem Richtlinienvorschlag in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung verbundenen Mängel so gravierend, dass mit einer erheblichen Beeinträchtigung der bewährten und gut funktionierenden Strukturen des deutschen Handelsregister- und Kapitalgesellschaftsrechts zu rechnen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die SUP keinen grenzüberschreitenden Bezug voraussetzt.¹¹ Vielmehr würde die SUP in Konkurrenz zu den nationalen Rechtsformen der GmbH und vor allem der UG (haftungsbeschränkt) treten, welche im Hinblick auf das Stammkapital und die Gründungsbeschleunigung ähnliche Ziele verfolgt wie der SUP-Vorschlag. Der Richtlinienvorschlag lässt den Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 RL-E und Erwägungsgrund 10 die Wahl, ob sie mit der SUP ihre bisher existierenden Formen der Einpersonengesellschaft im GmbH-Recht ersetzen oder die SUP als weitere Rechtsform daneben stellen wollen.¹² Auch wenn der deutsche Gesetzgeber die SUP lediglich als zusätzliche Rechtsform neben GmbH und UG (haftungsbeschränkt) einführt, würde mit der neuen, weitgehend unionsrechtlich determinierten Gesellschaft ein Vehikel geschaffen, um die bewährten Transparenz-, Kapital- und Seriositätsstandards des nationalen GmbH-Rechts weitgehend auszuhebeln. Was man positiv formuliert als „Reformdruck“ bezeichnen mag¹³, birgt negativ formuliert ein erhebliches Beeinträchtigungspotenzial für die Transparenz und Rechtssicherheit des deutschen Handelsregister- und Kapitalgesellschaftssystems.¹⁴ Es soll nicht verschwiegen werden, dass klare Anforderungen an einen grenzüberschreitenden Bezug nicht ganz einfach zu formulieren sind.¹⁵ So wollte das Europäische Parlament bei der SPE seinerzeit die Absicht der Gründer zu grenzüberschreitenden Geschäften genügen lassen und die Umsetzung dieser Absicht nach Ablauf von zwei Jahren kontrollieren. Während eine solche Lösung wegen des damit verbundenen Aufwandes für die Registerbehörden und -Gerichte im Ergebnis kaum praktikabel sein dürfte¹⁶, sind andere Ansätze wie z. B. das Erfordernis von Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten oder ein Tochterverhältnis zu einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Mutterge-
Drygala, EuZW 2014, 491, 496. Drygala, EuZW 2014, 491, 496. Drygala, EuZW 2014, 491, 497. Ries, NZG 2014, 569 f. Wedemann, EuZW 2010, 534, 537. Krit. Hügel, ZHR 173 (2009), 309, 317; Bormann/König, RIW 2010, 111, 119.
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sellschaft wesentlich einfacher zu handhaben.¹⁷ Letztlich ist zwar auch hier eine Umgehung nicht ausgeschlossen. Das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezuges würde aber für die breite Masse der Fälle den Anwendungsbereich der SUP auch faktisch auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränken und die Sprengkraft des Richtlinienvorschlags für das bestehende Handelsregister- und Kapitalgesellschaftssystem zumindest reduzieren.
III. Aufgabe bisheriger Transparenz- und Publizitätsstandards Diese Sprengkraft ergibt sich zunächst aus der Aufgabe der bisher im nationalen Recht aber auch im sekundären Unionsrecht geltenden Transparenz- und Publizitätsstandards bei der Gesellschaftsgründung und bei Satzungsänderungen. Die vorgeschlagenen Regelungen sind mit dem Wesen der vorsorgenden Rechtspflege im deutschen Register- und Grundbuchsystem nicht zu vereinbaren. Die Verlässlichkeit der im Handelsregister enthaltenen Informationen und die Effizienz des Registerverfahrens würden bei Realisierung des Richtlinienvorschlages zum Nachteil des gesamten Rechtsverkehrs erheblich eingeschränkt¹⁸.
1. Online-Gründung Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass eine SUP online gegründet werden kann, ohne dass die physische Präsenz des Gründers bei einer öffentlichen Stelle erforderlich ist. Der jeweilige Mitgliedstaat darf für eine Registereintragung vom Gründer nur die in Art. 13 Abs. 1 RL-E aufgeführten Informationen verlangen. Es stellt dabei eine Abkehr von den bisherigen Sekundärrechtsakten im Kapitalgesellschaftsrecht dar, lediglich Höchst-, aber keine Mindeststandards, festzulegen. Nimmt man den Richtlinienvorschlag wörtlich, wären daher – je nach Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Regelung – künftig Registrierungen z. B. ohne Geschäftsanschrift oder Angabe des Geschäftsführers möglich. Art. 14 Abs. 3 RL-E sieht ein Online-Eintragungsverfahren vor, das vollständig elektronisch abgewickelt werden kann und auf eine Präsenz des Gründers ausdrücklich verzichtet. Außerdem ist es nach Art. 14 Abs. 5 RL-E dem jeweiligen
Hügel, ZHR 173 (2009), 309, 318. Wicke, ZIP 2014, 1414, 1415 f.; Ries, NZG 2014, 569; vgl. auch Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1068 f.
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Mitgliedstaat überlassen, ob er überhaupt eine Identitätsprüfung des Gründers vorsehen möchte. Ferner müssen einschlägige Ausweisdokumente anderer Mitgliedstaaten zum Zweck der Identitätskontrolle „anerkannt und akzeptiert“ werden, was auf die bloße Übermittlung eingescannter Unterlagen hinausläuft. Weitere formelle Anforderungen sind ausgeschlossen. Ein derart weitgehender Verzicht auf die Identifizierung von Gesellschaftern und Geschäftsführern ist bisher vor allem von Offshore-Gesellschaften bekannt, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass durch ein „komfortables“ Gesellschaftsrecht die Anonymität und Diskretion der Geschäftsabwicklung ermöglicht und damit die Verschleierung von Geldflüssen, die Steuerhinterziehung oder die Vornahme sonstiger illegaler Aktivitäten begünstigt werden.¹⁹ Der Bundesrat spricht deshalb nicht zu Unrecht davon, dass „die SUP sich vor allem für unredliche Gründer anbieten“ würde, „die als Gesellschafter anonym bleiben“ und sich einer Verantwortung „für zweifelhafte Aktivitäten ihrer Gesellschaft“ entziehen wollen.²⁰ Warum die Kommission hier auf jegliche Mindeststandards verzichten will, ist sachlich nicht nachvollziehbar, zumal besondere Anforderungen der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Authentizität der Registeranmeldungen nach bisherigem Sekundärecht ausdrücklich zulässig sind²¹. Im Interesse der Zuverlässigkeit des Handelsregisters und der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs sollte auch künftig sichergestellt bleiben, dass nur berechtigte Personen Eintragungen im Register veranlassen können. Eine verlässliche Identifizierung der Gesellschafter und Geschäftsführer scheidet bei Online-Anmeldungen aus. Ohne persönliches Erscheinen kann die Identität der Gründer nicht sicher festgestellt werden, solange keine biometrischen Verfahren zum Einsatz kommen. Die Identifizierungslücke wird durch die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten vorgenommenen Identifizierungen verschärft.²² Firmenbestattern wird durch den Verzicht auf eine effektive Identitätsfeststellung Tür und Tor geöffnet. Durch Anmeldung fiktiver Geschäftsführer und Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, Handbuch der straf- und wirtschaftsrechtlichen Regelungen, 2006, § 2 Rn. 21 ff. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 165/14, S. 3. Siehe Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7. 2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. Nr. L 221 vom 4.9. 2003, 13. Danach trifft die Pflicht zur Ermöglichung der elektronischen Anmeldung die Mitgliedstaaten lediglich „unbeschadet der grundlegenden Anforderungen und vorgeschriebenen Formalitäten des einzelstaatlichen Rechts“. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 165/14, S. 3.
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Gesellschafter können Zustellungen wesentlich verzögert und erschwert werden. Insolvenzantragspflichten laufen ebenfalls leer, wenn keine Antragspflichtigen greifbar sind. Mangels Identifizierung der hinter der Gesellschaft stehenden Personen wäre die SUP auch für Geldwäschezwecke besonders geeignet.²³ Jedes Kreditkartenunternehmen stellt an die Identifizierung seiner Kunden höhere Anforderungen als der Kommissionsentwurf an die Feststellung der Identität der Anteilseigner und der Geschäftsführer bei der SUP. Die Erfahrungen aus England zeigen, dass bei Online-Anmeldungen ohne Identitätskontrolle erhebliche Probleme in Gestalt des sog. Company Hijacking auftreten. So warnt das englische Companies House auf seiner Homepage²⁴ farblich herausgehoben an prominenter Stelle vor sog. Identity Fraud. Damit wird das in England geläufige Phänomen bezeichnet, dass sich Nichtberechtigte als Geschäftsführer einer Gesellschaft zum Register anmelden, um dann für diese Geschäfte abzuschließen. Vom Anspruch der Richtigkeitsgewähr hat man sich in England faktisch schon lange verabschiedet.²⁵ Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Registerpublizität in England kaum Bedeutung hat.²⁶ Demgegenüber weist das Handelsregister in Deutschland und zahlreichen anderen kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten weitreichende Publizitätswirkungen auf. Geschäftspartner können sich hierzulande nach § 15 HGB gegenüber der Gesellschaft regelmäßig auf die im Register verlautbarten Angaben zu Vertretungsverhältnissen und Haftungsverfassung berufen²⁷, selbst wenn diese nicht zutreffen. Damit wird ein umfassender Schutz des Rechtsverkehrs erreicht. Diese Wirkung rechtfertigt sich daraus, dass die Angaben im deutschen Handelsregister eine hohe Richtigkeitsgewähr aufweisen. Die Richtigkeitsgewähr beruht nicht zuletzt auch auf der notariellen Identitäts- und Authentizitätsprüfung und auf der „Input-Kontrolle“ des Notars bei den eingereichten Gründungsurkunden, die den Registergerichten ein wesentliches Stück Arbeit abnimmt. Dieses System des kontinentaleuropäischen Registerrechts vereinfacht Transaktionen erheblich, weil zeit- und kostenintensive Nachforschungen über die Gesellschaft, ihre Organe
Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417; Ries, NZG 2014, 569. Dieses Argument ist in Deutschland von besonderem Gewicht, da die deutschen Regelungen zur Identifizierung von Gesellschaftsbeteiligungen bereits seit längerem von der internationalen Financial Action Task Force (FATF) beanstandet werden, näher Drygala, EuZW 2014, 491, 494 m.w. N. www.companieshouse.gov.uk. Bezeichnenderweise empfiehlt das Companies House den Geschäftsführern zur Bekämpfung von Identity Fraud, im Wege der Selbstkontrolle regelmäßig einen Blick auf die Registereintragungen der eigenen Gesellschaft zu werfen. Näher Bormann/Apfelbaum, ZIP 2007, 946, 948; Bock, ZIP 2011, 2449. Ries, NZG 2014, 569.
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und ihre Vertretungsverhältnisse im Gegensatz zu England und anderen Ländern mit niedrigeren Standards nicht erforderlich sind.²⁸ Der hohe Standard in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten sollte durch die SUP nicht verwässert werden. Bei einer „Infizierung“ des Registerinhalts durch Verzicht auf eine Identitäts- und Authentizitätsprüfung müssten die weitreichenden Publizitätswirkungen des deutschen Handelsregisters²⁹ neu überdacht werden. Letztere lassen sich ebenso wie der Rückgriff auf das Handelsregister für Grundbucheintragungen verfassungsrechtlich nur dann rechtfertigen, wenn eine effektive Kontrolle des „Inputs“ in das Handelsregister durch eine verlässliche staatliche oder staatlich beauftragte Stelle stattfindet³⁰. Das Handelsregister als zuverlässige und kostengünstige Informationsquelle und Grundlage für die Feststellung der Existenz der Gesellschaft und der Vertretungsberechtigung der handelnden Organe bei jeder Form von Rechtsgeschäften (Verträgen, Vollmachtserteilungen, etc.) wäre in Frage gestellt. Zur Freude der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe dürfte sich dann auch hierzulande mittelfristig ein Markt für kostenträchtige „Legal Opinions“ zur Existenz und Vertretungsberechtigung von Gesellschaften herausbilden.³¹ Überdies entfällt bei einer Online-Gründung die Filterfunktion des Notars.³² Eine Selbst-Registrierung ist mit einem ausdifferenzierten Registersystem kaum vereinbar. Ein elektronischer Registervollzug durch den Notar mit Einreichung von XML-Strukturdaten, die vom Registerrichter per Mausklick übernommen und in eine Handelsregistereintragung umgewandelt werden können, würde nicht mehr stattfinden. Der mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 1.1. 2007 verbundene Entlastungs- und Beschleunigungseffekt ginge verloren. Die Justiz würde bei der Umsetzung des SUP-Vorschlages folglich mit erheblichem zusätzlichem Arbeitsaufwand belastet.
2. Satzungsänderungen Nach Art. 21 Abs. 1 RL-E sollen Gesellschafterbeschlüsse bei der SUP nur schriftlich gefasst und vom Gesellschafter für mindestens 5 Jahre verwahrt werden. Dies
Knieper, RNotZ 2011, 197, 201. Zu deren Grundlage näher Krafka, in MünchKomm-HGB, 3. Aufl. 2010, § 8 Rn. 3 ff.; Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 8 Rn. 1; Bormann, in Diehn, BNotO 2015, § 1 Rn. 41. Bormann/König, notar 2008, 256, 260 m.w. N.; Ries, NZG 2014, 569. Ries, NZG 2014, 569. Wicke, ZIP 2014, 1414, 1416.
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könnte nach Art. 21 Abs. 2 lit. k) RL-E auch für Satzungsänderungen³³ gelten und zwar insbesondere auch für Satzungsänderungen, die über die von der Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsaktes nach Art. 27 RL-E noch zu erlassende Mustersatzung hinausgehen. Weitergehende formale Anforderungen sind jedenfalls mit Blick auf die Beschlussfassungsbefugnis der Gesellschafter gemäß Art. 21 Abs. 3 RL-E nicht zulässig. Die Kontrolle von Satzungsänderungen durch Notar oder Registergericht könnte bei enger Auslegung ausgeschlossen sein. Beweissicherheit und abschließender Charakter der notariellen Urkunde, wie sie bislang für Satzungsakte im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht selbstverständlich sind, würden entfallen. Ähnlich wie bei Personengesellschaften wäre künftig auch bei Kapitalgesellschaften trotz eigener Rechtspersönlichkeit eine sichere und einfache Kenntnisnahme von den geltenden Rechtsgrundlagen nicht mehr möglich. Die von der KG und OHG bekannten Schwierigkeiten bei der Feststellung der geltenden Fassung des Gesellschaftsvertrages würden auf das Kapitalgesellschaftsrecht übertragen.
3. Orientierung am Acquis communautaire Richtigerweise sollte auch bei der SUP für den Gründungsvorgang, für Kapitalmaßnahmen und für sonstige Satzungsänderungen auf Art. 10 der Publizitätsrichtlinie³⁴ und die dort vorgesehene registergerichtliche und notarielle Kontrolle verwiesen werden. Für das Registerverfahren sollte eine umfassende Verweisung auf die Einreichungs- und Offenlegungsvorgaben in Art. 3 der Publizitätsrichtlinie und im Übrigen auf die Vorschriften des nationalen Rechts erfolgen. Auf diese Weise ließe sich den anerkannten unionsrechtlichen Standards für die Wirksamkeitsgewähr und die Registerpublizität von Kapitalgesellschaften ganz einfach Rechnung tragen. Beurkundungs-, Beglaubigungs- und registergerichtliche Prüfungserfordernisse könnten bestehen bleiben. Damit könnte zum einen dem Umstand Rechnung getragen werden, dass auch bei Einpersonengesellschaften regelmäßig individuelle Regelungen, etwa zum Unternehmensgegenstand und zur Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer, erforderlich sind. Außerdem wäre durch die Beurkundung weiterhin eine Beratung der Gründer zu möglichen Haftungsrisiken sichergestellt, die trotz der
Unklar ist insoweit das Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 RL-E. Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. 3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. (EWG) Nr. L 65 v. 14. 3.1968, 8.
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scheinbaren Sicherheit der haftungsbeschränkten Rechtsform bestehen.³⁵ Ferner bliebe auch die Seriositätsschwelle gewahrt, die bei der GmbH und der UG durch die Belehrung der Geschäftsführer über Bedeutung und Tragweite ihrer Funktion und ihrer Befugnisse, und die unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht nach § 53 Abs. 2 BZRG sowie über die Abnahme der Versicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG gewährleistet ist. Außerdem würden Brüche innerhalb der nationalen Registersysteme vermieden. Die Geschäftspartner von Kapitalgesellschaften könnten sich weiterhin uneingeschränkt verlässlich über die Existenz und die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. d) der Publizitätsrichtlinie informieren.
IV. Gläubigerschutz Die im derzeitigen Entwurf vorgeschlagenen Regelungen würden zu einer erheblichen Gefährdung der Gläubigerinteressen führen: Ein Mindestkapital ist anders als bei der GmbH nicht erforderlich; bereits ein Euro bzw. „eine Einheit“ der jeweiligen nicht auf Euro lautenden nationalen Währung soll für die Eintragung einer SUP gemäß Art. 16 Abs. 1 RL-E ausreichend sein.³⁶ Anders als bei der deutschen UG (haftungsbeschränkt) soll darüber hinaus auch keine Thesaurierung erwirtschafteter Gewinne bis zum Erreichen eines bestimmten Mindeststammkapitals vorgeschrieben werden. Art. 7 Abs. 2 RL-E sieht darüber hinaus vor, dass der Gesellschafter nicht über das Stammkapital hinaus haftet. Sollte diese Haftung abschließender Natur sein, würde das bei der GmbH bestehende Haftungssystem zu Lasten des Rechtsverkehrs erheblich gestört. Eine Handelndenhaftung bis zur Registrierung, aber auch eine Haftung für Vorbelastungen oder ein Haftungsdurchgriff bei existenzvernichtenden Eingriffen kämen nicht mehr in Betracht. Richtigerweise sollte den Mitgliedstaaten zumindest ein Festhalten an bestehenden Mindestkapitalerfordernissen erlaubt werden, wenn sich schon kein einheitliches europaweites Mindestkapital durchsetzen lässt. Der im Kommissionsvorschlag vorgesehene Verzicht auf ein gesetzliches Mindestkapital stellt demgegenüber eine Haftungsbeschränkung zum Nulltarif dar, die den Bedürfnissen der Unternehmenswirklichkeit nicht entspricht. Eine SUP mit einem Euro Stammkapital gerät bereits bei Übernahme der Gründungskosten in die Über Ries, NZG 2014, 569. Allerdings findet die für die Standard-GmbH geltende 50 %-Klausel des § 7 Abs. 2 GmbHG auf eine SUP keine Anwendung, so dass das satzungsmäßig festgelegte Stammkapital stets in voller Höhe einzuzahlen ist; Omlor, NZG 2014, 1137, 1140.
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schuldung. Unabhängig davon müssen auch Unternehmen in wenig kapitalintensiven Bereichen über eine gewisse finanzielle Mindestausstattung verfügen, um Basisinvestitionen vornehmen zu können. So wird auch bei Kleinstunternehmen bereits im ersten Jahr regelmäßig ein Finanzbedarf von 20.000 bis 30.000 EUR gedeckt werden müssen, während der Kapitalbedarf bei der SUP-Zielgruppe grenzüberschreitend tätiger mittelständischer Unternehmen schnell sechs- oder siebenstellige Euro-Beträge erreichen kann. Außerdem sollte die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 RL-E dahingehend modifiziert werden, dass sie eine Anwendung spezieller mitgliedstaatlicher Regelungen zum Haftungsdurchgriff in Missbrauchsfällen nicht ausschließt.
V. Sitztrennung 1. Umgehung mitgliedstaatlicher Transparenz- und Gläubigerschutzstandards Sämtliche vorgeschlagenen Verbesserungsvorschläge greifen freilich ins Leere, wenn der Unionsgesetzgeber eine uneingeschränkte Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz erlaubt: Der Richtlinienvorschlag ist hier ebenso wie beim Verzicht auf einen grenzüberschreitenden Zusammenhang „radikal liberal“³⁷ und verlangt gemäß Art. 10 RL-E lediglich, dass die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union liegt. Eine Koppelung von Satzungs- und Verwaltungssitz sieht der Entwurf dagegen ausdrücklich nicht vor. Dies schafft zum einen erhebliches Umgehungspotenzial für die unternehmerische Mitbestimmung.³⁸ Zum anderen ist die freie Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz jedoch auch deshalb problematisch, weil sie inländischen Unternehmen die Wahl des Registrierungsstaates mit den geringsten Publizitäts- und Transparenzanforderungen ermöglicht.³⁹ Selbst soweit die Mitgliedstaaten nach dem Richtlinienentwurf an bestehenden Transparenz- und Gläubigerschutzstandards festhalten dürfen, können diese durch Ausweichen in ein Land mit niedrigeren Standards umgangen werden. Für den Rechtsverkehr ist dabei anders als bei den bisherigen nationalen Rechtsformen nicht unmittelbar erkennbar, welchem nationalen Recht die SUP unterliegt. Vielmehr wird das Gü-
Drygala, EuZW 2014, 491, 497. Dazu näher Bormann/Böttcher, NZG 2011, 411 ff.; Koberski/Heuschmid, RdA 2010, 207 ff.; ferner Sick/Thannisch, ArbuR 2011, 155; Hommelhoff, ArbuR 2011, 202. Wicke, ZIP 2014, 1414, 1416 f.
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tesiegel „SUP“ unabhängig vom jeweiligen Registrierungsort und den dort geltenden Anforderungen verliehen.
2. Briefkastengesellschaften Die Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz fördert die Gründung von Briefkastengesellschaften im Ausland, was häufig in der Absicht geschieht, den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen zu erschweren. Gerade Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden deutlich erschwert, da nicht erkennbar ist, an welchem Ort sich Gesellschaftsvermögen befindet. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass die SUP in elektronischer Form gegründet werden kann, was eine Verschleierung der Identität der hinter der SUP stehenden Gesellschafter erleichtert.
3. Rechtspolitische Bedeutung Rechtspolitisch eröffnet die Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz das sprichwörtliche „Race to the bottom“, das die Perspektive einer weiteren Nivellierung der Gläubigerschutz- und Transparenzstandards im europäischen Gesellschaftsrecht eröffnet.
4. Primärrechtliche Vorgaben Primärrechtlich geboten ist eine solche Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz richtigerweise nicht. Der Unionsgesetzgeber ist nach den durch den EuGH in der Rechtssache VALE⁴⁰ konkretisierten Wertungen des Primärrechts nicht verpflichtet, eine isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zu ermöglichen, wenn und soweit diese im Ergebnis im Registrierungsstaat eine Briefkastengesellschaft zurücklässt.⁴¹ Entsprechendes gilt auch für eine isolierte Verlegung des Satzungssitzes, die jedenfalls ohne „genuine link“ zum Aufnah-
EuGH, Urt. v. 12.7. 2012 − C-378/10, NZG 2012, 871 Rn. 34. König/Bormann, NZG 2012, 1241, 1243; ebenso Roth, ZIP 2012, 1744, 1745; Böttcher/Kraft, NJW 2012, 1701, 1703; Mörsdorf/Jopen, ZIP 2012, 1398; offen Wicke, DStR 2012, 1756 (1758); anders dagegen Bayer/Schmidt, ZIP 2012, 1481, 1486.
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mestaat als neuem Registrierungsort durch die Niederlassungsfreiheit nicht geschützt wird.⁴² Darüber hinausgehend wird dem Unionsgesetzgeber auch jenseits von VALE die Befugnis zuzubilligen sein, jedenfalls bei weitgehend unionsrechtlich determinierten Rechtsformen wie der SUP die Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz gänzlich auszuschließen⁴³: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH richten sich Existenz, Rechtsfähigkeit und Ausgestaltung einer Kapitalgesellschaft nach dem jeweiligen Gründungsrecht, jenseits dessen sie keine „Realität“ besitzt.⁴⁴ Der betroffene Mitgliedstaat kann deshalb selbst darüber entscheiden, ob die nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften den Satzungsund den Verwaltungssitz am gleichen Ort haben müssen oder ob ihnen eine isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland gestattet ist.⁴⁵ Dasselbe muss bei weitgehend unionsrechtlich determinierten Rechtsformen auch für den Unionsgesetzgeber gelten: Er hat bei der Festlegung der Organisationsverfassung „eigener“ Gesellschaften grundsätzlich ebenfalls freie Hand und kann deshalb einen Gleichlauf von Satzungs- und Verwaltungssitz vorschreiben. Bereits begrifflich liegt hier kein Eingriff in die Organisationsverfassung einer nach fremdem Recht gegründeten Gesellschaft vor. Vielmehr gestaltet der Unionsgesetzgeber die Organisationsverfassung einer nach eigenem Recht gegründeten Gesellschaft lediglich näher aus.⁴⁶ Schließlich kann die Bereitstellung zusätzlicher, weitgehend unionsrechtlich determinierter Rechtsformen schon deshalb keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, weil die rechtlichen Organisationsmöglichkeiten für Unternehmen im Binnenmarkt hierdurch im Vergleich zu den bereits vorhandenen mitgliedstaatlichen Gesellschaftstypen erweitert werden. Dabei liegt es grundsätzlich im Ermessen des Unionsgesetzgebers, in welchem Umfang er eine solche Erweiterung vornimmt.⁴⁷ Richtigerweise sollte der Unionsgesetzgeber deshalb zur effektiven Durchsetzbarkeit mitgliedstaatlicher Transparenz- und Gläubigerschutzstandards wegen der europaweit einheitlichen Firmierung der SUP einen Gleichlauf von Satzungs- und Verwaltungssitz vorsehen. König/Bormann, NZG 2012, 1241, 1243; Böttcher/Kraft, NJW 2012, 1701, 1703; Mörsdorf/ Jopen, ZIP 2012, 1398. Detailliert Roth,Vorgaben der Niederlassungsfreiheit für das Kapitalgesellschaftsrecht, 2010, 52 ff. EuGH, Slg. 1988, 5483 = NJW 1989, 2186 Rn. 19 − Daily Mail; Slg. 2008, I-9641 = NZG 2009, 61 Rn. 108 – 110 − Cartesio; NZG 2012, 871, Rn. 27– 29 − VALE. EuGH, Slg. 2008, I-9641 = NZG 2009, 61 Rn. 110 – 113, 124 − Cartesio. König/Bormann, NZG 2012, 1241, 1244; Hommelhoff/Krause/Teichmann, GmbHR 2008, 1193, 1201. Bormann/König, RIW 2010, 111, 119; König/Bormann, NZG 2012, 1241, 1244.
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VI. Fazit Der Vorschlag der Kommission zur SUP weist in seiner derzeitigen Ausgestaltung zahlreiche Mängel auf. Statt kleinen und mittelständischen Unternehmen einen verlässlichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitend zu errichtende Tochtergesellschaften zur Verfügung zu stellen, widmet sich der Vorschlag schwerpunktmäßig einer – weitgehend missglückten – Harmonisierung formaler Gründungsund Kapitalanforderungen. Die dabei verfolgten Zeitvorgaben und Verfahrensvereinfachungen gehen an den Bedürfnissen der Praxis vorbei. Der angestrebte Vereinfachungseffekt vermag die mit dem Vorschlag verbundene Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit des bestehenden Handelsregister- und Kapitalgesellschaftssystems nicht zu rechtfertigen. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs würden bei Realisierung des Vorschlages erheblich beeinträchtigt. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn der Richtlinienvorschlag im weiteren Gesetzgebungsverfahren entweder zurückgezogen oder zumindest noch einmal grundlegend überarbeitet wird.⁴⁸
So auch Omlor, NZG 2014, 1137, 1141 f. Stattdessen für ein Wiederaufgreifen des SPE-Vorschlages Dreher, NZG 2014, 967, 972; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177, 186; Hommelhoff, AG 2013, 211, 221; Bayer/Schmidt, BB 2014, 1219, 1223; Prütting, JZ 2014, 381, 387 f.
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Einsatzmöglichkeiten der Societas Unius Personae (SUP) Die SUP ist eine Kapitalgesellschaft mit nur einem Gesellschafter, die nach teilweise harmonisierten Regeln gegründet und geführt wird. Die aktuell diskutierte Neufassung der Richtlinie über Einpersonengesellschaften („SUP-Vorschlag“)¹ ist der erste nennenswerte Schritt zu einer Harmonisierung des GmbH-Rechts.² Die Europäische Kommission verspricht sich davon folgenden Nutzen: Die Gründung von Einpersonengesellschaften soll standardisiert und vereinfacht werden (nachfolgend unter I.). Gesellschaften, die nach diesen Regeln gegründet wurden, sollen europaweit einheitlich die Bezeichnung „SUP“ („Societas Unius Personae“) verwenden. Über die Gründungsregeln hinaus lässt der SUP-Vorschlag Spurenelemente eines Rechts der Konzernführung erkennen. Die SUP erweist sich dadurch nicht allein als Vehikel für eine erleichterte Gründung, sondern auch als potenzieller Konzernbaustein (unter II.). Last but not least hat die Frage nach dem praktischen Nutzen der SUP auch einen kompetenzrechtlichen Einschlag (unter III.). Sollte der Richtlinienvorschlag rechtspraktisch keine nennenswerten Verbesserungen bringen, wäre er überflüssig und möglicherweise kompetenzwidrig. Denn ein Rechtsakt der Europäischen Union bezieht seine Daseinsberechtigung daraus, dass er der Verwirklichung des Binnenmarktes dient und seine Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht in gleicher Weise erreicht werden können.
I. Gründungserleichterungen durch die SUP Betrachtet man den SUP-Vorschlag unter dem Aspekt der praktischen Einsatzmöglichkeiten, fällt zunächst das dort geregelte Gründungsverfahren ins Auge. Die künftige Richtlinie gewährleistet die uneingeschränkte Möglichkeit, in jedem Mitgliedstaat der EU eine Gesellschaft mit nur einem Gesellschafter zu gründen (unter 1.). Zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Niederlassung wird ein
Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 9. April 2014: COM(2014) 212 final (abgedruckt als Anhang zu diesem Werk). Weiterhin liegt ein Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft vom 14.11. 2014 vor, auf den nachfolgend im Einzelfall Bezug genommen wird. Zum bisherigen geringen Stellenwert der GmbH im Europäischen Gesellschaftsrecht siehe nur Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, § 11 (S. 156 ff.).
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standardisiertes Gründungsverfahren angeboten, das auch im Wege der Ferngründung durchlaufen werden kann (unter 2.). Einen zumindest mittelbaren Bezug zur Gründung hat sodann die Ausschüttungsregelung mit Bilanz- und Solvenztest. Sie gilt zwar primär dem Gläubigerschutz, kompensiert damit aber nach Vorstellung der Europäischen Kommission den Verzicht auf ein Mindestkapital, dessen Aufbringung die Gründung verzögern und komplizieren würde (unter 3.).
1. Beschränkungsfreie Niederlassung für Einpersonengründung Die Errichtung von Einpersonengesellschaften wurde bereits in der zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (89/667/EWG) geregelt, die 2009 in die RL 2009/ 102/EG überführt wurde. Diese Richtlinie stellt sicher, dass in jedem Mitgliedstaat eine Gesellschaftsgründung durch eine Person möglich ist;³ dies war zuvor nicht in allen Mitgliedstaaten zulässig gewesen.⁴ Die bereits bestehende Einpersonengesellschaftsrichtlinie enthält außerdem flankierende Verfahrensregeln für Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter.⁵ Der SUP-Vorschlag greift die existierende Richtlinie auf und entwickelt sie weiter: Die Mitgliedstaaten müssen die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch einen Gesellschafter zulassen (Art. 6 Abs. 1 S. 1⁶). Gründer können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein (Art. 8). Für die Gesellschaft mit nur einem Gesellschafter wird die Bezeichnung „SUP“ (Societas Unius Personae) eingeführt. Der in Art. 2 Abs. 1 der RL 2009/102/EG bereits vorhandene Gesetzesbegriff der „Einpersonengesellschaft“⁷ wird damit in eine europaweit einheitliche Terminologie überführt. Darüber hinaus legt der SUP-Vorschlag fest, dass es sich um eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, deren Gesellschafter nur bis zur Höhe des gezeichneten Kapitals haftet (Art. 7).⁸
Gemäß Art. 2 RL 2009/102/EG kann eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen einzigen Gesellschafter haben. Siehe nur Lutter, FS Brandner, 1996, 81, 82 ff. Offenlegung der Tatsache, dass es nur einen Gesellschafter gibt; schriftliche Niederlegung von Gesellschafterbeschlüssen und Verträgen zwischen Alleingesellschafter und Gesellschaft. Die nachfolgend genannten Artikel beziehen sich jeweils auf den in Fn. 1 genannten SUPVorschlag. „single-member company“, „société unipersonelle“, „società unipersonale“ etc. Im jüngst veröffentlichten Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft (vgl. Fn. 1) werden diese Definitionen allerdings auf andere Vorschriften der Richtlinie verlagert.
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Ein wichtiger Fortschritt des SUP-Vorschlages liegt in der Streichung der sog. Konzernklausel.⁹ Nach dem aktuellen Rechtsstand unterliegt nämlich die grenzüberschreitende Nutzung von Einpersonengesellschaften einer empfindlichen Einschränkung.¹⁰ Europäisch garantiert ist nur die Gründung einer einzigen Einpersonengesellschaft durch eine natürliche Person. Alles, was darüber hinausgeht, dürfen die Mitgliedstaaten unterbinden oder behindern. Denn Art. 2 Abs. 2 RL 2009/102/EG gestattet „besondere Bestimmungen oder Sanktionen“, wenn der Alleingesellschafter eine juristische Person ist oder wenn eine natürliche Person Alleingesellschafter von mehreren Gesellschaften ist. Auf dieser Basis untersagen einige Mitgliedstaaten die Gründung von Tochtergesellschaften generell, wenn der Gründer seinerseits Einpersonengesellschaft ist.¹¹ Andernorts droht dem Gründer, der seinerseits juristische Person ist, die volle Haftung für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft.¹² All dies schränkt die grenzüberschreitende Niederlassungsfreiheit in unzumutbarer Weise ein. Es ist daher uneingeschränkt zu begrüßen, dass der SUP-Vorschlag die betreffende Vorschrift nicht übernimmt.¹³
2. Standardisiertes Gründungsverfahren a) Allgemeines Eine weitere wichtige Neuerung des SUP-Vorschlages besteht in der Teilharmonisierung des Gründungsverfahrens für Einpersonengesellschaften. Der rote Faden
Zu dieser Lutter/Bayer/J. Schmidt, (Fn. 2), § 29 Rn. 21 (S. 947). Dazu bereits Teichmann, NJW 2014, 3561, 3562. Dezidiert kritisch schon früh und mit zahlreichen Beispielen Lutter, FS Brandner, 1996, S. 81, 85 ff. Z. B. Rumänien (Piuk/Buzdugan, in Süß/Wachter, Handbuch des Internationalen GmbHRechts, 2. Aufl. 2011, S. 1398) oder Polen (Art. 151 § 2 KSH [kodeks spółek handlowych]). Ebenso Frankreich bis zu einer Gesetzesänderung in 2014 (Verordnung n° 2014– 863 v. 31.7. 2014 relative au droit des sociétés, prise en application de l’article 3 de la loi n° 2014– 1 du 2 janvier 2014 habilitant le Gouvernement à simplifier et sécuriser la vie des entreprises, JORF n°0177 v. 2. 8. 2014, S. 12820). Art. 213 § 2 Code des sociétés. In der Praxis wird die Einpersonen-SPRL daher kaum genutzt, vgl. Kocks/Hennes, in Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2. Aufl. 2011, S. 469. Anders DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2014, 1372 ff., Ziff. 11 (jedoch ohne vertiefte Analyse der tatsächlich bestehenden Niederlassungshindernisse). Über das dort angesprochene Anliegen, Haftungsregeln des Konzernrechts beizubehalten, geht Art. 2 Abs. 2 RL 2009/102/EG weit hinaus. Statt dessen bedarf es lediglich eines Hinweises, dass die beschränkte Haftung Sonderhaftungstatbestände nicht ausschließt.
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des SUP-Vorschlags besteht darin, die einzureichenden Unterlagen und Dokumente europaweit zu vereinheitlichen. Dazu gehören eine Standardsatzung (unter b), eine abschließende Auflistung der einzureichenden Unterlagen und Dokumente sowie eine standardisierte Vorlage für die Anmeldung (unter c) und die mit alledem verbundene Möglichkeit der elektronischen Ferngründung (unter d). Der Gründer muss dieses Verfahren nicht verwenden; es ist eine Option für solche Gründungen, die sich nach einem standardisierten Verfahren durchführen lassen. Daneben besteht weiterhin die Möglichkeit, sich des nationalen Gesellschaftsrechts in der nicht harmonisierten Form zu bedienen. Beispielsweise wird so mancher Gründer das Angebot der Ferngründung nicht benötigen oder nicht wünschen, weil er sich zur Vorbereitung seiner Geschäftstätigkeit ohnehin in das Zielland begeben und dort umfassend beraten lassen will. Die Mitgliedstaaten haben ihrerseits zu erwägen, ob sie neben der SUP-Gründung andere Verfahrenswege im nationalen Recht zulassen oder das Gründungsrecht der Einpersonengesellschaften vollständig auf die europäische Harmonisierung stützen wollen. Eine solche Parallelität könnte für künftige Gesetzgebungsvorhaben wertvollen Aufschluss darüber geben, inwieweit ausländische Gründer tatsächlich das Angebot einer Ferngründung benötigen und wahrnehmen.¹⁴
b) Standardsatzung Gemäß Art. 11 soll es eine einheitliche Vorlage für die Satzung der SUP geben. Diese soll von der Europäischen Kommission als Durchführungsrechtsakt in Abstimmung mit einem Fachausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, erlassen werden.¹⁵ Die Standardsatzung wird damit dem schwerfälligen Rechtsetzungsverfahren einer Richtlinie entzogen, was für ein solches vorwiegend auf die rechtspraktischen Bedürfnisse abzustimmendes Dokument durchaus zu begrüßen ist. Die einheitliche Vorlage soll die Errichtung, die Anteile, das Stammkapital, die Organisation, die Buchführung und die Auflösung der SUP behandeln (Art. 11 Abs. 2). Die Standardsatzung ist zwingend zu verwenden, wenn der Weg der elektronischen Ferngründung gewählt wird (vgl. Art. 14 Abs. 4). Ansonsten kann der Gründer auch eine andere Satzung verwenden, für die dann die allgemeinen nationalen Regeln gelten, einschließlich der jeweiligen Formvorschriften.
In diesem Sinne auch DAV-Handelsrechtsausschuss, (Fn. 13), Ziff. 25. Vgl. Art. 27 SUP-Vorschlag mit Verweis auf die Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
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Die Standardsatzung entfaltet in der Einpersonengesellschaft ihren Charme dadurch, dass sie thematisch eng begrenzt und im Umfang sehr kurz sein kann. Die Vorbehalte, die gegenüber gesetzlich formulierten Mustertexten grundsätzlich angebracht sind,¹⁶ fallen bei der Satzung einer Einpersonengesellschaft nicht entscheidend ins Gewicht. Denn hier besteht kaum substanzieller Regelungsbedarf; der Standardvertrag kann sehr kurz sein. Gängige Notarmuster umfassen nur wenige Zeilen und beschränken sich auf die Firma, den Sitz, das Kapital, den Unternehmensgegenstand und das Geschäftsjahr der Gesellschaft.¹⁷ Art. 11 Abs. 2 will allerdings für die SUP-Mustersatzung nicht nur den unbedingt nötigen Kernbestand vorsehen, sondern verlangt zusätzlich Regelungen über die Buchführung und die Auflösung der Gesellschaft. Damit weist der Richtlinienvorschlag unnötigerweise über seinen eigenen Regelungsgegenstand hinaus. Zu Buchführung und Auflösung der SUP äußert sich der SUP-Vorschlag nicht, sie unterliegen daher nationalem Recht (vgl. Art. 7 Abs. 4). In einer solchen Gemengelage aus europäischen und nationalen Vorschriften kann eine europäische Standardsatzung keine sinnvolle und konsistente Regelung anbieten.¹⁸ Art. 11 Abs. 2 sollte auf derartige Inhaltsangaben für die Standardsatzung verzichten. Ebensowenig bedarf es in der Satzung einer Regelung für die Organisation der Gesellschaft (so aber Art. 11 Abs. 2). Denn die Grundstruktur der SUP liegt gesetzlich bereits fest: Es gibt einen Gesellschafter. Dieser muss seine Beschlüsse schriftlich fassen (Art. 21 Abs. 1) und hat gesetzlich umschriebene Zuständigkeiten (Art. 21 Abs. 2). Er bestellt die Geschäftsführer und kann ihnen Weisungen erteilen (Art. 22– 24). All dies findet sich im Gesetz und muss nicht in einer Mustersatzung geregelt werden. Sollte im Einzelfall eine Anpassung an die besonderen Bedürfnisse einer Gesellschaft nötig sein, kann dies ohnehin nicht in einer Mustersatzung geschehen, sondern bedarf einer individuellen Satzungsgestaltung, die neben der Standardsatzung weiterhin möglich bleibt.¹⁹ Zusätzliche und gänzlich unnötige Komplikationen verursacht sodann die Regelung des Art. 11 Abs. 1. Nach dieser Vorschrift sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Satzung den in Absatz 2 vorgesehenen Inhalt hat. Wenn aber Siehe nur Wicke, in Hommelhoff/Schubel/Teichmann, Societas Privata Europaea (SPE) – die europäische Kapitalgesellschaft für mittelständische Unternehmen, 2014, S. 107 ff. Langenfeld, GmbH-Vertragspraxis, 6. Aufl. 2009, S. 43. Vgl. auch die von Vossius vorgeschlagene Standardsatzung für die Europäische Privatgesellschaft (SPE) mit nur einer Person (abrufbar unter www.europeanprivatecompany.eu/working_papers). Das gilt erst recht für die Ergänzung im Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft (vgl. Fn. 1), wonach sogar eine Schiedsgerichtsklausel aufgenommen werden soll. Es entfällt dann allerdings die Möglichkeit der elektronischen Ferngründung (vgl. Art. 14 Abs. 4). Außerdem ist die individuelle Satzungsgestaltung den nationalen Inhalts- und Formvorschriften unterworfen (vgl. Art. 7 Abs. 4).
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die Organisation, die Buchführung und die Auflösung im nationalen Handels- und Gesellschaftsrecht bereits geregelt sind, besteht keinerlei Notwendigkeit, insoweit eine Satzungsregelung zu erzwingen.
c) Standardisiertes Eintragungsverfahren Art. 13 enthält eine abschließende Liste der Angaben und Unterlagen, die für die Eintragung verlangt werden dürfen. Dazu gehören Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand und Stammkapital, Angaben zum Gründungsgesellschafter und den vertretungsberechtigten Personen sowie die Satzung der SUP. Weitere Informationen oder Unterlagen dürfen die Mitgliedstaaten nicht verlangen. Darin liegt für die grenzüberschreitende Gründung ein erheblicher Fortschritt an Rechtssicherheit und Planbarkeit.²⁰ Die Mitgliedstaaten dürfen die Eintragung der SUP außerdem nicht von der vorherigen Erteilung einer Lizenz oder Genehmigung abhängig machen (Art. 14 Abs. 6). Dadurch wird zwar im Einzelfall die im nationalen Recht vorgesehene Reihenfolge umgekehrt.²¹ Dass hierdurch der unzulässige Betrieb genehmigungsbedürftiger Geschäfte in gravierender Weise zunehmen könnte, ist allerdings nicht recht erkennbar. Sofern der Unternehmensgegenstand in Firma oder Satzung offengelegt wird,²² genügt eine im nationalen Recht geregelte Mitteilungspflicht des Registers an die zuständige Aufsichtsbehörde.²³ Diese kann die SUP, gegebenenfalls unter Androhung drakonischer Strafen, zur Einholung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung vor Aufnahme des Geschäftsbetriebs auf-
Welche Stolpersteine der grenzüberschreitenden Niederlassung in den Weg gelegt werden können, wenn es an einer solchen Standardisierung fehlt, hat kürzlich eine Studie zur Errichtung von Zweigniederlassungen eindrucksvoll belegt (Becht/Enriques/Korom, The Cost of Branching, in Tison/De Wulf/van der Elst/Steennot, Perspectives in Company Law and Financial Regulations, FS Wymeersch, 2009, S. 91 ff.); dazu bereits Teichmann, NJW 2014, 3561, 3562. Die Stellungnahme des DNotV (abrufbar unter http://www.dnotv.de, ebda. S. 6) verweist etwa auf § 43 KWG, wonach eine Eintragung erst nach Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften möglich ist. So das Beispiel in der Stellungnahme des DNotV, der befürchtet, nach Einführung der SUP könnten mit einer „White Money Banking Corporation-SUP“ unkontrolliert Bankgeschäfte betrieben werden. Die Befürchtung, manche Mitgliedstaaten könnten es mit derartigen Regelungen nicht genau genug nehmen, hängt nicht unmittelbar mit der SUP zusammen, sondern trifft ganz allgemein die Rechtsformen anderer Mitgliedstaaten. Die SUP birgt hier lediglich das (lösbare) Sonderproblem, dass ihre Herkunft nicht aus der Bezeichnung ersichtlich ist. Der jüngste Kompromissvorschlag (vgl. Fn. 1) sieht einen Länderzusatz vor, der die Herkunft der SUP offenlegt.
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fordern. Sollten die Gründer hingegen ihre wahren Absichten verbergen, ist dagegen auch nach jetziger Rechtslage kein Kraut gewachsen. Insoweit hilft nur die Erwartung, dass eine entsprechend umtriebige Gesellschaft den zuständigen Behörden früher oder später auffallen wird.
d) Elektronische Ferngründung Das gesamte Gründungsverfahren der SUP soll auf elektronischem Wege abgewickelt werden können (Art. 14 Abs. 3). Die elektronische Ferngründung soll die Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten einfacher und kostengünstiger machen (Erwägungsgrund 13). Der Gründer einer SUP ist insbesondere nicht verpflichtet, bei einer Behörde des Eintragungsstaates persönlich zu erscheinen (Art. 14 Abs. 3). Die zuvor erwähnte Standardisierung von Anmeldeunterlagen und Satzung bildet eine verfahrenstechnische Voraussetzung für die elektronische Ferngründung (vgl. Art. 14 Abs. 4). Spätestens drei Arbeitstage nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen muss das zuständige Register die Eintragungsbescheinigung ausstellen (Art. 14 Abs. 4 S. 4).²⁴ Die elektronische Ferngründung gehört in Deutschland zu den umstrittensten Aspekten des SUP-Vorschlags.²⁵ Zahlreiche andere Mitgliedstaaten bieten zwar bereits ein elektronisches Gründungsverfahren an.²⁶ Die Identität des Gründers kann unter diesen Voraussetzungen allerdings weniger zuverlässig überprüft werden als in Staaten, bei denen sich der Gründer gegenüber einem Notar oder einer Eintragungsbehörde persönlich ausweisen muss. Die meisten Erfahrungen mit derartigen Gründungen dürften im Vereinigten Königreich vorliegen. Sie animieren aus deutscher Sicht nicht unbedingt zur Nachahmung. Der „Diebstahl“ von Gesellschaften durch Verwendung falscher Identitäten („Company Hijacking“) ist im Vereinigten Königreich ein häufig auftretendes Phänomen.²⁷ Das Handelsregister (Companies House) weist seine Nutzer offiziell darauf hin, dass es die eingehenden Daten nicht auf ihre Richtigkeit überprüft und daher mit Miss-
Der jüngste Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft (Fn. 1) hat diese Frist auf 8 Tage verlängert. Siehe nur die Beiträge von Bormann, Hommelhoff und Ries in diesem Band. Genannt seien (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und auf Basis einer persönlichen Umfrage unter ausländischen Fachkollegen): Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Litauen, Polen, Portugal, Tschechien, Vereinigtes Königreich. Vgl. im Übrigen den Anhang zum SUP Impact Assessment, SWD(2014) 124, S. 49 ff. Vgl. zum sog. Company Hijacking im Vereinigten Königreich (vor dem im Übrigen auch auf der offiziellen Website des Companies House ausdrücklich gewarnt wird): Bock, ZIP 2011, 2449 ff.
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bräuchen zu rechnen sei. In anderen Staaten, wie etwa in Polen, wo man für die Gründung einer Gesellschaft lediglich die Nummer eines Personalausweises eingetragen muss,²⁸ werden vergleichbare Missbräuche nicht lange auf sich warten lassen. Sie sind in Deutschland weitgehend ausgeschlossen, weil das Eintragungsverfahren die Mitwirkung eines Notars erfordert.²⁹ Da dieser mit dem Handelsregister in elektronischer Form kommuniziert, lässt sich auch hier eine zügige und zuverlässige Eintragung erreichen. Dennoch ist das Harmonisierungsanliegen legitim. Denn die unterschiedlichen Systeme funktionieren nur im nationalen Kontext reibungslos. Für einen deutschen Gründer ist der Gang zum Notar ein zumutbarer Schritt; er findet ihn in jeder größeren Gemeinde und darf sich von ihm rechtskundige und kostengünstige Hilfestellung erwarten. Dank der notariellen Mitwirkung genießt das deutsche Handelsregister einen hohen Grad an Zuverlässigkeit, den auch die Wirtschaft zu schätzen weiß.³⁰ Umgekehrt dürfte sich der Rechtsverkehr im Vereinigten Königreich auf das Risiko unrichtiger Eintragungen eingestellt haben. Das Companies House bietet verschiedene Dienstleistungen an, die es dem Inhaber einer Gesellschaft erlauben, unbefugte Eingriffe frühzeitig aufzudecken.³¹ Und Dritte, die sich auf den Inhalt des Registers verlassen, genießen grundsätzlich Vertrauensschutz.³² Was im nationalen Bereich funktioniert, führt im grenzüberschreitenden Verkehr zu Friktionen. Ein deutscher Nutzer des Companies House erliegt der Illusion, dieses sei ebenso zuverlässig wie das deutsche Handelsregister. Wenn er eine englische Gesellschaft gründet, wird er gar nicht auf den Gedanken kommen, dass er sich gegen unbefugte Eingriffe besonderes schützen müsse. Umgekehrt wird ein englischer Geschäftsmann die Notwendigkeit, Eintragungen im deutschen Register über einen Notar abzuwickeln, als höchst lästig empfinden. Die Information darüber, wie sich dieser Umstand vermeiden lässt,³³ gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen des deutschen Verfahrensrechts und wird sich
Ob derjenige, der die Gesellschaft gründet, dabei seine eigene Nummer oder unbefugt diejenige eines anderen Bürgers verwendet, kann die Eintragungsstelle nicht verifizieren. Eingehend zur polnischen Online-Gründung Makowicz/Romanowski, RIW 2012, 497 ff. Eines der seltenen Gegenbeispiele liefert der Fall OLG Brandenburg ZIP 2012, 2103. Vgl. die SUP-Stellungnahme von BDA/BDI/DIHK, 18.7. 2014, S. 6 (abrufbar unter http://www. bdi.eu/images_content/RechtUndOeffentlichesAuftragswesen/Gemeinsame_Stellungnahme_ zum_Vorschlag_fuer_eine_SUP.pdf; zuletzt eingesehen: 3. 2. 2015). Zu den Schutzmöglichkeiten im Einzelnen: Bock, ZIP 2011, 2449, 2451 ff. Vgl. etwa Sec. 40 und Sec. 161 Companies Act zur Vertretungsmacht der Directors. Beispielsweise durch eine deutsche Botschaft/deutsches Konsulat (§ 10 Konsulargesetz begründet allerdings nur die Befugnis zur Beurkundung, nicht die Verpflichtung) oder Ausstellung einer Vollmacht auf einen Bevollmächtigten vor Ort.
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dem ausländischen Gründer kaum erschließen.³⁴ Er wird ebenso wie sein deutscher Kollege bei der Gründung einer englischen Gesellschaft ein Opfer seiner kulturellen Prägung. Da ihm der Gedanke, dass man Eintragungen im deutschen Register auch aus der Ferne veranlassen kann, überhaupt nicht kommt, wird er hierüber von vornherein keine Informationen einholen. Eine Ablehnung des SUP-Vorschlags mit dem Argument, das geringe Schutzniveau anderer Mitgliedstaaten wolle man nicht akzeptieren³⁵, greift daher zu kurz. Ein Scheitern des SUP-Vorschlags wäre ein Pyrrhus-Sieg. Er würde die grenzüberschreitende Transaktionssicherheit nicht erhöhen, sondern auf dem derzeit niedrigen Niveau zementieren. Deutschland muss schon heute das Schutzniveau anderer Mitgliedstaaten immer dann akzeptieren, wenn die dort gegründeten Gesellschaften in Deutschland tätig werden.³⁶ Sobald eine englische oder polnische Gesellschaft hierzulande eine Zweigniederlassung einträgt, ist auch das deutsche Handelsregister von der Qualität der Informationen im Heimatland abhängig. Man sollte die SUP daher als Chance begreifen, sich europaweit über geeignete Sicherheitsstandards bei der Online-Gründung zu verständigen.³⁷ Wenn es gelingen sollte, hier ein höheres Schutzniveau zu erlangen, wäre dies aus deutscher Sicht außerordentlich zu begrüßen.³⁸ Die aktuellen Verhandlungen konzentrieren sich daher zu Recht auf die Frage, inwieweit für ganz Europa ein halbwegs verlässlicher elektronischer Standard geschaffen werden kann, der dann auch für Gesellschaftsgründungen tragfähig ist.³⁹ Eine in anderen Mitgliedstaaten eingetragene SUP könnte dann sogar einen höheren Qualitätsstandard bieten als die dort eingetragenen regulären nationalen Gesellschaften.
Eine Recherche des Verf. im Internet mit dem Stichwort „GmbH-Gründung“ ergab zu den in Fn. 33 genannten Gestaltungsmöglichkeiten keine Hinweise. Erst die gezielte Suche mit dem Stichwort „Beurkundung Ausland“ führte zu der entsprechenden Information – bezeichnenderweise nicht bei offiziellen Stellen, sondern auf der Website einer Anwaltskanzlei. Die Suche war allerdings nur deshalb erfolgreich, weil die zu ermittelnde Information dem Suchenden bereits bekannt war. Ries, NZG 2014, 569 f.; ders. in diesem Band, S. 65; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1415. Dies hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit manifestiert, vgl. EuGH, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459; EuGH, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919; EuGH, Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155. Ebenso Drygala, EuZW 2014, 491, 493. Vgl. die in diese Richtung weisende Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses (Fn. 13), Ziff. 45. Anknüpfungspunkt hierzu kann die E-Identity-Verordnung sein (VO Nr. 910/2014), deren Anwendungsbereich allerdings bislang Handelsregistersachen ausnimmt (vgl. Erwägungsgrund 21).
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3. Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter der SUP sind nur zulässig, wenn sowohl ein Bilanztest als auch ein Solvenztest positiv ausfallen: Das Nettoaktivvermögen muss nach der Ausschüttung noch den Betrag des Stammkapitals zuzüglich der satzungsmäßig gebundenen Rücklagen decken; Berechnungsgrundlage hierfür ist die letzte festgestellte Bilanz (Art. 18 Abs. 2). Außerdem soll die Gesellschaft in dem auf die Gewinnausschüttung folgenden Jahr weiterhin in der Lage sein, ihre Schulden bei Fälligkeit im normalen Geschäftsgang zu begleichen; hierüber muss das Leitungsorgan vor dem Ausschüttungsbeschluss des Gesellschafters eine Solvenzbescheinigung ausstellen (Art. 18 Abs. 3).⁴⁰ Der Solvenztest erscheint vielen Beobachtern als weitere Anleihe an angelsächsische Regelungsmodelle.⁴¹ Tatsächlich ist er im englischen Recht aber in dieser Form gar nicht enthalten. Der SUP-Vorschlag lehnt sich wohl eher an das jüngst reformierte niederländische Recht an.⁴² In den politischen Verhandlungen über die Europäische Privatgesellschaft war man zu ganz ähnlichen Verhandlungsergebnissen gelangt.⁴³ Dem deutschen GmbH-Recht sind diese Überlegungen keineswegs so fremd, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.⁴⁴ Denn gemäß § 64 S. 3 GmbHG haftet der Geschäftsführer auf Schadensersatz, wenn er Zahlungen an Gesellschafter leistet, welche die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen mussten. Eine ausdrückliche Solvenzbescheinigung wird zwar nicht verlangt. Im Schrifttum herrscht jedoch Einigkeit, dass der Geschäftsführer im eigenen Interesse eine Solvenzprüfung vornehmen sollte, bevor er Gelder an die Gesellschafter auszahlt.⁴⁵ Damit ist der Solvenztest zwar weniger formalisiert als im SUP-Vorschlag. In der Sache liegen die Anforderungen jedoch nicht allzuweit auseinander. Denn auch der Geschäftsführer einer deutschen GmbH handelt pflichtwidrig, wenn er Vermögenswerte an die Gesellschafter ausschüttet, obwohl er erkennen kann, dass die Gesellschaft genau dieser Werte in naher Zukunft zur Befriedigung von Verbindlichkeiten benötigen wird.
Ausführlich hierzu J. Schmidt, in diesem Band, S. 13 ff. Drygala, EuZW 2014, 491, 495; Seibert, GmbHR 2014, R209, R210. Vgl. zu diesem Hirschfeld, RIW 2013, 134 ff. Vgl. Schutte-Veenstra/Verbrugh, in Hirte/Teichmann, The European Private Company – Societas Privata Europaea (SPE), 2013, S. 261 ff.; Jung, GmbHR 2014, 579, 588; dies., Die Kapitalverfassung der SPE, 2014, S. 210 ff. Ebenso Beurskens, GmbHR 2014, 738, 743; Seibert, GmbHR 2014, R209, R210; DAV-Handelsrechtsausschuss, (Fn. 13), Ziff. 66 ff. Siehe nur: Haas, in Baumbach/Hueck, GmbGH, 20. Aufl. 2013, § 64 Rn. 95; Knof, DStR 2007, 1536, 1540; Müller, in MünchKomm GmbHG, 2011, § 64 Rn. 155; K. Schmidt, GmbHR 2007, 1, 6.
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Bemerkenswert am SUP-Vorschlag ist nach alledem weniger der Inhalt als die Begründung der Ausschüttungsregelung. Erwägungsgrund 19 stellt eine Verbindung zum fehlenden Mindestkapital her: Für die SUP solle kein hohes Mindestkapital vorgeschrieben werden, weil dies die Errichtung solcher Gesellschaften behindern würde. Darin spiegelt sich das Grundanliegen des Vorschlags, die Gründung zu erleichtern und von bürokratischem Ballast zu befreien. Auch wenn ein moderates Mindestkapital der Reputation der SUP gewiss zuträglich wäre,⁴⁶ ist doch einzuräumen, dass es einen gewissen Regelungs- und Prüfungsaufwand nach sich zieht, die Aufbringung des Mindestkapitals zu kontrollieren und gegen Umgehungen abzusichern. Stattdessen will der SUP-Vorschlag mit der Kombination von Bilanz- und Solvenztest die Gläubiger vor unverhältnismäßig hohen Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter schützen.⁴⁷ Rechtsökonomisch hat dieser Ansatz einiges für sich.⁴⁸ Es ist eine der zentralen Aufgaben des Gesellschaftsrechts, Vermögensverlagerungen an die Gesellschafter so zu regulieren, dass sie nicht zum Schaden der Gläubiger erfolgen. In Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter sind die faktischen Möglichkeiten, sich aus dem Vermögen der Gesellschaft zu bedienen, naturgemäß besonders groß. Vielfach fehlt dem Alleingesellschafter schon das Rechtsgefühl dafür, dass er „seiner“ Gesellschaft nicht ohne weiteres Vermögenswerte entnehmen darf. Insoweit kann die Notwendigkeit, vor dem Ausschüttungsbeschluss eine Solvenzbescheinigung auszustellen, eine heilsame Wirkung entfalten. Sie erinnert Geschäftsführer und Gesellschafter an ihre Verantwortung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und an die drohende persönliche Haftung bei übermäßigem Vermögensentzug.
II. Verwendung der SUP als Konzernbaustein 1. Motivation des Regelungsvorschlags Studiert man die Begründung und die Terminologie des SUP-Vorschlags, so schält sich der Einsatz in der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe als regulatorisches Leitbild heraus.⁴⁹ Sowohl die Gründung einer Tochtergesellschaft als
In diesem Sinne Teichmann/Fröhlich, Maastricht Journal of European and Comparative Law, 2014, 536, 540. Siehe auch hierzu Erwägungsgrund 19. Zur Gefahr opportunistischen Verhaltens in diesem Kontext siehe nur Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Regulating the Closed Corporation, 2014, 160 ff. Eingehend Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065 ff.; Schoenemann, EWS 2014, 241 ff.
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auch deren effektive Einbindung in die Unternehmensgruppe sollen erleichtert werden. Der Bezug zur Unternehmensgruppe tritt in den Richtlinien-Erwägungsgründen deutlich hervor: Rechtspolitisches Motiv für das einheitliche Gründungsregime sind die derzeitigen Kosten bei der „Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten“, die von den unterschiedlichen rechtlichen und administrativen Anforderungen herrühren.⁵⁰ Mit demselben Argument wird für die elektronische Ferngründung geworben; die Gründung von „Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten“ werde dadurch einfacher und kostengünstiger.⁵¹ Über die Gründung hinaus soll auch die „Tätigkeit von Unternehmensgruppen“ erleichtert werden, indem der Alleingesellschafter das Recht erhält, den Geschäftsführern bindende Weisungen zu erteilen.⁵² Vorteilhaft für die rechtssichere Führung ausländischer Tochtergesellschaften ist auch die klare Kompetenzabgrenzung zwischen Alleingesellschafter und Geschäftsführer (Art. 21– 24 SUP-Vorschlag). Ein während der Verhandlungen hinzugefügter neuer Erwägungsgrund nennt sogar ausdrücklich das Konzerninteresse.⁵³
2. Kompetenzaufteilung zwischen Alleingesellschafter und Geschäftsführer a) Kompetenzbereich des Alleingesellschafters In der grenzüberschreitenden Konzernführung ist eine rechtssichere und klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Gesellschafter und Geschäftsführung essentiell. Für eine Unternehmensgruppe mit Gesellschaften in verschiedenen EUMitgliedstaaten wäre es durchaus hilfreich, wenn insoweit überall dieselben Regeln gälten. Das ist bislang nicht der Fall.⁵⁴ Insoweit vermag der SUP-Vorschlag einigen Fortschritt zu bringen. Er trägt zur klaren Kompetenzabgrenzung durch eine Auflistung derjenigen Gegenstände bei, die stets der Beschlussfassung durch den Alleingesellschafter unterliegen (Art. 21 Abs. 2).
Vgl. Erwägungsgründe 3, 7 und 8. Erwägungsgrund 13. Erwägungsgrund 23. Erwägungsgrund 23 S. 3 und 4 neu (vgl. Fn. 1). Vgl. nur Chiapatta/Tombari, ECFR 2014, 261 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Aufl. 2013, § 1 Rn. 42 f.
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b) Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers Zum Kompetenzbereich des Alleingesellschafters gehören die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (Art. 21 Abs. 2 lit. e). Für die Konzernführung ist besonders hervorzuheben, dass der SUP-Geschäftsführer jederzeit abberufen werden kann und damit automatisch die Befugnis verliert, für die Gesellschaft zu handeln (Art. 22 Abs. 5). Der Alleingesellschafter kann also einen Geschäftsführer, dem er nicht mehr vertraut, unverzüglich seiner Befugnisse berauben und dadurch verhindern, dass er weitere Verpflichtungen für die Gesellschaft eingeht. Dieses aus deutscher Warte selbstverständliche und unverzichtbare Instrument einer effektiven Unternehmensführung ist europaweit keineswegs gesichert. Genannt sei exemplarisch das irische Recht, das eine kurzfristige Entlassung des Geschäftsführers nicht zulässt und dies im Companies Act auch noch so kunstvoll verklausuliert, dass es für fremde Augen kaum zu entdecken ist – eine der vielen Fußangeln, in die eine transnationale Unternehmensgruppe im EU-Binnenmarkt hineintreten kann.⁵⁵
c) Weisungsrecht des Alleingesellschafters Innerhalb Deutschlands geht man bei der Konzernführung ganz selbstverständlich davon aus, dass man mit der Wahl der Rechtsform den Autonomiegrad einer Tochtergesellschaft festlegen kann:⁵⁶ Der Vorstand einer Tochter-AG leitet die Tochtergesellschaft „unter eigener Verantwortung“ (§ 76 AktG), genießt also weitreichende rechtliche Autonomie; der Geschäftsführer einer Tochter-GmbH hingegen unterliegt dem Direktions- und Weisungsrecht des Gesellschafters (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG). In der grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe ist diese Kategorisierung weniger verlässlich. Die Grenzen zwischen AG und GmbH sind vielerorts anders definiert als im deutschen Recht. Und das im deutschen GmbH-Recht selbstverständliche Weisungsrecht der Gesellschafter sucht man in so mancher auslän-
Gemäß Art. 182 Companies Act (Irland) können die Gesellschafter einer irischen Gesellschaft den Geschäftsführer zwar vorzeitig abberufen. Der Beschluss muss dem Geschäftsführer jedoch zugeleitet werden,wozu eine sog. „extended notice“ erforderlich ist.Was darunter zu verstehen ist, erläutert Art. 142 Companies Act: Jeder Gesellschafterbeschluss, der einer „extended notice“ bedarf, muss der Gesellschaft mindestens 28 Tage vor der Beschlussfassung zugeleitet werden, andernfalls ist er unwirksam. Dem Geschäftsführer muss zudem Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt werden. Dies findet sich wieder in Art. 182 geregelt. Siehe nur Keller, in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 4 Rn. 16 ff. (S. 128).
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dischen Rechtsordnung vergeblich.⁵⁷ Solange der Gesellschafter die uneingeschränkte Kompetenz zur Abberufung der Geschäftsführer hat, mag man ein Weisungsrecht für entbehrlich halten.⁵⁸ Indessen ist auch die Abberufungskompetenz, wie bereits erwähnt, im europäischen Vergleich gerade nicht einheitlich geregelt.⁵⁹ Zudem wird man im grenzüberschreitenden Kontext zweimal darüber nachdenken, bevor man einem qualifizierten Geschäftsführer den Stuhl vor die Tür setzt. Hat man nach langer Suche vor Ort endlich einen der deutschen Sprache mächtigen Geschäftsführer gefunden, der sich im Markt gut auskennt, ist eine überhastete Abberufung keine sinnvolle Option. Hilfreich und konfliktvermeidend ist eine klare Kompetenzabgrenzung, die beide von Anfang an als gemeinsame Geschäftsgrundlage kennen und akzeptieren. Ein klar geregeltes Weisungsrecht des Gesellschafters stützt dessen interne Autorität und entfaltet seinen Nutzen selbst dann noch, wenn es in einer zweiten Eskalationsstufe doch zu einer Abberufung kommen sollte. Denn für die sekundären Rechtsfolgen einer Abberufung (insb. Schadensersatzansprüche) kann es einen erheblichen Unterschied ausmachen, ob der abberufene Geschäftsführer nach der internen Kompetenzordnung pflichtwidrig handelte oder nicht. Insoweit bietet der SUP-Vorschlag eine wichtige Unterstützung: Gemäß Art. 23 Abs. 1 ist der Alleingesellschafter ausdrücklich berechtigt, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen. Damit ist eine für die Konzernführung wichtige Bresche in den Dschungel der nationalen Rechtssysteme geschlagen. Bedauerlicherweise droht man sich anschließend dann doch wieder in lokalen Schlingpflanzen zu verfangen, weil der SUP-Vorschlag das Weisungsrecht unter den Vorbehalt des anwendbaren nationalen Rechts stellt. Im Kontext von Rechtsordnungen, die ein Weisungsrecht bislang nicht kennen, führt dies zu erheblichen Unklarheiten. Denn wo es bislang kein Weisungsrecht gab, finden sich dafür naturgemäß auch keine expliziten Grenzen. Zu Recht wird daher weiteres Nachdenken eingefordert; die SUP ist als Konzernbaustein bislang nur suboptimal ausgestaltet.⁶⁰ Dazu trägt auch die in ihrem Bedeutungsgehalt zweifelhafte Regelung des sog. „shadow director“ bei. Gemäß Art. 22 Abs. 7 sind Personen, deren Anweisungen die Geschäftsführer für gewöhnlich befolgen, ihrerseits als Geschäftsführer zu
Rechtsvergleichend Teichmann, AG 2013, 184, 191 ff., ders., RIW 2010, 120, 125. Vgl. hierzu Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1070, der die Nachteile dieser „Personalschiene“ allerdings zu Recht als „gefährlich intransparent und rechtlich ungeordnet“ beschreibt. Auch Chiapetta/Tombari, ECFR 2014, 261 ff., die aus der Unternehmenspraxis der Pirelli-Gruppe berichten, halten ein klar definiertes Weisungsrecht in der internationalen Unternehmensgruppe für erforderlich (ebda., S. 272). Siehe oben Fn. 55. Vgl. bereits Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1070 f.
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behandeln und damit allen Pflichten unterworfen, die für ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführer gelten. Sollte also der Alleingesellschafter schon deshalb wie ein Geschäftsführer zu behandeln sein, weil er von seinem gesetzlich zugesprochenen Weisungsrecht Gebrauch macht? So ist es wohl nicht gemeint.⁶¹ Die Regelung des britischen Companies Act, die offenbar als Vorlage für Art. 22 Abs. 7 des SUP-Vorschlags diente, schließt im Konzern eine Stellung der Muttergesellschaft als „shadow director“ gerade aus.⁶² Dies sollte auch im SUP-Vorschlag klargestellt werden.⁶³
3. Weiterer Regelungsbedarf a) Anerkennung des Gruppeninteresses Der SUP-Vorschlag benennt zwar die grenzüberschreitende Unternehmensgruppe als Zielgruppe, lässt aber die entscheidende Frage offen, ob bei Führung der SUP das Gruppeninteresse zum Tragen kommen darf. Diese „Leerstelle“⁶⁴ schwächt insbesondere das explizit eingeräumte Weisungsrecht. Wenn jede Weisung unverbindlich ist, die gegen das anwendbare nationale Recht verstößt, ist für die grenzüberschreitende Konzernführung wenig gewonnen. Denn das nationale Recht vieler Mitgliedstaaten erhebt das Eigeninteresse der Gesellschaft zum eigentlichen Leitstern der Unternehmensführung.⁶⁵ Gewiss bleibt auch innerhalb des Eigeninteresses ein unternehmerischer Spielraum, den der Alleingesellschafter kraft Weisung nach seinen Vorstellungen ausfüllen darf.⁶⁶ Dennoch bleibt die SUP mit einem national coupierten Weisungsrecht hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück, schließlich sollte das Weisungsrecht nach Erwägungsgrund 23 eingeführt werden, „[U]m die Tätigkeit von grenzüberschreitenden Unternehmensgruppen zu erleichtern“. Im Kontext einer grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe dient das Weisungsrecht vor allem dazu, die Tätigkeit der verschiedenen Konzerngesell Kritisch daher auch DAV-Handelsrechtsausschuss (Fn. 13), Ziff. 88. Sec. 251 (2) Companies Act 2006; dazu bereits Drygala, EuZW 2014, 491, 495 sowie Teichmann, NJW 2014, 3561, 3565. Dem Vernehmen nach hat man sich in den Ratsverhandlungen auf eine solche Klarstellung bereits geeinigt. So Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1074, hinsichtlich der Organpflichten in der Tochtergesellschaft. Auf diese Unsicherheit der internationalen Konzernführung weisen namentlich Chiapetta/ Tombari, ECFR 2012, 261, 273, hin. Dazu bereits Schoenemann, EWS 2014, 241, 244; Teichmann, NJW 2014, 3561, 3564.
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schaften zu koordinieren.⁶⁷ Dazu bedarf es bestimmter Richtlinien, die konzernweit eingehalten werden. Soll die SUP tatsächlich als Baustein einer Unternehmensgruppe eingesetzt werden, wäre es höchst misslich, wenn europaweit ausgegebene Direktiven der Konzernspitze in dem einen EU-Land rechtlich bindend wären, in einem anderen jedoch nicht. Zu Recht fordern daher Autoren, die sich mit der SUP unter dem Aspekt der Konzernführung befassen, eine Auseinandersetzung mit der Frage des Gruppeninteresses.⁶⁸
b) Schutzperspektive I: Geschäftsführer von Mutter- und Tochtergesellschaft Eine Regelung des Gruppeninteresses dient einerseits dem Schutz der geschäftsführenden Personen in Mutter- und Tochtergesellschaft. In ihrem Interesse sollte der SUP-Vorschlag klarstellen, dass bei der Erteilung und Befolgung von Weisungen das Gruppeninteresse in Rechnung gestellt werden darf.Vor allem darf einem Tochtergeschäftsführer kein Haftungsvorwurf daraus erwachsen, dass er in begründeten Einzelfällen das Eigeninteresse der Tochtergesellschaft dem Gruppeninteresse untergeordnet hat. Eine konzerndimensionale „Business Judgment Rule“ würde den nötigen Spielraum eröffnen, den die Konzernführung auf Mutter- und Tochterebene benötigt.⁶⁹ Dass der konzerndimensional geöffnete Entscheidungsfreiraum der Tochtergeschäftsleitung die effektive Gruppenleitung aus der Mutter heraus erschweren werde,⁷⁰ steht nicht zu befürchten, wenn man eine Parallelität mit dem Weisungsrecht herstellt: Das unternehmerische Ermessen des Tochtergeschäftsführers und das Weisungsrecht des Alleingesellschafters sind deckungsgleich. Wenn dem Tochtergeschäftsführer gestattet ist, das Gruppeninteresse in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen, kann die Mutter ebendies auch einfordern und innerhalb des Gruppeninteresses Weisungen erteilen, denen der Tochtergeschäftsführer folgen muss. Man könnte die Einbeziehung des Gruppeninteresses zudem pragmatisch mit dem Hinweis begründen, dass Derartiges in der Konzernrealität ohnehin geschieht und die unsichere Rechtslage nicht dem Tochtergeschäftsführer als dem schwächsten Glied in der Entscheidungskette aufgelastet werden darf. Die sol-
Vgl. den Praxisbericht von Chiapetta/Tombari, ECFR 2012, 261, 267, aus der Pirelli-Gruppe sowie die rechtspraktische Perspektive bei Keller (Fn. 56), § 4 Rn. 1 ff. (S. 121 ff.). Drygala, EuZW 2014, 491, 495; Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1071 ff.; allgemein zur Anerkennung des Gruppeninteresses auf europäischer Ebene Conac, ECFR 2013, 194 ff. Dazu bereits Teichmann, AG 2013, 184, 195 ff. So die Befürchtung von Hommelhoff, GmbHG 2014, 1065, 1071.
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chermaßen rechtlich geordnete Integration der SUP in den Unternehmensverbund ist einem juristischen Blindflug allemal vorzuziehen. Das Privileg, das in der Legitimierung des Gruppeninteresses liegt, kann auf diese Weise regulatorisch eingehegt und von der Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen abhängig gemacht werden. Auch dies ist von der allgemeinen Business Judgment Rule bekannt. Nur wer alle erreichbaren Informationen einbezogen und alle denkbaren Aspekte abgewogen hat, wird den damit angebotenen „safe harbour“ erreichen.⁷¹ Mittelbar trägt dies zu einer angemessenen Informationsordnung im Konzern bei; der Tochtergeschäftsführer kann die Forderung nach Informationen mit der andernfalls drohenden Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzung begründen. Weiterhin fördert dieser Ansatz die Transparenz und Qualität der Entscheidungsfindung. Denn nur, wer später noch darlegen kann, welche Informationen er vorliegen hatte, wird sich erfolgreich einer Haftung entziehen können.
c) Schutzperspektive II: Gläubiger der Tochtergesellschaft Die Einbeziehung in das Gruppeninteresse ist gegen die weiterhin bestehende rechtliche Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft auszubalancieren. Denn die Verwendung einer Tochtergesellschaft erhält ihren Sinn gerade daraus, dass sie eine Segmentierung der Haftungsrisiken bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten erlaubt. Darin liegt nicht allein ein rechtspraktisches Bedürfnis, sondern auch ein Aspekt der europäischen Niederlassungsfreiheit. Mit der Erwähnung der „Tochtergesellschaft“ in Art. 49 Abs. 1 S. 2 AEUV als einer europäisch garantierten Ausübungsform der Niederlassungsfreiheit verbindet sich definitorisch das Merkmal der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen.⁷² Allerdings ist das Privileg der Haftungsbeschränkung in wohl allen Rechtsordnungen davon abhängig, dass die Akteure bestimmte Verhaltensregeln einhalten, die dem Schutz der Gläubiger dienen. Welcher Mixtur von Informations-, Kapitalschutz- oder Solvenzregeln es dafür bedarf, bleibt dem rechtspolitischen Diskurs überlassen.
Welche Voraussetzungen dafür im Einzelnen zu erfüllen sind, hängt naturgemäß von der konkret-normativen Ausgestaltung der Business Judgment Rule ab. Vgl. von Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 919 für die US-amerikanische BJR: „Genügen die Directors den prozeduralen Anforderungen der BJR, besteht für sie folglich praktisch kein Haftungsrisiko.“ Die im deutschen Recht geregelte BJR hat, insb. wegen der umgekehrten Beweislastverteilung, eine zwar geringere, aber immer noch spürbare Entlastungsfunktion (a. a.O., S. 919 ff.). Schön, EWS 2000, 281, 286 f.; ders., FS Hommelhoff, 2012, S. 1037 ff.; Teichmann, ZGR 2014, 45, 65 ff.
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Aber gänzlich ohne Gegenleistung ist das Privileg der Haftungsbeschränkung nirgends auf der Welt zu erhalten. Die Anerkennung des Gruppeninteresses fordert daher naturgemäß ein Gegengewicht in einer Absicherung der Zahlungsfähigkeit und Existenz der Tochtergesellschaft.⁷³
III. Der SUP-Vorschlag im Kontext der AEUV-Regelungen zur Niederlassungsfreiheit Im Zusammenhang mit der Konzeption des Rechtsaktes und den dadurch eröffneten Einsatzmöglichkeiten lässt sich nun auch Klarheit über die einschlägige Rechtsgrundlage gewinnen. Zunächst ist der SUP-Vorschlag daraufhin zu untersuchen, ob er eine supranationale Rechtsform einführt, wofür die Kompetenzgrundlage des Art. 352 AEUV einschlägig wäre, die Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten verlangt (unter 1.). Sodann ist die von der Europäischen Kommission in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 50 AEUV unter dem Aspekt zu betrachten, dass sie den Erlass von Richtlinien unter den Vorbehalt der „Erforderlichkeit für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit“ stellt (unter 2.).
1. Rechtsangleichung oder supranationale Rechtsform? Der SUP-Vorschlag ist formal betrachtet eine Neufassung der bereits existierenden Richtlinie über Einpersonengesellschaften,⁷⁴ deren Regelungen sich im ersten Teil des SUP-Vorschlags weitgehend inhaltsgleich wiederfinden. Neu ist jedoch der zweite Teil, der programmatisch mit „Societas Unius Personae“ überschrieben ist und gedanklich an die Vorarbeiten zur „Societas Privata Europaea“ (SPE) an-
Vgl. hierzu die rechtspolitischen Vorschläge bei Conac, ECFR 2013, 194, 218 ff. (in Anlehnung an die französische Rozenblum-Doktrin) und Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1071 ff. (mit Vorschlag eines Liquiditätsfonds). Sog. Zwölfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie. Die Ursprungsfassung stammt von 1989 (Richtlinie 89/667/EWG). Mittlerweile liegt eine konsolidierte und aktualisierte Fassung vor: Richtlinie 2009/102/EG vom 16.9. 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABl. EG, 1.10. 2009, Nr. L 258/20.
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schließt.⁷⁵ Die SPE sollte eine europäische GmbH auf Basis einer EU-Verordnung sein; sie war als originär europäische Rechtsform konzipiert, vergleichbar der bereits existierenden SE (Societas Europaea). Der SPE-Vorschlag war indessen deutlich breiter angelegt als derjenige zur SUP.⁷⁶ Die SPE war für einen oder mehrere Gesellschafter gedacht. Und die SPEVerordnung sollte hierfür ein autonom-europäisches Gesellschaftsrecht mit möglichst wenigen Verweisen auf nationales Recht liefern.⁷⁷ Der Verordnungsentwurf enthielt Regelungen zur Gründung, zur inneren Organisation und zum Gläubigerschutz. Darüber hinaus hätte die SPE eine weitreichende europäische Satzungsautonomie, flankiert durch sog. Regelungsaufträge, gewährt.⁷⁸ Sie wäre damit als mehrfach verwendbare ausländische Tochtergesellschaft mit einheitlich gestalteter Satzung in grenzüberschreitenden Unternehmensgruppen einsetzbar gewesen.⁷⁹ Eine derart weitreichende Standardisierung des Gründungsverfahrens hingegen, wie es der SUP-Vorschlag vorsieht, fand sich im SPE-Vorschlag nicht. Zwar wurde auch dort über die Handreichung einer Mustersatzung nachgedacht. Doch erwies sich dies für eine Gesellschaft, die nicht von vornherein auf nur einen Gesellschafter angelegt war, als praktisch nicht durchführbar.⁸⁰ Der Vorschlag zur SPE ist vorerst gescheitert.⁸¹ Unter der ungarischen Ratspräsidentschaft fand der seinerzeit vorgelegte Kompromissvorschlag nicht die nötige Zustimmung der Mitgliedstaaten.⁸² Mit dem SUP-Vorschlag verfolgt die Europäische Kommission ähnliche Ziele, sie spricht ausdrücklich von einer „Al-
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vom 25. Juni 2008, KOM(2008) 396. Diesen Zusammenhang hebt die Europäische Kommission in ihrer Begründung zum SUP-Vorschlag ausdrücklich hervor (Fn. 1, S. 2). Vgl. zwei Sammelbände aus der jüngeren Zeit, die das Recht der SPE umfassend behandeln: Hommelhoff/Schubel/Teichmann (Hrsg.), Societas Privata Europaea (SPE) – die europäische Kapitalgesellschaft für mittelständische Unternehmen, 2014; Hirte/Teichmann (Hrsg.), The European Private Company – Societas Privata Europaea (SPE), 2013. Eingehend zum auf die SPE anwendbaren Recht: Teichmann, in Hirte/Teichmann (Fn. 76), S. 71 ff. Eingehend zu den damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten Schoenemann, Die Organisationsverfassung der Societas Privata Europaea (SPE), 2014, sowie Schubel, in Hommelhoff/ Schubel/Teichmann (Fn. 76), S. 83 ff. Brems/Cannivé, Der Konzern 2008, 629 ff.; Teichmann, RIW 2010, 120 ff. Siehe nur die Kritik bei Wicke (Fn. 16). Hommelhoff/Teichmann, FAZ v. 28.6. 2011; Ulrich, GmbHR 2014, R241. Zur denkbaren Wiederbelebung auf Basis des Koalitionsvertrages Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2014, 177 ff. Zu den rechtspolitischen Konfliktpunkten im Vorfeld des Gipfels Hommelhoff, in Hommelhoff/Schubel/Teichmann (Fn. 76), S. 23 ff. Zu den Veränderungen, die der ursprüngliche SPEVorschlag bis zur ungarischen Ratspräsidentschaft erfahren hatte, siehe die Synopse von Hartmann, in Hirte/Teichmann (Fn. 76), S. 435 ff.
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ternative zur SPE“⁸³, allerdings in einer systematisch anderen und inhaltlich deutlich eingeschränkten Form. Angestrebt ist nunmehr eine Harmonisierung des nationalen GmbH-Rechts, dies allerdings nur in einigen Kernbereichen und nicht im Sinne der umfassenden Regelung einer Rechtsform. Dennoch wird im Lichte der Entstehungsgeschichte diskutiert, ob der SUP-Vorschlag nicht der Schaffung einer supranationalen Rechtsform gleich komme.⁸⁴ Dann müsste er auf die Kompetenznorm des Art. 352 AEUV gestützt werden, die unter den Mitgliedstaaten Einstimmigkeit verlangt. Über die Kriterien, anhand derer sich gesellschaftsrechtliche Rechtsangleichung und supranationale Rechtsform unterscheiden lassen, wurde unter umgekehrten Zeichen schon einmal gestritten. Anlässlich der Einführung der Europäischen Genossenschaft (SCE) hatte das Europäische Parlament geltend gemacht, die Einführung supranationaler Rechtsformen müsse sich auf die Kompetenznorm zur Rechtsangleichung stützen.⁸⁵ Der Europäische Gerichtshof hat daraufhin entschieden, dass Art. 352 AEUV einschlägig sei, weil es sich bei der Einführung supranationaler Rechtsformen nicht um Rechtsangleichung handele. Er hat in dieser Entscheidung das Charakteristikum einer supranationalen Rechtsform darin gesehen, dass der hierzu erlassene Rechtsakt die nationalen Rechte unverändert lässt.⁸⁶ Zwar liegt darin eine recht formale Betrachtung, denn es gibt – wie Jung zutreffend herausgearbeitet hat – beim heutigen Stand des Unionsrechts weder die rein nationale noch die rein europäische Rechtsform.⁸⁷ Dennoch stellt die Entscheidung des EuGH kompetenzrechtliche Weichen, die auch für den SUPVorschlag maßgeblich sind: Dieser strebt die punktuelle Angleichung bestimmter gesellschaftsrechtlicher Teilaspekte an.⁸⁸ Er lässt das nationale Recht nicht unverändert, sondern unterwirft es dem für die Rechtsangleichung typischen Anpassungszwang an die Vorgaben einer Richtlinie. Das Kürzel „SUP“ ist lediglich die einheitliche Bezeichnung für solche Einpersonengesellschaften, die nach den Regeln der Richtlinie gegründet wurden. Zwar erscheint es widersinnig, dass der COM(2014) 212 final (Fn. 1), S. 3. Ausschussempfehlung des Bundesrats, v. 12. 5. 2014, BR-Drs. 165/1/14, S. 2 sowie die erneute Beschlussempfehlung der Ausschüsse zur SUP-Richtlinie, v. 30.6. 2014, BR-Drs. 165/2/14, S. 10 f.; DAV-Handelsrechtsausschuss, SN Nr. 58/2014 (Fn. 13); Omlor, NZG 2014, 1137, 1139; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417. Eingehend Jung, GesRZ 2014, 363 ff. mit dem Ergebnis, es handele sich um eine „hybride“ Form. Der politische Hintergrund bestand darin, dass diese Kompetenznorm dem Europäischen Parlament nach dem damaligen Stand des Primärrechts ein größeres Mitspracherecht gewährte. EuGH, Rs. C-436/03, 2. Mai 2006, Slg. 2006, S. I-3754, I-3768 (Rn. 44). Jung, GesRZ 2014, 363, 365 ff. Vgl. auch Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1067 sowie Teichmann, NJW 2014, 3561 ff.
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geringere Eingriff in die nationale Regelungsautonomie (supranationale Rechtsform ohne Abänderung des nationalen Gesellschaftsrechts) den höheren Anforderungen unterliegt (Einstimmigkeit nach Art. 352 AEUV). Doch ist dieser Konstruktionsfehler des Primärrechts, bei dessen Konzeption man die Möglichkeit supranationaler Rechtsformen nicht hinreichend bedacht hat, derzeit hinzunehmen.⁸⁹ Für eine Maßnahme der Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht kommt jedenfalls nach der aktuellen Fassung des AEUV allein die Kompetenznorm des Art. 50 AEUV und nicht diejenige des Art. 352 AEUV in Betracht.
2. Erforderlichkeit von Rechtsangleichung a) Allgemeiner unionsrechtlicher Maßstab Die Europäische Kommission stützt den SUP-Vorschlag daher kompetenzrechtlich auf Art. 50 Abs. 2 lit. f AEUV.⁹⁰ Diese Vorschrift ermächtigt zum Erlass von Richtlinien, um Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in Bezug auf die Voraussetzungen für die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften schrittweise aufzuheben. Die Kompetenz steht allerdings unter dem Vorbehalt der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Es besteht also nur dann eine Zuständigkeit der Europäischen Union, wenn tatsächlich eine Erforderlichkeit zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit begründet werden kann. Die Europäische Kommission begründet ihren Vorschlag mit dem Ziel, die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern.⁹¹ Einen Bedarf für derartige Maßnahmen leitet sie insbesondere daraus ab, dass derzeit nur wenige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Ausland investieren.⁹² Sie verweist damit auf die faktische Diskrepanz zwischen der volkswirtschaftlich erheblichen Bedeutung von KMU im nationalen Kontext und ihrem äußerst geringen Auftreten im grenzüberschreitenden Bereich. Dies wird sich nur teilweise damit erklären lassen, dass KMU ihrer Natur nach zumeist einen engeren Aktionsradius haben; denn innerhalb des eigenen Staates sind KMU durchaus nicht selten überregional tätig. Es spricht daher einiges für die Annahme der Europäischen Kommission, dass die Vielfalt der nationalen Rechtsvorschriften für KMU eine vergleichsweise
Vgl. hierzu Teichmann, in Enzyklopädie des Europarechts, Band 7, 2015 (im Druck), § 6 Rn. 290 ff. COM (2014) 212 final (Fn. 1), S. 5. COM (2014) 212 final (Fn. 1), S. 3. COM (2014) 212 final (Fn. 1), S. 2.
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höhere Hürde beim Schritt über die Grenze darstellt, als für Großunternehmen, deren spezialisierte Rechtsabteilungen mit solchen Schwierigkeiten leichter zurechtkommen.⁹³
b) Verweis auf andere Niederlassungshindernisse Gewiss lässt sich einwenden, dass der grenzüberschreitenden Niederlassung noch zahlreiche andere Hürden entgegenstehen.⁹⁴ Die Unterschiede im Arbeits- und Steuerrecht und die allgemeine Bürokratie, so heißt es, seien die wesentlich größeren Probleme. Daran mag etwas dran sein. Doch ändert ein solcher Einwand nichts an der Regelungskompetenz des Art. 50 AEUV. Denn dieser gestattet Rechtsangleichung in Fragen des Gesellschaftsrechts. Und deren Notwendigkeit kann naturgemäß immer nur darin liegen, die im Gesellschaftsrecht wurzelnden Hindernisse zu beseitigen. Der Nutzen einer gesellschaftsrechtlichen Harmonisierung kann nur im Sinne eines Vorher-Nachher-Vergleichs der rein gesellschaftsrechtlichen Belastungen beurteilt werden. Im Lichte der Motive, die von der Europäischen Kommission vorgebracht werden, stellt sich folglich allein die Frage, ob eine Harmonisierung der gesellschaftsrechtlichen Gründungsregeln für die Unternehmen eine spürbare Erleichterung bringen könnte.⁹⁵
c) Die Zweigniederlassung als Alternative zur Tochtergesellschaft Der SUP-Vorschlag will die Gründung von Einpersonengesellschaften in der Weise harmonisieren, dass natürlichen oder juristischen Personen die Gründung einer ausländischen Gesellschaft erleichtert wird. Darin müsste gemäß der Kompetenznorm des Art. 50 AEUV ein Beitrag zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit liegen. Nun muss allerdings ein Unternehmen im Ausland gar nicht zwingend eine Gesellschaft gründen, um sich dort niederzulassen. Der Begriff der
Diese Problematik wurde bereits anlässlich des SPE-Vorschlags eingehend diskutiert. Siehe etwa Gutsche, FS Hommelhoff, 2012, S. 285 ff; Teichmann, in Teichmann, Europa und der Mittelstand, 2010, S. 61 ff. Zu den vielfältigen Schritten, die für eine Niederlassung erforderlich sind, eingehend Leuering in diesem Band, S. 89 ff. Vgl. im Übrigen die Analyse von Baker & McKenzie zu den Gründungskosten einer ausländischen Tochtergesellschaft (www.europeanprivatecompany.eu/working_papers), wonach Arbeits- und Steuerrecht für die Gründung als solche noch relativ gering ins Gewicht fallen. In diesem Stadium überwiegen die gesellschaftsrechtlich verursachten Kosten.
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Niederlassung im Sinne des Unionsrechts erfasst sowohl die Zweigniederlassung als auch die Errichtung einer Tochtergesellschaft (vgl. Art. 49 AEUV). Gegen das Anliegen, die Gründungsregeln im Gesellschaftsrecht zu harmonisieren, wird daher nicht selten eingewandt, ein Unternehmen müsse überhaupt nicht das gesellschaftsrechtliche Gründungsverfahren durchlaufen, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen zu können.⁹⁶ Es könne ebensogut oder möglicherweise noch besser über eine Zweigniederlassung tätig werden. Seit der GmbHReform 2008 besteht für deutsche Unternehmer die Möglichkeit, mit einer deutschen GmbH, die in Deutschland über keinerlei Aktivitäten verfügt, im Ausland tätig zu werden.⁹⁷ Daraus könnte man den Schluss ziehen, eine Harmonisierung, die sich auf eine erleichterte Gründung ausländischer Tochtergesellschaften richtet, sei nicht erforderlich. Primärrechtlich ist es allerdings verfehlt, die eine Form der Niederlassung gegen die andere auszuspielen. Die Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gehört ohne Frage zu den europäisch garantierten Ausübungsformen der sekundären Niederlassungsfreiheit.⁹⁸ Es handelt sich bei der „Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften“ (Art. 49 AEUV) um gleichberechtigte Formen der grenzüberschreitenden Niederlassung. Der Gewährleistungsgehalt ist für alle diese Niederlassungsformen derselbe.⁹⁹ Auch der Gerichtshof bekräftigt in seiner Rechtsprechung die freie Wahlmöglichkeit zwischen Tochtergesellschaft und Zweigniederlassung.¹⁰⁰ Die Erforderlichkeit eines Rechtsaktes, der die Gründung von Tochtergesellschaften erleichtern will, kann daher schwerlich mit dem Argument entkräftet werden, man könne stattdessen eine Zweigniederlassung errichten. Es kommt ein zweiter, für die Rechtspraxis wesentlich bedeutsamer Aspekt hinzu: Die Funktionalität einer Zweigniederlassung ist derjenigen einer rechtlich
So etwa Bormann/König, RIW 2010, 111, 112 zur SPE. Siehe nur Schmitz, in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 2015, § 4a Rn. 21 ff. sowie weitere Kommentierungen zu § 4a GmbHG. Zur Unterscheidung in primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit: Forsthoff, in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2014, Art. 49 AEUV Rn. 52 ff. Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2014, Art. 49 AEUV Rn. 64 Vgl. den Fall Kommission/Frankreich (Rs. 270/83), Slg. 1986, 273, 305 (Rn. 22), bei der die Verhältnisse umgekehrt lagen: Frankreich hatte eine steuerliche Schlechterstellung von Zweigniederlassungen mit dem Hinweis gerechtfertigt, der ausländische Unternehmer könne stattdessen eine inländische Gesellschaft gründen. Der EuGH stellte hierzu fest, die freie Wahl der Niederlassungsformen dürfe nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen eingeschränkt werden.
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selbstständigen Tochtergesellschaft in vielerlei Hinsicht unterlegen.¹⁰¹ Die Zweigniederlassung ist rechtlich unselbständig, erlaubt also keine Haftungssegmentierung der Tätigkeitsbereiche im In- und Ausland. Ihr fehlt darüber hinaus der rechtlich selbstständige Auftritt im Tätigkeitsstaat. Sie firmiert dort als ausländische Rechtsform und begegnet entsprechendem Misstrauen oder zumindest Unverständnis. Zudem impliziert das Argument, man könne für die ausländische Aktivität eine heimische Rechtsform verwenden, eine Diskriminierung derjenigen Mitgliedstaaten, deren Gesellschaftsformen im Ausland schon aus Gründen der Sprache nicht vermittelbar sind:¹⁰² Mögen „Ltd.“ oder „GmbH“ außerhalb des Ursprungslandes noch leidlichen Bekanntheitsgrad besitzen, lässt sich das von „sp.zo.o.“, „s.r.o.“ oder „kft“ kaum behaupten.Wenn der europäische Gesetzgeber die Gründung ausländischer Tochtergesellschaften vereinfacht, hilft er also nicht zuletzt den KMU aus Polen,Tschechien oder Ungarn, deren eigene Rechtsform, mit der sie bei einer Zweigniederlassung auftreten müssten, im Ausland nur Unverständnis und Irritationen hervorrufen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung annähernd denselben bürokratischen Aufwand verursacht wie die Gründung einer Tochtergesellschaft. Daran ist der europäische Gesetzgeber nicht ganz unschuldig, hat er sich doch mit der elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie für ein weitgehend gleiches Publizitätsniveau von Zweigniederlassung und Kapitalgesellschaft entschieden.¹⁰³ Der informationelle Schutz des Rechtsverkehrs sollte nicht davon abhängen, ob ein Unternehmen mit einer selbstständigen Gesellschaft oder einer Zweigniederlassung am Markt auftritt.¹⁰⁴ Aus Sicht des Unternehmens heißt diese Gleichstellung von Kapitalgesellschaft und Zweigniederlassung indessen, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung mit erheblichem Aufwand verbunden ist.¹⁰⁵ Nach einer kürzlich veröffentlichten länderübergreifenden Fallstudie verschlingt die Errichtung einer Zweigniederlassung in so manchem Mitgliedstaat einige tausend Euro und dauert mehrere Wochen oder
Dazu eingehend Teichmann, in Hommelhoff/Schubel/Teichmann (Fn. 76), S. 39, 41 ff. Oplustil, in Teichmann, Europa und der Mittelstand, 2010, S. 109, 117 ff. Richtlinie 89/666/EWG, Abl. EG, 21.12.1989, Nr. L 395/36. Vgl. die Erwägungsgründe der Richtlinie (o. Fn. 103). Dieses Informationsmodell ist auch deshalb bedeutsam, weil die Publizität der Zweigniederlassung überhaupt erst die Aussage der Inspire Art-Entscheidung trägt, dass über den informationellen Gläubigerschutz hinaus keine weiteren nationalen Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger erforderlich seien; vgl. EuGH, Inspire Art (Fn. 36), Rn. 135. Von der deutschen Wirtschaft wurde der Vorschlag für die elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie seinerzeit aus genau diesem Grund heftig kritisiert (siehe nur Wiesner, GmbHR 1987, 103).
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sogar Monate.¹⁰⁶ Mit diesem Aufwand von Zeit und Kosten lässt sich in der Regel ebensogut eine rechtlich selbstständige Gesellschaft gründen. Schließlich und endlich ruft die Kombination aus Inlandsgesellschaft und ausländischer Zweigniederlassung auch noch das Problem der Doppelbesteuerung auf den Plan. Denn regelmäßig unterwirft nicht nur der Tätigkeitsstaat der Zweigniederlassung, sondern auch der Sitzstaat der Gesellschaft die in der Zweigniederlassung erzielten Einkünfte seiner Besteuerung.¹⁰⁷ Dies lässt sich zwar mit Hilfe von Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig bewältigen.¹⁰⁸ Wiederum entsteht aber ein erheblicher Aufwand, den man ebensogut in die Rechnungslegung einer selbstständigen Tochtergesellschaft investieren könnte. Nach alledem ist die Zweigniederlassungsvariante keineswegs so attraktiv, dass man ihretwegen auf jegliche Gründungserleichterung für Tochtergesellschaften verzichten könnte. Die Zweigniederlassung verursacht nahezu denselben Aufwand wie eine Tochtergesellschaft, ohne deren Vorteile (Haftungsbeschränkung, eigenständiger Marktauftritt, klare steuerliche Trennung) bieten zu können. Wer KMU zu einer vermehrten grenzüberschreitenden Niederlassung bewegen will, sollte ihnen daher die Gründung von Tochtergesellschaften erleichtern.
d) Existierende Gründungserleichterungen im nationalen Recht Gegenüber dem SUP-Vorschlag könnte man weiterhin einwenden, dass für eine europäische Regelung, die sich eine Erleichterung der Gesellschaftsgründung zum Ziel setzt, kein Bedarf bestehe, weil die nationalen Rechtsordnungen dies bereits weitgehend sichergestellt hätten. Es dürfte in den meisten oder allen Mitgliedstaaten möglich sein, zu überschaubaren Kosten und mit geringem Zeitaufwand eine kleine Kapitalgesellschaft zu gründen. In diesem Sinne äußert Ries in diesem Band die Auffassung, für das deutsche Recht bestehe hier kein Nachholbedarf.¹⁰⁹ Die Gründung einer GmbH sei innerhalb von sehr kurzer Zeit zu äußerst günstigen Konditionen möglich.Vergleichbares können viele andere Mitgliedstaaten für sich reklamieren, die ihr Gesellschaftsrecht in jüngerer Zeit gerade mit dem Ziel reformiert haben, die Gründung von Gesellschaften kostengünstig und zeitsparend zu regeln.¹¹⁰
Becht/Enriques/Korom (Fn. 20), S. 91 ff. Vgl. Reith, in Leible/Reichert, MünchHdBGesR, Band 6, Internationales Gesellschaftsrecht, § 31 Rn. 35 ff. Eingehend Reith, o. Fn. 107, § 32. Vgl. Ries, in diesem Band, S. 68. Siehe nur Fleischer, NZG 2014, 1081, 1085 ff.
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Dies alles ist jedoch eine rein nationale Perspektive. Für einen deutschen Mittelständler ist gewiss die Errichtung einer deutschen GmbH ohne Schwierigkeiten möglich. Wenn er allerdings eine oder mehrere Tochtergesellschaften im Ausland errichten möchte, sieht die Kalkulation gänzlich anders aus. Selbst in Staaten, deren Gründungskosten sich im eigentlichen Sinne nur auf einige 100 € belaufen, gehen die gesellschaftsrechtlich induzierten Informations- und Beratungskosten sehr schnell in die Tausende Euro.¹¹¹ Hinzu kommen zahlreiche Fallstricke der nationalen Bürokratie, die allein deshalb zu Fallstricken werden, weil sie dem Gründer aus seinem eigenen Recht unbekannt sind. Die bereits erwähnte Studie zur Errichtung von Zweigniederlassungen¹¹² legt davon beredt Zeugnis ab. Insoweit ist der Europäischen Kommission in ihrer Diagnose zuzustimmen. Die Unterschiede der Rechtsordnungen sind ein deutlich spürbarer Kostenfaktor für die grenzüberschreitende Niederlassung. Das Ziel eines Binnenmarktes, in dem die Überschreitung der Grenze keine zusätzlichen Kosten verursacht¹¹³, konnte bislang nicht erreicht werden. Im Gegenteil: Der partikularistische Reformeifer der nationalen Gesetzgeber entfernt die Union immer weiter von diesem Idealzustand. Im Sinne des oben angesprochenen Vorher-Nachher-Vergleichs ist daher festzuhalten: Die Harmonisierung der Gründungsregeln im Recht der kleinen Kapitalgesellschaften kann für grenzüberschreitend tätige Unternehmen spürbare Einsparungen an Zeit und Kosten bewirken. Eine Kompetenz gemäß Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV lässt sich daher gut vertretbar begründen. Bedenkt man, dass der Europäische Gerichtshof den Gesetzgebungsorganen der EU in dieser Frage zu Recht einen gewissen Ermessensspielraum zugesteht, dürfte der SUPVorschlag an der Kompetenzfrage jedenfalls kaum scheitern.¹¹⁴
IV. Zusammenfassung Die rechtspraktischen Einsatzmöglichkeiten der SUP konzentrieren sich auf den Aspekt der Gründung. Mit Streichung der sog. Konzernklausel (Art. 2 Abs. 2 RL 2009/102/EG) entfallen wesentliche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Das standardisierte SUP-Gründungsverfahren mit einheitlicher Satzung und der Möglichkeit einer Ferngründung kann gerade kleinen und mittleren Unternehmen den ersten Schritt über die Grenze erleichtern.
Siehe nur die oben (Fn. 95) erwähnte Umfrage von Baker&McKenzie. Oben Fn. 20. Hierzu eingehend Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006, S. 25 ff. So auch die Einschätzung bei Drygala, EuZW 2014, 491, 493.
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Dem Einsatz in der Unternehmensgruppe dienen die Regelungen zur Kompetenzabgrenzung zwischen Alleingesellschafter und Geschäftsführer. Dazu gehören die klar geregelte Kompetenz zur sofortigen Abberufung des Geschäftsführers und das ausdrücklich festgelegte Weisungsrecht. Unbefriedigend ist bislang die Vorschrift zum „shadow director“. Zudem lässt der SUP-Vorschlag die entscheidende Frage, ob im Rahmen der Tochtergeschäftsführung das Konzerninteresse in Rechnung gestellt werden darf, offen. Im Lichte der geschilderten Erleichterungen für die grenzüberschreitende Niederlassung sprechen gute Gründe für eine unionsrechtliche Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 50 Abs. 2 lit. g) AEUV. Art. 352 AEUV ist hingegen nicht einschlägig, da es sich bei der SUP-Richtlinie um eine Angleichung des nationalen Rechts und nicht um die Einführung einer europäischen Rechtsform handelt.
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Die SUP und das Handelsregister Die Europäische Kommission schlägt eine europäische Ein-Personen-GmbH mit dem Namen Societas Unius Personae („SUP“) vor.¹ Mit dieser Gesellschaftsform sollen angebliche Einschränkungen bei der Gründung von Tochterunternehmen im Ausland beseitigt werden. Diese Einschränkungen sieht man im Kosten- und Zeitaufwand für die Gründung von Kapitalgesellschaften und in dem Erfordernis des Erscheinens des Gründers vor Registrierungsbehörden. Die SUP soll keine supranationale, sondern eine nationale Rechtsform sein, die eine Gründung einer Kapitalgesellschaft online (Art. 14) mit einem Mustervertrag (Art. 11) und mit einem Mindestkapital von 1 Euro (Art. 16) ermöglicht. Aus deutscher handelsregisterrechtlicher Sicht stellt sich zunächst die Frage nach der Notwendigkeit der SUP.² Der angeblich bestehende erhebliche Kostenund Zeitaufwand bei der Gründung von Kapitalgesellschaften besteht jedenfalls in Deutschland nicht. Die Notar- und Gerichtskosten für die Gründung einer deutschen 1-Euro-Unternehmergesellschaft mit Musterprotokoll betragen circa 250 Euro. Der Zeitaufwand für die Gründung beträgt bei korrekter Gründung und Zahlung des Gerichtskostenvorschusses ein bis zwei Tage, inklusive des Notartermins. Ein persönliches Erscheinen der Gründer vor dem Handelsregister ist nicht erforderlich. Ein Erscheinen des ausländischen Gründers vor einem deutschen Notar ist entbehrlich, wenn der Gründer über Vollmachten handelt, die er von seinem ausländischen Hausnotar oder einer deutschen Auslandsvertretung beglaubigen lässt.³ Die Beglaubigung erspart er sich sogar, wenn er über eine Vollmacht Anteile einer deutschen Vorratsgesellschaft erwirbt. Beide dargestellten Verfahren sind in der Praxis üblich und weder zeit- noch kostenintensiv. Die von der Kommission vorgeschlagene Möglichkeit der reinen onlineGründung ohne persönliches Erscheinen vor einem Notar oder Handelsregister ist aus deutscher handelsregisterrechtlicher Sicht problematisch. Damit entfiele nämlich eine Überprüfung der Identität der Gesellschafter und Geschäftsführer. Nur das physische Erscheinen vor dem Notar oder dem Handelsregister gewährleistet eine fehlerfreie Identitätsüberprüfung. Eine wirklich sichere Identitätsüberprüfung im online-Verfahren gibt es derzeit nicht. Bei Verwendung von Signaturkarten besteht die Gefahr der bewussten oder unbewussten Manipulation Vorschlag vom 9.4. 2014 COM (2014) 212. Vgl. bereits Ries, NZG 2014, 569; Rösing, notar 2014, 149. Heckschen, in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 3. Aufl. 2011, § 2 Rn. 45b.
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durch Weitergabe oder Diebstahl der Karte und der Pin-Nummer an oder durch Dritte. Identitätsbetrug oder Identitätsdiebstahl wären die Folge, was sich im Vereinigten Königreich beobachten lässt, wo nach Angaben des companies house pro Monat 50 bis 100 aufgedeckte Fälle von Identitätsdiebstahl auftreten.⁴ In diesen Zahlen sind die nicht aufgedeckten Fälle gar nicht enthalten. Die Aufgabe einer verlässlichen Identitätsüberprüfung würde auch Folgen für die Publizitätswirkung des Handelsregisters (§ 15 HGB) und der Gesellschafterliste (§ 16 GmbHG) haben.⁵ Der öffentliche Glaube des Handelsregisters und der Gesellschafterliste kann nur bestehen, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Inhalt des Handelsregisters und der Gesellschafterliste richtig ist. Dies setzt eine verlässliche Identitätsüberprüfung voraus. Nicht umsonst fehlen in Handelsregisterauszügen des Vereinigten Königreichs Angaben zu den Geschäftsführern und Gesellschaftern. Ohne öffentlichen Glauben des Handelsregisters und der Gesellschafterliste werden sich die Transaktionskosten erhöhen. Vertragspartner von Kapitalgesellschaften und Erwerber von Geschäftsanteilen werden sich dann durch Nachforschung und Vertragsklauseln anderweitig absichern müssen. Art. 14 des Vorschlags de Kommission schließt eine freiwillige physische Identitätsüberprüfung durch Notar oder Handelsregister nicht aus. Aber selbst wenn Deutschland bei der physischen Identitätsüberprüfung durch den Notar bleibt, droht ein Qualitätsgefälle bezüglich der Informationen aus den Handelsregistern, wenn andere Mitgliedstaaten der EU reine online-Gründungen ohne physisches Erscheinen vor einem Notar oder dem Handelsregister zulassen.⁶ Der von der Kommission vorgeschlagene Mustervertrag ist aus deutscher handelsregisterrechtlicher Sicht problematisch.⁷ In dem Mustervertrag müssten die Bestimmungen zur Firma, zum Gegenstand und zum Kapital frei bleiben.Viele Klauseln könnte der Mustervertrag nicht enthalten. Die registerrechtliche Praxis zeigt, dass gerade firmenrechtliche Fragen häufig zu Problemen führen.⁸ Nicht umsonst füllen die Kommentierungen zu §§ 17 ff HGB halbe Kommentare. Auch der Gegenstand der Tätigkeit von Kapitalgesellschaften führt in der Praxis zu Problemen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Gegenstände nach dem KWG, auf gemeinnützige Tätigkeiten und auf freiberufliche Tätigkeiten, die alle
Hierzu Bock, ZIP 2011, 2449. Vgl. hierzu auch die Beschlussempfehlung der Ausschüsse zum SUP-Vorschlag im Bundesrat v. 30.6. 2014, BR-Drs. 165/2/14, Punkt 10. Ebenso Wicke, ZIP 2014, 1414, 1415. So bereits Ries, NZG 2014, 569, 570. Überblicksartig zum Firmenrecht Kilian, in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2011, § 6 VI.
Die SUP und das Handelsregister
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einer Genehmigung bedürfen. Bei Verwendung von Musterverträgen ist ohne professionelle Beratung durch Notare oder Rechtsanwälte eine erhöhte Fehleranfälligkeit zu erwarten, die zu Beanstandungen durch das Handelsregister führen, was wiederum Verzögerungen bei der Gründung zur Folge hätte, die nach dem Vorschlag der Kommission gerade vermieden werden sollen. Aus Sicht des deutschen Handelsregisters hat sich die Zwischenschaltung des Notars, der zu vertretbaren Preisen eine qualitativ hochwertige Beratung bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen liefert, bewährt. Ohne Notar werden die Fehleranfälligkeit und die Arbeitsbelastung der Registergerichte steigen.⁹ Nur am Rande sei erwähnt, dass Muster eben nur Muster sind und einen individuell gestalteten Gesellschaftsvertrag nicht ersetzen können. Am Beispiel des in Deutschland 2008 eingeführten Musterprotokolls lässt sich nachvollziehen, dass Musterprotokolle in der Praxis zwar bei der Gründung häufig verwendet werden, aber nach einigen Jahren für den oder die Gesellschafter nicht mehr passen und deshalb durch individuell gestaltete Gesellschaftsverträge ersetzt werden. Der Vorschlag der Kommission zum Mindestkapital von 1 Euro (Art. 16 Abs. 1) ist aus deutscher handelsregisterrechtlicher Sicht problematisch.¹⁰ Die in Deutschland 2008 eingeführte Unternehmergesellschaft, die auch nur ein Mindestkapital von 1 Euro haben muss, ist insolvenzanfälliger als die Regel-GmbH und hat eine deutlich schlechtere Bonität als die Regel-GmbH. Der Vorschlag zur SUP sieht darüber hinaus keine Thesaurierungspflicht wie bei der Unternehmergesellschaft, sondern nur eine Solvenzbescheinigung vor.¹¹ Ob Letztere aus Gläubigerschutzgesichtspunkten effektiver als die Thesaurierungspflicht ist, bleibt zu bezweifeln, zumal eine physische Identitätsüberprüfung der Geschäftsführer nicht zwingend stattfinden soll.¹² Als Fazit lässt sich aus deutscher handelsregisterrechtlicher Sicht feststellen: – Es besteht keine Notwendigkeit, die SUP in Deutschland einzuführen. Die Gründung von Tochterunternehmen in Deutschland ist weder zeit- noch kostenintensiv. – Der Verzicht auf eine physische Identitätsüberprüfung gefährdet den öffentlichen Glauben des Handelsregisters und der Gesellschafterliste. Dies führt zu einer Erhöhung der Transaktionskosten.
Ries, NZG 2014, 569; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1416; ders., in Hommelhoff/Schubel/Teichmann, Societas Privata Europaea (SPE) – die europäische Kapitalgesellschaft für mittelständische Unternehmen, 2014, S. 107, 116 f. Vgl. bereits Wicke, ZIP 2014, 1414, 1417. Art. 18 Abs. 3. Ries, NZG 2014, 569, 570.
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Die Verwendung von Musterverträgen ohne notarielle Betreuung führt zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit, zu einer größeren Arbeitsbelastung der Registergerichte und zu Verzögerungen bei der Gründung. Das Mindestkapital von 1 Euro bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Thesaurierungspflicht ist aus Gläubigersicht suboptimal.
Peter Hommelhoff
Die SUP-Ferngründung Im Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (SUP)¹ findet sich eine aufregende Novation: die Online-Eintragung der zu gründenden Gesellschaft auf elektronischem Wege, ohne dass der Gründer vor einer Behörde im Eintragungsstaat erscheinen muss (Art. 14 Abs. 3 – 5).² Diese SUP-Ferngründung (auch und vor allem über die Grenze) hat in Deutschland bereits heftige Reaktionen vor allem in Notarkreisen hervorgerufen, aber auch der vom bayerischen Justizministerium stimulierte Bundesrat hat die elektronische Ferngründung argumentenreich und nachdrücklich abgelehnt; weitere, so nun auch die Bundesregierung, sind gefolgt. Schon deshalb verdient der Kommissions-Vorschlag Analyse und Würdigung aus der kühlen Distanz der Wissenschaft.
I. Der Regelungsvorschlag der Kommission Über den Vorschlag zur SUP-Ferngründung darf allerdings nicht verkannt werden, dass die Online-Gründung lediglich einer unter mehreren Wegen ist, um eine SUP zu errichten. Neben dem Formwechsel nach Art. 9 kennt der Richtlinienvorschlag noch andere Gründungsformen „klassischen“ Zuschnitts.
Vom 9.4. 2014 COM (2014) 212 final; auch unten abgedruckt S. 111 ff.; dazu Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialauschusses (ESWA) vom 10.9. 2014, INT/70044, die (offenbar im Bundesfinanzministerium formulierte) undatierte Position der Bundesregierung vom November 2014 sowie die des Bundesrates vom 11.7. 2014 (BR-Drs 165/14) mit Erwiderung der EU-Kommission vom 25.9. 2014, C (2014) 6855 final; s. auch Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 31/2014 vom Juli 2014; Deutscher Notarverein, Stellungnahme vom 30.4. 2014; Gemeinsame Stellungnahme BDA/BDI/DIHK (DIHK 2240 0601 191– 42); Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2014, 1372; aus dem Schrifttum Beurskens, GmbHR 2014, 738; Drygala, EuZW 2014, 491; Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065; Jung, GmbHR 2014, 579; Omlor, NZG 2014, 1137; s. auch Pütz/Sick, Böckler Impuls 17/2014, 7, die grundsätzliche Ablehnung der deutschen Gewerkschaften referieren. Nicht näher gekennzeichnete Artikel sind solche des Vorschlags für eine SUP-Richtlinie (Fn. 1).
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1. Gründungsvarianten Denn entgegen dem ersten Eindruck³ steht dem Gründer auch die Sachgründung nach dem mitgliedstaatlichen Recht des jeweiligen Registersitzstaates frei⁴ (Art. 7 Abs. 4) und ebenso die Gründung einer SUP mit einer individuell in Abweichung von der Kommissions-Vorlage nach Art. 11 Abs. 3 ausgestalteten Satzung gleichfalls nach dem anwendbaren Nationalrecht. Der Richtlinien-Vorschlag versteht Online-Gründung und Formwechsel⁵ mitnichten als abschließende Formen der SUP-Errichtung. Das folgt bereits aus Erwägungsgrund 19⁶: „Wenn nach nationalem Recht eine andere Form der Eintragung zulässig ist, braucht die Vorlage (nach Art. 11 Abs. 3) nicht verwendet zu werden, die Satzung muss jedoch den Anforderungen der Richtlinie genügen.“ Vor allem aber hätte der Richtlinientext die Bar- oder Sachgründung einer SUP mit einem Statut, das von der SatzungsVorlage der Kommission abweicht, klar und eindeutig ausschließen müssen. Denn unabhängig davon, ob ein Mitgliedstaat in Ausnutzung der Gestaltungsoption aus Erwägungsgrund 10 die SUP als eigenständige Rechtsform neben der bereits vorhandenen zweiten Kapitalgesellschaftsform etabliert oder als Unterform zu dieser (vergleichbar der deutschen UG),⁷ so setzt sich die Rechtsgrundlage einer jeden SUP stets primär aus dem genuin eigenen Recht ihres Registersitzstaates und ergänzend aus dem transformierten der SUP-Richtlinie zusammen.Würde die Richtlinie das jeweilige Gründungsrecht der Mitgliedstaaten für die SUP tatsächlich so weitgehend zurückdrängen wollen, so hätte dies offen und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden müssen. Für den SUP-Gründer folgt aus alledem: Um eine SUP „ex nihilo“ zu gründen, ist er keineswegs gezwungen, sich des Online-Verfahrens zu bedienen. Ihm bleibt vielmehr unbenommen, einen der Wege zu beschreiten, die ihm das nationale Recht des Registersitzstaates bisher schon eröffnet hat und der ihm aus vorausgegangenen Gründungsverfahren vertraut sein mag. Der Gründer hat die freie Wahl. Deshalb steht es im Belieben des Alleingeschäftsführers einer Mailänder s.r.l., anlässlich seines Oktoberfest-Besuchs bei einem Münchener Notar eine SUP mit Sitz daselbst zu gründen, sich über die Eignung der unionsrechtlichen Satzungs-Vorlage nach Art. 11 Abs. 3 für seine spezifischen Zwecke belehren zu lassen,
So wohl Jung, GmbHR 2014, 579, 584. Zutreffend Drygala, EuZW 2014, 491, 494; aA Omlor, NZG 2014, 1137, 1140. Die Umwandlung nach Art. 9 ist in der Sache ein Formwechsel, s. Handelsrechtsausschuss (Fn. 1), 1372, 1375 Rn. 32; aA Omlor, NZG 2014, 1137, 1139: schlichte Satzungsänderung. Hierauf macht richtig Beurskens, GmbHR 2014, 738, 739 aufmerksam; die Gründer können ihre Gründungsverfahren frei auswählen, so auch EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 3. Hierzu näher Jung, GmbHR 2014, 579, 580 f.; Omlor, NZG 2014, 1137, 1139.
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um sodann den Notar mit der Durchführung alles Weiteren zu betrauen. Dieser Geschäftsführer muss sich weder in München, noch in Mailand an den eigenen Computer setzen, um die zu errichtende SUP beim Registergericht München elektronisch anzumelden. Die Ferngründung über die Grenze gemäß Art. 14 Abs. 3 ist eine bloße Option⁸: „… das gesamte Eintragungsverfahren … abgewickelt werden kann“.
2. Die Ferngründung in ihren Einzelheiten Im Mittelpunkt der Online-Gründung einer SUP steht die jeder natürlichen oder juristischen Person als Gründer (Art. 8) eröffnete Möglichkeit, aus jedem EUMitgliedstaat heraus die Eintragung der Gesellschaft im eigenen Mitgliedstaat des Gründers, aber auch in jedem anderen zu betreiben. a) Weder der Eintragungsantrag, die Anmeldung, noch die Eintragungsunterlagen bedürfen der Schriftform, geschweige denn der Beurkundung; hierfür genügen elektronische Eingaben (Art. 14 Abs. 3). Zum Ort der Anmeldung und zur Art und Weise ihrer Durchführung enthält der Richtlinienvorschlag keinerlei steuernde Vorgaben; vielmehr untersagt er lediglich den Mitgliedstaaten, dem Gründer das Erscheinen vor einer Behörde im Eintragungsstaat vorzuschreiben. Somit kann dieser seine Anmeldung von welchem Ort auch immer abgeben: von einer amtlichen Stelle an seinem Wohnsitz ebenso wie vom Schreibtisch in seinem Büro oder von seinem ausländischen Feriendomizil aus und sei dies auf den Bermudas. Maßgeblich ist allein der elektronische Anschluss des Gründers. b) Zur Identifizierung des Gründers (Art. 13 Abs. 1 lit d) und deren Überprüfung enthält der Richtlinienvorschlag keine eigene Regelung, ebensowenig zur Identifizierung des oder der vertretungsberechtigten Geschäftsführer (Artt. 22/13 Abs. 1 lit e) und deren Überprüfung; bloß die Inhabilität eines Geschäftsführers muss bei der Anmeldung nach Art. 13 offengelegt werden (Art. 22 Abs. 6 Untabs. 1 S. 2). Die Richtlinie fordert somit weder die Beglaubigung der Gründungs-Anmeldung noch die der Unterschrift des oder der Geschäftsführer. Allerdings soll den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht eröffnet werden; sie können auf der Grundlage je eigener mitgliedstaatlicher Bestimmungen die Identität des anmeldenden Gründers und die Zuverlässigkeit der Eintragungsunterlagen überprüfen lassen. Sollte dies Staatenwahlrecht tatsächlich den Eintragungsmitgliedstaaten eröffnet
Prägnant bereits Drygala, EuZW 2014, 491, 494.
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werden,⁹ so müsste dennoch die bloß elektronische Antragstellung im Anmeldestaat gewährleistet sein;¹⁰ das Identifizierungsproblem würde sich auf dem Weg mitgliedstaatlicher Eintragungsprüfungen nicht wirklich lösen lassen. Und selbst wenn ein Prüfungsverfahren mitgliedstaatlich vorgeschrieben werden sollte, so müssen die Eintragungsmitgliedstaaten nach der Vorgabe des Unionsrechts die amtlichen Ausweise aus anderen Mitgliedstaaten einschließlich der elektronisch ausgestellten für die Zwecke der Identitätsprüfung anerkennen (Art. 14 Abs. 5 Untabs. 1 S. 2). In der Praxis läuft dies, wie schon der Bundesrat befürchtet hat,¹¹ auf die elektronische Übermittlung eingescannter Ausweiskopien hinaus; diese lassen sich im Eintragungsstaat weder auf ihre unverfälschte Echtheit hin überprüfen, noch daraufhin, ob die einreichende Person mit dem Ausweisinhaber wirklich übereinstimmt. Im Ergebnis schließen es die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Rahmenbedingungen für den Eintragungsantrag aus, den Gründungsgesellschafter und den vorgesehenen SUP-Geschäftsführer hinreichend rechtssicher zu identifizieren.¹²
3. Die Einbeziehung der Mustersatzung In die Analyse der elektronischen SUP-Ferngründung sind zwei weitere Zwangsvorgaben des Richtlinienvorschlags mit einzubeziehen: zum einen die Verwendung der Standardsatzung und zum anderen die der Eintragungsvorlage (Art. 14 Abs. 4 Untabs. 1 S. 2). Beide Texte wird die EU-Kommission vorformulieren, als einheitliche Vorlagen in einem Durchführungsakt jeweils in Kraft setzen und so interessierten SUP-Gründern zur Verfügung stellen (Artt. 11 Abs. 3/13 Abs. 2). Nach Vorstellung der Kommission könnten diese Einheitsvorlagen helfen, die Einrichtungskosten zu senken¹³ und die Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern.¹⁴ Zugleich sollen auf diesem Wege Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit schrittweise aufgehoben werden.¹⁵ Dies Begründungsmuster wird man aus dem Blickwinkel der SUP-Gründer noch ergänzen und konkretisieren können: Sie brauchen sich im Gründungssta-
Zum Streitstand s. Jung, GmbHR 2014, 579, 587 einerseits und Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1069 andererseits. So EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 2 f. BR-Drs 165/2/14, S. 4 Ziff. 6; s. auch Ries, NZG 2014, 569. AA EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 3. Richtlinienvorschlag (Fn. 1), Begründung S. 3 (auch unten S. 111). Richtlinienvorschlag (Fn. 1), Begründung zu Kapitel 4, S. 8 (auch unten S. 114 f.). Richtlinienvorschlag (Fn. 1), Erwägungsgrund 8, S. 12 (auch unten S. 123).
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dium der Gesellschaft weder um deren Satzung und ihre Ausformulierung zu kümmern, noch um die Ermittlung all’ jener landesspezifischen Angaben und Informationen, die für die Eintragung der SUP notwendig sind (arg. Art. 13 Abs. 2 S. 1). Es genügt, das elektronisch von der Kommission bereitgestellte einheitliche Anmeldeformular elektronisch auszufüllen. Nach Erwägungsgrund 15 soll jeder Eintragungsmitgliedstaat zwar verlangen können, dass die Eintragung in seiner Landessprache abgewickelt wird; zugleich jedoch ist er aufgefordert, die Eintragung auch in anderen Amtssprachen der Union zuzulassen. Dem nachzukommen, mag auch die Ankündigung der Kommission erleichtern, die einheitlichen Vorlagen in sämtlichen Amtssprachen der Union zur Verfügung zu stellen (Erwägungsgrund 15 S. 1). Allerdings sind mit der SUP-Standardsatzung und ihrer zwingend vorgegebenen Verwendung im Ferngründungs-Verfahren zugleich gewichtige Nachteile für den Gründer verbunden: Er kann der Gesellschaft, abgesehen von ihrer Firma, ihrem Unternehmensgegenstand, ihrem Stammkapital und ihrem Sitz (arg. Art. 13 Abs. 1), keine weiteren individuellen Züge statutarisch einprägen, um den Besonderheiten ihrer Geschäfte, ihrer Märkte und des Gründers selbst Rechnung zu tragen. Dieser Ausschluss der Gestaltungsfreiheit im SUP-Gründungsstadium ist für eine Rechtsform in der Familie der Kapitalmarkt-fernen zweiten Kapitalgesellschaftsformen¹⁶ bemerkenswert – zumal die SUP nach ihrer zugrundeliegenden Konzeption in mehreren Mitgliedstaaten für die Organisation von Tochtergesellschaften dort verwendbar sein soll,¹⁷ mithin Gruppen-individuell gestaltet werden muss. In der Praxis werden SUP-Gründer deshalb klug beraten sein, recht bald nach Eintragung der Gesellschaft dieser durch Ergänzung der Satzung (Art. 12) individuelle Züge zu verleihen.
II. Kritische Würdigung Dieser Vorschlag einer elektronischen SUP-Ferngründung ohne Gründerauftritt vor einer Behörde im Eintragungsmitgliedstaat (Art. 14 Abs. 3), hat in Deutschland vor allem wegen des Ausschlusses der Notare heftige Kritik erfahren. Diese geht in vier Richtungen: fehlende Identitätsgewähr, keine Beratung, Registerprüfung ohne notarielle Vorprüfung, Unzuverlässigkeit im Registerwesen. Zu dieser Gesamtkritik noch ein wenig näher:
Hierzu rechtsvergleichend jüngst Fleischer, NZG 2014, 1081, 1087 f. Vgl. Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1067 sub III 1.
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1. Fehlende Identitätsgewähr Besonders nachdrücklich hat der Deutsche Notarverein die Gefahren einer fehlenden oder auch nur unsicheren Identitätsgewähr beschworen.¹⁸ Wegen der fehlenden Identitätsprüfung bei der Gründung werde nicht geprüft, ob der Gründer überhaupt existiere und ob die Angaben zu seiner Identität stimmten. Der Gründer könne mit einer gestohlenen Identität auftreten. Ganz in diese Richtung auch der Bundesrat: Die Manipulations- und Missbrauchsgefahren der im Richtlinienentwurf vorgeschlagenen Verfahrensgestaltung lägen auf der Hand. Damit würde sich die SUP vor allem für unredliche Gründer anbieten, die als Gesellschafter anonym bleiben und nicht für zweifelhafte Aktivitäten ihrer Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden wollten. Darüber hinaus würde die SUP eine ideale Plattform für kriminelles Handeln wie banden- und gewerbsmäßigen Betrug, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Insolvenzstraftaten bilden.¹⁹
2. Fehlende Beratung Beklagt wird überdies der fehlende Rechtsrat bei der Online-Gründung.²⁰ Der Gründer werde nicht über die Rechtsgrundlagen der Gründung und über ihre Risiken beraten. Beim Ausfüllen von Mustern seien Fehler vorprogrammiert, die das Eintragungsverfahren erheblich verlängerten. Und speziell zur Verwendung von Standardsatzungen hatte der Bundesrat schon im Zusammenhang mit der GmbH-rechtlichen Mustersatzung im Regierungsentwurf für das MoMiG dereinst gewarnt²¹: Diese würde zu unreflektierter Übernahme unpassender Regelungen ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse verleiten. Die notwendigen Zusatzregelungen würden in beratungs- und kostenintensiven schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen oder nachfolgenden Satzungsänderungen getroffen. Darüber hinaus seien die Essentialia der Gründung wie Firma, Unternehmensgegenstand und Höhe des Stammkapitals auch bei der Gründung qua Mustersatzung klärungsbedürftig und häufig zudem beratungsintensiv. Diese Einwände erhob der Bundesrat vormals gegen die mit der Mustersatzung einhergehende bloße Verringerung der Gründungsberatung durch den Notar. Die SUP-Ferngründung
Stellungnahme vom 30.4. 2014, S. 7; vorsichtiger BDA/BDI/ DIHK, Stellungnahme (Fn. 1), S. 6; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme (Fn. 1) S. 6 f. BR-Drs 165/2/14, S. 4 Ziff. 7; so auch die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 4 sowie ESWA (Fn. 1), Ziff. 1.7. Ries, NZG 2014, 569 f. S. den Bericht von Wicke, in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 2 Rn. 97.
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dagegen zielt auf den völligen Ausschluss notariellen Rats ab. Deshalb nicht verwunderlich warnen Notare erst recht vor der vorgeschlagenen Online-Gründung.²² Auf die besonderen Probleme, die grenzüberschreitende Beteiligungen im Erbrecht hervorrufen, sei lediglich ergänzend hingewiesen.²³
3. Fehlende Vorprüfung Im Eintragungsverfahren nach deutschem Recht werden Anmeldungen zum Handelsregister bekanntlich doppelt geprüft²⁴: auf der ersten Stufe durch den Notar im Rahmen der Beurkundung und auf der zweiten durch den Registerrichter im Rahmen seiner Eintragungsprüfung. Diese Doppelprüfung steigert die Richtigkeitsgewähr für Registereintragungen und ihre Verlässlichkeit. Zugleich entlastet die notarielle „Vorprüfung“ die Registergerichte und beschleunigt die Eintragungsverfahren insgesamt, wie Bundesrat²⁵ und notarielle Praxis²⁶ nicht müde werden zu betonen. Aus Brüsseler Sicht wird die deutsche Doppelprüfung entgegengesetzt eingeschätzt: Sie sei bürokratisch, zeitaufwendig und kostenträchtig; konsequent sei die Doppelprüfung geeignet, den Willen zu dämpfen, eine Gesellschaft zu gründen. Deshalb hatte die EU-Kommission schon für die Europäische Privatgesellschaft, für die SPE, die Doppelprüfung im Gründungsverfahren ausdrücklich ausschließen wollen (Art. 9 Abs. 4 S. 1 SPE-VOEK),²⁷ hatte sich aber damit im Ministerrat nicht durchsetzen können.²⁸ Für die SUP erneuert nun die Kommission (trotz gegenteiliger Bedenken der Notare)²⁹ ihren Standpunkt, wenn auch die unveränderte Begründung bloß angedeutet wird: Die Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten solle einfacher und kostengünstiger ge-
Wicke, in Hommelhoff/Schubel/Teichmann, Societas Privata Europaea (SPE) – die europäische Kapitalgesellschaft für mittelständische Unternehmen, 2014, S. 116 ff. Wicke (Fn. 22), S. 114 f.; s. auch schon Schlotter, Erbrechtliche Probleme der Société Privée Européenne, 2002. Dazu näher J. Mayer, in MünchKomm GmbHG, 2010, § 2 Rn. 23 iVm Rn. 21: Filterfunktion der notariellen Beurkundung. Oben bei Fn. 21. Wicke, (Fn. 22), S. 118. Verordnungsentwurf der EU-Kommission v. 25.6. 2008, KOM (2008) 396; Übersicht über die einführenden Beiträge bei Lutter/Bayer/J. Schmidt, EuropUR, 5. Aufl. 2012, S. 1670 Fn. 18. Dazu Freudenberg, NZG 2010, 527, 530 f.; Wicke, GmbHR 2011, 566, 569. Äußerung der Notarvertreter im Rahmen der SUP-Konsultation, Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Begründung S. 5.
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staltet werden.³⁰ Um das Eintragungsverfahren angemessen kontrollieren und sicherstellen zu können,³¹ hält die Kommission eine notarielle Vorprüfung ganz offensichtlich für unnötig.
4. Unzuverlässigkeit im Registerwesen Der Verzicht auf die Identitätsprüfung bei der elektronischen SUP-Ferngründung, aber auch die fehlende „Vorprüfung“ durch einen Notar lassen die mit dem Registerwesen in Deutschland Vertrauten ganz generell befürchten, die Aussagekraft und Zuverlässigkeit des Handelsregisters werde in so starkem Maße Schaden nehmen, dass der Rechts- und Geschäftsverkehr mit der SUP nicht mehr auf die diesbezüglichen Registerangaben vertrauen könne.³² Konsequent müsse man den öffentlichen Glauben der Handelsregister aufgeben – und zwar in ganz Kontinentaleuropa.³³ Und im Anschluss daran der Bundesrat sehr grundsätzlich³⁴: Der SUP-Richtlinienvorschlag missachte den Stellenwert, dem eine vorsorgende Rechtspflege für den reibungslosen Ablauf moderner Wirtschaftsprozesse zukomme. Demgegenüber sei eine zivil- und strafrechtliche Nachsorge umfangreich, aufwendig und trotzdem oft weniger effektiv als gehaltvolle Vorsorge.
III. Regelungsziele im Unionsrecht Angesichts dieser massiven, ausgebauten und bis auf die Fundamente des überkommenen Registerwesens hinabreichenden Kritik verbietet sich ihre direkte und kurzatmige Erwiderung in den erwähnten Einzelpunkten. Geboten sind vielmehr zunächst eine sorgfältige Analyse des Regelungsumfeldes, für das die OnlineGründung der SUP vorgeschlagen wird, sowie eine nähere Untersuchung der Ziele, die mit der elektronischen SUP-Ferngründung angesteuert werden sollen.
Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Erwägungsgrund 13, S. 13 (auch unten S. 124). Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Begründung S. 5 (auch unten S. 143). BR-Drs 165/2/14, S. 5 Ziff. 8 Abs. 2; so auch BDA/BDI/DIHK, Stellungnahme (Fn.1), S. 6, 10; Eickelberg, NZG 2015, 81. Ries, NZG 2014, 579. BR-Drs 165/2/14, S. 5 Ziff. 8 Abs. 2; wie dieser nun auch die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 5.
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1. Mehrfachgründungen im Binnenmarkt Geregelt wird in den Kapiteln 2 bis 4 des Richtlinienvorschlags bloß die Gründung der einzelnen SUP unabhängig davon, ob diese als Trägerin eines Einzelunternehmens, als Mutterunternehmen an der Spitze einer Unternehmensgruppe (arg. Art. 6 Abs. 2) oder als gruppenabhängige Tochter- oder Enkelgesellschaft fungieren soll. Für das Eintragungsverfahren und die Online-Anmeldung in ihm sind die beabsichtigte Funktion der SUP und das wirtschaftlich-organisatorische Umfeld, in dem sich die SUP-Gründung vollzieht, scheinbar ohne Bedeutung: Es wird die eine konkrete SUP errichtet; anders können ihre Gründung und Registrierung in der Tat auch nicht normiert werden. Über diese normierte Vereinzelung der SUP darf jedoch nicht das spezifische Bild verdeckt bleiben, von dem sich die EU-Kommission als Initiatorin im europäischen Gesetzgebungsverfahren hat vordringlich leiten lassen: die SUP als Gruppenbaustein, der innerhalb der Binnenmarkt-weit aufgestellten Unternehmensgruppe mehrfach eingesetzt und genutzt wird, um die Aktivitäten der Gruppe in nicht bloß einem, sondern in mehreren Mitgliedstaaten rechtlich zu organisieren und zu verselbständigen. Im Vordergrund des SUP-Richtlinienvorschlags stehen mithin die mehreren Auslandstöchter und -enkel (namentlich in kleinen und mittleren Unternehmensgruppen), die unabhängig von ihrem Sitzstaat möglichst einheitlich sollen strukturiert werden können.³⁵ Diesen Bezug zur Unternehmensgruppe und zu ihren mehreren Auslandsgesellschaften sprechen die Begründung zum Richtlinienvorschlag und dessen Erwägungsgründe wiederholt an. So heißt es schon eingangs der Begründung, das übergeordnete Ziel des Richtlinienvorschlags sei es, die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern.³⁶ Und auch an weiteren Stellen ist von den mehreren Tochtergesellschaften die Rede: ihre Zahl in der Union solle erhöht,³⁷ die Gründung von Einpersonengesellschaften als Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten erleichtert werden.³⁸ Und in genau der Weise wird der Regelungsansatz der Kommission auch im Bundesjustizministerium verstanden: Es gehe … um mittlere und große Konzerne, denen man die grenzüberschreitende Tätigkeit mit uniformen Tochtergesellschaften deutlich erleichtern wolle.³⁹
Hierzu schon Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065 ff. Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Begründung S. 3 (auch unten S. 111). Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Begründung S. 6 (auch unten S. 116). Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Erwägungsgrund 7, S. 12 (auch unten S. 123). Seibert, GmbHR 2014, R209 f.
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2. Die SUP als Startgesellschaft Vor diesem Hintergrund von Unternehmensgruppen, die mehrstaatlich über ihre möglichst einheitlich strukturierten Auslandstöchter und -enkel aktiv werden, sind ebenfalls die SUP-Ferngründung und ihre regulatorischen Einzelheiten zu sehen: die europäisch vorgegebene Standardsatzung (Art. 11 Abs. 3), die vorgegebene Eintragungsvorlage (Art. 13 Abs. 2), das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot, zusätzliche Informationen und Unterlagen für die Eintragung zu verlangen (Art. 13 Abs. 1)⁴⁰ sowie vor allem die unionsrechtlich abgesicherte Möglichkeit des Gründers, seinen Eintragungsantrag auf elektronischem Weg einzureichen, ohne vor einer Behörde im Eintragungsmitgliedstaat erscheinen zu müssen (Art. 14 Abs. 3). Diese Richtlinien-Bestimmungen tragen sämtlich erleichternd mit dazu bei, eine einheitlich strukturierte Unternehmensgruppe in mehreren EU-Mitgliedstaaten simultan etablieren zu können, ohne mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert zu sein. Denn Ferngründungen in mehreren Mitgliedstaaten ersparen dem Gründer nicht allein die zeit- und kostenaufwendige Reise durch die Europäische Union von ihrem einen Ende zum anderen. Darüber hinaus und vor allem befreit ihn das Instrument der Online-Ferngründung von der zumeist mühseligen Suche in den vorgesehenen Sitzstaaten der Auslandstöchter, bei welcher Stelle und an welchem Ort er zu welcher Zeit die Gründung seiner Gesellschaften und deren Eintragung betreiben muss.⁴¹ Denn die Website für die SUP-Anmeldung im Heimatstaat des Gründers wird mit den Eintragungs-Websites in allen anderen Mitgliedstaaten verknüpft sein müssen (Art. 14 Abs. 4 S. 1). Das erleichtert und beschleunigt die parallele Gründung von SUP-Auslandsgesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten ganz erheblich. Dieser Erleichterung und Beschleunigung widerstreitet entgegen der Ansicht des Bundesrats⁴² auch nicht der Umstand, dass sich die Gründung einer Auslandstochter mitsamt ihrem Unternehmen⁴³ regelmäßig weder kaufmännisch, noch juristisch binnen weniger Tage abwickeln lässt. In der Tat bedarf es im Anschluss an die SUP-Gründung noch einer Fülle weiterer Handlungen wie Anmeldung bei den Finanz- und Sozialbehörden, Beantragung ggf. notwendiger Genehmigungen, Einstellung von Arbeitnehmern usf.⁴⁴ Aber diese Anschluss-
Die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 7 plädiert dafür, den Mitgliedstaaten die Freiheit zu eröffnen, je mit weiteren Angaben aufsatteln zu können. Diese Forderung verkennt das Regelungsanliegen des Richtlinienvorschlags. S. schon Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1068; Teichmann, NJW 2014, 3561, 3562 m.w. N. BR-Drs 165/2/14, S. 5 Ziff. 9. So die treffende Differenzierung von Leuering, unten S. 90 f. Dazu die eindrucksvolle Auflistung bei Leuering, unten S. 99 ff.
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handlungen kann der Gründer nun reibungslos für die bereits in den ausländischen Mitgliedstaaten existenten Tochter-SUP’s (Art. 14 Abs. 2) vornehmen lassen;⁴⁵ das ist gewiss von Vorteil: einem Mutterunternehmen, insbesondere einem mittelständischen, wird der Start in anderen Mitgliedstaaten über mehrere SUPTöchter dort erheblich erleichtert.
3. Würdigung Vor dem Hintergrund dieses Regelungsumfeldes und der Regelungsziele der EUKommission erhellt: Die Online-Gründung der SUP ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmensgruppen und für die Errichtung ihrer einheitlich strukturierten Auslandstöchter in mehreren Mitgliedstaaten von erheblichem Gewicht. Deshalb ist die elektronische SUP-Ferngründung nicht bloß ein Regelungselement im Richtlinienvorschlag unter vielen. Inmitten der regulatorischen Einzelheiten seiner Kapitel 2 bis 4 zur SUP-Errichtung fungiert die Online-Eintragung nach Art. 14 Abs. 3 vielmehr als krönender Eckstein;⁴⁶ erst durch ihn erhalten die anderen Vorgaben zur SUP-Gründung ihren rechten Sinn. In diesem Licht der Zentralfunktion, die der Ferngründung zukommt, sind daher nun die Einwände im einzelnen abzuwägen, die gegen diesen KommissionsVorschlag erhoben worden sind. Begonnen sei mit der fehlenden Gründungsberatung sowie mit dem Verzicht auf eine Vorprüfung vor der Antragskontrolle durch den Registerrichter.
IV. Beratung und Vorprüfung Bei beidem, bei der Beratung ebenso wie bei der Vorprüfung, geht es um die Rolle der Notare: Kann insoweit bei der SUP-Gründung auf ihre Mitwirkung verzichtet werden?
Oben Fn. 41. So auch EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 2: Kernbestandteil der vorgeschlagenen Richtlinie.
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1. Die Beratung der Gründung Wenn im deutschen Recht § 2 Abs. 1 GmbHG für den Gesellschaftsvertrag die notarielle Form, also Beurkundung vorschreibt, dann zielt diese Vorgabe nicht allein auf die Beweis-, Publizitäts- und Warnfunktion dieser qualifizierten Form⁴⁷ ab, sondern zugleich und darüber hinaus auf dem Weg über § 17 BeurkundungsG auf die Prüfung des Gesellschaftsvertrages, um die Gesellschafter über die Besonderheiten seiner Bestimmungen und die mit ihm möglicherweise verbundenen Gefahren zu belehren. Die notarielle Prüfung und Belehrung dient mithin dem Schutz der Gesellschafter vor möglichen Folgen ihres eigenen Handelns.⁴⁸ Dem kommt besondere Bedeutung zu, wenn im Gesellschaftsvertrag Vorkehrungen für die Rechtsnachfolge von Todes wegen getroffen werden sollen.⁴⁹ Allerdings steht der warnende Rat des Notars zur Disposition der Gesellschafter; sie können auf seinen Schutz verzichten – etwa, wenn sie den Gesellschaftsvertrag im Ausland beurkunden lassen.⁵⁰ Vom Gesetzgeber her geschaut bedeutet das: Er sorgt von sich aus für Belehrung, Beratung und Warnung der in seinen Augen schutzbedürftigen Gesellschafter durch einen ausgewiesen kundigen Ratgeber, den (deutschen) Notar. Die Gesellschafter brauchen nicht von sich aus aktiv zu werden, um sich beraten zu lassen; ebensowenig brauchen sie nach einem geeigneten Ratgeber Ausschau zu halten. Indes – diese gesetzlich vorgesehene Belehrung müssen sich die Gesellschafter nicht gegen ihren Willen gefallen lassen. Sie können sich zur Beurkundung auch einen ausländischen Notar auswählen, der keine genauen Kenntnisse des deutschen Gesellschaftsrechts besitzt⁵¹ und folglich die Gesellschafter nicht optimal beraten kann. Gegen dies Regelungssystem der deutschen Beurkundung muss die SUPFerngründung mit ihren europäischen Systemelementen zur Beratung gespiegelt werden. Die elektronische Anmeldung verzichtet auf die Mitwirkung des Notars an der Gründung und damit auf seine vom Gesetz angesteuerte Beratung des Alleingesellschafters. Auf diese Weise überantwortet der Richtlinienvorschlag die Initiative dem SUP-Gründer: Er muss selbst einschätzen, ob er schon für die Startphase der Gesellschaft, die durch Standardsatzung und Eintragungsvorlage ganz weitgehend vorgeprägt ist, dennoch fachkundigen Rechtsrat benötigt und bei wem er diesen Rat ggf. einholen will. Anders als der deutsche Gesetzgeber hält
Eingehend hierzu J. Mayer, oben Fn. 24. J. Mayer (oben Fn. 24), Rn. 22; s. auch Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 5, die verfehlt von der notariellen Belehrung „im öffentlichen Interesse“ ausgeht. Vgl. Wicke (Fn. 22), S. 114. BGHZ 199, 270, 276 Rn. 14; dazu Weller, ZGR 2014, 865. S. Fn. 50.
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der europäische den Gründungsgesellschafter nicht in der Weise für schutzbedürftig, dass diesem Rechtsrat von Gesetzes wegen wenn schon nicht aufgedrängt, so doch angeboten werden müsste. Das ist rechtspolitisch gut vertretbar. Im Ergebnis folgt aus alledem: In Abwägung mit den Zielen, die der Richtlinienvorschlag mit der Online-Eintragung anstrebt, kann dem Umstand, dass dem Gründungsgesellschafter die Initiative für seine fachkundige Rechtsberatung zugewiesen werden soll, kein so großes Gewicht beigemessen werden: An der fehlenden Beratung durch den Notar kann man die elektronische Ferngründung der SUP nicht ernsthaft scheitern lassen.
2. Die notarielle Vorprüfung im Eintragungsverfahren Wenn der Eintragungsantrag nach deutschem Recht vor seiner Überprüfung durch den Registerrichter schon vom beurkundenden Notar geprüft wird, so steigert diese Filterfunktion gewiss die Qualität der anschließenden Eintragung und deren Verlässlichkeit. Darüber hinaus mag diese notarielle Vorprüfung die Registergerichte in ihrer Arbeit entlasten. Aber dennoch wird man (auch und vor allem mit Blick auf jene Mitgliedstaaten, in denen Registrierungen ohne notarielle Mithilfe vonstattengehen) kaum fundiert behaupten können, erst die notarielle Vorprüfung verleihe den Registereintragungen jenes hohe Qualitätsniveau, das für deren unionsweite Verlässlichkeit unverzichtbar ist. So sind die in den nordischen Mitgliedstaaten allein von der Registrierungsbehörde geprüften Eintragungen⁵² gewiss nicht weniger vertrauenswürdig als die deutschen. Schon deshalb wird man das Fehlen einer notariellen Vorprüfung auf der Ebene des Unionsrechts ebenfalls nicht in Anschlag bringen können, um die SUP-Ferngründung rechtspolitisch zu falsifizieren. Bleibt die Entlastung der Registergerichte in Deutschland. Speziell sie vor weiterer Belastung zu bewahren, kann nicht Sache des europäischen Gesetzgebers sein. Für seine judizielle Infrastruktur zu sorgen, ist Aufgabe jedes Mitgliedstaates.⁵³ Somit liegt es in der Hand des deutschen Transformationsgesetzgebers, ob er in dies Verfahren der elektronischen SUP-Ferngründung die notarielle Vorprüfung einbeziehen und wie er dies Europarechts-kompatibel gestalten will. Gewiss nicht
Für Dänemark s. Ring/Olsen-Ring, in Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbHRechts, 2. Aufl. 2011, S. 594; für Finnland s. Faber, aaO, S. 850; für Schweden s. Foerster/ Kastner, aaO, S. 1468. Deshalb muss auch der Einwand der Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 6 den europäischen Gesetzgeber nicht besorgen, deutsche Notare seien nach § 54 EStDV verpflichtet, die Finanzverwaltung zu informieren. Diese muss nach anderen Wegen Ausschau halten.
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durch die Vorgabe an den SUP-Gründer, seine elektronische Anmeldung zunächst einem deutschen Notar zur Vorprüfung⁵⁴ und dann zur Weitergabe an das zuständige Registergericht zuzuleiten. Eine solche Vorgabe stände im Widerspruch zum Grundgedanken des Art. 14 Abs. 4 Untabs. 1, wonach der Gründer für seine elektronische Anmeldung nur in seinem Heimatstaat soll aktiv werden, also gerade nicht eine Stelle im Eintragungsmitgliedstaat soll aus- und aufsuchen müssen. Denkbar wäre daher allein eine „behördeninterne“ Lösung: Das empfangende Registergericht beauftragt einen Notar intern mit der Vorprüfung.⁵⁵ Dies wäre ein Unionsrechts-verträglicher Weg, soweit Vorprüfung und Registerprüfung den unionsrechtlichen Zeitrahmen (Art. 14 Abs. 4 Untabs. 2 S. 2) insgesamt wahren. Mithin entfaltet auch die notarielle Vorprüfung keine rechtspolitische Durchschlagskraft gegenüber der Online-Eintragung nach dem Richtlinienvorschlag.
V. Identitätsgewähr und vertrauenswürdiges Registerwesen Genau entgegengesetzt hingegen die fehlende Identitätsgewähr und die von ihr ausgehende Gefahr, dass die Registerangaben zum Gründer der SUP und zu ihrer Geschäftsleitung unzuverlässig und folgerichtig wenn überhaupt, dann allenfalls eingeschränkt Binnenmarkt-weit vertrauenswürdig sind.
1. „Corporate fraud“ Welche Gefahren mit einer Eintragung ohne sorgfältige Identitätsprüfung verbunden sind, ist im Schrifttum unter den Stichworten „company highjacking“ und „corporate fraud“ schon mehrfach detailliert vorgestellt⁵⁶ und überdies und vor allem als Tatsache des britischen Rechtslebens eindrucksvoll bestätigt worden⁵⁷: Das Companies House in Cardiff berichtet von 50 bis 100 Fällen, die (wahrhaft erschreckend) allein pro Monat aufgedeckt werden, so dass mangels Aufdeckung
So die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 6. In diesem Sinne wird man wohl den Vorschlag von Seibert, GmbHR 2014, R209, 210 interpretieren dürfen. Bock, ZIP 2011, 2449; Ries, ZIP 2013, 866. Ries, NZG 2014, 569 unter Hinweis auf www.companieshouse.gov.uk/proof/.
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von einer noch weit größeren Zahl ausgegangen werden muss.⁵⁸ Ebenso ist bereits näher beschrieben worden, was für den Rechts- und Geschäftsverkehr aus möglichem Identitätsbetrug und möglichem Identitätsdiebstahl rechtspraktisch folgt: Da die Eintragung der Geschäftsführer nicht vollauf verlässlich ist, muss, wer mit der SUP in Vertragsbeziehungen treten will, zeitaufwendig und kostenintensiv ihre wahre Vertretung überprüfen lassen.⁵⁹ In gleicher Weise ist im Rahmen der SUPKapitalerhaltung die Geschäftsführer-Haftung aus Art. 18 Abs. 5 „ins Wasser geschrieben“, wenn sich der eingetragene Geschäftsführer im Nachhinein als Phantom erweist.⁶⁰ Auf eben diesem Wege kann sich ebenfalls der Gründer allen rechtlichen Konsequenzen aus schamlos falschen Angaben in seinem Eintragungsantrag nach Art. 13 Abs. 1 tatsächlich entziehen.⁶¹
2. Unverzichtbare Identifizierung Ein solches Systemelement innerhalb des Registerwesens in allen EU-Mitgliedstaaten ist vollständig unbrauchbar. Es würde das Ansehen der SUP als Rechtsform und ihre Einsatzfähigkeit nachdrücklich beeinträchtigen;⁶² damit stände dies Systemelement zugleich in eklatantem Widerspruch zur Grundidee des SUPRichtlinienvorschlags,⁶³ vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum gesamten Binnenmarkt über eine Mehrzahl von Auslandstöchtern zu erleichtern.⁶⁴ Kommt hinzu: In allen EU-Mitgliedstaaten müssen die Registereintragungen auch und namentlich mit Blick auf die registrierten Personen und ihre Identität in hohem Maße verlässlich sein. Im Binnenmarkt ohne Grenzen ist hohe Verlässlichkeit der unionsweit erforderliche Maßstab; ihm haben die Registerstellen in allen Mitgliedstaaten zu entsprechen. Staaten, die diesem Maßstab nicht gerecht werden können oder wollen, dürfen zum grenzüberschreitenden Austausch von Eintragungsdaten nicht zugelassen werden. In der SUP-Richtlinie kann solchen Mitgliedstaaten daher allenfalls in Umkehr des in Art. 14 Abs. 5 Untabs. 1 S. 1 vorgeschlagenen Wahlrechts die Möglichkeit eröffnet werden, die Personen-
In der Diskussion wurde der Faktor 5 behauptet. Ries, NZG 2014, 569. So schon der Bundesrat, BR-Drs 165/2/14, S. 4 Ziff. 7. Eindringlich Deutscher Notarverein, (Fn. 1), S. 7 Ziff. 3a; s. auch Bundesrat, Fn. 60. Bundesrat, BR-Drs 165/2/14, S. 10 Ziff. 24. S. schon Hommelhoff, GmbHR 2014, 1065, 1068 f. Richtlinienvorschlag, (Fn. 1), Begründung S. 3 (auch unten S. 111).
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identität nicht zu gewährleisten (opt out).⁶⁵ Dann aber kann ein solcher Staat überhaupt nicht zur Registrierung einer SUP zugelassen werden. Aus alledem folgt: Um die Ferngründung der SUP auch in ihrer rechtspraktischen Anwendung zum Erfolg zu führen, ist eine effektive Identitätskontrolle für den Gründer und den oder die SUP-Geschäftsführer unverzichtbar.
3. Identitätsprüfungen bei der Anmeldung Wie aber sollte die Identifizierung des Gründers und der Geschäftsführer in Einklang mit der Grundforderung für die Online-Eintragung gebracht werden, der Gründer solle nicht vor einer Behörde im Eintragungsmitgliedstaat erscheinen müssen (Art. 14 Abs. 4)? Im Ansatz ganz einfach: Gründer und Geschäftsführer haben sich im Anmeldestaat vor einer dort autorisierten Stelle auszuweisen, die die Identität dieser Personen überprüft⁶⁶ und nach erfolgreicher Überprüfung die elektronische Anmeldung des Gründers (Artt. 13 f) zur Weiterleitung in das Register des Eintragungsstaates freigibt. Dann braucht die dortige Registerstelle lediglich zu prüfen, ob die Anmeldung über eine autorisierte Stelle im Anmeldestaat geleitet worden ist. Damit ist dem Grundanliegen des SUP-Richtlinienvorschlags Rechnung getragen: Der Gründer kann aus seinem Heimatstaat heraus, ohne diesen verlassen zu müssen, die parallele Eintragung einer Mehrzahl von Tochter-SUP’s in die Register mehrerer EU-Mitgliedstaaten betreiben. Ob sich die Geschäftsführer des literarisch bekannten Unternehmens aus Zwingenberg/Bergstraße⁶⁷ zur Identitätsprüfung nach Bensheim, Darmstadt oder Frankfurt begeben müssen, hängt von der judiziellen Infrastruktur und ihrer Organisation im Anmeldestaat ab. Darüber,welche Stellen zur Entgegennahme elektronischer Eintragungsanträge und zur Identitätsprüfung autorisiert werden sollen, entscheidet jeder Mitgliedstaat für sich. Allerdings wird ihnen der europäische Gesetzgeber Kriterien für die Vorbildung, Erfahrung und Verlässlichkeit des Stellenpersonals ebenso vorgeben müssen wie für die Kontrolle ihres Wirkens, um ein hinlänglich qualitätsvolles
Damit greife ich einen Gedanken auf, den cand. iur. Fabian Klumpen/Heidelberg in seiner Studienarbeit entwickelt hat. Ob freilich Großbritannien überhaupt das Recht zum opt out eröffnet werden kann, scheint zweifelhaft, wenn das britische Registerwesen, wie in der Diskussion angedeutet, im Widerspruch zur 1. Publizitätsrichtlinie stehen sollte; s. in diesem Zusammenhang auch Omlor, NZG 2014, 1137, 1139. Dies fordert auch die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 4. S. Teichmann, in Gesellschaftsrichterliche Vereinigung, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008, 2009, S. 56 f.
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Eintragungsverfahren für die SUP mit einer effektiven Identitätsprüfung an seinem Eingang unionsweit sicherzustellen. Aus deutscher Sicht geschaut würde der europäische Gesetzgeber gewiss nicht fehlgreifen, wenn er sich für seine Qualitätsvorgaben am hiesigen Notariat orientieren wollte. Überdies hätte der SUP-Gründer zumindest in Mitgliedstaaten mit einem etablierten Notarwesen bei der Anmeldung samt Identifizierung die Chance, sich, wenn er will, rechtskundig beraten zu lassen.
4. Die Identifizierungs-Verordnung der EU Zwingende Identitätskontrolle bei grenzüberschreitenden SUP-Eintragungsanträgen; dies Postulat könnte bereits die EU-Verordnung zur elektronischen Identifizierung vom Juli 2014⁶⁸ erfüllt haben. Ausweislich ihres Erwägungsgrundes 12 zielt sie zum einen darauf ab, bestehende Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Verwendung elektronischer Identifizierungsmittel zu beseitigen, und zum anderen darauf, eine sichere elektronische Identifizierung und Authentifizierung beim Zugang zu Online-Diensten zu gewährleisten, die von den Mitgliedstaaten grenzüberschreitend angeboten werden. Und wie beim SUP-Richtlinienvorschlag geht es ebenfalls bei der Identifizierungs-Verordnung um Vertrauen im grenzüberschreitenden Rechts- und Geschäftsverkehr (s. Erwägungsgründe 16, 19, 28). Aber entgegen dem beschwichtigenden Hinweis der EU-Kommission auf die Identifizierungs-Verordnung⁶⁹ ist diese mitnichten geeignet, die Identifizierungsprobleme bei der SUP-Ferngründung zu lösen. Denn nach Erwägungsgrund 21 zur Verordnung sind Handelsregister und Grundbuch aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen, was seinen Niederschlag in Art. 2 Abs. 3 gefunden hat.⁷⁰ Offensichtlich hat der europäische Gesetzgeber die hohe Sensibilität erkannt, die Eintragungen in solche Register wegen ihrer Publizitäts- und Gutglaubenswirkung aufweisen und die konsequent auch für die Identität von Anmeldenden und von Vertretungsberechtigten in Gesellschaften qualifizierte Sicherungsmechanismen erfordern, die in ihrem Niveau über das der Identifizierungs-Verordnung hinausreichen. Dieser Zielperspektive wird der Richtlinienvorschlag mit seinen Vorgaben für die SUP-Ferngründung noch nicht einmal im
VO Nr. 910/2014 vom 23.7. 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl EU vom 28. 8. 2014, L 257/73; zum Verordnungsentwurf Spindler/Rockenbauch, MMR 2013, 139. EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 3. Hierauf hat hilfreich Herr Dr. Hushahn/Bundesnotarkammer in der Diskussion hingewiesen; s. nun auch die Bundesregierung, Position (Fn. 1), S. 3 mit näheren Darlegungen zur momentan noch fehlenden Eignung des elDAS-Instrumentariums.
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Ansatz gerecht. An dieser Stelle sollte die EU-Kommission selbst nacharbeiten und dies weder dem Parlament, noch dem Ministerrat überlassen – dies vor allem deshalb, weil die elektronische Ferngründung, wie die Kommission richtig sieht,⁷¹ „Kernbestandteil“ des gesamten Richtlinienvorschlags ist. Bei dieser Nacharbeit wäre es gewiss kein Fehler, wenn sich die Kommission an eben jenen „Vertrauensdiensten“ orientieren wollte, die Notare in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten auf dem Kontinent leisten.
5. Fortschreibungen im Gesetzgebungsprozess Nach Vorlage des Richtlinien-Vorschlags haben der Ministerrat, aber auch die mit ihm befassten Ausschüsse des Europäischen Parlaments die Identifizierung des Gründers und der Vertreter als unverzichtbar notwendig anerkannt. Gemäß dem Kompromiss in der Arbeitsgruppe des Ministerrats⁷² soll sich die SUP-Eintragung nach dem nationalen Recht des Eintragungsstaates und seinen Bestimmungen richten (Art. 14a); allerdings dürfen diese nicht die Möglichkeiten der onlineEintragung nach Art. 14 Abs. 3 beeinträchtigen (Art. 14b Abs. 3). In der Sache soll der Eintragungsstaat die elektronischen Identifizierungsmittel des Anmeldestaates anerkennen müssen, wenn diese Mittel den Anforderungen aus Art. 6 der Identifizierungs-Verordnung gerecht werden. Auf dieser Linie sind ebenfalls die Vorstellungen im Binnenmarkt-Ausschuss des Parlaments⁷³ angelegt, wenn auch ohne Rückbezug auf die Identifizierungs-Verordnung (Erwägungsgründe 13a bis c). Die Vorstellungen, die der Berichterstatter im Parlaments-Rechtsausschuss⁷⁴ hegt, decken sich (bis auf die ausdrückliche Nennung des Urkundsbeamten) vollständig mit denen der Ministerrats-Arbeitsgruppe. Dies Vorschlagspaket scheint geeignet, das zentrale Problem der SUP-Ferngründung, die Identifizierung des Gründers und die der Vertreter zu lösen. Freilich bleibt eine noch zu bewältigende Diskrepanz: Die Akteure im SUP-Gesetzgebungsverfahren halten die Identifizierungs-Verordnung offenbar für geeignet, um den besonderen Anforderungen gerecht zu werden, die an Eintragungen im Handels- oder Unternehmensregister gestellt werden müssen. Das sah der euro-
EU-Kommission, Erwiderung (Fn. 1), S. 2. Ministerrat, Aktenstück 16010/14 vom 1.12. 2014, DRS 160, CODEC 2353. Entwurf einer Stellungnahme der Berichterstatterin Marlene Mizzi für den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Europäisches Parlament, Aktenstück 2014/0120 (COD) vom 29.1. 2015. Arbeitsdokument des Berichterstatters Luis de Grandes Pascual, Europäisches Parlament, Aktenstück DT\1049422DE.doc vom 6. 2. 2015.
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päische Gesetzgeber bei Erlass der Identifizierungs-Verordnung noch anders. Insoweit bleibt Nacharbeiten geboten.⁷⁵
VI. Fazit und Zusammenfassung Nach ihrem Grundkonzept will die SUP-Richtlinie vor allem die Etablierung kleiner und mittlerer Unternehmensgruppen im Binnenmarkt erleichtern. Als Gruppenbaustein soll die SUP dazu dienen, Auslandstöchter und -enkel in mehreren EU-Mitgliedstaaten möglichst einheitlich strukturieren zu können. Für diesen vordringlichen und spezifischen Zweck ist die vorgeschlagene OnlineEintragung, die elektronische SUP-Ferngründung über die Grenze von zentraler Bedeutung. Allerdings bedarf sie einer dringenden Verbesserung: Die Identität des Gründers und die der Geschäftsführer muss bereits bei der Anmeldung von einer autorisierten Stelle im Anmeldestaat überprüft werden. Das muss der europäische Gesetzgeber selbst sämtlichen Mitgliedstaaten bindend vorgeben (ggf. mit der Option eines dann freilich vollständigen opt out); andernfalls ist die Reputation der SUP als Organisationsform im Rechts- und Geschäftsverkehr einschneidend beeinträchtigt und nicht minder insoweit die Verlässlichkeit der Register unionsweit. Hierzu befindet sich das europäische Gesetzgebungsverfahren auf gutem, wenn auch auf noch nicht vollständig durchschrittenem Wege. Falls eine solche qualifizierte Identitäts-Prüfung zwielichtige SUP-Gründungen hemmen sollte,⁷⁶ so wäre das gewiss nicht von Nachteil.Wer im jeweiligen Hoheitsgebiet zur Überprüfung der Identitäten bei der Anmeldung autorisiert werden soll, könnte den einzelnen Mitgliedstaaten zur näheren Regelung nach unionsweit einheitlichen Mindestbedingungen zugewiesen werden. Deutschland sollte als Annahmestaat die Identitätsgewähr und deren Absicherung den Notaren überantworten können – ggf. als Anbieter „qualifizierter Vertrauensdienste“ im Sinne einer Identifizierungs-Verordnung, die mit Blick auf die besonderen Anforderungen im Bereich des Handelsregisters und des Grundbuchs fortgeschrieben werden müsste. Für eine unionsweite Regelung hierzu liefert das britische Registerwesen mit Sicherheit keine Blaupause.
S. die kritischen Bemerkungen von Spindler/Rockenbauch, MMR 2013, 139, 142 f. Vgl. in diesem Zusammenhang die rechtstatsächliche Studie von Teichmann/Knaier, Der Gesellschafter 2014, 285, 289ff, 294.
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SUP – Perspektiven für die Praxis Zu den Kernzielen der Lissabon-Strategie der EU gehört es, ein optimales Umfeld für KMU zu schaffen. Die EU-Kommission hat nach ihren eigenen Worten erkannt, dass für kleine und mittlere Unternehmen nach wie vor zahlreiche Hindernisse bestehen, sich im Binnenmarkt zu entfalten. Dies hindert sie, ihr Potenzial als Rückgrat der Wirtschaft der Union voll auszuschöpfen. Ihnen soll daher mit der Einführung der Rechtsform SUP künftig der Schritt über die Grenze erleichtert werden.
I. Einleitung Unterstellt man einmal für die Zwecke der nachfolgenden Ausführungen das Inkrafttreten und die Umsetzung der SUP-Richtlinie in der vorgeschlagenen Fassung,¹ erfährt die deutsche GmbH-Familie mit der SUP eine supranationale Erweiterung.² Sie stellt dabei keine eigenständige Gesellschaftsform dar, sondern wird neben den hergebrachten nationalen Gesellschaftsformen stehen. Die SUP wäre neben der Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (§ 5a GmbHG) eine weitere Rechtsformvariante der GmbH.³ Sind die Ziele, die sich die EU-Kommission steckt, mit dieser neuen Rechtsformvariante zu erreichen? Dazu soll nachfolgend (unter II.) zunächst die Gründung eines operativen Unternehmens, deren Unternehmensträger als SUP verfasst ist, betrachtet werden. Sodann wird (unter III.) der „grenzüberschreitende Betrieb“ einer SUP näher beleuchtet, da die EU-Kommission auch hier Potenzial für Erleichterungen sieht. Und da der 2008 eingeführten Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG) ein großer Erfolg als persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft beschieden war, soll abschließend (unter IV.) der Frage
* Dr. iur., Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht in Bonn, Partner der Sozietät Flick Gocke Schaumburg – Textfassung des am 10. 10. 2014 auf dem 1. Bonner Gesellschaftsrechtstag „Die SUP in Recht und Praxis“ gehaltenen Vortrags. Vorschlag der EU-Kommission vom 9.4. 2014 für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, COM(2014) 232 final. So der Aufsatztitel von Omlor, NZG 2014, 1137; gleichsinnig Seibert, GmbHR 2014, R209 sowie die Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses, NZG 2014, 1372 Tz. 25. Zu den Umsetzungsvarianten der Richtlinie in das nationale Recht nach deren Erwägungsgrund (10) sowie Art. 6 Abs. 1 Dreher, NZG 2014, 967, 971; Drygala, EuZW 2014, 491, 496; Jung, GmbHR 2014, 579, 580 f.; Seibert, GmbHR 2014, R209.
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nachgegangen werden, welche Rolle der SUP künftig als Komplementärin zufallen könnte.
II. Gründung eines werbend tätigen Unternehmens 1. Ziele des Richtlinienvorschlags Die Kommission will bessere Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen schaffen, um so deren Geschäftstätigkeit zu vereinfachen und zu erleichtern. Ins Blickfeld nimmt sie dabei insbesondere die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit: Diese sei derzeit kostspielig und schwierig, was zahlreiche Unternehmen von einer Investition im Ausland abhalte. „Gründe hierfür sind u. a. die Vielfalt der nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere die Unterschiede im nationalen Gesellschaftsrecht“.⁴ „Das übergeordnete Ziel [des Richtlinienvorschlags] besteht darin, potentiellen Unternehmensgründern und insbesondere KMU die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern. Dies dürfte das Unternehmertum fördern und unterstützen und mehr Wachstum, Innovation und Beschäftigung in der Union herbeiführen.“⁵ Die Kommission greift damit ihre Ankündigung aus dem Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance⁶ auf, „weiterhin am Follow-up zum SPE-Vorschlag [zu] arbeiten, um die grenzüberschreitenden Möglichkeiten für KMU zu verbessern.“
2. Auf dem Weg zum werbenden Unternehmen Es stellt sich die Frage, ob Unternehmern tatsächlich der Schritt über die Grenze wesentlich erleichtert wird. Die neu eröffnete Möglichkeit, eine SUP „per Mausklick“ gründen zu können, scheint dafür zu sprechen. Dabei muss man aber sehen, dass die Errichtung des jeweiligen Unternehmensträgers (hier: einer SUP) nur ein Schritt auf dem Weg zur Gründung eines werbenden Unternehmens ist.⁷ Und
Richtlinienentwurf, S. 2. Richtlinienentwurf, S. 3. COM(2012) 740 final vom 12.12. 2012, S. 15 f. Zur Differenzierung zwischen Unternehmen und Unternehmensträgern K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 3 Rn. 44 f.
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so viel sei vorweggenommen: Hinzu kommen noch eine ganze Reihe weiterer Schritte.
a) Einrichtung einer Bankverbindung Auch wenn eine ausländische (Tochter‐)Gesellschaft auf elektronischem Wege (online-Eintragung, Art. 14 Abs. 3 des Richtlinienentwurfs) als SUP gegründet werden kann, wird sich die Errichtung dieser Gesellschaft nicht auf einen Mausklick beschränken. Dies zeigt bereits ein Blick in die Richtlinie: Im Falle der Online-Gründung ist die Bareinlage (in der Diktion von Art. 17 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs: die „Gegenleistung für den Anteil“) „zum Zeitpunkt der Eintragung der SUP“ „auf das Bankkonto der SUP“ einzuzahlen (Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Richtlinienentwurfs). Dies erfordert eine Vertragsbeziehung zu einem Kreditinstitut. Die Bank muss sich Kenntnis über ihren Vertragspartner verschaffen, so § 154 AO und § 3 Abs. 1 Nr. 1 GwG (KYC – know your customer). Dies umfasst auch die Ermittlung derjenigen Personen, die mit mehr als 25 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind, §§ 4 Abs. 5, 3 Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 1 Abs. 6 GwG. Bei den deutschen Geldwäscheregeln handelt es sich um harmonisiertes Recht,⁸ weswegen man davon ausgehen darf, dass in den anderen Mitgliedstaaten der EU und den Vertragsstaaten des EWR Ähnliches gilt. Vor diesem Hintergrund scheint auch die oft gesehene Gefahr des Missbrauchs der SUP für Gründungen unter einer erfundenen oder gestohlenen Identität⁹ in dieser Schärfe nicht zu drohen.¹⁰ Ferner wird anscheinend übersehen, dass auch die Identität des Gesellschafters einer deutschen GmbH nicht der „vollen notariellen Kontrolle“ unterliegt, wie einige Autoren glauben machen wollen.¹¹ GmbH-Geschäftsanteile können mittels privatschriftlicher Vollmacht erworben werden, § 167 Abs. 2 BGB.¹² Auch nach geltendem Recht findet damit eine Identitätsüberprüfung des neuen Gesellschafters nicht zwingend statt.
Art. 8 Abs. 1 lit. a) und b) i.V. mit Art. 3 Abs. 6 der 3. Geldwäsche-Richtlinie 2005/60/EG vom 26. Oktober 2005. Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung v. 10.4. 2014; Omlor, NZG 2014, 1137, 1139; Ries, NZG 2014, 569; Wicke, ZIP 2014, 1414, 1415 f. Ähnlich Drygala, EuZW 2014, 491, 494; eher kritisch Beurskens, GmbHR 2014, 738, 745. In diese Richtung Ries, NZG 2014, 569. Bayer, in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 15 Rn. 32; Altmeppen, in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 15 Rn. 86.
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Die Verzahnung des Gründungsprozesses mit der Einzahlung des Stammkapitals erfolgt bei der Gründung einer deutschen GmbH mittels der Versicherung über die bewirkte Leistung nach § 8 Abs. 2 GmbHG: Zunächst wird die Gesellschaft vor einem Notar errichtet. Mit den dann erstellten Unterlagen begibt sich der Gründer zu einem Kreditinstitut, eröffnet ein Konto für die Gesellschaft in Gründung und zahlt dort den geschuldeten Einlagebetrag ein. Anschließend weist er gegenüber dem Notar die Einzahlung nach, der sodann die Gesellschaft zur Eintragung anmeldet und dabei u. a. die Versicherung der Geschäftsführer über die bewirkte Leistung einreicht.¹³ So oder so ähnlich wird auch das Verfahren bei der Anmeldung einer SUP laufen müssen,¹⁴ wobei die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass die Eintragung innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang der Unterlagen erfolgt, Art. 14 Abs. 4 Satz 4 des Richtlinienentwurfs. Man darf gespannt sein, ob und wie der Nachweis über die Einlageleistung mit dem Verfahren der Online-Gründung verzahnt werden wird.
b) Behörden Die Gründung einer Gesellschaft löst eine ganze Reihe von Rechtsfolgen aus. Hier soll überblicksweise dargestellt werden, welche Schritte erforderlich sind, um ein als Kapitalgesellschaft verfasstes Unternehmen in Deutschland zu gründen. Mit Blick auf das Regelungsziel, potentiellen Unternehmensgründern und KMU die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern, geht es also um die Frage, welche Schritte ein im Ausland (z. B. Spanien oder Italien) ansässiger Unternehmer gehen muss, um mit seiner als SUP verfassten Tochtergesellschaft in Deutschland werbend tätig zu werden.
aa) Pflicht zur Gewerbeanmeldung nach § 14 GewO Meist wird die in Deutschland betriebene grenzüberschreitende Tätigkeit aus deutscher Sicht als gewerblich zu qualifizieren sein. Das Gewerbe ist dann bei der zuständigen Behörde anzumelden, § 14 Abs. 1 GewO. Die Anzeige erfolgt gemäß § 14 Abs. 4 GewO auf amtlichen Vordrucken gemäß den Anlagen 1 bis 3 zu § 14 GewO; selbstverständlich müssen die Vordrucke vollständig, in der vorgeschrie-
Terbrack, in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2011, § 13 Rn. 1. Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses, NZG 2014, 1372 Tz. 59.
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benen Anzahl und gut lesbar ausgefüllt werden, so ausdrücklich § 14 Abs. 4 Satz 2 GewO. Das Gewerbeamt verlangt in aller Regel einen Identitätsnachweis der handelnden Person sowie – bei eingetragenen Gesellschaften – die Vorlage eines Handelsregisterauszugs. „Bei begründeter Besorgnis der Gefahr der Verletzung wichtiger Gemeinschaftsgüter“ kann auch die Vorlage eines Führungszeugnisses oder ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister angefordert oder eingeholt werden (§ 38 Abs. 2 GewO). Bei einer Reihe von Gewerbezweigen (z. B. Kfz-Handel, Reisebüro, Partnervermittlung etc.) sind diese Unterlagen stets erforderlich (§ 38 Abs. 1 GewO). Für einzelne Gewerbe ist es ferner erforderlich, vor Betriebsbeginn eine Erlaubnis bei der im Einzelfall zuständigen Behörde einzuholen (genehmigungspflichtige Gewerbe); man denke an den Betrieb von Bankgeschäften nach § 32 Abs. 1 KWG sowie den Betrieb eines Versicherungsunternehmens nach § 5 Abs. 1 VAG. Das Gewerbeamt übermittelt die Gewerbeanmeldung an eine Vielzahl anderer öffentlicher Stellen, § 14 Abs. 8 Nr. 1 bis 10 GewO, wobei jeder Stelle sämtliche Anmeldungen übermittelt werden.¹⁵ Im Einzelnen werden folgende öffentliche Stellen über die Gewerbeanmeldung unterrichtet: Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Emissionsschutzbehörde, staatliches Gewerbeaufsichtsamt, Eichamt, Bundesagentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft, Zollverwaltung, Registergericht, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Statistisches Landesamt und die Behörden der Lebensmittelüberwachung. Die unterrichteten Behörden kommen dann ggf. auf den Gewerbetreibenden zu, was regelmäßig wiederum durch Übersenden auszufüllender Formulare erfolgt. Neben der allgemeinen gewerberechtlichen Anzeigepflicht nach § 14 GewO gibt es noch verschiedene spezialrechtlich normierte, besondere Anzeigepflichten des Bundes- und Landesrechts; beispielhaft können die §§ 4 Abs. 2, 10 Satz 3 GastG genannt werden. Diese Anzeigepflichten stehen selbständig neben § 14 GewO.¹⁶
bb) Finanzamt Nicht nur das Gewerbeamt ist an der neuen gewerblichen Tätigkeit interessiert, sondern auch das Finanzamt. Nach § 137 Abs. 1 AO haben Steuerpflichtige, die nicht natürliche Personen sind, die für ihre steuerliche Erfassung maßgeblichen Umstände gegenüber dem Finanzamt und der Gemeinde anzuzeigen. Hierdurch soll die vollständige Erfassung potenziell steuerpflichtiger Körperschaften, Ver-
Ennuschat, in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 14 Rn. 131. Ennuschat, in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 14 Rn. 8.
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einigungen und Vermögensmassen ermöglicht werden.¹⁷ Die Mitteilung ist binnen eines Monats zu erstatten, § 137 Abs. 2 AO. Gemäß der Bezugnahme in § 137 Abs. 1 AO auf § 20 AO sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen anzeigepflichtig, die der Besteuerung nach dem Einkommen oder dem Vermögen unterliegen.¹⁸ Nach § 20 Abs. 1 AO richtet sich die örtliche Zuständigkeit bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. von § 1 Abs. 1 KStG nach dem Verwaltungssitz (in der steuerrechtlichen Terminologie: nach dem Ort der Geschäftsleitung, § 10 AO). Erfasst sind davon auch ausländische Körperschaften mit Verwaltungssitz resp. Ort der Geschäftsleitung im Inland.¹⁹ Anzuzeigen sind die Umstände, die für die steuerliche Erfassung von Bedeutung sind, insbesondere die Gründung, der Erwerb der Rechtsfähigkeit, die Änderung der Rechtsform, die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes und die Auflösung, so § 137 Abs. 1 AO.
cc) Berufsgenossenschaft und IHK Jedes Unternehmen ist kraft Gesetzes Mitglied der für seinen Gewerbezweig errichteten Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Eröffnung oder Übernahme ist binnen einer Woche der zuständigen Berufsgenossenschaft anzuzeigen, § 192 Abs. 1 SGB VII. Im Sinne des Sozialrechts beginnt ein Unternehmen bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen, § 136 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Mit der Anmeldung des Unternehmens beim Gewerbeamt erfüllt der Jungunternehmer nicht seine Anzeigepflicht aus § 192 Abs. 1 SGB VII.²⁰ Diese Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob im Unternehmen Beschäftigte als in der gesetzlichen Unfallversicherung Pflichtversicherte tätig sind oder nicht.²¹ Schnell wird der Gründer auch Kontakt mit der Industrie- und Handels- oder der Handwerkskammer haben. Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, die im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten („Kammerzugehörige“). Dies gilt auch für ausländische
Cöster, in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 137 Rn. 1. Cöster, in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 137 Rn. 2. Rätke, in Klein, Abgabenordnung, 12. Auflage 2014, § 20 Rn. 2. J. Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 192 Rn. 4. Ricke, in Kasseler Komm. zum Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, 83. Erg.-Lief. 2014, § 192 SGB VII Rn. 2a.
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Kapitalgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz.²² Inhaber eines Handwerksbetriebes und eines handwerksähnlichen Gewerbes gehören der Handwerkskammer an, § 90 Abs. 2 HWO. Im Rahmen der Gewerbeanmeldung (§ 14 GewO) haben Handwerksbetriebe die ihnen bei Eintragung in die Handwerksrolle ausgestellte Handwerkskarte vorzulegen, § 16 Satz 1 HWO. Auch doppelte Mitgliedschaften bei zwei Kammern sind möglich (so § 2 Abs. 3 IHKG), z. B. bei gemischten Betrieben wie einem Kfz-Händler, der auch eine Werkstatt betreibt und daher Mitglied der IHK und der Handwerkskammer ist.
c) Der Schritt in den Markt Nach all diesen Schritten ist das Unternehmen noch nicht gegenüber Dritten – mit Ausnahme der Hausbank und einer Vielzahl von Behörden! – in Erscheinung getreten; wir haben es noch immer mit einem „Unternehmen im Aufbau“ zu tun. In aller Regel wird es für eine werbende Tätigkeit erforderlich sein, ein Geschäftslokal oder -räume nach dem jeweiligen Belegenheitsrecht anzumieten. Sofern nicht bereits bei der Gründung der Gesellschaft eine inländische Bankverbindung verwendet wurde, wird diese spätestens jetzt einzurichten sein. Ferner sind für die geschäftliche Tätigkeit verschiedene Kommunikationswege wie Telefon und E‐Mail-Adresse zu eröffnen. Auch weitere Behördengänge²³ stehen dann wieder an: Soll das Unternehmen innerhalb der EU am Waren- oder Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten teilnehmen, wird eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer benötigt. Diese wird in Deutschland vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erteilt; Einzelheiten regelt § 27a UStG. Soll Personal beschäftigt werden, setzt dies wiederum voraus, dass eine Betriebsnummer bei der Bundesanstalt für Arbeit beantragt wird. Die Betriebsnummer ist auch erforderlich, um Arbeitnehmer bei den Krankenkassen anzumelden, die ihrerseits die Sozialversicherungsträger unterrichten. Einzelheiten regelt § 28a SGB IV nebst der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung – DEÜV). Erwähnenswert ist, dass diese Meldung „durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung aus systemgeprüften Programmen oder mittels maschinell erstellter Ausfüllhilfen zu erstatten“ ist (§ 28a Abs. 1 a. E.
OVG Lüneburg, GewA 2009, 370 und VG Darmstadt, ZIP 2006, 2273 (jeweils zur Limited). Dies im übertragenen Sinne, da mittlerweile in aller Regel online abrufbare Formulare oder Online-Formulare zur Verfügung stehen.
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SGB IV). Der Arbeitgeber hat Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer einzubehalten und Sozialabgaben abzuführen.
3. Fazit Die Gründung eines Unternehmens ist in Deutschland mit einem nicht zu unterschätzenden bürokratischen und administrativen Aufwand verbunden. Für den deutschen Unternehmer, der im EU- oder EWR-Ausland tätig werden will, stellen sich dort ähnliche Herausforderungen. Ähnlich allerdings nur insoweit, als auch im Ausland ein Labyrinth von Anmeldungen und Genehmigungen durchschritten werden muss. Dabei lassen sich allerdings etwaige bereits im Heimatland gesammelten Erfahrungen im Umgang mit Behörden, Kammern etc. nicht im Ausland nutzen, da die jeweiligen nationalen Regelungsrahmen teilweise stark voneinander abweichen. Dies sieht auch der Richtlinienentwurf so: „Bei der Gründung eines Unternehmens im Ausland entstehen u. a. Kosten für die Erfüllung der dort geltenden rechtlichen und administrativen Voraussetzungen, die sich häufig von denjenigen unterscheiden, die die Unternehmen aus ihrem ‚Heimatland‘ kennen.“²⁴ Man wird der Kommission noch darin zustimmen können, dass eine grenzüberschreitende Tätigkeit in der EU oder dem EWR derzeit kostspielig und schwierig ist. Nicht zustimmen kann man allerdings der Aussage, dass die „Gründe hierfür […] u. a. die Vielfalt der nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere die Unterschiede im nationalen Gesellschaftsrecht“²⁵, sind. Zwar wird die SUP-Richtlinie die Möglichkeit, überhaupt Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten gründen zu können, erleichtern.²⁶ Dass eine grenzüberschreitende Tätigkeit kostspielig und schwierig ist, liegt aber in erster Linie nicht daran, dass die Errichtung eines Unternehmensträgers für die unternehmerische Tätigkeit im Ausland einem anderen Regime folgt, sondern daraus, dass die gesamte unternehmerische Tätigkeit einem anderen Rechtssystem mit all seinen gewachsenen Strukturen und nationalen Besonderheiten unterliegt. Mit der Einführung der SUP würden die Formalitäten für die Gründung einer Gesellschaft verschlankt, die Formalitäten für die Gründung eines Unternehmens dagegen jedoch nur unwesentlich. Die Gründung der Gesellschaft als Unternehmensträger – in unserem Fall: einer SUP – ist nur ein Baustein unter vielen. Richtlinienentwurf, S. 2 sowie ähnlich Erwägungsgrund (3). Richtlinienentwurf, S. 2; dem folgend die Bundesratsempfehlung zum Richtlinienentwurf vom 12. 5. 2014, BR-Drs. 165/1/14, S. 1. Teichmann, NJW 2014, 3561, 3562.
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III. „Grenzüberschreitender Betrieb“ einer SUP Verlassen wir die Gründungsphase und betrachten wir das werbend tätige Unternehmen. Hier verfolgt der Richtlinienentwurf folgendes Ziel: „Da diese Gesellschaften nach den in allen Mitgliedstaaten harmonisierten Vorschriften errichtet und betrieben würden, würden die Einrichtungs- und Betriebskosten sinken“.²⁷ Dies führt zu der Frage, wie man eine Tochtergesellschaft betreibt und was die laufenden Kosten des Betriebs einer Gesellschaft sind.
1. Operatives Tagesgeschäft eines Tochterunternehmens Zunächst könnte man an die Kosten des Betriebs eines Tochterunternehmens denken. Handelt es sich um ein Tochterunternehmen im Ausland, folgt die unternehmerische Tätigkeit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung.²⁸ Diese wird von der Rechtsordnung des Mutterunternehmens abweichen, was mit den üblichen Friktionen des Agierens in einer fremden Rechtsordnung verbunden ist. Die jeweilige nationale Rechtsordnung knüpft an die unternehmerische Tätigkeit im jeweiligen Heimatland an; die Rechtsform der gewählten Tochtergesellschaft ändert hieran nichts. Auch die Kommission erkennt, dass die Vielfalt der nationalen Rechtsvorschriften zahlreiche Unternehmen von einer Investition im Ausland abhält, „insbesondere die Unterschiede im nationalen Gesellschaftsrecht“.²⁹ Diese Aussage ist weder belegt noch erscheint sie schlüssig: Das operative Tagesgeschäft spielt sich in erster Linie nicht im Gesellschaftsrecht ab; vielmehr ist die jeweilige Rechtsordnung des Tätigkeitslandes in ihrer Gesamtheit, und mit all ihren Besonderheiten, zu beachten. Dabei wird Unternehmern das Leben zu einer dauerhaften bürokratischen Herausforderung gemacht.
2. Gesellschaftsrecht und Recht der Rechnungslegung Betrachtet man den Betrieb einer Tochtergesellschaft, müssen insbesondere das Gesellschaftsrecht und das Recht der Rechnungslegung in den Blick genommen
Richtlinienentwurf S. 3 Teichmann, NJW 2014, 3561, 3564; Kienle, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 25 Rn. 1. Richtlinienentwurf, S. 2.
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werden. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: In der Grundkonstellation hat die SUP sowohl ihren Satzungs- als auch ihren Verwaltungssitz in ein und demselben Mitgliedstaat. Daneben steht die Konstellation, in der sich der Satzungssitz in einem Mitgliedstaat (z. B. im Staat des Mutterunternehmens) befindet, während sich der Verwaltungssitz in einem anderen Mitgliedstaat befindet.
a) Gesellschaftsrecht aa) Befinden sich Verwaltungs- und Satzungssitz der SUP in demselben Land, haben wir es mit der hergebrachten Situation einer ausländischen Tochtergesellschaft, hier im Gewand einer SUP, zu tun. Die Tochtergesellschaft unterliegt einheitlich der Rechtsordnung ihres Sitzstaates, Art. 7 Abs. 4 des Richtlinienvorschlags. Zu einer Rechtsaufspaltung (als Folge der Differenzierung zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz) kommt es nicht. Das Gesellschaftsrecht folgt dem Satzungssitz. Nichtsdestotrotz mag bereits diese Konstellation einige Vorteile für das Mutterunternehmen gegenüber der Verwendung einer Rechtsform der jeweiligen nationalen Rechtsordnung mit sich bringen: Die auf die SUP anwendbaren nationalen Vorschriften müssen nach den Vorgaben der SUP-Richtlinie in einem Teilbereich harmonisiert sein; jenseits des Regelungsbereichs der SUPRichtlinie verbleiben den Mitgliedstaaten Spielräume.³⁰ Die als SUP organisierten Töchter folgen damit einem einheitlichen Regelungsrahmen bspw. hinsichtlich der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (Art. 21 und 22 des Richtlinienvorschlags) und des Weisungsrechts des Alleingesellschafters (Art. 23 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags). Der europäische Regelungsrahmen wird um die jeweiligen nationalen Vorschriften ergänzt. Hiermit ist eine gewisse Vereinheitlichung des Rechtsrahmens verbunden. bb) Mehr Beachtung verdient die Konstellation, dass die Tochtergesellschaften als SUPs mit inländischem Satzungssitz gegründet werden, die sodann ihren Verwaltungssitz im jeweiligen Ausland nehmen. Hier folgt das Gesellschaftsrecht dem Recht des Gründungsstaats (Gesellschaftsstatut), Art. 7 Abs. 4 des Richtlinienentwurfs. Errichtet eine Konzernobergesellschaft fünf SUP mit inländischem Satzungssitz (z. B. in Berlin) und Verwaltungssitzen in aller Herren Länder, kann sie diese im Tagesgeschäft nach ihrem Heimatrecht betreiben und z. B. die Gesellschafterversammlungen jeweils nach deutschem Recht abhalten und so un-
Omlor, NZG 2014, 1137, 1139.
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problematisch Geschäftsführer bestellen und abberufen, Dividenden ausschütten etc. Dies spart tatsächlich „Betriebskosten“.³¹
b) Buchführungspflicht aa) Kaufleute sind verpflichtet, Bücher zu führen. Befinden sich der Verwaltungsund der Satzungssitz einer SUP in einem Land, besteht unproblematisch dort eine Buchführungspflicht. In Deutschland folgt dies aus § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach dem jeder Kaufmann verpflichtet ist, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Das deutsche Steuerrecht knüpft an die HGB-Buchführungspflicht an: § 140 AO macht die zahlreichen nichtsteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten für das Steuerrecht nutzbar, indem er diese Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, zu steuerlichen Pflichten transformiert (sog. abgeleitete Buchführungspflicht).³² bb) Was gilt, wenn sich Verwaltungs- und Satzungssitz in unterschiedlichen Ländern befinden? Die kollisionsrechtliche Behandlung der Rechnungslegungsvorschriften ist in der gesellschaftsrechtlichen Literatur streitig.³³ Teilweise werden diese Pflichten gesellschaftsrechtlich qualifiziert, so dass an das Recht des Gründungsstaates anzuknüpfen ist; unabhängig vom tatsächlichen Verwaltungssitz müsste die Gesellschaft nach ihrem Gründungsrecht (Gesellschaftsstatut) Rechnung legen.Von anderen wird die Pflicht öffentlich-rechtlich qualifiziert, was zu einer Anknüpfung an den Ort der kaufmännischen Niederlassung führt. Das Meinungsspektrum ist breit; die gesellschaftsrechtliche Qualifikation des Rechts der Rechnungslegung (und damit die Anknüpfung der Rechnungslegungspflicht an den Satzungssitz der fraglichen Gesellschaft) scheint zu überwiegen.³⁴ Richtigerweise besteht eine Rechnungslegungspflicht, wenn der in-
Dies ist keine Besonderheit der SUP, sondern gilt auch für GmbH-Töchter mit Verwaltungssitzen im Ausland; dazu Leuering, in Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht (Hrsg.), Sitzverlegungen von Gesellschaften in Europa: rechtliche und praktische Probleme (Heft Nr. 198), 2012, S. 8 f. Cöster, in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 140 Rn. 2. Darstellung des Streitstands z. B. bei Servatius, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 17 Rn. 19 ff. Koch, in Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 13d Rn. 45 unter Verweis auf die gegenteilige Ansicht bei Hüffer, Voraufl., Rn. 15: „Nach umstrittener, aber zutreffender Auffassung ist das Personal- oder Gesellschafterstatut auch maßgeblich für die Beurteilung der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht“; ferner Kienle, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 24 Rn. 2; Rehberg, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004,
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ländische Verwaltungssitz als Zweigniederlassung zu qualifizieren ist, da inländische Zweigniederlassungen buchführungspflichtig sind.³⁵ – Nur schlagwortartig hingewiesen werden kann hier ferner auf die Neuregelung in § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz (AstG)³⁶, mit dem der Authorized OECD Approach in nationales Recht umgesetzt wurde und nach dem eine inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens (oder umgekehrt) als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen fingiert wird, für das dann nach § 3 BsGaV³⁷ eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen ist, die im Ergebnis mit der Bilanz eines rechtlich selbstständigen Unternehmens vergleichbar ist.³⁸ Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgehen wollte, dass handelsrechtlich keine Pflicht zur Führung von Büchern nach dem Recht der Zweigniederlassung besteht, darf nicht übersehen werden, dass auch die jeweilige nationale Besteuerung an die Buchführung und Rechnungslegung anknüpft. – Wem kommt dieses Besteuerungsrecht zu? In aller Kürze: Gemäß Art. 4 Abs. 3 des OECD-Musterabkommens³⁹, der für die meisten DBAs übernommen wurde, gilt eine in mehreren Staaten ansässige Gesellschaft (z. B. Satzungssitz hier, Verwaltungssitz dort⁴⁰) als nur in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Der in den DBAs zugrunde gelegte Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung entspricht regelmäßig dem Verwaltungssitz, so dass die Gesellschaft nur in diesem Staat ihr Welteinkommen versteuern muss. Ist die Gesellschaft nicht nur in dem land tätig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, können mehrere Staaten das Besteuerungsrecht für sich reklamieren. Art. 7 des OECD-Musterabkommens knüpft das Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen eines Staates, der nicht zugleich Sitzstaat ist, an die Zurechenbarkeit der Gewinne zu einer in diesem Staat gelegenen Be-
§ 5 Rn. 108 f.; a. A. Kindler, in MünchKomm BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn. 277; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1998, § 238 Rn. 18; Ballwieser, in MünchKomm HGB, 3. Aufl. 2013, § 238 Rn. 13; Schumann, ZIP 2007, 1189, 1190; a. A. Servatius, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 17 Rn. 45. Statt aller Wassermeyer, IstR 2015, 37 m.w. N. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV) vom 13. 10. 2014 (BGBl. I, S. 1603). Begr. des Bundesfinanzministeriums zu § 3 Abs. 1 S. 2 BsGAV-E (abrufbar unter www.bmf.de), S. 37 sowie Kussmaul/Delarber/Müller, IstR 2014, 466, 473. OECD-Musterabkommen 2010 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Lehner, in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 4 Rn. 242.
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triebsstätte.⁴¹ Verfügt eine Gesellschaft in anderen Ländern über Niederlassungen, die als Betriebsstätte zu qualifizieren sind, besteht in diesen Staaten eine beschränkte Steuerpflicht begrenzt auf den Gewinn dieser Betriebsstätte. Besteuert wird der Gewinn, der mittels der Rechnungslegung ermittelt wird. Damit ist jedenfalls für steuerliche Zwecke eine Gewinnermittlung mittels kaufmännischer Buchführung erforderlich. Die jeweiligen nationalen Steuerbehörden tun sich erfahrungsgemäß schwer, hierfür eine handelsrechtliche Buchführung nach ausländischen Regelungen anzuerkennen.⁴² Deswegen überrascht es nicht, dass im Steuerrecht eine ganz andere Sicht der Dinge als im Gesellschaftsrecht herrscht:⁴³ Von einem Meinungsstreit über die Buchführungspflicht fehlt jede Spur. Dort besteht vielmehr die einhellige Auffassung, dass (1.) inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kaufleute nach handelsrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtig sind und (2.) hilfsweise eine originäre steuerliche Buchführungspflicht nach § 141 AO besteht, wenn die inländische unternehmerische Tätigkeit nicht als Zweigniederlassung i. S. des § 13d bis § 13 g HGB zu qualifizieren ist und die Schwellenwerte des § 141 AO überschritten werden.⁴⁴ Da der inländische Verwaltungssitz einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Zweigniederlassung anzusehen ist,⁴⁵ begründet bereits dies eine handelsrechtliche Buchführungspflicht. Entsprechend hat das Bundesministerium der Finanzen verlautbart: „Mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs ergeben sich handelsrechtliche Buchführungspflichten (§ 238 ff. HGB, § 140 AO), wenn die jeweilige Betriebsstätte eine nach § 13d HGB eingetragene oder eintragungspflichtige Zweigniederlassung ist“.⁴⁶ Auch die Oberfinanzdirektion Hannover teilt diese
Den Begriff der Betriebsstätte definiert Art. 5 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ und stellt in Art. 5 Abs. 2 lit. b) klar, dass eine Zweigniederlassung eine Betriebsstätte darstellt. Ebenso Engert, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 8 Rn. 53. Harrer/Brugger/Urtz, in Gruber/Harrer, GmbHG, 2014, vor § 11 ff. Rn. 21 sprechen in diesem Zusammenhang vom „steuerlichen Paralleluniversum zum Gesellschaftsrecht“. Hess. FG BB 1984, 1596; Dißars, in Schwarz, Kommentar zur AO, Loseblatt – Stand: 161. Erg.Lfg. 11/2014, § 140 Rn. 13; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt – Stand:138. Erg.-Lfg. 11/2014, § 140 AO Rn. 11; Engert, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 8 Rn. 47, 54 und 56; Görke, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt – Stand: 230. Erg.-Lfg. 12/2014, § 140 AO Rn. 26; Märtens, in Beermann/Gosch, AO, Loseblatt – Stand: 113. Erg.-Lfg. 12/2014, § 140 Rn. 21; Leopold, in Leopold/Madle/Rader, AO, Loseblatt – Stand: 112. Erg.Lfg. April 10/2014, § 140 Rn. 10. Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 13d Rn. 1; Koch, in Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 13d Rn. 2. Betriebsstätten-Erlass des BMF vom 24.12.1999, Tz. 1.1.3.2.
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Auffassung: „Aus § 238 HGB ergibt sich für die Zweigniederlassung eine Pflicht zur Einrichtung einer Buchführung. Zweigniederlassungen, die pflichtwidrig nicht im Handelsregister gemeldet sind, sind dennoch nach § 238 HGB verpflichtet, eine Buchführung einzurichten und nach § 242 HGB zu Beginn der Tätigkeit eine Anfangsbilanz sowie anschließend auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen Abschluss zu erstellen“.⁴⁷ – Zur richtigen Einordnung dieser Aussage: Im Zuständigkeitsbereich der OFD Hannover (heute: OFD Niedersachsen) liegt das Finanzamt Hannover-Nord, das seinerseits für die Umsatzsteuer der Unternehmer mit Sitz oder Geschäftsleitung im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zuständig ist – und damit insbesondere für die vielen Limited mit Satzungssitz in Großbritannien und mit Verwaltungssitz in Deutschland.⁴⁸ Diese – wenn auch handelsrechtlich begründete, im Ergebnis aber aus fiskalischen Erwägungen abgeleitete – Pflicht zur Rechnungslegung nach dem Recht des Verwaltungssitzes suspendiert indes nicht die Rechnungslegungspflicht nach dem Recht des Satzungssitzes. Das jeweilige Sitzland verpflichtet „seine“ Gesellschaften ebenfalls zur Rechnungslegung und Publizität der Jahresabschlüsse.⁴⁹ Gesellschaften mit Verwaltungs- und Satzungssitz in unterschiedlichen Staaten müssen die Rechnungslegungspflichten nach beiden Regelungsregimen erfüllen.⁵⁰ Dies ist in der Praxis misslich: Die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten bilden eine wesentliche Position in den Verwaltungskosten einer Gesellschaft.⁵¹ Eine Pflicht zur doppelten Buchführung und Rechnungslegung macht die mit der Verwendung einer Auslandsgesellschaft bezweckten Vorteile (insbesondere Kosteneinsparungen durch die Verwendung einer einheitlichen Rechtsform für international tätige Konzerne) zunichte. Ein wesentlicher Synergieeffekt bei der konzerneinheitlichen Strukturierung sämtlicher Tochtergesellschaften innerhalb der EU besteht gerade darin, die Rechnungslegung für die in derselben Rechtsform organisierten Tochtergesellschaften in einem konzernweiten Shared Service Center
Verlautbarung der OFD Hannover „Ausländische Kapitalgesellschaften“ vom 28. 2. 2007, Tz. 2.8.5; dazu Wachter, FR 2006, 393 (passim). § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i.V. mit § 1 Nr. 7 Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung (UStZustV) nebst Anwendungserlass zur AO 2014 zu § 21 AO. Fleischer, in MünchKomm GmbHG, 2. Aufl. 2015, Einl. Rn. 312 m. z. N.; Rodewald, in GmbHHandbuch, Loseblatt – 150. Erg.-Lief. 11/2014, Rz. I 79 (beide zur Limited). Ähnlich Kienle, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 24 Rn. 3 und Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339 f., jeweils zur Limited; ebenso zur Rechtslage in Österreich Harrer/Brugger/Urtz, in Gruber/Harrer, GmbHG, 2014, vor §§ 11 ff. Rn. 21; zur Möglichkeit der Überleitungsrechnung in die eine oder andere Richtung Graf, in MünchKomm BilanzR, 2013, § 238 Rn. 20. Kienle, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 24 Rn. 1.
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zu organisieren und so im Wege der Zentralisierung die Kosten für die lokale Rechnungslegung weitgehend einzusparen.⁵² Zahlreiche Stimmen in der Literatur werten diese doppelte Buchführungspflicht als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.⁵³ Diese Möglichkeit hat auch der EuGH in seiner „Futura“-Entscheidung in Betracht gezogen.⁵⁴ Da das Gericht aber in dieser Entscheidung zugleich vergleichsweise großzügige Rechtfertigungsmöglichkeiten eröffnete,⁵⁵ hilft der Einwand der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in der Praxis letztlich nicht weiter.
3. Fazit Der Schritt des Unternehmers über die Grenze ins Ausland ist immer auch ein Schritt in eine fremde Rechtsordnung. Er löst zusätzliche Informationskosten aus, da der Unternehmer mit der dortigen Rechtsordnung in aller Regel weniger vertraut sein wird als mit seiner eigenen. Der Richtlinienentwurf ändert hieran nicht viel: Da nur wenige gesellschaftsrechtliche Maßnahmen harmonisiert werden, besteht der Rechtsberatungsbedarf weiterhin. Sofern sich Satzungs- und Verwaltungssitz der Tochtergesellschaften in unterschiedlichen Ländern befinden, löst dies in der Praxis doppelte Kosten der Rechnungslegung aus, da sowohl der Satzungs- als auch der Verwaltungssitzstaat eine Rechnungslegung nach eigenem Recht fordern. Zu diesem Problem bietet auch der Richtlinienentwurf keine Lösung; dies schmälert die Attraktivität der SUP in der Praxis.
Münch/Franz, BB 2010, 2707, 2710. Altmeppen/Ego, in MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2012, B. Europäische Niederlassungsfreiheit, Rn. 487; Wachter, FR 2006, 393, 394; Kienle, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Internationales GesR, 4. Aufl. 2013, § 24 Rn. 6; Rehberg, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rn. 111; Harrer/Brugger/Urtz, in Gruber/Harrer, GmbHG, 2014, vor §§ 11 ff. Rn. 21 sowie Brugger, ebenda, § 112 Rn. 6. EuGH, Urteil v. 15.5.1997, Rs C-250/95 „Futura Participations SA, Singer ./. Administration des contributions“, Slg. 1997, I-2492, Rn. 25. Engert, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 8 Rn. 56 erblickt in der Futura-Entscheidung gar eine Billigung der doppelten Buchführungspflicht.
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IV. SUP & Co. KG Die starke Verbreitung der Unternehmergesellschaft & Co. KG⁵⁶ lässt vermuten, dass es auch für die SUP & Co. KG zahlreiche Anwendungsbereiche geben wird. Bei der SUP kann es sich dabei sowohl um eine inländische als auch um eine im Ausland registrierte SUP handeln.
1. Kapitalgesellschaft & Co. KG Gesellschafter einer Personengesellschaft können auch juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sein; die GmbH & Co. KG ist seit den Entscheidungen des BayObLG aus dem Jahre 1912 sowie zehn Jahre später durch das RG⁵⁷ anerkannt; der Gesetzgeber ist dem (in § 19 Abs. 2 HGB und anderenorts) gefolgt. Auch ausländische rechtsfähige Gesellschaften können persönlich haftende Gesellschafter einer deutschen Kommanditgesellschaft sein, sofern sie nach dem IPR als rechtsfähig anzuerkennen sind;⁵⁸ würde man dies verneinen, verstieße man – jedenfalls in Hinblick auf Gesellschaften aus dem EU- und EWR-Ausland – gegen die Niederlassungsfreiheit.⁵⁹ Ob hinzukommen muss, dass nach dem für die ausländische Gesellschaft maßgeblichen Gesellschaftsstatut eine Beteiligung an einer deutschen Personengesellschaft (oder einer ihr entsprechenden ausländischen Gesellschaftsform) zulässig ist, ist streitig, jedoch wohl zu verneinen.⁶⁰ Eine im EU- oder EWR-Ausland (oder in einem ebenso zu behandelnden Territorium) gegründete Kapitalgesellschaft kann somit Komplementärin einer inländischen Kommanditgesellschaft sein.
Die Recherche nach den Schlagworten „(haftungsbeschränkt)“ und „KG“ in der Registerart HRA des elektronischen Handelsregisters liefert 8.503 Treffer (Stand: 31.1. 2015). BayObLG Recht 1912, Nr. 1231 sowie RGZ 105, 101. BayObLG NJW 1983, 3029 f.; Casper, in Staub, HGB, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 74; Henze/Notz, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 177a Anh. A Rn. 28; Roth, in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 105 Rn. 28 sowie Anh. § 177a Rn. 11; Teichmann, ZGR 2014, 220, 224 f.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 9 („Selbstverständlichkeit“); – K. Schmidt bezeichnete den Streit um die Anerkennung der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG im Jahr 2002 als die „aktuellste Kraftprobe des KG-Rechts“ (in: Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 56 VII 2, ferner § 5 III 1). Henze/Notz, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 177a Anh. A Rn. 28; Teichmann, ZGR 2014, 220, 226; ähnlich, allerdings etwas zurückhaltender Wiedemann, GesR, Bd. II, 2004, S. 841. Henze/Notz, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 177a Anh. A Rn. 28; Roth, in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, Anh. § 177a Rn. 11; Teichmann, ZGR 2014, 220, 228; a. A. Möhrle, in MünchHdb GesR, Bd. 2 – KG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 67.
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Oftmals gewünscht ist, eine österreichische GmbH mit Satzungssitz in Österreich und Verwaltungssitz in Deutschland als (einzige) Komplementärin einer deutschen KG zu nutzen. Dies bietet einige Vorteile: Zunächst besteht keine Sprachbarriere. Ferner würde die KG als „GmbH & Co. KG“ firmieren, weswegen der Charakter als ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG nicht prominent hervortritt; freilich ist der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, die persönlich haftenden Gesellschafter mit Rechtsform, Sitz und Registergericht auf den Geschäftsbriefen zu benennen (§ 125a Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 177a Satz 2 HGB). Allerdings lässt Österreich den Wegzug einheimischer Kapitalgesellschaften (z. B. im Wege der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland) nach dort h. M. nicht zu: In Bezug auf inländische Gesellschaften mit ausländischem Verwaltungssitz stellt das Europarecht den Mitgliedstaaten frei, ob sie „ihre“ Gesellschaften nach dem Gründungsrecht (Gründungstheorie) oder nach dem Recht am Ort ihrer Hauptverwaltung (Sitztheorie) beurteilen möchten.⁶¹ Auch innerhalb der EU und des EWR findet nach der wohl h. M. auf den Wegzug österreichischer Gesellschaften ins Ausland § 10 IPRG⁶² daher nach wie vor Anwendung.⁶³ Sofern man dieser Ansicht folgt, könnte eine österreichische Gesellschaft allenfalls dann Komplementärin einer deutschen KG sein, wenn sie ihren Verwaltungssitz in Österreich hat (zu den sich dann ergebenen Fragen des Verwaltungssitzes der KG sogleich unter 2. lit. a). Dieser Blick über die Grenze veranlasst eine Nebenbemerkung: Mit der in Art. 7 Abs. 4 des Richtlinienvorschlags statuierten Kollisionsnorm würde die aufgrund der Rechtsprechung des EuGH auf bestimmte,von der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit erfassten Fälle bereits anwendbare Gründungstheorie nunmehr ausdrücklich in einem Sekundärrechtsakt der Union verankert werden. Österreich wäre dadurch jedenfalls mit Blick auf die SUP gezwungen, entgegen § 10 IPRG den Wegzug inländischer SUP anzuerkennen. Es überrascht daher nicht, dass dort die Sorge herrscht, dass mit der SUP-Richtlinie ein Präzedenzfall geschaffen wird, „der die Eckpfeiler des europäischen Gesellschaftsrechts auch im Hinblick auf zukünftige Rechtsformen ein für alle Mal verrücken würde“.⁶⁴ Schnittker/Pitzal, in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013, Rn. 10.18 f. § 10 IPRG: „Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, ist das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat.“ Vgl. Doralt/Diregger, in MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, § 5 Rn. 75; Eckert, Internationales Gesellschaftsrecht, 2010, S. 65 f.; Eckert, GesRZ 2009, 139; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG, 3. Aufl. 2007, Allg. Einl. Rn. 18; Heidinger/Schneider, in Jabornegg/Strasser, AktG, 5. Aufl. 2011, § 5 Rn. 10; a. A. Brugger, in Gruber/Harrer, GmbHG, 2014, § 107 Rn. 124. Steinwendter, NZ 2014, 264.
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2. Ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG als Instrument der Gestaltungspraxis Der erste „Vorzug“ der ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG ist zwischenzeitlich durch das Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers wieder entfallen: Eine englische Limited (Private Company Limited by Shares) kann mit einem Mindestkapital von einem englischen Pfund Sterling oder einem Euro gegründet werden.⁶⁵ Mittels einer Limited & Co. KG kann folglich eine haftungsabschirmende Personengesellschaft gegründet werden, ohne dass es eines nennenswerten Kapitaleinsatzes bedarf. Da der Gesetzgeber mit dem MoMiG⁶⁶ 2008 die Unternehmergesellschaft in § 5a GmbHG einführte, kann dieses Motiv heute noch einfacher durch die UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG⁶⁷ erreicht werden. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass die Zahl der Limited & Co. KGs rückläufig ist.⁶⁸ Heute stehen daher andere Motive im Vordergrund. Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG wird in verschiedenen Einsatzbereichen als Gestaltungsinstrument genutzt. Hier sollen das Steuerrecht sowie die Flucht aus der deutschen Mitbestimmung kurz angesprochen werden.
a) Steuergestaltung In der Steuergestaltung wird die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG insbesondere beim Erwerb von inländischen Immobilienportfolios eingesetzt, um die gewerbesteuerliche Situation zu optimieren. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft dabei an das Bestehen einer inländischen Betriebsstätte an (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Allein die Vermietung von im Inland belegenen Immobilien begründet nicht automatisch eine inländische Betriebsstätte.⁶⁹ Mit dem Einsatz einer Kapitalgesellschaft mit Satzungs- und Verwaltungssitz im Ausland als Komplementärin ließe sich zudem eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 1 Nr. 2 AO) vermeiden. Dies führt im Idealfall dazu, dass die ausländische Kapi-
Genauer: Es existiert kein gesetzliches Mindestkapital, jedoch ist beim Companies House ein Nominalkapital einzutragen, so Heckschen, in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Loseblatt – 60. Erg.-Lief. 10/2014, Rz. 107c. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. 10. 2008 (BGBl. I S. 2026). Dazu Liebscher, in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 3 Rn. 40 f.; zur Zulässigkeit ausf. Grunewald, in MünchKomm HGB, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 101 ff. Blaum, in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaft, Loseblatt – 60. Erg.Lief. 10/2014, Rz. 3451; Liebscher, in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 3 Rn. 45. BFH, BStBl. II 2007, 94.
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talgesellschaft & Co. KG mit ihren Einkünften keiner inländischen Gewerbesteuerpflicht unterliegt.⁷⁰ Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht stellt sich bei dieser Gestaltung die Frage, ob eine im EU-Ausland ansässige Komplementärin, die auch nur dort über einen Verwaltungssitz verfügt, die Rolle einer Komplementärin und damit die Geschäftsführung einer KG übernehmen kann. Hier besteht Grund zur Annahme, dass sich auch der Verwaltungssitz der deutschen KG im Ausland befindet.⁷¹ Dies begründet dann die Gefahr des Erlöschens der Gesellschaft.⁷²
b) Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung Darüber hinaus kann die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG dazu dienen, die deutsche Mitbestimmung zu vermeiden – Weller spricht anschaulich von „Gesellschaftsrechtsarbitrage“⁷³. Der Anwendungsbereich des MitbestG beschränkt sich seinem Wortlaut nach auf die (jeweils deutsche) AG, KGaA, GmbH und eG sowie über § 4 MitbestG auf Kommanditgesellschaften mit einer deutschen Komplementärgesellschaft. Die Kommanditgesellschaft ist als Rechtsform grundsätzlich mitbestimmungsfrei, im Fall einer Kapitalgesellschaft & Co. KG besteht jedoch eine Verpflichtung zur Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats bei der Komplementärin, wenn durch die Zurechnung der Arbeitnehmer der KG an die Komplementärin (also der Kapitalgesellschaft) in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer bei der Komplementärin beschäftigt werden. Eine solche Zurechnung setzt voraus, dass die Mehrheit der Kommanditisten zugleich die Mehrheit der Anteile oder Stimmen an der Komplementärin hält (Mehrheitsidentität, § 4 Abs. 1. S. 1 MitbestG). Die KG als Personengesellschaft unterliegt nicht der Unternehmensmitbestimmung; Anknüpfungspunkt für eine etwaige Anwendung des MitbestG ist die Rechtsform der Komplementärin. Eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft als Komplementärin unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des deutschen
Siehe dazu OFD Münster vom 5.9. 2011, S 1300-169-St 45-32 (juris). Gummert, in MünchHdb GesR, Bd. 2 – KG, 4. Aufl. 2014, § 49 Rn. 17; Teichmann, ZGR 2014, 220, 229; Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358 (passim). Ausführlich Schnittker/Pitzal, in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht 2013, Rn. 10.8 ff. sowie Schnittker/Benecke, FR 2010, 565, 567 ff.; ferner Haase/Steierberg, IstR 2014, 888, 889 f. sowie Wertenbruch, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 105 Rn. 298 f. (zum Wegzug). Weller, in Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht (Hrsg.), Sitzverlegungen von Gesellschaften in Europa: rechtliche und praktische Probleme (Heft Nr. 198), 2012, S. 15.
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Mitbestimmungsrechts, selbst wenn sie ihren Verwaltungssitz im Inland hat.⁷⁴ Hierfür lassen sich verschiedene Gründe anführen: Die international-privatrechtliche Qualifikation der Unternehmensmitbestimmung folgt nach mittlerweile einhelliger Meinung dem Gesellschaftsstatut.⁷⁵ Ferner erfassen die entsprechenden Regelungen des nationalen Sachrechts (§ 1 Abs. 1 MitbestG, § 1 Abs. 1 DrittelbG, ferner § 1 Abs. 2 MontanMitbestG) ausländische Gesellschaften nicht.⁷⁶ Schließlich lässt sich auch die Annahme, dass die unternehmerische Mitbestimmung ein „wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts“ i. S. von Art. 6 EGBGB (ordre public) sei, nicht begründen, da selbst das deutsche Recht die unternehmerische Mitbestimmung weder einheitlich regelt noch in jedem Unternehmen vorsieht.⁷⁷ Auf die abweichende Meinung soll hier besonders hingewiesen werden: Einige namhafte Autoren wollen auch ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischen Verwaltungssitz de lege lata der deutschen Unternehmensmitbestimmung unterwerfen.⁷⁸ Allerdings stößt diese Meinung, wenn man ihr denn folgen wollte, auf ganz praktische Hindernisse: Es ist „nicht erkennbar, wie die unternehmerische Mitbestimmung des deutschen Rechts in einer ausländischen Gesellschaft verwirklicht werden soll, die keinen Aufsichtsrat hat“.⁷⁹
c) Beispiele Beispiele für ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG finden sich viele.⁸⁰ Prominentestes ist sicherlich die börsennotierte Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG mit Sitz in Berlin; zur Gruppe gehören ferner die Air Berlin Ltd. & Co. Service Center KG sowie die Air Berlin Ltd. & Co.Verwaltungs KG. Ferner können genannt werden: die ALBA Group plc & Co. KG mit Sitz in Berlin, die Dachser GmbH & Co. KG mit Sitz
H. M., z. B. Ulmer/Habersack, in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 6 und 33 sowie § 4 Rn. 11; Henze/Notz, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 177a Anh. Rn. 323; Liebscher, in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 3 Rn. 46; Gach, in MünKomm AktG, 4. Aufl. 2014, § 1 MitbestG Rn. 6 sowie § 4 MitbestG Rn. 3; Mertens/Cahn, in Kölner Komm. zum AktG, 3. Aufl. 2013, Anh. § 117 B: § 1 MitbestG Rn. 3; Olbertz/Sturm, GmbHR 2014, 1254, 1257. Servatius, in MünchHdb GesR, Bd. 6 – Int. GesR, 4. Aufl. 2013, § 16 Rn. 4; Palandt/Thorn, BGB, 74. Aufl. 2015, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 16; Erman/Hohloch, BGB, 14. Aufl. 2014, Anh. II zu Art. 12 EGBGB Rn.16b. Thüsing, ZIP 2004, 381, 382. Servatius, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, IntGesR Rn. 201. Weller, in FS Hommelhoff, 2012, 1275; Kindler, NJW 2003, 1073, 1079. BGH NZG 2000, 926, 927 (Vorlagebeschluss i. S. Überseering). Die Recherche nach dem Schlagwort „Ltd. & Co. KG“ im elektronischen Handelsregister liefert 2.875 Treffer (Stand: 31.1. 2015); wobei einige Registergerichte bereit sind, ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KGs unter der Firma „GmbH & Co. KG“ einzutragen.
SUP – Perspektiven für die Praxis
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in Oberwang-Kempten/Allgäu, bei deren Komplementären es sich um die österreichische Dachser Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien handelt, die Esprit Retail B.V. & Co. KG mit Sitz in Ratingen, die H&M Hennes & Mauritz B.V. & Co. KG mit Sitz in Hamburg, die Drogeriekette Müller u. a. mit der Müller Großhandels Ltd. & Co. KG mit Sitz in Ulm, die Oracle Deutschland B.V. & Co. KG mit Sitz in München sowie die Kommanditgesellschaft ZARA Deutschland B.V. & Co. mit Sitz in Hamburg.⁸¹
3. SUP als Komplementärin Die SUP ist aus deutscher Sicht ein tauglicher Baustein einer Kapitalgesellschaft & Co. KG. Bei der SUP stellt sich die Frage der Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes nicht, da dieser in Art. 10 des Richtlinienentwurfs bereits vorgesehen ist. Auch die Anwendung des Gesellschaftsstatuts ist in Art. 7 Abs. 4 des Richtlinienentwurfs festgeschrieben. Das Stammkapital einer SUP beträgt mindestens einen Euro, Art. 16 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs. Eine gesetzliche Thesaurierungspflicht, wie wir sie aus § 5a Abs. 3 GmbHG kennen, ist nicht vorgesehen. Die Ein-Euro-SUP, deren einziger Geschäftsanteil vielleicht sogar von der KG gehalten wird (Einheitsgesellschaft⁸²), dürfte damit zu einer nachgefragten Komplementärin für SUP & Co. KG-Gründungen werden. Der Richtlinienentwurf spricht die Mitbestimmung nicht an. Damit richtet sich das für die Mitbestimmung geltende Recht allein danach, in welchem Mitgliedstaat die SUP nach Art. 7 Abs. 4 des Richtlinienentwurfs in das Handelsregister eingetragen wird, denn danach bestimmt sich das anwendbare Recht und damit auch das Mitbestimmungsstatut.⁸³ Im Fall der Neugründung einer SUP lässt sich daher durch Wahl des Registersitzes im Ausland eine Anwendung der deutschen Mitbestimmungsregeln vermeiden, selbst wenn später eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern im Inland beschäftigt wird.⁸⁴ Auch wäre es möglich, durch die Umwandlung einer mitbestimmten deutschen Gesellschaft in eine SUP mit Regis-
Siehe auch die Studie der Hans-Boeckler-Stiftung: Sick, Der deutschen Mitbestimmung entzogen: Unternehmen mit ausländischer Rechtsform nehmen zu, Februar 2015, abrufbar unter www.boeckler.de. Dazu z. B. Casper, in Staub, HGB, 5. Aufl. 2015, § 161 Rn. 89 ff.; Liebscher, in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 3 Rn. 9 ff.; Leuering, NJW-Spezial 2007, 267. Drygala, EuZW 2014, 491 (492). Drygala, EuZW 2014, 491 (492); sie aber auch den berechtigten Hinweis von Seibert, GmbHR 2014, R209, 210: „kein originär der SUP anzulastendes Problem“.
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tersitz in einem Mitgliedstaat, dessen Recht keine unternehmerische Mitbestimmung kennt, die bisher eingreifenden nationalen Vorschriften abzuschütteln.⁸⁵ Die Firmierung unter Einbeziehung einer SUP (also als „SUP & Co. KG“) mag zunächst seriöser wirken als unter Einbeziehung einer Limited, da der SUP ein europäisches Seriositätslabel anhaftet.⁸⁶ Auch gegenüber einer Unternehmensgesellschaft könnte sie diesen Vorzug haben. Ferner fehlte im ersten Richtlinienentwurf die Angabe der Nationalität in der Firma der SUP, so dass nicht ersichtlich war, in welchem Land die SUP ihren Satzungssitz hat.⁸⁷ Durch das Mindestkapital von einem Euro (Art. 16 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs) kann damit mit einem geringen monetären Aufwand eine Haftungsabschottung erreicht werden.
V. Schluss Die EU-Kommission ist mit großen Zielen angetreten: Die Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen sollen verbessert werden, um so insbesondere deren grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit zu vereinfachen. Diese sei derzeit kostspielig und schwierig, was zahlreiche Unternehmen von einer Investition im Ausland abhalte. Mit der SUP wird den KMU die Möglichkeit gegeben, schnell und unkompliziert einen Rechtsträger für ihre künftigen ausländischen operativen Tätigkeiten zu errichten. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schritt über die Grenze stets ein Schritt in eine fremde Rechtsordnung ist – nicht nur in eine fremde Gesellschaftsrechtsordnung, sondern in eine fremde Gesamtrechtsordnung mit all ihren Unwägbarkeiten und den daraus folgenden Friktionen!
Drygala, EuZW 2014, 491 (492). Tornau, in Hans Böckler Stiftung, Magazin Mitbestimmung, Ausgabe 7+8/2014; ähnlich J. Schmidt, GmbHR 2014, R129 („EU-Gütersiegel“). Kritisch dazu Steinwendter, NZ 2014, 262, 264; anders jetzt der Vorschlag der Italienischen Ratspräsidentschaft.
Anhang Brüssel, den 9.4. 2014 COM(2014) 212 final 2014/0120 (COD)
Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter
(Text von Bedeutung für den EWR) {SWD(2014) 123 final} {SWD(2014) 124 final} {SWD(2014) 125 final}
BEGRÜNDUNG 1. KONTEXT DES VORSCHLAGS Bessere Rahmenbedingungen für alle Unternehmen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gehören zu den wichtigsten Prioritäten der auf zehn Jahre angelegten EU-Wachstumsstrategie „Europa 2020“¹, mit der die Geschäftstätigkeit vereinfacht und erleichtert werden soll. In der Mitteilung „Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“², einer der sieben Leitinitiativen im Rahmen von Europa 2020, wurde eine Reihe von Maßnahmen, die für KMU relevant sind, festgelegt. Im Zuge der Überarbeitung des „Small Business Act“³ und in den Binnenmarktakten I⁴ und II⁵ wurden ebenfalls Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen der Zugang zu Kapital verbessert und die Geschäftskosten in Europa weiter gesenkt werden sollen.
KOM(2010) 2020 endg. vom 3. 3. 2010. KOM(2010) 614 endg. vom 28.10. 2010. KOM(2011) 78 endg. vom 23. 2. 2011. KOM(2011) 206 endg. vom 13.4. 2011. COM(2012) 573 final vom 3.10. 2012.
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Für Unternehmen ist eine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit kostspielig und schwierig, und nur wenige KMU investieren im Ausland. Gründe hierfür sind u. a. die Vielfalt der nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere die Unterschiede im nationalen Gesellschaftsrecht, und das mangelnde Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern in ausländische Unternehmen. Um dieses Misstrauen zu überwinden, gründen Unternehmen häufig Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten. Dies hat den Vorteil, dass sie den Kunden mit der Marke und dem Ruf der Muttergesellschaft gegenübertreten und ihnen gleichzeitig die Sicherheit bieten können, Geschäfte mit einem Unternehmen zu tätigen, das rechtlich den Status eines einheimischen und nicht eines ausländischen Unternehmens hat. Bei der Gründung eines Unternehmens im Ausland entstehen unter anderem Kosten für die Erfüllung der dort geltenden rechtlichen und administrativen Voraussetzungen, die sich häufig von denjenigen unterscheiden, die die Unternehmen aus ihrem „Heimatland“ kennen. Diese Kosten (u. a. für die zusätzlich erforderliche Rechtsberatung und Übersetzung) dürften für Unternehmensgruppen besonders hoch sein, da die Muttergesellschaft, vor allem wenn es sich um ein KMU handelt, derzeit in jedem Land, in dem sie eine Tochtergesellschaft gründen will, andere Voraussetzungen erfüllen muss. Die europäischen KMU spielen bei der Stärkung der Wirtschaft der Union eine wichtige Rolle. Es bestehen jedoch nach wie vor zahlreiche Hindernisse, die ihre volle Entfaltung im Binnenmarkt beeinträchtigen und sie daran hindern, ihr Potenzial als Rückgrat der Wirtschaft der Union voll auszuschöpfen. Die Europäische Kommission wollte diese Hindernisse mit ihrem 2008 unterbreiteten Vorschlag für das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) in den Griff bekommen.⁶ Den KMU sollte damit ein einfaches, flexibles und in allen Mitgliedstaaten einheitliches Instrument zur Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten an die Hand gegeben werden. Anlass für den Vorschlag waren Forderungen aus Unternehmenskreisen, eine wirklich europäische Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu schaffen. Trotz großer Unterstützung aus der Wirtschaft kam jedoch kein Kompromiss zustande, der eine einstimmige Annahme des Status durch die Mitgliedstaaten ermöglicht hätte. Die Kommission beschloss daraufhin (im Rahmen des Programms REFIT⁷), den SPE-Vorschlag zurückzuziehen, und kündigte an, stattdessen einen Vorschlag für eine alternative Maßnahme vorzulegen, mit der zumindest einige der im SPE-Vorschlag behan-
Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (KOM(2008) 396 endg. vom 25.6. 2008). Die Rücknahme des SPE-Vorschlages wurde im Anhang der Mitteilung „Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT): Ergebnisse und Ausblick“ (COM(2013) 685 final vom 2.10. 2013) angekündigt.
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delten Probleme gelöst werden sollen. Diese Vorgehensweise steht mit dem Aktionsplan für europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance von 2012⁸ im Einklang, in dem die Kommission ihre Zusage bekräftigt, nach dem SPEVorschlag weitere Initiativen auf den Weg zu bringen, um die Möglichkeiten für grenzüberschreitende Tätigkeiten von KMU zu verbessern. Das übergeordnete Ziel dieses Vorschlags, der eine Alternative zur SPE darstellt, besteht darin, potenziellen Unternehmensgründern und insbesondere KMU die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern. Dies dürfte das Unternehmertum fördern und unterstützen und mehr Wachstum, Innovation und Beschäftigung in der Union herbeiführen. In dem Vorschlag werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, in ihren Rechtsordnungen eine nationale Gesellschaftsrechtsform vorzusehen, für die in allen Mitgliedstaaten dieselben Vorschriften und die unionsweite Abkürzung SUP (Societas Unius Personae) gelten würden; dies würde den Unternehmen grenzüberschreitende Tätigkeiten erleichtern. Da diese Gesellschaften nach den in allen Mitgliedstaaten harmonisierten Vorschriften errichtet und betrieben würden, würden die Einrichtungs- und Betriebskosten sinken. Die Kosten könnten insbesondere durch ein harmonisiertes Eintragungsverfahren, die Möglichkeit der Online-Eintragung mit einer einheitlichen Vorlage für die Satzung und ein niedriges Mindestgründungskapital verringert werden. Die Gläubiger würden durch die den Geschäftsführern (und in einigen Fällen dem einzigen Gesellschafter) der SUP auferlegten Pflicht zur Kontrolle der Gewinnausschüttungen geschützt. Damit die Unternehmen die Vorteile des Binnenmarkts in vollem Umfang nutzen können, sollten die Mitgliedstaaten nicht verlangen, dass sich der satzungsmäßige Sitz und die Hauptverwaltung einer SUP in demselben Mitgliedstaat befinden müssen. Parallel zu diesem Vorschlag arbeitet die Kommission im Einklang mit dem Stockholmer Programm des Europäischen Rates von 2009⁹ an einer Verbesserung der Rechtssicherheit für Unternehmen und ganz allgemein an der für sie bei einer Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften.
Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen (COM (2012) 740 final vom 12.12. 2012). Das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger (ABl. C 115 vom 4. 5. 2010, S. 1).
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Im Falle des Erlasses der vorgeschlagenen Richtlinie würde die Richtlinie 2009/102/EG aufgehoben und die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012¹⁰ geändert, damit das Binnenmarkt-Informationssystem (Internal Market Information System – IMI) genutzt werden kann.
2. KONSULTATION INTERESSIERTER KREISE UND FOLGENABSCHÄTZUNG Die Initiative stützt sich auf Untersuchungen, die zur Vorbereitung früherer Initiativen der Union wie des SPE-Vorschlags von 2008 durchgeführt wurden, und auf eine Reihe einschlägiger Konsultationen und Beratungen, die im Anschluss an diesen Vorschlag stattgefunden haben. Im Rahmen des Reflexionsprozesses zur Zukunft des Gesellschaftsrechts der Union hat die Reflexionsgruppe der Gesellschaftsrechtsexperten im April 2011 einen Bericht mit Empfehlungen veröffentlicht.¹¹ Darin wird zu verstärkten Bemühungen um eine Vereinfachung der für KMU geltenden Rechtsvorschriften aufgerufen. So müssten insbesondere die Formalitäten für die Gründung einer Gesellschaft (z. B. Eintragung oder Zugang zu elektronischen Verfahren) verschlankt werden. In dem Bericht wird ferner die Einführung eines vereinfachten Modells für Einpersonengesellschaften in der Union vorgeschlagen, das sowohl Unternehmensneugründungen mit einem einzigen Gesellschafter als auch Holdinggesellschaften mit hundertprozentigen Tochtergesellschaften zusätzliche Transaktionskosten und unnötige Formalitäten erspart. Auf der Grundlage dieses Berichts leitete die Kommission im Februar 2012 eine breit angelegte öffentliche Konsultation zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts ein. In die Schlussfolgerungen sind die Stellungnahmen interessierter Kreise zu möglichen Maßnahmen zur weiteren Unterstützung europäischer KMU auf Unionsebene eingeflossen. Es gingen fast 500 Stellungnahmen von einem breiten Spektrum von Interessenträgern ein, darunter Behörden, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Investoren, Vertreter von Wissenschaft und Lehre sowie einzelne Bürger. Die große Mehrheit befürwortete zwar Maßnahmen der Kommission zur Unterstützung von KMU, die Meinungen darüber, wie dieses Ziel verwirklicht werden soll, gingen jedoch auseinander. Die Kommission berück-
Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI“) (ABl. L 316 vom 14.11. 2012, S. 1). Bericht der Reflexionsgruppe unter: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/mo dern/reflectiongroup_report_en.pdf.
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sichtigte auch Beiträge der an der Reflexionsgruppe beteiligten Gesellschaftsrechtsexperten, z. B. den fachlichen Rat zu den zentralen Aspekten der möglichen künftigen Richtlinie über Einpersonengesellschaften. Eine ausführlichere Online-Konsultation der Öffentlichkeit zu Einpersonengesellschaften¹² wurde im Juni 2013 eingeleitet. Ziel war es zu prüfen, ob mit einer Harmonisierung der nationalen Vorschriften über Einpersonengesellschaften einfachere und flexiblere Vorschriften für Unternehmen, insbesondere KMU, und Kostensenkungen bewirkt werden könnten. Insgesamt gingen 242 Stellungnahmen von einem breiten Spektrum von Interessenträgern ein, darunter Unternehmen, Behörden, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Universitäten und einzelne Bürger. Davon waren 62 % der Auffassung, dass bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter eine Harmonisierung der Vorschriften die grenzüberschreitenden Tätigkeiten erleichtern würde; 64 % meinten, dass eine solche Initiative Vorschriften über die Online-Eintragung mit einem in der ganzen Union einheitlichen Standardformular umfassen sollte. Am 13. September 2013 traf sich die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen der Kommission mit einer Gruppe von Wirtschaftsvertretern aus der Union¹³. Die meisten Teilnehmer unterstützten die Initiative und hoben ihre möglichen positiven Auswirkungen auf Unternehmen in der Union hervor. Sie betonten jedoch, dass diese Initiative keine vollwertige Alternative zum SPEVorschlag sei und die Bemühungen um die Einführung der SPE fortgesetzt werden sollten. Andere Interessenträger, z. B. Notare, waren zwar ebenfalls grundsätzlich für die Initiative, äußerten jedoch eine Reihe von Bedenken, die vor allem die Sicherheit der Online-Eintragung von Gesellschaften und die Sicherstellung einer angemessenen Kontrolle des Verfahrens betrafen. Darüber hinaus waren einige Interessenträger der Auffassung, dass bei einer Verringerung des Mindestkapitals auch geeignete flankierende Maßnahmen wie Solvenztests oder Beschränkungen in Bezug auf die Ausschüttung von Dividenden vorgesehen werden sollten. Laut der von der Kommission vorgenommenen Folgenabschätzung scheiden einige Optionen wegen Undurchführbarkeit und/oder mangelnder Unterstützung durch die Interessenträger von vornherein aus (insbesondere die Einführung einer neuen supranationalen Rechtsform und die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in Bezug auf die Gründung von Tochtergesellschaften nur durch KMU oder
http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2013/single-member-private-companies. Business Europe, Rat der Notariate der Europäischen Union, European Small Business Alliance, Rat der Anwaltschaften der Europäischen Union, Chambre de Commerce et d’Industrie de région Paris et Ile-de-France, Association Nationale des Sociétés par Actions und Eurochambers.
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in Bezug auf die Gründung sowohl in Form von Aktiengesellschaften als auch von Gesellschaften mit beschränkter Haftung). In den nach der Folgenabschätzung in Betracht kommenden Optionen ist vorgesehen, im nationalen Gesellschaftsrecht Rechtsformen für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter zu schaffen, für die harmonisierte Voraussetzungen insbesondere in Bezug auf den Eintragungsvorgang und das Mindestkapital gelten. Gewählt wurde die Option mit der Möglichkeit der Online-Eintragung, einer Standardvorlage für die Satzung, einem Mindestkapitalerfordernis von 1 EUR sowie einem Bilanztest und einer Solvenzbescheinigung. Im Vergleich zu den anderen Optionen stellt diese Option angesichts ihrer Zielgerichtetheit (insbesondere der Senkung der Kosten für Unternehmen), ihrer Effizienz und ihrer Kohärenz mit der Politik der Union insgesamt die beste Lösung dar. Der Ausschuss für Folgenabschätzung gab am 20. November 2013 eine insgesamt positive Stellungnahme zur Folgenabschätzung ab. Auf Anraten des Ausschusses wurden die Abschnitte über die Problemstellung und den Problembaum, die Größe des Marktes und die Optionen und ihre Auswirkungen geändert. Ferner wurde die Lage in den Mitgliedstaaten tabellarisch dargestellt und die Zusammenfassung der Ergebnisse der Online-Konsultation von 2013 hinzugefügt. Insbesondere wurden in Anbetracht der Stellungnahme des Ausschusses für Folgenabschätzung die Optionen für das Mindestkapitalerfordernis und den Gläubigerschutz sowie für die Online-Eintragung und die Verwendung einer einheitlichen Vorlage für die Satzung in die Folgenabschätzung aufgenommen. Außerdem wurde die Größe des betroffenen Marktes in der Folgenabschätzung stärker herausgestellt. In der Union gibt es rund 21 Millionen KMU, von denen rund 12 Millionen beschränkt haftende Gesellschaften sind, davon etwa die Hälfte (5,2 Millionen) Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter.
3. RECHTLICHE ASPEKTE Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 50 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der Union im Bereich des Gesellschaftsrechts. Insbesondere ist in Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe f AEUV die schrittweise Aufhebung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in Bezug auf die Voraussetzungen für die Errichtung von Tochtergesellschaften vorgesehen.
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Mit dem vorliegenden Entwurf wird nicht die Einführung einer neuen supranationalen Rechtsform für Einpersonengesellschaften vorgeschlagen, es soll vielmehr ein Beitrag dazu geleistet werden, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die sich in den Voraussetzungen für die Gründung von Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten widerspiegeln, schrittweise aufzuheben. Das Ziel des Vorschlags könnte daher im Prinzip auch dadurch verwirklicht werden, dass die Mitgliedstaaten unabhängig voneinander identische Rechtsvorschriften erlassen. Unter diesen Umständen reicht Artikel 50 AEUV als Rechtsgrundlage für den Vorschlag aus, so dass nicht auf Artikel 352 AEUV zurückgegriffen werden muss. Nach dem Subsidiaritätsprinzip sollte die Union nur dann tätig werden, wenn sie bessere Ergebnisse erzielen kann, als dies bei einem Tätigwerden auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Fall wäre. Die Lösungen für eine Senkung der Einrichtungskosten, für die sich einzelne Mitgliedstaaten bisher entschieden haben, sind noch nicht auf Unionsebene koordiniert worden. Eine solche Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel, in den nationalen Rechtsordnungen identische Anforderungen an eine bestimmte nationale Gesellschaftsrechtsform einzuführen, wäre zwar theoretisch möglich, erscheint aber in naher Zukunft unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist vielmehr, wie in der Folgenabschätzung ausführlich dargelegt, dass einzelne Maßnahmen der Mitgliedstaaten weiter zu unterschiedlichen Ergebnissen führen werden. Insbesondere konzentrieren sich die Mitgliedstaaten meist auf ihre besonderen nationalen Gegebenheiten und bemühen sich in der Regel nicht um die Erleichterung der Gründung von Gesellschaften im Ausland. So stellt das Erfordernis, persönlich vor dem Notar oder einer anderen Behörde des Eintragungsmitgliedstaats zu erscheinen, zwar keine unmittelbare Diskriminierung dar, hat jedoch unterschiedliche Auswirkungen, je nachdem, ob der Gründer seinen Wohnsitz im Inland oder im Ausland hat. Ausländern dürften erheblich höhere Kosten entstehen als Inländern. Auch eine Online-Eintragung, die in der Praxis nur für Inländer oder Personen mit Wohnsitz im Inland zugänglich ist und im nationalen Kontext akzeptabel erscheint, führt zu Mehrkosten für ausländische Unternehmen, die inländischen Unternehmen nicht entstehen. Ohne Maßnahmen auf Unionsebene würden demnach nur nicht harmonisierte nationale Lösungen bestehen. KMU wären weiterhin mit Hindernissen konfrontiert, die ihre Expansion auf andere Länder erschweren, und die dadurch bedingten Kosten würden insbesondere ausländische Gründer belasten. Eine Vereinfachung durch harmonisierte Vorschriften kann zwar theoretisch von den einzeln handelnden Mitgliedstaaten erreicht werden, ist aber höchst unwahr-
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scheinlich. Eine gezielte Maßnahme der Union dürfte daher mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sein. Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sollte die Maßnahme der Union geeignet sein, die angestrebten politischen Ziele zu erreichen, und auf das zu ihrer Erreichung erforderliche Maß beschränkt sein. Es ist zweckmäßig, die Voraussetzungen für die Gründung und die Tätigkeit beschränkt haftender Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter zu harmonisieren, um eine stärkere grenzüberschreitende Teilnahme von KMU am Binnenmarkt zu erreichen. Diese Maßnahme sollte die Gründung von Unternehmen erleichtern und fördern und insbesondere zu einer höheren Zahl von Tochtergesellschaften in der Union führen. Sie geht nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus, da sie nicht versucht, alle Aspekte der Tätigkeit beschränkt haftender Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter vollständig zu harmonisieren, sondern sich auf diejenigen Aspekte beschränkt, die für grenzüberschreitende Tätigkeiten am wichtigsten sind. Mit der neuen Richtlinie, durch die die bestehende Richtlinie über Einpersonengesellschaften aufgehoben wird, wird zudem sichergestellt, dass Inhalt und Form der vorgeschlagenen Unionsmaßnahme nicht über das zur Erreichung des Regulierungsziels erforderliche Maß hinausgehen und angemessen sind.
Einzelerläuterung zum Vorschlag Teil 1: Allgemeine Vorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter Die allgemeinen Vorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (Artikel 1 bis 5) gelten für alle in Anhang I aufgeführten Gesellschaften, einschließlich der in Teil 2 der Richtlinie genannten Gesellschaften. Mit der Zwölften Richtlinie 89/667/EWG des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, kodifiziert durch die Richtlinie 2009/102/EG, wurde in der ganzen Union ein Rechtsinstrument eingeführt, mit dem die Haftung von Einpersonengesellschaften beschränkt werden kann. Ferner wird in Teil 1 der Richtlinie die Offenlegung von Informationen über die Einpersonengesellschaft in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Register vorgeschrieben, und es werden Beschlüsse des einzigen Gesellschafters und Verträge zwischen diesem und der Gesellschaft geregelt. Wenn ein Mitgliedstaat auch Aktiengesellschaften die Möglichkeit einräumt, einen einzigen Anteilseigner zu haben, gelten die Vorschriften des Teils 1 der Richtlinie auch für diese Gesellschaften.
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Teil 2: Besondere Vorschriften für die Societas Unius Personae (SUP) Kapitel 1: Allgemeine Bestimmungen Die Bestimmungen des Teils 2 der Richtlinie gelten für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, die in Form einer SUP gegründet werden (Artikel 6). Für in der Richtlinie nicht geregelte Fragen gilt das einschlägige nationale Recht. Kapitel 2: Errichtung einer SUP Nach der Richtlinie kann eine SUP nur durch Gründung einer neuen Gesellschaft (ex nihilo) oder durch Umwandlung einer bereits in einer anderen Gesellschaftsrechtsform bestehenden Gesellschaft entstehen. Die Richtlinie enthält einige Bestimmungen (Artikel 8 und 9) über diese beiden Möglichkeiten; im Übrigen richtet sich das Verfahren für die Errichtung einer SUP nach den nationalen Vorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Eine SUP kann von einer natürlichen oder einer juristischen Person ex nihilo errichtet werden, auch wenn letztere eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter ist. Die Mitgliedstaaten sollten SUP nicht daran hindern, einzige Gesellschafter anderer Gesellschaften zu sein. Nur die in Anhang I aufgeführten Gesellschaften mit beschränkter Haftung können sich in eine SUP umwandeln. Eine in eine SUP umgewandelte Gesellschaft behält ihre Rechtspersönlichkeit. Hinsichtlich des Verfahrens für die Umwandlung verweist die Richtlinie auf das nationale Recht. Nach der Richtlinie muss eine SUP ihren satzungsmäßigen Sitz und entweder ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der Union haben (Artikel 10). Kapitel 3: Satzung In der Richtlinie ist eine Standardvorlage für die Satzung vorgesehen, deren Verwendung im Falle der Online-Eintragung vorgeschrieben ist. Ferner ist der Mindestinhalt der Vorlage festgelegt, die Gegenstand eines von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakts sein wird (Artikel 11). Die Satzung kann nach der Eintragung geändert werden, die Änderungen müssen jedoch mit der Richtlinie und dem nationalen Recht vereinbar sein (Artikel 12). Kapitel 4: Eintragung einer SUP Die Bestimmungen über das Eintragungsverfahren bilden den Hauptteil der Richtlinie, da sie für die Erleichterung der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der Union als dem Sitzland der Gesellschaft von ent-
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scheidender Bedeutung sind. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein Eintragungsverfahren anzubieten, das vollständig auf elektronischem Wege und aus der Ferne abgewickelt werden kann, ohne dass der Gründer persönlich vor den Behörden des Eintragungsmitgliedstaats erscheinen muss. Auch der gesamte Schriftwechsel zwischen der für die Eintragung zuständigen Stelle und dem Gründer muss daher elektronisch erfolgen können. Die Eintragung der SUP muss innerhalb von drei Arbeitstagen abgeschlossen sein, um die schnelle Errichtung von Gesellschaften zu ermöglichen (Artikel 14). Darüber hinaus enthält die Richtlinie eine vollständige Liste der Unterlagen und Angaben, die die Mitgliedstaaten für die Eintragung einer SUP verlangen dürfen. Nach der Eintragung kann die SUP die Unterlagen und Angaben nach dem im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren ändern (Artikel 13). Kapitel 5: Einziger Anteil Da eine SUP nur einen Gesellschafter hat, darf sie nur einen Anteil ausgeben, der nicht geteilt werden darf (Artikel 15). Kapitel 6: Stammkapital Nach der Richtlinie beträgt das Stammkapital mindestens 1 EUR bzw. in den Mitgliedstaaten, in denen der Euro nicht die Landeswährung ist, mindestens eine Einheit der Landeswährung. Die Mitgliedstaaten sollten weder einen Höchstwert für den einzigen Anteil oder das eingezahlte Kapital festsetzen noch die SUP zur Bildung gesetzlicher Rücklagen verpflichten. Die Richtlinie erlaubt der SUP jedoch, freiwillige Rücklagen zu bilden (Artikel 16). Ferner enthält die Richtlinie Vorschriften über Gewinnausschüttungen (z. B. Dividenden) an den einzigen Gesellschafter der SUP. Eine Gewinnausschüttung ist zulässig, wenn der Bilanztest ergeben hat, dass die nach der Gewinnausschüttung verbleibenden Vermögenswerte der SUP ausreichen, um ihre Verbindlichkeiten in vollem Umfang abzudecken. Zudem muss das Leitungsorgan dem einzigen Gesellschafter eine Solvenzbescheinigung vorlegen, bevor eine Gewinnausschüttung vorgenommen wird. Mit der Aufnahme dieser beiden Voraussetzungen in die Richtlinie wird ein hohes Maß an Gläubigerschutz gewährleistet, das der SUP helfen dürfte, sich einen guten Ruf zu erwerben (Artikel 18). Kapitel 7: Organisation und Verfahren der SUP Die Richtlinie regelt die Beschlussfassungsbefugnisse des einzigen Gesellschafters, die Arbeit des Leitungsorgans und die Vertretung der SUP gegenüber Dritten (Artikel 21). Um KMU und anderen Unternehmen grenzüberschreitende Tätigkeiten zu erleichtern, räumt die Richtlinie dem einzigen Gesellschafter das Recht ein, Be-
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schlüsse zu fassen, ohne eine Gesellschafterversammlung einberufen zu müssen; ferner legt sie fest, zu welchen Fragen der einzige Gesellschafter Beschlüsse fassen muss. Der einzige Gesellschafter sollte auch andere als die in der Richtlinie genannten Beschlüsse fassen können, unter anderem zur Übertragung seiner Befugnisse auf das Leitungsorgan, sofern dies nach nationalem Recht zulässig ist. Geschäftsführer einer SUP können nur natürliche Personen werden, es sei denn, das Recht des Eintragungsmitgliedstaats erlaubt dies auch juristischen Personen. Die Richtlinie enthält einige Bestimmungen über die Bestellung und die Entlassung der Geschäftsführer, die für die Leitung der SUP verantwortlich sind und die SUP auch gegenüber Dritten vertreten. Da die SUP auch für Unternehmensgruppen ein attraktives Modell sein soll, erlaubt die Richtlinie dem einzigen Gesellschafter, dem Leitungsorgan Weisungen zu erteilen. Diese Weisungen müssen jedoch mit den nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz der Interessen anderer Parteien vereinbar sein (Artikel 22). Die SUP kann in eine andere Rechtsform nach nationalem Recht umgewandelt werden. Wenn eine SUP nicht mehr die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt, muss sie entweder in eine andere Gesellschaftsrechtsform umgewandelt oder aufgelöst werden. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, müssen die nationalen Behörden über die Befugnis verfügen, die Gesellschaft aufzulösen (Artikel 25).
Teil 3: Schlussbestimmungen Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die Richtlinie, das nationale Recht oder die Satzung festzulegen (Artikel 28). Zudem wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zu erlassen. Um die Liste der in den Mitgliedstaaten bestehenden Gesellschaftsrechtsformen aktualisieren zu können, wird die Kommission bei Bedarf vorschlagen, Anhang I durch einen delegierten Rechtsakt zu ändern, der keine Änderung der Richtlinie als solcher erfordert und nicht das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss (Artikel 1 Absatz 2). Ferner wird vorgeschlagen, der Kommission die Befugnis zum Erlass zweier Durchführungsrechtsakte zu übertragen, mit denen die Vorlagen für die Satzung und die Eintragung festgelegt werden (Artikel 11 Absatz 3 bzw. Artikel 13 Absatz 2). Wenn diese Vorlagen Gegenstand von Durchführungsrechtsakten sind, können sie leichter an sich ändernde Rahmenbedingungen für Unternehmen angepasst werden, als wenn sie im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt würden. Bei der Ausarbeitung der Vorlagen wird die Kommission vom Ausschuss für Gesellschaftsrecht unterstützt.
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Mit der Richtlinie wird die Richtlinie 2009/102/EG, die durch die vorliegende Richtlinie ersetzt wird, aufgehoben und die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012¹⁴ geändert, damit das Binnenmarkt-Informationssystem (Internal Market Information System – IMI) genutzt werden kann (Artikel 29 und 30). Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie spätestens zwei Jahre nach ihrem Erlass in nationales Recht umsetzen. Bis dahin wird die Kommission die erforderlichen Durchführungsrechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, den Umsetzungsprozess unmittelbar nach Inkrafttreten der Richtlinie einzuleiten.
4. ERLÄUTERNDE DOKUMENTE Nach der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 27. Oktober 2011 sollte die Europäische Kommission nur dann um erläuternde Dokumente bitten, wenn sie „im Einzelfall … die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Übermittlung derartiger Dokumente begründen [kann], wobei sie insbesondere die Komplexität der Richtlinie bzw. ihrer Umsetzung sowie den etwaigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand berücksichtigt.“ Nach Auffassung der Kommission ist es im vorliegenden Fall unter anderem wegen der sehr unterschiedlichen Art und Weise,wie das Gesellschaftsrecht in den Mitgliedstaaten geregelt ist (z. B. in Zivilgesetzbüchern, Gesellschaftsrechtsgesetzbüchern oder Gesellschaftsgesetzen), gerechtfertigt, die Mitgliedstaaten um die Übermittlung erläuternder Dokumente zu den mit der Umsetzung verbundenen Problemen zu ersuchen. Die Umsetzungsmaßnahmen werden Auswirkungen auf nationaler Ebene haben und beispielsweise das nationale Gesellschaftsrecht, das Eintragungsverfahren, die Kommunikation zwischen der für die Eintragung zuständigen Stelle und dem Gründer, die Websites der zuständigen Behörden und das Online-Verfahren für den elektronischen Identitätsnachweis verändern. Insbesondere werden die Bestimmungen des Teils 2 der Richtlinie sehr wahrscheinlich in mehrere nationale Rechtsakte umgesetzt werden müssen. Dies könnte vor allem in Mitgliedstaaten mit mehr als einem zentralen Unternehmensregister der Fall sein. Hierbei kommt der Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen wesentliche Bedeutung zu, da aus ihnen der Zusammenhang zwischen den Bestimmungen der
Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI“) (ABl. L 316 vom 14.11. 2012, S. 1).
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Richtlinie und den nationalen Umsetzungsmaßnahmen hervorgeht und somit die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie geprüft werden kann. Eine einfache Mitteilung einzelner Umsetzungsmaßnahmen würde jedoch nicht ausreichen, da sich die Kommission nicht vergewissern könnte, dass alle unionsrechtlichen Bestimmungen ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt wurden. Die erläuternden Dokumente sind notwendig, um genau zu verstehen, wie die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die erläuternden Dokumente in Form übersichtlicher Tabellen vorzulegen, aus denen klar hervorgeht, wie die einzelnen nationalen Maßnahmen, die getroffen wurden, den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen. In die vorgeschlagene Richtlinie wird daher folgender Erwägungsgrund aufgenommen: „Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten vom 28. September 2011 haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.“ 2014/0120 (COD)
Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 50, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung nachstehender Gründe:
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Die Richtlinie 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter¹⁵ hat es Einzelunternehmern ermöglicht, in der ganzen Union mit beschränkter Haftung tätig zu sein. Die Bestimmungen der Richtlinie 2009/102/EG, die alle beschränkt haftenden Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter betreffen, wurden in Teil 1 dieser Richtlinie übernommen. Wenn alle Anteile in der Hand eines einzigen Gesellschafters vereinigt sind, sollte dessen Identität durch einen Registereintrag der Öffentlichkeit gegenüber offengelegt werden. In dieser Richtlinie ist ferner vorgesehen, dass die Beschlüsse, die der einzige Gesellschafter in Ausübung der Befugnisse der Gesellschafterversammlung fasst, und die Verträge zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft schriftlich niederzulegen sind, es sei denn, es handelt sich um im normalen Geschäftsgang unter Marktbedingungen geschlossene Verträge. Die Gründung beschränkt haftender Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter als Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten ist wegen der verschiedenen rechtlichen und administrativen Anforderungen, die in den betreffenden Mitgliedstaaten erfüllt werden müssen, mit Kosten verbunden. Nach wie vor sind die bestehenden Anforderungen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich. In ihrer Mitteilung „Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung – Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit“¹⁶ befürwortet die Kommission die Gründung, Entwicklung und Internationalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Dies ist für die Wirtschaft der Union wichtig, da KMU zwei Drittel der Arbeitsplätze in der Union stellen und über ein erhebliches Wachstums- und Beschäftigungspotenzial verfügen. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und insbesondere für KMU durch eine Senkung der Transaktionskosten in Europa, die Förderung von Clustern und die Förderung der Internationalisierung von KMU waren die zentralen Punkte der Initiative „Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung“, die die Kommission in ihrer Mitteilung über die Strategie Europa 2020¹⁷ vorgeschlagen hat.
ABl. L 258 vom 1.10. 2009, S. 20. KOM(2010) 614 endg. vom 28.10. 2010. KOM(2010) 2020 endg. vom 3. 3. 2010.
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Im Einklang mit der Strategie Europa 2020 sprach sich die Kommission im Rahmen der Überprüfung des „Small Business Act“ für Europa¹⁸ für weitere Fortschritte in Bezug auf eine intelligente Regulierung, die Verbesserung des Marktzugangs sowie die Förderung des Unternehmertums, der Schaffung von Arbeitsplätzen und inklusiven Wachstums aus. (7) Um den KMU grenzüberschreitende Tätigkeiten und die Gründung von Einpersonengesellschaften als Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern, sollten die mit der Gründung solcher Gesellschaften verbundenen Kosten und Verwaltungslasten verringert werden. (8) Die Bereitstellung eines harmonisierten rechtlichen Rahmens für die Errichtung von Einpersonengesellschaften, einschließlich einer einheitlichen Vorlage für die Satzung, soll dazu beitragen, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in Bezug auf die Voraussetzungen für die Gründung von Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten schrittweise aufzuheben und die damit verbundenen Kosten zu senken. (9) Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, die im Einklang mit dieser Richtlinie errichtet wurden und tätig sind, sollten ihrem Namen die gemeinsame, leicht erkennbare Abkürzung „SUP“ (Societas Unius Personae) anfügen. (10) Zur Achtung der gesellschaftsrechtlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten sollten diese selbst entscheiden können, wie und in welchem Umfang sie die harmonisierten Vorschriften über die Errichtung und die Tätigkeit von SUP anwenden wollen. Die Mitgliedstaaten können Teil 2 dieser Richtlinie auf alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter anwenden, so dass alle diese Gesellschaften als SUP tätig sein und firmieren würden. Alternativ dazu sollten sie die Gründung einer SUP als eigene Gesellschaftsrechtsform vorsehen, die parallel zu anderen im nationalen Recht vorgesehenen Formen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter bestehen würde. (11) Um sicherzustellen, dass die harmonisierten Vorschriften möglichst umfassend angewandt werden, sollten sowohl natürliche als auch juristische Personen berechtigt sein, SUP zu errichten. Aus demselben Grund sollten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nicht als SUP errichtet wurden, den SUP-Rahmen nutzen können. Es sollte möglich sein, solche Gesellschaften im Einklang mit dem anwendbaren nationalen Recht in SUP umzuwandeln.
KOM(2011) 78 endg. vom 23. 2. 2011.
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(12) Damit die Unternehmen die Vorteile des Binnenmarkts in vollem Umfang nutzen können, sollten die Mitgliedstaaten nicht verlangen, dass sich der satzungsmäßige Sitz und die Hauptverwaltung einer SUP in demselben Mitgliedstaat befinden müssen. (13) Damit die Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten einfacher und kostengünstiger wird, sollten die Gründer von SUP nicht verpflichtet sein, persönlich vor der Eintragungsstelle eines Mitgliedstaats zu erscheinen. Das Register sollte von jedem Mitgliedstaat aus zugänglich sein, und die Unternehmensgründer sollten die bestehenden einheitlichen Ansprechpartner, die mit der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates¹⁹ geschaffen wurden, als Portal zu den nationalen Online-Eintragungsstellen nutzen können. Es sollte daher möglich sein, SUP aus der Ferne und ganz auf elektronischem Wege zu gründen. (14) Zur Gewährleistung eines hohen Maßes an Transparenz sollten alle im Handelsregister hinterlegten Unterlagen über das in Artikel 4a Absatz 2 der Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates²⁰ genannte System der Registervernetzung öffentlich zugänglich gemacht werden. (15) Im Interesse eines hohen Maßes an Einheitlichkeit und Online-Zugänglichkeit sollten die zur Eintragung von SUP verwendeten Unterlagen auf einer einheitlichen Vorlage beruhen, die in allen Amtssprachen der Union verfügbar ist. Die Mitgliedstaaten können zwar verlangen, dass die Eintragung in einer der Landessprachen des betreffenden Mitgliedstaats abgewickelt wird, sind aber auch aufgefordert, die Eintragung in anderen Amtssprachen der Union zuzulassen. (16) Im Einklang mit den Empfehlungen zur Verringerung der für die Unternehmensgründung notwendigen Zeit, die die Europäische Kommission 2011 im Rahmen der Überprüfung des „Small Business Act“²¹ ausgesprochen hat, sollten SUP die Bescheinigung über die Eintragung im einschlägigen Register eines Mitgliedstaats innerhalb von drei Arbeitstagen erhalten. Dies sollte nur für Neugründungen gelten, nicht aber für die Umwandlung bestehender
Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12. 2006, S. 36). Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 258 vom 1.10. 2009, S. 11). KOM(2011) 78 endg. vom 23. 2. 2011.
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Unternehmen in SUP, da die Eintragung solcher Unternehmen naturgemäß mehr Zeit in Anspruch nimmt. Jeder Mitgliedstaat sollte eine zuständige elektronische Eintragungsstelle benennen. Zur Unterstützung der benannten Stellen beim Informationsaustausch über die Identität des Gründers können die Mitgliedstaaten die in der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates²² vorgesehenen Mittel nutzen. Die Bestimmungen über die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter sollten nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühren, bestehende Vorschriften für die Überprüfung des Eintragungsvorgangs beizubehalten, sofern das gesamte Eintragungsverfahren auf elektronischem Wege und aus der Ferne abgewickelt werden kann. Die Verwendung der Vorlage für die Satzung sollte vorgeschrieben sein, wenn die SUP elektronisch eingetragen wird. Wenn nach nationalem Recht eine andere Form der Eintragung zulässig ist, braucht die Vorlage nicht verwendet zu werden, die Satzung muss jedoch den Anforderungen der Richtlinie genügen. Das Mindestkapital für die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Die meisten Mitgliedstaaten haben bereits Schritte eingeleitet, um das Mindestkapitalerfordernis abzuschaffen oder auf einen Nominalbetrag zu begrenzen. Für SUP sollte kein hohes Mindestkapital vorgeschrieben sein, da dies die Errichtung solcher Gesellschaften behindern würde. Allerdings sollten Gläubiger vor unverhältnismäßig hohen Gewinnausschüttungen an den einzigen Gesellschafter geschützt werden, die die Schuldentilgungsfähigkeit der SUP mindern könnten. Ein solcher Schutz sollte dadurch sichergestellt werden, dass bestimmte Mindestanforderungen an die Bilanz gestellt werden (die Verbindlichkeiten dürfen nicht höher sein als die Vermögenswerte) und dass das Leitungsorgan eine Solvenzbescheinigung ausstellen und unterzeichnen muss. Weitere Beschränkungen in Bezug auf die Verwendung des Kapitals sollten dem einzigen Gesellschafter nicht auferlegt werden. Um Missbrauch zu verhindern und die Kontrolle von SUP zu vereinfachen, sollten weder weitere Anteile ausgegeben noch der einzige Anteil geteilt werden dürfen. Ferner sollte der einzige Anteil der SUP von dieser weder
Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“) (ABl. L 316 vom 14.11. 2012, S. 1).
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direkt oder indirekt erworben werden noch direkt oder indirekt in ihrem Eigentum stehen dürfen. Die mit dem einzigen Anteil verbundenen Rechte sollten nur von einer Person ausgeübt werden. Wenn die Mitgliedstaaten Miteigentum an dem einzigen Anteil zulassen, sollte nur ein Vertreter befugt sein, im Namen der Miteigentümer zu handeln, und für die Zwecke dieser Richtlinie als einziger Gesellschafter gelten. Um ein hohes Maß an Transparenz zu gewährleisten, sollten die Beschlüsse, die der einzige Gesellschafter einer SUP in Ausübung der Befugnisse der Gesellschafterversammlung fasst, schriftlich niedergelegt werden. Diese Beschlüsse sollten der Gesellschaft gegenüber offengelegt und die entsprechenden schriftlichen Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt werden. Das Leitungsorgan einer SUP sollte einen oder mehrere Geschäftsführer umfassen. Zum Geschäftsführer sollten nur natürliche Personen bestellt werden, es sei denn, der Eintragungsmitgliedstaat lässt auch juristische Personen als Geschäftsführer zu. Um die Tätigkeit von Unternehmensgruppen zu erleichtern, sollten die Weisungen des einzigen Gesellschafters an das Leitungsorgan bindend sein. Nur wenn solche Weisungen gegen das nationale Recht des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, verstoßen würden, sollte das Leitungsorgan sie nicht befolgen. Mit Ausnahme von Satzungsbestimmungen, nach denen nur alle Geschäftsführer gemeinsam die Gesellschaft vertreten können, sollten Beschränkungen der Befugnisse der Geschäftsführer, die sich aus der Satzung ergeben, insoweit nicht bindend sein, als sie Dritte betreffen. Die Mitgliedstaaten sollten Vorschriften für Sanktionen bei Verstößen gegen diese Richtlinie festlegen und ihre Durchsetzung sicherstellen. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Um die Verwaltungs- und Rechtskosten für die Errichtung von Gesellschaften zu senken und ein hohes Maß an Kohärenz des Eintragungsvorgangs in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollten die Durchführungsbefugnisse zur Festlegung der Vorlagen für die Eintragung und für die Satzung einer SUP der Kommission übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates²³ ausgeübt werden.
Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28. 2. 2011, S. 13).
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(26) Um künftige Änderungen der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Union, die die Rechtsformen von Gesellschaften betreffen, berücksichtigen zu können, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, nach Artikel 290 AEUV Rechtsakte zur Aktualisierung der Liste der Rechtsformen von Gesellschaften in Anhang I zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden. (27) Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten vom 28. September 2011²⁴ haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt. (28) Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Erleichterung der Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, einschließlich SUP, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Diese Richtlinie geht im Einklang mit dem ebenfalls in diesem Artikel festgelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (29) Da gegenüber der Richtlinie 2009/102/EG erhebliche Änderungen vorgenommen werden, sollte die genannte Richtlinie im Interesse der Klarheit und der Rechtssicherheit aufgehoben werden – HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
ABl. C 369 vom 17.12. 2011, S. 14.
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Teil 1 Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Koordinierungsmaßnahmen gelten für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für a) die in Anhang I aufgeführten Rechtsformen von Gesellschaften; b) die in Artikel 6 genannte Societas Unius Personae (SUP). (2) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission innerhalb von zwei Monaten über sich auf den Inhalt von Anhang I auswirkende Änderungen in Bezug auf die in ihrem nationalen Recht vorgesehenen Rechtsformen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Für diesen Fall wird der Kommission die Befugnis übertragen, die Liste der Rechtsformen von Gesellschaften in Anhang I mittels delegierter Rechtsakte im Einklang mit Artikel 26 anzupassen. (3) Erlaubt ein Mitgliedstaat, dass andere als die in Anhang I aufgeführten Rechtsformen von Gesellschaften als Einpersonengesellschaften im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 gegründet werden oder in Einpersonengesellschaften umgewandelt werden, so gilt Teil 1 auch für sie. Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck (1) „Einpersonengesellschaft“ eine Gesellschaft, deren Anteile sich in der Hand einer einzigen Person befinden; (2) „Umwandlung“ jeden Vorgang, durch den eine bestehende Gesellschaft zu einer SUP wird oder aufhört, eine SUP zu sein; (3) „Gewinnausschüttung“ jeden finanziellen Vorteil, den der einzige Gesellschafter aufgrund des einzigen Anteils direkt oder indirekt aus der SUP zieht, einschließlich einer Übertragung von Geld oder Immobilien. Gewinnausschüttungen können in Form einer Dividende, durch Immobilienerwerb oder -verkauf oder auf jedem anderen Wege erfolgen; (4) „Satzung“ die Satzung, den Gesellschaftsvertrag oder sonstige Vorschriften oder Urkunden zur Gründung einer Gesellschaft; (5) „Geschäftsführer“ jedes Mitglied des Leitungsorgans, das entweder förmlich zum Geschäftsführer bestellt wurde oder de facto als Geschäftsführer agiert.
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Artikel 3 Offenlegung Wird eine Gesellschaft durch die Vereinigung aller Anteile in einer Hand zur Einpersonengesellschaft, so muss diese Tatsache sowie die Identität des einzigen Gesellschafters entweder im Sinne des Artikels 3 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 2009/101/EG in der Akte hinterlegt beziehungsweise in das Register eingetragen oder in einem Register vermerkt werden, das bei der Gesellschaft geführt wird und der Öffentlichkeit zugänglich ist. Artikel 4 Gesellschafterversammlung (1) Der einzige Gesellschafter übt die Befugnisse der Gesellschafterversammlung aus. (2) Die Beschlüsse, die von dem einzigen Gesellschafter in Ausübung der in Absatz 1 genannten Befugnisse gefasst werden, sind schriftlich niederzulegen. Artikel 5 Verträge zwischen dem einzigen Gesellschafter und der Gesellschaft (1) Verträge zwischen dem einzigen Gesellschafter und der Gesellschaft sind schriftlich niederzulegen. (2) Die Mitgliedstaaten können beschließen, Absatz 1 nicht auf im normalen Geschäftsgang unter Marktbedingungen geschlossene Verträge anzuwenden, aus denen der Einpersonengesellschaft keine Nachteile entstehen.
Teil 2 Societas Unius Personae Kapitel 1 Rechtsform und allgemeine Grundsätze Artikel 6 Rechtsform (1) Die Mitgliedstaaten sehen die Möglichkeit vor, Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter im Einklang mit den Vorschriften und Verfahren dieses Teils eintragen zu lassen. Diese Gesellschaften werden SUP genannt. (2) Die Mitgliedstaaten hindern SUP nicht daran, einzige Gesellschafter anderer Gesellschaften zu sein.
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Artikel 7 Allgemeine Grundsätze Die Mitgliedstaaten verleihen den SUP volle Rechtspersönlichkeit. Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der einzige Gesellschafter nur bis zur Höhe des gezeichneten Stammkapitals haftet. Dem Namen einer Gesellschaft, die die Rechtsform einer SUP hat, ist die Abkürzung „SUP“ nachzustellen. Nur eine SUP darf die Abkürzung „SUP“ verwenden. Für die SUP und ihre Satzung ist das nationale Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dem die SUP eingetragen ist (im Folgenden „anwendbares nationales Recht“). Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die SUP für einen unbegrenzten Zeitraum gegründet wird, sofern in der Satzung nichts anderes bestimmt ist.
Kapitel 2 Errichtung Artikel 8 Gründung Eine SUP kann von einer natürlichen oder einer juristischen Person gegründet werden. Artikel 9 Umwandlung in eine SUP (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine SUP durch Umwandlung der in Anhang I genannten Rechtsformen von Gesellschaften errichtet werden kann. (2) Die Errichtung einer SUP durch Umwandlung hat weder Liquidationsverfahren oder den Verlust oder eine Unterbrechung der Rechtspersönlichkeit zur Folge, noch berührt sie die vor der Umwandlung bestehenden Rechte und Pflichten. (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Gesellschaft nur dann zu einer SUP wird, wenn a) ein Beschluss ihrer Gesellschafter oder ihres einzigen Gesellschafters zur Genehmigung der Umwandlung der Gesellschaft in eine SUP gefasst worden ist, b) ihre Satzung mit dem anwendbaren nationalen Recht vereinbar ist und c) ihr Nettovermögen mindestens dem Betrag ihres gezeichneten Stammkapitals zuzüglich der Rücklagen, die nach ihrer Satzung nicht ausgeschüttet werden dürfen, entspricht.
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Artikel 10 Sitz der SUP Eine SUP muss ihren satzungsmäßigen Sitz sowie entweder ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der Union haben.
Kapitel 3 Satzung Artikel 11 Einheitliche Vorlage für die Satzung (1) Die Mitgliedstaaten verlangen, dass die Satzung mindestens den in Absatz 2 vorgesehenen Inhalt hat. (2) In der einheitlichen Vorlage für die Satzung werden die Errichtung, die Anteile, das Stammkapital, die Organisation, die Buchführung und die Auflösung einer SUP behandelt. Die Vorlage wird auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt. (3) Die Kommission legt die einheitliche Vorlage für die Satzung mit einem Durchführungsrechtsakt fest. Dieser Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 27 genannten Prüfverfahren erlassen. Artikel 12 Änderung der Satzung (1) Nach der Eintragung kann die SUP ihre Satzung im Einklang mit dem anwendbaren nationalen Recht auf elektronischem oder anderem Wege ändern. Die betreffenden Informationen werden im Handelsregister des Eintragungsmitgliedstaats vermerkt. (2) Die geänderte Satzung muss mindestens den nach Artikel 11 Absatz 2 in der einheitlichen Vorlage vorgesehenen Inhalt haben.
Kapitel 4 Eintragung Artikel 13 Eintragungsformalitäten (1) Für die Eintragung einer SUP dürfen die Mitgliedstaaten nur die folgenden Informationen beziehungsweise Unterlagen verlangen:
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a) den Namen der SUP; b) die Anschrift des satzungsmäßigen Sitzes, der Hauptverwaltung und/ oder der Hauptniederlassung der SUP; c) den Unternehmensgegenstand der SUP; d) die Namen, Anschriften und sonstigen Informationen, die für die Identifizierung des Gründungsgesellschafters und gegebenenfalls des wirtschaftlichen Eigentümers sowie eines Vertreters, der die SUP im Namen des Gesellschafters eintragen lässt, erforderlich sind; e) die Namen, Anschriften und sonstigen Informationen, die für die Identifizierung der zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der SUP gegenüber Dritten befugten Personen erforderlich sind, und die Angabe, ob diese Personen nach dem Recht von Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 22 nicht für ungeeignet erklärt worden sind; f) das Stammkapital der SUP; g) den Nominalwert des einzigen Geschäftsanteils, falls erforderlich; h) die Satzung der SUP; i) gegebenenfalls den Beschluss zur Genehmigung der Umwandlung der Gesellschaft in eine SUP. (2) Die Kommission legt mit einem Durchführungsrechtsakt eine Vorlage fest, die für die Eintragung von SUP in die Handelsregister der Mitgliedstaaten im Einklang mit Absatz 1 zu verwenden ist. Dieser Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 27 genannten Prüfverfahren erlassen.
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Artikel 14 Eintragung Die SUP wird in dem Mitgliedstaat eingetragen, in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz haben soll. Die SUP erwirbt die Rechtspersönlichkeit am Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister des Eintragungsmitgliedstaats. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das gesamte Eintragungsverfahren für neu gegründete SUP auf elektronischem Wege abgewickelt werden kann, ohne dass der Gründungsgesellschafter vor einer Behörde im Eintragungsmitgliedstaat erscheinen muss (Online-Eintragung). Die nationalen Websites für die Online-Eintragung müssen Links zu den Eintragungswebsites in den anderen Mitgliedstaaten enthalten. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Online-Eintragung die folgenden Vorlagen verwendet werden: a) die in Artikel 11 genannte einheitliche Vorlage für die Satzung und b) die in Artikel 13 genannte Vorlage für die Eintragung.
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Die Mitgliedstaaten stellen eine Eintragungsbescheinigung aus, mit der bestätigt wird, dass das Eintragungsverfahren abgeschlossen ist. Die Eintragungsbescheinigung ist spätestens drei Arbeitstage nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Behörde auszustellen. (5) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften für die Überprüfung der Identität des Gründungsgesellschafters und jeder sonstigen Person, die die Eintragung im Namen des Gesellschafters veranlasst, und der Zulässigkeit der der Eintragungsstelle übermittelten Unterlagen und sonstigen Informationen erlassen. Ausweise, die in einem anderen Mitgliedstaat von den Behörden dieses Staates oder in deren Namen ausgestellt wurden, einschließlich elektronisch ausgestellter Ausweise, werden vom Eintragungsmitgliedstaat für die Zwecke der Überprüfung anerkannt und akzeptiert. Wenn Mitgliedstaaten für die Zwecke des Unterabsatzes 1 untereinander eine Verwaltungszusammenarbeit in Anspruch nehmen müssen, wenden sie die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 an. (6) Die Mitgliedstaaten dürfen die Eintragung einer SUP nicht von der Erteilung einer Lizenz oder Genehmigung abhängig machen. Die Eintragung der SUP, alle während des Eintragungsvorgangs übermittelten Unterlagen und später daran vorgenommene Änderungen werden unmittelbar nach der Eintragung in dem betreffenden Handelsregister offengelegt.
Kapitel 5 Einziger Anteil Artikel 15 Einziger Anteil (1) Die SUP gibt nicht mehr als einen Anteil aus. Dieser einzige Anteil ist unteilbar. (2) Der einzige Anteil der SUP darf von dieser weder direkt oder indirekt erworben werden noch direkt oder indirekt in ihrem Eigentum stehen. (3) Wenn der einzige Anteil einer SUP im Einklang mit dem anwendbaren nationalen Recht im Eigentum von mehr als einer Person steht, gelten diese Personen im Verhältnis zur SUP als ein Gesellschafter. Sie üben ihre Rechte über einen Vertreter aus und teilen dem Leitungsorgan der SUP unverzüglich den Namen sowie jede Änderung bezüglich dieses Vertreters mit. Bis zu dieser Mitteilung ist die Ausübung ihrer Rechte in der SUP ausgesetzt. Die Eigentümer des einzigen Anteils haften gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen, die der Vertreter eingeht.
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Die Identität des Vertreters wird in dem betreffenden Handelsregister eingetragen.
Kapitel 6 Stammkapital
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(5)
Artikel 16 Stammkapital Das Stammkapital der SUP beträgt mindestens 1 EUR. In Mitgliedstaaten, in denen der Euro nicht die Landeswährung ist, entspricht das Stammkapital mindestens einer Einheit der jeweiligen Landeswährung. Das Kapital der SUP wird in voller Höhe gezeichnet. Die Mitgliedstaaten setzen keinen Höchstwert für den einzigen Anteil fest. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die SUP keine Vorschriften gelten, nach denen die Gesellschaft gesetzliche Rücklagen bilden muss. Die Mitgliedstaaten erlauben den Gesellschaften, im Einklang mit ihrer Satzung Rücklagen zu bilden. Die Mitgliedstaaten verlangen, dass das gezeichnete und eingezahlte Kapital in Brief- und Auftragsformularen auf Papier oder sonstigen Trägern angegeben wird. Verfügt die Gesellschaft über eine Website, so ist diese Information auch dort zugänglich zu machen.
Artikel 17 Gegenleistung für den Anteil (1) Die Gegenleistung für den Anteil wird zum Zeitpunkt der Eintragung der SUP in voller Höhe eingezahlt. (2) Im Falle der Online-Eintragung wird die Gegenleistung auf das Bankkonto der SUP eingezahlt. Die anschließende Erhöhung oder Senkung des Stammkapitals muss mindestens in bar und als Sachleistung zulässig sein. (3) Im Falle von Barzahlungen erkennt der Mitgliedstaat, in dem die SUP eingetragen wird, die Zahlung auf ein Bankkonto bei einer in der Union tätigen Bank als Nachweis für die Zahlung oder die Erhöhung des Stammkapitals an. Artikel 18 Gewinnausschüttungen (1) Die SUP kann auf der Grundlage einer Empfehlung des Leitungsorgans eine Gewinnausschüttung an den einzigen Gesellschafter vornehmen, sofern sie mit den Absätzen 2 und 3 im Einklang steht.
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(2) Die SUP nimmt keine Gewinnausschüttung an den einzigen Gesellschafter vor, wenn das im Jahresabschluss der SUP ausgewiesene Nettovermögen bei Abschluss des letzten Geschäftsjahres den Betrag des Stammkapitals zuzüglich der Rücklagen, die nach der Satzung der SUP nicht ausgeschüttet werden dürfen, unterschreitet oder durch eine solche Gewinnausschüttung unterschreiten würde. Der Berechnung wird die letzte festgestellte Bilanz zugrunde gelegt. Nach Abschluss des Geschäftsjahres eingetretene Veränderungen des Stammkapitals oder des Teils der Rücklagen, der nicht ausgeschüttet werden darf, werden ebenfalls berücksichtigt. (3) Die SUP nimmt keine Gewinnausschüttung an den einzigen Gesellschafter vor, wenn diese dazu führen würde, dass die SUP nicht mehr in der Lage wäre, ihre nach der Gewinnausschüttung fällig werdenden Schulden zu begleichen. Das Leitungsorgan muss schriftlich bestätigen, nach umfassender Prüfung der Geschäfte und der Geschäftsaussichten der SUP zu der begründeten Auffassung gelangt zu sein, dass die SUP in dem auf die geplante Gewinnausschüttung folgenden Jahr in der Lage sein wird, ihre Schulden bei Fälligkeit im normalen Geschäftsgang zu begleichen („Solvenzbescheinigung“). Die Solvenzbescheinigung ist vom Leitungsorgan zu unterzeichnen und dem einzigen Gesellschafter 15 Tage, bevor der Beschluss über die Gewinnausschüttung gefasst wird, in Kopie vorzulegen. (4) Die Solvenzbescheinigung wird offengelegt.Verfügt die Gesellschaft über eine Website, so ist die Solvenzbescheinigung auch dort zugänglich zu machen. (5) Geschäftsführer haften persönlich für die Empfehlung oder Anordnung einer Gewinnausschüttung, wenn sie wussten oder in Anbetracht der Umstände hätten wissen müssen, dass die Gewinnausschüttung gegen Absatz 2 oder 3 verstoßen würde. Dies gilt auch für den einzigen Gesellschafter in Bezug auf die in Artikel 21 genannten Beschlüsse über die Vornahme einer Gewinnausschüttung. Artikel 19 Rückforderung zu Unrecht vorgenommener Gewinnausschüttungen Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass gegen Artikel 18 Absatz 2 oder 3 verstoßende Gewinnausschüttungen an die SUP zurückgezahlt werden, wenn feststeht, dass der einzige Gesellschafter wusste oder in Anbetracht der Umstände hätten wissen müssen, dass die Gewinnausschüttung gegen Artikel 18 Absatz 2 oder 3 verstoßen würde.
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Artikel 20 Senkung des Stammkapitals Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Senkungen des Stammkapitals einer SUP, die de facto zu einer Gewinnausschüttung an den einzigen Gesellschafter führen, mit Artikel 18 Absätze 2 und 3 im Einklang stehen.
Kapitel 7 Organisation Artikel 21 Beschlüsse des einzigen Gesellschafters (1) Die von dem einzigen Gesellschafter einer SUP gefassten Beschlüsse sind von dem einzigen Gesellschafter schriftlich niederzulegen. Die Aufzeichnungen der gefassten Beschlüsse sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren. (2) Der einzige Gesellschafter fasst Beschlüsse über Folgendes: a) Genehmigung des Jahresabschlusses; b) Gewinnausschüttung an den Gesellschafter; c) Erhöhung des Stammkapitals; d) Senkung des Stammkapitals; e) Bestellung und Entlassung der Geschäftsführer; f) gegebenenfalls Vergütung der Geschäftsführer, und zwar auch dann, wenn der einzige Gesellschafter Geschäftsführer ist; g) Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes; h) gegebenenfalls Bestellung und Entlassung des Wirtschaftsprüfers; i) Umwandlung der SUP in eine andere Gesellschaftsform; j) Auflösung der SUP; k) Änderung der Satzung. Der einzige Gesellschafter kann die in Unterabsatz 1 genannten Beschlüsse nicht dem Leitungsorgan übertragen. (3) Der einzige Gesellschafter darf Beschlüsse ohne Einberufung einer Gesellschafterversammlung fassen. Die Mitgliedstaaten erlegen dem einzigen Gesellschafter keine förmlichen Beschränkungen in Bezug auf seine Beschlussfassungsbefugnis auf, auch nicht hinsichtlich Ort und Zeitpunkt der Beschlussfassung. Artikel 22 Leitung (1) Die SUP wird von einem Leitungsorgan geleitet, das einen oder mehrere Geschäftsführer umfasst.
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(2) Die Zahl der Geschäftsführer ist in der Satzung anzugeben. (3) Das Leitungsorgan kann alle Befugnisse der SUP ausüben, die nicht vom einzigen Gesellschafter oder gegebenenfalls vom Aufsichtsrat ausgeübt werden. (4) Geschäftsführer sind natürliche Personen oder können, wenn dies nach dem anwendbaren nationalen Recht zulässig ist, auch juristische Personen sein. Sie werden für einen unbegrenzten Zeitraum bestellt, sofern in dem Beschluss des einzigen Gesellschafters zu ihrer Bestellung oder in der Satzung nichts anderes bestimmt ist. Auch der einzige Gesellschafter kann Geschäftsführer werden. (5) Der einzige Gesellschafter kann einen Geschäftsführer jederzeit durch Beschluss entlassen. Mit seiner Entlassung verliert der Geschäftsführer die Befugnis, als Geschäftsführer im Namen der SUP zu handeln. Sonstige Rechte und Pflichten, die sich aus dem anwendbaren nationalen Recht ergeben, bleiben unberührt. (6) Eine natürliche Person kann nicht Geschäftsführer sein, wenn sie nach dem Recht oder nach einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung des Eintragungsmitgliedstaats ungeeignet ist. Ist der Geschäftsführer durch eine in einem anderen Mitgliedstaat erlassene Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung für ungeeignet erklärt worden und ist diese Entscheidung noch in Kraft, so muss diese Entscheidung im Einklang mit Artikel 13 bei der Eintragung offengelegt werden. Ein Mitgliedstaat kann die Eintragung einer Gesellschaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung ablehnen, wenn der Geschäftsführer in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand einer bestehenden Ungeeignetheitserklärung ist. Wenn Mitgliedstaaten für die Zwecke dieses Absatzes untereinander eine Verwaltungszusammenarbeit in Anspruch nehmen müssen, wenden sie die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 an. (7) Personen, deren Anordnungen oder Weisungen die Geschäftsführer der Gesellschaft für gewöhnlich befolgen, gelten, ohne förmlich bestellt worden zu sein, in Bezug auf alle Pflichten, denen Geschäftsführer unterliegen, als Geschäftsführer. Eine Person gilt allerdings nicht allein deshalb als Geschäftsführer, weil das Leitungsorgan aufgrund eines von ihr erteilten fachlichen Rates handelt. Artikel 23 Weisungen des Gesellschafters (1) Der einzige Gesellschafter ist berechtigt, dem Leitungsorgan Weisungen zu erteilen.
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(2) Die Weisungen des einzigen Gesellschafters sind für die Geschäftsführer nicht bindend, soweit sie gegen die Satzung oder das anwendbare nationale Recht verstoßen. Artikel 24 Befugnis, im Namen der SUP zu handeln und Verpflichtungen einzugehen (1) Das Leitungsorgan einer SUP, das einen oder mehrere Geschäftsführer umfasst, ist befugt, die SUP unter anderem beim Abschluss von Vereinbarungen mit Dritten und vor Gericht zu vertreten. (2) Die SUP kann unter anderem beim Abschluss von Vereinbarungen mit Dritten und vor Gericht von einem Geschäftsführer allein vertreten werden, sofern in der Satzung nicht die gemeinsame Vertretung vorgesehen ist. Sonstige Beschränkungen der Befugnisse der Geschäftsführer durch die Satzung, durch einen Beschluss des einzigen Gesellschafters oder durch einen Beschluss des Leitungsorgans können bei Streitigkeiten mit Dritten auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn die betreffende Beschränkung offengelegt wurde. Die Handlungen des Leitungsorgans binden die SUP auch dann, wenn sie nicht unter den Gegenstand der SUP fallen. (3) Das Leitungsorgan kann das Recht zur Vertretung der SUP delegieren, soweit dies nach der Satzung zulässig ist. Die Pflicht des Leitungsorgans, Konkurs anzumelden oder ein ähnliches Insolvenzverfahren einzuleiten, kann nicht delegiert werden. Artikel 25 Umwandlung der SUP in eine andere Gesellschaftsrechtsform (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die SUP nach ihrem nationalen Recht aufgelöst oder in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt wird, wenn die SUP die Voraussetzungen dieser Richtlinie nicht mehr erfüllt. Für den Fall, dass die SUP keine geeigneten Schritte zur Umwandlung in eine andere Gesellschaftsrechtsform unternimmt, sind der zuständigen Behörde die für die Auflösung der SUP erforderlichen Befugnisse zu übertragen. (2) Eine SUP kann jederzeit beschließen, sich nach dem im anwendbaren nationalen Recht festgelegten Verfahren in eine andere Gesellschaftsrechtsform umzuwandeln. (3) Eine SUP, die nach Absatz 1 oder 2 in eine andere Gesellschaftsrechtsform umgewandelt oder aufgelöst worden ist, darf die Abkürzung SUP nicht mehr verwenden.
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Teil 3 Schlussbestimmungen
(1) (2) (3)
(4) (5)
Artikel 26 Ausübung übertragener Befugnisse Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. Die in Artikel 1 Absatz 2 genannte Befugnis wird der Kommission auf unbestimmte Zeit übertragen. Die Befugnisübertragung nach Artikel 1 Absatz 2 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. Ein delegierter Rechtsakt, der nach Artikel 1 Absatz 2 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
Artikel 27 Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird vom Ausschuss für Gesellschaftsrecht unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. Artikel 28 Sanktionen Die Mitgliedstaaten legen Sanktionen für Verstöße gegen die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften fest und treffen alle erforderlichen
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Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Sanktionen durchgesetzt werden. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Artikel 29 Aufhebung (1) Die Richtlinie 2009/102/EG wird 24 Monate und einen Tag nach dem Tag des Erlasses dieser Richtlinie aufgehoben. (2) Verweise auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweise auf die vorliegende Richtlinie nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II. Artikel 30 Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 Im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 wird folgende Nummer 6 angefügt: „6. Richtlinie […/…/EU] des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter*: Artikel 14 und 22. ___________________ * ABl. L […].“ Artikel 31 Umsetzung (1) Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen 24 Monate nach dem Tag des Erlasses dieser Richtlinie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit. (2) Sie wenden diese Vorschriften ab [24 Monate und einen Tag nach dem Tag des Erlasses dieser Richtlinie] an. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 32 Inkrafttreten Die Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
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Artikel 33 Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am […] Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident
Im Namen des Rates Der Präsident