Schwedische Kirchenkunde [Reprint 2019 ed.] 9783111666198, 9783111281476


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Table of contents :
I. Verfassung und Organisation
II. Gottesdienst und Gemeindeleben
III. Vereinsleben. Äußere Mission
IV. Kirche und Schule
V. Die theologische und die kirchliche Lage
Inhaltsverzeichnis
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Schwedische Kirchenkunde [Reprint 2019 ed.]
 9783111666198, 9783111281476

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Studien zur praktischen Theologie in Verbindung mit

D. Dr. Carl Sternen

D. Zranz Ren-torfs

D. Dr. Martin Schian

ao. Prof. a. d.Universität Bonn

o. Prof. a. d. Universität Leipzig

o. Prof. a. d. Universität Gießen

herausgegeben von

6. Band

D. Karl Eger o. Prof, an der Universität Halle

q-st 2

Uirchenkunde der evangelischen Auslandes IV

Schwedische Uirchenkunde von

D. Edvard Rodhe o. Professor an der Universität Upsala

übersetzt von

stud. theol. «u-ols Muuh

Gießen 1913

Verlag von Alfred Topelmann (vormals I. Ricker)

I. Verfassung und Organisation.

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I. Verfassung und Organisation. i. Ein Einblick in die Verfassung der schwedischen Kirche und damit in ihre Stellung im Staats- und Volksleben ist kaum möglich ohne eine kurze Übersicht über ihre historische Entwicklung. AIs der Schöpfer des schwedischen Nationalstaates, als „Reichsbaumeister" muß Gustav Vasa betrachtet werden (f 1560). Unter ihm wurden schwedische Nationalität und protestantische Religion außerordent­ lich fest miteinander verbunden. Vas Konzil von Upsala 1593 und die Schlacht bei Stängebro 1598, in der Herzog Karl über Sigismund siegte, der das Werkzeug der katholischen Gegenreformation war, besiegelten diese Verbindung. Einigkeit in religiöser Beziehung war gleichzeitig eine kirch­ lich« und eine staatliche Angelegenheit. Damit war die Voraussetzung für eine innige Verbindung von kirchlicher und bürgerlicher Ordnung gegeben; so innig, daß es aussah, als ob die weltliche Behörde der entscheidende Faktor auch für das kirchliche Leben werden würde. Die Geistlichkeit, mit den Bischöfen an der Spitze, protestierte dagegen; das war schon der Fall unter Gustav Vasa, welcher deswegen gegen Schluß seiner Regierung das Bischofsamt gewissermaßen einzog. lvieder protestierte man, an der Spitze der bedeutende Bischof Johannes Rudbeckiusin vesteräs (fl646)r und kämpfte für kirchliche Freiheit die ganze erste Hälfte des sieb­ zehnten Jahrhunderts hindurch. Unter Karl XL (1660-1697), der persönlich ein überzeugter Ehrist war, wurde die kirchliche Bewegungs­ freiheit durch die Einführung des Absolutismus sehr eingeengt. Das 1686 erschienene, noch heute geltende Kirchengesetz spricht zwar nicht prinzipiell von dem Verhältnis der königlichen Nlacht zur Kirche. Jedoch wird nebenbei gesagt, daß die Aufsicht, Pflege und Verteidigung der Kirche und Gemeinde Gottes dem Könige anvertraut seien. Die Verbindung der Kirche mit Volks- und Staatsleben war derart, daß die verfassungsmäßige Stellung der Kirche ohne weiteres durch die staats­ rechtliche Weiterentwicklung überhaupt bestimmt wurde. Nach dem Fall des Absolutismus 1718 kam eine Zeit, in der der Reichstag souverän. Rodhe, Schwedische Xirchenkunde.



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Rodhe, Schwedische Kirchenkund«.

regierte. Vieser war seit alters zusammengesetzt aus vier Ständen, von denen die Geistlichkeit einen bildete. Die Voraussetzung für die relative Selb­ ständigkeit der Kirche war damit gegeben, soweit sie gemäß alter lutherischer Auffassung von den Geistlichen repräsentiert wurde. Aber jetzt begann unter pietistischem Einflüsse der Begriff „Laie" sich geltend zu machen. Nach einer kurzen Übergangszeit, wo der Absolutismus wieder herrschte — gewiflermaßen eine Reaktion gegen die Souveränität des Reichstages wurde (in politischer Beziehung) eine „Gleichgewichtslage" geschaffen

durch die in der Hauptsache noch heute geltenden „Grundgesetze" (1809/10). Die konstitutionell-monarchische Regierungsweise wird danach auch auf die Rirche angewendet. Jn dieser ganzen Zeit war Schweden stets kon­ fessionell einheitlich, wegen der wachsenden Industrie hatten Glaubens­ genossen der englischen und der reformierten Rirche in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts verhältnismäßig weitgehende Religions­ freiheit erhalten. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde die Religionsfreiheit auf Angehörige anderer Bekenntnisse, z. B. die Katholiken, ausgedehnt. Jn beiden Fällen handelte es sich um Ausländer, nicht um Landeskinder. 1809 waren die kirchliche und die bürgerliche Ordnung noch eng miteinander verknüpft. Rirchengesetze wurden genau wie andre Gesetze vom König und Reichstag gegeben. Alle kommunalen Angelegen­ heiten — einbegriffen die kirchlichen - wurden auf der Gemeindeversamm­ lung behandelt, wo der Pastor allein zum Vorsitz berechtigt war. Vieser hatte von jeher neben seinen kirchlichen Aufgaben eine Rlenge rein weltlicher - und die letzteren wurden andauernd vermehrt. Er war in vielen Fällen geradezu der Vertreter der Staats und der Bürgerschaft; das trug natürlich dazu bei, seiner kirchlichen Stellung einen autorita­

tiven, sehr amtlichen Charakter zu geben. Vie Entwicklung der Verfassung in kirchlicher Beziehung wurde während des 19. Jahrhunderts von drei noch heute weiter wirkenden Faktoren bedingt: 1. der inneren Entwicklung der bereits bestehenden Verhältnisse. Die gesteigerte materielle Kultur zwang allmählich zu einer Abgrenzung und Absonderung der kirchlichen Angelegenheiten von den bürgerlichen; infolgedessen änderten sich auch die sozialen Aufgaben der Geistlichen in Staat und Gemeinde. Vie bürgerlich-kommunalen Aufgaben wurden mit der Zeit so drückend, daß die Geistlichen wieder und wieder einen Antrag auf Verminderung dieser weltlichen Arbeiten stellten, weniger gern wollten sie dagegen ihre politische Stellung aufgeben. Aber es zeigte sich mehr und mehr, daß der Pastorenstand als solcher an der Lösung der schön allzu verwickelten ökonomischen Fragen, nicht mehr mit Erfolg teil­

nehmen konnte. Gleichzeitig wurde der Reichstag immer weniger geeignet, für gewisse rein kirchliche Fragen zu sorgen. Vie Geistlichen arbeiteten darin mit der größeren Sachkenntnis, aber die übrigen Stände wollten das

I. Verfassung und Organisation.

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Recht des Laien, in kirchlichen Dingen mitzuwirken, nicht aufgeben. Sie kamen jedoch in eine schwierige Lage, ihrer Inkompetenz wegen, weil die Mitglieder (des Reichstags) nicht mit Rücksicht auf kirchliche Fragen gewählt wurden, von liberaler kirchlicher Seite wurde deswegen die Einrichtung einer Synode verlangt, um den Ansprüchen der Laien gerecht zu werden. Den 2. Entwicklungsfaktor bildet die ausgedehnte pietistische Er­ weckung, die in Rorrland begann, sich dann über große Teile des Landes ausbreitete und zwischen 1850 und 1880 ihren religiösen Höhepunkt erreichte. Die Bewegung begann mit einer Opposition gegen wirklichen und vermeintlichen Rationalismus in den kirchlichen Büchern, im sog. Hand­ buch, Gesangbuch und Katechismus. HIs man dem nicht nachgab, richtete sich die Opposition gegen die bestehende Kirchenordnung. Der allgemeine Standpunkt war der pietistische, weltliches und Geistliches sei bis da­ hin allzu sehr miteinander vermischt gewesen. Darum müsse eine scharfe Grenze zwischen weltlichem und Geistlichem geschaffen werden. Die ge­ mäßigten Elemente forderten geistige, gläubige Pastoren innerhalb der bestehenden Kirche; und da sie häufig fanden, daß ihre Geistlichen welt­ lich waren, forderten sie Aufhebung des Gemeindeverbandes, der Art, daß man für kirchliche Handlungen wie Taufe und Abendmahl sich an den Pastor wenden dürfe, zu dem man vertrauen habe, weiter ver­ langten sie Versammlungsfreiheit, welche durch das damals noch geltende „Konventikelplakat" von 1726 sehr eingeschränkt war. (Es war ursprüng­ lich gegen die Pietisten gerichtet.) Auch der Wunsch nach energischer Kirchenzucht machte sich geltend. Für die radikalen Elemente wurde dies zur Hauptfrage. Infolge angelsächsischen, nonkonformistischen Ein­ flusses (der Baptismus, und, wenn auch in bedeutend geringerem Grade der Methodismus, begannen unter den Erweckten Boden zu gewinnen) wurde eine Kirche in vereinsform das Ideal. Man verlangte deswegen, man solle aus der Staatskirche austreten dürfen, um eine eigne Kirche zu bilden, die genau so sei wie die urchristliche Gemeinde. Den 3. Faktor bildet der politische Liberalismus, der mit Kraft und Wärme für Religionsfreiheit eintrat. Die Verfassung vom Jahre 1809 enthält in § 16 folgende wichtige Bestimmungen: Der König darf

das Gewissen keines Untertanen, zwingen oder zwingen lassen, sondern mutz jeden bei seiner freien Religionsübung schützen, sofern durch diese nicht allgemeines Ärgernis verursacht wird. Der Gesetzgeber dachte dabei gewiß nicht an die Möglichkeit des Austritts aus der Staatskirche, um neue religiöse Gemeinschaften zu bilden, sondern beabsichtigte eher, dem Ein­ zelnen Freiheit von Formen und Gebundenheit an eine bestimmte Lehre zu geben. Man lebte ja noch in der Zeit der Aufklärung,- Über­ tritte zur katholischen Kirche etwa waren von vernünftigen, aufgeklärten 1*

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Menschen garnicht zu erwarten. Vieser Gedankengang war wenigstens eine der Ursachen dafür, daß das Strafgesetz harte Bestimmungen für den Abfall von der reinen evangelischen Lehre behielt. Der politische Liberalis­ mus um 1820 und in den folgenden Jahren forderte die Durchführung der in der Verfassung prinzipiell versprochenen Religionsfreiheit energischer, um so mehr als er auf Grund seines Staatsbegriffes behauptete, der Staat habe sich so wenig wie möglich mit so individuellen Dingen wie der religiösen Überzeugung der Untertanen zu befassen. Ein Antrag auf Trennung von Staat und Uirche wurde jedoch nicht vorgebracht. AIs dann die radikaleren Elemente der Erweckung eifrig Recht zu religiösen Neubildungen verlangten, fanden sie dafür Sympathie beim politischen Liberalismus. Vie Erweckungsbewegung und der Liberalismus schlossen ein politisches Bündnis, das großenteils noch heute besteht. Die tiefsten Wurzeln beider lagen im Bürgerstand, die der Erweckungsbewegung besonders in der niederen Mittelklasie. Die Erweckung war gewisser­ maßen die Anwendung liberaler Ideen auf das religiöse Gebiet. 3nt selben Augenblick, wo religiöse Neubildungen zugelassen werden sollten, mußte sich die kommunale und politische Stellung der Geistlichkeit ändern. Das A und G des Liberalismus war die Aufhebung der alten verfasiung nach Ständen. Jetzt kam ein weiteres Moment hinzu: das Mit­ bestimmungsrecht in kommunalen und politischen Angelegenheiten konnte denen nicht länger verweigert werden, die nicht in der Staatskirche waren; gleichzeitig aber konnten Kommunale und politische Körper* schäften, die ohne Rücksicht auf religiöse Überzeugung gebildet wurden, keinen bestimmenden Einfluß auf die inneren Angelegenheiten der Kirche mehr üben. Eine Menge gesetzgeberischer Maßregeln waren das Resultat des Zusammenwirkens der eben genannten drei Faktoren. Staat und Kirche, bürgerliche und kirchliche Gemeinden wurden von ihnen berührt. Man hatte berechnet, daß bei der Durchführung dieser Gesetze der Austritt aus der Staatskirche weit größere Dimensionen annehmen würde, als tatsächlich geschah. Andrerseits war doch die Tradition mehrerer Jahr­ hunderte zu stark, als daß die bestehende Gesellschaft mit einem Schlage nach den neuen Grundsätzen hätte umgegossen werden können. Daher kommt es, daß die schwedische Kirchenverfassung - juristisch angesehen — nicht aus einem Gusse ist. Die tatsächlichen Verhältnisse haben aber ver­ hindert,daß die verschiedenen Inkonsequenzen allzu nachteilig gewirkt haben. Die schwedische Kirche ist eine Staatskirche in dem Sinne, daß das schwedische Volk von religiösem Standpunkte aus und als Ganzes ange­ sehen die schwedische Kirche ist. Die Lehre des schwedischen Volks ist die reine evangelische Lehre. Diese Lehre hat ihren Fortbestand durch die kirchlichen Institutionen, und diese sind ein integrierender Teil der Ge-

I. Verfassung und Organisation.

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sellschast überhaupt. Daraus folgt, daß der König der höchste Leiter der Kirche ist. Vie Macht, die der König in kirchlicher Beziehung hat, ist seiner Macht in staatlichen Angelegenheiten analog. Man kann nicht von einem Summepiskopat irgend welcher Art sprechen, obschon dieser Ausdruck hier und da angewandt wird. Ms konstitutioneller Monarch übt der König seine kirchliche Macht int Staatsrat aus, dem Reichstag ver­ antwortlich. Der König hat die reine evangelische Lehre zu bekennen. Die Verfassung besagt in § 2: „Der König soll stets die reine evan­ gelische Lehre haben, so wie sie in der augsburgischen Konfession und dem Beschluß des Konzils von Upsala im Jahre 1593 angenommen und erklärt ist". Dasselbe gilt von den Mitgliedern des Staatsrates. Damit ist die Verbindung der schwedischen Kirche mit dem Staate ge­ kennzeichnet. Dagegen steht der Reichstag Mitgliedern aller vom Staat anerkannten religiösen Gemeinschaften offen. Ebenfalls stehen die Staats­ ämter allen offen; doch mit einer wichtigen Ausnahme. Die Verfassung bestimmt in § 28: 3u geistlichen Ämtern oder anderweitigem Dienst, mit dem die Aufgabe Religionsunterricht zu erteilen verbunden ist, oder zum theologischen profeffor kann nur der ausersehen werden, der die reine, evangelische Lehre bekennt. 3u allen andern Beamten und Dienststellen mit der Ausnahme bezüglich der Rlitglieder des Staatsrats, wie § 4 bestimmt — dürfen Bekenner anderer christlicher Konfessionen sowie der mosaischen Religion ernannt werden. Doch darf keiner, der nicht zur reinen evangelischen Lehre gehört, als Richter oder als andrer Beamter Fragen behandeln oder entscheiden, welche Religionspflege, Religions­ unterricht oder Beförderungen innerhalb der schwedischen Kirche betreffen. Die vom König im Staatsrat ausgeübte Machtbefugnis ist einer­ seits administrativer Art; sie geschieht ohne Mitwirken des Reichstags. Doch ist der Staatsraat ihm verantwortlich, und wenn eine Maßregel administrativer Art mit Ausgaben verbunden ist, muß der Reichstag gehört werden und die Maßregel beschließen. Daneben werden viele An­ träge, die streng genommen, zum administrativen verordnungsrecht des Königs gehören, an den Reichstag gewiesen. Andrerseits übt der König seine gesetzgebende Macht nur in Verbindung mit dem Reichstag aus. Auch auf kirchlichem Gebiet findet eine Trennung statt zwischen der administrativen und gesetzgebenden Befugnis des Königs. Die erstere hat einen großen Umfang, weil auch die liturgische Befugnis dazu ge­ hört. Liturgische Verordnungen — darunter fallen Handbücher, Gesang­ bücher und Katechese - bekommen erst Gültigkeit durch eine königliche Verordnung, ausgefertigt wie alle andern; in diesem Falle gegengezeichnet vom Kultusminister. 3nbefien hat der König dies Recht nie auf eigene Hand ausgeübt. 3n früherer Seit beratschlagte er mit den Geistlichen, oder mit den Reichsständen, wobei die Geistlichkeit natürlich die Hauptrolle spielte;

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nach der Durchführung der Religionsfreiheit war der Reichstag nicht mehr das kompetente Forum dafür; an seine Stelle trat der 1868 zum ersten Male zusammengetretene Kirchenkongreß. Dieser bekam dieselben Rechtem liturgischen Angelegenheiten, die früher der Reichstag gehabt hatte, d. h. seine Beschlüsse in diesen Angelegenheiten sind „ untertänige Äußerungen, sowie Vorstellungen und wünsche", die dem König vorzutragen sind.

Das administrative verordnungsrecht des Königs ist ungeschmälert ge­ blieben. Faktisch freilich führt der König liturgische Verordnungen nicht aus ohne die Zustimmung des Kirchenkongresses, wie auch dessen sonstige Beschlüsse in diesen Dingen der Beachtung S. Kgl. Majestät sicher sind. Auch andere Dinge, die zum administrativen Verordnungswesen gehören, hat der Kirchenkongretz zur Sprache zu bringen. Doch hat dieser da­ mit nicht die Bedeutung fürs kirchliche Leben bekommen, wie manche vielleicht erwartet hatten. So sind eine Menge Wünsche, die der Kirchen­ kongreß im Laufe der Jahre ausgesprochen hatte, abgewiesen worden. Er tritt nur alle fünf Jahre zusammen; so würde er ein viel zu schwer­ fälliger Apparat werden, wenn die Praxis sich ausbildete, daß alle Verordnungen erst seine Zustimmung haben müßten. Gewöhnlich kommen derartige Verordnungen folgendermaßen zustande: Wenn ein Bedürf­ nis dafür vorhanden zu sein scheint, wird ein königliches Komitee eingesetzt, dessen Entscheidung über den Antrag die Domkapitel be­ handeln. Auf Grund dieser Entscheidung und evtl, unter persönlicher gemeinsamer Arbeit des Kultusministers mit einem Bischof oder andern Männern der Kirche wird die Verordnung im Kultusministerium aus­ gearbeitet. Die laufenden kirchlichen Eingaben administrativer Art, die bis zum König selbst gehen, sind nicht sehr zahlreich. Sie bestehen zum größten Teil aus Beschwerden, teils auch aus ökonomischen Angelegenheiten, was mit der Besoldungsordnung zusammenhängt, deren Details viel­ fach der Prüfung S. Kgl. Majestät unterliegen, vor dem 1910 gegebenen Pfarrwahlgesetz gingen alle Besetzungen von Pfarrstellen an den König, jetzt nur noch ausnahmsweise. Die Folge ist, daß das Kultusministerium sich weit mehr mit dem Unterrichtswesen zu beschäftigen hat. Da besonders das Volksschulwesen eine große Entwicklung aufzuweisen hat und da außerdem die kirchlichen Anträge, welche gesetzlichen Lharakter tragen, im Justizministerium bearbeitet werden, ist der Vorschlag ge­ macht worden, das jetzige Kultusministerium in ein Unterrichtsministerium zu verwandeln und die kirchlichen Angelegenheiten dem Justizministerium zu überweisen. Da auf diese Weise das Kirchenministerium als solches ganz verschwinden würde, ist dieser Antrag von Freunden der Kirche mit Recht sehr übel ausgenommen worden. Infolgedessen kamen andre Vorschläge aufs Tapet. In gewisien Pastorenkreisen hegt man Sympathie

I. Verfassung und Grganisation.

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für eine kirchliche höchste Behörde nach deutschem Muster, die vom Ministerium unabhängig wäre. Aber der Vorschlag hat nicht eine einzige Wurzel in alter schwedischer Tradition; er ist im Gegenteil von jeher bekämpft worden. So kommt man denn auf eine Reform der bestehen­ den Verwaltung im Ministerium zurück. Die Furcht ist wohl nicht un­ begründet, daß durch Einführung einer obersten kirchlichen Behörde der Bürokratismus gesteigert werde. Der Mangel an Einheitlichkeit und das Fehlen eines gemeinsamen (Organs für die Kirche werden ganz sicher aufgewogen durch die Möglichkeit eines antibürokratischen Kirchenregiments, wie wir sie im (schon bestehenden) Bischofsamt mit seinem

dezentralisierenden und persönlichen Eharakter haben. Grade dies hat die Kirche auch bis jetzt vor allzu viel Juristerei bewahrt. Es wurde schon gesagt, daß kirchliche Anträge gesetzlicher Natur vom Justizministerium ausgearbeitet werden, vor der neuen Reichstags­ ordnung und der Durchführung der Religionsfreiheit im Jahre 1860 ff. gaben der König und der Reichstag gemeinsam die Kirchengesetze. Jetzt ist ein dritter Faktor hinzugekommen, nämlich der Kirchenkongretz, dessen Zustimmung zu allen Verordnungen kirchengesetzlicher Natur erforderlich ist. Der Kirchenkongretz kann also einem Gesetze seine Zu­ stimmung versagen, das der König vorgeschlagen und der Reichstag angenommen hat. Dies Vetorecht ist jedoch nur äußerst selten benutzt worden. Die paar Mal, wo das geschah, wurde jedesmal von der zweiten Kammer des Reichstages der Antrag eingebracht, dies Recht des Kirchenkongresses abzuschaffen. Der Gesetzgeber der sechziger Jahre scheint von der Auffassung ausgegangen zu sein, daß der Kirchenkongreß den Schwerpunkt bei der Kirchengesetzgebung zu bilden habe; denn der Reichstag, welcher für Mitglieder aller Bekenntnisse geöffnet wurde, wurde immer weniger ein zuständiges Forum für kirchliche An­ gelegenheiten, sobald diese mit anderm als dem rein äußerlichen Kirchen­ recht zu tun hatten. Da die Austritte aus der Staatskirche nie den erwarteten Umfang annahmen, war die Folge, daß der Reichstag, be­ sonders seine zweite Kammer, sich gewöhnlich als die eigentliche gesetz­ gebende-Versammlung, den Kirchenkongreß dagegen als beschwerliches Anhängsel betrachtet, wenigstens wenn es sich um prinzipielle kirchen­ rechtliche Fragen handelt. Denn in interneren Fragen - z. B. solchen, die den Gottesdienst betreffen und zugleich von kirchengesetzlicher Natur sind - hat der Reichstag mehrfach ohne weiteres die vom Kirchenkongretz beschlossenen Gesetzesänderungen angenommen. Lin schwieriger Punkt in der schwedischen Kirchengesetzgebung ist der, daß es eigentlich keinen klaren Begriff „Kirchenrecht" gibt. Das geltende Kirchengesetz geht bis in das Jahr 1686 zurück; unzählige Veränderungen und Zusätze sind gemacht worden; aber in vielen Punkten

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Rodhe, Schwedische Kirchenkund«.

ist es gänzlich unberührt geblieben. Vie noch jetzt geltenden Bestim­ mungen des Gesetzes von 1686 betreffen teils wirkliche gesetzliche Fragen, teils auch solche, die sich viel mehr mit der administrativen Befugnis

-es Königs beschäftigen. (Einige sehen es jetzt so an, als ob alles, was im alten Gesetz steht, auch gesetzlichen Charakter trüge; andere wollen einen Unterschied machen. Vie Grenze ist jedenfalls in manchen Fällen

recht fließend. Die herrschende Unklarheit und besonders der Umstand, daß das geltende Gesetz sozusagen ein altes, im Lauf der Jahrhunderte unauf­ hörlich geflicktes Gebäude ist, haben den Wunsch erzeugt, daß es als Ganzes einer durchgreifenden Revision unterzogen würde. Jedoch ist dieser Wunsch bis jetzt noch nicht verwirklicht worden. Man hat wohl allgemein erkannt, daß die Situation noch zu unklar ist, als daß irgendwelche Richtlinien gegeben werden konnten, wonach ein neues Kirchengesetz geschaffen werden konnte, das geeignet wäre, sowohl die Zustimmung des Reichstags, wie die des Kirchenkongreffes zu gewinnen. Man begnügt sich deswegen stets mit Teilreformen, in der Hoffnung, daß die Lage sich einmal klären werde. Ein gewissermaßen erzwungener Streit über prinzipielle kirchenrechtliche Fragen würde weder dem kirch­ lichen, noch dem politischen Leben nützen. Der mehrfach genannte Kirchenkongreß (Kqrkomötet) tritt, wie auch schon bemerkt, alle 5 Jahre zusammen; doch hat der König das Recht, ihn öfter zu berufen (er tagte alle 5 Jahre seit 1868, außerdem 1909 und 1910). Die Mitglieder - augenblicklich 64 - sind zur Hälfte

Pastoren, zur Hälfte Laien. Die ersteren sind Mitglieder teils in ihrer amtlichen Eigenschaft, nämlich die Bischöfe und der Pastor primarius in Stockholm, teils durch Wahl. Die theologischen Fakultäten in Up­ sala und Lund wählen aus sich je zwei Mitglieder, jedes Stift und die Stockholmer Geistlichkeit je einen. Die Laienmitglieder werden mittelbar durch Wahlmänner gewählt, welche ihrerseits wieder von den wahlberechtigten der einzelnen Gemeinden gewählt sind. Durchschnitt­ lich wählt jedes Stift zwei Mitglieder. (Die genauern Bestimmungen sind zu verwickelt, als daß sie besprochen werden konnten). Der Erz­ bischof ist von Hmts wegen Vorsitzender, sein Vertreter wird vom Könige unter den übrigen Bischöfen ausgewählt, von den Befug« Nissen des Kirchenkongresses war oben bereits die Rede. Der Kirchen­ kongreß hat außerdem kirchliche Ziele aufzuzeigen oder Fragen zu erörtern, die eins seiner Mitglieder vorgebracht hat. Über alle Fragen betreffs Umrahme einer neuen Bibelübersetzung, eines Gesangbuchs, Evangelienbuchs, kirchlichen Handbuchs oder Katechismus haben die geist­ lichen Mitglieder vorher ihre Bedenken mitzuteilen. Die Geschäftsord­ nung ist übrigens dem Kongreß selbst überlassen. (Es ist abgemacht

I. Verfassung und (Organisation.

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worden, daß alle Fragen, außer den liturgischen, von Ausschüssen durch­ gearbeitet werden; der wichtigste Ausschuß ist der für Kirchenrecht. Vie Mitglieder der Ausschüsse sind halb und halb Pastoren und Laien. Liturgische Fragen werden mit Zweidrittelmajorität, andere Fragen mit einfacher Majorität entschieden. Vie Diäten der gewählten Mitglieder sowie die übrigen Unkosten (z. B. für den Druck der Sitzungsprotokolle) werden aus Staatsmitteln bestritten. Vie schwedische Uirche ist in Stifte geteilt.

An der Spitze jedes

Stiftes steht ein Bischof und ihm zur Seite das Domkapitel, häufig Konsistorium genannt. Vie Bischöfe werden gewählt; stimmberechtigt find die Mitglieder des Domkapitels, sowie sämtliche Pastoren des Stiftes, die ordentliche Pfarrstellen innehaben oder verwalten. Vie Stimmzettel müssen drei Namen enthalten; die drei, die die meisten Stimmen enthalten, werden vom Domkapitel vorgeschlagen, und der König ernennt dann einen von ihnen. Der Bischof ist alleinberechtigter Vorsitzender des Domkapitels; er nimmt alle Ordinationen, Visitationen und Einführungen vor. Als Chef des Stiftes und seiner Geistlichkeit hat er wie jeder andre Chef ein weitgehendes Feld für persönliches Wirken; so kann er dem Kirchenregiment - soweit es auf ihn an­ kommt - einen persönlichen, seelsorgerlichen Lharakter geben. Der Einfluß der Bischöfe beruht so auf einer ganzen Menge Imponderabilien. Außerdem haben sie eine vorgeschobene gesellschaftliche Position. Ihre allgemeine Bedeutung geht vielleicht am besten daraus hervor, daß jede eingehendere Kritik der kirchlichen Verhältnisse sich gerne bei den Bischöfen aufhält, viele glauben, daß bessere Verhältnisse zustande kommen würden, wenn die schwedische Kirche Bischöfe nach ihrem Sinne bekäme. Auf liberaler Seite hat man daher die Teilnahme der Laien an der Bischofswahl verlangt, von großer Bedeutung ist es gewesen, daß viele Bischöfe in innigem Zusammenhang mit dem akademischen Leben gewesen sind, als Professoren der Theologie oder aus andre Weise. 3n späterer Zeit hat die Geistlichkeit bei der Wahl ihre hauptaufmerksamkeit auf Männer gerichtet, die mit den vielfachen Anforderungen des praktischen Gemeindelebens vertraut waren. An erster Stelle steht unter den Bischöfen der Erzbischof von Upsala Irgendwelche Befugnisse über seine Kollegen hat er jedoch nicht; er ist nur primus inter pures. Die Wahl des Erzbischofs geht auf besondere

Weise vor sich. Die Geistlichkeit und das Domkapitel des Stiftes Upsala haben eine Stimme, (drei Männer werden auch hier vorge­ schlagen), die übrigen Domkapitel des Keichs je eine, von den drei vorgeschlagenen wird einer vom König ernannt. An der Seite des Bischofs steht das Domkapitel. 3n Upsala und Lund sind seine Mitglieder die Professoren der Theologie, in den übrigen

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Rodhe, Schwedische Rirchenkunde.

Stiften erstens der vomprobst, d. h. der Hauptpastor am Dom der Stiftshauptstadt. (Einen Vomprobst gibt es in allen Stiften, ausgenommen in Disbt), wo der Bischof selbst Geistlicher an der Stiftskirche ist. 3n Up­ sala und Lund ist die Domprobstenstelle einer Professur für Theologie angegliedert. Der vomprobst ist als solcher stellvertretender Vorsitzender im Domkapitel. Heben dem vomprobsten stehen in Göteborg der schwe­ dische und der deutsche Geistliche der schwedischen und deutschen Ehristinengemeinbe; daneben wie in andern Städten eine Unzahl Lektoren der öffentlichen höhern Lehranstalten (Gymnasiallehrer). Diese Zusammen­

setzung des Domkapitels aus Lektoren als Beisitzern stammt aus einer Zeit, als noch ein enges Band zwischen der Kirchenbehörde und der Kirche als Ganzem einerseits und dem höhern Unterrichtswesen andrerseits bestand.

Ts hatte eine raison d’etre, solange das Domkapitel zugleich die Behörde der höhern Schulen war. Dieser Zustand hörte aber 1905 auf, als eine eigene Gberbehörde für alle öffentlichen höhern Schulen eingerichtet wurde. Einstweilen verwaltet das Domkapitel jedoch noch das Volks­ schulwesen. Doch sind Vorschläge gemacht worden, auch dies einer be­ sondern Behörde zu übergeben. Die Lektoren werden angestellt ohne irgendwelche Rücksicht auf ihren Platz im Domkapitel; die Folge davon ist, daß das eine oder andre Mitglied des Domkapitels dem religiösen und kirchlichen Leben ganz fern steht. 3n etlichen Fällen ist sogar das absurde Faktum eingetreten, daß irreligiöse und kirchenfeindliche Personen Kraft ihrer rechtmätzigen Stellung an dem Gymnasium auch Sitz und Stimme in der Kirchenbehörde bekamen. Bei jedem Domkapitel befindet sich ein juristisch gebildeter Notar, welcher die auszuführenden Arbeiten erledigt. 3m Domkapitel wird durch einfache Mehrheit be» schloffen, ev. ist die Stimme des Vorsitzenden ausschlaggebend. Der zu beratende Stoff ist außerordentlich verschieden; und trotzdem die Arbeits­ last bedeutend verringert worden ist durch die Abtrennung des höheren Schulwesens, zeigt sich deutlich ein stetes Anwachsen des zu verarbeitenden Materials. vor allem handelt es sich um rein kirchenbehördliche Angelegen­ heiten. 3nwieweit das Domkapitel bei Besetzung von Pfarrämtern mitwirkt, ist in anderm Zusammenhang zu besprechen. Das Domkapitel missiviert die Hilfgeistlichen. Wegen der Lokal- und personalkenntniffe des Bischofs wird diese Aufgabe aber häufig ganz seine spezielle Ange­ legenheit, obschon sie im Hamen des Domkapitels geschieht. Das Dom­ kapitel äußert sich zu kirchlichen Fragen, behandelt eine Menge Ange­ legenheiten kirchlich ökonomischer Art, äußert sich über Kirchenbauten, Kirchhöfe usw. Monomische Angelegenheiten, die die Kirche betreffen, z. B. Verpachtung von Kirchenländereien, werden gleichzeitig auch von der weltlichen Verwaltungsbehörde behandelt. Das Domkapitel ist

I. Verfassung und Organisation.

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schließlich nicht nur eine verwaltende, sondern auch eine richtende Behörde. Vie Pastoren unterstehen seiner Gerichtsbarkeit in Sachen, die nicht unter das weltliche Gericht fallen, z. B. Verschuldungen im Amte. Das Domkapitel ist außerdem die Behörde, welche Lheschei-

dungsurkunden auszustellen hat. Zur Charakteristik des Domkapitels ist noch folgendes hinzuzu­ fügen. (Es ist so zusammengesetzt, daß die Majorität meistens aus Laien besteht, häufig mit starker liberaler Tendenz. 3n den seltenen Fällen, wo ein Irrlehreprozeß gegen einen Pastor anhängig gemacht wird, kann man von vornherein ein freisprechendes Urteil erwarten, vom Dom­ kapitel kann man an S. INaj. appellieren. (Es urteilen auch hier Laien, vielleicht ist das einer der Gründe dazu, daß man in Schweden faktisch eigentlich nie Prozesse wegen Irrlehre hat. Andre Gründe sind die althergebrachte Duldsamkeit in allem, was geistige Freiheit betrifft; weiter, daß die Gemeinden selbst ihre Pfarrer wählen, woraus folgt, daß sie weniger geneigt sind, den anzuzeigen, den sie selbst gewählt haben. Eine kritisierende Minorität hat wenig zu gewinnen. Sollte jedoch das Merkwürdige sich ereignen, daß ein Pfarrer wegen Irrlehre abgesetzt würde, so hätte eine derartige Minorität doch nicht die Macht, die Wahl des neuen Pfarrers zu bestimmen. Andrerseits zwingen diese Rechte der Gemeinde bei der Wahl den Pfarrer, rücksichtsvoll und zartfühlend gegen die Gemeinde zu sein. Vie jetzige Zusammensetzung des Domkapitels hat noch etwas andres zur Folge gehabt. Initiative in kirchlichen Fragen ergreifen wohl einzelne Mitglieder, selten das Domkapitel als solches, ohne daß es jedoch ausschließlich zu einer reinen Verwaltungsbehörde würde. Vie

Pfarrer sind in ihrer Wirksamkeit - abgesehen von der formellen Seite — durchaus unabhängig vom Domkapitel, sie merken eigentlich nichts von dieser Behörde. Gft möchte man sich zwar eine Uirchenbehörde wünschen, die kräftiger wäre, insofern sie neue Wege zeigte; andrerseits ist es wohl ein Vorteil, daß die private Initiative in jedem einzelnen Falle ungeteilt zu ihrem Rechte kommt und daß nicht ganz Individuelles durch ein Bombardement von Zirkularen und Verordnungen in völlig gleich­ mäßige Form gezwängt wird. Jetzt ergreifen der Pfarrer und Laien die Initiative z. B. in der Jugendpflege und bergt. Alle der­ artigen Arbeiten bekommen dadurch den Charakter des Freiwilligen. Will ein Pfarrer oder eine Gemeinde sich nicht beteiligen oder auf eigene Faust arbeiten, so steht dem nichts im Wege. Selbstver­ ständlich ist eine gewisse Einheitlichkeit und ein Zusammenhang der Arbeit an den verschiedenen (vrten notwendig, wenn nicht alles bei sporadischen Ansätzen bleiben soll. Vie Notwendigkeit eines solchen Bandes entstand zuerst so, daß man eine für die ganze Rirche gemeinsame

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Hobt)«, schwedische Kirchenkunde.

Instanz für gewisse Angelegenheiten nötig

hatte.

So entstand die

Missionsbehörde und die viakoniebehörde-erstere für die äußere, letztere für die innere Mission. Diese Behörden tragen offiziellen Cha­ rakter, insofern sie vom Kirchenkongreß gewählt sind und seiner Kritik unterworfen sind, aber ihre Tätigkeit ist, wie gesagt, freiwillig, nicht offiziell. Gemäß ihrer Instruktion haben sie mit der Stiftsbehörde zu­ sammen zu arbeiten (um ein Beispiel zu nennen: Kollekten werden

vom Domkapitel angeordnet); aber im selben Maße, wie diese freiwillige Arbeit sich ausdehnte, zeigte sich die Tendenz aus Seiten der offiziellen Stiftsbehörden, eine neue Behörde für innere und äußere Mission des betreffenden Stifts zu schaffen. Was jetzt vom Domkapitel gesagt worden ist, gilt in gewißem Maße auch, wenn wir zu den Organen kommen, welche sich mit den Angelegenheiten der einzelnen Gemeinde beschäftigen. Da Kommt zuerst die Gemeindeversammlung (Kqrkostämma) in Betracht. Die Angelegenheiten der einzelnen Gemeinde sind Sache der Gemeindeversammlung. Recht zur Teilnahme an ihren Beratungen und Beschlüssen hat jeder, der das kommunale Wahlrecht besitzt und der nicht ein andres Glaubensbekenntnis hat oder seinen Austritt aus der schwedischen Kirche angemeldet hat. Frauen sind vom Stimmrecht nicht ausgeschlossen. Den Vorsitz führt der Geistliche. Vie Gemeinde­ versammlung hat Beschlußrecht vor allem in Fragen, die Kirchenange­ legenheiten betreffen, und hat die nötigen Mittel für den Bedarf der Kirche aufzubringen. Dazu kommt Beschlußrecht in Volksschulangelegen­ heiten. (vgl. jedoch, was weiter unten darüber gesagt ist). Das

Stimmrecht wird nach der geltenden kommunalen sogenannten vierzig­ stufigen Skala ausgeübt. So hat niemand mehr als vierzig Stimmen; nur ganz kleine Einkünfte haben eine Stimme. Für wichtigere finan­ zielle Fragen ist Zweidrittelmehrheit erforderlich. Vie Gemeindeversammlung wählt aus sich einen Kirchenrat (Kqrkoräd), der aus wenigstens fünf Mitgliedern bestehen soll, Männern oder Frauen. 3m Kirchenrat ist der Pastor als solcher Vorsitzender. Der Kirchenrat bereitet alle Angelegenheiten vor, die die Gemeindever­ sammlung entscheiden soll; er behandelt die Verwaltung der Finanzen, wozu er aus sich einen Kassenverwalter ernennt. Er soll über den Gottesdienst wachen, eheliche Uneinigkeit, Ungehorsam gegen Eltern zur Sprache bringen, auf vernachlässigte Kinder achten; er soll wachen, daß die Ausbreitung von irreleitenden Lehren nach Möglichkeit verhütet und kirchliche Zwietracht und Absonderung verhindert wird, häufig wird der Kirchenrat eine wesentlich finanzielle Institution; denn obgleich nur Männer und Frauen, deren Gottesfurcht und Eifer bekannt sind, in den Kirchenrat gewählt werden sollten, trifft die Wahl doch mehr

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als einmal Leute, die für die seelsorgerlichen Aufgaben des Kirchen­ rates wenig geeignet sind, so tüchtig sie im übrigen sein mögen. Dazu kommt, daß der Eingriff des Kirchenrates - und in gewissen Fällen muß er eingreifen - ein allzu offizielles Gepräge bekommt, als daß man ihn als seelsorgerlich bezeichnen könnte. Vie von den Gesetzen vorge­ schriebene Warnung bei ehelicher Uneinigkeit mutz in vielen Fällen der Ehescheidung vorhergehen, häufig, jedoch nicht immer, geschieht es datz die Warnung des Kirchenrats als etwas ganz Formelles betrachtet wird, der man sich pro forma unterwirft, weil das Gesetz sie eben vorschreibt. Aus den angeführten Gründen hat man vorgeschlagen, daß auch in der einzelnen Gemeinde eine doppelte Organisation eingeführt werde. Vie Tätigkeit, die man unter dem Hamen Innere Mission zusammen­ faßt und wozu auch seelsorgerliche Tätigkeit gehört, wird meistens nicht vom Kirchenrat ausgeübt, hier tritt das Vereinswesen ein. Sobald Zentralisierung wünschenswert erscheint, liegt es nahe, ein neues Gemeinde­ organ zu schaffen, dessen Aufgaben teilweise mit denen zusammenfallen, welche das Gesetz dem Kirchenrat anweist. Gewiß ist Arbeitsteilung vorteilhaft und wünschenswert; aber andrerseits darf man sich nicht verhehlen, wie bedenklich es ist, den sowieso schon allzu offiziellen und formellen Kirchenrat noch offizieller zu machen. Denn das würde die natürliche Folge einer solchen Voppelorganisation sein. Man muß da­ her aufpassen und in kleineren Gemeinden, wo Arbeitsteilung nicht so notwendig ist, die Wirksamkeit des Kirchenrates zu stärken und zu er­ weitern suchen. Vie Vissidentengesetzgebung (viffenterlagstiftning) geht von dem Standpunkt aus, daß jeder Bürger zu irgend einem Glaubens­ bekenntnis gehört. Wenn ein Mitglied der schwedischen Kirche sich einem andern christlichen Bekenntnis anschließt und deswegen aus der Kirche aus­ treten will, so hat es seine Absicht dem Geistlichen der Gemeinde mitzuteilen und ihm anzugeben, zu welcher Sekte es überzutreten beabsichtigt. Bleibt es bei seinem Vorhaben, so hat es sich nach Verlauf von wenigstens 2 Mo­ naten persönlich einzufinden und seinen Austritt anzumelden, den der Geistliche zu den Akten nimmt, vor dem achtzehnten Lebensjahr ist ein solcher Austritt nicht gestattet, vollständige Religionslosigkeit ist also gar nicht vorgesehen. Das Gesetz wird aber umgangen; denn derjenige, der seinen Austritt anmeldet, braucht nicht in die angegebene Sekte überzutreten: auch braucht die fragliche Sekte gar nicht vom Staat an­ erkannt zu sein. Die vom Gesetz bestimmte Angabe der neuen Reli­ gionsgemeinschaft wird dadurch natürlich illusorisch. Möglicherweise kommt in nicht allzu ferner Zukunft eine Gesetzesänderung, wonach auch auf solche Rücksicht genommen wird, die sich ganz vom religiösen Leben

trennen wollen. Jede christliche Gemeinschaft wird vom König anerkannt,

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wenn es beantragt wird; (die Mormonen werden nicht als christliche Sekte gerechnet). Mönchs- oder Nonnenkloster dürfen im Reiche nicht

eröffnet werden. Ebenfalls dürfen keine Schulen oder andere Erzieh­ ungsanstalten, in denen Religionsunterricht erteilt wird, von vekennern fremder Konfessionen für Kinder unter 15 Jahren, die zur schwedischen Kirche gehören, eingerichtet oder eröffnet werden, ohne daß der König in jedem einzelnen Falle die Erlaubnis dazu erteilte. Ein genaueres Eingehen auf alle Bestimmungen des Diffidentengesetzes ist hier nicht möglich. Die Kultusfreiheit, die den Sekten gegeben ist, kann kaum irgendwelche Bedenken vom Standpunkte der Religionsfreiheit aus Hervorrufen. Aber natürlich können die in der Minderzahl befindlichen Sekten nicht ebensoviel für das Staatsleben be­ deuten, wie die schwedische Kirche. Rein bürgerlich spielt diese nämlich eine bedeutende Rolle. Vie Erlaubnis, eigene Religionsgemeinschaften zu bilden, ist infolgedeffen nicht so. benutzt worden, wie man wohl hätte vermuten und fordern können. Man hat es gewöhnlich vorge­ zogen, den versuch zu machen, innerhalb der Kirche selbst solche Gemein­ schaften zu bilden. Daran hat auch das Gesetz von 1908 nichts geän­ dert. Dies setzt fest: die Abgabe vom Einkommen durch Kapital oder Arbeit an die schwedische Kirche, ihre Geistlichen und Angestellten, durch Beschluß der Gemeindeversammlung oder sonstwie festgestellt, soll nur zur Hälfte des sonstigen Betrages erhoben werden von Ange­ hörigen derartiger Gemeinden andrer christlicher oder mosaischer Konfes­ sion, welche das Recht öffentlicher Religionsübung besitzen, soweit die Betreffenden vor dem 1. Januar des Jahres, in dem die Steuern zu bezahlen wären, gesetzmäßig zu der neuen Gemeinde übergetreten sind oder ihr weiter angehören. Der Gedanke des Gesetzes ist der, daß jeder Staatsbürger an irgend eine religiöse Gemeinschaft Steuern bezahlen soll, von Abgaben an die schwedische Kirche werden Anhänger andrer Ge­ meinschaften nicht ganz befreit, weil die Geistlichen zugleich Standes­ beamte sind und infolgedessen Verwaltungsausgaben auszuführen haben.

II. Die kirchliche Einteilung Schwedens hat im wesentlichen schon Jahr­ hunderte bestanden; man kann sagen, daß sie aus der Landeinteilung entstanden ist, wie sie schon in der heidnischen Zeit bestand. 3n älterer Zeit deckten die kirchliche und bürgerliche Einteilung sich ganz mit­ einander. Zum großen Teil gilt das auch jetzt noch; doch ist zu be­ achten, daß die Beweglichkeit, die sich an der bürgerlichen Gemeinde­ bildung in den letzten Dezennien entwickelt hat, aus kirchlichem Gebiet kein Gegenstück hat. Die Lbergangsformen zwischen Stadt und Dorf,

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die besonders in schnell wachsenden Industriebezirken sich finden, haben die kirchliche Einteilung nicht berührt. Leider muß daher konstatiert werden, daß die Kirche hier vielfach zu spät gekommen ist, was ihre Arbeit natürlich sehr erschwert; denn diese muß jetzt da ausgenommen werden, wo sie unter dem Zwange der Umstände mehr oder weniger vernachlässigt worden war. Schweden wird gegenwärtig in 13 Stifte eingeteilt. Vas Lrzstist Upsala und die Stifte Linköping, Skara, Strängnäs, vesteräs, vexiö

und Lund gehen bis ins Mittelalter zurück. (Lund wurde jedoch erst 1658 schwedisch.) 3n allen eben genannten Stiften sind stattliche mittel­ alterliche Dome. Jüngeren Datums sind die Stifte Göteborg, Kalmar, Karlstadt, härnösand und visbp. Nachdem die Stiftsgrenzen jahrhunderte lang dieselben gewesen waren, wurde 1904 das nördliche Schweden als besonderes Stift — Luleä - abgetrennt. Der Reichstag gab seine

Zustimmung dazu, jedoch nur unter der Bedingung, daß Kalmar und vexiö zu einem Stift verschmolzen würden, wenn einer der beiden Bi­ schöfe abginge. Vas nördlichste Stift ist an Areal bei weitem das aus­ gedehnteste, denn es umfaßt etwa 165 000 qkm. Vas südlichste Stift, Lund, hat die meisten Einwohner, nämlich 833 987. (Die Zahlen hier wie im folgenden stammen, soweit nichts anderes bemerkt ist, vom Jahre 1910). Die Stadt Stockholm steht unter dem Erzbischof, bildet jedoch einen eigenen kirchlichen Bezirk mit eigenem Konsistorium, wo der Erz­ bischof in den höchst seltenen Fällen, wo er an den Beratungen und Beschlüssen teilnimmt, den Vorsitz führt. Für gewöhnlich führt der Pa­ stor der Großkirchengemeinde (Storkyrkoförsamling) den Vorsitz, wes­ wegen er den Titel pastor primarius hat. Die Beisitzer sind die übrigen Pastoren der Stadt. Jedes Stift wird in „Kontrakte" (probsteien) eingeteilt; im

ganzen Reich gibt es 188. Jede probstei wird in Pfarrbezirke (Pastorat) eingeteilt, die häufig aus drei oder mehr Gemeinden bestehen. Im Ganzen gibt es 1397 Pfarrbezirke und 2558 Gemeinden (Församling). INehr als die Hälfte aller Pfarrbezirke ist nicht 100 qkm groß, 12 über 5000 qkm. Am größten ist der Pfarrbezirk Jockmock in Lapp­ land, nämlich 18,170 qkm. Die Seelenzahl ist sehr verschieden. 552

Pfarrbezirke haben bis zu 2000, 269 bis zu 3000, 181 bis zu 4000, 106 bis zu 5000, 197 bis zu 10 000, 49 bis zu 15 000, 19 bis zu 20 000, 12 bis zu 25 000 und 12 über 25 000 Seelen. Die größten Gemeinden sind natürlich in den Städten. Stockholm steht an der Spitze mit einer Gemeinde von über 50000, und drei von über 40 000 Seelen, hier ist man indessen eifrig mit der Teilung der Gemeinden beschäftigt, wie sie im letzten Jahrzehnt in verschiedenen Fällen in Stockholm und anderen Städten schon durchgeführt worden ist.

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wie schon gesagt, steht ein Bischof an der Spitze jedes Stiftes. Jede probstei hat ihren probsten (Kontraktsprobst), einen der Pastoren der Probstei, der von seinen flmtsbrübern gewählt und vom Bischof be­ stätigt wird. 'Der probst hat eine Menge administrativer, besonders

ökonomischer Befugnisse. Außerdem hat er gelegentlich den Bischof zu unterstützen, indem er in dessen Auftrag Installationen und Visitationen vorzunehmen hat. Jeder Pfarrbezirk hat seinen Pastor (Kqrkoherde).

wo mehrere Gemeinden zu einem Pfarrbezirk gehören oder dieser sehr volksreich ist, stehen dem Pastor ein oder mehrere Hilfspfarrer (Kommt* nister) zur Seite. 3tt den Städten gibt es außerdem ordentliche Pfarr­ ämter anderer Art, nämlich Hilfsprediger (Pastoratsadjunkt). 3tt vielen Fällen sind auch außerordentliche Predigerstellen eingerichtet worden. 3m Ganzen gibt es 1397 Pfarrstellen, 873 Hilfspfarrerstellen, 74 ordentliche und 151 außerordentliche Predigerstellen. Vie Zahl der Geistlichen betrug 1910: 2769. Dabei sind Religions­ lehrer höherer Schulen, Missionare der schwedischen Kirche usw. einge­ rechnet worden. Die Zahl hat in den letzten 10 Jahren um 74 ab­ genommen. Vie Anzahl der ordinierten Geistlichen betrug im letzten Jahrzehnt durchschnittlich 58 jährlich; die Zahl bedeutet eine Abnahme der Pastoren im Verhältnis zum vorigen Jahrzehnt; sie ist um so bedenk­ licher, als das kirchliche Arbeitsfeld sich vergrößert. Wir haben also in Schweden dieselbe Erscheinung wie in vielen andern Kirchen, den Pastorenmangel, der chronisch zu werden scheint. Teilweise kann dem abgeholfen werden; denn mit manchen Pfarrämtern ist so wenig Dienst verbunden, daß der betreffende Pastor unter Zu­ hülfenahme von predigthelsern (Studierenden der Theologie) zwei Stellen versehen kann, z. B. in Krankheitsfällen. Indessen steht es so aus, als ob der Zugang zum theologischen Studium in diesem Jahrzehnt wie­ der stärker wird. Die Pastoren der schwedischen Kirche, haben sich seit alters in großem Umfange aus dem Bauernstande rekrutiert. 3n bestimmten Stiften kommen auch viele Pastoren aus Pastorenfamilien. Aus den sozial und pekuniär bestgestellten Familien kommen selten Pastoren. Vie Geistlichkeit hat nicht das Gepräge der „oberen Zehntausend"; im

Gegenteil! - man kann eher sagen, daß die sogenannten obern Kreise nicht selten auf die Pastoren herabsehen. Andrerseits hat es unter den Pastoren nie an solchen gefehlt, die zur Elite des gebildeten Schwedens gehörten. 3n früheren Zeiten teilte man infolgedessen die Pastoren in höhere und niedere Geistlichkeit ein; dieser Klassenunterschied wurde verstärkt durch die damals geltenden veförderungsregeln. Jetzt fehlt jegliche Veranlassung, noch von einem solchen Unterschied zu sprechen. Vie erwähnte Art des theologischen Nachwuchses hat es mit sich gebracht,

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daß die Pastoren leichter in Kontakt mit der Landwirtschaft betreibenden Bevölkerung kommen als mit den Fabrikarbeitern und dem untern Mittelstand. Unter den Kleinbürgern hat in weiten Teilen des Landes die freikirchliche Bewegung tiefe Wurzeln geschlagen. Die Ausbildung der Theologen geht an der Universität vor sich, vor 1831 wurden wohl Studien, aber kein theologisches Amtsexamen an der Universität verlangt. Das Examen wurde vor dem betreffenden Domkapitel gemacht. Es wurde indessen eine Universitätsprüfung notwendig, um die Bildung unter den Pastoren zu erhöhen. Vas Examen vor dem Domkapitel wird jedoch beibehalten. Die Universitätsprüfung ist in der Regel drei­ fach. Nach dem Abitur (Studentexamen) läßt der angehende Pastor sich

in der philosophischen Fakultät einschreiben, und hat hier das sog.

theologisch-philosophische Examen zu bestehen, welches die Fächer griechisch, hebräisch und Philosophie umfaßt. Meistens macht man dies Examen nach einem oder anderthalb Jahren. Darauf wird man in der theologischen Fakultät eingeschrieben. Das nächste Ziel ist das „theologische Kandidaten­ examen", welches folgende Fächer umfaßt: theologische Enzyklopädie und Propädeutik, (Religionsphilosophie und -geschichte), alt- und neu» testamentliche Exegese, Kirchengeschichte (Symbolik ist in Upsala mit der Dogmatik, in Lund mit der Kirchengeschichte verbunden), Dogmatik,

Ethik, praktische Theologie nebst Kirchenrecht. Das Examen wird vor der Fakultät abgelegt. Jeder profesior examiniert in seinem Fach. Dem Examen geht eine private Vorprüfung vorauf. Ein schriftliches Examen wird nicht verlangt. Für ein besseres Zeugnis werden in gewissen Fächern häufig schriftliche Seminararbeiten gefordert. Vie Zeit, die für die Vorbereitung auf dies Examen erforderlich ist, hängt von den ge­ wünschten Zengnifien in diesen Fächern ab, und ist infolgedessen sehr verschieden. Als Durchschnittszeit kann man etwa zwei oder drei Jahre annehmen. Nach dem Bestehen des Kandidatenexamens kommt für die, die schließlich Pastoren werden wollen, ein Semester praktischer Übungen, welches mit folgender praktischer Prüfung vor den Übungsleitern abge­ schlossen wird: eine schriftliche und mündliche Prüfung in Homiletik, eine in Katechese, Kirchenrecht, Liturgie und Mefiedienst. Ohne das Zeugnis der Universität über bestandene Examina und Prüfung darf keiner das Pastorenexamen vor dem Domkapitel machen, auf das die Grdination folgt. Aus verschiedenen Gründen hat jedoch der König in mehreren Fällen Dispens von den akademischen Examina gewährt. Das Pastoren­ examen vor dem Domkapitel ist rein formell, ausgenommen wenn es sich um Dispensierte handelt. Die Grdination wird vom Bischof in der Domkirche des Stifts vorgenommen. Die liturgische Ordnung dabei ist im wesentlichen folgende. Rodhe, Schwedische ttirchenkunde.

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Die Feier wird-durch einen Gesang eingeleitet, worauf die Grdinanden im Chorhemd mit den assistierenden Geistlichen und dem Bischof vor den Altar treten. Nach einem kurzen Gebet hält der Bischof eine An­ sprache. Vie Pastoren lesen jeder einen im Handbuch angegebenen Bibel­ spruch. Vie Grdinanden legen das Glaubensbekenntnis ab (Apostolikum). Darauf richtet der Bischof verschiedene Fragen an die Grdinanden, darunter folgende: Wollt Ihr nach bestem wissen und Gewissen rein und klar Gottes Wort verkünden, wie es in der heiligen Schrift ge­ geben ist und wie die Bekenntnisschristen der Kirchen davon zeugen? Nachdem jede Frage einzeln mit Ja beantwortet ist, wird das Gelübde vom amtierenden Geistlichen vorgesprochen: Alles dies gelobe ich bei dem Allwissenden, den großen Gerichtstag vor Augen, redlich und ge­ wissenhaft mit Gottes Gnade und hülfe zu befolgen. Der Bischof über­ trägt den Grdinanden dann das Amt, und unter Gesang (das alte: veni, sancte Spiritus in schwedischer Übersetzung) werden sie mit dem Meßgewand bekleidet. Der Bischof spricht das Vaterunser für jeden Grdinanden, während er und die Geistlichen ihnen die Hand auflegen; Gebet, Ermahnung, der aaronitische Segen und Gesang schließen die Feier.

Das sogenannte Amtsgelübde, die eben angeführten Fragen, er­ hielten ihre jetzige Formulierung 1903. Es enthält eine evangelischere Auffassung der Bekenntnisschriften als seine frühere Form zum Aus­ druck brachte. Der Antrag auf Änderung wurde vom Bischof Billing gestellt, stammt also aus hochkirchlichem Lager. Ghne daß irgend eine Änderung des geltenden Kirchengesetzes erfolgt wäre, kann man die neue Formulierung des Amtsgelübdes doch so auffassen, daß sie Sie

Richtung angibt, wie man heute den ersten Paragraph des Kirchen­ gesetzes deutet. Er lautet: 3n unserm Königreiche sollen alle einzig und allein die christliche Lehre und den Glauben bekennen, wie er be­ gründet ist in Gottes heiligem Wort, den prophetischen und apostolischen Schriften des alten und neuen Testaments, und ausgesprochen in den drei Hauptsymbolen: Apostolicum, Nicaenum und Athanasianum,

sowie der unveränderten Augsburger Konfession von 1530, die 1593 vom Konzil zu Upsala angenommen wurde, so wie sie im ganzen soge­ nannten Konkordienbuch erklärt ist; alle diejenigen, welche irgend ein Amt als Lehrer an Kirchen, Universitäten, Gymnasien oder sonstigen Schulen übernehmen, sollen sich bei der Grdination auf diese Lehre und Glauben verpflichten. 3n der schwedischen Kirche wird man also nicht für ein bestimmtes lokales Amt ordiniert; sondern die Grdination folgt unmittelbar auf das bestandene Examen. (Wer jünger als 23 Jahre ist, wird nicht ohne be­ sondern Dispens ordiniert). Nach der Grdination steht der junge Geist­ liche zur Disposition des Domkapitels, welches die Betreffenden ab-

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ordnet, entweder um einem alten oder kranken Pastor im Amte zu

helfen oder um ein lediges Amt zu versorgen. Diese erste Seit, die Adjunktszeit, kann einem häufig wie eine Prüfung vorkommen, weil man sich in einer abhängigen Stellung befindet. Der Vorteil ist der, datz man sich nicht selbst eine Stelle zu suchen braucht. Das Domkapitel ist verpflichtet, jedem Geistlichen Tätigkeit zu verschaffen, soweit er nicht feste Aufgaben oder eine Anstellung als Religionslehrer oder bergt bereits hat. Die genannte Vorschrift macht es dem Bischof und Dom­ kapitel zur Pflicht, dafür zu sorgen, daß nicht mehr Theologen ordiniert werden als gerade gebraucht werden, wegen des Pastorenmangels

haben sie es natürlich nicht schwer gehabt, die Vorschriften des Gesetzes hierüber zu befolgen. Der Antritt einer Hilfspfarrerstelle erfolgt ohne weitere Feierlichkeit. Dagegen wird man ins Pastorenamt durch den Bischof oder seinen

Vertreter in einer besonderen Feier eingesührt, der sogenannten Pastoren­ einführung (Rqrkoherdeinstallation). Die Bischofsweihe wird vom Erz­ bischof oder dem Bischof, den jener für diesen Sweck zu seinem Ver­ treter bestimmt hat, vollzogen. Die Beförderung und Besoldung der Pastoren. Seit alters werden die Pastoren von den Gemeinden gewählt. Das jetzt geltende Wahlgesetz stammt aus dem Jahre 1910, es trägt stark demo­ kratische Färbung. Das allgemeine Stimmrecht ist auf kirchlichem Gebiet vollständig durchgeführt. Jeder einzige unbescholtene Mann oder Frau in der Gemeinde, der in der Steuerliste steht, 21 Jahre alt ist und persönlich an den Verhandlungen und Beschlüssen der Gemeinde teil nimmt, hat Stimmrecht. Auf diese Weise sind auch die Frauen stimm­ berechtigt, dagegen nicht, wie es früher der Fall war, Gesellschaften (Firmen). Das Wahlrecht ist also durchaus persönlich. Jeder wählende

hat eine Stimme. 3it Stadtgemeinden hat der Wahlberechtigte sich per­ sönlich einzufinden, in Landgemeinden kann ein anderer zum Stimmen bevollmächtigt werden. Doch darf keinem mehr als eine solche Voll­ macht übertragen werden. Die Wahlzettel werden stets in geschloflenen Umschlägen abgegeben. (Eine Einschränkung erfährt jedoch das Recht der Gemeinden zu Gunsten der Geistlichen; denn es wird einer der drei Pastoren gewählt, die das Domkapitel vorgeschlagen hat. wird eine Stelle vakant, so wird sie nämlich den Geistlichen des Stiftes bekannt gegeben, sodaß diese ihre Gesuche einreichen können. Nur um die Domprobstenstellen sowie einen Teil der Stellen in den größeren Städten können sich Geistliche aus dem ganzen Reiche bewerben. Das Domkapitel schlägt dann drei der Gesuche der Gemeinde vor; dabei wird auf bisherigen Eifer, Ernst und Befähigung, Dienstalter, bestandene Examina, herausgegebene Schriften und bergt 2*

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Rücksicht genommen. Für Pastorenstellen (Kqrkoherdetjänst, s. o.) kann keiner vorgeschlagen werden, der nicht sein dreißigstes Lebensjahr voll­ endet hat. Lin Geistlicher kann auf Grund seines Gesuches nur an einer Stelle vorgeschlagen werden. Wenn sich von den Geistlichen des Stifts nicht genügend viele melden, so werden die vakanten Stellen für die Geistlichen des ganzen Reichs ausgeschrieben. Die vorgeschlagenen haben zu einer vom Domkapitel bestimmten Zeit eine hochmesse mit Predigt in der betreffenden Gemeinde zu halten, die sogenannte Prüfungspredigt (Profpredikan). Wer bei der Wahl die meisten Stimmen erhält, wird

vom Domkapitel bestätigt. Wenn die Gemeinde bei der Pastorenwahl mit keinem der drei vorgeschlagenen zufrieden ist, so hat sie das Recht, einen vierten „Probe­ prediger" zu berufen. Sie ist dabei auch nicht an die Stiftsgrenzen gebunden. Jeder beliebige Geistliche kann berufen werden, soweit er sonst die (Qualifikation dazu besitzt. Damit dies Recht nicht mißbraucht wird, sind gewisse Bestimmungen gegeben. Der vierte Probeprediger wird als berufen angesehen, wenn am „Fragetag", d. h. dem Sonntag nach der letzten Wahlpredigt, bei der Abstimmung die Rein-Stimmen nicht die Hälfte der abgegebenen Stimmen ausmachen. Weiter darf die Zahl der Stimmen für den Pastor, der die meisten bekam, nicht unter 20 sein, und die abgegebenen Stimmen müssen entweder mindestens Vs sämtlicher im amtlichen Wahlregister angegebenen Stimmberechtigten oder mindestens 300 betragen. Weiter findet sich folgende Bestimmung: keiner darf als vierter vorgeschlagen werden, der nicht wenigstens das­ selbe Dienstalter hat, wie der Jüngste der drei vorgeschlagenen, oder er muß mindestens 10 Jahre schon im Amt gewesen sein. Bei der folgenden Abstimmung stehen also vier Geistliche zur Wahl. Wenn einer von diesen mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält und wenn mindestens l/t> sämtlicher Stimmberechtigten an der Wahl teilge­

nommen haben, bestätigt der König diesen. Sind die genannten Be­ dingungen nicht erfüllt, so ernennt der König entweder einen beliebigen der vier Bewerber, oder einen außerordentlichen Bewerber, der sich dazu gemeldet hat. Das Recht sich direkt beim König zu bewerben, können Missionare, Gesandtschastsprediger der schwedischen Kirche und einige andre erlangen. Man ist in der schwedischen Kirche so an die Wahl der Pastoren gewöhnt, daß man sich die Möglichkeit eines andern Systems gar nicht denken kann. (Ls ist jedoch zu bemerken, daß es noch eine geringe Zahl Patronatsstellen gibt). Selbstverständlich ist, daß Wahl nicht immer glückbringend ist, weder für die Gemeinden, noch für die Pastoren. Den Vorteil hat die Wahl doch immer an sich, daß der Pastor nicht ie irgend ein andrer von der Behörde ernannter Beamte zu seiner w

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Gemeinde Kommt, was die neue Wahlordnung betrifft, so sind die mit ihr besonders verbundenen Schwierigkeiten leicht wahrzunehmen. Man kann sich denken, daß die Wahl infolge des allgemeinen Wahl­ rechts unter politische Gesichtspunkte gestellt werden könnte, was natür­ lich große Gefahren für die moralische Selbständigkeit der Pastoren in -er einen oder andern Weise in sich bergen würde.